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Lost (and found) in Translation

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Die seit Jahrhunderten fortschreitende Verbesserung<br />

der sprachlichen Kommunikation ist e<strong>in</strong>e<br />

wesentliche Grundlage unserer modernen<br />

Zivilisation. Ausschlaggebend dafür ist e<strong>in</strong>e –<br />

trotz vere<strong>in</strong>zelter Rückschläge durch Eiszeiten,<br />

Dunkelheit und übertriebenen Lokalpatriotismus<br />

– wachsende <strong>in</strong>ternationale Offenheit,<br />

die sich nicht zuletzt <strong>in</strong> der liberalen Verwendung<br />

vieler ausländischer Ausdrücke zeigt.<br />

E<strong>in</strong>e völlig neue Dimension stellt die nach<br />

langer Forschungsarbeit nunmehr erfolgreiche<br />

Entwicklung automatischer Übersetzungsmasch<strong>in</strong>en,<br />

dar, denen es – zum<strong>in</strong>dest vordergründig<br />

– gel<strong>in</strong>gt, bisher unüberw<strong>in</strong>dlich geglaubte<br />

semantische Barrieren zu überbrücken. Wie immer<br />

ist, bei aller Begeisterung, auch diese hoch<br />

komplexe Technologie nicht nur e<strong>in</strong> Segen, sondern<br />

– speziell <strong>in</strong> der H<strong>and</strong> des unbedarften<br />

Laien – e<strong>in</strong>e nicht zu unterschätzende Gefahr.<br />

E<strong>in</strong>e sorgfältige wissenschaftliche Analyse wie<br />

die folgende ersche<strong>in</strong>t daher sowohl angebracht<br />

als auch längst überfällig.<br />

Beschränken wir uns zunächst auf zwei natürliche<br />

Sprachen A, B sowie e<strong>in</strong>e Abbildung<br />

TA,B : A → B, die imst<strong>and</strong>e ist, jeden Satz<br />

α ∈ A <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en entsprechenden Satz β ∈ B <strong>in</strong><br />

der Form<br />

<strong>Lost</strong> (<strong>and</strong> <strong>found</strong>) <strong>in</strong> <strong>Translation</strong> ∗<br />

β = TA,B(α) (1)<br />

zu übersetzen. Die Übersetzung <strong>in</strong> umgekehrter<br />

∗ Aus: “float Witek = 60”, Festschrift zum 60. Geburtstag<br />

von Witold Jacak, Upper Austria University<br />

of Applied Sciences, Hagenberg, Sept. 2010.<br />

http://staff.fh-hagenberg.at/burger<br />

Wilhelm Burger<br />

Richtung sei mit<br />

α ′ = TB,A (β) = T −1<br />

A,B (β) (2)<br />

bezeichnet. Für e<strong>in</strong>en Benutzer mit Muttersprache<br />

A, der typischerweise der Zielsprache<br />

B nicht mächtig ist, besteht bei e<strong>in</strong>er direkten<br />

Anwendung von T auf e<strong>in</strong>en Satz α naturgemäß<br />

die Unsicherheit, ob die erzeugte Übersetzung<br />

β = TA,B(α) tatsächlich semantisch korrekt<br />

ist. Dies könnte e<strong>in</strong>erseits durch die verbale<br />

(oder nichtverbale) Reaktion se<strong>in</strong>es Gegenübers<br />

überprüft werden, wobei dies aber nicht<br />

immer kurzfristig möglich ist und mitunter zu<br />

fatalen Missverständnissen führen könnte.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante Alternative zu dieser Art<br />

der Verifikation ist der E<strong>in</strong>satz der unmittelbaren<br />

Rückübersetzung <strong>in</strong> der Form<br />

α ′ = TB,A(β) = TB,A (TA,B(α)) . (3)<br />

Ist das Ergebnis identisch zum ursprünglichen<br />

Input, d.h. α ′ ≡ α, so liegt aus systemtheoretischer<br />

Sicht (im Ljapunow’schen S<strong>in</strong>n) e<strong>in</strong> hohes<br />

Maß an Stabilität vor, die dem spezifischen<br />

Satz α e<strong>in</strong>e besondere l<strong>in</strong>guistische Qualität sichert.<br />

