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Grundlagen der Jahresabschlussprüfung - Lehrstuhl für Externes ...

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Begleitunterlagen zum Universitätskurs<br />

„Prüfungstheorie“<br />

<strong>Grundlagen</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Jahresabschlussprüfung</strong><br />

Sommersemester 2010<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg Baetge


Anmerkung von Prof. Baetge:<br />

Das Skriptum basiert auf deutschem Recht. An den entsprechenden Stellen wird<br />

aber auf die österreichischen Vorschriften des UGB verwiesen. Für die Referate<br />

sind aber die (evtl. über die im Skriptum genannten, hinausgehenden)<br />

österreichischen Vorschriften inhaltlich zu berücksichtigen.


1 Prüfungsplanung<br />

INHALTSÜBERSICHT<br />

11 Prüfungsplanung als Bestandteil <strong>der</strong> <strong>Jahresabschlussprüfung</strong><br />

12 Ziele, Bedingungen und Gegenstand <strong>der</strong> Prüfungsplanung<br />

13 Phasen <strong>der</strong> Prüfungsplanung<br />

14 Planungsverfahren<br />

2 Prüfungstechnik<br />

21 Abgrenzung <strong>der</strong> Prüfungsfel<strong>der</strong><br />

22 Art <strong>der</strong> Prüfungshandlungen<br />

23 Umfang <strong>der</strong> Prüfungshandlungen<br />

24 Prüfungsinstrumente<br />

25 Netzplantechnik<br />

3 Risikoorientierte Prüfung<br />

31 Verpflichtung zur risikoorientierten Abschlussprüfung<br />

32 Die Risiken des Abschlussprüfers<br />

33 Das Prüfungsrisikomodell<br />

4 Überwachungstheorie<br />

41 Einführung<br />

42 Kriterien zur Beurteilung von Überwachungsmaßnahmen<br />

43 Organisationsmöglichkeiten <strong>für</strong> eine Überwachung betrieblicher Prozesse<br />

44 Bildung und Analyse von internen Überwachungssystemen<br />

45 Überwachungssysteme und Überwachungshierarchien<br />

I<br />

Stand: SoSe 2010


Prüfungstheorie<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

1 Prüfungsplanung 1<br />

11 Prüfungsplanung als Bestandteil <strong>der</strong> <strong>Jahresabschlussprüfung</strong> 1<br />

12 Ziele, Bedingungen und Gegenstand <strong>der</strong> Prüfungsplanung 2<br />

121. Grundbegriffe 2<br />

121.1 Der Begriff Planung 2<br />

121.2 Der Begriff Prüfungsplanung 3<br />

122. Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Prüfungsplanung 5<br />

123. Ziele <strong>der</strong> Prüfungsplanung 6<br />

123.1 Ziele aus <strong>der</strong> Sicht externer Adressaten 8<br />

123.2 Ziele aus <strong>der</strong> Sicht des zu prüfenden Unternehmens 8<br />

123.3 Ziele aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Prüfungsorgane 8<br />

124. Anfor<strong>der</strong>ungen an die Prüfungsplanung 17<br />

125. Art und Umfang <strong>der</strong> Prüfungsplanung 19<br />

125.1 Entwicklung einer Prüfungsstrategie 19<br />

125.2 Erstellung eines Prüfungsprogramms 19<br />

125.21 Überblick 19<br />

125.22 Sachliche Planung 20<br />

125.23 Personalplanung 22<br />

125.24 Zeitplanung 23<br />

13 Phasen <strong>der</strong> Prüfungsplanung 24<br />

131. Zielbildung 24<br />

132. Informationssuche 26<br />

133. Eventualplanung 30<br />

134. Entscheidung(en) <strong>für</strong> bestimmte Pläne 33<br />

135. Planvorgabe (Sollzahlen) 37<br />

136. Realisation <strong>der</strong> Planung 38<br />

137. Überwachung <strong>der</strong> Prüfungsplanung und -realisation 38<br />

138. Interdependenzen <strong>der</strong> Prüfungsplanungsschritte 40<br />

14 Planungsverfahren 41<br />

II


Prüfungstheorie<br />

2 Prüfungstechnik 42<br />

21 Abgrenzung <strong>der</strong> Prüfungsfel<strong>der</strong> 42<br />

22 Art <strong>der</strong> Prüfungshandlungen 50<br />

221. Prüfungsrichtung 50<br />

221.1 Progressive Prüfung 50<br />

221.2 Retrograde Prüfung 52<br />

221.3 Bidirektionale Prüfung 54<br />

222. Prüfungsinhalt 55<br />

222.1 Anfor<strong>der</strong>ungen des IDW 55<br />

222.2 Formelle Prüfungshandlungen 56<br />

222.3 Materielle Prüfungshandlungen 58<br />

223. Prüfungsgegenstand 59<br />

223.1 Prüfung des Erfassungs-, Verarbeitungs- und Kontrollsystems 59<br />

(Systemprüfung)<br />

223.2 Prüfung <strong>der</strong> Jahresabschlusszahlen (Ergebnisprüfung) 69<br />

223.21 Vorbemerkung 69<br />

223.22 Analytische Prüfungshandlungen 69<br />

223.23 Prüfung von Geschäftsvorfällen und Beständen 71<br />

23 Umfang <strong>der</strong> Prüfungshandlungen 72<br />

231. Determinanten des Prüfungsumfangs 72<br />

232. Vollprüfung 75<br />

233. Auswahlprüfung 76<br />

233.1 Überblick zu den Verfahren 76<br />

233.2 Bedeutung von Vorinformationen 78<br />

233.3 Systematisch gesteuerte Auswahlverfahren 81<br />

233.31 Auswahlkriterien und Prüfungsumfang 81<br />

233.311. Konzentrationsauswahl 81<br />

233.312. Auswahl typischer Elemente 85<br />

233.313. Detektivische Auswahl 86<br />

233.32 Beurteilung systematisch gesteuerter bewusster 88<br />

Auswahlverfahren<br />

233.4 Zufallsgesteuerte Auswahlverfahren 89<br />

233.41 <strong>Grundlagen</strong> 89<br />

233.411. Zufalls-(Urnen-) Modell 89<br />

233.412. Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Stichprobenprüfung 91<br />

233.413. Verteilungsannahmen 93<br />

233.42 Arten <strong>der</strong> Stichprobenauswahl 95<br />

233.421. Einfache Stichprobenauswahl 95<br />

233.422. Geschichtete Auswahl 97<br />

233.423. Wertproportionale Auswahl 99<br />

233.424. Mehrstufige Stichprobenauswahl 101<br />

233.43 Fragestellungen bei Stichprobenprüfungen 104<br />

233.431 Überblick 104<br />

233.432 Die Schätzstichprobe bei heterogra<strong>der</strong> Fragestellung 107<br />

233.5 Vergleich <strong>der</strong> Auswahlverfahren 109<br />

233.6 Die Bedeutung <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> Auswahlprüfung <strong>für</strong> die Bildung 111<br />

des Gesamturteils<br />

III


Prüfungstheorie<br />

24 Prüfungsinstrumente 112<br />

241. Prüfungshandbücher 112<br />

241.1 Standardprüfprogramme 112<br />

241.2 Arbeitspapiere 113<br />

241.3 Fallsammlungen 116<br />

242. Computerprüfprogramme 117<br />

25 Netzplantechnik 118<br />

251. Gegenstand <strong>der</strong> Netzplantechnik 118<br />

252. Entwicklung <strong>der</strong> Netzplantechnik 119<br />

253. Netzplanelemente und Netzplantypen 119<br />

253.1 Netzplanelemente 119<br />

253.2 Netzplantypen 121<br />

253.3 Grundregeln <strong>für</strong> die Darstellung von Netzplänen 122<br />

254. Ablaufplanung und Zeitplanung mit Hilfe <strong>der</strong> Netzplantechnik 124<br />

254.1 Überblick 124<br />

254.2 Ablaufplanung <strong>für</strong> einen Auftrag 125<br />

254.3 Zeitplanung <strong>für</strong> einen Auftrag 127<br />

255. Beurteilung <strong>der</strong> Netzplantechnik 132<br />

3 Risikoorientierte Prüfung 133<br />

31 Verpflichtung zur risikoorientierten Abschlussprüfung 133<br />

32 Die Risiken des Abschlussprüfers 134<br />

321. Das allgemeine Geschäftsrisiko des Abschlussprüfers 134<br />

322. Das spezielle Auftragsrisiko des Abschlussprüfers 135<br />

323. Prüfungsrisiko 136<br />

323.1. Definition des Prüfungsrisikos 136<br />

323.2 Bestandteile des Prüfungsrisikos 138<br />

323.3 Fehlerrisiko 140<br />

323.31 Inhärentes Risiko 140<br />

323.32 Kontrollrisiko 142<br />

323.4. Entdeckungsrisiko 143<br />

323.41 Risiko analytischer Prüfungshandlungen 143<br />

323.42 Risiko detaillierter Prüfungshandlungen 144<br />

323.5 Risiko <strong>der</strong> künftigen Entwicklung 146<br />

323.51 Definition 146<br />

323.52 Instrumente zur Beurteilung <strong>der</strong> Bestandsfestigkeit 147<br />

33 Das Prüfungsrisikomodell 151<br />

331. Aufbau des Prüfungsrisikomodells 151<br />

332. Kritische Würdigung des Prüfungsrisikomodells 154<br />

IV


Prüfungstheorie<br />

4 Überwachungstheorie 156<br />

41 Einführung 156<br />

411. Wirtschaftsprüfung als Überwachungstätigkeit 156<br />

412. Misstrauen als Motiv <strong>der</strong> Überwachung? 157<br />

413. Überwachungsadressaten 158<br />

414. Überwachungswirkungen 162<br />

415. Schritte <strong>der</strong> Überwachung 164<br />

416. Zur Darstellung von Überwachungsprozessen 165<br />

42 Kriterien zur Beurteilung von Überwachungsmaßnahmen 166<br />

43 Organisationsmöglichkeiten <strong>für</strong> eine Überwachung betrieblicher Prozesse 171<br />

431. Organisationsmaßnahmen zur unmittelbaren Effizienzsteigerung 171<br />

<strong>der</strong> Überwachung<br />

431.1 Überblick 171<br />

431.2 Aufgabenbildung und -glie<strong>der</strong>ung 173<br />

431.3 Aufgabenzuordnung 173<br />

431.31 Vertikale Aufgabentrennung 173<br />

431.32 Horizontale Aufgabentrennung 176<br />

431.33 Aufgabenvervielfachung 176<br />

431.4 Funktionsbildung und -glie<strong>der</strong>ung 178<br />

431.5 Funktionszuordnung 178<br />

431.51 Selbstüberwachung bzw. Funktionszusammenfassung 178<br />

431.52 Fremdüberwachung bzw. Funktionstrennung 179<br />

431.6 Kompetenzbildung, -glie<strong>der</strong>ung und -zuordnung 181<br />

431.7 Verantwortlichkeitsbildung, -glie<strong>der</strong>ung und -zuordnung 181<br />

432. Organisationsmöglichkeiten zur mittelbaren Effizienzsteigerung 181<br />

<strong>der</strong> Überwachung<br />

44 Bildung und Analyse von internen Überwachungssystemen 183<br />

441. Die Isolierung von Überwachungsschritten aus dem Arbeitsablauf 183<br />

442. Die Ermittlung von Zuverlässigkeiten <strong>für</strong> die verschiedenen Kopplungstypen 185<br />

442.1 Überblick 185<br />

442.2 Zusammenführung 186<br />

442.3 Reihenkopplung 186<br />

442.4 Parallelkopplung 187<br />

442.5 Rückkopplung 188<br />

443. Wirkung <strong>der</strong> Überwachung auf die Zuverlässigkeit von Routinetätigkeiten 191<br />

443.1 Wirkung <strong>der</strong> Selbstüberwachung 191<br />

443.2 Wirkung <strong>der</strong> Fremdüberwachung 192<br />

45. Überwachungssysteme und Überwachungshierarchien 193<br />

V


1 Prüfungsplanung<br />

Prüfungstheorie<br />

11 Prüfungsplanung als Bestandteil <strong>der</strong> <strong>Jahresabschlussprüfung</strong><br />

Aufgaben <strong>der</strong> handelsrechtlichen <strong>Jahresabschlussprüfung</strong>:<br />

Ermittlung und Mitteilung eines verlässlichen und sicheren Urteils über die Gesetz- und<br />

Satzungsmäßigkeit sowie die Ordnungsmäßigkeit <strong>der</strong> im Jahresabschluss und Lagebericht<br />

gegebenen Informationen.<br />

⇒ Bedingung: Systematische Prüfungsplanung!<br />

Prüfungsplanung ist Bestandteil <strong>der</strong> Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung<br />

(GoA); Kodifikation in IDW PS 240.<br />

Ziele <strong>der</strong> Prüfungsplanung:<br />

Sicherung <strong>der</strong> Urteilsqualität,<br />

Zeitgerechte Prüfungsdurchführung,<br />

Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> Prüfungsdurchführung.<br />

Prüfungsplanung als komplexes Problem.<br />

1


Prüfungsplanung<br />

12 Ziele, Bedingungen und Gegenstand <strong>der</strong> Prüfungsplanung<br />

121. Grundbegriffe<br />

121.1 Der Begriff Planung<br />

Definition von Planung nach Hax:<br />

versus<br />

"Gedankliche Vorwegnahme des künftigen Geschehens"<br />

Improvisation:<br />

Reaktion auf eine bereits eingetretene Situation.<br />

Vorausüberlegungen <strong>für</strong> die Planung:<br />

Entwicklung eines kompatiblen Zielsystems,<br />

Diagnose <strong>der</strong> Vorperiode,<br />

Prognose <strong>der</strong> künftigen Umweltbedingungen,<br />

Informationsbeschaffung über mögliche Handlungsalternativen,<br />

Bestimmung <strong>der</strong> Handlungskonsequenzen abhängig von <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Umweltsituation,<br />

Bewertung <strong>der</strong> Handlungskonsequenzen im Hinblick auf die angestrebten Ziele,<br />

Entscheidung <strong>für</strong> die optimale Handlungsalternative.<br />

2


121.2 Der Begriff Prüfungsplanung<br />

Definition Überwachung:<br />

Prüfungstheorie<br />

Vergleich <strong>der</strong> im Betrieb realisierten Istobjekte mit Vergleichsobjekten, und zwar entwe<strong>der</strong><br />

mit den Sollobjekten <strong>der</strong> Planung o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en geeigneten Istobjekten, mit dem Ziel<br />

