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<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong><br />

Das Wichtige im Überblick<br />

Haftungs- und Versicherungsrecht<br />

Verkehrsunfall: Direkte Inanspruchnahme einer ausländischen<br />

Haftpflichtversicherung (BGH)<br />

Unterhaltsschaden: Einbeziehung des Kindesvaters in<br />

den Schutzbereich des Behandlungsvertrages (BGH)<br />

Arbeitsrecht<br />

Auszubildendenvertreter: Anspruch auf Übernahme nur<br />

bei freiem Arbeitsplatz im Ausbildungsbetrieb (BAG)<br />

Betriebsbedingte Kündigung: BAG gibt „Dominotheorie“<br />

zur punktebasierten Sozialauswahl auf (BAG)<br />

Sozialrecht<br />

ALG II: Kein Anspruch für Ausländer ohne Arbeitserlaubnis<br />

(LSG Rheinland)<br />

Sozialversicherungsbeiträge: Abfindungen wegen Verschlechterung<br />

des Arbeitsplatzes sind beitragspflichtig<br />

(SG Dortmund)<br />

Bankrecht<br />

EC-Kartendiebstahl: Verbraucherzentralen dürfen<br />

Kunden-Regressansprüche gegen Banken geltend<br />

machen (BGH)<br />

Rechtsberatungsgesetz: Erbrechtsberatung durch<br />

Banken ist (noch) unzulässig (OLG Karlsruhe)<br />

Wettbewerbsrecht und Gewerblicher<br />

Rechtsschutz<br />

Telefonwerbung: Unaufgeforderte Angebote gegenüber<br />

Gewerbetreibenden sind wettbewerbswidrig (BGH)<br />

Aus dem Inhalt:<br />

29/06<br />

Sonderangebote: Keine Werbung mit Herabsetzung<br />

nie verlangter Preise (OLG Karlsruhe)<br />

Zwangsvollstreckung und Insolvenz<br />

Verbraucherinsolvenz: Eckpunkte des vereinfachten<br />

Entschuldungsverfahren (BMJ)<br />

Unternehmensinsolvenzrecht: Bundesregierung legt<br />

Gesetzentwurf vor (BMJ)<br />

Gebühren und Kosten<br />

Zustellung im EU-Ausland: Kosten sind aufgrund<br />

Wahlrecht erstattungsfähig ( OLG Hamburg)<br />

<strong>Anwalt</strong>shonorar: Keine Abrechnung mittels unbeschränkter<br />

15-Minuten-Zeittaktklausel<br />

(OLG Düsseldorf)<br />

Berufsrecht<br />

<strong>Anwalt</strong>swerbung: Fondsnamen als „Google-Adword“<br />

sind unzulässig (LG München)<br />

Verwaltungs – und Verfahrensrecht<br />

Staatsangehörigkeit: Wegfall durch Vaterschaftsanfechtung<br />

bei Kleinkindern keine unzulässige Entziehung<br />

(BVerfG)<br />

Strafrecht und Owi<br />

Geschwindigkeitsüberschreitung: Höchstgeschwindigkeit<br />

für KfZ auf Fahrradstraßen liegt bei 30 km/h<br />

(OLG Karlsruhe)


<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 29/06 Inhalt<br />

Haftungs- und Versicherungsrecht<br />

Vorlagefrage an den EuGH: Dürfen die Geschädigten<br />

eines Verkehrsunfalls innerhalb der EU die ausländische<br />

Hafpfichtversicherung des Unfallgegners<br />

direkt in Anspruch nehmen?<br />

BGH 26.9.2006, VI ZR 200/05 4<br />

Ärzte haften für durch fehlerhafte Verhütungsmaßnahmen<br />

entstehende Unterhaltsschäden<br />

BGH 14.11.2006, VI ZR 48/06 4<br />

Arbeitsrecht<br />

Arbeitgeber müssen Auszubildendenvertreter nur<br />

bei einem freien Arbeitsplatz im Ausbildungsbetrieb<br />

übernehmen<br />

BAG 15.11.2006, 7 ABR 15/06 5<br />

Rechtsprechungsänderung: Falsche Bewertung<br />

eines Arbeitnehmers anhand eines Punktesystems<br />

führt nicht zur Unwirksamkeit aller weiteren Kündigungen<br />

BAG 9.11.2006, 2 AZR 812/05 u.a. 5<br />

Sozialrecht<br />

Ausländer ohne Arbeitserlaubnis haben regelmäßig<br />

keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II<br />

LSG Rheinland-Pfalz 17.10.2006, L 3 ER 175/06 AS 6<br />

Abfindungen wegen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen<br />

sind beitragspflichtig<br />

SG Dortmund 20.10.2006, S 34 R 217/05 6<br />

Handels- und Gesellschaftsrecht<br />

Ab dem 1.1.2007 werden Handels- und Unternehmensregister<br />

auf den elektronischen Betrieb umgestellt<br />

7<br />

Bankrecht<br />

Bundeskabinett beschließt Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie<br />

7<br />

Verlust der EC-Karte: Verbraucherzentralen dürfen<br />

Forderungen von geschädigten Bankkunden geltend<br />

machen<br />

BGH 14.11.2006, XI ZR 294/05 8<br />

Banken dürfen keine Erbrechtsberatung anbieten<br />

OLG Karlsruhe 9.11.2006, 4 U 174/05 8<br />

Wettbewerbsrecht und Gewerblicher<br />

Rechtsschutz<br />

Unerbetene Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden<br />

ist wettbewerbswidrig<br />

BGH 16.11.2006, I ZR 191/03 9<br />

Bundesjustizministerium will Schutz des geistigen<br />

Eigentums verbessern 9<br />

Unternehmen dürfen nicht mit der Herabsetzung<br />

von zuvor nie verlangten Preisen werben<br />

OLG Karlsruhe 8.11.2006, 6 U 227/05 10<br />

Zwangsvollstreckung und Insolvenz<br />

Bundesjustizministerium stellt Eckpunkte einer<br />

Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens vor<br />

– Entschuldungsverfahren soll vereinfacht werden 10<br />

Bundesregierung hat Gesetzentwurf zur Vereinfachung<br />

des Insolvenzverfahrens veröffentlicht 11<br />

Gebühren und Kosten<br />

Zur Erstattungsfähigkeit von Zustellkosten im EU-<br />

Ausland<br />

OLG Hamburg 7.7.2006, 8 W 4/06 12<br />

Anwälte dürfen ihr Honorar regelmäßig nicht mittels<br />

einer 15-Minuten-Zeittaktklausel abrechnen<br />

OLG Düsseldorf 29.6.2006, I-24 U 196/04 12<br />

Berufsrecht<br />

DAV will das Berufsrecht für Rechtsanwälte umfassend<br />

reformieren 13


<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 29/06 Inhalt<br />

Im Kapitalmarktrecht spezialisierte Anwälte dürfen<br />

keine „Adword-Werbung“ mit dem Namen eines<br />

Kapitalanlage-Fonds schalten<br />

LG München I 26.10.2006, 7 O 16794/06 13<br />

Verwaltungs- und Verfassungsrecht<br />

Der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit<br />

durch Vaterschaftsanfechtung stellt bei Kleinkindern<br />

keine unzulässige Entziehung der Staatsangehörigkeit<br />

dar<br />

BVerfG 24.10.2006, 2 BvR 696/04 14<br />

Strafrecht und OWi<br />

Grundsatzentscheidung: Auf Fahrradstraßen gilt für<br />

Kraftfahrzeuge eine generelle Höchstgeschwindigkeit<br />

von 30 km/h<br />

OLG Karlsruhe 7.11.2006, 2 Ss 24/05 14<br />

Steuerrecht<br />

Banken können für die Bearbeitung von Anfragen<br />

des Finanzamts regelmäßig eine Kostenerstattung<br />

verlangen<br />

BFH 8.8.2006, VII R 29/05 15<br />

Bis 2003 geltende pauschale „Schachtelstrafe“ von<br />

fünf Prozent auf Gewinne aus Auslandsbeteiligungen<br />

war mit EU-Recht unvereinbar<br />

BFH 9.8.2006, I R 95/05 15<br />

Vorlage an das BVerfG: Ist die seit 1997 geltende<br />

Verschärfung der Verlustabzugsbeschränkung beim<br />

„Mantelkauf“ verfassungswidrig?<br />

BFH 22.8.2006, I R 25/06 16<br />

Verlag<br />

Impressum<br />

Verlag Dr. Otto Schmidt KG in Kooperation mit dem <strong>Anwalt</strong>-<strong>Suchservice</strong><br />

Gustav-Heinemann-Ufer 58<br />

50968 Köln<br />

Geschäftsführender Gesellschafter: Dr. h.c. Karl-Peter Winters<br />

Amtsgericht Köln, HRA 5237<br />

USt-Ident-Nr. DE 123047975<br />

Zitierweise<br />

<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> Jahrgang, Ausgabe, Seite<br />

ISSN 1613-8090<br />

Schriftleitung und Verlagsredaktion:<br />

Petra Rülfing, Ass.jur; Imke Sawitzky, Ass.jur; Rüdiger Donnerbauer (verantw.)<br />

Redaktion <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong>, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln-Marienburg<br />

E-Mail: anwaltswoche@otto-schmidt.de<br />

Tel.: +49 (0) 221-93738-501<br />

Fax: +49 (0) 221-93738-951<br />

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Die <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> erscheint wöchentlich.<br />

Bezugspreis: 98,- € pro Jahr.<br />

Anzeigenleitung: Renate Becker<br />

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Inhalte<br />

Die Inhalte der <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> werden sorgfältig geprüft und nach bestem<br />

Wissen erstellt. Jedoch kann keinerlei Gewähr für die Korrektheit, Vollständigkeit,<br />

Aktualität oder Qualität der bereitgestellten Informationen übernommen<br />

werden. Haftungsansprüche gegen den Verlag Dr. Otto Schmidt, welche<br />

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vorliegt. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln nicht unbedingt die<br />

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Der Verlag Dr. Otto Schmidt ist bestrebt, in allen Publikationen die Urheberrechte<br />

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Rechtswirksamkeit des Haftungsausschlusses<br />

Sofern Teile oder einzelne Formulierungen dieses Textes der geltenden<br />

Rechtslage nicht, nicht mehr oder nicht vollständig entsprechen sollten, bleiben<br />

die übrigen Teile des Dokumentes in ihrem Inhalt und ihrer Gültigkeit<br />

davon unberührt.


Haftungs- und<br />

Versicherungsrecht<br />

Vorlagefrage an den EuGH: Dürfen die<br />

Geschädigten eines Verkehrsunfalls innerhalb<br />

der EU die ausländische Hafpfichtversicherung<br />

des Unfallgegners direkt in<br />

Anspruch nehmen?<br />

BGH 26.9.2006, VI ZR 200/05<br />

Es ist fraglich, ob Geschädigte eines Verkehrsunfalls innerhalb<br />

der EU-Mitgliedstaaten ihre Ansprüche direkt gegenüber der<br />

Haftpflichtversicherung des Unfallgegners an ihrem Wohnsitz<br />

einklagen können. Entscheidend ist insofern, ob der Geschädigte<br />

in entsprechender Anwendung von Art. 9 Abs.1b EuGVVO<br />

Begünstigter im Sinn dieser Vorschrift ist. Ob dies der Fall, muss<br />

der EuGH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />

entscheiden.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger war in einen Verkehrsunfall im EU-Ausland verwickelt<br />

worden. Er wollte die ausländische Haftpflichtversicherung<br />

des Unfallgegners im Weg der Direktklage an seinem eigenen<br />

Wohnsitz auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch nehmen.<br />

Der VI. Zivilsenat des BGH setzte den Rechtsstreit aus und<br />

beschloss, dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen,<br />

ob die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rats vom<br />

22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung<br />

und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und<br />

Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO) durch die Verweisung<br />

in Art. 11 Abs.2 auf Art. 9 Abs.1 b) EuGVVO dem Geschädigten<br />

eines innerhalb der EU erfolgten Verkehrsunfalls gestattet,<br />

die ausländische Haftpflichtversicherung des Unfallgegners im<br />

Wege der Direktklage an seinem eigenen Wohnsitz auf Schadensersatz<br />

in Anspruch zu nehmen.<br />

Die Gründe:<br />

Es ist fraglich, ob der Kläger seine Ansprüche direkt gegenüber<br />

der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners geltend machen<br />

kann. Entscheidend ist insofern, ob der Kläger in entsprechender<br />

Anwendung von Art. 9 Abs.1b EuGVVO Begünstigter im<br />

Sinn dieser Vorschrift ist. Nur in diesem Fall würde ihm ein<br />

Klagerecht an seinem Wohnsitzgerichtsstand zustehen. Ob der<br />

Geschädigte als Begünstigter anzusehen ist, muss der EuGH zur<br />

Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung entscheiden.<br />

Ärzte haften für durch fehlerhafte Verhütungsmaßnahmen<br />

entstehende Unterhaltsschäden<br />

BGH 14.11.2006, VI ZR 48/06<br />

Frauen, die auf Grund eines fehlerhaft eingesetzten Verhütungsmittels<br />

(hier: „Implanon“-Implantat) ungewollt schwanger<br />

werden, haben gegen den behandelnden Gynäkologen einen<br />

Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Unterhaltsverpflichtung<br />

gegenüber dem Kind. Ein solcher Anspruch<br />

steht auch dem nicht mit der Mutter verheirateten Kindsvater zu.<br />

Dieser ist in den Schutzbereich des auf Verhütung gerichteten<br />

Behandlungsvertrags einbezogen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Klägerin ist Mutter eines im Dezember 2002 geborenen Sohnes.<br />

