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<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong><br />
Das Wichtige im Überblick<br />
Mietrecht<br />
Schönheitsreparaturen: Unwirksamkeit starrer<br />
Fristenpläne erfasst ggf. auch Endrenovierungsklausel<br />
(BGH)<br />
Haftungs- und Versicherungsrecht<br />
Gebäudeversicherung: Abgrenzung von Rohrbruch-<br />
und Leitungswasserschäden (OLG Bamberg)<br />
Arbeitsrecht<br />
Befristete Arbeitsverhältnisse: Sachgrundlose<br />
Befristungen für ältere Arbeitnehmer nach<br />
§14 Abs. 3 S. 4 TzBfG sind unzulässig (BAG)<br />
Arbeitgeberinsolvenz: Tarifvertragliche Abfindungsansprüche<br />
sind einfache Insolvenzforderungen<br />
(BAG)<br />
Freizeitausgleich: Kompensation für Nachtarbeit<br />
muss regelmäßig 25 % der Nachtarbeitsstunden<br />
betragen (BAG)<br />
Sozialrecht<br />
ALG II: Auszahlung der Eigenheimzulage regelmäßig<br />
unschädlich (SG Dortmund)<br />
Handels- und Gesellschaftsrecht<br />
Gesellschafterversammlung: Schwerwiegende Einladungsmängel<br />
können Nichtigkeit der Beschlüsse<br />
zur Folge haben (BGH)<br />
Aus dem Inhalt:<br />
15/06<br />
Bankrecht<br />
Immobilienfonds: Anteilserwerb und Darlehensvertrag<br />
sind nur ausnahmsweise verbundene<br />
Geschäfte i.S.v. § 9 VerbrKrG (BGH)<br />
Immobilienfonds: Falsche Angaben über Innenprovisionen<br />
führen zu Beweiserleichterungen<br />
zugunsten des Anlegers (BGH)<br />
Steuerrecht<br />
Fahrtenbücher: Detaillierte Angaben zu Kundenbesuchen<br />
erforderlich (BFH)<br />
Spekulationsfrist: Nicht bei Entnahmen vor dem<br />
1.1.1999 (FG Köln)
<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 15/06 Inhalt<br />
Mietrecht<br />
Starrer Fristenplan für Schönheitsreparaturen:<br />
Unwirksamkeit des Fristenplans kann auch Renovierungspflicht<br />
beim Auszug des Mieters erfassen<br />
BGH 5.4.2006, VIII ZR 178/05 4<br />
Haftungs- und Versicherungsrecht<br />
Gebäudeversicherungen haften nicht für jeden<br />
Rohrschaden<br />
OLG Bamberg 8.2.2006, 1 U 241/05 4<br />
Familien- und Erbrecht<br />
Mütter dürfen ihre im Ausland beim Vater lebenden<br />
Kinder nicht ohne weiteres in Deutschland zurückhalten<br />
OLG Stuttgart 3.4.2006, 17 UF 318/05 5<br />
Arbeitsrecht<br />
Arbeitsverhältnisse mit älteren Arbeitnehmern dürfen<br />
nicht mehr gemäß § 14 Abs.3 S.4 TzBfG uneingeschränkt<br />
sachgrundlos befristet werden<br />
BAG 26.4.2006, 7 AZR 500/04 5<br />
Tarifvertragliche Abfindungsansprüche sind bei<br />
Insolvenz des Arbeitgebers einfache Insolvenzforderungen<br />
BAG 27.4.2006, 6 AZR 364/05 6<br />
Bezahlte Freizeit als Ausgleich für Nachtarbeit muss<br />
regelmäßig 25 Prozent der Nachtarbeitsstunden<br />
betragen<br />
BAG 1.2.2006, 5 AZR 422/04 6<br />
Lehrer an privaten Ersatzschulen dürfen nicht deutlich<br />
weniger verdienen als Lehrer an öffentlichen<br />
Schulen 7<br />
Sozialrecht<br />
Abschlagszahlungen für Heizkosten nicht erbracht:<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger haben keinen<br />
Anspruch auf zusätzliche Zahlungen<br />
LSG Rheinland-Pfalz 4.4.2006, L 3 ER 41/06 AS 7<br />
Auszahlung der Eigenheimzulage führt regelmäßig<br />
nicht zum Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld<br />
II<br />
SG Dortmund 9.3.2006, S 27 AS 240/05 8<br />
Handels- und Gesellschaftsrecht<br />
Investition in ausländische Investmentanteile: Anleger<br />
haben bei Verstoß gegen § 2 Abs.1 Nr.1-5 Auslandinvestmentgesetz<br />
einen deliktischen Schadensersatzanspruch<br />
OLG Karlsruhe 24.2.2006, 1 U 190/05 8<br />
Mit schwerwiegenden Mängeln behaftete Ladung<br />
zur Gesellschafterversammlung kann Nichtigkeit<br />
der Beschlüsse zur Folge haben<br />
BGH 13.2.2006, II ZR 200/04 9<br />
Wettbewerber können die Fusion von Unternehmen<br />
nicht mittels der in § 36 Abs.1 GWB geregelten<br />
Fusionskontrolle verhindern<br />
OLG Düsseldorf 25.10.2005, VI-Kart 15/05 (V) 9<br />
Bankrecht<br />
BGH klärt Streitfragen zur Haftung der Banken bei<br />
Rückabwicklung eines kreditfinanzierten Erwerbs<br />
von Immobilienfonds-Anteilen<br />
BGH 25.4.2006, XI ZR 193/04 u.a. 10<br />
Immobilienfonds: Bei falschen Prospektangaben<br />
über die Innenprovisionen kommen Anlegern<br />
Beweiserleichterungen zugute<br />
BGH 9.2.2006, III ZR 20/05 11<br />
Wettbewerbsrecht und Gewerblicher<br />
Rechtsschutz<br />
Für die Bezeichnung „Fußball WM 2006“ besteht<br />
kein Markenschutz<br />
BGH 27.4.2006, I ZB 96/05 u. I ZB 97/05 11<br />
Das Wort „Matratzen“ kann in Spanien als Wortmarke<br />
eingetragen werden<br />
EuGH 9.3.2006, C-421/04 12
<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 15/06 Inhalt<br />
Strafrecht und OWi<br />
EU-Kommission will Kampf gegen Produktpiraterie<br />
verschärfen 12<br />
Steuerrecht<br />
Fahrtenbücher müssen regelmäßig Angaben zu den<br />
aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartnern enthalten<br />
BFH 16.3.2006, VI R 87/04 13<br />
Vor dem 1.1.1999 erfolgte Entnahmen aus dem<br />
Betriebsvermögen setzen keine Spekulationsfrist in<br />
Gang<br />
FG Köln 30.3.2006, 10 K 4387/05 13<br />
Aufwendungen für Baumaßnahmen am eigenen<br />
Wohnhaus sind regelmäßig nicht als außergewöhnliche<br />
Belastungen abziehbar<br />
FG Rheinland-Pfalz 29.3.2006, 3 K 2264/03 14<br />
Bundeskabinett will mittelständische Wirtschaft von<br />
Bürokratie befreien 15<br />
Verlag<br />
Impressum<br />
Verlag Dr. Otto Schmidt KG in Kooperation mit dem <strong>Anwalt</strong>-<strong>Suchservice</strong><br />
Gustav-Heinemann-Ufer 58<br />
50968 Köln<br />
Geschäftsführender Gesellschafter: Dr. h.c. Karl-Peter Winters<br />
Amtsgericht Köln, HRA 5237<br />
USt-Ident-Nr. DE 123047975<br />
Zitierweise<br />
<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> Jahrgang, Ausgabe, Seite<br />
ISSN 1613-8090<br />
Schriftleitung und Verlagsredaktion:<br />
Petra Rülfing, Ass.jur; Imke Sawitzky, Ass.jur; Rüdiger Donnerbauer (verantw.)<br />
Redaktion <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong>, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln-Marienburg<br />
E-Mail: anwaltswoche@otto-schmidt.de<br />
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Die Inhalte der <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> werden sorgfältig geprüft und nach bestem<br />
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Rechtswirksamkeit des Haftungsausschlusses<br />
Sofern Teile oder einzelne Formulierungen dieses Textes der geltenden<br />
Rechtslage nicht, nicht mehr oder nicht vollständig entsprechen sollten, bleiben<br />
die übrigen Teile des Dokumentes in ihrem Inhalt und ihrer Gültigkeit<br />
davon unberührt.