1. festzustellen, ob zwischen den Objekten Übereinstimmungen o<strong>der</strong> Abweichungen<br />

bestehen und<br />

2. aus diesen Feststellungen Konsequenzen zu ziehen.<br />

⇒ Überwachung umfasst sowohl Kontrolle als auch Prüfung.<br />

Definition Kontrolle:<br />

Überwachungshandlungen sind fest in den betrieblichen Arbeitsablauf eingebaut, und/o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Überwacher ist <strong>für</strong> die Ergebnisse des (überwachten) Prozesses verantwortlich.<br />

Definition Prüfung:<br />

Überwachungshandlungen sind nicht fest in den Arbeitsablauf eingebaut, und <strong>der</strong><br />

Überwacher ist nicht <strong>für</strong> die Ergebnisse des (überwachten) Prozesses verantwortlich.<br />

⇒ Prozess zur Gewinnung eines vertrauenswürdigen Urteils über die richtige<br />

Abbildung <strong>der</strong> Lage, d. h. ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild<br />

<strong>der</strong> Sachverhalte in Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht, durch<br />

Vergleich <strong>der</strong> vom Prüfer auszuwählenden Istobjekte mit Vergleichsobjekten mit<br />

dem Ziel, Abweichungen bzw. Übereinstimmungen zwischen diesen beiden<br />

Objektarten zu ermitteln und daraus ein Urteil zu bilden.<br />

Prüfungs- und Kontrollhandlungen bilden zusammen das in Abbildung 1 dargestellte<br />

Betriebswirtschaftliche Überwachungssystem.<br />

3


Manuelle<br />

Kontrolle<br />

Unternehmerische<br />

Überwachung<br />

Prüfungsplanung<br />

Kontrolle Revision<br />

+ Korrektur<br />

Automat.<br />

Kontrolle<br />

Internes Kontrollsystem-Element<br />

= IKSE<br />

Betriebswirtschaftliches<br />

Überwachungssystem<br />

Datenauswertung<br />

Internes Kontroll System (= IKS)<br />

Abb. 1: Betriebswirtschaftliches Überwachungssystem<br />

Definition Prüfungsplanung:<br />

Interne<br />

Revision<br />

+ Reaktionen<br />

Hoheitliche<br />

Überwachung<br />

Revisionssystem<br />

Externe<br />

Revision<br />

Zielgerichtete gedankliche Vorwegnahme <strong>der</strong> künftigen Beurteilungsprozesse von<br />

Prüfungsobjekten anhand vorgegebener Normen.<br />

Charakteristika <strong>der</strong> Prüfungsplanung:<br />

• Zukunftsbezogenheit,<br />

• Rationalität,<br />

• Gestaltungscharakter,<br />

• Prozessphänomen,<br />

• Informationeller Charakter.<br />

4


Prüfungstheorie<br />

122. Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Prüfungsplanung<br />

Einschränkung <strong>der</strong> Prüfungsplanung durch endogene und exogene Restriktionen:<br />

• Endogene Restriktionen:<br />

- Langfristige Planung umfasst die kurzfristige Planung;<br />

- Einengung <strong>der</strong> Dispositionsfreiheit nachgeordneter Instanzen durch Vorgaben<br />

übergeordneter Instanzen;<br />

- Zeitliche Vorgaben und Vorentscheidungen im Personalbereich begrenzen den<br />

Dispositionsspielraum im Sachbereich;<br />

- Sachliche und personelle Vorentscheidungen reduzieren die Freiheitsgrade <strong>der</strong><br />

Planung in zeitlicher Hinsicht;<br />

- Sachliche und zeitliche Vorentscheidungen limitieren Planungsmöglichkeiten in<br />

personeller Hinsicht.<br />

• Exogene Restriktionen:<br />

- Gesetzliche Vorschriften des dHGB bzw. UGB (§§ 316 – 324a dHGB bzw. §§<br />

268 - 276 UGB), die WPO sowie vertragliche Regelungen zwischen Prüfer und<br />

geprüftem Unternehmen;<br />

- Außergesetzliche Vorschriften <strong>der</strong> IDW Prüfungsstandards;<br />

- Sachliche Beschränkungen resultieren aus den Berufsgrundsätzen <strong>der</strong><br />

Unabhängigkeit und Unbefangenheit (§ 43 WPO);<br />

- Personelle Beschränkungen folgen aus dem Grundsatz <strong>der</strong> Eigenverantwortlichkeit;<br />

- Zeitliche Beschränkungen ergeben sich aus den gesetzlichen und vertraglichen<br />

Regelungen zwischen Prüfer und geprüftem Unternehmen.<br />

5


123. Ziele <strong>der</strong> Prüfungsplanung<br />

Prüfungsplanung<br />

Rationale Prüfungsplanung hat sich an den Zielen <strong>der</strong> Prüfung zu orientieren.<br />

⇒ Notwendigkeit einer operationalen Zielvorschrift, d. h.<br />

• die Alternativen sind hinsichtlich Inhalt, Ausmaß und Zeitbezug eindeutig<br />

festgelegt,<br />

• Kompatibilität <strong>der</strong> Einzelziele (i. S. einer lexikographischen Präferenzordnung o<strong>der</strong><br />

durch Substitutionsbeziehungen).<br />

Entwicklung einer operationalen Zielvorschrift<br />

• Prämissen:<br />

- Erwerbswirtschaftlich orientiertes Prüfungsunternehmen,<br />

- Oberziel: Langfristige Erzielung von maximalen Unternehmensgewinnen,<br />

- Sachlicher Bezug: Eine einzelne handelsrechtliche Pflichtprüfung.<br />

• Zielbildung ist abhängig von den verschiedenen Prüfungsadressaten<br />

• Kontroverse Diskussion um die Zielvorschrift im Schrifttum:<br />

SCHMALENBACH:<br />

"Die Wirtschaftsprüfung darf kein Geschäft sein, son<strong>der</strong>n sie (im Orig.: es) muß ein<br />

Amt im besten Sinne des Wortes werden."<br />

versus<br />

LOITLSBERGER:<br />

"Die Prüfung wird nicht um ihrer selbst willen durchgeführt; sie ist eine wirtschaftliche<br />

Veranstaltung und hat nur dann Sinn, wenn <strong>der</strong> durch sie gestiftete (in Geldeinheiten<br />

bewertete) Nutzen die Kosten ihrer Durchführung übersteigt."<br />

IDW for<strong>der</strong>t im IDW PS 240, Wirtschaftlichkeit und Termingerechtigkeit <strong>der</strong> Prüfung<br />

zu erreichen.<br />

6


Wirtschaftlichkeitsprinzip:<br />

Prüfungstheorie<br />

a) Wähle bei gegebenem Mitteleinsatz diejenige Handlungsalternative, welche zum<br />

höchsten Ergebnis führt (Maximierungspostulat) bzw.<br />

b) Wähle bei Vorgabe eines bestimmten zu erreichenden Ergebnisses diejenige<br />

Handlungsalternative, die den geringsten Mitteleinsatz erfor<strong>der</strong>t (Minimierungspostulat)!<br />

c) Generelles Extremierungspostulat: Wähle das optimale Verhältnis o<strong>der</strong> die größte<br />

Differenz zwischen bewertetem Ertrag und Aufwand, wenn we<strong>der</strong> Aufwand noch<br />

Ertrag von vornherein vorgegeben sind!<br />

⇒ Problem: Definition des Wirtschaftlichkeitsprinzips vernachlässigt, dass das<br />

Ergebnis bzw. <strong>der</strong> Mitteleinsatz des Handelns ex ante i. d. R. unsicher<br />

ist.<br />

Erweiterung des Wirtschaftlichkeitsprinzips um die Risikokomponente:<br />

Wähle jene Handlungsalternative, die unter Einhaltung einer bestimmten Risikogrenze:<br />

a) ein vorgegebenes Ergebnis mit dem vermutlich geringsten Mitteleinsatz bzw.<br />

b) bei vorgegebenem Mitteleinsatz das vermutlich höchste Ergebnis verspricht bzw.<br />

c) ein optimales Verhältnis o<strong>der</strong> die größte Differenz zwischen bewertetem Ertrag<br />

und Mitteleinsatz vermuten lässt!<br />

⇒ Risikogrenze wird durch die Prüfungsadressaten (externe Adressaten,<br />

Auftraggeber, Prüfungsorgan) bestimmt.<br />

Eine sorgfältige Planung <strong>der</strong> Abschlussprüfung trägt dazu bei sicherzustellen, dass:<br />

• alle Bereiche des Prüfungsgegenstands eine angemessene Berücksichtigung finden,<br />

• mögliche Problemfel<strong>der</strong> erkannt werden,<br />

• <strong>der</strong> Prüfungsauftrag zeitgerecht bearbeitet werden kann,<br />

• <strong>der</strong> Mitarbeitereinsatz und die ggf. notwendige Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Prüfern<br />

o<strong>der</strong> Sachverständigen koordiniert und<br />

• <strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> AP beachtet wird.<br />

Neben <strong>der</strong> Planung zur Durchführung <strong>der</strong> Abschlussprüfung wird durch eine sachgerechte<br />

Gesamtplanung aller Aufträge einer WP-Praxis die Voraussetzung da<strong>für</strong> geschaffen, dass<br />

übernommene und erwartete Aufträge unter Beachtung <strong>der</strong> Berufsgrundsätze<br />

ordnungsgemäß durchgeführt und zeitgerecht abgeschlossen werden können (vgl. IDW PS<br />

240).<br />

7


Prüfungsplanung<br />

123.1 Ziele aus <strong>der</strong> Sicht externer Adressaten<br />

Ergebnis <strong>der</strong> Abschlussprüfung ist <strong>der</strong> vom externen Adressaten in Geldeinheiten veranschlagte<br />

Wert <strong>der</strong> Prüfung, vor allem <strong>der</strong> Wert des Testats.<br />

Um dieses Ergebnis zu erzielen, verzichtet er auf einen Teil seines ausschüttungsfähigen<br />

Jahreserfolges, denn das Prüfungshonorar wird zum Aufwand <strong>der</strong> geprüften Gesellschaft.<br />

123.2 Ziele aus <strong>der</strong> Sicht des zu prüfenden Unternehmens<br />

Ergebnis <strong>der</strong> Abschlussprüfung ist <strong>der</strong> vom zu prüfenden Unternehmen in Geldeinheiten<br />

veranschlagte Wert <strong>der</strong> Prüfungsurteile.<br />

Prüfungsurteile:<br />

- Testat,<br />

- Prüfungsbericht,<br />

- Informationen aus Prüfergesprächen,<br />

- Management Letter.<br />

Für die Prüfungsurteile entstehen dem zu prüfenden Unternehmen Kosten in Höhe des<br />

Prüferhonorars und Kosten <strong>für</strong> die Beschaffung und Bereitstellung <strong>der</strong> <strong>für</strong> die<br />

Abschlussprüfung notwendigen Informationen.<br />

123.3 Ziele aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Prüfungsorgane<br />

Das Prüfungsorgan lehnt einen Prüfungsauftrag ab, wenn die Wahrscheinlichkeit zu groß<br />

ist,<br />

- dass <strong>der</strong> Kostenbetrag <strong>für</strong> die Prüfungsdurchführung über den geplanten (Höchst-)<br />

Betrag (Prüfungshonorar) steigt o<strong>der</strong><br />

- dass das Honorar unter den geplanten (Mindest-) Betrag (Prüfungshonorar) fällt.<br />

8


Prüfungstheorie<br />

In welchem Rahmen beeinflussen die an<strong>der</strong>en beiden Interessentengruppen die<br />

Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsprinzips des Prüfungsorgans?<br />

Jede <strong>der</strong> drei Interessentengruppen kann grundsätzlich ihr eigenes gewünschtes<br />

Ergebnis und ihren eigenen Mitteleinsatz unter Beachtung des gesetzlich festgelegten<br />

Rahmens selbst bestimmen.<br />

- Auftragsvergabepflicht <strong>für</strong> den Auftraggeber (§ 316 Abs. 1 dHGB bzw.<br />

§ 268 Abs. 1 UGB),<br />

- Qualität <strong>der</strong> Endprodukte <strong>der</strong> Prüfung (Urteile) ist in § 317 Abs. 1 dHGB<br />

bzw. § 269 Abs. 1 UGB nur unzureichend fixiert,<br />

- außenstehende Gesellschafter können ihre Wünsche und Ansprüche nicht in<br />

die Auftragsverhandlungen einbringen,<br />

- keine endgültige Preisfestlegung <strong>für</strong> die Leistung vor Fertigstellung des<br />

Endprodukts.<br />

• Außenstehende Gesellschafter können nur sehr begrenzt Einfluss auf ihr<br />

gewünschtes "Ergebnis" und ihren "Mitteleinsatz" bei <strong>der</strong> Abschlussprüfung<br />

nehmen.<br />

• Einflussmöglichkeiten <strong>der</strong> Auftraggeber nur in sehr begrenztem Rahmen des<br />

§ 318 dHGB bzw. § 270 UGB möglich (aber Marktmacht!).<br />

• Prüfer hat wegen <strong>der</strong> Agency-Problematik den größten Spielraum, seine<br />

Vorstellung von <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> Prüfung durchzusetzen; aber:<br />

- Mitteleinsatz wird durch:<br />

-- gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungsumfang,<br />

-- berufsrechtlichen bzw. berufsethischen Verhaltenskodex<br />

begrenzt.<br />

- Ergebnis (Honorar) wird durch:<br />

-- Treuepflicht gegenüber Auftraggeber,<br />

-- Vorvereinbarung des Zeitbudgets und des Zeithonorarsatzes<br />

(unter Kautelen) begrenzt.<br />

9


Prüfungsplanung<br />

Grundsätzliches Verbot von Pauschalhonoraren durch Schreiben <strong>der</strong> WPK<br />

Begründung:<br />

Gefahr eines nicht hinreichend sicheren und genauen Urteils, wenn <strong>der</strong> tatsächliche<br />

Zeitbedarf größer ist als das vereinbarte Zeitbudget.<br />

Gegenargument:<br />

Für diesen Fall muss sich <strong>der</strong> Abschlussprüfer in den Prüfungsverträgen durch Kautelen<br />

absichern.<br />

Zusätzliche vertragliche Vereinbarung ist dahingehend möglich, dass<br />

• bei Planungsfehlern und Ineffizienzen <strong>der</strong> Prüfungsunternehmung eine Ausweitung<br />

