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<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong><br />

Das Wichtige im Überblick<br />

Mietrecht<br />

Schönheitsreparaturen: Unwirksamkeit starrer<br />

Fristenpläne erfasst ggf. auch Endrenovierungsklausel<br />

(BGH)<br />

Haftungs- und Versicherungsrecht<br />

Gebäudeversicherung: Abgrenzung von Rohrbruch-<br />

und Leitungswasserschäden (OLG Bamberg)<br />

Arbeitsrecht<br />

Befristete Arbeitsverhältnisse: Sachgrundlose<br />

Befristungen für ältere Arbeitnehmer nach<br />

§14 Abs. 3 S. 4 TzBfG sind unzulässig (BAG)<br />

Arbeitgeberinsolvenz: Tarifvertragliche Abfindungsansprüche<br />

sind einfache Insolvenzforderungen<br />

(BAG)<br />

Freizeitausgleich: Kompensation für Nachtarbeit<br />

muss regelmäßig 25 % der Nachtarbeitsstunden<br />

betragen (BAG)<br />

Sozialrecht<br />

ALG II: Auszahlung der Eigenheimzulage regelmäßig<br />

unschädlich (SG Dortmund)<br />

Handels- und Gesellschaftsrecht<br />

Gesellschafterversammlung: Schwerwiegende Einladungsmängel<br />

können Nichtigkeit der Beschlüsse<br />

zur Folge haben (BGH)<br />

Aus dem Inhalt:<br />

15/06<br />

Bankrecht<br />

Immobilienfonds: Anteilserwerb und Darlehensvertrag<br />

sind nur ausnahmsweise verbundene<br />

Geschäfte i.S.v. § 9 VerbrKrG (BGH)<br />

Immobilienfonds: Falsche Angaben über Innenprovisionen<br />

führen zu Beweiserleichterungen<br />

zugunsten des Anlegers (BGH)<br />

Steuerrecht<br />

Fahrtenbücher: Detaillierte Angaben zu Kundenbesuchen<br />

erforderlich (BFH)<br />

Spekulationsfrist: Nicht bei Entnahmen vor dem<br />

1.1.1999 (FG Köln)


<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 15/06 Inhalt<br />

Mietrecht<br />

Starrer Fristenplan für Schönheitsreparaturen:<br />

Unwirksamkeit des Fristenplans kann auch Renovierungspflicht<br />

beim Auszug des Mieters erfassen<br />

BGH 5.4.2006, VIII ZR 178/05 4<br />

Haftungs- und Versicherungsrecht<br />

Gebäudeversicherungen haften nicht für jeden<br />

Rohrschaden<br />

OLG Bamberg 8.2.2006, 1 U 241/05 4<br />

Familien- und Erbrecht<br />

Mütter dürfen ihre im Ausland beim Vater lebenden<br />

Kinder nicht ohne weiteres in Deutschland zurückhalten<br />

OLG Stuttgart 3.4.2006, 17 UF 318/05 5<br />

Arbeitsrecht<br />

Arbeitsverhältnisse mit älteren Arbeitnehmern dürfen<br />

nicht mehr gemäß § 14 Abs.3 S.4 TzBfG uneingeschränkt<br />

sachgrundlos befristet werden<br />

BAG 26.4.2006, 7 AZR 500/04 5<br />

Tarifvertragliche Abfindungsansprüche sind bei<br />

Insolvenz des Arbeitgebers einfache Insolvenzforderungen<br />

BAG 27.4.2006, 6 AZR 364/05 6<br />

Bezahlte Freizeit als Ausgleich für Nachtarbeit muss<br />

regelmäßig 25 Prozent der Nachtarbeitsstunden<br />

betragen<br />

BAG 1.2.2006, 5 AZR 422/04 6<br />

Lehrer an privaten Ersatzschulen dürfen nicht deutlich<br />

weniger verdienen als Lehrer an öffentlichen<br />

Schulen 7<br />

Sozialrecht<br />

Abschlagszahlungen für Heizkosten nicht erbracht:<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger haben keinen<br />

Anspruch auf zusätzliche Zahlungen<br />

LSG Rheinland-Pfalz 4.4.2006, L 3 ER 41/06 AS 7<br />

Auszahlung der Eigenheimzulage führt regelmäßig<br />

nicht zum Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld<br />

II<br />

SG Dortmund 9.3.2006, S 27 AS 240/05 8<br />

Handels- und Gesellschaftsrecht<br />

Investition in ausländische Investmentanteile: Anleger<br />

haben bei Verstoß gegen § 2 Abs.1 Nr.1-5 Auslandinvestmentgesetz<br />

einen deliktischen Schadensersatzanspruch<br />

OLG Karlsruhe 24.2.2006, 1 U 190/05 8<br />

Mit schwerwiegenden Mängeln behaftete Ladung<br />

zur Gesellschafterversammlung kann Nichtigkeit<br />

der Beschlüsse zur Folge haben<br />

BGH 13.2.2006, II ZR 200/04 9<br />

Wettbewerber können die Fusion von Unternehmen<br />

nicht mittels der in § 36 Abs.1 GWB geregelten<br />

Fusionskontrolle verhindern<br />

OLG Düsseldorf 25.10.2005, VI-Kart 15/05 (V) 9<br />

Bankrecht<br />

BGH klärt Streitfragen zur Haftung der Banken bei<br />

Rückabwicklung eines kreditfinanzierten Erwerbs<br />

von Immobilienfonds-Anteilen<br />

BGH 25.4.2006, XI ZR 193/04 u.a. 10<br />

Immobilienfonds: Bei falschen Prospektangaben<br />

über die Innenprovisionen kommen Anlegern<br />

Beweiserleichterungen zugute<br />

BGH 9.2.2006, III ZR 20/05 11<br />

Wettbewerbsrecht und Gewerblicher<br />

Rechtsschutz<br />

Für die Bezeichnung „Fußball WM 2006“ besteht<br />

kein Markenschutz<br />

BGH 27.4.2006, I ZB 96/05 u. I ZB 97/05 11<br />

Das Wort „Matratzen“ kann in Spanien als Wortmarke<br />

eingetragen werden<br />

EuGH 9.3.2006, C-421/04 12


<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 15/06 Inhalt<br />

Strafrecht und OWi<br />

EU-Kommission will Kampf gegen Produktpiraterie<br />

verschärfen 12<br />

Steuerrecht<br />

Fahrtenbücher müssen regelmäßig Angaben zu den<br />

aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartnern enthalten<br />

BFH 16.3.2006, VI R 87/04 13<br />

Vor dem 1.1.1999 erfolgte Entnahmen aus dem<br />

Betriebsvermögen setzen keine Spekulationsfrist in<br />

Gang<br />

FG Köln 30.3.2006, 10 K 4387/05 13<br />

Aufwendungen für Baumaßnahmen am eigenen<br />

Wohnhaus sind regelmäßig nicht als außergewöhnliche<br />

Belastungen abziehbar<br />

FG Rheinland-Pfalz 29.3.2006, 3 K 2264/03 14<br />

Bundeskabinett will mittelständische Wirtschaft von<br />

Bürokratie befreien 15<br />

Verlag<br />

Impressum<br />

Verlag Dr. Otto Schmidt KG in Kooperation mit dem <strong>Anwalt</strong>-<strong>Suchservice</strong><br />

Gustav-Heinemann-Ufer 58<br />

50968 Köln<br />

Geschäftsführender Gesellschafter: Dr. h.c. Karl-Peter Winters<br />

Amtsgericht Köln, HRA 5237<br />

USt-Ident-Nr. DE 123047975<br />

Zitierweise<br />

<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> Jahrgang, Ausgabe, Seite<br />

ISSN 1613-8090<br />

Schriftleitung und Verlagsredaktion:<br />

Petra Rülfing, Ass.jur; Imke Sawitzky, Ass.jur; Rüdiger Donnerbauer (verantw.)<br />

Redaktion <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong>, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln-Marienburg<br />

E-Mail: anwaltswoche@otto-schmidt.de<br />

Tel.: +49 (0) 221-93738-501<br />

Fax: +49 (0) 221-93738-951<br />

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Bezugspreis: 98,- € pro Jahr.<br />

Anzeigenleitung: Renate Becker<br />

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Haftungsausschluss<br />

Inhalte<br />

Die Inhalte der <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> werden sorgfältig geprüft und nach bestem<br />

Wissen erstellt. Jedoch kann keinerlei Gewähr für die Korrektheit, Vollständigkeit,<br />

Aktualität oder Qualität der bereitgestellten Informationen übernommen<br />

werden. Haftungsansprüche gegen den Verlag Dr. Otto Schmidt, welche<br />

sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die<br />

Nutzung oder Nichtnutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die<br />

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sind grundsätzlich ausgeschlossen, sofern auf Seiten des Verlages Dr. Otto-<br />

Schmidt kein nachweislich vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden<br />

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Meinung des Herausgebers wider.<br />

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Der Verlag Dr. Otto Schmidt ist bestrebt, in allen Publikationen die Urheberrechte<br />

der verwendeten Grafiken, Tondokumente, Videosequenzen und Texte<br />

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Rechtswirksamkeit des Haftungsausschlusses<br />

Sofern Teile oder einzelne Formulierungen dieses Textes der geltenden<br />

Rechtslage nicht, nicht mehr oder nicht vollständig entsprechen sollten, bleiben<br />

die übrigen Teile des Dokumentes in ihrem Inhalt und ihrer Gültigkeit<br />

davon unberührt.


Mietrecht<br />

Starrer Fristenplan für Schönheitsreparaturen:<br />

Unwirksamkeit des Fristenplans kann<br />

auch Renovierungspflicht beim Auszug des<br />

Mieters erfassen<br />

BGH 5.4.2006, VIII ZR 178/05<br />

Eine Klausel in einem formularmäßigen Mietvertrag, wonach<br />

der Mieter innerhalb bestimmter Zeiträume Schönheitsreparaturen<br />

vornehmen muss, ohne dass es auf den konkreten Renovierungsbedarf<br />

ankommt, ist unwirksam. Die Unwirksamkeit eines<br />

solchen starren Fristenplans erfasst auch die Klauseln über die<br />

Renovierungspflicht oder quotenmäßige Abgeltung angefangener<br />

Renovierungsintervalle beim Auszug des Mieters, soweit die<br />

Klauseln eine zusammengehörende Gesamtregelung der Renovierungspflichten<br />

des Mieters darstellen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Beklagte hatte von der Klägerin eine Wohnung gemietet.<br />