Sie verlangte von dem beklagten Gynäkologen aus eigenem<br />

und aus abgetretenem Recht des Kindsvaters Ersatz des ihnen<br />

durch die Unterhaltsverpflichtung entstandenen und noch entstehenden<br />

Schadens. Die Klägerin ist mit dem Kindsvater nicht verheiratet.<br />

Dieser zahlt Unterhalt an seinen Sohn.<br />

Der Beklagte hatte bei der Klägerin im Januar 2002 das Langzeit-Verhütungsmittel<br />

„Implanon“ eingesetzt. Hierbei handelt es<br />

sich um ein rund drei Millimeter dickes und wenige Zentimeter<br />

langes Röhrchen, das oberhalb der Ellenbogenbeuge unter die<br />

Haut eingebracht wird. Im Juli 2002 stellte der Beklagte bei der<br />

Klägerin eine Schwangerschaft in der 16. Woche fest. Weder das<br />

„Implanon“-Implantat war auffindbar noch konnte der Beklagte<br />

den entsprechenden Wirkstoff im Blut der Klägerin feststellen.<br />

Die Klägerin trug vor, dass dem Beklagten beim Einsetzen des<br />

Verhütungsmittels ein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Das<br />

OLG verurteilte den Beklagten, an die Klägerin Unterhalt für<br />

den zurückliegenden Zeitraum von Dezember 2002 bis Dezember<br />

2005 und bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes<br />

monatlich im Voraus in Höhe von 270 Prozent des Regelbetrags<br />

der jeweiligen Altersstufe der Regelbetragsverordnung abzüglich<br />

des jeweiligen gesamten Kindergeldes zu zahlen. Die hiergegen<br />

gerichtete Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz<br />

des Unterhaltsschadens. Dem Beklagten ist beim Einsetzten<br />

des Verhütungs-Implantats ein Behandlungsfehler unterlaufen.<br />

Dadurch ist der Klägerin in Form der Unterhaltsverpflichtung ein<br />

Schaden entstanden. Auch die personenrechtliche Beziehung zwischen<br />

Eltern und Kind spricht nicht dagegen, die Unterhaltsverpflichtung<br />

gegenüber dem eigenen Kind als Vermögensschaden<br />

anzusehen. Im Bereich der Arzthaftung gilt wie in jedem anderen<br />

Bereich der Vertragshaftung, dass der durch eine schuldhafte Vertragsverletzung<br />

verursachte Schaden zu ersetzen ist.<br />

Die Ersatzpflicht des Beklagten ist auch nicht deswegen ausgeschlossen,<br />

weil die Klägerin in Zukunft eventuell einen Kinderwunsch<br />

hat. Die Haftung eines Arztes besteht auch dann, wenn<br />

die gegenwärtige berufliche und wirtschaftliche Planung einer<br />

jungen Frau durchkreuzt wird und die zukünftige Planung noch<br />

nicht endgültig absehbar ist. Gerade in solchen Fällen kann der<br />

Fehler des Arztes zu erheblichen wirtschaftlichen Folgen führen.<br />

Der nichteheliche Partner der Klägerin und Kindsvater ist ebenfalls<br />

in den Schutzbereich des auf Schwangerschaftsverhütung<br />

gerichteten Vertrags zwischen dem Beklagten und der Klägerin<br />

einzubeziehen. Denn auch der nichteheliche Partner ist vom<br />

Fehlschlagen der Verhütung betroffen. Der Anspruch der Klägerin<br />

richtet sich dabei nach dem Existenzminimum des Kindes.<br />

Dies hat das OLG beanstandungsfrei berechnet.<br />

29/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 4


Arbeitsrecht<br />

Arbeitgeber müssen Auszubildendenvertreter<br />

nur bei einem freien Arbeitsplatz im Ausbildungsbetrieb<br />

übernehmen<br />

BAG 15.11.2006, 7 ABR 15/06<br />

Auszubildendenvertreter haben nach Abschluss der Ausbildung<br />

gemäß § 78a BetrVG grundsätzlich einen Anspruch auf Übernahme<br />

in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, wenn die Weiterbeschäftigung<br />

dem Arbeitgeber zumutbar bist. Dies ist regelmäßig der<br />

Fall, wenn im Ausbildungsbetrieb ein freier Arbeitsplatz vorhanden<br />

ist, auf dem der ehemalige Auszubildende eingesetzt werden<br />

kann. Dem Arbeitgeber ist es dagegen nicht zumutbar, den Auszubildenden<br />

in anderen Betrieben seines Unternehmens einzusetzen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Bei der Antragstellerin (Arbeitgeberin) handelt es sich um einen<br />

Konzern. Sie führt die Berufsausbildung konzerneinheitlich in<br />

einem Ausbildungsbetrieb mit Hauptsitz in Bonn und 39 Berufsbildungsstellen<br />

im Bundesgebiet durch.<br />

B. absolvierte bei der Arbeitgeberin eine Ausbildung und war<br />

Mitglied einer Auszubildendenvertretung. Kurz vor Beendigung<br />

der Ausbildung verlangte sie von der Arbeitgeberin die Übernahme<br />

in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Arbeitgeberin lehnte<br />

dies ab und stellte einen Auflösungsantrag im Sinn von § 78a<br />

BetrVG, weil ihr die Weiterbeschäftigung der B. unzumutbar sei.<br />

B. machte dagegen geltend, dass sie wegen freier Arbeitsplätze<br />

im Ausbildungsbetrieb und in anderen Betrieben des Unternehmens<br />

ohne weiteres weiterbeschäftigt werden könne.<br />

Der Auflösungsantrag hatte vor dem ArbG und dem LAG keinen<br />

Erfolg. Die Gerichte begründeten ihre Entscheidung damit, dass<br />

der Arbeitgeberin die Weiterbeschäftigung der B. angesichts<br />

mehrerer freier Arbeitsplätze im Unternehmen zumutbar sei.<br />

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hob das BAG die<br />

Vorentscheidungen auf und wies die Sache an das LAG zurück.<br />

Die Gründe:<br />

Es kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob die<br />

Arbeitgeberin gemäß § 78a Abs.4 BetrVG die Auflösung des<br />

Arbeitsverhältnisses verlangen kann.<br />

Nach § 78a Abs.2 BetrVG können Auszubildende, die Mitglied<br />

des Betriebsrats oder eines anderen dort genannten Betriebsverfassungsorgans<br />

sind, innerhalb der letzten drei Monate vor<br />

Beendigung des Ausbildungsverhältnisses grundsätzlich ihre<br />

Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis verlangen. Das<br />

Verlangen führt dazu, dass ein Arbeitsverhältnis als begründet<br />

gilt, es sei denn, der Arbeitgeber stellt rechtzeitig einen Auflösungsantrag<br />

gemäß § 78a Abs.4 BetrVG, weil ihm die Weiterbeschäftigung<br />

des Auszubildenden nicht zugemutet werden kann.<br />

Die Weiterbeschäftigung ist dem Arbeitgeber regelmäßig zumutbar,<br />

wenn zum Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses<br />

im Ausbildungsbetrieb ein freier Arbeitsplatz vorhanden<br />

ist, auf dem der Auszubildende mit seiner durch die<br />

Ausbildung erworbenen Qualifikation dauerhaft beschäftigt werden<br />

kann. Auch die Übertragung einer anderweitigen Tätigkeit im<br />

Ausbildungsbetrieb ist dem Arbeitgeber zumutbar, wenn sich der<br />

ehemalige Auszubildende hiermit einverstanden erklärt hat.<br />

Dagegen sind Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Betrieben<br />

des Unternehmens bei der Beurteilung der Zumutbarkeit<br />

nicht zu berücksichtigen.<br />

Nach diesen Grundsätzen durften die Vorinstanzen den Auflösungsantrag<br />

der Arbeitgeberin nicht schon deshalb abweisen,<br />

weil im Gesamtunternehmen der Arbeitgeberin freie Stellen zur<br />

Verfügung standen. Entscheidend ist vielmehr, ob B. zum Zeitpunkt<br />

der Beendigung der Ausbildung im Ausbildungsbetrieb<br />

der Arbeitgeberin weiterbeschäftigt werden konnte. Ob dies der<br />

Fall war, kann derzeit noch nicht beurteilt werden. Die Sache<br />

war daher zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an<br />

das LAG zurückzuverweisen.<br />

Rechtsprechungsänderung: Falsche Bewertung<br />

eines Arbeitnehmers anhand eines<br />

Punktesystems führt nicht zur Unwirksamkeit<br />

aller weiteren Kündigungen<br />

BAG 9.11.2006, 2 AZR 812/05 u.a.<br />

Die bisherige Rechtsprechung, wonach bei einem betriebsbedingten<br />

Stellenabbau alle Kündigungen unwirksam sind, wenn<br />

der Arbeitgeber die soziale Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer<br />

anhand eines Punktesystems bewertet hat und ihm bei nur<br />

einem Arbeitnehmer ein Fehler unterlaufen ist („Dominotheorie“),<br />

wird aufgegeben. Von einem solchen Fehler kann nur der<br />

gekündigte Arbeitnehmer profitieren, der bisher auf dem letzten<br />

Platz der Kündigungsrangliste gestanden hat.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger war bei dem beklagten Unternehmen als Maschinenführer<br />

beschäftigt. Wegen eines Umsatzrückgangs entschloss<br />

sich der Beklagte, 55 Stellen im gewerblichen Bereich<br />

abzubauen. Zur Durchführung der Sozialauswahl erstellte er<br />

ein Punktesystem mit den Kriterien Lebensalter, Betriebszugehörigkeit,<br />

Unterhaltspflichten, Familienstand und Schwerbehinderteneigenschaft.<br />

Die 55 Arbeitnehmer mit der geringsten<br />

Punktzahl sollten entlassen werden.<br />

Der Kläger befand sich mit einer Gesamtpunktzahl von 41 an<br />

43. Stelle der Liste. Ihm wurde deshalb mit Schreiben vom<br />

29.4.2004 zum 30.9.2004 aus betriebsbedingten Gründen<br />

gekündigt. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage rügte er<br />

die Sozialauswahl. Der Beklagte habe dem Kollegen A. 44<br />

Punkte und damit den – von der Kündigung nicht erfassten<br />

- 73. Rang zuerkannt, obwohl dieser nur mit 39 Punkten zu<br />

bewerten sei. Der Beklagte machte geltend, dass ein solcher<br />

Fehler allenfalls dem Arbeitnehmer zugute kommen könne,<br />

der bei richtiger Berechnung der Punktzahl ungekündigt<br />

geblieben wäre, also dem bisher auf Platz 55 der Rangliste<br />

gesetzten Arbeitnehmer.<br />

ArbG und LAG gaben der Kündigungsschutzklage statt. Dies<br />

begründeten sie mit der vom BAG aufgestellten „Dominotheorie“,<br />

wonach die Kündigungen aller Arbeitnehmer unwirksam<br />

seien, wenn dem Arbeitgeber bei der Ermittlung der Punktzahlen<br />

ein Fehler unterlaufen sei und deshalb auch nur einem Arbeitnehmer,<br />

der bei richtiger Ermittlung der Punktezahlen zur Kündigung<br />

angestanden hätte, nicht gekündigt worden sei. Auf die<br />

Revision des Beklagten hob das BAG die Vorentscheidungen auf<br />

und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung<br />

an das LAG zurück.<br />

29/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 5


Die Gründe:<br />

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger ist nicht<br />

schon deshalb unwirksam, weil dem Beklagten möglicherweise<br />

hinsichtlich des Arbeitnehmers A. bei der Ermittlung der Punktzahlen<br />

ein Fehler unterlaufen ist. Die bisher vom Senat vertretene<br />

„Dominotheorie“, wonach ein Rechenfehler des Beklagten<br />

ohne weiteres die Unwirksamkeit der Kündigung des Klägers<br />

zur Folge gehabt hätte, wird aufgegeben. Kann der Arbeitgeber<br />

in Fällen wie dem Vorliegenden im Kündigungsschutzprozess<br />

aufzeigen, dass der gekündigte Arbeitnehmer auch bei richtiger<br />

Erstellung der Rangliste anhand des Punktesystems zur Kündigung<br />

angestanden hätte, so ist die Kündigung nicht wegen fehlerhafter<br />

Sozialauswahl unwirksam. Denn der Fehler ist für die<br />

Auswahl dieses Arbeitnehmers nicht ursächlich geworden. Er<br />

wirkt sich vielmehr nur bei dem Arbeitnehmer aus, der bislang<br />

auf dem letzten Platz der Rangliste gestanden hat und deshalb<br />

bei Vermeidung des Fehlers ungekündigt geblieben wäre.<br />

Nach diesen Grundsätzen wirkt sich ein etwaiger Fehler des<br />

Beklagten bei der Berechnung der Punktezahl für A. auf den<br />

Kläger nicht aus, da dieser auch durch die Einbeziehung des A.<br />

in den Kreis der zu Kündigenden nicht auf den sicheren Platz 56<br />

der Liste gelangt wäre. Die Sache ist allerdings noch nicht entscheidungsreif.<br />