<strong>der</strong> Prüfung zu ihren eigenen Lasten geht,<br />

• bei unerwarteten Schwierigkeiten, die die zu prüfende Unternehmung zu verantworten<br />

hat, eine zeitliche Ausweitung <strong>der</strong> Prüfung zu Lasten <strong>der</strong> zu prüfenden<br />

Unternehmung geht.<br />

Ergebnis:<br />

• ”Feste” Honorarvereinbarungen vor Auftragsvergabe sind nur akzeptabel, sofern<br />

eine zeitliche Ausdehnung <strong>der</strong> Prüfung, welche in den Verantwortungsbereich <strong>der</strong><br />

zu prüfenden Unternehmung fällt, auch zu <strong>der</strong>en Lasten geht.<br />

• Außerdem muss <strong>der</strong> Prüfer sein geplantes Zeitbudget zu seinen Lasten ausdehnen,<br />

wenn Vertrauenswürdigkeit des Urteils bei Einhaltung des Zeitbudgets nicht<br />

erreicht werden kann und die Gründe nicht beim zu prüfenden Unternehmen<br />

liegen, z. B. mangelnde Prüfungsplanung o<strong>der</strong> fehlerhafte Prüfungsausführung. In<br />

diesem Fall muss länger geprüft werden, ohne dass <strong>der</strong> Prüfer <strong>für</strong> die<br />

Budgetüberschreitung mehr Zeithonorar erhält.<br />

- Gründe <strong>für</strong> die Ausdehnung des Zeitbudgets zu Lasten <strong>der</strong> zu prüfenden<br />

Gesellschaft:<br />

-- Mangelnde Qualität des IKS,<br />

-- Fehlende Prüfungsbereitschaft des zu prüfenden Unternehmens,<br />

-- Erhebliche Fehler im Rechnungswesen.<br />

- Gründe <strong>für</strong> die Ausdehnung des Zeitbudgets zu Lasten des Prüfungsunternehmens:<br />

-- Mangelnde Effizienz <strong>der</strong> Prüfenden,<br />

-- Mangelnde Prüfungsplanung.<br />

• Bei Vereinbarung von Zeitbudget und Zeithonorarsatz ist eine Absicherung<br />

des Prüfers im Prüfungsvertrag durch Kautelen erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Das Honorar setzt sich aus einer Wertgebühr und einer Zeitgebühr zusammen:<br />

10


Prüfungstheorie<br />

• Wertgebühr richtet sich nach <strong>der</strong> Bilanzsumme des zu prüfenden Unternehmens.<br />

Sie ist nicht beeinflussbar bzw. sollte es nicht sein. In <strong>der</strong> Praxis wird zunehmend<br />

auf eine Wertgebühr verzichtet.<br />

• Zeitgebühr richtet sich nach <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> eingesetzten Prüfer, <strong>der</strong> Prüfungszeit je<br />

Prüfer, <strong>der</strong> Qualifikation <strong>der</strong> Prüfer und <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> jeweiligen Gebührensätze.<br />

Zwei Ansatzpunkte <strong>für</strong> Erlössteigerungen:<br />

1. Steigerung <strong>der</strong> Gebührensätze<br />

• Kaum möglich, da Gebührensätze durch frühere Verlautbarungen des<br />

IDW sowie Fortschreibung von Indexzuschlägen weitgehend standardisiert<br />

sind und da ein erheblicher Wettbewerb unter den Wirtschaftsprüfern<br />

bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften besteht.<br />

2. Ausdehnung <strong>der</strong> Prüfungsdauer<br />

• zum Zwecke <strong>der</strong> Honorarmaximierung Verstoß gegen die Berufsgrundsätze<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftsprüfer (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2 WPO)<br />

⇒ STOVFE (Sorgfalt, Treue, Objektivität, Verschwiegenheit, Freiberuflichkeit,<br />

Eigenverantwortlichkeit)<br />

und:<br />

langfristige Folge ist <strong>der</strong> Verlust des Prüfungsauftrages.<br />

11


Prüfungsplanung<br />

Entwicklung einer zweigeteilten, sequentiellen Zielvorschrift <strong>für</strong> den Prüfer<br />

(1) zur Akquisition (Erlangung) <strong>der</strong> Aufträge und<br />

(2) zur Erledigung <strong>der</strong> Aufträge.<br />

Zu (1): Eine Zielvorschrift zur Akquisition von Prüfungsaufträgen<br />

Bedingung:<br />

Gewährleistung einer Mindestqualität des Urteils durch den Prüfer!<br />

• Problem:<br />

Normierung <strong>der</strong> Höhe (des Zielausmaßes) des zu for<strong>der</strong>nden Qualitätsstandards<br />

⇒ Festlegung einer allgemeinen Norm <strong>für</strong> den Qualitätsstandard des Urteils:<br />

Jahresabschluss kann vom Prüfer als einwandfrei bezeichnet werden, wenn jede<br />

Prüfung eines Prüfungsfeldes den GoA genügt, die die Urteilsqualität determinieren.<br />

Relevante Einflussfaktoren <strong>für</strong> die Planung des Zeitbudgets:<br />

• Bekanntheitsgrad bzw. Kenntnis des Prüfungsobjekts (Erst- o<strong>der</strong> Folgeauftrag),<br />

• Prüfungsbereitschaft des zu prüfenden Unternehmens,<br />

• Umfang des Rechnungswesens,<br />

• Zahl/Größe <strong>der</strong> Prüfungsfel<strong>der</strong>,<br />

• Homogenität des Prüfungsstoffs,<br />

• Qualität des IKS,<br />

• Fehlererwartung,<br />

• Qualifikation, Zuverlässigkeit und Anzahl <strong>der</strong> Mitarbeiter des zu prüfenden<br />

Unternehmens,<br />

12


Prüfungstheorie<br />

• Tätigkeit/Qualität <strong>der</strong> Internen Revision,<br />

• wirtschaftliche Lage des zu prüfenden Unternehmens.<br />

Einige <strong>der</strong> Einflussfaktoren sind bei den Vertragsverhandlungen noch nicht bekannt, daher<br />

sind Annahmen bzw. Bedingungen bzgl. dieser Einflussfaktoren als anzupassende<br />

Prämissen in den Vertrag aufzunehmen.<br />

Überlegungen bei <strong>der</strong> Akquisition<br />

• <strong>für</strong> einen potentiellen Prüfungsauftrag:<br />

Akquisiteur wird versuchen, ein möglichst hohes Honorar <strong>für</strong> den Auftrag zu erhalten,<br />

ihn aber nach Möglichkeit nicht durch zu hohe Honorarfor<strong>der</strong>ungen zu verlieren.<br />

Wichtig: Honorarvereinbarungen unter Kautelen.<br />

• <strong>für</strong> mehrere o<strong>der</strong> alle Prüfungsaufträge:<br />

Ergebnis:<br />

Akquisiteur wird strategischen Überlegungen den Vorrang geben (Marktanteil,<br />

kurz- und langfristige Kapazitätsauslastung, Wettbewerbsposition etc.).<br />

• Im Normalfall wird <strong>der</strong> Auftragsakquisiteur das Maximierungspostulat in Bezug<br />

auf das Zeithonorar <strong>für</strong> jeden Auftrag verfolgen.<br />

• Entgegengesetztes Streben des Auftraggebers und die Wettbewerbs- und Auslastungssituation<br />

des Akquisiteurs begrenzen das Maximierungsstreben.<br />

• Das Ergebnis <strong>der</strong> Auftragsverhandlungen sollte die Vereinbarung eines Zeit- und<br />

Werthonorars unter Einschluss <strong>der</strong> besprochenen Kautelen sein, wobei <strong>der</strong><br />

Auftragsakquisiteur bei <strong>der</strong> Ermittlung seiner gedanklichen Preisuntergrenze<br />

(Honoraruntergrenze) einen erfor<strong>der</strong>lichen Prüfungsumfang unterstellen muss, <strong>der</strong><br />

die GoA berücksichtigt.<br />

13


Prüfungsplanung<br />

Zu (2): Eine Zielvorschrift zur Erledigung von Prüfungsaufträgen<br />

Liegt <strong>der</strong> Auftrag mit unter Kautelen vereinbartem Honorar vor, dann sind folgende<br />

Zielkomponenten <strong>für</strong> die (Detail-)Planung, die Realisation und die Überwachung des<br />

Prüfungsauftrages zu berücksichtigen:<br />

a) die Kosten <strong>der</strong> Prüfungserledigung als Mitteleinsatz des Prüfungsunternehmens<br />

und<br />

b) die Urteilsqualität.<br />

Restriktion:<br />

Urteile des Prüfungsunternehmens müssen <strong>für</strong> Informationsadressaten vertrauenswürdig<br />

sein.<br />

• Wi<strong>der</strong>spruch zwischen Kostenminimierung und möglichst hoher Urteilsqualität,<br />

wenn beide Ziele gleichzeitig verfolgt werden sollen.<br />

• Lösung:<br />

Zielfunktion:<br />

Formulierung des Ziels "Qualität des Urteils" als Nebenbedingung, durch die eine<br />

bestimmte Mindestqualität erreicht werden soll<br />

⇒ kompatibles Zielsystem.<br />

Hierzu notwendig:<br />

Festlegung des zu for<strong>der</strong>nden Qualitätsstandards, d. h.<br />

- Sicherheit und<br />

- Genauigkeit des Urteils sind festzulegen.<br />

Ziel <strong>der</strong> Prüfung ist die Abgabe eines hinreichend vertrauenswürdigen Urteils <strong>für</strong> einen<br />

gegebenen Prüfungsauftrag (bei vor Prüfungsbeginn unter bestimmten Kautelen<br />

vereinbartem Prüfungshonorar) mit minimalen Kosten <strong>für</strong> das Prüfungsunternehmen.<br />

14


Prüfungstheorie<br />

Folgende Abbildung veranschaulicht die Metaebenen <strong>der</strong> Prüfung:<br />

Vom Prüfer gefälltes<br />

Urteil über Zuverlässigkeit<br />

und Genauigkeit<br />

des Jahresabschlusses<br />

und des<br />

Lageberichtes<br />

(uneingeschränkt, eingeschränkt,verweigert)<br />

Jahresabschluß<br />

Bilanz<br />

GuV<br />

Anhang<br />

Lagebericht<br />

Vertrauenswürdigkeit des Prüferurteils:<br />

Zuverlässigkeit und Genauigkeit des Prüferurteils<br />

Abb. 2: Metaebenen im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Jahresabschlussprüfung</strong><br />

Definitionen:<br />

Tatsächlich vom Ersteller<br />

erreichter Grad<br />

an Zuverlässigkeit<br />

und Genauigkeit <strong>der</strong><br />

Aussage des Jahresabschlusses<br />

und<br />

Lageberichtes<br />

• Genauigkeit ist ein Maß <strong>für</strong> die Exaktheit <strong>der</strong> Wert-, Mengen- und Fehler(anteils)angaben.<br />

Absolute Genauigkeit liegt bei Punktangaben vor. Geringere<br />

Genauigkeit liefern Intervallangaben. Die Genauigkeit nimmt mit zunehmen<strong>der</strong><br />

Intervallbreite ab.<br />

• Sicherheit ist die Wahrscheinlichkeit im Sinne relativer Häufigkeiten:<br />

Sicherheit =<br />

Zahl <strong>der</strong> beobachteten fehlerfreien<br />

Bearbeitungselemente<br />

Zahl <strong>der</strong> insgesamt untersuchten<br />

Bearbeitungselemente<br />

15


Maximaler Qualitätsstandard:<br />

Prüfungsplanung<br />

- 100 % Sicherheit,<br />

- absolute (punktuelle) Genauigkeit.<br />

• Aber § 317 dHGB ⇒ § 322 BV (bzw. § 321 PB) bzw. § 269 UGB ⇒ § 274 BV<br />

(bzw. § 273 PB) verlangen bzw. erfor<strong>der</strong>n:<br />

- verbale Formulierung des Urteils und<br />

- keine Angaben über Sicherheit und Genauigkeit.<br />

• Eine Quantifizierung <strong>der</strong> Sicherheit und Genauigkeit ist nur bei Stichprobenprüfungen<br />

möglich, nicht dagegen bei bewusst gesteuerten Auswahlverfahren.<br />

• Eine 100 %ige Sicherheit und Genauigkeit wäre auch nicht im Interesse <strong>der</strong><br />

beteiligten Gruppen.<br />

• Möglicher Kompromiss:<br />

- 95 % Sicherheit<br />

- 99 % Genauigkeit.<br />

Nebenbedingung "Qualität des Urteils" bedeutet:<br />

Gewinnmaximierung durch Kostenminimierung nur bei Gewährleistung <strong>der</strong> Abgabe<br />

hinreichend sicherer und genauer Urteile.<br />

• § 1 Abs. 2 WPO:<br />

- WP übt einen freien Beruf aus, kein Gewerbe;<br />

- Aufgaben: fachliche Leistung, nicht Erwerb;<br />

• Nebenbedingung unbedingt beachten!<br />

• Auch Gewinnstreben erfor<strong>der</strong>t Urteilsqualität, sonst:<br />

- Schadensersatzansprüche o<strong>der</strong><br />

- Verlust des Prüfungsauftrages.<br />

16


Prüfungstheorie<br />

Zielvorschrift bei mehreren Prüfungsaufträgen:<br />

Durch eine höhere Zahl von Prüfungsaufträgen pro Periode können die erzielbaren<br />

Werthonorare gesteigert werden.<br />

• Interesse des Prüfungsunternehmens:<br />

- Senkung <strong>der</strong> Prüfungszeit bei einzelnen Prüfungen (Rationalisierungspotential<br />

erschließen und ausschöpfen),<br />

- Steigerung <strong>der</strong> Auftragszahl pro Periode.<br />

• Restriktion:<br />

So würden Kosten <strong>für</strong> das geprüfte Unternehmen gesenkt und Wertgebühren<br />

<strong>für</strong> den Prüfer je Jahr gesteigert.<br />

Abgabe hinreichend sicherer und genauer Urteile.<br />

124. Anfor<strong>der</strong>ungen an die Prüfungsplanung<br />

(1) Vollständigkeit im Sinne des dHGB bzw. UGB und im Sinne <strong>der</strong> Statistik<br />

• § 317 dHGB bzw. § 269 UGB. Gegenstand und Umfang <strong>der</strong> Prüfung:<br />