Der formularmäßige Mietvertrag enthielt in § 6 unter der Überschrift<br />

„Erhaltung der Mietsache“ folgende Regelungen:<br />

„(1) Der Mieter hat während der Mietzeit die Schönheitsreparaturen<br />

auf seine Kosten ... auszuführen, und zwar in Küche, Bad,<br />

WC alle drei Jahre, in den übrigen Räumen alle fünf Jahre...<br />

(2) Nach Beendigung des Mietverhältnisses hat der Mieter ...<br />

unter Berücksichtigung des vereinbarten Fristenplans alle bis<br />

dahin je nach Grad der Abnutzung oder Beschädigung erforderlichen<br />

Schönheitsreparaturen auszuführen. (...)<br />

(3) Weist der Mieter nach, dass die letzten Schönheitsreparaturen<br />

innerhalb der oben genannten Fristen ... durchgeführt worden<br />

sind, ...so muss er anteilig den Betrag an den Vermieter zahlen,<br />

der aufzuwenden wäre, wenn die Wohnung im Zeitpunkt der<br />

Vertragsbeendigung renoviert würde...Der Mieter kann die Zahlungsverpflichtung<br />

dadurch abwenden, dass er die Schönheitsreparaturen<br />

selbst durchführt.“<br />

Nach viereinhalbjähriger Mietzeit kündigte der Beklagte den<br />

Mietvertrag und zog aus der Wohnung aus, ohne während der<br />

Vertragslaufzeit oder beim Auszug Schönheitsreparaturen durchgeführt<br />

zu haben. Die Klägerin beauftragte daraufhin Handwerker<br />

mit der kompletten Renovierung der Wohnung und verlangte<br />

vom Beklagten den Ersatz der Renovierungskosten. Ihre hierauf<br />

gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung<br />

der Renovierungskosten. Der Beklagte war vertraglich nicht<br />

zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet, da der<br />

formularmäßige Mietvertrag in § 6 Nr.1 einen starren Fristenplan<br />

enthält und insoweit wegen unangemessener Benachteiligung<br />

des Beklagten nach § 9 Abs.1 AGBG (jetzt § 307 Abs.1 S.1<br />

BGB) unwirksam ist.<br />

Ein Fristenplan ist nur dann zulässig, wenn der Vermieter durch<br />

Formulierungen wie „in der Regel“ oder „im Allgemeinen“<br />

zum Ausdruck bringt, dass die Fristen flexibel sind und an den<br />

tatsächlichen Renovierungsbedarf angepasst werden können. Er<br />

ist dagegen unzulässig, wenn der Mieter die Schönheitsreparaturen<br />

– unabhängig vom konkreten Renovierungsbedarf - innerhalb<br />

bestimmter Intervalle durchführen muss. Hierfür ist nicht<br />

erforderlich, dass die Frist durch Worte wie „mindestens“ oder<br />

„spätestens“ verstärkt wird. Vielmehr reicht es aus, wenn der<br />

formularmäßige Mietvertrag – wie hier - eine bestimmte Frist<br />

ohne jeden Zusatz enthält.<br />

Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, gemäß § 6 Nr.2 des<br />

Mietvertrags bei Auszug zu renovieren oder gemäß § 6 Nr.3 des<br />

Mietvertrags einen anteiligen Betrag der Kosten für die Schönheitsreparaturen<br />

zu übernehmen. Beide Klauseln nehmen auf<br />

den unzulässigen starren Fristenplan in § 6 Nr.1 Bezug und werden<br />

von der Unwirksamkeit dieser Klausel erfasst. Dabei ist zu<br />

berücksichtigen, dass § 6 des Mietvertrags eine zusammengehörende<br />

Gesamtregelung der Renovierungspflichten des Mieters<br />

enthält. Grundlage dieser Regelung ist der Fristenplan. Fällt dieser<br />

weg, so verlieren die nachfolgenden Klauseln ihren Sinn.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />

BGH veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier<br />

(pdf-Datei).<br />

Haftungs- und<br />

Versicherungsrecht<br />

Gebäudeversicherungen haften nicht für<br />

jeden Rohrschaden<br />

OLG Bamberg 8.2.2006, 1 U 241/05<br />

Wohngebäudeversicherungen müssen nicht für jede Form eines<br />

Rohrschadens aufkommen. Eine Einstandspflicht besteht nach<br />

den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vielmehr nur, wenn<br />

ein Rohrbruch oder Leitungswasserschaden vorliegt. Ein Rohrbruch<br />

setzt voraus, dass das Rohrmaterial beschädigt ist. Diese<br />

Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Rohre selbst intakt und<br />

nur nicht fachgerecht miteinander verbunden sind.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger ist bei der beklagten Gebäude- und Leitungswasserversicherung<br />

versichert. Bei Betätigung der Toilettenspülung in<br />

seinem Haus spritzte das Wasser aus der Toilette heraus. Das<br />

Abwasser hatte sich zurückgestaut, weil sich eine Rohrmuffe<br />

unter der Bodenplatte gelöst hatte. Hierdurch war das Leitungsrohr<br />

auf eine Länge von viereinhalb Metern abgesackt.<br />

Der Kläger ließ den Schaden von einem Klempner für 11.000<br />

Euro reparieren und nahm die Beklagte auf Zahlung des Betrags<br />

in Anspruch. Die Beklagte lehnte jede Entschädigung ab, weil<br />

kein Versicherungsfall vorliege. Die hiergegen gerichtete Klage<br />

hatte sowohl vor dem LG als auch vor dem OLG keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Entschädigung<br />

für seinen Rohrschaden.<br />

Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen muss die<br />

Beklagte nur für einen Rohrbruch oder einen Leitungswasserschaden<br />

einstehen. Ein Rohrbruch liegt vor, wenn das Material<br />

des Rohrs durch ein Loch oder einen Riss beschädigt ist. Dies<br />

war hier nicht der Fall. Denn die einzelnen Rohre des Leitungs-<br />

15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 4


systems waren intakt. Zu dem Schaden ist es nur gekommen,<br />

weil das Anschlussstück des WC nicht fachgerecht mit dem<br />

Grundleitungsrohr verbunden war.<br />

Auch ein Leitungswasserschaden liegt hier nicht vor. Ein solcher<br />

liegt vor, wenn aus einem Rohr ausgetretenes Wasser Gegenstände<br />

des Versicherten beschädigt, wie dies beispielsweise bei<br />

Durchnässungsschäden der Fall ist. Im Streitfall ging es jedoch<br />

nicht um eine Entschädigung für durch Wasser beschädigte<br />

Gegenstände, sondern für die Reparatur des Rohrsystems.<br />

Familien- und Erbrecht<br />

Mütter dürfen ihre im Ausland beim Vater<br />

lebenden Kinder nicht ohne weiteres in<br />

Deutschland zurückhalten<br />

OLG Stuttgart 3.4.2006, 17 UF 318/05<br />

Mütter, die ihr Einverständnis dazu erteilt haben, dass ihre Kinder<br />

beim Vater im Ausland leben, dürfen die Kinder nach einem<br />

Besuch nicht ohne weiteres in Deutschland zurückhalten. Ein<br />

Zurückhaltungsrecht kommt vielmehr nur in Betracht, wenn die<br />

Rückführung der Kinder mit der schwerwiegenden Gefahr einer<br />

körperlichen oder seelischen Schädigung der Kinder verbunden<br />

ist.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Antragsteller ist italienischer Staatsangehöriger. Er hat mit<br />

der Antragsgegnerin, einer deutschen Staatsangehörigen, ein<br />

sechsjähriges Kind. Dieses lebt mit dem Einverständnis der<br />

Antragsgegnerin beim Antragsteller in Italien. Während eines<br />

Krankenhausaufenthalts des Antragstellers hielt sich das Kind<br />

bei der Antragsgegnerin in Deutschland auf. Diese verweigerte<br />

später die Rückkehr des Kindes nach Italien.<br />

Auf den Antrag des Antragstellers ordnete das AG die Rückführung<br />

des Kindes nach Italien an, weil die Antragsgegnerin das<br />

Kind widerrechtlich in Deutschland zurückhalte. Das Gericht<br />

stützte seine Entscheidung auf das Haager Übereinkommen über<br />

die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung<br />

vom 25.10.1980 (HkiEntÜ). Sie habe durch das Zurückhalten<br />

das Sorgerecht des Vaters verletzt. Die gegen diese Entscheidung<br />

gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hatte keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die Antragsgegnerin hat kein Recht, das Kind in Deutschland<br />

zurückzuhalten. Ein Zurückhaltungsrecht könnte der Antragsgegnerin<br />

lediglich zustehen, wenn zu befürchten wäre, dass die<br />

Rückführung mit der schwerwiegenden Gefahr einer körperlichen<br />

oder seelischen Schädigung des Kindes verbunden wäre.<br />

Eine solche Gefährdung des Kindes hat die Antragsgegnerin<br />

nicht hinreichend dargelegt. Zudem hat sie beim zuständigen italienischen<br />

Gericht bislang noch keine Maßnahme zur Regelung<br />

des Sorgerechts beantragt. Würde sie eine Gefährdung ihres Kindes<br />

befürchten, hätte sie entsprechende Maßnahmen eingeleitet.<br />

Arbeitsrecht<br />

Arbeitsverhältnisse mit älteren Arbeitnehmern<br />

dürfen nicht mehr gemäß § 14 Abs.3<br />

S.4 TzBfG uneingeschränkt sachgrundlos<br />

befristet werden<br />

BAG 26.4.2006, 7 AZR 500/04<br />

§ 14 Abs.3 S.4 TzBfG, wonach Arbeitsverhältnisse mit über 52<br />

Jahre alten Arbeitnehmern ohne Einschränkung sachgrundlos<br />

befristet werden dürfen, ist nach einer Entscheidung des EuGH<br />

vom 22.11.2005 (Rs.: C-144/04) nicht mehr anwendbar. Daher<br />

sind alle ausschließlich auf § 14 Abs.3 S.4 TzBfG gestützten<br />

sachgrundlosen Befristungen unwirksam. Die Arbeitgeber können<br />

insoweit keinen Vertrauensschutz beanspruchen, da die Vereinbarkeit<br />

der Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht bereits<br />

seit ihrem In-Kraft-Treten umstritten war.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der 1950 geborene Kläger war seit Juli 1999 auf Grund mehrerer<br />

befristeter Arbeitsverhältnisse als Aushilfe beschäftigt. Der<br />

zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 18.2.2003 sah eine<br />

Befristung des Arbeitsverhältnisses vom 19.2.2003 bis zum<br />

31.4.2004 vor.<br />

Mit seiner Klage verlangte der Kläger die Weiterbeschäftigung<br />

über den 31.4.2004 hinaus. Er machte geltend, dass die zuletzt<br />

vereinbarte Befristung unwirksam sei. Sie könne insbesondere<br />

nicht auf § 14 Abs.3 S.4 TzBfG gestützt werden, wonach<br />

Arbeitsverhältnisse mit über 52 Jahre alten Arbeitnehmern<br />

uneingeschränkt sachgrundlos befristet werden könnten. Diese<br />

Vorschrift stelle eine unzulässige Diskriminierung wegen des<br />

Alters dar und verstoße deshalb gegen das Gemeinschaft.<br />

ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Nachdem der EuGH am<br />

22.11.2005 (Rs.: C-144/04) in einem anderem Fall entschieden<br />

hatte, dass § 14 Abs.3 S.4 TzBfG eine nach Gemeinschaftsrecht<br />

unzulässige Diskriminierung wegen des Alters darstelle und deshalb<br />

von den nationalen Gerichten nicht mehr angewendet werden<br />

dürfe, gab das BAG der Klage statt.<br />

Die Gründe:<br />

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf unbefristete<br />

Weiterbeschäftigung, da die zuletzt vereinbarte Befristung<br />

unwirksam war. Grundsätzlich ist die Befristung eines Arbeitsvertrags<br />

gemäß § 14 Abs.1 S.1 TzBfG nur zulässig, wenn sie<br />

durch einen Sachgrund befristet ist. § 14 Abs.3 S.4 TzBfG sieht<br />

hiervon eine Ausnahme vor, indem es Befristungen mit über 52<br />

Jahre alten Arbeitnehmern auch ohne Sachgrund und ohne zeitliche<br />

Einschränkungen erlaubt<br />

§ 14 Abs.3 S.4 TzBfG ist nach dem Urteil des EuGH vom<br />

22.11.2005 (Rs.: C-144/04) nicht mehr anwendbar. Daher sind<br />

Befristungen, die – wie hier – allein auf diese Vorschrift gestützt<br />

worden sind, unwirksam.<br />

Die Arbeitgeber können sich im Hinblick auf vor der EuGH-<br />

Entscheidung abgeschlossene befristete Arbeitsverträge nicht<br />

auf den sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Vertrauensschutz<br />

berufen. Denn der EuGH hat seinen Ausspruch über<br />

die Unanwendbarkeit von § 14 Abs.3 S.4 TzBfG nicht in zeitlicher<br />

Hinsicht begrenzt. Auch nach nationalem Recht können<br />

die Arbeitgeber keinen Vertrauensschutz beanspruchen, da die<br />

15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 5


Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht bereits<br />

seit ihrem In-Kraft-Treten umstritten war.<br />

Der Hintergrund:<br />

Nach § 14 Abs.3 S.1 TzBfG können Arbeitsverhältnisse mit<br />

Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, ohne<br />

Einschränkungen sachgrundlos befristet werden. Durch das Erste<br />

Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom<br />

23.12.2002 („Hartz-I-Gesetz“) hat der Gesetzgeber die Altersgrenze<br />

für die sachgrundlose Befristung von älteren Arbeitnehmern<br />

in § 14 Abs.3 S.4 TzBfG bis zum 31.12.2006 auf 52 Jahre<br />

abgesenkt.<br />

Linkhinweis:<br />

Für den Volltext der auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten<br />