Sie war zur Aufklärung weiterer strittiger Punkte<br />

an das LAG zurückzuverweisen.<br />

Sozialrecht<br />

Ausländer ohne Arbeitserlaubnis haben<br />

regelmäßig keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld<br />

II<br />

LSG Rheinland-Pfalz 17.10.2006, L 3 ER 175/06 AS<br />

Ausländische Staatsangehörige können gemäß § 8 Abs.2 SGB<br />

II nur dann einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, wenn<br />

sie entweder über eine Arbeitserlaubnis verfügen und ihnen eine<br />

solche erteilt werden könnte. Hierfür reicht die abstrakt-generelle<br />

Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitserlaubnis nicht<br />

aus. Erforderlich ist vielmehr, dass die Voraussetzungen für die<br />

Erlaubniserteilung tatsächlich erfüllt sind.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Antragstellerin ist slowakische Staatsangehörige. Sie lebt<br />

seit August 2004 in Deutschland. Hier war sie, ohne zuvor eine<br />

Arbeitserlaubnis eingeholt zu haben, als Bürohilfskraft beschäftigt.<br />

Sie wurde schwanger und beantragte zu Beginn des Mutterschutzes<br />

Arbeitslosengeld-II. Der Antragsgegner bewilligte die<br />

Leistungen zunächst, lehnte einen Folgeantrag aber ab, weil die<br />

Antragstellerin mangels Arbeitserlaubnis kein Arbeitslosengeld<br />

II beanspruchen könne.<br />

Der hiergegen gerichtete Eilantrag auf einstweilige Bewilligung<br />

von Arbeitslosengeld II hatte vor dem SG Erfolg. Auf die<br />

Beschwerde des Antragsgegners hob das LSG diese Entscheidung<br />

auf und wies den Antrag ab.<br />

Die Gründe:<br />

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von<br />

Arbeitslosengeld II. Der Bezug von Arbeitslosengeld II setzt die<br />

Erwerbsfähigkeit der Hilfebedürftigen voraus. Diese Voraussetzung<br />

ist bei ausländischen Staatsangehörigen gemäß § 8 Abs.2<br />

SGB II nur erfüllt, wenn sie entweder über eine Arbeitserlaubnis<br />

verfügen oder ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt<br />

werden könnte.<br />

Die Antragstellerin verfügt über keine Arbeitserlaubnis. Ihr<br />

könnte auch keine Arbeitserlaubnis im Sinn von § 8 Abs.2 SGB<br />

II erteilt werden. Denn insoweit reicht die abstrakt generelle<br />

Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitserlaubnis nicht aus. Vielmehr<br />

muss der Betroffene bei einer Antragstellung tatsächlich<br />

eine Arbeitserlaubnis erhalten können. Diese Voraussetzung ist<br />

hier nicht erfüllt.<br />

Angehörigen der Staaten, die - wie die Slowakische Republik<br />

- im Mai 2003 der EU beigetreten sind, kann grundsätzlich nur<br />

dann eine Arbeitserlaubnis erteilt werden, wenn die Voraussetzungen<br />

nach dem AufenthaltsG vorliegen. Das gilt jedenfalls,<br />

wenn sie - wie die Antragstellerin - keine qualifizierte Berufsausbildung<br />

haben und ohne Arbeitserlaubnis in die EU eingereist<br />

sind. Insoweit setzt § 39 Abs.2 AufenthaltsG voraus, dass<br />

sich die Beschäftigung des Ausländers nicht nachteilig auf den<br />

Arbeitsmarkt und dabei insbesondere auch auf die Beschäftigung<br />

deutscher Arbeitnehmer auswirkt.<br />

Bei einer einfachen Bürotätigkeit, wie die Antragstellerin sie<br />

ausgeübt hat, muss davon ausgegangen werden, dass in erheblichem<br />

Umfang deutsche oder andere bevorrechtigte Bewerber<br />

zur Verfügung stehen. Daher kann der Antragstellerin keine<br />

Arbeitserlaubnis erteilt und damit auch kein Arbeitslosengeld II<br />

gewährt werden.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage der<br />

Justiz Rheinland-Pfalz veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

Abfindungen wegen Verschlechterung der<br />

Arbeitsbedingungen sind beitragspflichtig<br />

SG Dortmund 20.10.2006, S 34 R 217/05<br />

Erhält ein Arbeitnehmer wegen der Verschlechterung seiner<br />

Arbeitsbedingungen (hier: Umwandlung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses<br />

in eine geringfügige Beschäftigung) eine Abfindung,<br />

so müssen hierauf Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung<br />

abgeführt werden. Denn eine solche Abfindung<br />

wird nicht für eine Zeit nach dem Ende der Beschäftigung<br />

gezahlt. Sie stellt vielmehr einmaliges Arbeitsentgelt im Rahmen<br />

eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses dar.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger hatte mit seinem Arbeitnehmer A. vereinbart, dass<br />

dessen Vollzeitarbeitsverhältnis zum 30.6.2004 gegen Zahlung<br />

einer Abfindung in Höhe von 26.000 Euro einvernehmlich beendet<br />

werden sollte. Außerdem sagte er dem A. zu, ihn ab dem<br />

1.7.2004 im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses<br />

mit einem Gehalt von 400 Euro monatlich zu beschäftigen.<br />

Hintergrund dieser Vereinbarung war, dass A. ab dem<br />

1.7.2004 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen beanspruchen<br />

konnte.<br />

Die beklagte Deutsche Rentenversicherung (DRV) beurteilte<br />

die Abfindungszahlung als einmaliges Arbeitsentgelt und for-<br />

29/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 6


derte deshalb Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung<br />

in Höhe von rund 2.300 Euro aus der gezahlten Abfindung<br />

nach. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger<br />

geltend, dass es sich bei dem Vollzeitarbeitsverhältnis und der<br />

geringfügigen Beschäftigungen um zwei rechtlich voneinander<br />

getrennte Arbeitsverhältnisse handele, weshalb die Abfindung<br />

beitragsfrei bleiben müsse. Die Klage hatte vor dem SG keinen<br />

Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die Beklagte hat den Kläger zu Recht zur Nachzahlung von Beiträgen<br />

zur Renten- und Arbeitslosenversicherung herangezogen.<br />

Anders als bei einer Abfindung, die anlässlich der endgültigen<br />

Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, wird eine<br />

Abfindung wegen der Umwandlung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses<br />

in eine geringfügige Beschäftigung nicht für eine Zeit<br />

nach dem Ende der Beschäftigung bezahlt. Es handelt sich vielmehr<br />

um einmaliges Arbeitsentgelt im Rahmen eines fortbestehenden<br />

Arbeitsverhältnisses.<br />

Im Streitfall hat A. auch nach Beendigung des Vollzeitarbeitsverhältnisses<br />

beim Kläger eine abhängige Beschäftigung gegen<br />

Arbeitsentgelt ausgeübt, für die der Kläger Pauschalbeiträge zur<br />

Renten- und Krankenversicherung entrichten musste. Bei der<br />

Abfindung handelte es sich damit um eine Entgeltkompensation,<br />

die A. bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis vom Kläger<br />

als Gegenleistung für die Zeit einer Beschäftigung erhalten<br />

hat.<br />

In einem solchen Fall ist es sachgerecht, den Arbeitgeber auch<br />

hinsichtlich der Abfindung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen<br />

heranzuziehen, da eine umfassende Berücksichtigung<br />

aller im Zusammenhang mit der Beschäftigung stehenden Einnahmen<br />

als Arbeitsentgelt dem Solidaritätsprinzip entspricht.<br />

Handels- und<br />

Gesellschaftsrecht<br />

Ab dem 1.1.2007 werden Handels- und<br />

Unternehmensregister auf den elektronischen<br />

Betrieb umgestellt<br />

Am 15.11.2006 ist das Gesetz über elektronische Handels-<br />

und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister<br />

(EHUG) im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Das Gesetz<br />

tritt damit am 1.1.2007 in Kraft. Künftig können die entsprechenden<br />

Unterlagen nur noch in elektronischer Form eingereicht<br />

werden. Die Bundesländer können für die Umstellung auf den<br />

elektronischen Verkehr Übergangsfristen vorsehen, nach denen<br />

die Unterlagen bis spätestens Ende 2009 auch noch in Papierform<br />

eingereicht werden können.<br />

Öffentliche Beglaubigung auch weiterhin erforderlich<br />

Für die Anmeldungen zur Eintragung bleibt aus Gründen der<br />

Rechtssicherheit eine öffentliche Beglaubigung erforderlich.<br />

Zuständig für die Führung der Register sind die Amtsgerichte,<br />

die die Handelsregistereintragungen ebenfalls in elektronischer<br />

Form bekannt machen. Für einen Übergangszeitraum bis Ende<br />

2008 wird die Bekanntmachung zusätzlich noch in einer Tageszeitung<br />

erfolgen.<br />

Das elektronische Unternehmensregister<br />

Ab dem 1.1.2007 können unter www.unternehmensregister.de<br />

die publikationspflichtigen Daten eines Unternehmens online<br />

abgerufen werden. Hier sollen alle wesentlichen Unternehmensdaten,<br />

deren Offenlegung von der Rechtsordnung vorgesehen ist,<br />

gebündelt zur Verfügung stehen („one stop shopping“).<br />

Die Offenlegung der Jahresabschlüsse<br />

Um die Veröffentlichung der Jahresabschlüsse zu erleichtern,<br />

werden für ihre zentrale Entgegennahme, Speicherung und Veröffentlichung<br />

nicht mehr die Amtsgerichte, sondern der elektronische<br />

Bundesanzeiger zuständig sein. Damit sollen die Gerichte<br />

von justizfernem Verwaltungsaufwand entlastet und der elektronische<br />

Bundesanzeiger zu einem zentralen Veröffentlichungsorgan<br />

für wirtschaftsrechtliche Bekanntmachungen ausgebaut<br />

werden.<br />

Mit dem EHUG wird die Richtlinie 2003/58/EG zur Änderung<br />

der 1. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie, Teile der EU-Transparenzrichtlinie<br />

2004/109/EG sowie Beschlüsse der Regierungskommission<br />

Corporate Governance umgesetzt.<br />

Bankrecht<br />

Bundeskabinett beschließt Umsetzung der<br />

Finanzmarktrichtlinie<br />

Das Bundeskabinett hat am 15.11.2006 einen Gesetzentwurf zur<br />

Umsetzung der EU-Finanzmarktrichtlinie (Richtlinie 2004/39/<br />

EG) beschlossen. Die Änderungen betreffen das Wertpapierhandelsgesetz<br />

sowie das Börsen- und das Kreditwesengesetz. So<br />

soll künftig die Anlageberatung und die Vermittlung von Investmentfonds<br />

grundsätzlich der vollen Aufsicht der Bundesanstalt<br />

für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterliegen. Außerdem<br />

sollen an den Börsen einheitliche Regelungen zur Vorhandels-<br />

und Nachhandelstransparenz eingeführt werden.<br />

Die Kernpunkte des Gesetzentwurfs im Überblick:<br />

Anlageberatung unter Aufsicht der BaFin: Die Anlageberatung,<br />

die Vermittlung von Investmentfonds, Dienstleistungen im<br />

Zusammenhang mit Warenderivaten sowie der Betrieb von multilateralen<br />

Handelssystemen sollen künftig eigenständige Wertpapierdienstleistungen<br />

darstellen und damit der vollen Aufsicht<br />

der BaFin unterliegen. Gleichzeitig soll die Zulassung dieser<br />

Anbieter in Deutschland bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen<br />