Aussagen über den Prüfungsgegenstand (Buchführung, Jahresabschluss und<br />

Lagebericht).<br />

• § 320 dHGB bzw. § 272 UGB. Vorlagepflicht und Auskunftsrecht:<br />

"Sie (die gesetzlichen Vertreter) haben ihm (dem Prüfer) zu gestatten, die Bücher<br />

und Schriften zu prüfen." (Das sind alle Bücher und Schriften!) Der Prüfer "kann<br />

alle Aufklärungen und Nachweise verlangen."<br />

• Berücksichtigung aller <strong>für</strong> die Urteilsfindung wesentlichen Sachverhalte.<br />

• Verhin<strong>der</strong>ung unsachgemäßer Prüfung von Teilgebieten aufgrund Zeitdrucks.<br />

17


(2) Flexibilität<br />

Prüfungsplanung<br />

• Berücksichtigung <strong>der</strong> im Verlauf des Realisationsprozesses erhaltenen Informationen,<br />

• Möglichkeit <strong>der</strong> Anpassung an Datenän<strong>der</strong>ungen.<br />

⇒ Flexible Strategie!<br />

(3) Wirtschaftlichkeit<br />

• Berücksichtigung von Kosten-Nutzen-Kalkülen:<br />

Ertrag<br />

Aufwand<br />

o<strong>der</strong> Leistung<br />

Kosten<br />

> 1<br />

o<strong>der</strong>: Ertrag - Aufwand > 0<br />

⇒ Problem:<br />

Optimale Bestimmung des Detaillierungsgrades <strong>der</strong> Planung.<br />

18


125. Art und Umfang <strong>der</strong> Prüfungsplanung<br />

125.1 Entwicklung einer Prüfungsstrategie<br />

Prüfungstheorie<br />

Die Prüfungsplanung umfasst die Entwicklung einer Prüfungsstrategie und einem darauf<br />

aufbauenden Prüfungsprogramm, in dem Art, Umfang und Zeitpunkt <strong>der</strong> Prüfungshandlungen<br />

im Einzelnen festgelegt werden.<br />

Die Entwicklung einer angemessenen risikoorientierten Prüfungsstrategie setzt voraus, dass<br />

<strong>der</strong> AP ausreichende Kenntnisse über das zu prüfende Unternehmen erwirbt (vgl. IDW PS<br />

230) und vor allem folgende Aspekte berücksichtigt werden:<br />

• Kenntnisse über das Unternehmen und seine Tätigkeit,<br />

• Verständnis <strong>für</strong> das rechnungslegungsbezogene interne Kontrollsystem,<br />

• Risiko- und Wesentlichkeitseinschätzungen.<br />

Kenntnisse über Geschäftstätigkeit und wirtschaftl./rechtl. Umfeld des Unternehmens hat <strong>der</strong><br />

AP durch analytische Prüfungshandlungen zu vertiefen. Er gewinnt so ebenfalls Hinweise auf<br />

Beson<strong>der</strong>heiten in zu prüfenden Prüfungsfel<strong>der</strong>n (vgl. IDW PS 312).<br />

125.2 Erstellung eines Prüfungsprogramms<br />

125.21 Überblick<br />

Zur Umsetzung <strong>der</strong> Prüfungsstrategie hat <strong>der</strong> AP ein Prüfungsprogramm zu erstellen, das<br />

einen ordnungsgemäßen Prüfungsablauf in sachlicher, personeller und zeitlicher Hinsicht<br />

gewährleisten soll.<br />

Sachliche<br />

Planung<br />

Art<br />

Umfang<br />

Reihenfolge<br />

Prüfungsprogrammplanung<br />

Personalplanung Zeitplanung<br />

<strong>der</strong> Prüfungshandlungen<br />

Abb. 3: Teilbereiche <strong>der</strong> Prüfungsprogrammplanung<br />

19


Prüfungsplanung<br />

Zwischen den Teilbereichen <strong>der</strong> Prüfungsplanung bestehen enge Interdependenzen.<br />

• Simultane Planung unter gegenseitiger Abstimmung aller Variablen<br />

eigentlich erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Aber: Bisher wurde kein <strong>der</strong>artiges (notwendig komplexes) Planungsmodell in <strong>der</strong><br />

Theorie konzipiert.<br />

⇒ Reduzierung <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung: Verzicht auf Simultanansatz!<br />

Aber: Planer muss versuchen, erkannte Interdependenzen zu berücksichtigen und die<br />

Planungsbereiche, soweit wie möglich, sukzessiv aufeinan<strong>der</strong> abzustimmen.<br />

125.22 Sachliche Planung<br />

Kernstück <strong>der</strong> Prüfungsplanung<br />

In einem Prüfungsprogramm werden folgende Aspekte festgelegt:<br />

(a) Art,<br />

(b) Umfang und<br />

(c) Reihenfolge<br />

<strong>der</strong> vorzunehmenden Prüfungshandlungen.<br />

Zu (a): Art <strong>der</strong> Prüfungshandlungen<br />

Die Festlegung <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Prüfungshandlungen geschieht in drei Schritten nach<br />

folgendem Ablauf:<br />

• Bildung von Prüfungsfel<strong>der</strong>n:<br />

Das gesamte Prüfungsobjekt (Prüfstoff) muss in abgegrenzte Teilobjekte strukturiert<br />

werden. Solche Teilobjekte sind Prüfungsfel<strong>der</strong>.<br />

• Bestimmung <strong>der</strong> Prüfungsmethode bzw. -verfahren:<br />

Eine Prüfungsmethode bzw. ein Prüfungsverfahren ist <strong>der</strong> Weg, auf dem Prüfungsinformationen<br />

durch Prüfungshandlungen gewonnen werden.<br />

Prüfungsmethoden bzw. -verfahren sind:<br />

*)<br />

Kriterien Prüfungsmethoden bzw. -verfahren<br />

Unmittelbarkeit <strong>der</strong> Prüfung,<br />

zeitliche und logische Distanz<br />

zum Prüfungsobjekt<br />

Systemprüfung<br />

⇒ indirekte Prüfung<br />

20<br />

Ergebnisprüfung<br />

(= Jahresabschlusszahlenprüfung)<br />

⇒ direkte Prüfung<br />

Richtung <strong>der</strong> Prüfung progressive, retrograde, bidirektionale Prüfung<br />

Umfang <strong>der</strong> Prüfung *)<br />

Vollprüfung Auswahlprüfung<br />

Vgl. dazu aber auch Punkt (b): Umfang <strong>der</strong> Prüfungshandlungen.


• Bestimmung <strong>der</strong> Prüfungshandlungen:<br />

Prüfungstheorie<br />

− Prüfungshandlungen sind so zu bestimmen, dass eine sichere und genaue, also eine<br />

vertrauenswürdige Beurteilung <strong>der</strong> Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit <strong>der</strong> Rechnungslegung<br />

möglich ist.<br />

− Prüfungshandlungen sind alle im Prüfungsprozess auszuführenden Handlungen, die<br />

dazu geeignet sind, dem Prüfer Informationen über sein Prüfungsobjekt zu liefern.<br />

− Kriterien <strong>für</strong> die Bestimmung <strong>der</strong> Prüfungshandlungen:<br />

− Organisatorische Gegebenheiten,<br />

− Bedeutung des einzelnen Prüfungsgegenstandes,<br />

− Fehlerwahrscheinlichkeit.<br />

− Prüfungshandlungen werden zur Ermittlung und zum anschließenden Vergleich <strong>der</strong><br />

Soll- bzw. Vergleichs- und Istobjekte vorgenommen. Sie können bestehen in:<br />

Zu (b): Umfang <strong>der</strong> Prüfungshandlungen<br />

- Beobachtungen, - Vergleichen,<br />

- Einholen von Auskünften, - Abstimmen,<br />

- Nachvollziehen von Arbeits- - Interpretieren von Gesetzen,<br />

abläufen,<br />

- Urteilselemente formulieren,<br />

- Messen, - Istobjekte auswählen,<br />

- Zählen, - Addieren bzw. Nachrechnen,<br />

- Wiegen,<br />

- Schätzen,<br />

- Dokumentieren.<br />

Der notwendige Umfang <strong>der</strong> Prüfungshandlungen kann bei vorgegebenem Sicherheits-<br />

und Genauigkeitsgrad mittels <strong>der</strong> mathematischen Stichprobentheorie rechnerisch ermittelt<br />

werden, sofern die Bedingungen <strong>für</strong> die Anwendung von Stichprobenverfahren<br />

vorliegen.<br />

Zu (c): Reihenfolge <strong>der</strong> Prüfungshandlungen<br />

Stufengesetz <strong>der</strong> Prüfung (nach Zimmermann):<br />

Prüfungsfel<strong>der</strong> sind so nacheinan<strong>der</strong> bzw. nebeneinan<strong>der</strong> zu prüfen, dass ein Prüfungsfeld,<br />

dessen Bearbeitung die Kenntnis des Ergebnisses <strong>der</strong> Prüfung eines an<strong>der</strong>en Prüfungsfeldes<br />

zur Voraussetzung hat, auch erst dann geprüft wird, wenn diese Voraussetzungen gegeben<br />

sind.<br />

⇒ Berücksichtigung bei <strong>der</strong> Planung.<br />

21


125.23 Personalplanung<br />

Prüfungsplanung<br />

Aufgabe <strong>der</strong> Personalplanung ist es, Prüferteams zu bilden und den Mitglie<strong>der</strong>n des Teams<br />

einzelne Aufgaben o<strong>der</strong> Aufgabengebiete zuzuordnen. Diese Zuordnung muss <strong>der</strong>gestalt<br />

vorgenommen werden, dass das Ziel <strong>der</strong> Prüfung, die Abgabe eines hinreichend sicheren<br />

und genauen Urteils bei minimalen Kosten, realisiert wird.<br />

Folgende Nebenbedingungen sind zu beachten:<br />

(1) Die Qualifikation <strong>der</strong> Prüfer muss dem Schwierigkeitsgrad <strong>der</strong> von ihnen zu<br />

lösenden Aufgaben angepasst sein.<br />

(2) Die Ausbildungsfunktion <strong>der</strong> Prüfung muss gewährleistet bzw. möglich sein.<br />

(3) Die Verfügbarkeit <strong>der</strong> Prüfer muss berücksichtigt werden.<br />

(4) Kontinuität und/o<strong>der</strong> Wechsel in <strong>der</strong> personellen Besetzung sind zu beachten.<br />

(5) Die Kompetenzen <strong>der</strong> einzelnen Mitarbeiter, auch im Hinblick auf<br />

Beaufsichtigung und Kontrollen innerhalb des Prüfungsteams, sind zu<br />

berücksichtigen.<br />

(6) Mögliche Interessenkollisionen müssen vermieden werden.<br />

(7) Gesamtverantwortung <strong>für</strong> Prüfung und Urteil bleibt trotz <strong>der</strong> Aufgabendelegation<br />

an die Mitglie<strong>der</strong> des Prüferteams beim Abschlussprüfer.<br />

Instrumente <strong>der</strong> Personalplanung sind Methoden des Operation Research:<br />

• Flood'sche Zurechnungstechnik<br />

(SEICHT, WPg 1965, S. 90-92; WEIRICH, WPg 1965, S. 93-96),<br />

• Vogel'sche Approximationsmethode<br />

(KRUG/KRANE, WPg 1968, S. 621-627),<br />

• Binäre Optimierung<br />

(BOLENZ/FRANK, ZfbF 1977, S. 427-447).<br />

Problem:<br />

• Teilweise mangelnde Realitätsnähe <strong>der</strong> Prämissen,<br />

• Quantifizierung <strong>der</strong> Einflussfaktoren.<br />

22


125.24 Zeitplanung<br />

Aufgaben und Teilaspekte:<br />

Prüfungstheorie<br />

• Zeitliche Abstimmung <strong>der</strong> durch den Prüfungsplaner während einer mehr o<strong>der</strong><br />

weniger langen Planungsperiode abzuwickelnden Aufträge;<br />

• Bestimmung <strong>der</strong> Zeiträume (Anfangs- und Endzeitpunkte), in denen die Mitarbeiter<br />

o<strong>der</strong> die einzelnen Teams <strong>für</strong> die Erledigung <strong>der</strong> Einzelaufträge zur Verfügung<br />

stehen sollen;<br />

• Bestimmung <strong>der</strong> Zeiträume (Anfangs- und Endzeitpunkte), in denen die Bearbeitung<br />

von einzelnen Prüfungsfel<strong>der</strong>n bzw. Prüfungsfel<strong>der</strong>gruppen im<br />

Rahmen <strong>der</strong> einzelnen Aufträge vorgenommen werden soll;<br />

• Berücksichtigung <strong>der</strong> Möglichkeit von Zwischenprüfungen (Vorprüfungen);<br />

• Berücksichtigung <strong>der</strong> Bildung von Prüfungsschwerpunkten bei mehrjähriger<br />

Prüfungsplanung;<br />

• Ergebnis <strong>der</strong> Zeitplanung muss eine fristgerechte Abgabe des Prüfungsurteils<br />

ermöglichen.<br />

Zweck <strong>der</strong> Zeitplanung:<br />

• Einhalten <strong>der</strong> Maximalprüfzeiten je Prüffeld;<br />

• Erkennen und Vermeiden von zeitlichen Unverträglichkeiten und damit<br />

• Einhalten des Abgabetermins <strong>für</strong> Prüfungsbericht und BV.<br />

• Netzplantechnik ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel zur Lösung <strong>der</strong> Probleme<br />

<strong>der</strong> Zeitplanung.<br />

23


13. Phasen <strong>der</strong> Prüfungsplanung<br />

131. Zielbildung<br />

Erster Schritt <strong>der</strong> Prüfungsplanung:<br />

Prüfungsplanung<br />

Zielbildung ist Ausgangspunkt des betrieblichen Entscheidungsprozesses.<br />

• Phasen <strong>der</strong> Prüfungsplanung:<br />

- orientieren sich an sachlogischen Merkmalen eines Planungs- und Entscheidungsprozesses;<br />

- orientieren sich nicht an <strong>der</strong> zeitlichen Abfolge, bedingt durch parallel verlaufende<br />