Mietrecht<br />
Starrer Fristenplan für Schönheitsreparaturen:<br />
Unwirksamkeit des Fristenplans kann<br />
auch Renovierungspflicht beim Auszug des<br />
Mieters erfassen<br />
BGH 5.4.2006, VIII ZR 178/05<br />
Eine Klausel in einem formularmäßigen Mietvertrag, wonach<br />
der Mieter innerhalb bestimmter Zeiträume Schönheitsreparaturen<br />
vornehmen muss, ohne dass es auf den konkreten Renovierungsbedarf<br />
ankommt, ist unwirksam. Die Unwirksamkeit eines<br />
solchen starren Fristenplans erfasst auch die Klauseln über die<br />
Renovierungspflicht oder quotenmäßige Abgeltung angefangener<br />
Renovierungsintervalle beim Auszug des Mieters, soweit die<br />
Klauseln eine zusammengehörende Gesamtregelung der Renovierungspflichten<br />
des Mieters darstellen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Beklagte hatte von der Klägerin eine Wohnung gemietet.<br />
Der formularmäßige Mietvertrag enthielt in § 6 unter der Überschrift<br />
„Erhaltung der Mietsache“ folgende Regelungen:<br />
„(1) Der Mieter hat während der Mietzeit die Schönheitsreparaturen<br />
auf seine Kosten ... auszuführen, und zwar in Küche, Bad,<br />
WC alle drei Jahre, in den übrigen Räumen alle fünf Jahre...<br />
(2) Nach Beendigung des Mietverhältnisses hat der Mieter ...<br />
unter Berücksichtigung des vereinbarten Fristenplans alle bis<br />
dahin je nach Grad der Abnutzung oder Beschädigung erforderlichen<br />
Schönheitsreparaturen auszuführen. (...)<br />
(3) Weist der Mieter nach, dass die letzten Schönheitsreparaturen<br />
innerhalb der oben genannten Fristen ... durchgeführt worden<br />
sind, ...so muss er anteilig den Betrag an den Vermieter zahlen,<br />
der aufzuwenden wäre, wenn die Wohnung im Zeitpunkt der<br />
Vertragsbeendigung renoviert würde...Der Mieter kann die Zahlungsverpflichtung<br />
dadurch abwenden, dass er die Schönheitsreparaturen<br />
selbst durchführt.“<br />
Nach viereinhalbjähriger Mietzeit kündigte der Beklagte den<br />
Mietvertrag und zog aus der Wohnung aus, ohne während der<br />
Vertragslaufzeit oder beim Auszug Schönheitsreparaturen durchgeführt<br />
zu haben. Die Klägerin beauftragte daraufhin Handwerker<br />
mit der kompletten Renovierung der Wohnung und verlangte<br />
vom Beklagten den Ersatz der Renovierungskosten. Ihre hierauf<br />
gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung<br />
der Renovierungskosten. Der Beklagte war vertraglich nicht<br />
zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet, da der<br />
formularmäßige Mietvertrag in § 6 Nr.1 einen starren Fristenplan<br />
enthält und insoweit wegen unangemessener Benachteiligung<br />
des Beklagten nach § 9 Abs.1 AGBG (jetzt § 307 Abs.1 S.1<br />
BGB) unwirksam ist.<br />
Ein Fristenplan ist nur dann zulässig, wenn der Vermieter durch<br />
Formulierungen wie „in der Regel“ oder „im Allgemeinen“<br />
zum Ausdruck bringt, dass die Fristen flexibel sind und an den<br />
tatsächlichen Renovierungsbedarf angepasst werden können. Er<br />
ist dagegen unzulässig, wenn der Mieter die Schönheitsreparaturen<br />
– unabhängig vom konkreten Renovierungsbedarf - innerhalb<br />
bestimmter Intervalle durchführen muss. Hierfür ist nicht<br />
erforderlich, dass die Frist durch Worte wie „mindestens“ oder<br />
„spätestens“ verstärkt wird. Vielmehr reicht es aus, wenn der<br />
formularmäßige Mietvertrag – wie hier - eine bestimmte Frist<br />
ohne jeden Zusatz enthält.<br />
Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, gemäß § 6 Nr.2 des<br />
Mietvertrags bei Auszug zu renovieren oder gemäß § 6 Nr.3 des<br />
Mietvertrags einen anteiligen Betrag der Kosten für die Schönheitsreparaturen<br />
zu übernehmen. Beide Klauseln nehmen auf<br />
den unzulässigen starren Fristenplan in § 6 Nr.1 Bezug und werden<br />
von der Unwirksamkeit dieser Klausel erfasst. Dabei ist zu<br />
berücksichtigen, dass § 6 des Mietvertrags eine zusammengehörende<br />
Gesamtregelung der Renovierungspflichten des Mieters<br />
enthält. Grundlage dieser Regelung ist der Fristenplan. Fällt dieser<br />
weg, so verlieren die nachfolgenden Klauseln ihren Sinn.<br />
Linkhinweis:<br />
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />
BGH veröffentlicht.<br />
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier<br />
(pdf-Datei).<br />
Haftungs- und<br />
Versicherungsrecht<br />
Gebäudeversicherungen haften nicht für<br />
jeden Rohrschaden<br />
OLG Bamberg 8.2.2006, 1 U 241/05<br />
Wohngebäudeversicherungen müssen nicht für jede Form eines<br />
Rohrschadens aufkommen. Eine Einstandspflicht besteht nach<br />
den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vielmehr nur, wenn<br />
ein Rohrbruch oder Leitungswasserschaden vorliegt. Ein Rohrbruch<br />
setzt voraus, dass das Rohrmaterial beschädigt ist. Diese<br />
Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Rohre selbst intakt und<br />
nur nicht fachgerecht miteinander verbunden sind.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger ist bei der beklagten Gebäude- und Leitungswasserversicherung<br />
versichert. Bei Betätigung der Toilettenspülung in<br />
seinem Haus spritzte das Wasser aus der Toilette heraus. Das<br />
Abwasser hatte sich zurückgestaut, weil sich eine Rohrmuffe<br />
unter der Bodenplatte gelöst hatte. Hierdurch war das Leitungsrohr<br />
auf eine Länge von viereinhalb Metern abgesackt.<br />
Der Kläger ließ den Schaden von einem Klempner für 11.000<br />
Euro reparieren und nahm die Beklagte auf Zahlung des Betrags<br />
in Anspruch. Die Beklagte lehnte jede Entschädigung ab, weil<br />
kein Versicherungsfall vorliege. Die hiergegen gerichtete Klage<br />
hatte sowohl vor dem LG als auch vor dem OLG keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Entschädigung<br />
für seinen Rohrschaden.<br />
Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen muss die<br />
Beklagte nur für einen Rohrbruch oder einen Leitungswasserschaden<br />
einstehen. Ein Rohrbruch liegt vor, wenn das Material<br />
des Rohrs durch ein Loch oder einen Riss beschädigt ist. Dies<br />
war hier nicht der Fall. Denn die einzelnen Rohre des Leitungs-<br />
15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 4
systems waren intakt. Zu dem Schaden ist es nur gekommen,<br />
weil das Anschlussstück des WC nicht fachgerecht mit dem<br />
Grundleitungsrohr verbunden war.<br />
Auch ein Leitungswasserschaden liegt hier nicht vor. Ein solcher<br />
liegt vor, wenn aus einem Rohr ausgetretenes Wasser Gegenstände<br />
des Versicherten beschädigt, wie dies beispielsweise bei<br />
Durchnässungsschäden der Fall ist. Im Streitfall ging es jedoch<br />
nicht um eine Entschädigung für durch Wasser beschädigte<br />
Gegenstände, sondern für die Reparatur des Rohrsystems.<br />
Familien- und Erbrecht<br />
Mütter dürfen ihre im Ausland beim Vater<br />
lebenden Kinder nicht ohne weiteres in<br />
Deutschland zurückhalten<br />
OLG Stuttgart 3.4.2006, 17 UF 318/05<br />
Mütter, die ihr Einverständnis dazu erteilt haben, dass ihre Kinder<br />
beim Vater im Ausland leben, dürfen die Kinder nach einem<br />
Besuch nicht ohne weiteres in Deutschland zurückhalten. Ein<br />
Zurückhaltungsrecht kommt vielmehr nur in Betracht, wenn die<br />
Rückführung der Kinder mit der schwerwiegenden Gefahr einer<br />
körperlichen oder seelischen Schädigung der Kinder verbunden<br />
ist.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Antragsteller ist italienischer Staatsangehöriger. Er hat mit<br />
der Antragsgegnerin, einer deutschen Staatsangehörigen, ein<br />
sechsjähriges Kind. Dieses lebt mit dem Einverständnis der<br />
Antragsgegnerin beim Antragsteller in Italien. Während eines<br />
Krankenhausaufenthalts des Antragstellers hielt sich das Kind<br />
bei der Antragsgegnerin in Deutschland auf. Diese verweigerte<br />
später die Rückkehr des Kindes nach Italien.<br />
Auf den Antrag des Antragstellers ordnete das AG die Rückführung<br />
des Kindes nach Italien an, weil die Antragsgegnerin das<br />
Kind widerrechtlich in Deutschland zurückhalte. Das Gericht<br />
stützte seine Entscheidung auf das Haager Übereinkommen über<br />
die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung<br />
vom 25.10.1980 (HkiEntÜ). Sie habe durch das Zurückhalten<br />
das Sorgerecht des Vaters verletzt. Die gegen diese Entscheidung<br />
gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hatte keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Die Antragsgegnerin hat kein Recht, das Kind in Deutschland<br />
zurückzuhalten. Ein Zurückhaltungsrecht könnte der Antragsgegnerin<br />
lediglich zustehen, wenn zu befürchten wäre, dass die<br />
Rückführung mit der schwerwiegenden Gefahr einer körperlichen<br />
oder seelischen Schädigung des Kindes verbunden wäre.<br />
Eine solche Gefährdung des Kindes hat die Antragsgegnerin<br />
nicht hinreichend dargelegt. Zudem hat sie beim zuständigen italienischen<br />
Gericht bislang noch keine Maßnahme zur Regelung<br />
des Sorgerechts beantragt. Würde sie eine Gefährdung ihres Kindes<br />
befürchten, hätte sie entsprechende Maßnahmen eingeleitet.<br />
Arbeitsrecht<br />
Arbeitsverhältnisse mit älteren Arbeitnehmern<br />
dürfen nicht mehr gemäß § 14 Abs.3<br />
S.4 TzBfG uneingeschränkt sachgrundlos<br />
befristet werden<br />
BAG 26.4.2006, 7 AZR 500/04<br />
§ 14 Abs.3 S.4 TzBfG, wonach Arbeitsverhältnisse mit über 52<br />
Jahre alten Arbeitnehmern ohne Einschränkung sachgrundlos<br />
befristet werden dürfen, ist nach einer Entscheidung des EuGH<br />
vom 22.11.2005 (Rs.: C-144/04) nicht mehr anwendbar. Daher<br />
sind alle ausschließlich auf § 14 Abs.3 S.4 TzBfG gestützten<br />
sachgrundlosen Befristungen unwirksam. Die Arbeitgeber können<br />
insoweit keinen Vertrauensschutz beanspruchen, da die Vereinbarkeit<br />
der Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht bereits<br />
seit ihrem In-Kraft-Treten umstritten war.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der 1950 geborene Kläger war seit Juli 1999 auf Grund mehrerer<br />
befristeter Arbeitsverhältnisse als Aushilfe beschäftigt. Der<br />
zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 18.2.2003 sah eine<br />
Befristung des Arbeitsverhältnisses vom 19.2.2003 bis zum<br />
31.4.2004 vor.<br />
Mit seiner Klage verlangte der Kläger die Weiterbeschäftigung<br />
über den 31.4.2004 hinaus. Er machte geltend, dass die zuletzt<br />
vereinbarte Befristung unwirksam sei. Sie könne insbesondere<br />
nicht auf § 14 Abs.3 S.4 TzBfG gestützt werden, wonach<br />
Arbeitsverhältnisse mit über 52 Jahre alten Arbeitnehmern<br />
uneingeschränkt sachgrundlos befristet werden könnten. Diese<br />
Vorschrift stelle eine unzulässige Diskriminierung wegen des<br />
Alters dar und verstoße deshalb gegen das Gemeinschaft.<br />
ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Nachdem der EuGH am<br />
22.11.2005 (Rs.: C-144/04) in einem anderem Fall entschieden<br />
hatte, dass § 14 Abs.3 S.4 TzBfG eine nach Gemeinschaftsrecht<br />
unzulässige Diskriminierung wegen des Alters darstelle und deshalb<br />
von den nationalen Gerichten nicht mehr angewendet werden<br />
dürfe, gab das BAG der Klage statt.<br />
Die Gründe:<br />
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf unbefristete<br />
Weiterbeschäftigung, da die zuletzt vereinbarte Befristung<br />
unwirksam war. Grundsätzlich ist die Befristung eines Arbeitsvertrags<br />
gemäß § 14 Abs.1 S.1 TzBfG nur zulässig, wenn sie<br />
durch einen Sachgrund befristet ist. § 14 Abs.3 S.4 TzBfG sieht<br />
hiervon eine Ausnahme vor, indem es Befristungen mit über 52<br />
Jahre alten Arbeitnehmern auch ohne Sachgrund und ohne zeitliche<br />
Einschränkungen erlaubt<br />
§ 14 Abs.3 S.4 TzBfG ist nach dem Urteil des EuGH vom<br />
22.11.2005 (Rs.: C-144/04) nicht mehr anwendbar. Daher sind<br />
Befristungen, die – wie hier – allein auf diese Vorschrift gestützt<br />
worden sind, unwirksam.<br />
Die Arbeitgeber können sich im Hinblick auf vor der EuGH-<br />
Entscheidung abgeschlossene befristete Arbeitsverträge nicht<br />
auf den sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Vertrauensschutz<br />
berufen. Denn der EuGH hat seinen Ausspruch über<br />
die Unanwendbarkeit von § 14 Abs.3 S.4 TzBfG nicht in zeitlicher<br />
Hinsicht begrenzt. Auch nach nationalem Recht können<br />
die Arbeitgeber keinen Vertrauensschutz beanspruchen, da die<br />
15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 5
Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht bereits<br />
seit ihrem In-Kraft-Treten umstritten war.<br />
Der Hintergrund:<br />
Nach § 14 Abs.3 S.1 TzBfG können Arbeitsverhältnisse mit<br />
Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, ohne<br />
Einschränkungen sachgrundlos befristet werden. Durch das Erste<br />
Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom<br />
23.12.2002 („Hartz-I-Gesetz“) hat der Gesetzgeber die Altersgrenze<br />
für die sachgrundlose Befristung von älteren Arbeitnehmern<br />
in § 14 Abs.3 S.4 TzBfG bis zum 31.12.2006 auf 52 Jahre<br />
abgesenkt.<br />
Linkhinweis:<br />
Für den Volltext der auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten<br />
Entscheidung vom 22.11.2005 (Rs.: C-144/04) klicken<br />
Sie bitte hier.<br />
Tarifvertragliche Abfindungsansprüche sind<br />
bei Insolvenz des Arbeitgebers einfache<br />
Insolvenzforderungen<br />
BAG 27.4.2006, 6 AZR 364/05<br />
Tarifvertragliche Abfindungsansprüche bei Kündigung des<br />
Arbeitsverhältnisses auf Grund von Rationalisierungsmaßnahmen<br />
stellen bei Insolvenz des Arbeitgebers keine vorweg zu<br />
befriedigenden Masseverbindlichkeiten dar, sondern einfache<br />
Insolvenzforderungen. Das gilt auch, wenn die Kündigung erst<br />
nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter<br />
ausgesprochen wird.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger war seit 1990 bei der späteren Insolvenzschuldnerin<br />
als Druckerhelfer beschäftigt. Der Haustarifvertrag der Insolvenzschuldnerin<br />
sah vor, dass Arbeitnehmer, die auf Grund von Rationalisierungsmaßnahmen<br />
aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden,<br />
eine Abfindung beanspruchen können, die bei einer Betriebszugehörigkeit<br />
von mehr als 13 Jahren das zehnfache eines Monatsgehalts<br />
beträgt.<br />
Nachdem über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren<br />
eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter<br />
bestellt worden war, wurde ein Interessenausgleich geschlossen,<br />
der eine Reduzierung der Belegschaft von 80 auf 40 Arbeitnehmer<br />
vorsah und eine Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer<br />
enthielt. In dieser war auch der Kläger aufgeführt. Der Beklagte<br />
kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom<br />
29.3.2004 zum 30.6.2004.<br />
Mit seiner Klage verlangte der Kläger die Zahlung einer Abfindung<br />
in Höhe des zehnfachen seines Monatsverdienstes. Er machte<br />
geltend, dass der tarifvertragliche Anspruch durch die Kündigung<br />
des Beklagten und damit eine Handlung des Insolvenzverwalters<br />
im Sinn von § 55 InsO begründet worden sei und als Masseschuld<br />
nicht der Beschränkung des § 123 InsO unterliege. Seine Klage<br />
hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Ein etwaiger Abfindungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten<br />
stellt keine gemäß § 53 InsO vorweg zu befriedigende Masseverbindlichkeit<br />
im Sinn von § 55 InsO dar, sondern eine einfache<br />
Insolvenzforderung im Sinn von § 38 InsO. Denn bei einem<br />
tariflichen Abfindungsanspruch handelt es sich auch dann nicht<br />
um eine durch eine Handlung des Insolvenzverwalters begründete<br />
Verbindlichkeit im Sinn von § 55 Abs.1 Nr.1 InsO, wenn die Kündigung<br />
- wie hier – nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch<br />
den Insolvenzverwalter erklärt wird.<br />
Bezahlte Freizeit als Ausgleich für Nachtarbeit<br />
muss regelmäßig 25 Prozent der Nachtarbeitsstunden<br />
betragen<br />
BAG 1.2.2006, 5 AZR 422/04<br />
Arbeitgebern steht ein Wahlrecht zu, ob sie Nachtarbeit bei Fehlen<br />
einer tariflichen Regelung durch einen angemessenen Zuschlag<br />
oder durch eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage ausgleichen.<br />
Da beide Leistungen gleichwertig nebeneinander stehen, ist<br />
die Angemessenheit nach einem einheitlichen Maßstab zu beurteilen.<br />
Regelmäßig ist ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 Prozent<br />
der Vergütung angemessen. Daher muss auch der Freizeitausgleich<br />
in der Regel 25 Prozent der Nachtarbeitsstunden betragen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger ist seit 1994 bei der nicht tarifgebundenen Beklagten<br />
als Lebensmitteltechniker beschäftigt. Er arbeitet in Wechselschicht<br />
und wird während der Nachtschichten als Schichtleiter<br />
eingesetzt. Sein Arbeitsvertrag enthält keine Regelungen zum<br />
Ausgleich für Nachtarbeit.<br />
Mit seiner Klage verlangte der Kläger von der Beklagten einen<br />
finanziellen Ausgleich für die von ihm in den Jahren 1997 bis 1999<br />
während der Nachtschichten geleisteten Arbeitsstunden in Höhe<br />
von 25 Prozent der Vergütung und alternativ einen Ausgleich in<br />
Form von bezahlten freien Tagen im Umfang von 25 Prozent der<br />
Nachtarbeitsstunden. Die hierauf gerichtete Klage hatte in allen<br />
Instanzen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Die Beklagte muss dem Kläger entweder den begehrten Nachtarbeitszuschlag<br />
auszahlen oder den Freizeitausgleich gewähren.<br />
Das ergibt sich aus § 6 Abs.5 ArbZG, wonach Arbeitgeber<br />
Nachtarbeitnehmern bei Fehlen einer tariflichen Regelung für die<br />
während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden entweder eine<br />
angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen<br />
Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt gewähren müssen.<br />
Zwischen den Parteien ist inzwischen unstreitig, dass ein Nachtarbeitszuschlag<br />
in Höhe von 25 Prozent angemessen ist. Dies<br />
entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des BAG. Entgegen<br />
der Auffassung der Beklagten beläuft sich der angemessene<br />
Freizeitausgleich allerdings ebenfalls auf 25 Prozent der<br />
Nachtarbeitsstunden und ist nicht niedriger anzusetzen. Denn § 6<br />
Abs.5 ArbZG stellt die Möglichkeit der Zahlung eines Zuschlags<br />
und der Gewährung bezahlter freier Tage gleichwertig nebeneinander.<br />
Daher ist auch die Angemessenheit nach einem einheitlichen<br />
Maßstab zu beurteilen.<br />
Gleichwertige Leistungen liegen nur bei einem gleichen prozentualen<br />
Aufschlag in Geld oder Zeit vor. Dabei ist auch zu berücksichtigen,<br />
dass Vergütung und Arbeitszeit im Arbeitsvertrag im<br />
Gegenseitigkeitsverhältnis stehen und Freizeitausgleich für den<br />
Arbeitgeber nicht stets teurer ist als ein Zuschlag. Dem Arbeitgeber<br />
ist es unbenommen die bezahlte Freistellung während der<br />
Tagschichten zu gewähren und dadurch einen (weiteren) Ausgleich<br />
für Nachtarbeit einzusparen. Auch kann er unter Umständen<br />
geringer bezahlte Arbeitnehmer einsetzen.<br />
15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 6
Linkhinweis:<br />
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />
BAG veröffentlicht.<br />
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />
Lehrer an privaten Ersatzschulen dürfen<br />
nicht deutlich weniger verdienen als Lehrer<br />
an öffentlichen Schulen<br />
Die Vergütung von Lehrern an privaten Ersatzschulen darf in<br />
Brandenburg 75 Prozent der Vergütung der vergleichbaren Lehrer<br />
an öffentlichen Schulen nicht unterschreiten. Anderenfalls ist<br />
die Vergütungsvereinbarung sittenwidrig und kann der betroffene<br />
Lehrer eine entsprechende Gehaltsnachzahlung verlangen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger war bis zum Eintritt in den Ruhestand als Schulleiter<br />
einer vom Beklagten getragenen privaten Ersatzschule in<br />
Brandenburg beschäftigt. Seine Vergütung betrug auf Grund<br />
arbeitsvertraglicher Vereinbarung 3.350 Euro und damit rund 70<br />
Prozent der Vergütung, die vergleichbare Lehrer an einer öffentlichen<br />
Schule nach dem BAT-Ost erhalten.<br />
Der Kläger machte geltend, dass seine Vergütung sittenwidrig<br />
gewesen sei, und verlangte vom Beklagten die Nachzahlung von<br />
Gehalt für die Zeit vom 1.1.2001 bis zum 31.5.2003 in Höhe<br />
von rund 50.700 Euro. Er stützte sich zur Begründung auf das<br />
Schulrecht des Landes Brandenburg, wonach eine Privatschule<br />
nur genehmigt werden könne, wenn die Vergütung der Lehrer<br />
mindestens 75 Prozent der Gehälter der vergleichbaren im<br />
öffentlichen Dienst beschäftigten Lehrer betrage.<br />
ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des<br />
Klägers hob das BAG die Vorentscheidungen auf und wies die<br />
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG<br />
zurück.<br />
Die Gründe:<br />
Die streitige Vergütungsvereinbarung ist sittenwidrig und damit<br />
nach § 138 Abs.1 BGB nichtig.<br />
§ 138 Abs.1 BGB schützt auch anerkannte Rechts- und Grundwerte<br />
des Gemeinschaftslebens, die sich aus dem Grundgesetz<br />
und einfachgesetzlichen Regelungen ergeben. Daher ist im<br />
Streitfall zu berücksichtigen, dass das die Privatschulfreiheit in<br />
Art. 7 Abs.4 GG konkretisierende Schulrecht vorsieht, dass die<br />
Personalkosten anerkannter Ersatzschulen zu 97 Prozent vom<br />
Land Brandenburg übernommen werden und die Genehmigung<br />