auch in allen anderen Mitgliedstaaten gültig sein („erweiterter<br />

europäischer Pass der EU-Finanzmarktrichtlinie“).<br />

Neue Vorgaben für Börsen: Auf den Handelsplattformen<br />

(Börsen, multilaterale Handelssysteme und Internalisierungssysteme)<br />

sollen künftig einheitliche Regelungen zur Vorhandelstransparenz<br />

(Veröffentlichung der aktuellen Geld- und Briefkurse<br />

und der Tiefe der Handelspositionen zu diesen Kursen)<br />

und zur Nachhandelstransparenz (Veröffentlichung der Preise<br />

und Umsätze der an den Handelsplattformen abgeschlossenen<br />

Geschäfte) gelten.<br />

Neue Vorgaben für die Ausführung von Wertpapiergeschäften:<br />

Für Finanzdienstleister sollen neue Anforderungen<br />

im Bereich der Organisation, der Wohlverhaltensregeln und der<br />

Pflicht zur bestmöglichen Ausführung gelten. Die Wohlverhal-<br />

29/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 7


tensregeln betreffen insbesondere Informationspflichten, aber<br />

auch die Geeignetheitsprüfung von Wertpapiergeschäften für<br />

die Kunden. Bei Beratungsdienstleistungen sollen die Geschäfte<br />

den Anlagezielen, den finanziellen Verhältnissen und dem Erfahrungsschatz<br />

des Kunden entsprechen müssen.<br />

Sonderregelung für die Vermittlung von Investmentfondsanteilen:<br />

Personen, die lediglich Anlageberatung und Vermittlung<br />

in Bezug auf Investmentfondsanteile betreiben, sollen nicht<br />

als Wertpapierfirma eingestuft werden und damit lediglich der<br />

Registrierungspflicht nach der Gewerbeordnung unterliegen.<br />

Risikoaufklärung bei Finanztermingeschäften: Die Sonderregelung<br />

für die Risikoaufklärung von Anlegern bei Finanztermingeschäften<br />

soll aufgehoben werden, so dass es künftig<br />

keiner Wiederholung der Aufklärung der Kunden im zweijährigen<br />

Rhythmus mehr bedarf.<br />

Außerdem sollen die Zulassungsstellen bei den Börsen und<br />

der amtliche Handel als Börsensegment abgeschafft sowie die<br />

Regeln für Skontoführer/Börsenmakler erheblich vereinfacht<br />

werden.<br />

Linkhinweis:<br />

Für den auf den Webseiten des Bundesfinanzministeriums<br />

(BMF) veröffentlichten Gesetzentwurf im Volltext klicken Sie<br />

bitte hier (PDF-Datei).<br />

Verlust der EC-Karte: Verbraucherzentralen<br />

dürfen Forderungen von geschädigten<br />

Bankkunden geltend machen<br />

BGH 14.11.2006, XI ZR 294/05<br />

Verbraucherzentralen dürfen Ansprüche von Bankkunden geltend<br />

machen, die von den Banken Regress fordern, weil mit ihren<br />

gestohlenen EC-Karten Geld abgehoben wurde. Denn die Frage<br />

nach der Sicherheit des Verschlüsselungssystems von Banken<br />

betrifft nicht nur die Belange des einzelnen Verbrauchers, sondern<br />

auch kollektive Verbraucherinteressen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger, die Verbraucherzentrale NRW e.V., machte mittels<br />

einer Sammelklage die Ansprüche von Kunden gegen die<br />

beklagten Sparkassen geltend. Den betreffenden Kunden waren<br />

EC-Karten entwendet worden, woraufhin die Diebe unter Verwendung<br />

der korrekten PIN-Nummern an Geldautomaten Geldbeträge<br />

in unterschiedlicher Höhe abgehoben hatten.<br />

Die Beklagten vertraten die Auffassung, dass der Kläger nicht<br />

berechtigt sei, die an ihn abgetretenen Ansprüche geltend zu<br />

machen. Der Kläger verfüge nicht über die nach Art. 1 § 1<br />

RBerG erforderliche Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten.<br />

Außerdem könne sich der Kläger nicht auf Art.<br />

1 § 3 Nr.8 RBerG berufen, wonach Verbraucherzentralen abgetretene<br />

Forderungen nur dann geltend machen dürften, wenn<br />

dies im Interesse der Verbraucher liege.<br />

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, weil die Voraussetzungen<br />

des Art. 1 § 3 Nr.8 RBerG nicht vorlägen, die Abtretungen<br />

somit nichtig seien und der Kläger daher nicht zur Geltendmachung<br />

der Kundenforderungen berechtigt sei. Auf die Revision<br />

des Klägers hob der BGH das Urteil der Vorinstanz auf und wies<br />

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das<br />

Berufungsgericht zurück.<br />

Die Gründe:<br />

Der Kläger darf die Ansprüche der Kunden der Beklagten geltend<br />

machen.<br />

Gemäß Art. 1 § 3 Nr.8 RBerG können Verbraucherzentralen<br />

oder –verbände die abgetretenen Forderungen von Verbrauchern<br />

gerichtlich geltend machen, wenn dies im Interesse des<br />

Verbraucherschutzes erforderlich ist. Diese Voraussetzung liegt<br />

vor, wenn die Einschaltung einer Verbraucherorganisation dem<br />

kollektiven Verbraucherinteresse dient und eine effektivere Verfolgung<br />

dieses Interesses ermöglicht als eine Individualklage.<br />

Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn Umstände vorliegen,<br />

die den einzelnen Verbraucher von einer Individualklage abhalten<br />

können, wie etwa eine geringe Anspruchshöhe, unverhältnismäßig<br />

hohe Prozesskosten, ein besonderes Prozessrisiko oder<br />

erhebliche praktische Schwierigkeiten, den Anspruch durchzusetzen.<br />

Im Streitfall hängt der Erfolg der Klage entscheidend von der<br />

Sicherheit des Verschlüsselungssystems der Beklagten ab. Kann<br />

nachgewiesen werden, dass die Sicherheitssysteme der Beklagten<br />

versagt haben, könnte die Klage erfolgreich sein. Diese Frage<br />

betrifft nicht nur die Belange des einzelnen Verbrauchers, sondern<br />

auch kollektive Verbraucherinteressen. Außerdem könnten<br />

die Geschädigten wegen der im Verhältnis zu ihren Einzelforderungen<br />

(überwiegend in der Größenordnung von 500 bis 1.000<br />

Euro) sehr hohen Prozesskosten von einer Geltendmachung<br />

ihrer Ansprüche absehen. Insofern ist insbesondere zu berücksichtigen,<br />

dass aller Wahrscheinlichkeit nach ein Sachverständigengutachten<br />

über die Sicherheit des Verschlüsselungssystems<br />

der Beklagten eingeholt werden muss.<br />

Außerdem hat der Kläger eine bessere Marktübersicht und einen<br />

breiteren Zugang zu fachkundigen Informationen als der einzelne<br />

Sparkassenkunde und kann deshalb zu den technischen Einzelheiten<br />

der von ihm behaupteten Sicherheitslücken und zu parallel<br />

verlaufenden Schadensfällen besser vortragen.<br />

Das Berufungsgericht muss nun feststellen, ob das Verschlüsselungssystem<br />

der Beklagten einem ausreichenden Sicherheitsstandard<br />

entsprach.<br />

Banken dürfen keine Erbrechtsberatung<br />

anbieten<br />

OLG Karlsruhe 9.11.2006, 4 U 174/05<br />

Banken dürfen ihre Kunden nicht bei der Erstellung ihres Testaments<br />

beraten. Dies stellt eine rechtliche Angelegenheit dar, die<br />

unter dem Erlaubnisvorbehalt von Art.1 § 1 Abs.1 RBerG steht.<br />

Die Erlaubnispflicht entfällt auch dann nicht, wenn die Bank für<br />

die Erbrechtsberatung einen Volljuristen beschäftigt. Denn dieser<br />

wird regelmäßig im Interesse seiner Arbeitgeberin tätig. Damit<br />

besteht ein Interessenkonflikt zwischen unabhängiger Rechtsberatung<br />

und den wirtschaftlichen Interessen der Bank.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Kundin der beklagten Großbank wollte einen Teil ihres Vermögens<br />

auf ihren Sohn übertragen. Ein Mitarbeiter der Beklagten,<br />

der Volljurist X., beriet die Kundin und entwarf ein Testament<br />

und eine Stiftungssatzung. Beide Entwürfe leitete er einem<br />

externen Rechtsanwalt zur Begutachtung zu. Nach der Prüfung<br />

durch den externen <strong>Anwalt</strong> übersandte dieser die Dokumente<br />

an die Kundin. Nach einem weiteren Gespräch mit der Kundin<br />

29/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 8


arbeitete X. noch Barvermächtnisse in den Testamentsentwurf<br />

ein und modifizierte die Stiftungssatzung. Die neuen Entwürfe<br />

übersandte er direkt an die Kundin.<br />

Die Klägerin, eine Rechtsanwaltskammer, vertrat die Auffassung,<br />

dass die Beklagte gegen das RBerG verstoßen und damit wettbewerbswidrig<br />

gehandelt habe. Ihre auf Unterlassung gerichtete<br />

Klage hatte Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die Beklagte muss die Erbrechtsberatung unterlassen, weil sie<br />

gegen Art.1 § 1 Abs.1 RBerG und damit zugleich gegen das<br />

Wettbewerbsrecht verstößt. Nach Art.1 § 1 Abs.1 RBerG darf<br />

die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich<br />

der Rechtsberatung geschäftsmäßig nur von Personen betrieben<br />

werden, denen dazu die Erlaubnis erteilt worden ist. Über eine<br />

solche Erlaubnis verfügt die Beklagte nicht.<br />

Die Erlaubnispflicht entfällt auch dann nicht, wenn die Bank für<br />

die Erbrechtsberatung einen Volljuristen beschäftigt. Denn dieser<br />

wird regelmäßig im Interesse seiner Arbeitgeberin tätig. So<br />

wird eine Bank bei einer erbrechtlichen Beratung regelmäßig<br />

darauf hinwirken wollen, zur Testamentsvollstreckerin ernannt<br />

zu werden. Damit besteht ein Interessenkonflikt zwischen unabhängiger<br />

Rechtsberatung und den wirtschaftlichen Interessen der<br />

Bank.<br />

Die Tätigkeit von X. stellt eine Rechtsbesorgung für die Kundin<br />

dar und nicht lediglich die Wahrnehmung wirtschaftlicher<br />

Belange. Zur Abgrenzung von erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung<br />

zu erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung ist auf den<br />

Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen. Dieser liegt vorliegend<br />

auf rechtlichem Gebiet. Denn die inhaltliche Beratung in Fragen<br />

der Testamentserrichtung dient der rechtlichen Umsetzung des<br />

Willens des Erblassers. Das ist kein wirtschaftlicher Vorgang,<br />

sondern Rechtsgestaltung. Jemand, der solche Dienstleistungen<br />

in Anspruch nimmt, sucht den Dienstleister nicht wegen der Frage<br />

auf, wem er was zuwenden will, sondern vielmehr wegen dessen<br />

rechtlichen Sachverstands.<br />

Der rechtsberatende Charakter der Tätigkeit von X. entfällt nicht,<br />

weil er seine Entwürfe an einen externen Rechtsanwalt weitergeleitet<br />

hat. Die Überprüfung durch diesen Rechtsanwalt diente<br />

nur der Fehlerkontrolle und fällt damit nicht entscheidend ins<br />

Gewicht. Die Beklagte kann sich außerdem nicht darauf berufen,<br />

dass sie ihren Kunden zulässigerweise Testamentsvollstreckungen<br />

anbietet. Denn weder die erbrechtliche Beratung noch die<br />

Erstellung von Testamentsentwürfen stellen mit der Testamentsvollstreckung<br />

einhergehende Nebenleistungen dar.<br />

Der Streitfall ist nicht deswegen anders zu beurteilen, weil die<br />

Bundesregierung einen Entwurf für eine neues Rechtsdienstleistungsgesetz<br />

vorgelegt hat. Vorliegend ist die derzeit geltende<br />

Rechtslage entscheidend, die einen Erlaubnisvorbehalt für die<br />

Rechtsberatung vorsieht.<br />

Wettbewerbsrecht<br />

und Gewerblicher<br />

Rechtsschutz<br />

Unerbetene Telefonwerbung gegenüber<br />

Gewerbetreibenden ist wettbewerbswidrig<br />

BGH 16.11.2006, I ZR 191/03<br />

Unternehmen dürfen unaufgefordert keine Gewerbetreibende<br />

anrufen und für ihre Leistungen werben. Dies gilt selbst dann,<br />

wenn die Unternehmen den Gewerbetreibenden Aufträge vermitteln.<br />

Zwar kann bei einem Gewerbetreibenden regelmäßig ein<br />

mutmaßliches Interesse an einer telefonischen Kontaktaufnahme<br />

durch potentielle Kunden vermutet werden. Es liegt aber eine<br />

unzulässige und damit wettbewerbswidrige Telefonwerbung vor,<br />

wenn ein Unternehmen seine eigene Leistung (hier: die Vermittlung<br />

von Handwerksaufträgen) in dem Telefonat anpreist.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Beklagte ist in der Baubranche tätig und koordiniert Bauvorhaben<br />

zwischen Bauherrn, Planungsbüros und Bauunternehmen.<br />

Im Rahmen dieser Tätigkeit vermittelt sie auch Aufträge<br />

für Handwerksunternehmen. Diese verpflichten sich zur<br />

Zahlung einer Provision für jeden vermittelten Bauauftrag und<br />

zusätzlich zur Einmahlzahlung eines bestimmten Betrags. Die<br />

geschäftlichen Kontakte zu den Handwerksunternehmen bahnt<br />

die Beklagte regelmäßig über das Telefon an.<br />

Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Beklagte unzulässige<br />

Telefonwerbung betreibe, weil die angerufenen Handwerksunternehmen<br />

nicht in die Anrufe eingewilligt hätten. Seine auf<br />

Unterlassung gerichtete Klage hatte Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die Beklagte muss die Telefonwerbung unterlassen. Nach § 7<br />