Prozesse und Rückkopplungen.<br />

24


Informationssuche<br />

Beschaffung von Informationen<br />

über:<br />

- die Art <strong>der</strong> Prüfung<br />

- die zu prüfende Unternehmung<br />

- die Prüfungsunternehmung<br />

- alle wesentlichen Einflußfaktoren<br />

auf die genannten<br />

Punkte<br />

Soll<br />

Planvorgabe<br />

(Anweisungen zur Durchsetzung<br />

des angestrebten<br />

Plans)<br />

- Prüfungsart<br />

- Prüfungsfel<strong>der</strong><br />

- Prüfungsrichtung<br />

- Prüfungsumfang<br />

- Systemprüfung<br />

- JA-Zahlenprüfung<br />

- Reihenfolge<br />

- Zeitbedarf<br />

- Erwartete Kosten<br />

- Prüferzuordnung<br />

- Flexibilität<br />

Prüfungstheorie<br />

Aufstellen von Arbeitshypothesen<br />

über wirtschaftliche Prüfungen:<br />

Beschaffung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Daten<br />

Hypothesentest<br />

Eventualplanung<br />

Zielbildung<br />

Aufstellen eines operationalen<br />

Zielsystems:<br />

Abgabe eines hinreichend sicheren<br />

und genauen Urteils <strong>für</strong> einen gegebenen<br />

Prüfungsauftrag (bei vor Prüfungsbeginn<br />

unter Kautelen vereinbartem<br />

Honorar) mit minimalen<br />

Kosten <strong>für</strong> die Prüfungsunternehmung<br />

Auftreten von Störgrößen<br />

Aufstellen konkreter Alternativpläne <strong>für</strong> eine<br />

wirtschaftliche Prüfung<br />

Entscheidung <strong>für</strong> einen bestimmten Plan<br />

- Entscheidung <strong>für</strong> einen Plan<br />

- Entwicklung von Sollwerten bzw. -angaben<br />

Soll<br />

Realisation<br />

- Durchführung des Prüfungsprozesses<br />

- Dokumentation von Teilergebnissen<br />

und Zeitbedarfe<br />

Verbessern<br />

<strong>der</strong> Arbeitshypothesen<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> verfahrens- und ergebnisorientierten Überwachung<br />

Abb. 4: Das Phasenschema <strong>der</strong> Prüfungsplanung<br />

25<br />

Ist<br />

Überwachung <strong>der</strong><br />

Prüfungsplanung<br />

und - realisation<br />

- Soll-Ist-Vergleich<br />

- Quality Control<br />

- Peer Review<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> Dispositionsüberwachung


132. Informationssuche<br />

Zweiter Schritt <strong>der</strong> Prüfungsplanung:<br />

Beschaffung von Informationen<br />

• WITTMANN:<br />

Prüfungsplanung<br />

Information = zweckorientiertes Wissen<br />

• Verkürzung <strong>der</strong> "Informationssuche"<br />

• daher Exkurs: Informationstheorie<br />

Problem: Vermittlung von Fakten und Meinungen nur möglich,<br />

wenn Sen<strong>der</strong> und Empfänger (weitgehend) dasselbe Sprachrepertoire<br />

(Zeichenvorrat und Grammatik) kennen und verwenden.<br />

In <strong>der</strong> Informationstheorie unterscheidet man zur Analyse von Kommunikationsbeziehungen<br />

drei Ebenen. Diese Ebenen lassen sich durch folgendes Bild veranschaulichen:<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

Ebene Mittel Ergebnis<br />

Pragmatische<br />

(obere) Ebene<br />

Semantische<br />

(m ittlere) Ebene<br />

Syntaktische<br />

(untere) Ebene<br />

Zweckorientierung<br />

Bedeutung<br />

Abb. 5: Signal-Nachricht-Information (Semiotik)<br />

Informationen<br />

Nachrichten<br />

M aterie Signale<br />

26


Prüfungstheorie<br />

Ebene Beispiel<br />

Syntaktik -<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

Semantik -<br />

Ziffern und Buchstaben und<br />

Kombinationen daraus<br />

Kombinationsregeln<br />

Glie<strong>der</strong>ungsschemata <strong>für</strong> Bilanz und GuV<br />

Kontenform/Staffelform<br />

Prinzip <strong>der</strong> Doppik<br />

Bedeutung/Aussagekraft von Art und Höhe bestimmter<br />

Bilanzpositionen <strong>für</strong> den tatsächlichen Erfolg<br />

des Unternehmens<br />

Pragmatik - Nutzen <strong>der</strong> Jahresabschlussinformationen <strong>für</strong> Kauf-<br />

und Verkaufentscheidung von Unternehmensanteilen<br />

Vermittlung von Fakten und Meinungen ist nur möglich, sofern Sen<strong>der</strong> und Empfänger<br />

(weitgehend) dasselbe Sprachrepertoire kennen und verwenden:<br />

Sen<strong>der</strong><br />

Zeichenvorrat<br />

des Sen<strong>der</strong>s<br />

Signale<br />

(Nachrichten, Informationen)<br />

Gemeinsamer<br />

Zeichenvorrat<br />

Empfänger<br />

Zeichenvorrat<br />

des Empfängers<br />

Abb. 6: Prinzip <strong>der</strong> Übertragung von Nachrichten über Fakten und Meinungen<br />

27


Prüfungsplanung<br />

Informationsmittel Sen<strong>der</strong> Empfänger<br />

Jahresabschluss Unternehmensleitung − Eigentümer<br />

− Gläubiger<br />

− Arbeitnehmer<br />

− Kunden<br />

− Lieferanten<br />

− Fiskus<br />

Bestätigungsvermerk Prüfer siehe bei Jahresabschluss<br />

Prüfungsbericht Prüfer − Aufsichtsrat<br />

− Unternehmensleitung<br />

− Fiskus<br />

− Evt. Kreditgeber<br />

Beschaffung von Informationen im Rahmen <strong>der</strong> Prüfungsplanung:<br />

• Planer benötigt Informationen über die Art <strong>der</strong> Prüfung:<br />

- zu prüfendes Unternehmen,<br />

- Prüfungsunternehmen,<br />

- alle wesentlichen Einflussgrößen.<br />

• Die Informationsbeschaffung geschieht laufend (während des gesamten Prüfungsprozesses).<br />

• Beginn: Vor Entscheidung über Annahme o<strong>der</strong> Ablehnung eines<br />

Prüfungsauftrags.<br />

• Vor Auftragsannahme muss sich <strong>der</strong> Prüfer über<br />

- Umfang <strong>der</strong> Prüfung,<br />

- Schwierigkeitsgrad/Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Prüfung,<br />

- vorhandene (potentiell verfügbare) Ressourcen informieren.<br />

• Je höher <strong>der</strong> Auftragsbestand ist, desto genauer müssen die Informationen sein, da<br />

<strong>der</strong> Spielraum bei unerwarteten Mehrbelastungen gering ist.<br />

28


Prüfungstheorie<br />

• Bei <strong>der</strong> Informationsbeschaffung ist zu unterscheiden zwischen:<br />

- Art und Umfang <strong>der</strong> notwendigen Informationen,<br />

- Quellen und Wegen <strong>der</strong> Informationsbeschaffung.<br />

• Informationen <strong>für</strong> den groben Überblick:<br />

- Größe des Unternehmens (Umsatz, Bilanzsumme, Zahl <strong>der</strong> Beschäftigten),<br />

- Zahl und Größe von Zweignie<strong>der</strong>lassungen,<br />

- Branchenzugehörigkeit,<br />

- Verflechtungen mit an<strong>der</strong>en Unternehmen,<br />

- Produktions- und Absatzprogramm,<br />

- Marktstellung,<br />

- wirtschaftliche Lage des Unternehmens / bilanzielles Standing.<br />

• Quellen <strong>für</strong> diese Informationen können sein:<br />

- in <strong>der</strong> WP-Praxis vorhandene Kenntnisse und Erfahrungen mit dem Unternehmen<br />

und <strong>der</strong> Branche,<br />

- Gespräche mit Personen innerhalb des Unternehmens<br />

- Berichte <strong>der</strong> Internen Revision des Unternehmens,<br />

- Presseberichte,<br />

- Hauptversammlungsprotokolle,<br />

- Geschäftsberichte,<br />

- Nachschlagewerke,<br />

- Handelsregisterauszüge,<br />

- Grundbuchauszüge,<br />

- Bilanz Rating des Vorjahres bzw. <strong>der</strong> Vorjahre o<strong>der</strong> des vom zu prüfenden Unternehmen<br />

vorgelegten vorläufigen und zu prüfenden Jahresabschlusses.<br />

⇒ vgl. auch IDW PS 230 „Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit sowie das wirtschaftliche<br />

und rechtliche Umfeld des zu prüfenden Unternehmens im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Abschlußprüfung“<br />

29


Prüfungsplanung<br />

• Wichtige Informationen <strong>für</strong> die erste Strukturierung des Prüfungsplanes:<br />

- Zahl <strong>der</strong> Kunden und Lieferanten,<br />

- Auslandsaktivitäten,<br />

- Art <strong>der</strong> Datenerfassung und -verarbeitung,<br />

- Aufbau- und Ablauforganisation, vor allem des Rechnungswesens und des IÜS<br />

(= Internes Kontrollsystem IKS + Interne Revision IR),<br />

- Zahl <strong>der</strong> Konten und Buchungen (Kontenplan).<br />

• Quellen <strong>für</strong> diese Informationen:<br />

- Auskünfte <strong>der</strong> Unternehmensleitung des zu prüfenden Unternehmens bzw. <strong>der</strong><br />

von ihr benannten Personen,<br />

- Auskünfte und Berichte <strong>der</strong> Innenrevision,<br />

- Betriebsbesichtigungen,<br />

- Vorprüfungen,<br />

- Organisationspläne, Arbeitsablaufpläne, Stellenbeschreibungen,<br />

- Verträge, Satzung(en), Gesellschaftsvertrag.<br />

• Zusätzliche Informationsquellen bei Wie<strong>der</strong>holungsprüfungen:<br />

- Prüfungsberichte <strong>der</strong> Vorjahre,<br />

- Arbeitspapiere aus früheren Prüfungen,<br />

- Dauerakte,<br />

- interne Unterlagen des Prüfungsunternehmens.<br />

133. Eventualplanung<br />

Aufgabe des Eventualplanungsprozesses:<br />

Bestimmung <strong>der</strong><br />

- alternativen Ausführungsmöglichkeiten <strong>für</strong> bestimmte Aufgaben,<br />

- Kosten <strong>für</strong> diese Möglichkeiten.<br />

Um alternative Handlungsmöglichkeiten aufstellen zu können, benötigt <strong>der</strong> Planer ein<br />

Modell <strong>der</strong> Prüfungsrealität, das Zusammenhänge möglichst realistisch abbildet.<br />

30


• Vorgehen in zwei Schritten:<br />

Prüfungstheorie<br />

a) Bildung von Arbeitshypothesen,<br />

b) Aufstellen konkreter Alternativpläne.<br />

Zu a) Bildung von Arbeitshypothesen<br />

Hypothesen sind versuchsweise Behauptungen über die wirtschaftliche Wirklichkeit<br />

in "Wenn ..., dann ..." - Form.<br />

• Ein Modell besteht aus:<br />

- allgemeinen,<br />

- abstrahierenden,<br />

- wi<strong>der</strong>spruchsfreien Aussagen über die Struktur <strong>der</strong> Realität.<br />

• Elemente eines Modells (Arbeitshypothesen):<br />

(1) Verhaltensrelationen,<br />

z. B. Preis-Absatz-Funktionen<br />

Wenn IKS-/IÜS-Prüfung ergibt: Starkes IKS !<br />

⇒ wenige Fehler bei JA-Zahlen-Prüfung zu erwarten<br />

(2) Technologische Relationen,<br />

z. B. Produktionsfunktionen; auch bei <strong>der</strong> Prüfung (als Produktionsprozess)<br />

(3) Institutionelle Relationen,<br />

z. B. Ursache-Wirkungs-Beziehung durch die Rechts- und Wirtschaftsordnung<br />

und durch Verträge<br />

(4) Definitorische Relationen,<br />

d. h. Identitäten, die keine Aussagen über die Struktur von Modellen enthalten<br />

• Verhaltens- und technologische Relationen bezeichnen wir als Hypothesen.<br />

31


• Aufgabe <strong>der</strong> Prüfungstheorie:<br />

Prüfungsplanung<br />

- Entwicklung von Hypothesen über wirtschaftliche Prüfungen,<br />

- Testen <strong>der</strong> Hypothesen,<br />

- Verbessern <strong>der</strong> Hypothesen.<br />

Zu b) Aufstellen konkreter Alternativpläne<br />

• Prozessschritte:<br />

- Bildung eines Modells <strong>der</strong> Prüfungsrealität,<br />

- Aufstellen <strong>der</strong> konkreten Alternativpläne.<br />

• Bisherige Modelle bilden nur Teilbereiche <strong>der</strong> Realität ab (Partialpläne)<br />

⇒ Partialpläne müssen koordiniert werden<br />

• Partialpläne <strong>der</strong> Prüfungsplanung:<br />

- Zeitpläne,<br />

- Reihenfolgepläne,<br />

- Kostenpläne,<br />

- Zuordnungspläne,<br />

- Programmpläne.<br />

• Aus alternativen Teilplänen müssen alternative Gesamtpläne (Summe <strong>der</strong> Teilpläne)<br />

entwickelt werden.<br />

Methoden zur Koordination von Partialplänen:<br />

• Prinzip <strong>der</strong> Pretialen Lenkung (E. Schmalenbach):<br />

⇒ innerbetriebliche Verrechnungspreise <strong>für</strong> die Zuteilung von Prüfungspersonal<br />

• Prinzip des "management by objectives":<br />

⇒ Zuordnung eines eindeutig abgegrenzten und definierten Aufgabengebiets<br />

32


• Methode <strong>der</strong> Stufenplanung:<br />

Prüfungstheorie<br />

⇒ Sukzessive Planung einzelner Teilbereiche, beginnend mit dem Bereich, in dem<br />

die meisten Restriktionen vorliegen<br />

(Bsp.: Ansatz von BOLENZ/FRANK; ZfbF 1977, S. 427-447)<br />

134. Entscheidung(en) <strong>für</strong> bestimmte Pläne<br />

Entscheidungsphase: Ermittlung <strong>der</strong> optimalen, aufeinan<strong>der</strong> abgestimmten Partialpläne.<br />

• Bei <strong>der</strong> Bestimmung des Gesamtplanes sind neben<br />

- Optimierungskalkülen<br />

auch<br />

- subjektive Bewertungskriterien<br />

zu berücksichtigen.<br />

Grund: Verwendung von Schätzungen, Vereinfachungen und Annahmen<br />

bei <strong>der</strong> Erstellung <strong>der</strong> alternativen Partialpläne.<br />

Die Entscheidung <strong>für</strong> einen bestimmten Plan verursacht das eigentliche unternehmerische<br />