voraussetzt, dass die Vergütung der angestellten Lehrkräfte mindestens<br />
75 Prozent der Gehälter der vergleichbaren Lehrer im<br />
öffentlichen Dienst beträgt.<br />
Aus den Regelungen des Landesschulrechts folgt, dass eine 75<br />
Prozent unterschreitende Vergütung nicht den guten Sitten im<br />
Sinn von § 138 BGB entspricht. Die Sache war an das LAG<br />
zurückzuverweisen, da dieses noch aufklären muss, wie hoch die<br />
übliche Vergütung im Sinn von § 612 Abs.2 BGB von Schulleitern<br />
anerkannter privater Ersatzschulen in Brandenburg ist.<br />
Sozialrecht<br />
Abschlagszahlungen für Heizkosten nicht<br />
erbracht: Arbeitslosengeld-II-Empfänger<br />
haben keinen Anspruch auf zusätzliche<br />
Zahlungen<br />
LSG Rheinland-Pfalz 4.4.2006, L 3 ER 41/06 AS<br />
Wenn Arbeitslosengeld-II-Empfänger die in den Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhalts enthaltenen Heizkostenzuschläge<br />
nicht für die fälligen Abschlagszahlungen verwenden, haben<br />
sie gegen die Agentur für Arbeit keinen Anspruch auf zusätzliche<br />
Zahlungen. Heizkosten können anders als Mietschulden auch<br />
nicht darlehensweise von der Agentur für Arbeit übernommen<br />
werden. Die Betroffenen müssen sich vielmehr an den Sozialhilfeträger<br />
wenden, der in Sonderfällen Darlehen zur Schuldentilgung<br />
gewähren kann.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Antragstellerin bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts,<br />
die auch einen Betrag zur Deckung der Heizkosten<br />
enthielten. Die Antragstellerin leistete mehrere keine Abschlagszahlungen<br />
für die Heizkosten und verbrauchte den Heizkostenzuschlag<br />
für andere Zwecke. Als daraufhin das Gas gesperrt<br />
wurde, beantragte sie bei der Agentur für Arbeit (Antragsgegnerin)<br />
die Übernahme der rückständigen Gaskosten.<br />
Die Antragsgegnerin lehnte die Kostenübernahme ab, weil die<br />
Leistungen für Heizkosten bereits gewährt worden seien. Der daraufhin<br />
gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung<br />
hatte sowohl vor dem SG als auch vor dem LSG keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen<br />
Anspruch auf Übernahme der rückständigen Heizkosten. Arbeitslosengeld-II-Empfänger<br />
erhalten im Rahmen der Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhalts zwar Leistungen für Unterkunft<br />
und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen. Diese<br />
Leistungen hat die Antragstellerin aber bereits erhalten und nur<br />
nicht zweckentsprechend eingesetzt.<br />
Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin auch nicht<br />
die Gewährung eines Darlehens zur Tilgung der rückständigen<br />
Heizkosten verlangen. Nach § 22 Abs.5 SGB II können lediglich<br />
Mietkosten als Darlehen übernommen werden, wenn anderenfalls<br />
der Verlust der Wohnung droht. Bei den Rückständen<br />
wegen Abschlagszahlungen für Heizkosten handelt es sich nicht<br />
um Mietschulden im Sinn von § 22 Abs.5 SGB II.<br />
Auch die Voraussetzungen einer Darlehensgewährung gemäß §<br />
23 Abs.1 SGB II sind nicht erfüllt, weil diese Vorschrift nur für<br />
den von den Regelleistungen umfassten Bedarf gilt. Heizkosten<br />
gehören aber nicht zu den Regelleistungen, sondern werden<br />
gemäß § 22 Abs.1 SGB II in tatsächlicher Höhe übernommen.<br />
Die Antragstellerin kann sich damit allenfalls an den Sozialhilfeträger<br />
wenden, weil dieser in Sonderfällen Darlehen zur Schuldtilgung<br />
gewähren kann.<br />
Linkhinweis:<br />
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage der<br />
Justiz Rheinland-Pfalz veröffentlicht.<br />
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />
15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 7
Auszahlung der Eigenheimzulage führt<br />
regelmäßig nicht zum Wegfall des<br />
Anspruchs auf Arbeitslosengeld II<br />
SG Dortmund 9.3.2006, S 27 AS 240/05<br />
Langzeitarbeitslose haben regelmäßig auch im Monat der Auszahlung<br />
der Eigenheimzulage einen Anspruch auf ungekürztes<br />
Arbeitslosengeld II. Dies setzt nicht voraus, dass der Betroffene<br />
die Eigenheimzulage unwiderruflich an die den Immobilienkredit<br />
gewährende Bank abgetreten hat. Eine zweckentsprechende<br />
Verwendung der Eigenheimzulage ist vielmehr bereits dann<br />
nachgewiesen, wenn die jährlichen Zinsen und Gebühren für den<br />
Immobilienkredit die Höhe der Zulage erreichen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger, ein arbeitsloser Familienvater mit noch nicht abbezahltem<br />
Eigenheim, bezieht Arbeitslosengeld II. Im Monat der<br />
Auszahlung der Eigenheimzulage in Höhe von 2.045 Euro verwehrte<br />
die beklagte ARGE dem Kläger die Gewährung von<br />
Arbeitslosengeld II wegen fehlender Bedürftigkeit. Mit seiner<br />
hiergegen gerichtete Klage machte der Kläger unter anderem<br />
geltend, dass seine jährlichen Zinsaufwendungen für den Immobilienkredit<br />
den Betrag der Eigenheimzulage überstiegen. Die<br />
Klage hatte vor dem SG Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Die Beklagte muss dem Kläger auch im Monat der Auszahlung<br />
der Eigenheimzulage II gewähren. Bei der Eigenheimzulage<br />
handelt es sich regelmäßig um eine nicht anrechenbare, zweckbestimmte<br />
Leistung im Sinn von § 11 Abs.3 Nr.1 SGB II. Sie<br />
dient dem Zweck der Bildung von Wohneigentum als Teil der<br />
privaten Altersvorsorge. Da die Eigenheimzulage nur für Zeiten<br />
der Selbstnutzung des Eigenheims gewährt wird, ist auch sichergestellt,<br />
dass sie nicht der allgemeinen Vermögensbildung, sondern<br />
der Schaffung von Wohnraum dient.<br />
Voraussetzung für die Anerkennung der Eigenheimzulage als<br />
zweckgebundene Leistung im Sinn von § 11 Abs.3 Nr.1 SGB<br />
II ist nicht, dass der Langzeitarbeitslose seinen Anspruch auf<br />
Eigenheimzulage unwiderruflich an die den Immobilienkredit<br />
finanzierende Bank abgetreten hat. Vielmehr reicht es aus, wenn<br />
die jährlichen Zinsaufwendungen für den Immobilienkredit die<br />
Höhe der Eigenheimzulage erreichen.<br />
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die vom Kläger zu zahlenden<br />
Zinsen und Gebühren für den Immobilienkredit übersteigen<br />
seine jährliche Eigenheimzulage. Damit handelt es sich bei der<br />
Eigenheimzulage um einen reinen Durchlaufposten, durch den<br />
der Kläger und seine Familie nicht mehr Vermögen zur Verfügung<br />
steht als sonst.<br />
Der Hintergrund:<br />
Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 1.10.2005 eine Änderung<br />
der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung beschlossen,<br />
wonach die Eigenheimzulage grundsätzlich nicht als Einkommen<br />
auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld II angerechnet wird.<br />
Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Eigenheimzulage<br />
nachweislich zur Finanzierung eines zu eigenen Wohnzwecken<br />
genutzten Hauses von angemessener Größe oder einer entsprechende<br />
Eigentumswohnung verwendet wird.<br />
Handels- und<br />
Gesellschaftsrecht<br />
Investition in ausländische Investmentanteile:<br />
Anleger haben bei Verstoß gegen §<br />
2 Abs.1 Nr.1-5 Auslandinvestmentgesetz<br />
einen deliktischen Schadensersatzanspruch<br />
OLG Karlsruhe 24.2.2006, 1 U 190/05<br />
Alle in § 2 Abs.1 Nr.1 bis 5 Auslandinvestmentgesetz (AIG)<br />
bezeichneten Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Vertrieb von<br />
ausländischen Investmentanteilen sind Schutzgesetze zugunsten<br />
der Kapitalanleger im Sinn von § 823 Abs.2 BGB. Anleger können<br />
daher bei einem Verstoß gegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />
des AIG gegen den Initiator der Anlage einen deliktischen<br />
Schadensersatzanspruch haben. Dieser umfasst allerdings<br />
keine Verzinsungspflicht nach § 849 BGB.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger verlangte vom Beklagten, dem Initiator und Verantwortlichen<br />
eines angelsächsischen Rentenplan-Trust, Schadensersatz<br />
wegen fehlerhafter Aufklärung durch ein Prospekt beim<br />
Kauf von Anteilen an der Kapitalanlage. Der Prospekt sah vor,<br />
dass die Anlage in jährlichen Raten, beginnend im vierten Jahr<br />
nach der Einzahlung bis zum zehnten Jahr, vollständig zurückgezahlt<br />
wird. Ab dem elften Jahr sollten die Anleger jährlich eine<br />
Rente in Höhe von 25 Prozent der Anlagesumme erhalten.<br />
Der Kläger zahlte 1984 einen Betrag von 26.801 Euro in den<br />
Trust ein. Lediglich in den Jahren 1988 bis 1991 erhielt er Rückzahlungen,<br />
die sich insgesamt auf 5.716 Euro beliefen. 1995<br />
machte der Rentenplan-Trust von seinem vertraglich vorgesehenen<br />
Auflösungsrecht Gebrauch. Die Anleger sollten ihre Einlage<br />
und bis dahin erarbeiteten Wertsteigerungen zurückerstattet<br />
bekommen. Alternativ konnte die Rückerstattung auch in Aktien<br />
der E. verlangt werden.<br />
Der Kläger händigte dem Beklagten das Originalzertifikat über<br />
die Anlage aus und verlangte von ihm die Rückzahlung seiner<br />
Resteinlage in Höhe von 21.084 Euro zuzüglich Zinsen seit 1984.<br />
Er stützte seinen Schadensersatzanspruch auf unrichtige Prospektangaben<br />
und eine fehlende Aufklärung über die Risken der Anlage.<br />
Außerdem seien verschiedene Voraussetzungen der §§ 2, 7<br />
AIG nicht erfüllt gewesen. LG und OLG verurteilten den Beklagten<br />
zur Zahlung von 21.084 Euro und wiesen die Klage im Hinblick<br />
auf den außerdem geltend gemachten Zinsanspruch ab.<br />
Die Gründe:<br />
Der Beklagte ist dem Kläger aus § 823 Abs.2 BGB in Verbindung<br />
mit den §§ 2,7 AIG zur Zahlung von Schadensersatz in<br />
Höhe von 21.084 Euro verpflichtet.<br />
Nach § 823 Abs.2 BGB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer<br />
gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderes bezweckt.<br />
Sämtliche in § 2 Abs.1 Nr.1 bis 5 AIG bezeichneten Voraussetzungen<br />
für den Vertrieb von ausländischen Investmentanteilen sind<br />
Schutzgesetze zugunsten der Kapitalanleger im Sinn von § 823<br />
Abs.2 BGB. Denn alle Einzelregelungen in § 2 AIG enthalten zwingende<br />
Anforderungen an die Zulassung eines öffentlichen Vertriebs<br />
mit der Folge, dass bei Nichterfüllung einer jeden dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />
die Behörde den Vertrieb untersagen muss.<br />
15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 8
Bei dem streitigen Rentenplan-Trust handelt es sich um öffentlich<br />
vertriebene ausländische Investmentanteile im Sinn von § 1<br />
Abs.1 S.1 AIG. Der Rentenplan-Trust verstieß in mehrfacher Hinsicht<br />
gegen § 2 AIG. So fehlte etwa die Benennung einer Person<br />
mit Sitz und Wohnsitz im Geltungsbereich des AIG als Repräsentant<br />