Abs.2 Nr.2 UWG n.F. liegt eine unzumutbare unlautere Belästigung<br />

eines Marktteilnehmers vor, wenn dieser ohne (zumindest)<br />

mutmaßliche Einwilligung zu Werbezwecken angerufen wird.<br />

Im Streitfall entspricht die Telefonwerbung der Beklagten weder<br />

dem tatsächlichen noch dem mutmaßlichen Willen der angerufenen<br />

Handwerksunternehmen. Zwar kann bei einem Gewerbetreibenden<br />

regelmäßig ein mutmaßliches Interesse an einer telefonischen<br />

Kontaktaufnahme durch potentielle Kunden vermutet<br />

werden. Vorliegend ist die Beklagte aber vorrangig deswegen in<br />

Kontakt zu den Handwerksunternehmen getreten, um ihre eigene<br />

Leistung anzubieten. Dies stellt eine unzulässige Werbung dar.<br />

Entgegen der Auffassung der Beklagten greift das Verbot der<br />

Telefonwerbung auch nicht unzulässig in ihr Recht auf Berufsausübungsfreiheit<br />

ein. Die Beklagte muss die Werbung für ihre<br />

Dienstleistung nicht gänzlich unterlassen, sondern nur mittels<br />

des Mediums „Telefon“.<br />

Bundesjustizministerium will Schutz des<br />

geistigen Eigentums verbessern<br />

Das Bundesjustizministerium hat am 17.11.2006 einen Referentenentwurf<br />

vorgestellt, mit dem die EU-Durchsetzungsrichtlinie<br />

in deutsches Recht umgesetzt werden soll. Ziel des Geset-<br />

29/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 9


zesvorhabens ist ein besserer Schutz des geistigen Eigentums,<br />

insbesondere vor Produktpiraterie. Zu diesem Zweck sollen<br />

Rechtsinhaber weitergehende Auskunftsrechte als bisher erhalten.<br />

Außerdem sollen die erstattungsfähigen <strong>Anwalt</strong>sgebühren<br />

bei Abmahnungen außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 50<br />

Euro begrenzt werden.<br />

Die Kernpunkte des Gesetzentwurfs im Überblick:<br />

Weitergehende Auskunftsansprüche für Urheber: Rechtsinhaber<br />

sollen künftig unter bestimmten Voraussetzungen auch<br />

Auskunftsansprüche gegen Dritte haben. So sollen sie etwa<br />

grundsätzlich Auskünfte von Internet-Providern verlangen können,<br />

wenn ihre Werke illegal auf einer Internet-Tauschbörse<br />

angeboten werden.<br />

Schutz der Verbraucher vor hohen Abmahngebühren: Bei<br />

unerheblichen Rechtsverletzungen außerhalb des geschäftlichen<br />

Verkehrs sollen die erstattungsfähigen <strong>Anwalt</strong>sgebühren auf<br />

50 Euro begrenzt werden. Hiervon sollen beispielsweise Fälle<br />

erfasst werden, in denen ein Verbraucher einmalig im Internet<br />

ein Musikstück zum Download anbietet und damit Urheberrechte<br />

verletzt.<br />

Erleichterte Berechnung des Schadensersatzanspruchs:<br />

Bei Urheberrechtsverletzungen soll der Rechtsinhaber künftig<br />

zwischen mehreren Möglichkeiten zur Berechnung seines Schadensersatzanspruchs<br />

wählen können. Er soll entweder Schadensersatz<br />

in Höhe des konkret entstandenen Schadens, des Gewinns<br />

des Verletzers oder einer angemessenen fiktiven Lizenzgebühr<br />

verlangen können.<br />

Vernichtung von Piraterieware an EU-Grenzen: Die Vernichtung<br />

von beschlagnahmter Piraterieware an den Außengrenzen<br />

der EU soll erleichtert werden. Derzeit kann die Ware nur<br />

vernichtet werden, wenn die Verletzung des Rechts gerichtlich<br />

festgestellt worden ist. Die neue EU-Grenzbeschlagnahmeverordnung<br />

sieht dagegen ein vereinfachtes Verfahren vor, wonach<br />

die Vernichtung auch dann möglich ist, wenn der Verfügungsberechtigte<br />

nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht.<br />

Unternehmen dürfen nicht mit der Herabsetzung<br />

von zuvor nie verlangten Preisen<br />

werben<br />

OLG Karlsruhe 8.11.2006, 6 U 227/05<br />

Unternehmen dürfen nicht mit der Herabsetzung von Preisen für<br />

ihre Produkte werben, die sie nie zuvor verlangt haben. Eine solche<br />

Werbung ist irreführend und verstößt damit gegen das Wettbewerbsrecht.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der beklagte Media Markt in Mannheim hatte mit dem Slogan<br />

„Heute zahlt Deutschland keine Mehrwertsteuer – Alle Produkte<br />

dadurch 16 Prozent billiger!“ geworben. Die Klägerin, ein<br />

ebenfalls in Mannheim ansässiger Wettbewerber der Beklagten,<br />

vertrat die Auffassung, dass die Werbung irreführend und damit<br />

unzulässig sei. Die Beklagte habe nicht bei allen Produkten den<br />

versprochenen Preisnachlass gewährt. Vielmehr habe sie ihren<br />

Angeboten höhere Grundpreise zugrundegelegt, und erst dann<br />

die 16 Prozent Mehrwertsteuer abgezogen. Dagegen trug die<br />

Beklagte vor, dass es sich bei diesen Produkten um Sonderangebote<br />

gehandelt habe, bei denen der Preis zuvor höher gewesen<br />

sei.<br />

Die Klägerin verlangte von der Beklagten Unterlassung der Werbung.<br />

Die hierauf gerichtete Klage hatte Erfolg. Das OLG hat die<br />

Revision nicht zugelassen.<br />

Die Gründe:<br />

Die Beklagte muss die beanstandete Werbung unterlassen, weil sie<br />

mit der Herabsetzung eines Preises geworben hat, den sie zuvor<br />

nie verlangt hat. Dies ist irreführend und damit wettbewerbswidrig.<br />

Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass sie ansonsten<br />

höhere Preise für die Produkte verlangt. Der pauschale Hinweis,<br />

dass es sich bei den betreffenden Produkten um Sonderangebote<br />

gehandelt habe, ist jedenfalls nicht ausreichend. Die Klägerin hat<br />

substantiiert dargelegt, dass der gewährte Preisnachlass nicht, wie<br />

angekündigt, bei 16 Prozent lag, sondern deutlich niedriger. So lag<br />

der Preisnachlass bei einem Fernseher beispielsweise nur bei acht<br />

Prozent. Die Beklagte hat diesen Vortrag nicht entkräftet.<br />

Zwangsvollstreckung und<br />

Insolvenz<br />

Bundesjustizministerium stellt Eckpunkte<br />

einer Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens<br />

vor – Entschuldungsverfahren soll<br />

vereinfacht werden<br />

Das Bundesjustizministerium hat am 14.11.2006 die Eckpunkte<br />

einer Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens vorgestellt.<br />

Hiernach soll das Entschuldungsverfahren bei nachweislicher<br />

Mittellosigkeit des Schuldners vereinfacht und dieser an den<br />

Verfahrenskosten beteiligt werden. Hintergrund der Reform ist<br />

nach Angaben des Bundesjustizministeriums, dass das bisherige<br />

Verfahren zu teuer und zu bürokratisch sei.<br />

Die einzelnen Stationen des vereinfachten Entschuldungsverfahren<br />

im Überblick:<br />

1. Abweisung des Insolvenzverfahrens mangels Masse:<br />

Wenn – wie bislang in rund 80 Prozent aller Fälle – beim überschuldeten<br />

Verbraucher keine die Verfahrenskosten deckende<br />

Masse vorhanden ist, erfolgt entsprechend § 26 InsO eine<br />

Abweisung mangels Masse. Hierdurch wird das Verfahren allerdings<br />

nicht schon beendet, sondern lediglich die Stufe des eröffneten<br />

Insolvenzverfahrens übersprungen und unmittelbar das<br />

Restschuldbefreiungsverfahren eingeleitet.<br />

2. Sorgfältige Ermittlung der Vermögensverhältnisse:<br />

Wird der Eröffnungsantrag mangels Masse abgelehnt, muss der<br />

Schuldner das schon nach bisherigem Recht auszufüllende Formular,<br />

mit dem seine Vermögensverhältnisse abgefragt werden,<br />

mit dem Gerichtsvollzieher erörtern und an Eides statt die Richtigkeit<br />

und Vollständigkeit seiner Angaben versichern. Das Gericht<br />

kündigt danach die sechsjährige Wohlverhaltensperiode an.<br />

3. Sechsjährige Wohlverhaltensperiode:<br />

In dieser Zeit treffen den Schuldner die gleichen Obliegenheiten<br />

wie in einem normalen Restschuldbefreiungsverfahren. Gleichzeitig<br />

wird der Treuhänder bestellt - etwa ein Rechtsanwalt oder<br />

Steuerberater. An ihn muss der Schuldner den pfändbaren Teil seines<br />

Einkommens abtreten. Gläubiger können der Restschuldbefreiung<br />

widersprechen. Ohne Widerspruch können sie ihre Forderungen<br />

nach Ablauf der sechs Jahre nicht mehr durchsetzen.<br />

29/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 10


4. Sonderfall „Neues Vermögen“:<br />

Kommt der Schuldner innerhalb der sechs Jahre - zum Beispiel<br />

durch eine Erbschaft - unvorhergesehen zu neuem Vermögen, so<br />

ist dieses innerhalb der Grenzen der Pfändbarkeit an den Treuhänder<br />

abzutreten und von diesem zu verteilen.<br />

Bei Beträgen unter 1.000 Euro erfolgt die Verteilung an die<br />

Gläubiger gemäß dem Forderungsverzeichnis, das gemeinsam<br />

mit einer geeigneten Person oder Stelle aufgestellt wurde. Bei<br />

Beträgen über 1.000 Euro muss der Treuhänder dies öffentlich<br />

bekannt machen und die Gläubiger auffordern, ihre Forderungen<br />

anzumelden. Die Verteilung erfolgt dann anhand dieses ergänzten<br />

Forderungsverzeichnisses.<br />

5. Kostenbeteiligung des Schuldners:<br />

Bei mittellosen Schuldnern wurden die Verfahrenskosten bislang<br />

im Ergebnis von der Staatskasse getragen. Künftig sollen die<br />

Schuldner in einem Umfang von 13 Euro pro Monat an den Verfahrenskosten<br />

und den Kosten für den Treuhänder beteiligt werden.<br />

Durch die Abschaffung der Entschuldung „zum Nulltarif“ soll den<br />

Schuldnern deutlich gemacht werden, dass sie eine Entschuldung<br />

nur über eine gewisse Eigenanstrengung erreichen können.<br />

Der Hintergrund:<br />

Seit 1999 besteht auch für Verbraucher die Möglichkeit, über<br />

ein Insolvenzverfahren eine Restschuldbefreiung zu erlangen.<br />

Dies setzt voraus, dass die Betroffenen sechs Jahre lang unter<br />

Aufsicht eines staatlichen Treuhänders versuchen, so viel Geld<br />

wie möglich an die Gläubiger zurückzuzahlen. Hierzu muss beispielsweise<br />

der Arbeitgeber des Schuldners den pfändbaren Teil<br />

des Einkommens (bei einem Schuldner ohne Unterhaltspflichten<br />

derzeit alle Beträge über 985 Euro) an den Treuhänder abführen,<br />

der das Geld unter den Gläubigern verteilt.<br />

Die bisherige Praxis der Verbraucherinsolvenzverfahren ist von<br />

den Gerichten zunehmend als zu bürokratisch und zu teuer kritisiert<br />

worden. Die Kritik zielt insbesondere auf die große Zahl der<br />

masselosen Verfahren. Hier soll die Reform Besserung verschaffen,<br />

indem bei nachweislich mittellosen Schuldnern von einer<br />

Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgesehen wird und anstatt<br />

dessen lediglich eine sorgfältige Ermittlung der Vermögensverhältnisse<br />

des Schuldners erfolgt.<br />

Im Unternehmensinsolvenzverfahren hat die Bundesregierung<br />

bereits eine Reform auf den Weg gebracht (BT-Drs.: 16/3227).<br />

Der Gesetzentwurf sieht insbesondere vor, dass übertragende<br />

Sanierungen in bestimmten Fällen schon vor dem Berichtstermin<br />

zugelassen und die „geschlossenen Listen“ zur Auswahl von<br />

Insolvenzverwaltern verboten werden sollen.<br />

Bundesregierung hat Gesetzentwurf zur<br />

Vereinfachung des Insolvenzverfahrens veröffentlicht<br />

Die Bundesregierung hat am 2.11.2006 den Gesetzentwurf zur<br />

Vereinfachung des Insolvenzverfahrens mitsamt Stellungnahme<br />

des Bundesrats und Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-<br />

Drs.: 16/3227) veröffentlicht. Mit dem Entwurf sollen Defizite<br />

im Unternehmensinsolvenzverfahren behoben werden. So<br />

sollen künftig übertragende Sanierungen in bestimmten Fällen<br />

schon vor dem Berichtstermin zugelassen werden, öffentliche<br />

Bekanntmachungen in Insolvenzsachen nur noch über das Internet<br />

erfolgen und die „geschlossenen Listen“ zur Auswahl von<br />

Insolvenzverwaltern verboten werden.<br />

Die Kernpunkte des Gesetzentwurfs im Überblick:<br />

1. Auswahl des Insolvenzverwalters: Die Auswahl von Insolvenzverwaltern<br />

durch die Gerichte anhand von so genannten<br />

„geschlossenen Listen“ soll verboten werden. Hiermit soll klargestellt<br />

werden, dass die Auswahl aus dem Kreis aller zur Übernahme<br />

von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen erfolgen<br />

muss. Weiteren Einschränkungen soll das Auswahlverfahren<br />

allerdings nicht unterworfen werden.<br />

In die „geschlossenen Listen“ werden neue Bewerber nur aufgenommen,<br />

wenn eine Person ausscheidet. Die Bundesregierung<br />

hält diese Vorgehensweise für verfassungswidrig. Sie beruft sich<br />

zur Begründung auf einen Beschluss des BVerfG vom 3.8.2004<br />

(Az.: 1 BvR 135/00), wonach jeder Bewerber eine Chance auf<br />

Einbeziehung in das Auswahlverfahren haben müsse. Dies sei<br />

nur bei willkürfreier Einbeziehung in das Vorauswahlverfahren<br />

gewährleistet.<br />

2. Internet-Veröffentlichung: Bislang ist in § 9 InsO geregelt,<br />

dass öffentliche Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren auch<br />