Entscheidung vom 22.11.2005 (Rs.: C-144/04) klicken<br />

Sie bitte hier.<br />

Tarifvertragliche Abfindungsansprüche sind<br />

bei Insolvenz des Arbeitgebers einfache<br />

Insolvenzforderungen<br />

BAG 27.4.2006, 6 AZR 364/05<br />

Tarifvertragliche Abfindungsansprüche bei Kündigung des<br />

Arbeitsverhältnisses auf Grund von Rationalisierungsmaßnahmen<br />

stellen bei Insolvenz des Arbeitgebers keine vorweg zu<br />

befriedigenden Masseverbindlichkeiten dar, sondern einfache<br />

Insolvenzforderungen. Das gilt auch, wenn die Kündigung erst<br />

nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter<br />

ausgesprochen wird.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger war seit 1990 bei der späteren Insolvenzschuldnerin<br />

als Druckerhelfer beschäftigt. Der Haustarifvertrag der Insolvenzschuldnerin<br />

sah vor, dass Arbeitnehmer, die auf Grund von Rationalisierungsmaßnahmen<br />

aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden,<br />

eine Abfindung beanspruchen können, die bei einer Betriebszugehörigkeit<br />

von mehr als 13 Jahren das zehnfache eines Monatsgehalts<br />

beträgt.<br />

Nachdem über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren<br />

eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter<br />

bestellt worden war, wurde ein Interessenausgleich geschlossen,<br />

der eine Reduzierung der Belegschaft von 80 auf 40 Arbeitnehmer<br />

vorsah und eine Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer<br />

enthielt. In dieser war auch der Kläger aufgeführt. Der Beklagte<br />

kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom<br />

29.3.2004 zum 30.6.2004.<br />

Mit seiner Klage verlangte der Kläger die Zahlung einer Abfindung<br />

in Höhe des zehnfachen seines Monatsverdienstes. Er machte<br />

geltend, dass der tarifvertragliche Anspruch durch die Kündigung<br />

des Beklagten und damit eine Handlung des Insolvenzverwalters<br />

im Sinn von § 55 InsO begründet worden sei und als Masseschuld<br />

nicht der Beschränkung des § 123 InsO unterliege. Seine Klage<br />

hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Ein etwaiger Abfindungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten<br />

stellt keine gemäß § 53 InsO vorweg zu befriedigende Masseverbindlichkeit<br />

im Sinn von § 55 InsO dar, sondern eine einfache<br />

Insolvenzforderung im Sinn von § 38 InsO. Denn bei einem<br />

tariflichen Abfindungsanspruch handelt es sich auch dann nicht<br />

um eine durch eine Handlung des Insolvenzverwalters begründete<br />

Verbindlichkeit im Sinn von § 55 Abs.1 Nr.1 InsO, wenn die Kündigung<br />

- wie hier – nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch<br />

den Insolvenzverwalter erklärt wird.<br />

Bezahlte Freizeit als Ausgleich für Nachtarbeit<br />

muss regelmäßig 25 Prozent der Nachtarbeitsstunden<br />

betragen<br />

BAG 1.2.2006, 5 AZR 422/04<br />

Arbeitgebern steht ein Wahlrecht zu, ob sie Nachtarbeit bei Fehlen<br />

einer tariflichen Regelung durch einen angemessenen Zuschlag<br />

oder durch eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage ausgleichen.<br />

Da beide Leistungen gleichwertig nebeneinander stehen, ist<br />

die Angemessenheit nach einem einheitlichen Maßstab zu beurteilen.<br />

Regelmäßig ist ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 Prozent<br />

der Vergütung angemessen. Daher muss auch der Freizeitausgleich<br />

in der Regel 25 Prozent der Nachtarbeitsstunden betragen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger ist seit 1994 bei der nicht tarifgebundenen Beklagten<br />

als Lebensmitteltechniker beschäftigt. Er arbeitet in Wechselschicht<br />

und wird während der Nachtschichten als Schichtleiter<br />

eingesetzt. Sein Arbeitsvertrag enthält keine Regelungen zum<br />

Ausgleich für Nachtarbeit.<br />

Mit seiner Klage verlangte der Kläger von der Beklagten einen<br />

finanziellen Ausgleich für die von ihm in den Jahren 1997 bis 1999<br />

während der Nachtschichten geleisteten Arbeitsstunden in Höhe<br />

von 25 Prozent der Vergütung und alternativ einen Ausgleich in<br />

Form von bezahlten freien Tagen im Umfang von 25 Prozent der<br />

Nachtarbeitsstunden. Die hierauf gerichtete Klage hatte in allen<br />

Instanzen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die Beklagte muss dem Kläger entweder den begehrten Nachtarbeitszuschlag<br />

auszahlen oder den Freizeitausgleich gewähren.<br />

Das ergibt sich aus § 6 Abs.5 ArbZG, wonach Arbeitgeber<br />

Nachtarbeitnehmern bei Fehlen einer tariflichen Regelung für die<br />

während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden entweder eine<br />

angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen<br />

Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt gewähren müssen.<br />

Zwischen den Parteien ist inzwischen unstreitig, dass ein Nachtarbeitszuschlag<br />

in Höhe von 25 Prozent angemessen ist. Dies<br />

entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des BAG. Entgegen<br />

der Auffassung der Beklagten beläuft sich der angemessene<br />

Freizeitausgleich allerdings ebenfalls auf 25 Prozent der<br />

Nachtarbeitsstunden und ist nicht niedriger anzusetzen. Denn § 6<br />

Abs.5 ArbZG stellt die Möglichkeit der Zahlung eines Zuschlags<br />

und der Gewährung bezahlter freier Tage gleichwertig nebeneinander.<br />

Daher ist auch die Angemessenheit nach einem einheitlichen<br />

Maßstab zu beurteilen.<br />

Gleichwertige Leistungen liegen nur bei einem gleichen prozentualen<br />

Aufschlag in Geld oder Zeit vor. Dabei ist auch zu berücksichtigen,<br />

dass Vergütung und Arbeitszeit im Arbeitsvertrag im<br />

Gegenseitigkeitsverhältnis stehen und Freizeitausgleich für den<br />

Arbeitgeber nicht stets teurer ist als ein Zuschlag. Dem Arbeitgeber<br />

ist es unbenommen die bezahlte Freistellung während der<br />

Tagschichten zu gewähren und dadurch einen (weiteren) Ausgleich<br />

für Nachtarbeit einzusparen. Auch kann er unter Umständen<br />

geringer bezahlte Arbeitnehmer einsetzen.<br />

15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 6


Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />

BAG veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

Lehrer an privaten Ersatzschulen dürfen<br />

nicht deutlich weniger verdienen als Lehrer<br />

an öffentlichen Schulen<br />

Die Vergütung von Lehrern an privaten Ersatzschulen darf in<br />

Brandenburg 75 Prozent der Vergütung der vergleichbaren Lehrer<br />

an öffentlichen Schulen nicht unterschreiten. Anderenfalls ist<br />

die Vergütungsvereinbarung sittenwidrig und kann der betroffene<br />

Lehrer eine entsprechende Gehaltsnachzahlung verlangen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger war bis zum Eintritt in den Ruhestand als Schulleiter<br />

einer vom Beklagten getragenen privaten Ersatzschule in<br />

Brandenburg beschäftigt. Seine Vergütung betrug auf Grund<br />

arbeitsvertraglicher Vereinbarung 3.350 Euro und damit rund 70<br />

Prozent der Vergütung, die vergleichbare Lehrer an einer öffentlichen<br />

Schule nach dem BAT-Ost erhalten.<br />

Der Kläger machte geltend, dass seine Vergütung sittenwidrig<br />

gewesen sei, und verlangte vom Beklagten die Nachzahlung von<br />

Gehalt für die Zeit vom 1.1.2001 bis zum 31.5.2003 in Höhe<br />

von rund 50.700 Euro. Er stützte sich zur Begründung auf das<br />

Schulrecht des Landes Brandenburg, wonach eine Privatschule<br />

nur genehmigt werden könne, wenn die Vergütung der Lehrer<br />

mindestens 75 Prozent der Gehälter der vergleichbaren im<br />

öffentlichen Dienst beschäftigten Lehrer betrage.<br />

ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des<br />

Klägers hob das BAG die Vorentscheidungen auf und wies die<br />

Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG<br />

zurück.<br />

Die Gründe:<br />

Die streitige Vergütungsvereinbarung ist sittenwidrig und damit<br />

nach § 138 Abs.1 BGB nichtig.<br />

§ 138 Abs.1 BGB schützt auch anerkannte Rechts- und Grundwerte<br />

des Gemeinschaftslebens, die sich aus dem Grundgesetz<br />

und einfachgesetzlichen Regelungen ergeben. Daher ist im<br />

Streitfall zu berücksichtigen, dass das die Privatschulfreiheit in<br />

Art. 7 Abs.4 GG konkretisierende Schulrecht vorsieht, dass die<br />

Personalkosten anerkannter Ersatzschulen zu 97 Prozent vom<br />

Land Brandenburg übernommen werden und die Genehmigung<br />

voraussetzt, dass die Vergütung der angestellten Lehrkräfte mindestens<br />

75 Prozent der Gehälter der vergleichbaren Lehrer im<br />

öffentlichen Dienst beträgt.<br />

Aus den Regelungen des Landesschulrechts folgt, dass eine 75<br />

Prozent unterschreitende Vergütung nicht den guten Sitten im<br />

Sinn von § 138 BGB entspricht. Die Sache war an das LAG<br />

zurückzuverweisen, da dieses noch aufklären muss, wie hoch die<br />

übliche Vergütung im Sinn von § 612 Abs.2 BGB von Schulleitern<br />

anerkannter privater Ersatzschulen in Brandenburg ist.<br />

Sozialrecht<br />

Abschlagszahlungen für Heizkosten nicht<br />

erbracht: Arbeitslosengeld-II-Empfänger<br />

haben keinen Anspruch auf zusätzliche<br />

Zahlungen<br />

LSG Rheinland-Pfalz 4.4.2006, L 3 ER 41/06 AS<br />

Wenn Arbeitslosengeld-II-Empfänger die in den Leistungen zur<br />

Sicherung des Lebensunterhalts enthaltenen Heizkostenzuschläge<br />

nicht für die fälligen Abschlagszahlungen verwenden, haben<br />

sie gegen die Agentur für Arbeit keinen Anspruch auf zusätzliche<br />

Zahlungen. Heizkosten können anders als Mietschulden auch<br />

nicht darlehensweise von der Agentur für Arbeit übernommen<br />

werden. Die Betroffenen müssen sich vielmehr an den Sozialhilfeträger<br />

wenden, der in Sonderfällen Darlehen zur Schuldentilgung<br />

gewähren kann.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Antragstellerin bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts,<br />

die auch einen Betrag zur Deckung der Heizkosten<br />

enthielten. Die Antragstellerin leistete mehrere keine Abschlagszahlungen<br />

für die Heizkosten und verbrauchte den Heizkostenzuschlag<br />

für andere Zwecke. Als daraufhin das Gas gesperrt<br />

wurde, beantragte sie bei der Agentur für Arbeit (Antragsgegnerin)<br />

die Übernahme der rückständigen Gaskosten.<br />

Die Antragsgegnerin lehnte die Kostenübernahme ab, weil die<br />

Leistungen für Heizkosten bereits gewährt worden seien. Der daraufhin<br />

gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung<br />

hatte sowohl vor dem SG als auch vor dem LSG keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen<br />