Risiko, da hierdurch Ziele und Verfahren festgelegt und später nur schwer<br />

o<strong>der</strong> gar nicht abstoppbare Kostenströme in Gang gesetzt werden.<br />

⇒ Kapazitäts- und Personalplanung können beson<strong>der</strong>e Risiken enthalten.<br />

In <strong>der</strong> Theorie wird häufig von den individuellen Zielen und Bedürfnissen/Wünschen<br />

sowie den Kapazitätsgrenzen <strong>der</strong> Informationsverarbeitung des Entscheidungsträgers<br />

abstrahiert.<br />

• Prämisse: Ein Entschei<strong>der</strong> hat alle notwendigen Informationen und entscheidet<br />

ausschließlich anhand betrieblicher Zielsetzungen.<br />

33


Prüfungsplanung<br />

• An <strong>der</strong> Planung sind indes zumindest in größeren Prüfungsunternehmen mehrere<br />

Personen<br />

- unterschiedlicher Stellung,<br />

- mit verschiedenen Aufgabengebieten,<br />

- mit voneinan<strong>der</strong> abweichenden Informationen und Interessen sowie<br />

- mit Entscheidungskompetenz <strong>für</strong> unterschiedliche Sachverhalte<br />

beteiligt.<br />

• An <strong>der</strong> Entscheidung über einen bestimmten Sachverhalt können mehrere Personen<br />

beteiligt sein.<br />

• Eine Gruppenentscheidung wird an<strong>der</strong>s ausfallen als eine Einzelentscheidung.<br />

Gründe:<br />

Entscheidungsträger haben<br />

(1) unterschiedliche Informationsaufnahme- und Informationsverarbeitungsfähigkeiten,<br />

(2) unterschiedlichen Informationsstand,<br />

(3) neben den vorgegebenen Unternehmenszielen davon abweichende, unterschiedliche<br />

persönliche Ziele.<br />

• Da in Modellen die Realität nicht vollständig und exakt abgebildet werden kann,<br />

arbeiten wir mit folgenden Vereinfachungen:<br />

(1) die wichtigsten Informationen sind vorhanden,<br />

(2) es gibt nur einen Entscheidungsträger ("Prüfungsplaner") und<br />

(3) nur eine betriebliche Zielvorstellung.<br />

34


Prüfungstheorie<br />

• Verfahren zur Berücksichtigung <strong>der</strong> Unsicherheit in <strong>der</strong> Prüfungsplanung:<br />

(1) Reserveplanung,<br />

(2) sukzessive Entscheidungen,<br />

(3) überlappende Planung,<br />

(4) Schubladenplanung,<br />

(5) flexible Planung.<br />

Zu (1): Reserveplanung<br />

Im Prüfungsplan werden Reserven vorgesehen, die bei Eintritt einer unerwarteten<br />

ungünstigen Umweltsituation, z. B. eines schwachen IKS, erlauben,<br />

die entstandenen Planungslücken zu schließen.<br />

Zu (2): Sukzessive Entscheidungen<br />

Ein Plan wird erst dann endgültig festgelegt, wenn die Entscheidung<br />

nicht mehr weiter hinausgezögert werden kann.<br />

Nachteil: Verfahren kann zu verpassten Chancen führen.<br />

Vorteil: Planer kann während des Wartens Informationen erhalten,<br />

die ihm aufgrund <strong>der</strong> vermin<strong>der</strong>ten Unsicherheit bessere Entscheidungen<br />

ermöglichen.<br />

Zu (3): Überlappende Planung<br />

Der Planungshorizont ist zeitlich länger als <strong>der</strong> Zeitraum <strong>der</strong> Revision <strong>der</strong><br />

Pläne. Auf diese Weise überschneiden sich die Planungszeiträume. Die<br />

sich überlappenden Planungszeiträume werden so doppelt o<strong>der</strong> mehrfach<br />

geplant, wobei <strong>der</strong> zweite Plan <strong>für</strong> den gleichen Zeitabschnitt i. d. R. besser<br />

ist als <strong>der</strong> erste, da<br />

a) bessere Informationen vorliegen,<br />

b) Planungsfehler weitgehend reduziert werden.<br />

35


Zu (4): Schubladenplanung<br />

Prüfungsplanung<br />

Für die wichtigsten erwarteten Datensituationen wird ein vollständiger<br />

Plan ausgearbeitet. Bei Eintritt einer bestimmten Situation o<strong>der</strong> nach<br />

dem Auftreten von Indizien <strong>für</strong> eine bestimmte Situation wird <strong>der</strong> zugehörige<br />

Schubladenplan zum Soll <strong>für</strong> die Planperiode.<br />

Vorteil: Schutz gegen mangelnde Prognosegewissheit.<br />

Nachteil: Sehr aufwendiges Verfahren, da<br />

Zu (5): Flexible Planung<br />

- <strong>für</strong> die wichtigsten Datensituationen vollständige<br />

Pläne aufgestellt werden müssen,<br />

- durch die während <strong>der</strong> Prüfung gewonnenen Informationen<br />

eine kontinuierliche Plananpassung erfor<strong>der</strong>lich<br />

ist,<br />

- <strong>für</strong> jeden Entscheidungszeitpunkt alternative Schubladenpläne<br />

entwickelt werden müssen.<br />

Beson<strong>der</strong>s geeignetes Verfahren zur Berücksichtigung <strong>der</strong> Unsicherheit in<br />

<strong>der</strong> Prüfungsplanung.<br />

36


135. Planvorgabe (Sollzahlen)<br />

Prüfungstheorie<br />

Gesamtkostenbudget des kostenminimalen Plans reicht als Sollwertvorgabe nicht aus,<br />

weil die Realisation <strong>der</strong> Gesamtplanung des Prüfungsunternehmens u. U. nicht gewährleistet<br />

ist.<br />

• Mehr o<strong>der</strong> weniger detaillierte Vorgabe <strong>der</strong> einzelnen Sollzahlen, auf denen das<br />

Kostenbudget basiert:<br />

a) Prüfungshandlungen (Art und Umfang),<br />

b) in <strong>der</strong> vorgegebenen Reihenfolge,<br />

c) mit dem erwarteten Zeitbedarf <strong>für</strong> jede Art von Prüfungshandlungen,<br />

d) den erwarteten Kosten und<br />

e) <strong>der</strong> Prüferzuordnung zu den Prüfungsaufgaben.<br />

Detaillierte Planvorgabe erfor<strong>der</strong>t sehr ausführliche Informationen:<br />

• Liegen bei Erstprüfungen meist nicht vor.<br />

• Bei Folgeprüfungen können Erfahrungen verwertet werden.<br />

• Detaillierungsgrad <strong>der</strong> Planvorgaben nimmt mit <strong>der</strong> zeitlichen Distanz vom Planungszeitpunkt<br />

zwangsläufig ab.<br />

• Detaillierungsgrad hängt von <strong>der</strong> Qualifikation <strong>der</strong> Prüfer ab:<br />

(1) Bei erfahrenem Prüfungsleiter: Verzicht auf starke Detaillierung.<br />

• Detaillierte Planvorgabe verleitet sonst zum Prüfen nach Plan ohne Mitdenken.<br />

(2) Bei neuem Prüfungsassistenten: Ausarbeitung eines detaillierten Plans.<br />

• Detaillierte Planvorgabe gewährleistet systematisches und vollständiges<br />

Prüfen.<br />

• Mögliche Lösung:<br />

- Vorgabe von Eckwerten <strong>der</strong> Planung <strong>für</strong> erfahrene Prüfer,<br />

- Prüfungsleiter kann Vorgaben <strong>für</strong> jüngere Mitarbeiter verfeinern,<br />

37


aber:<br />

Prüfungsplanung<br />

- detaillierte Planvorgabe ist gutes Mittel zur Realisation <strong>der</strong> Termin- und<br />

Kostenplanung;<br />

dennoch:<br />

- Praxis scheut häufig hohen Informations- und Planungsaufwand.<br />

136. Realisation <strong>der</strong> Planung<br />

Darunter kann sowohl Planungsdurchführung als auch Prüfungsdurchführung verstanden<br />

werden.<br />

⇒ hier: - Durchführung des Prüfungsprozesses,<br />

- gehört im engeren Sinne nicht mehr zur Planung;<br />

aber: Ergebnisse <strong>der</strong> Realisation liegen als Grundlage <strong>für</strong> weitere detaillierte Planungsüberlegungen<br />

zugrunde, <strong>der</strong>en Entscheidungen dann wie<strong>der</strong>um in <strong>der</strong><br />

weiteren Realisation umzusetzen sind.<br />

137. Überwachung <strong>der</strong> Prüfungsplanung und -realisation<br />

Festgestellte Abweichungen <strong>der</strong> Istwerte <strong>der</strong> Prüfung von den Sollwerten des Prüfungsplanes<br />

sind zu analysieren und zu berücksichtigen:<br />

• bei <strong>der</strong> Planung <strong>der</strong> laufenden Prüfung und<br />

• bei <strong>der</strong> Prüfungsplanung <strong>der</strong> Folgejahre.<br />

Dies gilt vor allem <strong>für</strong> den Prüfungsumfang, die Prüfungszeit und den Fehleranteil (homograde<br />

Fragestellung).<br />

Soll-Ist-Abweichungen sind in den Arbeitspapieren zu dokumentieren!<br />

38


• Prüfungsumfang:<br />

Prüfungstheorie<br />

Bei zu gering geplantem Umfang muss<br />

- im gleichen Jahr <strong>der</strong> Prüfungsumfang erhöht werden,<br />

- in Folgejahren diese Information berücksichtigt werden.<br />

• Prüfungszeit:<br />

Bei Gefährdung des Endtermins sind sofortige Plankorrekturen erfor<strong>der</strong>lich.<br />

• Fehleranteil(-höhe):<br />

Falsche Hypothesen über Fehleranteil müssen in Folgejahren berücksichtigt werden:<br />

P * Pˆ <<br />

⇒ =><br />

n!<br />

P = Tatsächlicher Fehleranteil in <strong>der</strong> Grundgesamtheit<br />

P*<br />

= Maximal tolerierbarer Fehleranteil in <strong>der</strong> Grundgesamtheit<br />

∃P = Geschätzter Fehleranteil in <strong>der</strong> Grundgesamtheit<br />

n = Stichprobenumfang<br />

Ursachen <strong>der</strong> Soll-Ist-Abweichungen:<br />

• Strukturwandel bei Prüfungsunternehmen o<strong>der</strong> zu prüfendem Unternehmen (im<br />

Voraus i. d. R. nicht erkennbar),<br />

• mangelnde Planungsgenauigkeit (Soll I -Soll II -Vergleich),<br />

• mangelnde Prüfungsrealisation (Soll I -Ist-Vergleich),<br />

• erhebliches Absinken des bilanziellen Standings.<br />

39


Prüfungsplanung<br />

138. Interdependenzen <strong>der</strong> Prüfungsplanungsschritte<br />

Abhängigkeiten bestehen zwischen:<br />

• den einzelnen Alternativplänen (Programm-, Personal-, Zeitplan) und<br />

• den einzelnen Prüfungsplanungsschritten.<br />

Wir unterscheiden:<br />

• formale Interdependenzen und<br />

• inhaltliche Interdependenzen.<br />

• Formale Interdependenzen<br />

Prozessschema ist nach sachlogischen Kriterien geglie<strong>der</strong>t. Im zeitlichen Ablauf sind<br />

die Phasen teils parallel, teils nacheinan<strong>der</strong>, teils durch Rückkopplungsschleifen<br />

miteinan<strong>der</strong> verknüpft.<br />

Beispiel:<br />

Informations-, Eventualplanungs- und Entscheidungsprozess<br />

Beispiel <strong>für</strong> rückgekoppelte Abläufe im Phasenschema:<br />

Überwachungsphase<br />

Wird auch nach mehrfacher Rückkopplung keine befriedigende Zielerreichung realisiert,<br />

so müssen die evtl. unrealistischen Zielgrößen überdacht und ggf. umformuliert<br />

werden.<br />

40


• Inhaltliche Interdependenzen<br />

Prüfungstheorie<br />

Zwischen den Programm-, Personal- und Zeitplänen bestehen zeitlich horizontale<br />

und zeitlich vertikale Interdependenzen.<br />

- Zeitlich horizontale Interdependenzen<br />

Abhängigkeiten, die zu einem Zeitpunkt zwischen den abzustimmenden Variablen<br />

bestehen.<br />

Beispiel: Zeitplanung ist abhängig von Prüferzuordnung und umgekehrt.<br />

- Zeitlich vertikale Interdependenzen<br />

Abhängigkeiten, die im Zeitablauf vorhanden sind o<strong>der</strong> entstehen.<br />

Beispiel: Bilanzielles Standing (Rating) beeinflusst Schätzung des inhärenten<br />

Risikos <strong>für</strong> den risikoorientierten Prüfungsansatz.<br />

Aufgabe des Prüfungsplaners:<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> wichtigsten Interdependenzen. Ein geeignetes Verfahren hierzu ist<br />

die flexible Planung.<br />

14 Planungsverfahren<br />

Literaturhinweise:<br />

ADAM, DIETRICH, Planung und Entscheidung: Modelle - Ziele - Methoden, 4., vollst.<br />

überarb. und wesentlich erw. Aufl., Wiesbaden 1996.<br />

BAETGE, JÖRG, MEYER ZU LÖSEBECK, HEINER, ”Starre o<strong>der</strong> flexible Prüfungsplanung?”, in:<br />

Management und Kontrolle, Festgabe <strong>für</strong> Erich Loitlsberger zum 60. Geburtstag, hrsg.<br />

von Gerhard Seicht, Berlin 1981, S. 121 - 171.<br />

41


2 Prüfungstechnik<br />

21 Abgrenzung <strong>der</strong> Prüfungsfel<strong>der</strong><br />

Definitionen:<br />

Prüfungstechnik<br />

• Prüfungsfeld =<br />

nach bestimmten Kriterien abgegrenztes Teilobjekt des gesamten Prüfungsobjekts.<br />

• Prüfungsfel<strong>der</strong>gruppe =<br />

nach sachlogischen Kriterien zusammengefasste Prüfungsfel<strong>der</strong>.<br />

Über Prüfungsfel<strong>der</strong> werden Teilurteile gebildet, die in einem zweiten Schritt zu<br />

einem Gesamturteil aggregiert werden.<br />

• Zielfunktion: Abgabe eines hinreichend sicheren und genauen Urteils <strong>für</strong> einen<br />

gegebenen Prüfungsauftrag (bei vor Prüfungsbeginn unter bestimmten<br />

Annahmen und Bedingungen (Kautelen) vereinbartem<br />

Prüfungshonorar) mit minimalen Kosten <strong>für</strong> die Prüfungsunternehmung.<br />