über das Internet erfolgen können. Künftig sollen die öffentlichen<br />

Bekanntmachungen nur noch über das Internet vorgenommen<br />

werden. Damit will die Bundesregierung dem Umstand<br />

Rechung tragen, dass der Verbreitungsgrad des Internets stark<br />

zugenommen habe. Außerdem seien inzwischen die technischen<br />

Voraussetzungen geschaffen worden, auf einer bundeseinheitlichen<br />

Internetplattform das Insolvenzgeschehen lückenlos zu<br />

dokumentieren.<br />

3. Übertragende Sanierungen vor dem Berichtstermin:<br />

Übertragende Sanierungen sollen unter engen Voraussetzungen<br />

im eröffneten Verfahren bereits vor dem Berichtstermin zugelassen<br />

werden, um außergewöhnliche Verwertungschancen bereits<br />

in diesem frühem Verfahrensstadium nutzen zu können. Außerdem<br />

soll dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit eingeräumt<br />

werden, einzelne Gegenstände aus der Masse freizugeben.<br />

Bundesrat befürchtet Entwertung des Eigentumsvorbehalts<br />

als Sicherungsmittel<br />

Der Bundesrat hat die Bundesregierung in seiner Stellungnahme<br />

zu dem Gesetzentwurf aufgefordert, sicherzustellen, dass<br />

das Ziel, die Durchführung des Insolvenzverfahrens schon in<br />

der ersten Phase zu sichern, nicht den Eigentumsvorbehalt als<br />

Kreditsicherungsmittel entwerten dürfe. Die Bundesregierung<br />

hat in ihrer Gegenäußerung mitgeteilt, dass sie diese Auffassung<br />

grundsätzlich teile, dieser Belang im Gesetzentwurf aber ausreichend<br />

berücksichtigt werde.<br />

Linkhinweise:<br />

- Für den auf den Webseiten des Bundestags veröffentlichten<br />

Volltext des Gesetzentwurf mitsamt Begründung, Stellungnahme<br />

des Bundesrats und Gegenäußerung der Bundesregierung<br />

klicken Sie bitte hier (PDF-Datei).<br />

- Den auf den Webseiten des BVerfG veröffentlichten Beschluss<br />

vom 3.8.2004 (Az.: 1 BvR 135/00) zu den verfassungsrechtlichen<br />

Vorgaben für die Auswahl von Insolvenzverwaltern<br />

finden Sie hier.<br />

29/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 11


Gebühren und Kosten<br />

Zur Erstattungsfähigkeit von Zustellkosten<br />

im EU-Ausland<br />

OLG Hamburg 7.7.2006, 8 W 4/06<br />

Wer für die Zustellung einer einstweiligen Verfügung bei einem<br />

im EU-Ausland ansässigen Unternehmen einen Rechtsanwalt<br />

und einen Gerichtsvollzieher am Ort der Zustellung einschaltet<br />

(so genannte unmittelbaren Zustellung durch Amtspersonen),<br />

hat Anspruch auf Erstattung der hierfür anfallenden Kosten. Der<br />

Zusteller muss sich in einem solchen Fall nicht auf eine kostengünstigere<br />

Zustellungsart verweisen lassen, da ihm die Verordnung<br />

(EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 ein Wahlrecht<br />

einräumt.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Antragstellerin hatte in einem Verfahren des einstweiligen<br />

Rechtsschutzes erfolgreich beantragt, der Antragsgegnerin ein<br />

wettbewerbswidriges Verhalten vorläufig zu untersagen. Da die<br />

Antragsgegnerin ihren Sitz in Frankreich hat, beauftragte die<br />

Antragstellerin einen französischen Rechtsanwalt sowie einen<br />

französischen Gerichtsvollzieher mit der Zustellung der einstweiligen<br />

Verbotsverfügung. Für diese Zustellung brachte die<br />

Antragstellerin rund 733 Euro in Ansatz.<br />

Das LG entsprach dem Kostenansatz der Antragstellerin nur in<br />

Höhe von rund 146 Euro. Zu Begründung führte das LG aus, dass<br />

lediglich die Kosten einer diplomatischen Zustellung (Übersetzungskosten,<br />

Zustellkosten durch einen französischen Gerichtsvollzieher<br />

und Verwaltungskosten) erstattungsfähig seien. Die<br />

gegen die Entscheidung des LG gerichtete sofortige Beschwerde<br />

hatte Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die Antragstellerin kann die Erstattung der von ihr in Ansatz<br />

gebrachten 733 Euro verlangen.<br />

Die Antragstellerin kann sich insoweit auf die Verordnung<br />

(EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung<br />

gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil-<br />

oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten stützen. Darin sind<br />

als andere Arten der Übermittlung und Zustellung gerichtlicher<br />

Schriftstücke die Übermittlung auf konsularischem oder diplomatischem<br />

Weg (Art. 12 VO 1348/2000), die Zustellung von<br />

Schriftstücken durch diplomatische oder konsularische Vertretungen<br />

(Art. 13 VO 1348/2000), die Zustellung durch die Post<br />

(Art. 14 VO 1348/2000) und auch die von der Antragstellerin<br />

gewählte unmittelbare Zustellung durch Amtspersonen, Beamte<br />

oder sonstige zuständige Personen des Empfangsmitgliedstaats<br />

(Art. 15 VO 1348/2000) genannt. Die Verordnung Nr. 1348/2000<br />

räumt dem Zusteller somit ein Wahlrecht ein.<br />

Entgegen der Auffassung des LG musste sich die Antragstellerin<br />

auch nicht auf die kostengünstigere diplomatische Zustellung<br />

verweisen lassen. Eine Begrenzung des in der Verordnung<br />

Nr. 1348/2000 eingeräumten Wahlrechts liefe dem Zweck der<br />

Verordnung zuwider, die Übermittlung von gerichtlichen und<br />

außergerichtlichen Schriftstücken zu beschleunigen. Eine Einschränkung<br />

des Zustellungswahlrechts kommt daher nur in Ausnahmefällen<br />

in Betracht, etwa bei einer missbräuchlichen Auswahl<br />

der Zustellungsart.<br />

Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte für ein missbräuchliches<br />

Verhalten der Antragstellerin ersichtlich. Die von ihr gewählte<br />

unmittelbare Zustellung war vielmehr sinnvoll und notwendig.<br />

Denn die Antragstellerin hatte ein erhebliches Interesse an der<br />

schnellen Vollziehung der Beschlussverfügung, um die Fortsetzung<br />

des von ihr beanstandeten wettbewerbswidrigen Verhaltens<br />

der Antragsgegnerin ohne weitere Verzögerungen zu verhindern.<br />

Hierzu durfte sie auch einen französischen Rechtsanwalt einschalten,<br />

der mit den Gegebenheiten vor Ort bestens vertraut ist<br />

und die Landessprache perfekt beherrscht.<br />

Anwälte dürfen ihr Honorar regelmäßig<br />

nicht mittels einer 15-Minuten-Zeittaktklausel<br />

abrechnen<br />

OLG Düsseldorf 29.6.2006, I-24 U 196/04<br />

Rechtsanwälte dürfen ihr Honorar nicht mittels einer formularmäßig<br />

vereinbarten 15-Minuten-Zeittaktklausel abrechnen. Dies<br />

gilt jedenfalls dann, wenn die Anwendung der Zeittaktklausel<br />

keinen Beschränkungen unterliegt, und der <strong>Anwalt</strong> sie damit<br />

stetig mehrmals täglich anwenden kann. In einem solchen Fall<br />

wirkt die Zeittaktklausel wie eine „Endlosschleife“, die es dem<br />

Mandanten unmöglich macht, die entstehenden Kosten abschätzen<br />

zu können. Dies führt zu einer unangemessenen Benachteiligung<br />

des Mandanten.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, hatte die rechtliche Beratung des<br />

Beklagten in einem sehr umfangreichen gesellschaftsrechtlichen<br />

Fall übernommen. Die Parteien schlossen eine Honorarvereinbarung,<br />

die unter anderem eine so genannte Zeittaktklausel enthielt,<br />

nach der bestimmte Tätigkeiten des Klägers im Zeittakt<br />

von 15 Minuten zu vergüten waren. Diese Zeittaktklausel sollte<br />

nicht nur einmalig pro Arbeitstag (zum Beispiel am Ende eines<br />

Arbeitstags) gelten, sondern stetig. Der Kläger hat die Zeittaktklausel<br />

dementsprechend mehrmals täglich angewendet.<br />

Der Kläger verlangte vom Beklagten Zahlung seines anwaltlichen<br />

Honorars. Die hierauf gerichtete Klage hatte nur bezüglich<br />

derjenigen Tätigkeiten des Klägers Erfolg, die nicht von der<br />

Zeittaktklausel erfasst sind.<br />

Die Gründe:<br />

Der Kläger durfte die streitgegenständlichen Tätigkeiten nicht<br />

nach der Zeittaktklausel abrechnen. Diese verstößt gegen § 9<br />

Abs.1, Abs.2 Nr.1 AGBG (jetzt § 307 Abs.1 S.1, Abs.2 Nr.1<br />

BGB), weil sie dem im Dienstvertragsrecht geltenden Prinzip<br />

der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzprinzip)<br />

widerspricht. Hierdurch wird der Beklagte unangemessen<br />

benachteiligt.<br />

Nach der Zeittaktklausel darf der Kläger nicht nur kurze Tätigkeiten<br />

wie etwa kurze Telefonate oder Anweisungen an seine<br />

Mitarbeiter mit dem 15-Minutentakt abrechnen, sondern auch<br />

jede länger andauernde Tätigkeit, die den jeweiligen Zeitabschnitt<br />

von 15 Minuten auch nur um Sekunden überschreitet.<br />

Dies gilt außerdem nicht nur beschränkt auf eine einmalige<br />

Anwendung zum Beispiel am Ende eines Arbeitstags. Der<br />

Kläger konnte die Zeittaktklausel damit stetig mehrmals täglich<br />

anwenden. Sie wirkt somit wie eine „Endlosschleife“, die es dem<br />

Beklagten unmöglich macht, die entstehenden Kosten abschätzen<br />

zu können.<br />

29/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 12


Der Kläger kann die Zeittaktklausel auch nicht damit rechtfertigen,<br />

dass eine Abrechnung nach kürzeren Zeitabschnitten zu<br />

einem unzumutbaren Arbeitsaufwand bei der Zeiterfassung führe.<br />

Denn der Aufwand bei der Zeiterfassung hängt bei Nutzung<br />

moderner Zeiterfassungssysteme nicht von der Länge des Zeitabschnitts<br />

ab.<br />

Die Zeittaktklausel kann auch nicht mit dem zulässigen Inhalt<br />

aufrechterhalten werden, dass der Kläger seine Tätigkeit zumindest<br />

minutengenau abrechnen könnte. Damit kann nur der Zeitaufwand<br />

des Klägers vergütet werden, dessen Erfassung mit<br />

Sicherheit nicht von der Zeittaktklausel beeinflusst ist.<br />

Berufsrecht<br />

DAV will das Berufsrecht für Rechtsanwälte<br />

umfassend reformieren<br />

Der Deutsche <strong>Anwalt</strong>sverein (DAV) hat am 21.11.2006 Vorschläge<br />

für eine umfassende Novellierung der Bundesrechtsanwaltsordnung<br />

(BRAO) und der Fachanwaltsordnung (FAO) veröffentlicht.<br />

Danach soll das Berufsrecht kein spezielle Regelung<br />

zur Werbung für anwaltliche Dienstleistungen mehr enthalten.<br />

Außerdem sollen neue Formen der gemeinschaftlichen Berufsausübung<br />

(zum Beispiel in einer Aktiengesellschaft) geregelt<br />

und die Selbstverwaltungsrechte der <strong>Anwalt</strong>schaft gesichert<br />

werden.<br />

Die Kernpunkte der vom DAV vorgeschlagenen BRAO-<br />

Reform im Überblick:<br />

Werbung für anwaltliche Dienstleistungen: § 43b BRAO,<br />

wonach Anwälten Werbung nur erlaubt ist, soweit diese über die<br />

berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und<br />

nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist,<br />

soll ersatzlos aufgehoben werden. Nach Auffassung des DAV<br />

kann Auswüchsen bereits durch die allgemeinen Regelungen des<br />

UWG begegnet werden.<br />

Gemeinschaftliche Berufsausübung: Anwälten sollen neue<br />

Formen der Zusammenarbeit (zum Beispiel in einer <strong>Anwalt</strong>s-<br />

Aktiengesellschaft) ermöglicht werden. Auch die Zusammenarbeit<br />

mit anderen Berufsgruppen soll erleichtert werden.<br />

Datenschutz: Optimaler Datenschutz kann nach Auffassung<br />

des DAV bereits durch die strenge Verschwiegenheitspflicht des<br />

<strong>Anwalt</strong>s und seiner Mitarbeiter gewährleistet werden, so dass<br />