gegenüber dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (§<br />
2 Nr.1 AIG). Außerdem waren die Mindestanforderungen an die<br />
Vertragsbedingungen nicht erfüllt, da die Anleger nicht jederzeit<br />
die Möglichkeit hatten, die Auszahlung des auf ihren Anteil entfallenden<br />
Vermögensteils in Geld zu verlangen (§ 2 Nr.4b AIG).<br />
Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf Verzinsung seines<br />
Schadensersatzanspruches ab 1984 aus § 849 BGB. Nach<br />
dieser Vorschrift ist die Verzinsung auf die dort geregelten Fälle<br />
der Entziehung und Beschädigung einer Sache beschränkt. Die<br />
Verzinsungspflicht kann zwar ausnahmsweise, wie etwa bei der<br />
Unterschlagung von Geldern, auch für die Entziehung von Geld<br />
gelten. Das gilt aber nicht, wenn – wie hier – freiwillig Geld zu<br />
Investitionszwecken überlassen wird.<br />
Mit schwerwiegenden Mängeln behaftete<br />
Ladung zur Gesellschafterversammlung kann<br />
Nichtigkeit der Beschlüsse zur Folge haben<br />
BGH 13.2.2006, II ZR 200/04<br />
Eine mit schwerwiegenden Form- und Fristmängeln behaftete<br />
Ladung zur Gesellschafterversammlung (hier: Ladung per E-<br />
Mail am Vorabend auf den frühen Vormittag des nächsten Tages)<br />
steht einer Nichtladung des Gesellschafters gleich und führt zur<br />
Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten<br />
Beschlüsse. Das gilt unabhängig davon, ob der nicht ordnungsgemäß<br />
geladene Gesellschafter den Beschluss ohne den Einberufungsmangel<br />
hätte verhindern können.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH,<br />
an der er 50 Prozent der Anteile hielt. Die anderen 50 Prozent<br />
der Geschäftsanteile hielt der Gesellschafter-Geschäftsführer D.<br />
Nach dem Gesellschaftsvertrag ist die GmbH beschlussfähig,<br />
wenn nach ordnungsgemäßer Ladung mehr als 3/4 der Stimmen<br />
repräsentiert sind.<br />
Ende 2001 wollte der Kläger seine Geschäftsanteile veräußern.<br />
Auf einer zu diesem Zweck am 26.11.2001 durchgeführten<br />
Besprechung zwischen dem Kläger, D. und dem potentiellen<br />
Erwerber erzielten die Parteien keine Einigung. D. lud den Kläger<br />
daraufhin mit einer am Abend des 26.11.2001 gegen 20.30<br />
Uhr versandten E-Mail für den 27.11.2001 (10.00 Uhr) zu einer<br />
Gesellschafterversammlung ein, auf der über die Abberufung<br />
des Klägers als Geschäftsführer entschieden werden sollte.<br />
Am 27.11.2001 beschloss D. in Abwesenheit des Klägers dessen<br />
Abberufung aus wichtigem Grund. Mit seiner hiergegen gerichteten<br />
Klage begehrte der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit<br />
des Beschlusses. Er habe die E-Mail vom 26.11.2001 erst am<br />
29.11.2001 gelesen und deshalb nicht an der Versammlung teilnehmen<br />
können.<br />
Das LG wies die Klage ab. Dies begründete es damit, dass die<br />
nicht fristgemäße Ladung lediglich zur Anfechtung und nicht<br />
zur Nichtigkeitserklärung des Beschlusses berechtige. Das gelte<br />
jedenfalls dann, wenn der Mehrheitsbeschluss - wie hier - auch<br />
bei ordnungsgemäßer Ladung zustande gekommen wäre. Die<br />
Berufung des Klägers blieb erfolglos. Auf seine Revision hob<br />
der BGH die Vorentscheidungen auf und gab der Klage statt.<br />
Die Gründe:<br />
Der in der Gesellschafterversammlung vom 27.11.2001 gefasste<br />
Abberufungsbeschluss ist analog § 241 Nr.1 AktG, der im<br />
GmbH-Recht entsprechend anwendbar ist, nichtig, da die mit<br />
schwerwiegenden Form- und Fristmängeln behaftete Ladung<br />
einer Nichtladung des Klägers gleichkommt.<br />
Der Gesellschaftsvertrag der GmbH setzt eine „ordnungsgemäße<br />
Ladung“ voraus und verweist damit auf die gesetzlichen Vorschriften.<br />
Danach hätte die Ladung per eingeschriebenen, unterschriebenen<br />
Brief (§ 51 Abs.1 S.1 GmbHG), mit einer Frist von<br />
einer Woche (§ 51 Abs.1 S.2 GmbHG) und mit einer drei Tage<br />
vor der Versammlung – ebenfalls durch eingeschriebenen Brief –<br />
mitgeteilten Tagesordnung (§ 51 Abs.3 GmbHG) erfolgen müssen.<br />
Indem D. die Ladung anstatt dessen per E-Mail und am Vorabend<br />
der Gesellschafterversammlung verschickt hat, hat er dem<br />
Kläger die Teilnahme an der Versammlung faktisch unmöglich<br />
gemacht.<br />
Die Einberufungsmängel sind so gravierend, dass die fehlerhafte<br />
Ladung einer Nichtladung gleichsteht, die zur Nichtigkeit des<br />
Abberufungsbeschlusses führt. Dem steht nicht entgegen, dass<br />
der Kläger bei der Abstimmung über seine Abberufung kein<br />
Stimmrecht gehabt hätte und deshalb den Beschluss nicht hätte<br />
verhindern können. Das Recht eines Gesellschafters auf Teilnahme<br />
an den Hauptversammlungen geht über das Abstimmungsrecht<br />
hinaus und ist auch dann unentziehbar, wenn der Gesellschafter<br />
in der Versammlung nicht stimmberechtigt ist.<br />
Linkhinweis:<br />
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH -<br />
veröffentlicht.<br />
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Wettbewerber können die Fusion von Unternehmen<br />
nicht mittels der in § 36 Abs.1 GWB<br />
geregelten Fusionskontrolle verhindern<br />
OLG Düsseldorf 25.10.2005, VI-Kart 15/05 (V)<br />
Wettbewerber können die Fusion von Unternehmen unter Umständen<br />
verhindern beziehungsweise aufschieben, wenn sie gemäß §<br />
65 Abs.3 S.4 GWB die Verletzung eines subjektiven Rechts darlegen.<br />
Die in § 36 Abs.1 GWB normierte Fusionskontrolle begründet<br />
kein solches subjektives Recht. Die Fusionskontrolle gibt<br />
den Beteiligten zwar Anhörungsrechte. Hieraus resultiert aber<br />
kein subjektives Recht eines Unternehmens darauf, dass anderen<br />
Unternehmen ein Zusammenschluss untersagt wird.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Beteiligten zu 1 bis 11) hatten beim Bundeskartellamt den<br />
beabsichtigten Zusammenschluss von mehreren Gesellschaften<br />
einschließlich von Tochterunternehmen und Beteiligungen angemeldet.<br />
Das Bundeskartellamt hatte das Vorhaben unter gewissen<br />
Auflagen freigegeben.<br />
Die Beteiligten zu 12) bis 15) legten gegen die Freigabe<br />
Beschwerde ein und wollten erreichen, dass das Fusionsvorhaben<br />
insgesamt untersagt wird. Die Beteiligte zu 12) stellte zudem<br />
den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen.<br />
Ihr Antrag hatte keinen Erfolg.<br />
15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 9
Die Gründe:<br />
Die Beteiligte zu 12) ist nicht antragsbefugt. Insofern setzt § 65<br />
Abs.3 S.4 GWB voraus, dass der Betroffene eine Verletzung von<br />
subjektiven Rechten geltend macht. Entgegen der Auffassung<br />
der Beteiligten zu 12) lässt sich ein solches Recht nicht aus der<br />
in § 36 Abs.1 GWB geregelten Fusionskontrolle herleiten.<br />
§ 36 Abs.1 GWB dient durch die in ihm normierten Anhörungsrechte<br />
zwar auch dem Schutz der Wettbewerber und Abnehmer.<br />
Hieraus resultiert jedoch kein subjektives Recht eines Unternehmens<br />
darauf, dass anderen Unternehmen ein Zusammenschluss<br />
untersagt wird. Drittunternehmen, die sich gegen einen Unternehmenszusammenschluss<br />
wenden, werden durch die Freigabe<br />
eines an sich zu untersagenden Unternehmenszusammenschlusses<br />
nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt. Weder aus einfachem<br />
Gesetz noch aus Grundrechten folgt ein subjektives Recht dritter<br />
Unternehmen auf Untersagung von Zusammenschlüssen.<br />
Die Beteiligte zu 12) kann die Verletzung eines subjektiven Rechts<br />
daher auch nicht aus Art. 12, 14 GG herleiten. Die Verletzung wirtschaftlicher<br />
Interessen, wie etwa die Verschlechterung der Wettbewerbssituation,<br />
fällt nicht in den Schutzbereich des GG.<br />
Bankrecht<br />
BGH klärt Streitfragen zur Haftung der<br />
Banken bei Rückabwicklung eines kreditfinanzierten<br />
Erwerbs von Immobilienfonds-<br />
Anteilen<br />
BGH 25.4.2006, XI ZR 193/04 u.a.<br />
Der II. und XI. Senat des BGH haben ihre Meinungsverschiedenheiten<br />
zur Rechtsstellung getäuschter Immobilienfonds-Anleger<br />
gegenüber der den Anteilserwerb finanzierenden Bank beigelegt.<br />
Danach bilden Anteilserwerb und Darlehensvertrag nur ausnahmsweise<br />
ein verbundenes Geschäft im Sinn von § 9 VerbrKrG, wenn<br />
die Kreditaufnahme durch den entsprechend bevollmächtigten<br />
Anlagevermittler erfolgt und das Darlehen nicht von der Sicherung<br />
durch ein Grundpfandrecht abhängig ist.<br />
Die Sachverhalte:<br />
Der BGH hatte über vier Klagen (Az.: XI ZR 193/04, XI ZR<br />
29/05, XI ZR 106/05, XI ZR 219/04) zu entscheiden, in denen es<br />
um Ansprüche von getäuschten Immobilienfonds-Anlegern gegen<br />
die den Anteilserwerb finanzierende Bank ging. Bei den Fonds<br />
handelte es sich jeweils um Gesellschaften bürgerlichen Rechts,<br />
die die Errichtung und Vermietung von Gebäuden zum Geschäftsgegenstand<br />
hatten. Die Anleger wurden von Vermittlern angesprochen,<br />
die die Beteiligungen als Steuersparmodell angepriesen hatten.<br />
Der Beitritt sollte über Bankkredite finanziert werden.<br />
In einem Teil der Fälle waren die Darlehen durch Grundschulen an<br />
den Grundstücken des Fonds abgesichert und erfolgten Fondsbeitritt<br />
sowie Aufnahme der Darlehen durch Treuhänder. Diesen hatten<br />
die Anleger umfassende notarielle Vollmachten erteilt. Außerdem<br />
hatten sie die Treuhänder mit einem selbst unterschriebenen<br />
Zeichnungsschein zur Aufnahme der zum Fondsbeitritt erforderlichen<br />
Kredite beauftragt. In anderen Fällen wurden die Darlehens-<br />
verträge durch die Anleger selbst abgeschlossen. In einem Fall<br />
erfolgte der Abschluss in einer Haustürsituation.<br />
Der II. und der XI. Senat des BGH hatten bislang vor allem im<br />
Hinblick auf eine mögliche Haftung der Bank bei Rückabwicklung<br />
eines kreditfinanzierten Erwerbs von Immobilienfonds-<br />
Anteilen unterschiedliche Ansichten vertreten. Diese Meinungsverschiedenheiten<br />
wurden nunmehr beigelegt.<br />
Der XI. Senat des BGH, der nach Abstimmung mit dem II. Senat<br />
künftig ausschließlich für Fälle dieser Art zuständig sein wird, wies<br />
alle vier Klagen auf Befreiung der Kläger von ihren Darlehensverpflichtungen<br />
gegenüber der die Anlage finanzierenden Bank ab.<br />
Die Gründe:<br />
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Befreiung von ihrer Darlehensverbindlichkeit<br />
gegenüber der Bank, da entweder wegen<br />
der Absicherung des Darlehens durch ein Grundpfandrecht oder<br />
wegen des Abschlusses des Darlehens in Eigeninitiative jeweils<br />
kein verbundenes Geschäft im Sinn von § 9 VerbrKrG (jetzt: §<br />
358 BGB) vorlag beziehungsweise ein Widerrufsrecht nach § 1<br />
HWiG (jetzt: § 312 BGB) ausschied.<br />
Im Einzelnen gelten folgende Grundsätze:<br />