Wählen wir (dem Anlass entsprechend, aber<br />

ohne wesentliche E<strong>in</strong>schränkung der Allgeme<strong>in</strong>heit)<br />

für A = Deutsch und B = Polnisch,<br />

so ist e<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>en stabilen Satz, mit<br />

T implementiert durch Google translate, 1<br />

α = „Unser Komm<strong>and</strong>ant schläft nie.“ →<br />

1 http://translate.google.com (alle angegebenen<br />

Übersetzungen s<strong>in</strong>d authentisch)


Burger: <strong>Lost</strong> (<strong>and</strong> <strong>found</strong>) <strong>in</strong> <strong>Translation</strong> Sept. 2010<br />

β = „Dowódca nigdy nie śpi.“ →<br />

α ′ = „Unser Komm<strong>and</strong>ant schläft nie.“<br />

Es liegt auf der H<strong>and</strong>, <strong>in</strong> jeder bedeutungskritischen<br />

Konversation (aber auch als E<strong>in</strong>steiger<br />

<strong>in</strong> Fakultätssitzungen und dergleichen) ausschließlich<br />

übersetzungsstabile („robuste“) Sätze<br />

dieser Art zu verwenden.<br />

Als semi-stabile Sprachkonstrukte s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen<br />

jene zu bezeichnen, die zwar nicht zu e<strong>in</strong>er<br />

völlig identischen Rückübersetzung, aber<br />

zu e<strong>in</strong>em ähnlichen Ergebnis der Art α ′ ≈ α<br />

führen, das für den Rezipienten – e<strong>in</strong> ausreichendes<br />

Verständnis für die zugrunde liegenden<br />

Mechanismen vorausgesetzt – semantisch<br />

zum<strong>in</strong>dest akzeptabel ist. Das gegenüber vorh<strong>in</strong><br />

nur leicht modifizierte Beispiel<br />

„Unser braver Komm<strong>and</strong>ant schläft nie.“<br />

→ „Nasz dzielny dowódca nigdy nie śpi.“<br />

→ „Unsere tapferen Feldherrn niemals<br />

schläft.“<br />

zeigt, wie das Ergebnis trotz kle<strong>in</strong>er syntaktischer<br />

Unterschiede und grammatikalischer<br />

Mängel semantisch (zum<strong>in</strong>dest für den aufgeschlossenen<br />

Leser) nur unwesentlich vom Orig<strong>in</strong>al<br />

abweicht. Tatsächlich ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> diesem<br />

Fall sogar e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltliche Schärfung der Aussage<br />

h<strong>in</strong> auf das Wesentlich erkennbar, e<strong>in</strong> nicht<br />

selten anzutreffender Umst<strong>and</strong>, der sich auch<br />

<strong>in</strong> diesem Beispiel manifestiert:<br />

„Geschäftsführer läuft wie Torpedo.“ →<br />

„Dyrektor zarządzający jest Torpedo.“ →<br />

„Der Geschäftsführende Direktor ist der<br />

Torpedo.“<br />

Selbstverständlich ist auch diese Kategorie von<br />

Satzkonstruktionen für den universellen Gebrauch<br />

durchaus geeignet, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Situationen,<br />

<strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e gewisse spontane Orig<strong>in</strong>alität<br />

förderlich ersche<strong>in</strong>t.<br />

Interessant ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang,<br />

dass manche Ausdrücke zunächst divergent ersche<strong>in</strong>en,<br />

aber nach mehrmaliger Anwendung<br />

2<br />

der Übersetzungsfunktion dennoch zu e<strong>in</strong>em<br />

zum<strong>in</strong>dest semi-stabilen Resultat führen, wie<br />

etwa<br />

„Gut dass du bist!“ → „Dobry jesteś!“ →<br />

„Gut du bist!“ → „C˙oz jesteś!“ → „Nun bist<br />

du!“ → „Teraz jesteś!“ → „Jetzt bist du!“<br />

→ . . . (stabil),<br />

was s<strong>in</strong>ngemäß als asymptotisch stabil bezeichnet<br />

werden könnte. Darüber h<strong>in</strong>aus ist die Möglichkeit<br />

e<strong>in</strong>es oszillatorisch stabilen Verhaltens<br />

zwar stark zu vermuten, konnte aber bislang<br />

nicht konkret nachgewiesen werden.<br />

Wesentlich kritischer s<strong>in</strong>d jene Fälle, <strong>in</strong> denen<br />

e<strong>in</strong>e echte semantische Divergenz zu beobachten<br />

ist, wie folgendes Beispiel demonstriert:<br />

„Ist mir so Wurst wie Schnee vom letzten<br />

Jahr.“ → „Jestem tak jak śnieg kiełbasa<br />

z ubiegłego roku.“ → „Ich b<strong>in</strong> genau wie<br />

Wurst Schnee vom letzten Jahr.“ → „Jestem<br />

jak śnieg kiełbasa z ubiegłego roku.“<br />

→ „Ich b<strong>in</strong> wie e<strong>in</strong>e Wurst mit Schnee im<br />

letzten Jahr.“<br />

Wenngleich für den geübten Fachmann auch<br />

hier Rückschlüsse auf die ursprüngliche Bedeutung<br />

relativ leicht möglich s<strong>in</strong>d (und die Aussage,<br />

an geeigneter Stelle platziert, ihre kommunikative<br />

Wirkung sicher nicht verfehlt), sollten<br />

Amateure mit solchen Wendungen dennoch<br />

vorsichtig umgehen.<br />

Noch sensibler s<strong>in</strong>d Fälle, <strong>in</strong> denen im Zuge<br />

der Übersetzung e<strong>in</strong>e semantische Inversion erfolgen<br />

könnte. Während sich etwa die e<strong>in</strong>fache<br />

Aussage „Das ist unmöglich!“ noch als weitgehend<br />

übersetzungsstabil (und damit als harmlos)<br />

erweist, ergibt e<strong>in</strong>e nur ger<strong>in</strong>gfügige Änderung<br />

des Satzbaus <strong>in</strong> der Form<br />

„ist sich unmöglich“ → „jest możliwe“ →<br />

„ist möglich“ (!)<br />

e<strong>in</strong> Ergebnis, das zwar <strong>in</strong>haltlich überrascht,<br />

aber etwa als motivatorisches Instrument im


Burger: <strong>Lost</strong> (<strong>and</strong> <strong>found</strong>) <strong>in</strong> <strong>Translation</strong> Sept. 2010<br />

Rahmen der Mitarbeiterführung kaum nützlicher<br />

se<strong>in</strong> könnte. Klarerweise ist der E<strong>in</strong>satz<br />

derart raff<strong>in</strong>ierter Konstruktionen ausschließlich<br />

den sprachsichersten Kommunikatoren vorbehalten.<br />

E<strong>in</strong> abschließendes Beispiel soll zeigen, dass<br />

der Weg über mehr als zwei Sprachen (weitere<br />

Details würden den Rahmen dieser Arbeit<br />

3<br />

sprengen) zwar nicht e<strong>in</strong>facher, aber auch nicht<br />

hoffnungslos ist:<br />

„Weiterh<strong>in</strong> alles Gute!“ → „Al die beste!“<br />

(Afrikaans) → „Lahat ng mga p<strong>in</strong>akamahusay<br />

na!“ (Filip<strong>in</strong>o) → „M<strong>in</strong>den jót!“<br />

(Ungarisch) → „ !“ (Griechisch)<br />

→ „All the best!“ (Englisch).

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