ein gesonderter Datenschutzbeauftragter für die Kanzleien überflüssig<br />

ist. Die Regelungen des Berufsrechts sollen insoweit als<br />

Spezialregelungen den allgemeinen Regeln zum Datenschutz<br />

vorgehen.<br />

Stärkung der Selbstverwaltung: Zuständigkeit und Arbeitsweise<br />

der Rechtsanwaltskammern und der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

sollen klar und abschließend definiert und so die Selbstverwaltung<br />

der <strong>Anwalt</strong>schaft gestärkt werden.<br />

Fachanwaltsausbildung: Künftig soll der Erwerb der besonderen<br />

praktischen Erfahrungen grundsätzlich voraussetzen, dass<br />

der Rechtsanwalt mindestens ein Jahr lang bei einem Fachanwalt<br />

der angestrebten Richtung in gemeinsamer Berufsausübung tätig<br />

war. Außerdem soll die Rechtsanwaltskammer auf der Grundlage<br />

eines obligatorischen Fachgesprächs entscheiden, ob die<br />

Fachanwaltsbezeichnung zuerkannt wird.<br />

Syndikusanwälte: Es soll ausdrücklich geregelt werden, dass<br />

Syndikusanwälte nicht in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwälte<br />

für ihre Dienstherren vor Gerichten und Schiedsgerichten tätig<br />

werden dürfen.<br />

Linkhinweis:<br />

Auf den Webseiten des DAV sind die Vorschläge zur Änderung<br />

der BRAO (PDF-Datei) im Volltext und der Diskussionsvorschlag<br />

zur Änderung der FAO (PDF-Datei) veröffentlicht.<br />

Im Kapitalmarktrecht spezialisierte Anwälte<br />

dürfen keine „Adword-Werbung“ mit dem<br />

Namen eines Kapitalanlage-Fonds schalten<br />

LG München I 26.10.2006, 7 O 16794/06<br />

Im Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Anwälte dürfen<br />

nicht den Namen eines Kapitalmarkt-Fonds bei „Google“<br />

als „Adword“ anmelden. Hierin liegt eine Verletzung des Sachlichkeitsgebots<br />

aus § 43b BRAO. Wer den Namen eines Kapitalmarkt-Fonds<br />

in eine Internet-Suchmaschine eingibt, will<br />

sich über den Fonds informieren und nicht Informationen über<br />

Rechtsanwaltsdienstleistungen im Bereich des Kapitalmarktrechts<br />

aufgedrängt bekommen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Verfügungskläger (Kläger) betreibt einen Kapitalmarkt-<br />

Fonds. Bei den beiden Verfügungsbeklagten (Beklagten) handelt<br />

es sich um im Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte<br />

Rechtsanwälte. Sie hatten bei der Suchmaschine „google“ eine<br />

„Adword“-Kampagne geschaltet und dabei unter anderem den<br />

Fondsnamen des Klägers als „Adword“ angemeldet. Dies führte<br />

dazu, dass immer dann, wenn ein Internet-Nutzer den Fondsnamen<br />

eingab, als „erster Treffer“ ein als Anzeige gekennzeichneter<br />

Link auf die Webseiten der Beklagten mit dem Zusatz „Prospekte<br />

fehlerhaft - Schadensersatz für Anleger“ erschien.<br />

Aus der Anzeige der Beklagten ging nicht hervor, dass die Seite<br />

von Anwälten betrieben wurde. Auf der verlinkten Webseite<br />

war eine Pressemitteilung veröffentlicht, die sich mit angeblichen<br />

Prospektfehlern und möglichen Schadensersatzansprüchen<br />

hinsichtlich des Fonds befasste.<br />

Der Kläger hielt diese „Adword“-Kampagne für unzulässig und<br />

machte deshalb im einstweiligen Verfügungsverfahren Unterlassungsansprüche<br />

geltend. Die Verwendung des Fondnamens als<br />

„Adword“ stelle eine Markenrechtsverletzung dar. Außerdem sei<br />

Anwälten ein derartiges „Fischen nach Mandanten“ auch berufsrechtlich<br />

untersagt. Das LG verbot den Beklagten daraufhin die<br />

beanstandete „Adword“-Werbung (durch Endurteil). Die Entscheidung<br />

ist allerdings noch nicht rechtskräftig.<br />

Die Gründe:<br />

Die Beklagten müssen die beanstandete „Adword“-Kampagne<br />

unterlassen. In der Verwendung des Fondsnamens liegt zwar<br />

keine Markenrechtsverletzung. Denn nach der Rechtsprechung<br />

des BGH ist die Verwendung einer fremden Marke als Suchwort<br />

erlaubt, wenn dieses als Hinweis auf den Inhalt der Webseite verwendet<br />

wird. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da die Beklagten<br />

auf ihren Webseiten tatsächlich über den Fonds der Klägerin<br />

berichten und sich hiermit kritisch auseinandersetzen.<br />

Die „Adword“-Kampagne ist aber gemäß § 43b BRAO unzulässig.<br />

Hiernach ist Anwälten Werbung nur erlaubt, wenn sie über<br />

29/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 13


die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet.<br />

Dies ist hier nicht der Fall. Die streitige Werbung bewegt<br />

sich nicht mehr im Rahmen einer sachlichen Information über<br />

die Tätigkeit der Beklagten. Sie stellt vielmehr eine übertrieben<br />

reklamehafte „marktschreierische“ Herausstellung gegenüber<br />

einer Interessentengruppe dar, die sich gar nicht über die Dienstleistungen<br />

der Beklagten, sondern über den Fonds selbst informieren<br />

will.<br />

Die Unsachlichkeit der Kampagne wird noch dadurch verstärkt,<br />

dass die Anzeige keinerlei Hinweis darauf enthält, dass es sich<br />

um Werbung von Rechtsanwälten handelt. Dies erfährt der Internet-Nutzer<br />

erst, wenn er auf die von den Beklagten betriebene<br />

Seite zugreift.<br />

Verwaltungs- und<br />

Verfassungsrecht<br />

Der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit<br />

durch Vaterschaftsanfechtung stellt<br />

bei Kleinkindern keine unzulässige Entziehung<br />

der Staatsangehörigkeit dar<br />

BVerfG 24.10.2006, 2 BvR 696/04<br />

Eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinn<br />

des Art. 16 Abs.1 S.1 GG liegt vor, wenn die betreffende Person<br />

die verlässliche Grundlage der gleichberechtigten Zugehörigkeit<br />

verliert. Der Wegfall der Staatsangehörigkeit infolge<br />

einer Anfechtung der Vaterschaft ist lediglich dann eine solche<br />

Beeinträchtigung, wenn sich das betroffene Kind in einem Alter<br />

befindet, in dem sich sein Vertrauen in den Bestand der deutschen<br />

Staatsangehörigkeit voll entwickelt hat. Dies ist bei einem<br />

Kleinkind regelmäßig nicht der Fall.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Mutter des 1998 geborenen Beschwerdeführers ist albanische<br />

Staatsangehörige und war mit einem deutschen Staatsangehörigen<br />

verheiratet. Nach einer Vaterschaftsanfechtungsklage<br />

stellte das Gericht im November 1999 fest, dass der Ehemann<br />

nicht der Vater des Beschwerdeführers ist. Daraufhin wurde die<br />

Ehe geschieden und zog die zuständige Behörde den Kinderausweis<br />

des Beschwerdeführers ein, da er nicht mehr im Besitz der<br />

deutschen Staatsangehörigkeit sei.<br />

Der Beschwerdeführer begehrte vor den Fachgerichten erfolglos<br />

die Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit. Die gegen<br />

die abweisende Entscheidung des OVG gerichtete Verfassungsbeschwerde<br />

nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an.<br />

Die Gründe:<br />

Der Verlust der Staatsangehörigkeit stellt im Streitfall keine unzulässige<br />

Entziehung der Staatsangehörigkeit dar. Eine Entziehung<br />

der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinn des Art. 16 Abs.1 S.1<br />

GG liegt nur vor, wenn die betreffende Person die verlässliche<br />

Grundlage der gleichberechtigten Zugehörigkeit verliert.<br />

Der Wegfall der Staatsangehörigkeit infolge einer Anfechtung<br />

der Vaterschaft ist lediglich dann eine solche Beeinträchtigung,<br />

wenn sich das betroffene Kind in einem Alter befindet, in dem<br />

sich sein Vertrauen in den Bestand der deutschen Staatsangehö-<br />

rigkeit voll entwickelt hat. Dies war bei dem Beschwerdeführer<br />

nicht der Fall, da er bei Verlust der Staatsangehörigkeit erst eineinhalb<br />

Jahre alt war. In diesem Alter hat er noch kein Vertrauen<br />

in den Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit entwickeln<br />

können.<br />

Linkhinweis:<br />

Für den auf der Homepage des BVerfG veröffentlichten<br />

Beschluss klicken Sie bitte hier.<br />

Strafrecht und OWi<br />

Grundsatzentscheidung: Auf Fahrradstraßen<br />

gilt für Kraftfahrzeuge eine generelle<br />

Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h<br />

OLG Karlsruhe 7.11.2006, 2 Ss 24/05<br />

Kraftfahrzeuge dürfen auf Fahrradstraßen höchstens 30 km/h<br />

fahren. Das gilt unabhängig davon, ob sich gerade ein Radfahrer<br />

im Straßenbereich befindet, da dem Charakter der Fahrradstraße<br />

als Sonderweg durch eine allgemein gültige Geschwindigkeitsbegrenzung<br />

Rechnung getragen werden muss.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Betroffene wohnt in einer Straße, die als Fahrradstraße<br />

gekennzeichnet ist. Unter dem runden blauen Schild mit dem<br />

Fahrrad ist ein weiterer Aufdruck mit folgendem Text angebracht:<br />

„Die Straße ist dem Radverkehr vorbehalten. Ausnahme:<br />

Kfz-Anliegerverkehr mit mäßiger Geschwindigkeit.“<br />

Im Juni 2004 geriet der Betroffene, als er die Straße mit seinem<br />

Pkw mit einer Geschwindigkeit von 43 km/h befuhr, in eine<br />

Geschwindigkeitskontrolle. Die zuständige Ordnungsbehörde<br />

verhängte daraufhin gegen ihn ein Bußgeld in Höhe von 15 Euro<br />

wegen zu schnellen Fahrens.<br />

Das AG sprach den Betroffenen vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung<br />

frei. Welche Geschwindigkeit bei Fahrradstraßen<br />

als „mäßige Geschwindigkeit“ anzusehen sei, beurteile<br />

sich nach den jeweiligen Straßenverhältnissen. Im Streitfall lasse<br />

die Straße eine Geschwindigkeit von bis zu 50 km/h zu, so dass<br />

der Betroffene nicht zu schnell gefahren sei. Das OLG hob diese<br />

Entscheidung auf und setzte gegen den Betroffenen erneut ein<br />

Bußgeld in Höhe von 15 Euro fest.<br />

Die Gründe:<br />

Dem Betroffenen ist eine Geschwindigkeitsüberschreitung anzulasten.<br />

Das AG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich die zulässige<br />

Höchstgeschwindigkeit in Fahrradstraßen nach den konkreten<br />

Verhältnissen vor Ort bemisst. Dem Charakter der Fahrradstraße<br />

als Sonderweg wird vielmehr nur eine generelle Höchstgeschwindigkeit<br />

gerecht. Zulässig ist lediglich eine dem Fahrradverkehr<br />

angepasste Geschwindigkeit. Unter Berücksichtigung von schnelleren<br />

Radfahrern ist dabei eine Geschwindigkeit von höchstens 30<br />

km/h angemessen. Dies gilt allerdings nur, soweit die konkreten<br />

Verkehrsverhältnisse eine solche Geschwindigkeit zulassen.<br />

Der Betroffene hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit nach<br />

diesen Grundsätzen deutlich überschritten, so dass gegen ihn ein<br />

Bußgeld zu verhängen war.<br />

29/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 14


Steuerrecht<br />

Banken können für die Bearbeitung von<br />

Anfragen des Finanzamts regelmäßig eine<br />

Kostenerstattung verlangen<br />

BFH 8.8.2006, VII R 29/05<br />

Wenn Banken einem Finanzamt auf Anfrage Unterlagen wie<br />

etwa Konto- oder Depotauszüge von Steuerpflichtigen vorlegen,<br />

können sie hierfür in den meisten Fällen eine Kostenerstattung<br />

verlangen. Etwas anderes gilt nur, wenn das Finanzamt die vorzulegenden<br />

Unterlagen so konkret und eindeutig benennt, dass<br />

die Bank sie nur noch heraussuchen und gegebenenfalls lesbar<br />

machen muss. Das setzt die Angabe der jeweiligen Konto- oder<br />

Depotnummer voraus.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Das beklagte Finanzamt hatte die Klägerin, eine Sparkasse, aufgefordert,<br />