1. Verbundenes Geschäft, wenn kein Realkreditvertrag und<br />
Kreditaufnahme durch Treuhänder<br />
Ein verbundenes Geschäft im Sinn von § 9 VerbrKrG (jetzt: §<br />
358 BGB) liegt vor, wenn es sich bei dem Darlehen nicht um<br />
einen Realkreditvertrag handelt und die Kreditaufnahme nicht<br />
auf Grund eigener Initiative des Anlegers zustande kommt, sondern<br />
durch den entsprechend bevollmächtigten Anlagevermittler<br />
erfolgt, der schon vor der Anlageentscheidung des Verbrauchers<br />
die Kreditzusage einer Bank eingeholt und mit den Anlageunterlagen<br />
einen Kreditantrag vorgelegt hat.<br />
Ein Realkreditvertrag im Sinn von § 3 Abs.2 Nr.2 VerbrKrG liegt<br />
vor, wenn das Darlehen von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht<br />
abhängig gemacht wird. Dies ist nicht nur dann der<br />
Fall, wenn der Anleger das Grundpfandrecht bestellt hat, sondern<br />
auch, wenn dies durch den Fonds geschehen ist.<br />
2. Rechtsfolgen des verbundenen Geschäfts bei Täuschung<br />
der Anleger<br />
Werden die Immobilienfonds-Anleger durch falsche Angaben<br />
zum Erwerb der Fondsbeteiligung bewogen und liegt ein verbundenes<br />
Geschäft vor, so können die Anleger der Bank die Ansprüche<br />
gegen die Fondsgesellschaft entgegenhalten und insoweit die<br />
Rückzahlung des Kredits verweigern. Außerdem können die Anleger<br />
den Darlehensvertrag gemäß § 123 BGB anfechten, wenn die<br />
Täuschung auch für den Abschluss des Darlehensvertrags mitursächlich<br />
war. Besteht daneben ein Anspruch gegen den Anlagevermittler<br />
aus Verschulden bei Vertragsschluss, können die Anleger<br />
auch diesen Anspruch gegen die Bank geltend machen.<br />
Ansprüche gegen Gründungsgesellschafter, Fondsinitiatoren,<br />
maßgebliche Betreiber, Manager und Prospektherausgeber können<br />
die getäuschten Anleger der kreditgebenden Bank allerdings<br />
nicht entgegenhalten.<br />
3. Rechtsfolgen des Widerrufs eines in einer Haustürsituation<br />
abgeschlossenen verbundenen Geschäfts - keine Rückzahlungsansprüche<br />
der Bank gegen den Verbraucher<br />
Erfolgte der Abschluss durch den Anleger in einer Haustürsituation<br />
und wird der Darlehensvertrag, der mit dem Fondsbeitritt<br />
ein verbundenes Geschäft bildet, gemäß § 1 HWiG (jetzt: § 312<br />
BGB) widerrufen, steht der Bank gegen den Anleger / Darlehensnehmer<br />
kein Zahlungsanspruch mehr zu. Die Rückabwicklung<br />
kann vielmehr nur unmittelbar zwischen der Bank und dem<br />
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Partner des finanzierten Geschäfts erfolgen. Der Anleger hat in<br />
diesem Fall gegen die Bank einen Anspruch auf Rückzahlung<br />
der auf das Darlehen gezahlten Beträge, kann allerdings nicht die<br />
ihm zugeflossenen Fondsausschüttungen zurückverlangen.<br />
4. Fehlende Angabe des Gesamtbetrags führt regelmäßig<br />
nicht zur Nichtigkeit des Darlehensvertrags<br />
Fehlt im Darlehensvertrag die nach § 4 VerbrKrG vorgeschriebene<br />
Angabe des Gesamtbetrags, so führt dies gemäß § 6 Abs.2<br />
S.1 VerbrKrG dann nicht zur Nichtigkeit des Darlehensvertrags,<br />
wenn der Verbraucher das Darlehen empfängt. Für den Empfang<br />
eines Darlehens ist es unerheblich, ob ein verbundenes Geschäft<br />
vorliegt. Die Voraussetzungen von § 6 Abs.2 S.1 VerbrKrG sind<br />
daher auch erfüllt, wenn dem Anleger die Darlehenssumme<br />
nicht direkt zugeflossen ist, sondern vertragsgemäß unmittelbar<br />
an einen Treuhänder zum Erwerb des Fondsanteils ausgezahlt<br />
worden ist.<br />
5. Auswirkungen einer nichtigen Vollmacht wegen Verstoßes<br />
gegen das Rechtsberatungsgesetz<br />
Ob in den Fällen nichtiger Bevollmächtigung des Treuhänders<br />
wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz zugunsten<br />
der Bank eine Rechtsscheinhaftung nach §§ 171, 172 BGB<br />
eingreift, hängt nicht davon ab, ob Darlehen und Fondsbeitritt<br />
ein verbundenes Geschäft darstellen. Außerdem ist zu berücksichtigen,<br />
dass der Treuhänder trotz nichtiger Vollmacht zum<br />
Abschluss des Darlehensvertrags befugt sein kann, wenn ihm in<br />
einem Zeichnungsschein gesondert Vollmacht erteilt und dieser<br />
Zeichnungsschein der Bank vorgelegt worden ist.<br />
Immobilienfonds: Bei falschen Prospektangaben<br />
über die Innenprovisionen kommen<br />
Anlegern Beweiserleichterungen zugute<br />
BGH 9.2.2006, III ZR 20/05<br />
Enthält ein Immobilienfonds-Prospekt falsche Angaben über<br />
die an den Vermittler für den Vertrieb gezahlte Innenprovision,<br />
so kommen einem Anleger, der seine Beteiligung rückgängig<br />
machen will, Beweiserleichterungen zugute. In diesen Fällen<br />
wird vermutet, dass der Anlageinteressent bei richtiger Aufklärung<br />
von der Zeichnung der Anlage abgesehen hätte. Das gilt<br />
auch, wenn der Immobilienfonds in erster Linie als Steuersparmodell<br />
beworben worden ist.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger trat in den Jahren 1996 und 1997 mit Beträgen von<br />
jeweils 80.000 DM zuzüglich fünf Prozent Agio zwei Immobilienfonds<br />
bei. Der Vertrieb der Kapitalanlagen lag bei der<br />
Beklagten, die hierbei die von den Objektgesellschaften herausgegebenen<br />
Prospekte verwandte. Die Prospekte enthielten unter<br />
anderem falsche Angaben zu den Innenprovisionszahlungen,<br />
die deutlich höher lagen, als in den Prospekten angegeben. Die<br />
Beklagte bewarb die Kapitalanlagen mit den hiermit verbundenen<br />
erheblichen Steuervorteilen.<br />
Nachdem über das Vermögen des einen Fonds das Insolvenzverfahren<br />
eröffnet und der andere Fonds in wirtschaftliche Schwierigkeiten<br />
geraten war, verlangte der Kläger von der Beklagten den Ersatz<br />
seiner Aufwendungen Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligungen.<br />
Das LG wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung<br />
des Klägers hatte auch nach teilweise erfolgreicher Revision gegen<br />
das erste abweisende Berufungsurteil keinen Erfolg.<br />
Das OLG begründete seine Entscheidung damit, dass die Beklagte<br />
sich wegen der fehlerhaften Prospektangaben zwar pflichtwidrig<br />
verhalten habe, diese Pflichtwidrigkeit für den Beitritt des<br />
Klägers aber nicht ursächlich gewesen sei, weil für diesen nur<br />
die Steuersparmöglichkeit und nicht die Rendite der Anlage im<br />
Vordergrund gestanden habe. Auf die weitere Revision des Klägers<br />
hob der BGH das Berufungsurteil abermals auf und wies<br />
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das<br />
OLG zurück.<br />
Die Gründe:<br />
Die Begründung des Berufungsgerichts rechtfertigt nicht die<br />
Annahme, dass die Pflichtverstöße der Beklagten für den Anlageentschluss<br />
des Klägers nicht ursächlich waren. Das Gericht<br />
hat verkannt, dass dem Kläger im Hinblick auf die Kausalitätsfrage<br />
Beweiserleichterungen zugute kommen. In Fällen der<br />
Prospekthaftung im weiteren Sinn entspricht es der allgemeinen<br />
Lebenserfahrung, dass der Prospektfehler für die Anlageentscheidung<br />
ursächlich geworden ist, da der Anleger seine Anlageentscheidung<br />
nicht in Kenntnis aller relevanten Tatsachen<br />
treffen konnte.<br />
Nach diesen Grundsätzen war es im Streitfall Sache der Beklagten<br />
und nicht des Klägers, Anhaltspunkte dafür vorzutragen, dass<br />
sich dieser auch bei vollständiger Aufklärung über die überhöhten<br />
Innenprovisionen für die Anlage entschieden hätte.<br />
Diese tatsächliche Vermutung zugunsten des Klägers entfällt auch<br />
nicht deshalb, weil die Anlage in erster Linie mit den hiermit verbundenen<br />
Steuervorteilen beworben wurde. Dies rechtfertigt nicht<br />
die Annahme, dass der Kläger auch bei Kenntnis der überhöhten<br />
Innenprovision die Anlage gezeichnet hätte. Denn die Erwartung<br />
von Steuervorteilen aus einer Immobilie kann zwar ausnahmsweise<br />
Selbstzweck für ihre Anschaffung sein. In aller Regel wird die<br />
Immobilie aber als dauerhafte Wertanlage erworben.<br />
Linkhinweis:<br />
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />
BGH veröffentlicht.<br />
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />
Wettbewerbsrecht<br />
und Gewerblicher<br />
Rechtsschutz<br />
Für die Bezeichnung „Fußball WM 2006“<br />
besteht kein Markenschutz<br />
BGH 27.4.2006, I ZB 96/05 u. I ZB 97/05<br />
Die Bezeichnung „Fußball WM 2006“ kann mangels Unterscheidungskraft<br />
nicht als eingetragene Marke geschützt werden.<br />
Hierbei handelt es sich um die allgemein übliche Bezeichnung<br />
für das Sportereignis. Der Umstand, dass die FIFA als Veranstalterin<br />
der WM auftritt, erweckt beim Verbraucher nicht den<br />
Eindruck, dass mit „Fußball WM 2006“ bezeichnete Waren oder<br />
Dienstleistungen von der FIFA empfohlen oder unter ihrer Mitwirkung<br />
hergestellt oder vertrieben werden.<br />
15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 11
Der Sachverhalt:<br />
Der BGH hatte über die Rechtsbeständigkeit der für die FIFA eingetragenen<br />
Marken „Fußball WM 2006“ und „WM 2006“ zu entscheiden.<br />
Das Deutsche Patent- und Markenamt hatte die Marken<br />
für über 850 Waren oder Dienstleistungen eingetragen. Hiergegen<br />
richtete sich unter anderem der Süßwarenhersteller Ferrero, der<br />
seine Waren mit Hinweisen auf die Fußball-WM versehen wollte.<br />
Auf Antrag von Ferrero ordnete das Deutsche Patent- und Markenamt<br />
die Löschung der Marken an. Die hiergegen gerichtete<br />
Beschwerde der FIFA hatte lediglich im Hinblick auf einen Teil<br />
der beanspruchten Waren und Dienstleistungen Erfolg. Hiergegen<br />
legten beide Parteien Rechtsbeschwerde ein. Daraufhin entschied<br />
der BGH, dass die Marke „Fußball WM 2006“ für alle und die<br />
Marke „WM 2006“ für einen Teil der beanspruchten Waren und<br />
Dienstleistungen zu löschen ist.<br />
Die Gründe:<br />
Die Marke „Fußball WM 2006“ ist für alle beanspruchten Waren<br />
und Dienstleistungen zu löschen, da ihr jegliche Unterscheidungskraft<br />
fehlt. Dies stellt gemäß § 8 Abs.2 Nr.1 MarkenG ein<br />
absolutes Schutzhindernis dar. Die Bezeichnung weist keinen<br />
Bezug zur Veranstalterin der Fußball-WM oder zu bestimmten<br />
Waren und Dienstleistungen auf, sondern stellt die sprachübliche<br />
Beschreibung für die in diesem Jahr in Deutschland stattfindende<br />
Fußballweltmeisterschaft dar. Etwas anderes ergibt<br />
sich auch nicht daraus, dass die FIFA nach außen hin erkennbar<br />
als Veranstalterin der Fußball-WM auftritt. Dies erweckt bei<br />
den Verbrauchern nicht den Eindruck, dass mit „Fußball WM<br />
2006“ bezeichnete Waren und Dienstleistungen unter Kontrolle<br />
der FIFA hergestellt oder erbracht werden und die FIFA für ihre<br />
Qualität verantwortlich gemacht werden kann.<br />
Entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts ist die<br />
Bezeichnung „Fußball WM 2006“ für alle Waren und Dienstleistungen<br />
nicht unterscheidungskräftig und damit auch für solche<br />
Waren und Dienstleistungen, die in einem unmittelbaren Sachzusammenhang<br />
mit der Fußball WM stehen.<br />
Die Marke „WM 2006“ ist dagegen nur für einen Teil der beanspruchten<br />
Waren und Dienstleistungen zu löschen. Ihr kommt<br />
keine vergleichbar allgemein beschreibende Qualität zu wie der<br />
Bezeichnung „Fußball WM 2006“. Zwar dient die Bezeichnung<br />
„WM 2006“ gleichfalls dazu, die 2006 in Deutschland stattfindende<br />
Sportveranstaltung zu beschreiben. Dieses Zeichen ist aber<br />
zumindest für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen<br />
als unterscheidungskräftig anzusehen. Das Bundespatentgericht<br />
muss für jede einzelne Ware und Dienstleistung prüfen, ob<br />
der Marke „WM 2006“ insoweit Unterscheidungskraft zukommt.<br />
Der Hintergrund:<br />
Die FIFA hat die Bezeichnung „WM 2006“ auch auf EU-Ebene<br />
schützen lassen und kann daher aus der EU-Marke weiterhin<br />
gegen die Verwendung der Bezeichnung vorgehen. Das gilt<br />
möglicherweise auch für die Bezeichnung „Fußball WM 2006“,<br />
weil sie die Zeichen „WM 2006“ enthält.<br />
Das Wort „Matratzen“ kann in Spanien als<br />
Wortmarke eingetragen werden<br />
EuGH 9.3.2006, C-421/04<br />
EU-Mitgliedstaaten dürfen ein Wort als Marke eintragen, das in<br />
der Sprache eines anderen Mitgliedstaates für die betreffenden<br />
Waren keine Unterscheidungskraft besitzt (hier: „Matratzen“).<br />
Denn es ist denkbar, dass eine Marke in einem Mitgliedstaat<br />
Unterscheidungskraft besitzt in einem anderen aber nicht. Dies<br />
ergibt sich aus sprachlichen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen<br />
Unterschieden, die in den Mitgliedstaaten herrschen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Klägerin ist die „Matratzen Concord AG“. Sie meldete beim<br />
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt eine kombinierte Wort-<br />
und Bildmarke zur Eintragung an, die unter anderem das Wort<br />
„Matratzen“ enthält. Das Unternehmen „Hukla Germany SA“ legte<br />
gegen die Eintragung Widerspruch ein. Sie habe die Wortmarke<br />
„Matratzen“ bereits in Spanien für verschiedene Ruhemöbel eintragen<br />
lassen.<br />
Auf den Einspruch der „Hukla Germany SA“ wies das Harmonisierungsamt<br />
für den Binnenmarkt die Anmeldung der Klägerin<br />
zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem EuG<br />
keinen Erfolg. Parallel zu diesem Verfahren erhob die Klägerin<br />
vor einem spanischen Gericht Klage auf Ungültigerklärung der<br />
nationalen Marke „Matratzen“. Das mit der Sache befasste spanische<br />
Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob die Markeninhaberschaft<br />
den freien Warenverkehr behindert. Der EuGH verneinte<br />
dies.<br />
Die Gründe:<br />
Die Eintragung der Wortmarke „Matratzen“ in Spanien stellt keine<br />
Behinderung des freien Warenverkehrs dar. Art. 3 der Ersten<br />
Richtlinie 89/104/EWG enthält kein Eintragungshindernis<br />
für eine Marke, die aus einem Wort besteht, das in der Sprache<br />
eines anderen Mitgliedstaats als dem des Eintragungsstaats keine<br />
Unterscheidungskraft hat und einen rein beschreibenden Charakter<br />
aufweist. Denn es ist denkbar, dass eine Marke in einem<br />
Mitgliedsstaat Unterscheidungskraft besitzt in einem anderen<br />
aber nicht. Dies ergibt sich aus sprachlichen, kulturellen, sozialen<br />
und wirtschaftlichen Unterschieden, die in den Mitgliedstaaten<br />
herrschen.<br />
Somit kann ein Wort als Marke eingetragen werden, dass der<br />
Sprache eines anderen Mitgliedstaats, in der es keine Unterscheidungskraft<br />
hat, entlehnt wird. Etwas anderes gilt lediglich<br />
dann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in dem Mitgliedstaat,<br />
in dem die Eintragung beantragt wird, imstande wären, die<br />
Bedeutung des Wortes zu erkennen.<br />
Linkhinweis:<br />
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />
EuGH veröffentlicht.<br />
- Für den Volltext klicken Sie bitte hier.<br />
Strafrecht und OWi<br />
EU-Kommission will Kampf gegen Produktpiraterie<br />
verschärfen<br />
Die EU-Kommission hat am 26.4.2006 einen Richtlinienvorschlag<br />
vorgelegt, der ein EU-weit gültiges Mindeststrafmaß für<br />
Produktpiraterie vorsieht. Hierdurch soll der Kampf gegen den<br />
Diebstahl geistigen Eigentums verschärft werden. Produktpiraten<br />
sollen danach mit einer Geldstrafe von 100.000 bis 300.000 Euro<br />
15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 12
oder zu einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren bestraft werden<br />
können, wenn sie vorsätzlich und in gewerblichem Umfang<br />
geschützte Marken oder Produkte kopieren oder vertreiben.<br />
Der Richtlinienvorschlag sieht lediglich ein Mindeststrafmaß<br />
vor. Die Mitgliedstaaten können daher über diesen Strafrahmen<br />
hinausgehen. Mit ihrer Initiative reagiert die Kommission<br />
auf die steigende Zahl von Delikten im Bereich der Produktpiraterie.<br />
Nach Einschätzung der Kommission haben kriminelle<br />
Vereinigungen in den vergangenen Jahren ihre Aktivitäten bei<br />
der Produktnachahmung und –piraterie verstärkt, weil dieser<br />
Bereich hohe Gewinne verspreche und die Strafen vergleichsweise<br />
gering seien.<br />
Linkhinweise:<br />
- Die EU-Kommission hat auf ihren Webseiten weitere Informationen<br />
über den Richtlinienvorschlag sowie Statistiken<br />
über Produktpiraterie in der EU veröffentlicht.<br />
- Um direkt zu den weiteren Informationen über den Richtlinienvorschlag<br />
zu kommen klicken Sie bitte hier.<br />
- Die Statistiken (auf Englisch) finden Sie hier.<br />
Steuerrecht<br />
Fahrtenbücher müssen regelmäßig Angaben<br />
zu den aufgesuchten Kunden oder<br />
Geschäftspartnern enthalten<br />
BFH 16.3.2006, VI R 87/04<br />
Fahrtenbücher sind regelmäßig nur dann ordnungsgemäß, wenn<br />
sie neben den Aufzeichnungen zum Datum, den Fahrzielen und<br />
dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand<br />
auch Angaben zu den jeweils aufgesuchten Kunden, Geschäftspartnern<br />
oder den Gegenstand der dienstlichen Verrichtung enthalten.<br />
Diese Angaben müssen sich grundsätzlich aus dem Fahrtenbuch<br />
selbst ergeben. Ein Verweis auf ergänzende Unterlagen<br />
ist nur zulässig, wenn der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen<br />
hierdurch nicht beeinträchtigt wird.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger erzielte in den Streitjahren 1996 bis 1998 Einkünfte<br />
aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit als Handelsvertreter.<br />
Sein Arbeitgeber hatte ihm einen Dienstwagen zur Verfügung<br />
gestellt, den er auch privat nutzen durfte. Der Kläger führte über<br />
die mit dem Dienstwagen unternommenen Fahrten ein Fahrtenbuch,<br />
in das er tageweise das Datum, die Uhrzeit des Fahrtbeginns<br />
und des Fahrtendes, einen oder zwei Ortsnamen sowie den<br />
Kilometerstand am Ende des Tages eintrug.<br />
Das Fahrtenbuch des Klägers enthielt keine Angaben über die<br />
aufgesuchten Geschäftspartner oder den Zweck der einzelnen<br />
Fahrten. Auch in den Reisekostenabrechnungen gab der Kläger<br />
nur zwei oder drei Ortsnamen und nicht die Namen der aufgesuchten<br />
Geschäftspartner an.<br />
Das Finanzamt weigerte sich, den geldwerten Vorteil des Klägers<br />
aus der Verfügbarkeit des Dienstwagens zu Privatfahrten anhand<br />
der Fahrtenbuchaufzeichnungen zu ermitteln, und erfasste den<br />
Vorteil anstatt dessen mit monatlich einem Prozent des Listen-<br />
preises. Dies begründete es damit, dass das Fahrtenbuch mangels<br />
Angaben zu den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartnern<br />
nicht ordnungsgemäß sei.<br />
Die gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid<br />
gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Der geldwerte Vorteil des Klägers aus der Verfügbarkeit des<br />
Dienstwagens auch zu privaten Zwecken ist nicht anhand der<br />
Fahrtenbuch-Aufzeichnungen, sondern anhand der Ein-Prozent-<br />
Regelung zu ermitteln. Der Umfang der privaten Nutzung eines<br />
Dienstwagens kann nur dann mit einem Fahrtenbuch nachgewiesen<br />
werden, wenn es ordnungsgemäß und vollständig ist. Dies<br />
war hier nicht der Fall.<br />
Fahrtenbücher sind nur dann ordnungsgemäß, wenn sich anhand<br />
der Eintragungen die berufliche Veranlassung der Geschäftsfahrten<br />
plausibel nachvollziehen und nachprüfen lässt. Hierfür ist<br />
erforderlich, dass das Fahrtenbuch neben Angaben zum Datum,<br />
den Fahrtzielen und dem bei Abschluss der Fahrt erreichten<br />
Gesamtkilometerstand auch Aufzeichnungen zu den jeweils<br />
aufgesuchten Kunden, Geschäftspartnern oder den konkreten<br />
Gegenstand der dienstlichen Verrichtung enthält.<br />
Bloße Ortsangaben reichen nur aus, wenn sich der aufgesuchte<br />
Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei<br />
ergibt, oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter<br />
Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht<br />
mehr ergänzungsbedürftig sind. Sämtliche notwendigen Angaben<br />
müssen sich regelmäßig schon aus dem Fahrtenbuch selbst<br />
ergeben. Zulässig ist es allerdings, für bestimmte häufiger aufgesuchte<br />
Fahrtziele und allgemein verständliche oder auf einem<br />
beigefügten Blatt erläuterte Abkürzungen zu verwenden.<br />
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger kein ordnungsgemäßes<br />
Fahrtenbuch geführt, da insbesondere Angaben zu den von ihm<br />
jeweils aufgesuchten Kunden und Geschäftspartnern fehlen. Auch<br />
die vorgelegten Reisekostenabrechnungen lassen keine Rückschlüsse<br />
auf den konkreten Zweck der einzelnen Fahrten zu.<br />
Linkhinweis:<br />
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />
BFH veröffentlicht.<br />
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />
Vor dem 1.1.1999 erfolgte Entnahmen aus<br />
dem Betriebsvermögen setzen keine Spekulationsfrist<br />
in Gang<br />
FG Köln 30.3.2006, 10 K 4387/05<br />
Die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs.1 S.2 EStG, wonach auch<br />
die Entnahme von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen<br />
als Anschaffungsvorgang im Sinn von § 23 EStG anzusehen ist,<br />
mit der Folge, dass ab dem Entnahmezeitpunkt die Spekulationsfrist<br />
zu laufen beginnt, gilt erst für nach dem 31.12.1998 erfolgte<br />
Entnahmen. Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzministeriums<br />
ist es nicht geboten, frühere Einnahmen zu erfassen, um eine<br />