Anspruch auf Übernahme der rückständigen Heizkosten. Arbeitslosengeld-II-Empfänger<br />

erhalten im Rahmen der Leistungen zur<br />

Sicherung des Lebensunterhalts zwar Leistungen für Unterkunft<br />

und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen. Diese<br />

Leistungen hat die Antragstellerin aber bereits erhalten und nur<br />

nicht zweckentsprechend eingesetzt.<br />

Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin auch nicht<br />

die Gewährung eines Darlehens zur Tilgung der rückständigen<br />

Heizkosten verlangen. Nach § 22 Abs.5 SGB II können lediglich<br />

Mietkosten als Darlehen übernommen werden, wenn anderenfalls<br />

der Verlust der Wohnung droht. Bei den Rückständen<br />

wegen Abschlagszahlungen für Heizkosten handelt es sich nicht<br />

um Mietschulden im Sinn von § 22 Abs.5 SGB II.<br />

Auch die Voraussetzungen einer Darlehensgewährung gemäß §<br />

23 Abs.1 SGB II sind nicht erfüllt, weil diese Vorschrift nur für<br />

den von den Regelleistungen umfassten Bedarf gilt. Heizkosten<br />

gehören aber nicht zu den Regelleistungen, sondern werden<br />

gemäß § 22 Abs.1 SGB II in tatsächlicher Höhe übernommen.<br />

Die Antragstellerin kann sich damit allenfalls an den Sozialhilfeträger<br />

wenden, weil dieser in Sonderfällen Darlehen zur Schuldtilgung<br />

gewähren kann.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage der<br />

Justiz Rheinland-Pfalz veröffentlicht.<br />

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15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 7


Auszahlung der Eigenheimzulage führt<br />

regelmäßig nicht zum Wegfall des<br />

Anspruchs auf Arbeitslosengeld II<br />

SG Dortmund 9.3.2006, S 27 AS 240/05<br />

Langzeitarbeitslose haben regelmäßig auch im Monat der Auszahlung<br />

der Eigenheimzulage einen Anspruch auf ungekürztes<br />

Arbeitslosengeld II. Dies setzt nicht voraus, dass der Betroffene<br />

die Eigenheimzulage unwiderruflich an die den Immobilienkredit<br />

gewährende Bank abgetreten hat. Eine zweckentsprechende<br />

Verwendung der Eigenheimzulage ist vielmehr bereits dann<br />

nachgewiesen, wenn die jährlichen Zinsen und Gebühren für den<br />

Immobilienkredit die Höhe der Zulage erreichen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger, ein arbeitsloser Familienvater mit noch nicht abbezahltem<br />

Eigenheim, bezieht Arbeitslosengeld II. Im Monat der<br />

Auszahlung der Eigenheimzulage in Höhe von 2.045 Euro verwehrte<br />

die beklagte ARGE dem Kläger die Gewährung von<br />

Arbeitslosengeld II wegen fehlender Bedürftigkeit. Mit seiner<br />

hiergegen gerichtete Klage machte der Kläger unter anderem<br />

geltend, dass seine jährlichen Zinsaufwendungen für den Immobilienkredit<br />

den Betrag der Eigenheimzulage überstiegen. Die<br />

Klage hatte vor dem SG Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die Beklagte muss dem Kläger auch im Monat der Auszahlung<br />

der Eigenheimzulage II gewähren. Bei der Eigenheimzulage<br />

handelt es sich regelmäßig um eine nicht anrechenbare, zweckbestimmte<br />

Leistung im Sinn von § 11 Abs.3 Nr.1 SGB II. Sie<br />

dient dem Zweck der Bildung von Wohneigentum als Teil der<br />

privaten Altersvorsorge. Da die Eigenheimzulage nur für Zeiten<br />

der Selbstnutzung des Eigenheims gewährt wird, ist auch sichergestellt,<br />

dass sie nicht der allgemeinen Vermögensbildung, sondern<br />

der Schaffung von Wohnraum dient.<br />

Voraussetzung für die Anerkennung der Eigenheimzulage als<br />

zweckgebundene Leistung im Sinn von § 11 Abs.3 Nr.1 SGB<br />

II ist nicht, dass der Langzeitarbeitslose seinen Anspruch auf<br />

Eigenheimzulage unwiderruflich an die den Immobilienkredit<br />

finanzierende Bank abgetreten hat. Vielmehr reicht es aus, wenn<br />

die jährlichen Zinsaufwendungen für den Immobilienkredit die<br />

Höhe der Eigenheimzulage erreichen.<br />

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die vom Kläger zu zahlenden<br />

Zinsen und Gebühren für den Immobilienkredit übersteigen<br />

seine jährliche Eigenheimzulage. Damit handelt es sich bei der<br />

Eigenheimzulage um einen reinen Durchlaufposten, durch den<br />

der Kläger und seine Familie nicht mehr Vermögen zur Verfügung<br />

steht als sonst.<br />

Der Hintergrund:<br />

Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 1.10.2005 eine Änderung<br />

der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung beschlossen,<br />

wonach die Eigenheimzulage grundsätzlich nicht als Einkommen<br />

auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld II angerechnet wird.<br />

Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Eigenheimzulage<br />

nachweislich zur Finanzierung eines zu eigenen Wohnzwecken<br />

genutzten Hauses von angemessener Größe oder einer entsprechende<br />

Eigentumswohnung verwendet wird.<br />

Handels- und<br />

Gesellschaftsrecht<br />

Investition in ausländische Investmentanteile:<br />

Anleger haben bei Verstoß gegen §<br />

2 Abs.1 Nr.1-5 Auslandinvestmentgesetz<br />

einen deliktischen Schadensersatzanspruch<br />

OLG Karlsruhe 24.2.2006, 1 U 190/05<br />

Alle in § 2 Abs.1 Nr.1 bis 5 Auslandinvestmentgesetz (AIG)<br />

bezeichneten Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Vertrieb von<br />

ausländischen Investmentanteilen sind Schutzgesetze zugunsten<br />

der Kapitalanleger im Sinn von § 823 Abs.2 BGB. Anleger können<br />

daher bei einem Verstoß gegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

des AIG gegen den Initiator der Anlage einen deliktischen<br />

Schadensersatzanspruch haben. Dieser umfasst allerdings<br />

keine Verzinsungspflicht nach § 849 BGB.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger verlangte vom Beklagten, dem Initiator und Verantwortlichen<br />

eines angelsächsischen Rentenplan-Trust, Schadensersatz<br />

wegen fehlerhafter Aufklärung durch ein Prospekt beim<br />

Kauf von Anteilen an der Kapitalanlage. Der Prospekt sah vor,<br />

dass die Anlage in jährlichen Raten, beginnend im vierten Jahr<br />

nach der Einzahlung bis zum zehnten Jahr, vollständig zurückgezahlt<br />

wird. Ab dem elften Jahr sollten die Anleger jährlich eine<br />

Rente in Höhe von 25 Prozent der Anlagesumme erhalten.<br />

Der Kläger zahlte 1984 einen Betrag von 26.801 Euro in den<br />

Trust ein. Lediglich in den Jahren 1988 bis 1991 erhielt er Rückzahlungen,<br />

die sich insgesamt auf 5.716 Euro beliefen. 1995<br />

machte der Rentenplan-Trust von seinem vertraglich vorgesehenen<br />

Auflösungsrecht Gebrauch. Die Anleger sollten ihre Einlage<br />

und bis dahin erarbeiteten Wertsteigerungen zurückerstattet<br />

bekommen. Alternativ konnte die Rückerstattung auch in Aktien<br />

der E. verlangt werden.<br />

Der Kläger händigte dem Beklagten das Originalzertifikat über<br />

die Anlage aus und verlangte von ihm die Rückzahlung seiner<br />

Resteinlage in Höhe von 21.084 Euro zuzüglich Zinsen seit 1984.<br />

Er stützte seinen Schadensersatzanspruch auf unrichtige Prospektangaben<br />

und eine fehlende Aufklärung über die Risken der Anlage.<br />

Außerdem seien verschiedene Voraussetzungen der §§ 2, 7<br />

AIG nicht erfüllt gewesen. LG und OLG verurteilten den Beklagten<br />

zur Zahlung von 21.084 Euro und wiesen die Klage im Hinblick<br />

auf den außerdem geltend gemachten Zinsanspruch ab.<br />

Die Gründe:<br />

Der Beklagte ist dem Kläger aus § 823 Abs.2 BGB in Verbindung<br />

mit den §§ 2,7 AIG zur Zahlung von Schadensersatz in<br />

Höhe von 21.084 Euro verpflichtet.<br />

Nach § 823 Abs.2 BGB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer<br />

gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderes bezweckt.<br />

Sämtliche in § 2 Abs.1 Nr.1 bis 5 AIG bezeichneten Voraussetzungen<br />

für den Vertrieb von ausländischen Investmentanteilen sind<br />

Schutzgesetze zugunsten der Kapitalanleger im Sinn von § 823<br />

Abs.2 BGB. Denn alle Einzelregelungen in § 2 AIG enthalten zwingende<br />

Anforderungen an die Zulassung eines öffentlichen Vertriebs<br />

mit der Folge, dass bei Nichterfüllung einer jeden dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

die Behörde den Vertrieb untersagen muss.<br />

15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 8


Bei dem streitigen Rentenplan-Trust handelt es sich um öffentlich<br />

vertriebene ausländische Investmentanteile im Sinn von § 1<br />

Abs.1 S.1 AIG. Der Rentenplan-Trust verstieß in mehrfacher Hinsicht<br />

gegen § 2 AIG. So fehlte etwa die Benennung einer Person<br />

mit Sitz und Wohnsitz im Geltungsbereich des AIG als Repräsentant<br />

gegenüber dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (§<br />

2 Nr.1 AIG). Außerdem waren die Mindestanforderungen an die<br />

Vertragsbedingungen nicht erfüllt, da die Anleger nicht jederzeit<br />

die Möglichkeit hatten, die Auszahlung des auf ihren Anteil entfallenden<br />

Vermögensteils in Geld zu verlangen (§ 2 Nr.4b AIG).<br />

Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf Verzinsung seines<br />

Schadensersatzanspruches ab 1984 aus § 849 BGB. Nach<br />

dieser Vorschrift ist die Verzinsung auf die dort geregelten Fälle<br />

der Entziehung und Beschädigung einer Sache beschränkt. Die<br />

Verzinsungspflicht kann zwar ausnahmsweise, wie etwa bei der<br />

Unterschlagung von Geldern, auch für die Entziehung von Geld<br />

gelten. Das gilt aber nicht, wenn – wie hier – freiwillig Geld zu<br />

Investitionszwecken überlassen wird.<br />

Mit schwerwiegenden Mängeln behaftete<br />

Ladung zur Gesellschafterversammlung kann<br />

Nichtigkeit der Beschlüsse zur Folge haben<br />

BGH 13.2.2006, II ZR 200/04<br />

Eine mit schwerwiegenden Form- und Fristmängeln behaftete<br />

Ladung zur Gesellschafterversammlung (hier: Ladung per E-<br />

Mail am Vorabend auf den frühen Vormittag des nächsten Tages)<br />

steht einer Nichtladung des Gesellschafters gleich und führt zur<br />

Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten<br />

Beschlüsse. Das gilt unabhängig davon, ob der nicht ordnungsgemäß<br />

geladene Gesellschafter den Beschluss ohne den Einberufungsmangel<br />

hätte verhindern können.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH,<br />