Kopien der Konto- und Depotauszüge aller Sparkonten<br />

und Wertpapierdepots vorzulegen, die das Ehepaar C. bei der<br />

Klägerin unterhielt. Hintergrund dieser Anfrage war, dass das<br />

Ehepaar C. entsprechende Auskünfte verweigert hatte. Die Klägerin<br />

übersandte dem Finanzamt die geforderten Unterlagen und<br />

bat gleichzeitig um Erstattung der entstandenen Kosten in Höhe<br />

von 38,60 Euro.<br />

Das Finanzamt lehnte die Kostenerstattung ab, weil für die bloße<br />

Vorlage von Unterlagen gesetzlich kein Kostenersatz vorgesehen<br />

sei. Mit ihrer hiergegen gerichtete Klage machte die Klägerin<br />

geltend, dass kein reines Vorlageverlangen, sondern ein kombiniertes<br />

Auskunfts- und Vorlageverlangen vorgelegen habe. Hierfür<br />

bestehe ein gesetzlicher Erstattungsanspruch. Ihre Tätigkeit<br />

sei über die bloße Vorlage von Unterlagen weit hinausgegangen,<br />

da sie zunächst habe ermitteln müssen, ob und gegebenenfalls<br />

für welche Zeiträume Depots der Eheleute C. vorhanden gewesen<br />

seien.<br />

Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob<br />

der BFH diese Entscheidung auf und gab der Klage statt.<br />

Die Gründe:<br />

Die Klägerin hat gemäß § 107 AO 1977 einen Anspruch auf<br />

Erstattung der Kosten, da das Finanzamt sie nicht nur zur Vorlage<br />

von Urkunden, sondern auch als Auskunftspflichtige herangezogen<br />

hat.<br />

Eine reines Vorlageverlangen im Sinn von § 97 AO 1977, bei<br />

dem eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist, liegt nur vor,<br />

wenn das Finanzamt die vorzulegenden Unterlagen so konkret<br />

und eindeutig benennt, dass sich die geforderte Tätigkeit<br />

des Vorlageverpflichteten auf rein mechanische Hilfstätigkeiten<br />

wie das Heraussuchen und Lesbarmachen beschränkt. Das<br />

setzt bei der Anforderung von Bankunterlagen voraus, dass das<br />

Finanzamt bereits weiß, welche Konten und Depots oder sonstigen<br />

Bankverbindungen der Steuerpflichtige bei der in Anspruch<br />

genommenen Bank unterhält.<br />

Überlässt es das Finanzamt dagegen der Bank zu ermitteln, ob<br />

und gegebenenfalls welche einschlägigen Unterlagen vorhanden<br />

sind, so liegt ein kombiniertes Auskunfts- und Vorlageersuchen<br />

vor, das die Kostenerstattungspflicht auslöst.<br />

Nach diesen Grundsätzen muss das Finanzamt die Kosten der<br />

Klägerin erstatten. Die Anfrage stellte ein kombiniertes Aus-<br />

kunfts- und Vorlageersuchen dar, weil das Finanzamt nicht die<br />

Vorlage im Einzelnen konkret benannter Unterlagen, sondern<br />

undifferenziert die Vorlage von Auszügen sämtlicher Konten<br />

und Depots der Eheleute C. verlangt hat. Die Klägerin musste<br />

deshalb zunächst die in den betreffenden Jahren vorhandenen<br />

Konten und Depots der Eheleute C. ermitteln, bevor sie die angeforderten<br />

Konto- und Depotauszüge heraussuchen und vorlegen<br />

konnte.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />

BFH veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

Bis 2003 geltende pauschale „Schachtelstrafe“<br />

von fünf Prozent auf Gewinne aus<br />

Auslandsbeteiligungen war mit EU-Recht<br />

unvereinbar<br />

BFH 9.8.2006, I R 95/05<br />

Bis 2003 waren Dividenden aus der Beteiligung einer Kapitalgesellschaft<br />

an einer anderen Kapitalgesellschaft sowie die<br />

Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung nach § 8b KStG<br />

grundsätzlich steuerfrei. Nur hinsichtlich Auslandsbeteiligungen<br />

waren fünf Prozent der Gewinne steuerpflichtig (so genannte<br />

„Schachtelstrafe“). Diese unterschiedliche Behandlung von<br />

inländischen und ausländischen Beteiligungen verstieß gegen<br />

die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Ihre Geschäftsanteile<br />

wurden im Streitjahr 2002 von ihrer alleinigen Kommanditistin,<br />

der A.-GmbH, gehalten. Komplementärin war die B.-GmbH.<br />

Alleiniger Geschäftszweck der Klägerin war es, 50,01 Prozent<br />

der Anteile an einer südafrikanischen Kapitalgesellschaft (Ltd)<br />

zu halten. Die Klägerin hatte die Anteile im Juni 2000 erworben<br />

und veräußerte sie im Oktober 2002.<br />

Den dabei erzielten Veräußerungsgewinn behandelte die Klägerin<br />

gemäß § 8b KStG 2002 in Verbindung mit § 7 GewStG 2002<br />

als steuerfrei. Das Finanzamt folgte dem nicht und erhöhte den<br />

Gewinn aus Gewerbebetrieb um den Veräußerungsgewinn. Die<br />

hiergegen gerichtete Klage hatte sowohl vor dem FG als auch<br />

vor dem BFH Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Das Finanzamt hat eine Steuerfreistellung nach § 8b Abs.2 KStG<br />

2002 zu Unrecht abgelehnt.<br />

Nach § 8b Abs.2 KStG a.F. waren die laufenden Dividenden aus<br />

der Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft<br />

und die Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung<br />

im Grundsatz steuerfrei. Eine Ausnahme galt zwar bis 2003<br />

für Auslandsbeteiligungen, bei denen fünf Prozent der Gewinne<br />

pauschal als nichtabziehbarer Beteiligungsaufwand behandelt<br />

wurde. Diese unterschiedliche Behandlung von in- und ausländischen<br />

Beteiligungen verstieß jedoch gegen das EU-Recht.<br />

Eine einseitige Besteuerung von Auslandsbeteiligungen verstößt<br />

gegen die durch Art. 43,48 EG geschützte Niederlassungsfreiheit<br />

sowie gegen die durch Art. 56 EG geschützte Kapitalverkehrsfreiheit.<br />

Die Kapitalverkehrsfreiheit erstreckt sich grundsätzlich auch<br />

auf so genannte „Drittstaaten“, die nicht Mitglied der EU sind.<br />

29/2006 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 15


Nach diesen Grundsätzen durfte der Gewinn der Klägerin aus<br />

der Veräußerung ihrer Anteile an der südafrikanischen Kapitalgesellschaft<br />

nicht besteuert werden. Dem steht nicht entgegen,<br />

dass die Klägerin selbst keine Kapital-, sondern eine Personengesellschaft<br />

ist. Für die Steuerbefreiung nach § 8b Abs.2 KStG<br />

a.F. war es - entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung -<br />

unschädlich, wenn die Beteiligung über eine zwischengeschaltete<br />

Personengesellschaft gehalten wurde.<br />

Der Hintergrund:<br />

Die vorliegende Entscheidung hat lediglich für Altfälle unmittelbare<br />

Bedeutung. Es ist jetzt ausdrücklich gesetzlich geregelt,<br />

dass § 8b KStG auch bei Zwischenschaltung einer Personengesellschaft<br />

und nicht nur für die Körperschaftsteuer, sondern auch<br />

für die Gewerbesteuer gilt. Außerdem bezieht sich die „Schachtelstrafe“<br />

von fünf Prozent inzwischen sowohl auf Inlands- als<br />

auch auf Auslandsbeteiligungen. Der BFH hat allerdings angezweifelt,<br />

ob sie auch dann erhoben werden darf, wenn der Kapitalgesellschaft<br />

durch die Beteiligung tatsächlich – wie im Streitfall<br />

- überhaupt keine Aufwendungen entstehen.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />

BFH veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

Vorlage an das BVerfG: Ist die seit 1997<br />

geltende Verschärfung der Verlustabzugsbeschränkung<br />

beim „Mantelkauf“ verfassungswidrig?<br />

BFH 22.8.2006, I R 25/06<br />

Der I. Senat des BFH hält die 1997 beschlossene Verschärfung<br />

von § 8 Abs.4 KStG, der den Handel mit Verlusten durch Körperschaften<br />

(„Mantelkauf“) unterbinden will, wegen Verletzung<br />

des Parlamentsvorbehalts für verfassungswidrig. Er stützt sich<br />

dabei darauf, dass das Gesetz als „Spontaninitiative“ in den Vermittlungsausschuss<br />

eingebracht worden sei und daher die notwendige<br />

Mitwirkung des Bundestags fehle.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Klägerin ist eine GmbH, die ihren aktiven Geschäftsbetrieb<br />

1998 nahezu vollständig eingestellt hatte. Seitdem beschäftigte<br />

sie sich nur noch mit der Abwicklung von Altverbindlichkeiten<br />

und dem Halten von Beteiligungen an anderen Firmen. Zum<br />

31.12.1999 stellte das Finanzamt einen verbleibenden Verlustvortrag<br />

zur Körperschaftsteuer in Höhe von rund 25 Millionen<br />

DM fest.<br />

Gesellschafter der Klägerin waren Anfang des Streitjahres 2000<br />

mit 77,78 Prozent der Anteile eine Kapitalgesellschaft und<br />

mit 22,22 Prozent die A.-KG. Alleiniger Gesellschafter beider<br />

Gesellschaften war W. Im Juli 2000 kaufte W. von der Kapitalgesellschaft<br />

sämtliche Anteile an der Klägerin. Einen Monat zuvor<br />

hatte die Klägerin von W. dessen 100-prozentige Beteiligung an<br />

der B.-KG erworben. Aus dieser Beteiligung erzielte die Klägerin<br />

im Streitjahr sowie in den beiden Folgejahren Gewinne.<br />

Die Klägerin erklärte zum 31.12.2001 unter Berücksichtigung<br />

eines Verlustabzugs in Höhe des Gesamtbetrags ihrer Einkünfte<br />

von rund 75.900 DM einen verbleibenden Verlustvortrag zur<br />

Körperschaftsteuer in Höhe von rund 25 Millionen DM und für<br />

2002 in Höhe von rund 24,9 Millionen DM. Das Finanzamt<br />

ließ den Abzug der festgestellten Verluste unter Hinweis auf § 8<br />

Abs.4 KStG 1999 nicht zu. Die hiergegen gerichtete Klage wies<br />

das FG ab. Auf die Revision der Klägerin setzte der BFH das<br />

Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage vor, ob die 1997<br />

beschlossene Verschärfung von § 8 Abs.4 KStG verfassungsgemäß<br />

ist.<br />

Die Gründe:<br />

Im Streitfall kommt es entscheidend darauf an, ob § 8 Abs.4<br />

KStG in der bis 1996 oder in der ab 1997 geltenden Fassung<br />

Anwendung findet, da die Klägerin lediglich nach der alten<br />

Rechtslage einen Anspruch auf Abzug der Verluste hat.<br />

Die 1997 beschlossene Änderung von § 8 Abs.4 KStG durch das<br />

Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform ist verfassungswidrig,<br />

da sie nicht in formell verfassungsmäßiger Weise<br />

zustande gekommen ist. Die Änderung ist – auf so genannte<br />

Spontaninitiative der Länder Nordrhein-Westfalen und Hamburg<br />

– auf einen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses<br />

zurückzuführen, der die für Beschlussempfehlungen geltenden<br />

Grenzen überschritten hat. Es fehlt damit an der notwendigen<br />

Mitwirkung des Bundestags.<br />

Dieser Verfassungsverstoß besteht weiterhin fort. § 8 Abs.4<br />

KStG ist zwar durch das Steueränderungsgesetz 2001 wiederum<br />

- und diesmal in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender<br />

Weise - geändert worden. Diese Änderung hat aber nicht zu<br />

einer Heilung des Verfassungsverstoßes geführt. Denn sie betraf<br />

nicht die 1997 eingeführte Verschärfung der Verlustabzugsbeschränkung,<br />

sondern nur den Verweis auf § 10d Abs.3 S.2 EStG,<br />

der durch einen Verweis auf § 10 Abs.4 EStG ersetzt worden ist.<br />

Hierin kann keine gesetzgeberische Billigung der 1997 (verfassungswidrig)<br />

beschlossenen Regelung gesehen werden.<br />

Der Hintergrund:<br />

Der BFH hat darauf hingewiesen, dass die verschiedenen gesetzlichen<br />

Verschärfungen des Verlustabzugs bei „Mantelkäufen“<br />

auch nach gegenwärtiger Rechtslage unbeachtlich bleiben würden,<br />

wenn das BVerfG die Rechtsansicht des BFH teilen würde.<br />

Er hat außerdem daran erinnert, dass er das BVerfG mit<br />

Beschluss vom 18.7.2001 (Az.: I R 38/99) bereits schon einmal<br />

in einer ähnlichen Sache, die eine Verlustabzugsbeschränkung<br />

im UmwStG betraf (Streichung von § 12 Abs.2 S.4 UmwStG<br />

1995), angerufen habe. Über diese Vorlage habe das BVerfG bislang<br />

noch immer nicht entschieden.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />

BFH veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

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