vollständige und gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Kläger unterhielten bis zum 30.6.1998 einen landwirtschaftlichen<br />
Betrieb, zu dem Grundstücke gehörten, die sich seit Jahrzehnten<br />
in ihrem Eigentum befanden. Nach der Betriebsaufgabe<br />
15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 13
Mitte 1998 überführten sie die Grundstücke in ihr Privatvermögen<br />
und veräußerten sie in den Jahren 2001 und 2002. Das<br />
Finanzamt erfasste den Veräußerungsgewinn gemäß §§ 22 Nr.2,<br />
23 Abs.1 EStG als steuerpflichtige Einnahmen der Kläger.<br />
Mit ihrer gegen die Steuerbescheide für die Jahre 2001 und 2002<br />
gerichteten Klage machten die Kläger geltend, dass die Veräußerungsgewinne<br />
aus den Grundstücksverkäufen außer Ansatz bleiben<br />
müssten. Die Entnahme der Grundstücke aus dem Betriebsvermögen<br />
im Jahr 1998 sei vor der Einführung von § 23 Abs.1<br />
S.2 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002<br />
vom 24.3.1999 erfolgt. Bis zur Einführung dieser Norm zum<br />
1.1.1999 hätte eine Entnahme von Wirtschaftsgütern vom Wortlaut<br />
her nicht den Begriff der Anschaffung erfüllt.<br />
Die Klage hatte vor dem FG Erfolg. Wegen der grundsätzlichen<br />
Bedeutung der Sache wurde allerdings die Revision zum BFH<br />
zugelassen.<br />
Die Gründe:<br />
Die Kläger haben durch die Veräußerung der Grundstücke in<br />
den Jahren 2000 und 2001 keinen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften<br />
im Sinn der §§ 22 Nr.2, 23 Abs.1 EStG erzielt.<br />
Grundstücksverkäufe stellen nach § 23 Abs.1 Nr.1 EStG Veräußerungsgeschäfte<br />
dar, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung<br />
und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Nach dem<br />
durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingeführten<br />
§ 23 Abs.1 S.2 EStG stellt auch eine Betriebsentnahme eine<br />
Anschaffung im Sinn von § 23 Abs.1 Nr.1 EStG dar. Dies gilt<br />
allerdings erst für ab dem 1.1.1999 erfolgte Betriebsentnahmen.<br />
Das ergibt sich aus § 52 Abs.1 S.1 EStG, wonach das Steuerentlastungsgesetz<br />
1999/2000/2002, soweit nichts anderes bestimmt<br />
ist, erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 Anwendung<br />
findet.<br />
Zwar sieht § 52 Abs.39 S.1 EStG vor, dass § 23 Abs.1 Nr.1 EStG<br />
auf nach dem 31.12.1998 abgeschlossene Veräußerungsgeschäfte<br />
anzuwenden ist. Diese Vorschrift ist aber entgegen der Auffassung<br />
des Bundesfinanzministeriums (BMF-Schreiben vom<br />
5.10.2000, Az.: IV C3 – S 2256 – 263/00) dahingehend auszulegen,<br />
dass sie keine Regelung zur Geltung der Anschaffungsfiktion<br />
des § 23 Abs.1 S.2 EStG enthält. Nur diese isolierte<br />
Betrachtung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da<br />
anderenfalls eine unzulässige echte Rückwirkung vorläge.<br />
Die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs.1 S.2 EStG ist somit auf<br />
die im Streitfall erfolgte Betriebsentnahme im Jahr 1998 noch<br />
nicht anwendbar. Da die Kläger – ohne Berücksichtigung der<br />
Anschaffungsfiktion – schon seit Jahrzehnten Eigentümer der<br />
Grundstücke waren, war die zehnjährige Spekulationsfrist im<br />
Zeitpunkt der Veräußerung der Grundstücke längst abgelaufen,<br />
so dass insoweit kein Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft<br />
zu erfassen ist.<br />
Linkhinweis:<br />
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des FG<br />
Köln veröffentlicht.<br />
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />
Aufwendungen für Baumaßnahmen am eigenen<br />
Wohnhaus sind regelmäßig nicht als<br />
außergewöhnliche Belastungen abziehbar<br />
FG Rheinland-Pfalz 29.3.2006, 3 K 2264/03<br />
Aufwendungen für bauliche Maßnahmen am eigenen Wohnhaus<br />
(hier: Kanalreparaturen) können regelmäßig nicht als außergewöhnliche<br />
Belastungen im Sinn von § 33 EStG berücksichtigt<br />
werden. Denn der Steuerpflichtige erhält für seine Aufwendungen<br />
einen Gegenwert, so dass es an einer Belastung fehlt. Daneben<br />
sind zumindest alters- und abnutzungsbedingte Schäden an<br />
einem Haus nicht außergewöhnlich im Sinn von § 33 EStG.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger hatte im November 2000 ein 1947 erbautes Einfamilienhaus<br />
erworben. Die Vorbesitzer hatten den Abwasserkanal<br />
des Hauses im Februar 2000 teilweise saniert und dabei einzelne<br />
Rohre erneuert. Nach Einzug des Klägers kam es erneut zu Problemen<br />
mit dem Abwasserkanal. Der Kläger musste deshalb im<br />
Jahr 2001 eine Totalerneuerung des Kanals durchführen lassen<br />
und wandte hierfür 15.300 DM auf.<br />
Den nach Abzug der Versicherungsleistung verbleibenden Teil der<br />
Aufwendungen machte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung<br />
für das Jahr 2001 ohne Erfolg als außergewöhnliche Belastungen<br />
geltend.<br />
Mit seiner daraufhin erhobenen Klage machte der Kläger geltend,<br />
dass es sich bei dem Wohnhaus um einen Vermögensgegenstand<br />
von existentieller Bedeutung handele. Ihn treffe kein<br />
eigenes Verschulden. Außerdem bestünden keine realisierbaren<br />
Ersatzansprüche gegen Dritte und habe er die allgemein zugängliche<br />
und übliche Versicherungsmöglichkeit wahrgenommen.<br />
Entgegen der Auffassung des Finanzamts habe es sich auch nicht<br />
um einen alters- und abnutzungsbedingten Schaden gehandelt,<br />
da der Kanal noch im Jahr vor der Reparatur kontrolliert und<br />
ausgebessert worden sei.<br />
Die Klage hatte vor dem FG keinen Erfolg. Das Urteil ist noch<br />
nicht rechtskräftig.<br />
Die Gründe:<br />
Die Aufwendungen des Klägers für die Totalerneuerung des<br />
Abwasserkanals sind nicht gemäß § 33 EStG als außergewöhnliche<br />
Belastungen zu berücksichtigen.<br />
Alters- und abnutzungsbedingte Schäden an einem Wohnhaus<br />
sind nicht außergewöhnlich im Sinn von § 33 EStG. Entgegen der<br />
Auffassung des Klägers handelte es sich bei den Problemen mit<br />
der Kanalisationsanlage um einen alters- und abnutzungsbedingten<br />
Schaden. Dem steht nicht entgegen, dass die Vorbesitzer den<br />
Kanal im Jahr 2000 teilweise saniert haben. Es ist nicht außergewöhnlich,<br />
dass ein Kanal nach über 50 Jahren verstopft ist und<br />
eine einfache Reparaturmaßnahme, wie sie von den Vorbesitzern<br />
durchgeführt worden ist, keinen lang anhaltenden Erfolg bringt.<br />
Daneben fehlt es auch an einer Belastung im Sinn von § 33 EStG.<br />
Eine solche liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Gegenstände<br />
anschafft, die für ihn einen Gegenwert zu den aufgewandten<br />
Kosten darstellen. Dies war hier der Fall, da der Kläger für<br />
seinen Aufwendungen eine komplett erneuerte Kanalanlage und<br />
damit einen entsprechenden Gegenwert erhalten hat.<br />
Da von den Vorbesitzern nur einige wenige Rohre ausgetauscht<br />
worden waren, kann auch nicht von einem so genannten „verlorenen<br />
Aufwand” gesprochen werden. Ein solcher liegt nur vor,<br />
wenn neue, noch funktionsfähige Gegenstände ausgetauscht<br />
15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 14
werden und die sonstigen Voraussetzungen einer außergewöhnlichen<br />
Belastung vorliegen. Dies war hier nicht der Fall.<br />
Bundeskabinett will mittelständische Wirtschaft<br />
von Bürokratie befreien<br />
Das Bundeskabinett hat am 25.4.2006 den Entwurf des Ersten<br />
Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in<br />
der mittelständischen Wirtschaft beschlossen und sich auf einen<br />
umfangreichen Katalog weiterer mittelstandsfreundlicher Entlastungsregelungen<br />
verständigt. Danach sollen künftig weniger<br />
Unternehmen als bisher einen Datenschutzbeauftragten bestellen<br />
müssen. Außerdem soll die steuerliche Buchführungspflichtgrenze<br />
von 350.000 Euro auf 500.000 Euro angehoben werden.<br />
Die geplanten Änderungen im Überblick:<br />
1. Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes<br />
Künftig soll die Pflicht zur Bestellung von Datenschutzbeauftragten<br />
auf Unternehmen reduziert werden, die mindestens zehn<br />
(bisher fünf) mit der Personendatenverarbeitung betraute Mitarbeiter<br />
beschäftigen. Damit haben sich die Länder Hessen und<br />
Niedersachsen mit ihrem Vorschlag, den Schwellenwert auf mindestens<br />
20 mit der Personendatenverarbeitung betraute Mitarbeiter<br />
anzuheben, nicht durchsetzen können.<br />
Außerdem sollen auch Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte<br />
und Steuerberater Externe als Datenschutzbeauftragte<br />
bestellen können. Das Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger<br />
soll auch dem externen Datenschutzbeauftragten<br />
zustehen, ebenso sollen seine Unterlagen einem Beschlagnahmeverbot<br />
unterliegen.<br />
2. Änderung der Abgabenordnung<br />
Die steuerliche Buchführungspflichtgrenze gemäß § 141 Abs.1<br />
Nr.1 AO soll ab 2007 von bisher 350.000 auf 500.000 Euro angehoben<br />
werden. Dadurch sollen rund 150.000 Unternehmen von<br />
der Buchführungspflicht befreit werden. Außerdem sollen in der<br />
Statistik des Produzierenden Gewerbes nur noch Unternehmen<br />
mit mindestens 50 statt bisher 20 Beschäftigten erfasst und damit<br />
25.000 anstatt 48.000 Unternehmen nur noch einmal jährlich<br />
befragt werden.<br />
3. Änderung des Umsatzsteuerrechts<br />
§ 15a Abs.3 UStG soll dahingehend vereinfacht werden, dass künftig<br />
mehrere im Rahmen einer Maßnahme in ein Wirtschaftsgut eingehende<br />
Gegenstände zu einem Berichtigungsobjekt zusammengefasst<br />
werden. Daneben soll die Vorsteuer nur noch bei solchen<br />
Bestandteilen berichtigt werden, die im Zeitpunkt der Änderung<br />
der Verhältnisse zu einer noch nicht vollständig verbrauchten Werterhöhung<br />
des Wirtschaftsguts geführt haben. Außerdem sieht der<br />
Gesetzentwurf vor, die Grenze für Kleinbetragsrechnungen nach §<br />
33 UStDV von 100 Euro auf 150 Euro anzuheben.<br />
4. Weitere mittelfristig geplante Änderungen<br />
Mittelfristig ist vorgesehen, Unternehmensgründungen und -<br />
übertragungen zu vereinfachen. Dies soll beispielsweise durch<br />
eine Novelle des GmbHG und eine Reform des Handels- und<br />
Unternehmensregisters geschehen. Im Umsatzsteuerrecht wird<br />
die Summe verdoppelt, ab der die Steuer nur auf tatsächlich<br />
vereinnahmte Rechnungsbeträge zu entrichten ist (Ist-Besteuerungsgrenze).<br />
Außerdem sollen Lohnsteuerjahresausgleich des<br />
Arbeitgebers sowie die herkömmlichen Lohnsteuerkarten entbehrlich<br />
werden.<br />
Linkhinweis:<br />
- Der Gesetzentwurf ist auf den Webseiten des Bundeswirtschaftsministeriums<br />
(BMWI) veröffentlicht.<br />
- Um direkt zum Volltext des Gesetzentwurfs zu kommen,<br />
klicken sie bitte hier (PDF-Datei).<br />
15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 15