⇒ Gesamten Prüfungsstoff in Prüfungsfel<strong>der</strong> glie<strong>der</strong>n und zu jedem Prüfungsfeld<br />

Teilurteil abgeben.<br />

Aus <strong>der</strong> Zielvorschrift deduzierte Gründe <strong>für</strong> eine Strukturierung des Prüfungsstoffes:<br />

(1) Zielerreichung erfor<strong>der</strong>t sorgfältige Planung:<br />

• Planung = Gedankliche Vorwegnahme künftigen Geschehens,<br />

• nur möglich, wenn komplexer Prüfungsstoff strukturiert wird,<br />

• Simultanmodell ist nicht möglich ⇒ Partialmodelle.<br />

42


Prüfungstheorie<br />

(2) Hinreichend sicheres und genaues Urteil:<br />

• Problem: Absolute Vollständigkeit <strong>der</strong> Prüfung nicht möglich!<br />

• "Grundsatz des repräsentativen Urteils":<br />

- Prüfung aller wesentlichen Sachverhaltsgruppen;<br />

- Alle wesentlichen Einzelfeststellungen müssen in das Urteil Eingang<br />

finden.<br />

(3) Ziel: Minimierung <strong>der</strong> Kosten <strong>für</strong> das Prüfungsunternehmen:<br />

• Prüfungsfel<strong>der</strong>bildung kann Kosten senken, da<br />

- Grundsatz <strong>der</strong> Spezialisierung anwendbar,<br />

- bessere Erfüllung <strong>der</strong> Ausbildungsfunktion möglich,<br />

- Doppelarbeit durch Verantwortungsübertragung vermieden wird<br />

und<br />

- einfachere Terminplanung.<br />

Empfehlung zur Prüfungsfel<strong>der</strong>bildung in IDW PS 240 Tz. 19:<br />

"Zur Erstellung des Prüfungsprogramms werden die Prüfungsgebiete in Teilbereiche<br />

aufgeteilt, die einheitlich zu prüfen sind (Prüffel<strong>der</strong>). ... Für jedes Prüffeld sind Art und<br />

Umfang <strong>der</strong> zur Umsetzung <strong>der</strong> Prüfungsstrategie erfor<strong>der</strong>lichen Prüfungshandlungen<br />

sowie ihr zeitlicher Ablauf festzusetzen.”<br />

Kriterien <strong>für</strong> die Abgrenzung von Prüfungsfel<strong>der</strong>n:<br />

1. Homogenität <strong>der</strong> zu prüfenden Sachverhalte,<br />

2. Homogenität <strong>der</strong> gesuchten Fehler,<br />

3. Homogenität in bezug auf die anzuwendenden Prüfungsmethoden,<br />

4. Homogenität <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen an den Prüfer,<br />

5. Berücksichtigung <strong>der</strong> individuellen Struktur des Prüfungsobjektes,<br />

6. Berücksichtigung bestehen<strong>der</strong> Interdependenzen zwischen Prüfungssachverhalten.<br />

43


Prüfungstechnik<br />

Zu 1.: Homogenität <strong>der</strong> zu prüfenden Sachverhalte<br />

= Gleichartigkeit <strong>der</strong> Geschäftsvorfälle<br />

(Bsp.: Verkaufsgeschäfte, die zu For<strong>der</strong>ungen aus Lieferungen und Leistungen<br />

FoLL führen)<br />

• Zusammenfassung kann erhebliche Rationalisierungseffekte mit sich bringen.<br />

• Ähnliche Sollobjektbildung.<br />

- Klumpeneffekt<br />

- Degressionseffekt<br />

- Erfahrungseffekt<br />

- Schichtungseffekt<br />

aber: Der Jahresabschluss selbst ist sehr inhomogen.<br />

- Bildung vieler kleiner homogener Prüfungsfel<strong>der</strong> und damit starke Zerschneidung<br />

von Interdependenzen.<br />

- Zusammenfassung von vielen Teilurteilen notwendig!<br />

Problem: Zwei gegenläufige Tendenzen: Hierbei besteht das Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong><br />

Optimierung.<br />

Zu 2.: Homogenität <strong>der</strong> gesuchten Fehler<br />

• Prüfungsfel<strong>der</strong> können nach <strong>der</strong> Gleichartigkeit <strong>der</strong> gesuchten Fehler gebildet werden:<br />

- Technische Buchungsfehler,<br />

- Über-/Unterbewertungen,<br />

- Ausweisfehler, etc.<br />

• Diese Art <strong>der</strong> Homogenität ist Voraussetzung <strong>für</strong>:<br />

- Stichprobenhochrechnung,<br />

- Schichtenbildung.<br />

44


Prüfungstheorie<br />

Zu 3.: Homogenität in Bezug auf die anzuwendenden Prüfungsmethoden<br />

• Sachverhalte, die sich <strong>für</strong> die Anwendung bestimmter Prüfungsmethoden eignen,<br />

können zu einem Prüfungsfeld zusammengefasst werden.<br />

Beispiele: - Stichprobenprüfung ist <strong>für</strong> Konten, auf denen eine große<br />

Zahl von - jeweils <strong>für</strong> sich genommen unbedeutenden -<br />

Transaktionen abgewickelt werden, wie FoLL und VerbLL,<br />

sehr geeignet.<br />

Zu 4.: Homogenität <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen an den Prüfer<br />

- Saldenbestätigungen/Transaktionsbestätigungen.<br />

• Sachverhalte können nach dem Schwierigkeitsgrad, den sie <strong>für</strong> den Prüfer besitzen,<br />

zusammengefasst werden. Die Anfor<strong>der</strong>ungen an den Prüfer werden nach dem<br />

Schwierigkeitsgrad bestimmt.<br />

aber: Ein Mangel an ausreichend qualifizierten Prüfern darf nicht dazu führen,<br />

dass schwierige Sachverhalte gar nicht erst geprüft werden.<br />

• Drei Effekte sind zu beachten:<br />

- Rationalisierungseffekt,<br />

- Ausbildungseffekt,<br />

- u. U. Beschleunigungseffekt (bei Zeitrestriktionen).<br />

Zu 5.: Individuelle Struktur des Prüfobjektes<br />

• Vorhandene individuelle Strukturen des Prüfungsobjekts, z. B. Bilanz, GuV, Buchführung,<br />

Anhang und Lagebericht, aber auch Sparten, Profit Centers etc., können<br />

bei <strong>der</strong> Bildung von Prüfungsfel<strong>der</strong>n genutzt werden.<br />

45


Prüfungstechnik<br />

Zu 6.: Berücksichtigung von Interdependenzen zwischen Prüfungssachverhalten<br />

• Zwischen Einzelsachverhalten bestehen häufig (a) zeitlich horizontale und (b) zeitlich<br />

vertikale Interdependenzen. Das Gesamturteil muss Interdependenzen berücksichtigen.<br />

(a) Zeitlich horizontale Interdependenzen:<br />

= Abhängigkeiten zwischen Variablen, die zu einem Zeitpunkt bestehen.<br />

Bsp.: - Abschreibungen auf AV und Bestand des AV,<br />

- Bewertung nach <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>stwertvorschrift (§ 253 dHGB<br />

bzw. §§ 204, 207 UGB),<br />

- Bewertung nach dem Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4<br />

dHGB bzw. § 201 Abs. 2 Nr. 4 UGB),<br />

- Rückstellungsbildung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 dHGB bzw.<br />

§ 198 Abs. 8 Nr. 1 1. HS UGB: "Rückstellung <strong>für</strong> drohende<br />

Verluste aus schwebenden Geschäften".<br />

(b) Zeitlich vertikale Interdependenzen:<br />

= Abhängigkeiten, die im Zeitablauf vorhanden sind o<strong>der</strong> entstehen.<br />

Bsp.: - Vorratsvermögen mit Inventur,<br />

- Bestandsfortführung mit Ermittlung des Endbestandes.<br />

• Systemprüfung ⇔ Jahresabschlusszahlenprüfung<br />

• Prüfungsfel<strong>der</strong> müssen so gebildet werden, dass alle Sachverhalte, zwischen denen<br />

Abhängigkeiten bestehen, zu jeweils einem Prüfungsfeld zusammengefasst werden.<br />

• gesamter Prüfungsstoff = ein Prüfungsfeld<br />

daher: Zerschneidung von möglichst wenigen und unbedeutsamen Interdependenzen!<br />

46


Konzepte zur Prüfungsfel<strong>der</strong>bildung:<br />

Prüfungstheorie<br />

In <strong>der</strong> Prüfungspraxis existieren vor allem zwei Konzepte:<br />

1. Glie<strong>der</strong>ung nach handelsrechtlichem Glie<strong>der</strong>ungsschema des JA bzw. <strong>der</strong> Bilanz<br />

2. Glie<strong>der</strong>ung nach Geschäftszyklen<br />

Zu 1.: Glie<strong>der</strong>ung nach handelsrechtlichem Glie<strong>der</strong>ungsschema des JA bzw. <strong>der</strong> Bilanz<br />

• Prüfungsfel<strong>der</strong>bildung in Anlehnung an die Positionen des handelsrechtlichen<br />

Glie<strong>der</strong>ungsschemas. Um horizontale Interdependenzen zu berücksichtigen, werden<br />

den Bilanzpositionen die jeweils korrespondierenden GuV-Positionen zugeordnet.<br />

Ermöglicht Schwerpunktbildung mit Hilfe <strong>der</strong> individuellen Sensitivitätsanalyse<br />

des Moody‘s RiskCalc.<br />

• Prüfungsfel<strong>der</strong>, die durch Bilanz- und GuV-Positionen nicht abgedeckt werden,<br />

sind:<br />

- Prüfung des Anhangs/Lageberichts,<br />

- Kostenrechnung,<br />

- rechtliche Verhältnisse einschließlich Verträge und laufen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> drohen<strong>der</strong><br />

Prozesse,<br />

- Systemprüfung,<br />

- Prüfung des Risikomanagementsystems.<br />

Zu 2.: Glie<strong>der</strong>ung nach Geschäftszyklen<br />

• Abgrenzung des Unternehmensgeschehens in mehrere Arbeitsabläufe, die in sich<br />

geschlossen sind und abgrenzbare Teilbereiche <strong>der</strong> Unternehmung beschreiben:<br />

= Geschäftszyklen, business cycles, transaction cycles<br />

- Systemprüfung<br />

- Gemeinschaftskontenrahmen <strong>der</strong> Industrie (GKR)<br />

- Prozessglie<strong>der</strong>ungsprinzip<br />

47


Prüfungstechnik<br />

• Aufteilung muss sich an individueller Struktur des Unternehmens orientieren und<br />

unterscheidet sich deshalb von Unternehmen zu Unternehmen. Folgende Geschäftszyklen<br />

sind jedoch typisch:<br />

1. Beschaffungszyklus:<br />

Transaktionen, die bei <strong>der</strong> Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen im<br />

Austausch zu Zahlungen auftreten.<br />

2. Verkaufszyklus:<br />

Transaktionen, die im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Erzielung von Einnahmen auftreten.<br />

3. Produktionszyklus:<br />

Transaktionen, die bei <strong>der</strong> Produktion von Gütern <strong>für</strong> den Wie<strong>der</strong>verkauf auftreten.<br />

4. Lohn- und Gehaltszyklus:<br />

Transaktionen, die bei <strong>der</strong> Erfassung und Zahlung von Löhnen und Gehältern<br />

auftreten.<br />

Prinzipielles Vorgehen:<br />

• Inhaltlich zusammenhängende und aufeinan<strong>der</strong>folgende Teilschritte werden zu<br />

Prüfungsfel<strong>der</strong>n zusammengefasst.<br />

⇒ Die wichtigsten Interdependenzen können berücksichtigt werden.<br />

48


Prüfungstheorie<br />

Praxis: Verbindung bei<strong>der</strong> Glie<strong>der</strong>ungskonzepte<br />

Kriterien Konzepte<br />

49<br />

Glie<strong>der</strong>ungsschema<br />

Geschäftszyklen<br />

1. Homogenität <strong>der</strong> zu prüfenden Sachverhalte ++ +<br />

2. Homogenität <strong>der</strong> gesuchten Fehler + -<br />

3. Homogenität in Bezug auf anzuwendende<br />

Prüfungsmethoden<br />

4. Homogenität <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen an den Prüfer<br />

5. Berücksichtigung <strong>der</strong> individuellen Struktur<br />

des Prüfobjekts<br />

6. Berücksichtigung bestehen<strong>der</strong><br />

Interdependenzen<br />

Legende: ++ sehr gut - schlecht<br />

+ befriedigend -- sehr schlecht<br />

+ -<br />

+ -/+<br />

-- ++<br />

- ++<br />

Ergebnis: Beide Lösungsvorschläge können nicht alle Kriterien erfüllen. Wünschenswert<br />

ist im konkreten Einzelfall zumindest eine befriedigende Erfüllung aller Kriterien.