an der er 50 Prozent der Anteile hielt. Die anderen 50 Prozent<br />

der Geschäftsanteile hielt der Gesellschafter-Geschäftsführer D.<br />

Nach dem Gesellschaftsvertrag ist die GmbH beschlussfähig,<br />

wenn nach ordnungsgemäßer Ladung mehr als 3/4 der Stimmen<br />

repräsentiert sind.<br />

Ende 2001 wollte der Kläger seine Geschäftsanteile veräußern.<br />

Auf einer zu diesem Zweck am 26.11.2001 durchgeführten<br />

Besprechung zwischen dem Kläger, D. und dem potentiellen<br />

Erwerber erzielten die Parteien keine Einigung. D. lud den Kläger<br />

daraufhin mit einer am Abend des 26.11.2001 gegen 20.30<br />

Uhr versandten E-Mail für den 27.11.2001 (10.00 Uhr) zu einer<br />

Gesellschafterversammlung ein, auf der über die Abberufung<br />

des Klägers als Geschäftsführer entschieden werden sollte.<br />

Am 27.11.2001 beschloss D. in Abwesenheit des Klägers dessen<br />

Abberufung aus wichtigem Grund. Mit seiner hiergegen gerichteten<br />

Klage begehrte der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit<br />

des Beschlusses. Er habe die E-Mail vom 26.11.2001 erst am<br />

29.11.2001 gelesen und deshalb nicht an der Versammlung teilnehmen<br />

können.<br />

Das LG wies die Klage ab. Dies begründete es damit, dass die<br />

nicht fristgemäße Ladung lediglich zur Anfechtung und nicht<br />

zur Nichtigkeitserklärung des Beschlusses berechtige. Das gelte<br />

jedenfalls dann, wenn der Mehrheitsbeschluss - wie hier - auch<br />

bei ordnungsgemäßer Ladung zustande gekommen wäre. Die<br />

Berufung des Klägers blieb erfolglos. Auf seine Revision hob<br />

der BGH die Vorentscheidungen auf und gab der Klage statt.<br />

Die Gründe:<br />

Der in der Gesellschafterversammlung vom 27.11.2001 gefasste<br />

Abberufungsbeschluss ist analog § 241 Nr.1 AktG, der im<br />

GmbH-Recht entsprechend anwendbar ist, nichtig, da die mit<br />

schwerwiegenden Form- und Fristmängeln behaftete Ladung<br />

einer Nichtladung des Klägers gleichkommt.<br />

Der Gesellschaftsvertrag der GmbH setzt eine „ordnungsgemäße<br />

Ladung“ voraus und verweist damit auf die gesetzlichen Vorschriften.<br />

Danach hätte die Ladung per eingeschriebenen, unterschriebenen<br />

Brief (§ 51 Abs.1 S.1 GmbHG), mit einer Frist von<br />

einer Woche (§ 51 Abs.1 S.2 GmbHG) und mit einer drei Tage<br />

vor der Versammlung – ebenfalls durch eingeschriebenen Brief –<br />

mitgeteilten Tagesordnung (§ 51 Abs.3 GmbHG) erfolgen müssen.<br />

Indem D. die Ladung anstatt dessen per E-Mail und am Vorabend<br />

der Gesellschafterversammlung verschickt hat, hat er dem<br />

Kläger die Teilnahme an der Versammlung faktisch unmöglich<br />

gemacht.<br />

Die Einberufungsmängel sind so gravierend, dass die fehlerhafte<br />

Ladung einer Nichtladung gleichsteht, die zur Nichtigkeit des<br />

Abberufungsbeschlusses führt. Dem steht nicht entgegen, dass<br />

der Kläger bei der Abstimmung über seine Abberufung kein<br />

Stimmrecht gehabt hätte und deshalb den Beschluss nicht hätte<br />

verhindern können. Das Recht eines Gesellschafters auf Teilnahme<br />

an den Hauptversammlungen geht über das Abstimmungsrecht<br />

hinaus und ist auch dann unentziehbar, wenn der Gesellschafter<br />

in der Versammlung nicht stimmberechtigt ist.<br />

Linkhinweis:<br />

Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH -<br />

veröffentlicht.<br />

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Wettbewerber können die Fusion von Unternehmen<br />

nicht mittels der in § 36 Abs.1 GWB<br />

geregelten Fusionskontrolle verhindern<br />

OLG Düsseldorf 25.10.2005, VI-Kart 15/05 (V)<br />

Wettbewerber können die Fusion von Unternehmen unter Umständen<br />

verhindern beziehungsweise aufschieben, wenn sie gemäß §<br />

65 Abs.3 S.4 GWB die Verletzung eines subjektiven Rechts darlegen.<br />

Die in § 36 Abs.1 GWB normierte Fusionskontrolle begründet<br />

kein solches subjektives Recht. Die Fusionskontrolle gibt<br />

den Beteiligten zwar Anhörungsrechte. Hieraus resultiert aber<br />

kein subjektives Recht eines Unternehmens darauf, dass anderen<br />

Unternehmen ein Zusammenschluss untersagt wird.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Beteiligten zu 1 bis 11) hatten beim Bundeskartellamt den<br />

beabsichtigten Zusammenschluss von mehreren Gesellschaften<br />

einschließlich von Tochterunternehmen und Beteiligungen angemeldet.<br />

Das Bundeskartellamt hatte das Vorhaben unter gewissen<br />

Auflagen freigegeben.<br />

Die Beteiligten zu 12) bis 15) legten gegen die Freigabe<br />

Beschwerde ein und wollten erreichen, dass das Fusionsvorhaben<br />

insgesamt untersagt wird. Die Beteiligte zu 12) stellte zudem<br />

den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen.<br />

Ihr Antrag hatte keinen Erfolg.<br />

15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 9


Die Gründe:<br />

Die Beteiligte zu 12) ist nicht antragsbefugt. Insofern setzt § 65<br />

Abs.3 S.4 GWB voraus, dass der Betroffene eine Verletzung von<br />

subjektiven Rechten geltend macht. Entgegen der Auffassung<br />

der Beteiligten zu 12) lässt sich ein solches Recht nicht aus der<br />

in § 36 Abs.1 GWB geregelten Fusionskontrolle herleiten.<br />

§ 36 Abs.1 GWB dient durch die in ihm normierten Anhörungsrechte<br />

zwar auch dem Schutz der Wettbewerber und Abnehmer.<br />

Hieraus resultiert jedoch kein subjektives Recht eines Unternehmens<br />

darauf, dass anderen Unternehmen ein Zusammenschluss<br />

untersagt wird. Drittunternehmen, die sich gegen einen Unternehmenszusammenschluss<br />

wenden, werden durch die Freigabe<br />

eines an sich zu untersagenden Unternehmenszusammenschlusses<br />

nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt. Weder aus einfachem<br />

Gesetz noch aus Grundrechten folgt ein subjektives Recht dritter<br />

Unternehmen auf Untersagung von Zusammenschlüssen.<br />

Die Beteiligte zu 12) kann die Verletzung eines subjektiven Rechts<br />

daher auch nicht aus Art. 12, 14 GG herleiten. Die Verletzung wirtschaftlicher<br />

Interessen, wie etwa die Verschlechterung der Wettbewerbssituation,<br />

fällt nicht in den Schutzbereich des GG.<br />

Bankrecht<br />

BGH klärt Streitfragen zur Haftung der<br />

Banken bei Rückabwicklung eines kreditfinanzierten<br />

Erwerbs von Immobilienfonds-<br />

Anteilen<br />

BGH 25.4.2006, XI ZR 193/04 u.a.<br />

Der II. und XI. Senat des BGH haben ihre Meinungsverschiedenheiten<br />

zur Rechtsstellung getäuschter Immobilienfonds-Anleger<br />

gegenüber der den Anteilserwerb finanzierenden Bank beigelegt.<br />

Danach bilden Anteilserwerb und Darlehensvertrag nur ausnahmsweise<br />

ein verbundenes Geschäft im Sinn von § 9 VerbrKrG, wenn<br />

die Kreditaufnahme durch den entsprechend bevollmächtigten<br />

Anlagevermittler erfolgt und das Darlehen nicht von der Sicherung<br />

durch ein Grundpfandrecht abhängig ist.<br />

Die Sachverhalte:<br />

Der BGH hatte über vier Klagen (Az.: XI ZR 193/04, XI ZR<br />

29/05, XI ZR 106/05, XI ZR 219/04) zu entscheiden, in denen es<br />

um Ansprüche von getäuschten Immobilienfonds-Anlegern gegen<br />

die den Anteilserwerb finanzierende Bank ging. Bei den Fonds<br />

handelte es sich jeweils um Gesellschaften bürgerlichen Rechts,<br />

die die Errichtung und Vermietung von Gebäuden zum Geschäftsgegenstand<br />

hatten. Die Anleger wurden von Vermittlern angesprochen,<br />

die die Beteiligungen als Steuersparmodell angepriesen hatten.<br />

Der Beitritt sollte über Bankkredite finanziert werden.<br />

In einem Teil der Fälle waren die Darlehen durch Grundschulen an<br />

den Grundstücken des Fonds abgesichert und erfolgten Fondsbeitritt<br />

sowie Aufnahme der Darlehen durch Treuhänder. Diesen hatten<br />

die Anleger umfassende notarielle Vollmachten erteilt. Außerdem<br />

hatten sie die Treuhänder mit einem selbst unterschriebenen<br />

Zeichnungsschein zur Aufnahme der zum Fondsbeitritt erforderlichen<br />

Kredite beauftragt. In anderen Fällen wurden die Darlehens-<br />

verträge durch die Anleger selbst abgeschlossen. In einem Fall<br />

erfolgte der Abschluss in einer Haustürsituation.<br />

Der II. und der XI. Senat des BGH hatten bislang vor allem im<br />

Hinblick auf eine mögliche Haftung der Bank bei Rückabwicklung<br />

eines kreditfinanzierten Erwerbs von Immobilienfonds-<br />

Anteilen unterschiedliche Ansichten vertreten. Diese Meinungsverschiedenheiten<br />

wurden nunmehr beigelegt.<br />

Der XI. Senat des BGH, der nach Abstimmung mit dem II. Senat<br />

künftig ausschließlich für Fälle dieser Art zuständig sein wird, wies<br />

alle vier Klagen auf Befreiung der Kläger von ihren Darlehensverpflichtungen<br />

gegenüber der die Anlage finanzierenden Bank ab.<br />

Die Gründe:<br />

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Befreiung von ihrer Darlehensverbindlichkeit<br />

gegenüber der Bank, da entweder wegen<br />

der Absicherung des Darlehens durch ein Grundpfandrecht oder<br />

wegen des Abschlusses des Darlehens in Eigeninitiative jeweils<br />

kein verbundenes Geschäft im Sinn von § 9 VerbrKrG (jetzt: §<br />

358 BGB) vorlag beziehungsweise ein Widerrufsrecht nach § 1<br />

HWiG (jetzt: § 312 BGB) ausschied.<br />

Im Einzelnen gelten folgende Grundsätze:<br />

1. Verbundenes Geschäft, wenn kein Realkreditvertrag und<br />

Kreditaufnahme durch Treuhänder<br />

Ein verbundenes Geschäft im Sinn von § 9 VerbrKrG (jetzt: §<br />

358 BGB) liegt vor, wenn es sich bei dem Darlehen nicht um<br />

einen Realkreditvertrag handelt und die Kreditaufnahme nicht<br />

auf Grund eigener Initiative des Anlegers zustande kommt, sondern<br />

durch den entsprechend bevollmächtigten Anlagevermittler<br />

erfolgt, der schon vor der Anlageentscheidung des Verbrauchers<br />

die Kreditzusage einer Bank eingeholt und mit den Anlageunterlagen<br />

einen Kreditantrag vorgelegt hat.<br />

Ein Realkreditvertrag im Sinn von § 3 Abs.2 Nr.2 VerbrKrG liegt<br />

vor, wenn das Darlehen von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht<br />

abhängig gemacht wird. Dies ist nicht nur dann der<br />

Fall, wenn der Anleger das Grundpfandrecht bestellt hat, sondern<br />

auch, wenn dies durch den Fonds geschehen ist.<br />

2. Rechtsfolgen des verbundenen Geschäfts bei Täuschung<br />

der Anleger<br />

Werden die Immobilienfonds-Anleger durch falsche Angaben<br />

zum Erwerb der Fondsbeteiligung bewogen und liegt ein verbundenes<br />

Geschäft vor, so können die Anleger der Bank die Ansprüche<br />

gegen die Fondsgesellschaft entgegenhalten und insoweit die<br />

Rückzahlung des Kredits verweigern. Außerdem können die Anleger<br />

den Darlehensvertrag gemäß § 123 BGB anfechten, wenn die<br />

Täuschung auch für den Abschluss des Darlehensvertrags mitursächlich<br />

war. Besteht daneben ein Anspruch gegen den Anlagevermittler<br />

aus Verschulden bei Vertragsschluss, können die Anleger<br />

auch diesen Anspruch gegen die Bank geltend machen.<br />

Ansprüche gegen Gründungsgesellschafter, Fondsinitiatoren,<br />

maßgebliche Betreiber, Manager und Prospektherausgeber können<br />

die getäuschten Anleger der kreditgebenden Bank allerdings<br />

nicht entgegenhalten.<br />

3. Rechtsfolgen des Widerrufs eines in einer Haustürsituation<br />

abgeschlossenen verbundenen Geschäfts - keine Rückzahlungsansprüche<br />

der Bank gegen den Verbraucher<br />

Erfolgte der Abschluss durch den Anleger in einer Haustürsituation<br />

und wird der Darlehensvertrag, der mit dem Fondsbeitritt<br />

ein verbundenes Geschäft bildet, gemäß § 1 HWiG (jetzt: § 312<br />

BGB) widerrufen, steht der Bank gegen den Anleger / Darlehensnehmer<br />

kein Zahlungsanspruch mehr zu. Die Rückabwicklung<br />

kann vielmehr nur unmittelbar zwischen der Bank und dem<br />

15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 10


Partner des finanzierten Geschäfts erfolgen. Der Anleger hat in<br />

diesem Fall gegen die Bank einen Anspruch auf Rückzahlung<br />

der auf das Darlehen gezahlten Beträge, kann allerdings nicht die<br />

ihm zugeflossenen Fondsausschüttungen zurückverlangen.<br />

4. Fehlende Angabe des Gesamtbetrags führt regelmäßig<br />

nicht zur Nichtigkeit des Darlehensvertrags<br />

Fehlt im Darlehensvertrag die nach § 4 VerbrKrG vorgeschriebene<br />

Angabe des Gesamtbetrags, so führt dies gemäß § 6 Abs.2<br />

S.1 VerbrKrG dann nicht zur Nichtigkeit des Darlehensvertrags,<br />

wenn der Verbraucher das Darlehen empfängt. Für den Empfang<br />

eines Darlehens ist es unerheblich, ob ein verbundenes Geschäft<br />

vorliegt. Die Voraussetzungen von § 6 Abs.2 S.1 VerbrKrG sind<br />

daher auch erfüllt, wenn dem Anleger die Darlehenssumme<br />

nicht direkt zugeflossen ist, sondern vertragsgemäß unmittelbar<br />

an einen Treuhänder zum Erwerb des Fondsanteils ausgezahlt<br />

worden ist.<br />

5. Auswirkungen einer nichtigen Vollmacht wegen Verstoßes<br />

gegen das Rechtsberatungsgesetz<br />

Ob in den Fällen nichtiger Bevollmächtigung des Treuhänders<br />

wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz zugunsten<br />

der Bank eine Rechtsscheinhaftung nach §§ 171, 172 BGB<br />

eingreift, hängt nicht davon ab, ob Darlehen und Fondsbeitritt<br />

ein verbundenes Geschäft darstellen. Außerdem ist zu berücksichtigen,<br />

dass der Treuhänder trotz nichtiger Vollmacht zum<br />

Abschluss des Darlehensvertrags befugt sein kann, wenn ihm in<br />

einem Zeichnungsschein gesondert Vollmacht erteilt und dieser<br />

Zeichnungsschein der Bank vorgelegt worden ist.<br />

Immobilienfonds: Bei falschen Prospektangaben<br />

über die Innenprovisionen kommen<br />

Anlegern Beweiserleichterungen zugute<br />

BGH 9.2.2006, III ZR 20/05<br />

Enthält ein Immobilienfonds-Prospekt falsche Angaben über<br />

die an den Vermittler für den Vertrieb gezahlte Innenprovision,<br />

so kommen einem Anleger, der seine Beteiligung rückgängig<br />

machen will, Beweiserleichterungen zugute. In diesen Fällen<br />

wird vermutet, dass der Anlageinteressent bei richtiger Aufklärung<br />

von der Zeichnung der Anlage abgesehen hätte. Das gilt<br />

auch, wenn der Immobilienfonds in erster Linie als Steuersparmodell<br />

beworben worden ist.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger trat in den Jahren 1996 und 1997 mit Beträgen von<br />

jeweils 80.000 DM zuzüglich fünf Prozent Agio zwei Immobilienfonds<br />

bei. Der Vertrieb der Kapitalanlagen lag bei der<br />

Beklagten, die hierbei die von den Objektgesellschaften herausgegebenen<br />

Prospekte verwandte. Die Prospekte enthielten unter<br />

anderem falsche Angaben zu den Innenprovisionszahlungen,<br />

die deutlich höher lagen, als in den Prospekten angegeben. Die<br />

Beklagte bewarb die Kapitalanlagen mit den hiermit verbundenen<br />

erheblichen Steuervorteilen.<br />

Nachdem über das Vermögen des einen Fonds das Insolvenzverfahren<br />

eröffnet und der andere Fonds in wirtschaftliche Schwierigkeiten<br />

geraten war, verlangte der Kläger von der Beklagten den Ersatz<br />

seiner Aufwendungen Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligungen.<br />

Das LG wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung<br />

des Klägers hatte auch nach teilweise erfolgreicher Revision gegen<br />

das erste abweisende Berufungsurteil keinen Erfolg.<br />

Das OLG begründete seine Entscheidung damit, dass die Beklagte<br />

sich wegen der fehlerhaften Prospektangaben zwar pflichtwidrig<br />

verhalten habe, diese Pflichtwidrigkeit für den Beitritt des<br />

Klägers aber nicht ursächlich gewesen sei, weil für diesen nur<br />

die Steuersparmöglichkeit und nicht die Rendite der Anlage im<br />

Vordergrund gestanden habe. Auf die weitere Revision des Klägers<br />

hob der BGH das Berufungsurteil abermals auf und wies<br />

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das<br />

OLG zurück.<br />

Die Gründe:<br />

Die Begründung des Berufungsgerichts rechtfertigt nicht die<br />

Annahme, dass die Pflichtverstöße der Beklagten für den Anlageentschluss<br />

des Klägers nicht ursächlich waren. Das Gericht<br />

hat verkannt, dass dem Kläger im Hinblick auf die Kausalitätsfrage<br />

Beweiserleichterungen zugute kommen. In Fällen der<br />

Prospekthaftung im weiteren Sinn entspricht es der allgemeinen<br />

Lebenserfahrung, dass der Prospektfehler für die Anlageentscheidung<br />

ursächlich geworden ist, da der Anleger seine Anlageentscheidung<br />

nicht in Kenntnis aller relevanten Tatsachen<br />

treffen konnte.<br />

Nach diesen Grundsätzen war es im Streitfall Sache der Beklagten<br />

und nicht des Klägers, Anhaltspunkte dafür vorzutragen, dass<br />

sich dieser auch bei vollständiger Aufklärung über die überhöhten<br />

Innenprovisionen für die Anlage entschieden hätte.<br />

Diese tatsächliche Vermutung zugunsten des Klägers entfällt auch<br />

nicht deshalb, weil die Anlage in erster Linie mit den hiermit verbundenen<br />

Steuervorteilen beworben wurde. Dies rechtfertigt nicht<br />

die Annahme, dass der Kläger auch bei Kenntnis der überhöhten<br />

Innenprovision die Anlage gezeichnet hätte. Denn die Erwartung<br />

von Steuervorteilen aus einer Immobilie kann zwar ausnahmsweise<br />

Selbstzweck für ihre Anschaffung sein. In aller Regel wird die<br />

Immobilie aber als dauerhafte Wertanlage erworben.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />

BGH veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

Wettbewerbsrecht<br />

und Gewerblicher<br />

Rechtsschutz<br />

Für die Bezeichnung „Fußball WM 2006“<br />

besteht kein Markenschutz<br />

BGH 27.4.2006, I ZB 96/05 u. I ZB 97/05<br />

Die Bezeichnung „Fußball WM 2006“ kann mangels Unterscheidungskraft<br />

nicht als eingetragene Marke geschützt werden.<br />

Hierbei handelt es sich um die allgemein übliche Bezeichnung<br />

für das Sportereignis. Der Umstand, dass die FIFA als Veranstalterin<br />

der WM auftritt, erweckt beim Verbraucher nicht den<br />

Eindruck, dass mit „Fußball WM 2006“ bezeichnete Waren oder<br />

Dienstleistungen von der FIFA empfohlen oder unter ihrer Mitwirkung<br />

hergestellt oder vertrieben werden.<br />

15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 11


Der Sachverhalt:<br />

Der BGH hatte über die Rechtsbeständigkeit der für die FIFA eingetragenen<br />

Marken „Fußball WM 2006“ und „WM 2006“ zu entscheiden.<br />

Das Deutsche Patent- und Markenamt hatte die Marken<br />

für über 850 Waren oder Dienstleistungen eingetragen. Hiergegen<br />

richtete sich unter anderem der Süßwarenhersteller Ferrero, der<br />

seine Waren mit Hinweisen auf die Fußball-WM versehen wollte.<br />

Auf Antrag von Ferrero ordnete das Deutsche Patent- und Markenamt<br />

die Löschung der Marken an. Die hiergegen gerichtete<br />

Beschwerde der FIFA hatte lediglich im Hinblick auf einen Teil<br />

der beanspruchten Waren und Dienstleistungen Erfolg. Hiergegen<br />

legten beide Parteien Rechtsbeschwerde ein. Daraufhin entschied<br />

der BGH, dass die Marke „Fußball WM 2006“ für alle und die<br />

Marke „WM 2006“ für einen Teil der beanspruchten Waren und<br />

Dienstleistungen zu löschen ist.<br />

Die Gründe:<br />

Die Marke „Fußball WM 2006“ ist für alle beanspruchten Waren<br />

und Dienstleistungen zu löschen, da ihr jegliche Unterscheidungskraft<br />

fehlt. Dies stellt gemäß § 8 Abs.2 Nr.1 MarkenG ein<br />

absolutes Schutzhindernis dar. Die Bezeichnung weist keinen<br />

Bezug zur Veranstalterin der Fußball-WM oder zu bestimmten<br />

Waren und Dienstleistungen auf, sondern stellt die sprachübliche<br />

Beschreibung für die in diesem Jahr in Deutschland stattfindende<br />

Fußballweltmeisterschaft dar. Etwas anderes ergibt<br />

sich auch nicht daraus, dass die FIFA nach außen hin erkennbar<br />

als Veranstalterin der Fußball-WM auftritt. Dies erweckt bei<br />

den Verbrauchern nicht den Eindruck, dass mit „Fußball WM<br />

2006“ bezeichnete Waren und Dienstleistungen unter Kontrolle<br />

der FIFA hergestellt oder erbracht werden und die FIFA für ihre<br />

Qualität verantwortlich gemacht werden kann.<br />

Entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts ist die<br />

Bezeichnung „Fußball WM 2006“ für alle Waren und Dienstleistungen<br />

nicht unterscheidungskräftig und damit auch für solche<br />

Waren und Dienstleistungen, die in einem unmittelbaren Sachzusammenhang<br />

mit der Fußball WM stehen.<br />

Die Marke „WM 2006“ ist dagegen nur für einen Teil der beanspruchten<br />

Waren und Dienstleistungen zu löschen. Ihr kommt<br />

keine vergleichbar allgemein beschreibende Qualität zu wie der<br />

Bezeichnung „Fußball WM 2006“. Zwar dient die Bezeichnung<br />

„WM 2006“ gleichfalls dazu, die 2006 in Deutschland stattfindende<br />

Sportveranstaltung zu beschreiben. Dieses Zeichen ist aber<br />

zumindest für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen<br />

als unterscheidungskräftig anzusehen. Das Bundespatentgericht<br />

muss für jede einzelne Ware und Dienstleistung prüfen, ob<br />

der Marke „WM 2006“ insoweit Unterscheidungskraft zukommt.<br />

Der Hintergrund:<br />

Die FIFA hat die Bezeichnung „WM 2006“ auch auf EU-Ebene<br />

schützen lassen und kann daher aus der EU-Marke weiterhin<br />

gegen die Verwendung der Bezeichnung vorgehen. Das gilt<br />

möglicherweise auch für die Bezeichnung „Fußball WM 2006“,<br />

weil sie die Zeichen „WM 2006“ enthält.<br />

Das Wort „Matratzen“ kann in Spanien als<br />

Wortmarke eingetragen werden<br />

EuGH 9.3.2006, C-421/04<br />

EU-Mitgliedstaaten dürfen ein Wort als Marke eintragen, das in<br />

der Sprache eines anderen Mitgliedstaates für die betreffenden<br />

Waren keine Unterscheidungskraft besitzt (hier: „Matratzen“).<br />

Denn es ist denkbar, dass eine Marke in einem Mitgliedstaat<br />

Unterscheidungskraft besitzt in einem anderen aber nicht. Dies<br />

ergibt sich aus sprachlichen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen<br />

Unterschieden, die in den Mitgliedstaaten herrschen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Klägerin ist die „Matratzen Concord AG“. Sie meldete beim<br />

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt eine kombinierte Wort-<br />

und Bildmarke zur Eintragung an, die unter anderem das Wort<br />

„Matratzen“ enthält. Das Unternehmen „Hukla Germany SA“ legte<br />

gegen die Eintragung Widerspruch ein. Sie habe die Wortmarke<br />

„Matratzen“ bereits in Spanien für verschiedene Ruhemöbel eintragen<br />

lassen.<br />

Auf den Einspruch der „Hukla Germany SA“ wies das Harmonisierungsamt<br />

für den Binnenmarkt die Anmeldung der Klägerin<br />

zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem EuG<br />

keinen Erfolg. Parallel zu diesem Verfahren erhob die Klägerin<br />

vor einem spanischen Gericht Klage auf Ungültigerklärung der<br />

nationalen Marke „Matratzen“. Das mit der Sache befasste spanische<br />

Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob die Markeninhaberschaft<br />

den freien Warenverkehr behindert. Der EuGH verneinte<br />

dies.<br />

Die Gründe:<br />

Die Eintragung der Wortmarke „Matratzen“ in Spanien stellt keine<br />

Behinderung des freien Warenverkehrs dar. Art. 3 der Ersten<br />

Richtlinie 89/104/EWG enthält kein Eintragungshindernis<br />

für eine Marke, die aus einem Wort besteht, das in der Sprache<br />

eines anderen Mitgliedstaats als dem des Eintragungsstaats keine<br />

Unterscheidungskraft hat und einen rein beschreibenden Charakter<br />

aufweist. Denn es ist denkbar, dass eine Marke in einem<br />

Mitgliedsstaat Unterscheidungskraft besitzt in einem anderen<br />

aber nicht. Dies ergibt sich aus sprachlichen, kulturellen, sozialen<br />

und wirtschaftlichen Unterschieden, die in den Mitgliedstaaten<br />

herrschen.<br />

Somit kann ein Wort als Marke eingetragen werden, dass der<br />

Sprache eines anderen Mitgliedstaats, in der es keine Unterscheidungskraft<br />

hat, entlehnt wird. Etwas anderes gilt lediglich<br />

dann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in dem Mitgliedstaat,<br />

in dem die Eintragung beantragt wird, imstande wären, die<br />

Bedeutung des Wortes zu erkennen.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />

EuGH veröffentlicht.<br />

- Für den Volltext klicken Sie bitte hier.<br />

Strafrecht und OWi<br />

EU-Kommission will Kampf gegen Produktpiraterie<br />

verschärfen<br />

Die EU-Kommission hat am 26.4.2006 einen Richtlinienvorschlag<br />

vorgelegt, der ein EU-weit gültiges Mindeststrafmaß für<br />

Produktpiraterie vorsieht. Hierdurch soll der Kampf gegen den<br />

Diebstahl geistigen Eigentums verschärft werden. Produktpiraten<br />

sollen danach mit einer Geldstrafe von 100.000 bis 300.000 Euro<br />

15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 12


oder zu einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren bestraft werden<br />

können, wenn sie vorsätzlich und in gewerblichem Umfang<br />

geschützte Marken oder Produkte kopieren oder vertreiben.<br />

Der Richtlinienvorschlag sieht lediglich ein Mindeststrafmaß<br />

vor. Die Mitgliedstaaten können daher über diesen Strafrahmen<br />

hinausgehen. Mit ihrer Initiative reagiert die Kommission<br />

auf die steigende Zahl von Delikten im Bereich der Produktpiraterie.<br />

Nach Einschätzung der Kommission haben kriminelle<br />

Vereinigungen in den vergangenen Jahren ihre Aktivitäten bei<br />

der Produktnachahmung und –piraterie verstärkt, weil dieser<br />

Bereich hohe Gewinne verspreche und die Strafen vergleichsweise<br />

gering seien.<br />

Linkhinweise:<br />

- Die EU-Kommission hat auf ihren Webseiten weitere Informationen<br />

über den Richtlinienvorschlag sowie Statistiken<br />

über Produktpiraterie in der EU veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu den weiteren Informationen über den Richtlinienvorschlag<br />

zu kommen klicken Sie bitte hier.<br />

- Die Statistiken (auf Englisch) finden Sie hier.<br />

Steuerrecht<br />

Fahrtenbücher müssen regelmäßig Angaben<br />

zu den aufgesuchten Kunden oder<br />

Geschäftspartnern enthalten<br />

BFH 16.3.2006, VI R 87/04<br />

Fahrtenbücher sind regelmäßig nur dann ordnungsgemäß, wenn<br />

sie neben den Aufzeichnungen zum Datum, den Fahrzielen und<br />

dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand<br />

auch Angaben zu den jeweils aufgesuchten Kunden, Geschäftspartnern<br />

oder den Gegenstand der dienstlichen Verrichtung enthalten.<br />

Diese Angaben müssen sich grundsätzlich aus dem Fahrtenbuch<br />

selbst ergeben. Ein Verweis auf ergänzende Unterlagen<br />

ist nur zulässig, wenn der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen<br />

hierdurch nicht beeinträchtigt wird.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger erzielte in den Streitjahren 1996 bis 1998 Einkünfte<br />

aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit als Handelsvertreter.<br />

Sein Arbeitgeber hatte ihm einen Dienstwagen zur Verfügung<br />

gestellt, den er auch privat nutzen durfte. Der Kläger führte über<br />

die mit dem Dienstwagen unternommenen Fahrten ein Fahrtenbuch,<br />

in das er tageweise das Datum, die Uhrzeit des Fahrtbeginns<br />

und des Fahrtendes, einen oder zwei Ortsnamen sowie den<br />

Kilometerstand am Ende des Tages eintrug.<br />

Das Fahrtenbuch des Klägers enthielt keine Angaben über die<br />

aufgesuchten Geschäftspartner oder den Zweck der einzelnen<br />

Fahrten. Auch in den Reisekostenabrechnungen gab der Kläger<br />

nur zwei oder drei Ortsnamen und nicht die Namen der aufgesuchten<br />

Geschäftspartner an.<br />

Das Finanzamt weigerte sich, den geldwerten Vorteil des Klägers<br />

aus der Verfügbarkeit des Dienstwagens zu Privatfahrten anhand<br />

der Fahrtenbuchaufzeichnungen zu ermitteln, und erfasste den<br />

Vorteil anstatt dessen mit monatlich einem Prozent des Listen-<br />

preises. Dies begründete es damit, dass das Fahrtenbuch mangels<br />

Angaben zu den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartnern<br />

nicht ordnungsgemäß sei.<br />

Die gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid<br />

gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Der geldwerte Vorteil des Klägers aus der Verfügbarkeit des<br />

Dienstwagens auch zu privaten Zwecken ist nicht anhand der<br />

Fahrtenbuch-Aufzeichnungen, sondern anhand der Ein-Prozent-<br />

Regelung zu ermitteln. Der Umfang der privaten Nutzung eines<br />

Dienstwagens kann nur dann mit einem Fahrtenbuch nachgewiesen<br />

werden, wenn es ordnungsgemäß und vollständig ist. Dies<br />

war hier nicht der Fall.<br />

Fahrtenbücher sind nur dann ordnungsgemäß, wenn sich anhand<br />

der Eintragungen die berufliche Veranlassung der Geschäftsfahrten<br />

plausibel nachvollziehen und nachprüfen lässt. Hierfür ist<br />

erforderlich, dass das Fahrtenbuch neben Angaben zum Datum,<br />

den Fahrtzielen und dem bei Abschluss der Fahrt erreichten<br />

Gesamtkilometerstand auch Aufzeichnungen zu den jeweils<br />

aufgesuchten Kunden, Geschäftspartnern oder den konkreten<br />

Gegenstand der dienstlichen Verrichtung enthält.<br />

Bloße Ortsangaben reichen nur aus, wenn sich der aufgesuchte<br />

Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei<br />

ergibt, oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter<br />

Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht<br />

mehr ergänzungsbedürftig sind. Sämtliche notwendigen Angaben<br />

müssen sich regelmäßig schon aus dem Fahrtenbuch selbst<br />

ergeben. Zulässig ist es allerdings, für bestimmte häufiger aufgesuchte<br />

Fahrtziele und allgemein verständliche oder auf einem<br />

beigefügten Blatt erläuterte Abkürzungen zu verwenden.<br />

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger kein ordnungsgemäßes<br />

Fahrtenbuch geführt, da insbesondere Angaben zu den von ihm<br />

jeweils aufgesuchten Kunden und Geschäftspartnern fehlen. Auch<br />

die vorgelegten Reisekostenabrechnungen lassen keine Rückschlüsse<br />

auf den konkreten Zweck der einzelnen Fahrten zu.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />

BFH veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

Vor dem 1.1.1999 erfolgte Entnahmen aus<br />

dem Betriebsvermögen setzen keine Spekulationsfrist<br />

in Gang<br />

FG Köln 30.3.2006, 10 K 4387/05<br />

Die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs.1 S.2 EStG, wonach auch<br />

die Entnahme von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen<br />

als Anschaffungsvorgang im Sinn von § 23 EStG anzusehen ist,<br />

mit der Folge, dass ab dem Entnahmezeitpunkt die Spekulationsfrist<br />

zu laufen beginnt, gilt erst für nach dem 31.12.1998 erfolgte<br />

Entnahmen. Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzministeriums<br />

ist es nicht geboten, frühere Einnahmen zu erfassen, um eine<br />

vollständige und gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Kläger unterhielten bis zum 30.6.1998 einen landwirtschaftlichen<br />

Betrieb, zu dem Grundstücke gehörten, die sich seit Jahrzehnten<br />

in ihrem Eigentum befanden. Nach der Betriebsaufgabe<br />

15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 13


Mitte 1998 überführten sie die Grundstücke in ihr Privatvermögen<br />

und veräußerten sie in den Jahren 2001 und 2002. Das<br />

Finanzamt erfasste den Veräußerungsgewinn gemäß §§ 22 Nr.2,<br />

23 Abs.1 EStG als steuerpflichtige Einnahmen der Kläger.<br />

Mit ihrer gegen die Steuerbescheide für die Jahre 2001 und 2002<br />

gerichteten Klage machten die Kläger geltend, dass die Veräußerungsgewinne<br />

aus den Grundstücksverkäufen außer Ansatz bleiben<br />

müssten. Die Entnahme der Grundstücke aus dem Betriebsvermögen<br />

im Jahr 1998 sei vor der Einführung von § 23 Abs.1<br />

S.2 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002<br />

vom 24.3.1999 erfolgt. Bis zur Einführung dieser Norm zum<br />

1.1.1999 hätte eine Entnahme von Wirtschaftsgütern vom Wortlaut<br />

her nicht den Begriff der Anschaffung erfüllt.<br />

Die Klage hatte vor dem FG Erfolg. Wegen der grundsätzlichen<br />

Bedeutung der Sache wurde allerdings die Revision zum BFH<br />

zugelassen.<br />

Die Gründe:<br />

Die Kläger haben durch die Veräußerung der Grundstücke in<br />

den Jahren 2000 und 2001 keinen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften<br />

im Sinn der §§ 22 Nr.2, 23 Abs.1 EStG erzielt.<br />

Grundstücksverkäufe stellen nach § 23 Abs.1 Nr.1 EStG Veräußerungsgeschäfte<br />

dar, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung<br />

und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Nach dem<br />

durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingeführten<br />

§ 23 Abs.1 S.2 EStG stellt auch eine Betriebsentnahme eine<br />

Anschaffung im Sinn von § 23 Abs.1 Nr.1 EStG dar. Dies gilt<br />

allerdings erst für ab dem 1.1.1999 erfolgte Betriebsentnahmen.<br />

Das ergibt sich aus § 52 Abs.1 S.1 EStG, wonach das Steuerentlastungsgesetz<br />

1999/2000/2002, soweit nichts anderes bestimmt<br />

ist, erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 Anwendung<br />

findet.<br />

Zwar sieht § 52 Abs.39 S.1 EStG vor, dass § 23 Abs.1 Nr.1 EStG<br />

auf nach dem 31.12.1998 abgeschlossene Veräußerungsgeschäfte<br />

anzuwenden ist. Diese Vorschrift ist aber entgegen der Auffassung<br />

des Bundesfinanzministeriums (BMF-Schreiben vom<br />

5.10.2000, Az.: IV C3 – S 2256 – 263/00) dahingehend auszulegen,<br />

dass sie keine Regelung zur Geltung der Anschaffungsfiktion<br />

des § 23 Abs.1 S.2 EStG enthält. Nur diese isolierte<br />

Betrachtung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da<br />

anderenfalls eine unzulässige echte Rückwirkung vorläge.<br />

Die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs.1 S.2 EStG ist somit auf<br />

die im Streitfall erfolgte Betriebsentnahme im Jahr 1998 noch<br />

nicht anwendbar. Da die Kläger – ohne Berücksichtigung der<br />

Anschaffungsfiktion – schon seit Jahrzehnten Eigentümer der<br />

Grundstücke waren, war die zehnjährige Spekulationsfrist im<br />

Zeitpunkt der Veräußerung der Grundstücke längst abgelaufen,<br />

so dass insoweit kein Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft<br />

zu erfassen ist.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des FG<br />

Köln veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

Aufwendungen für Baumaßnahmen am eigenen<br />

Wohnhaus sind regelmäßig nicht als<br />

außergewöhnliche Belastungen abziehbar<br />

FG Rheinland-Pfalz 29.3.2006, 3 K 2264/03<br />

Aufwendungen für bauliche Maßnahmen am eigenen Wohnhaus<br />

(hier: Kanalreparaturen) können regelmäßig nicht als außergewöhnliche<br />

Belastungen im Sinn von § 33 EStG berücksichtigt<br />

werden. Denn der Steuerpflichtige erhält für seine Aufwendungen<br />

einen Gegenwert, so dass es an einer Belastung fehlt. Daneben<br />

sind zumindest alters- und abnutzungsbedingte Schäden an<br />

einem Haus nicht außergewöhnlich im Sinn von § 33 EStG.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger hatte im November 2000 ein 1947 erbautes Einfamilienhaus<br />

erworben. Die Vorbesitzer hatten den Abwasserkanal<br />

des Hauses im Februar 2000 teilweise saniert und dabei einzelne<br />

Rohre erneuert. Nach Einzug des Klägers kam es erneut zu Problemen<br />

mit dem Abwasserkanal. Der Kläger musste deshalb im<br />

Jahr 2001 eine Totalerneuerung des Kanals durchführen lassen<br />

und wandte hierfür 15.300 DM auf.<br />

Den nach Abzug der Versicherungsleistung verbleibenden Teil der<br />

Aufwendungen machte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung<br />

für das Jahr 2001 ohne Erfolg als außergewöhnliche Belastungen<br />

geltend.<br />

Mit seiner daraufhin erhobenen Klage machte der Kläger geltend,<br />

dass es sich bei dem Wohnhaus um einen Vermögensgegenstand<br />

von existentieller Bedeutung handele. Ihn treffe kein<br />

eigenes Verschulden. Außerdem bestünden keine realisierbaren<br />

Ersatzansprüche gegen Dritte und habe er die allgemein zugängliche<br />

und übliche Versicherungsmöglichkeit wahrgenommen.<br />

Entgegen der Auffassung des Finanzamts habe es sich auch nicht<br />

um einen alters- und abnutzungsbedingten Schaden gehandelt,<br />

da der Kanal noch im Jahr vor der Reparatur kontrolliert und<br />

ausgebessert worden sei.<br />

Die Klage hatte vor dem FG keinen Erfolg. Das Urteil ist noch<br />

nicht rechtskräftig.<br />

Die Gründe:<br />

Die Aufwendungen des Klägers für die Totalerneuerung des<br />

Abwasserkanals sind nicht gemäß § 33 EStG als außergewöhnliche<br />

Belastungen zu berücksichtigen.<br />

Alters- und abnutzungsbedingte Schäden an einem Wohnhaus<br />

sind nicht außergewöhnlich im Sinn von § 33 EStG. Entgegen der<br />

Auffassung des Klägers handelte es sich bei den Problemen mit<br />

der Kanalisationsanlage um einen alters- und abnutzungsbedingten<br />

Schaden. Dem steht nicht entgegen, dass die Vorbesitzer den<br />

Kanal im Jahr 2000 teilweise saniert haben. Es ist nicht außergewöhnlich,<br />

dass ein Kanal nach über 50 Jahren verstopft ist und<br />

eine einfache Reparaturmaßnahme, wie sie von den Vorbesitzern<br />

durchgeführt worden ist, keinen lang anhaltenden Erfolg bringt.<br />

Daneben fehlt es auch an einer Belastung im Sinn von § 33 EStG.<br />

Eine solche liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Gegenstände<br />

anschafft, die für ihn einen Gegenwert zu den aufgewandten<br />

Kosten darstellen. Dies war hier der Fall, da der Kläger für<br />

seinen Aufwendungen eine komplett erneuerte Kanalanlage und<br />

damit einen entsprechenden Gegenwert erhalten hat.<br />

Da von den Vorbesitzern nur einige wenige Rohre ausgetauscht<br />

worden waren, kann auch nicht von einem so genannten „verlorenen<br />

Aufwand” gesprochen werden. Ein solcher liegt nur vor,<br />

wenn neue, noch funktionsfähige Gegenstände ausgetauscht<br />

15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 14


werden und die sonstigen Voraussetzungen einer außergewöhnlichen<br />

Belastung vorliegen. Dies war hier nicht der Fall.<br />

Bundeskabinett will mittelständische Wirtschaft<br />

von Bürokratie befreien<br />

Das Bundeskabinett hat am 25.4.2006 den Entwurf des Ersten<br />

Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in<br />

der mittelständischen Wirtschaft beschlossen und sich auf einen<br />

umfangreichen Katalog weiterer mittelstandsfreundlicher Entlastungsregelungen<br />

verständigt. Danach sollen künftig weniger<br />

Unternehmen als bisher einen Datenschutzbeauftragten bestellen<br />

müssen. Außerdem soll die steuerliche Buchführungspflichtgrenze<br />

von 350.000 Euro auf 500.000 Euro angehoben werden.<br />

Die geplanten Änderungen im Überblick:<br />

1. Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes<br />

Künftig soll die Pflicht zur Bestellung von Datenschutzbeauftragten<br />

auf Unternehmen reduziert werden, die mindestens zehn<br />

(bisher fünf) mit der Personendatenverarbeitung betraute Mitarbeiter<br />

beschäftigen. Damit haben sich die Länder Hessen und<br />

Niedersachsen mit ihrem Vorschlag, den Schwellenwert auf mindestens<br />

20 mit der Personendatenverarbeitung betraute Mitarbeiter<br />

anzuheben, nicht durchsetzen können.<br />

Außerdem sollen auch Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte<br />

und Steuerberater Externe als Datenschutzbeauftragte<br />

bestellen können. Das Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger<br />

soll auch dem externen Datenschutzbeauftragten<br />

zustehen, ebenso sollen seine Unterlagen einem Beschlagnahmeverbot<br />

unterliegen.<br />

2. Änderung der Abgabenordnung<br />

Die steuerliche Buchführungspflichtgrenze gemäß § 141 Abs.1<br />

Nr.1 AO soll ab 2007 von bisher 350.000 auf 500.000 Euro angehoben<br />

werden. Dadurch sollen rund 150.000 Unternehmen von<br />

der Buchführungspflicht befreit werden. Außerdem sollen in der<br />

Statistik des Produzierenden Gewerbes nur noch Unternehmen<br />

mit mindestens 50 statt bisher 20 Beschäftigten erfasst und damit<br />

25.000 anstatt 48.000 Unternehmen nur noch einmal jährlich<br />

befragt werden.<br />

3. Änderung des Umsatzsteuerrechts<br />

§ 15a Abs.3 UStG soll dahingehend vereinfacht werden, dass künftig<br />

mehrere im Rahmen einer Maßnahme in ein Wirtschaftsgut eingehende<br />

Gegenstände zu einem Berichtigungsobjekt zusammengefasst<br />

werden. Daneben soll die Vorsteuer nur noch bei solchen<br />

Bestandteilen berichtigt werden, die im Zeitpunkt der Änderung<br />

der Verhältnisse zu einer noch nicht vollständig verbrauchten Werterhöhung<br />

des Wirtschaftsguts geführt haben. Außerdem sieht der<br />

Gesetzentwurf vor, die Grenze für Kleinbetragsrechnungen nach §<br />

33 UStDV von 100 Euro auf 150 Euro anzuheben.<br />

4. Weitere mittelfristig geplante Änderungen<br />

Mittelfristig ist vorgesehen, Unternehmensgründungen und -<br />

übertragungen zu vereinfachen. Dies soll beispielsweise durch<br />

eine Novelle des GmbHG und eine Reform des Handels- und<br />

Unternehmensregisters geschehen. Im Umsatzsteuerrecht wird<br />

die Summe verdoppelt, ab der die Steuer nur auf tatsächlich<br />

vereinnahmte Rechnungsbeträge zu entrichten ist (Ist-Besteuerungsgrenze).<br />

Außerdem sollen Lohnsteuerjahresausgleich des<br />

Arbeitgebers sowie die herkömmlichen Lohnsteuerkarten entbehrlich<br />

werden.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Gesetzentwurf ist auf den Webseiten des Bundeswirtschaftsministeriums<br />

(BMWI) veröffentlicht.<br />

- Um direkt zum Volltext des Gesetzentwurfs zu kommen,<br />

klicken sie bitte hier (PDF-Datei).<br />

15/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 15

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