22 Art <strong>der</strong> Prüfungshandlungen<br />

221. Prüfungsrichtung<br />

221.1 Progressive Prüfung<br />

Fall<br />

(a)<br />

(b)<br />

(c)<br />

(d)<br />

(e)<br />

(f)<br />

Realer<br />

Sachverhalt<br />

Legende:<br />

Abb. 7: Progressive Prüfung<br />

Prüfungstechnik<br />

Urbeleg Grundbuch Hauptbuch<br />

Geprüfte und fehlerfreie Geschäftsvorfälle<br />

Entdeckte Fehler in Geschäftsvorfällen<br />

Progressive Prüfung<br />

Nicht entdeckte Fehler in Geschäftsvorfällen<br />

Jahresabschluß<br />

• Vorgehen:<br />

Ausgehend vom realen Sachverhalt o<strong>der</strong> von ersten Dokumenten wird <strong>der</strong> Verarbeitungsablauf<br />

des Zahlenmaterials über Grundbuch (= Journal) und Hauptbuch<br />

bis zur Verarbeitung im Jahresabschluss verfolgt.<br />

50


Prüfungstheorie<br />

• Durch progressive Prüfung werden Geschäftsvorfälle entdeckt, die real vorhanden<br />

sind, sich aber nicht im Jahresabschluss nie<strong>der</strong>geschlagen haben (sog. Schwarzgeschäfte).<br />

Ausnahme: "Schwarzgeschäfte" werden nicht entdeckt, wenn <strong>der</strong> Prüfer keine<br />

Kenntnis von den realen Sachverhalten erlangt und die Sachverhalte<br />

sich selbst nicht in den Urbelegen nie<strong>der</strong>schlagen.<br />

Nachteil: Nicht entdecken kann <strong>der</strong> Prüfer sogenannte "Luftbuchungen", d.<br />

h. Buchungen, denen keine realen Sachverhalte zugrunde liegen,<br />

weil häufig auch bei progressiver Prüfung <strong>der</strong> reale Sachverhalt<br />

schon abgewickelt worden ist und <strong>der</strong> Prüfer bei seiner Prüfung<br />

nur auf den Belegen aufsetzen kann. Der reale Sachverhalt ist dann<br />

nicht (mehr) beobachtbar (prüfbar).<br />

Erläuterungen <strong>der</strong> Fälle (a) - (f) bei progressiver Prüfung (Abb. 7):<br />

(a) Realer Sachverhalt hat sich im Urbeleg, Grundbuch, Hauptbuch und JA richtig<br />

nie<strong>der</strong>geschlagen.<br />

(b) Für realen Sachverhalt gibt es keinen Beleg und auch keine Buchung irgendeiner<br />

Art.<br />

(c) Der Prüfer ist zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Sachverhaltsabwicklung nicht anwesend und<br />

findet nur den Urbeleg vor und von diesem ausgehend prüft er progressiv. Falls<br />

<strong>der</strong> im Urbeleg angegebene reale Sachverhalt tatsächlich vorliegt und <strong>der</strong> Beleg<br />

richtig bis in den JA weiterverarbeitet wurde, liegt kein Fehler vor; an<strong>der</strong>enfalls<br />

Fehler. Fraglich ist, ob <strong>der</strong> Prüfer die Chance hat, das Fehlen des Sachverhalts<br />

aufzudecken.<br />

(d) Sachverhalt und Urbeleg vorhanden aber nicht weiterverarbeitet, also: Fehler.<br />

(e) Sachverhalt, Urbeleg, Buchung bis ins Hauptbuch liegen vor, aber im JA nicht<br />

berücksichtigt: Fehler.<br />

(f) Kein realer Sachverhalt, kein Urbeleg, Falschbuchung ohne Beleg erst im<br />

Hauptbuch. Bei rein progressiver Buchung (vom Urbeleg an) keine Entdeckungschance.<br />

51


221.2 Retrograde Prüfung<br />

Prüfungstechnik<br />

Realer<br />

Sachverhalt Urbeleg Grundbuch Hauptbuch<br />

Legende:<br />

Geprüfte und fehlerfreie Geschäftsvorfälle<br />

Entdeckte Fehler in Geschäftsvorfällen<br />

Nicht entdeckte Fehler in Geschäftsvorfällen<br />

Abb. 8: Retrograde Prüfung<br />

Retrograde Prüfung<br />

Jahresabschluß<br />

• Vorgehen:<br />

Ausgehend von den Zahlen von Bilanz, GuV und Anhang, ggf. Lagebericht, wird<br />

rückwärtsschreitend die Verarbeitungskette bis zum realen Sachverhalt verfolgt.<br />

• Durch retrograde Prüfung können Luftbuchungen, <strong>für</strong> die keine Belege bzw. keine<br />

Geschäftsvorfälle vorhanden sind, entdeckt werden, die dann aus dem Jahresabschluss<br />

eliminiert werden müssen.<br />

Ausnahme: Luftbuchungen werden dann nicht entdeckt, wenn die Verarbeitungskette<br />

vom Jahresabschluss bis zum Urbeleg vollständig fingiert<br />

ist und <strong>der</strong> reale Sachverhalt selbst nicht überprüft werden<br />

kann.<br />

52<br />

Fall<br />

(a)<br />

(b)<br />

(c)<br />

(d)<br />

(e)


Prüfungstheorie<br />

• "Schwarzgeschäfte" können durch retrograde Prüfung nicht entdeckt werden.<br />

• Retrograde Prüfung ist zeitlich schneller auszuführen und in diesem Sinne günstiger<br />

als progressive Prüfung.<br />

Erläuterungen <strong>der</strong> Fälle (a) bis (e) bei retrogra<strong>der</strong> Prüfung (Abb. 8):<br />

(a) JA-Posten lässt sich bis zum realen Sachverhalt fehlerfrei zurückverfolgen.<br />

(b) JA-Posten lässt sich bis zum Urbeleg verfolgen. Frage: Entspricht Urbeleg realem<br />

Sachverhalt?<br />

(c) Nicht gebuchter Urbeleg lässt sich bei retrogra<strong>der</strong> Prüfung nicht finden.<br />

(d) Gebuchter aber nicht in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung abgeschlossener<br />

Sachverhalt lässt sich bei retrogra<strong>der</strong> Prüfung (aufsetzend beim JA) nicht<br />

finden.<br />

(e) JA-Posten noch im Hauptbuch, dann aber nicht mehr zu finden: Fehler.<br />

53


221.3 Bidirektionale Prüfung<br />

Fall<br />

(a)<br />

(b)<br />

(c)<br />

(d)<br />

(e)<br />

(f)<br />

Prüfungstechnik<br />

• Vorgehen: Der Prüfer muss hierbei bewusst mitten im Verarbeitungsprozess, also<br />

z. B. im Grund- und/o<strong>der</strong> Hauptbuch, ansetzen und dann von dort aus in beide<br />

Richtungen prüfen.<br />

Realer<br />

Sachverhalt<br />

Legende:<br />

Urbeleg Grundbuch Hauptbuch<br />

Geprüfte und fehlerfreie Geschäftsvorfälle<br />

Entdeckte Fehler in Geschäftsvorfällen<br />

Nicht entdeckte Fehler in Geschäftsvorfällen<br />

Abb. 9: Bidirektionale Prüfung<br />

Bidirektionale Prüfung<br />

Jahresabschluß<br />

• Beurteilung: Hohe Präventivwirkung bzgl. Schwarzgeschäften bzw. Luftbuchungen<br />

• Sinnvolles Anwendung sowohl <strong>der</strong> progressiven als auch <strong>der</strong> re-<br />

Vorgehen: trograden Prüfung i. V. m. bidirektionaler Prüfung.<br />

aber: Progressive Prüfung ist in <strong>der</strong> Regel aufwendiger als die retrograde<br />

Prüfung. Bidirektionale Prüfung ist evtl. noch aufwendiger als die<br />

retrograde Prüfung.<br />

54


Prüfungstheorie<br />

Erläuterungen <strong>der</strong> Fälle (a) bis (f) bei bidirektionaler Prüfung (Abb. 9):<br />

(a) Grundbuch-Buchung lässt sich bis zum JA-Posten und realen Sachverhalt fehlerfrei<br />

verfolgen.<br />

(b) Wie Fall (a), aber nur Urbeleg ist auszumachen, nicht dagegen realer Sachverhalt<br />

(<strong>der</strong> so nicht vorliegen möge). Prüfer kann aber realen Sachverhalt nicht<br />

(mehr) beobachten. Fehler ist nicht entdeckbar.<br />

(c) Wie Fall (a), aber Ansatzpunkt: Hauptbuch.<br />

(d) Wie Fall (b), aber (1) realer Sachverhalt ist durch Alternativprüfung, z. B.<br />

Transaktionsbestätigung, zu bestätigen: Kein Fehler o<strong>der</strong> (2) realer Sachverhalt<br />

wird als nicht vorhanden vom Prüfer identifiziert.<br />

(e) Kein Nie<strong>der</strong>schlag im JA: Fehler!<br />

(f) Sachverhalt ohne Beleg auch durch bidirektionale Prüfung nicht feststellbar.<br />

222 Prüfungsinhalt<br />

222.1 Anfor<strong>der</strong>ungen des IDW<br />

• Art und Umfang <strong>der</strong> Prüfungshandlungen „sind vom Abschlußprüfer mit dem<br />

erfor<strong>der</strong>lichen Maß an Sorgfalt so zu bestimmen, daß unter Beachtung des Grundsatzes<br />

<strong>der</strong> Wesentlichkeit die gefor<strong>der</strong>ten Prüfungsaussagen möglich werden. In diesem<br />

Rahmen ist auch <strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> Abschlußprüfung zu<br />

beachten” (IDW PS 200 Tz. 21).<br />

• Im FG 1/1988 Abschn. D. II werden folgende Arten von Prüfungshandlungen unterschieden:<br />

− "System- und Funktionsprüfungen des IKS"<br />

− "Einzelfallprüfungen", Jahresabschlusszahlenprüfung<br />

-- Plausibilitätsbeurteilungen<br />

-- Prüfung von Geschäftsvorfällen und Beständen<br />

• Anfor<strong>der</strong>ungen an diese Prüfungshandlungen:<br />

"Prüfungshandlungen werden i. d. R. festgelegt auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

− <strong>der</strong> Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit sowie das wirtschaftliche und rechtliche<br />

Umfeld <strong>der</strong> Gesellschaft ...,<br />

− <strong>der</strong> Erwartungen über mögliche Fehler,<br />

− <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Wirksamkeit des rechnungslegungsbezogenen internen<br />

Kontrollsystems.” (IDW PS 200 Tz. 20).<br />

55


222.2 Formelle Prüfungshandlungen<br />

Prüfungstechnik<br />

• Sachverhalte formeller Prüfungshandlungen:<br />

- Äußere Ordnungsmäßigkeit und<br />

- rechnerische Richtigkeit.<br />

• Merkmale äußerer Ordnungsmäßigkeit:<br />

1. Ordnungsmäßige Erfassung sämtlicher Geschäftsvorfälle<br />

(Geschäftsvorfall ⇒ Beleg),<br />

2. Richtige Verarbeitung des Zahlenmaterials<br />

(Beleg ⇒ Buchung ⇒ JA ⇒ LB),<br />

3. Beachtung formaler Ordnungsprinzipien<br />

(⇒ Dokumentationsgrundsätze).<br />

• Formelle Prüfungshandlungen sind:<br />

(1) Abstimmungsprüfung,<br />

(2) Übertragungsprüfung,<br />

(3) Rechnerische Prüfung,<br />

(4) Belegprüfung.<br />

Zu (1): Abstimmungsprüfung (Ist-Ist-Vergleich)<br />

Vergleich von Zahlen, die in buchhaltungstechnischem Zusammenhang stehen und<br />

nach dem System <strong>der</strong> Doppik notwendigerweise übereinstimmen müssen.<br />

Folgende Fehler können mit Abstimmungsprüfung nicht aufgedeckt werden:<br />

- Buchung falscher Beträge auf beiden Konten,<br />

- Buchung auf falschen Konten,<br />

- Fehler, die sich gegenseitig aufheben,<br />

- Buchung von Fiktivgeschäften,<br />

- Auslassungen (= "Schwarzgeschäfte").<br />

56


Zu (2): Übertragungsprüfung<br />

Prüfungstheorie<br />

Aufdeckung von Fehlern, die durch Übertragung falscher Zahlen (Drehfehler) o<strong>der</strong><br />

richtiger Zahlen auf ein falsches Konto entstehen.<br />

Wichtigste Übertragungsprüfung:<br />

- Feststellung <strong>der</strong> formellen Bilanzkontinuität, § 252 Abs. 1 Nr. 1 dHGB bzw.<br />

§ 201 Abs. 2 Nr. 6 UGB.<br />

Zu (3): Rechnerische Prüfung<br />

Nachvollziehen von Rechnungen, bei denen durch manuelle Tätigkeiten Fehler<br />

auftreten können:<br />

- Berechnungen auf Belegen,<br />

- Aufbereiten von Inventurlisten,<br />

- Prüfung <strong>der</strong> fünf systematischen Summen (Belegsummen; Grundbuch-<br />

Kontensummen: Soll und Haben; Hauptbuch-Kontensummen: Soll und Haben).<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> eine rechnerische Prüfung von Teilbereichen ist die zeitliche und<br />

sachliche Fehlerfeldteilung.<br />

Zu(4): Belegprüfung<br />

- Abstimmung <strong>der</strong> Belege mit den Eintragungen in den Büchern,<br />

- Prüfung des Beleginhalts (⇒ materielle Prüfung),<br />

- Belegtext muss klar sein und Geschäftsvorfall hinreichend klären:<br />

-- Interne Belege müssen abgezeichnet werden,<br />

-- Beleg-Nummern-System ist erfor<strong>der</strong>lich,<br />

-- Beleg muss Ausstellungs- o<strong>der</strong> Eingabedatum enthalten,<br />

-- Verweis auf erkannte bzw. angesprochene Konten ist erfor<strong>der</strong>lich (Soll-<br />

und Habenkontierung!).<br />

57


222.3 Materielle Prüfungshandlungen<br />

Prüfungstechnik<br />

Ausgangspunkt: Bilanzielles Standing des Unternehmens (Moody‘s RiskCalc); konkrete<br />

Ansatzpunkte durch die individuelle Sensitivitätsanalyse (INSA).<br />

Prüfung auf inhaltliche Richtigkeit und wirtschaftliche Berechtigung des vorhandenen<br />

Zahlenmaterials, d. h. ob <strong>der</strong> reale Sachverhalt richtig im Zahlenwerk des Rechnungswesens<br />

abgebildet ist.<br />

Arten von materiellen Prüfungshandlungen:<br />

• Prüfung <strong>der</strong> Bilanzierungsfähigkeit und -pflicht,<br />

• Prüfung des Mengengerüsts einer Jahresabschlussposition,<br />

• Prüfung <strong>der</strong> Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie<br />

• Prüfung <strong>der</strong> Bewertung, d. h. <strong>der</strong> Anwendung von:<br />

- Imparitäts- und Vorsichtsprinzip,<br />

- Nie<strong>der</strong>stwertvorschriften <strong>für</strong> Anlagevermögen (gemil<strong>der</strong>t) und Umlaufvermögen<br />

(streng),<br />

• Prüfung des Ausweises im Jahresabschluss, unter dem Bilanzstrich o<strong>der</strong> im Lagebericht.<br />

58


223. Prüfungsgegenstand<br />

Prüfungstheorie<br />

223.1 Prüfung des Erfassungs-, Verarbeitungs- und Kontrollsystems (Systemprüfung)<br />

Die Abgrenzung von Systemprüfung und Jahresabschlusszahlen- bzw. Ergebnisprüfung:<br />

• Aufgabe des Abschlussprüfers:<br />

Beurteilung <strong>der</strong> Ordnungsmäßigkeit <strong>der</strong> Buchführung, des Jahresabschlusses und<br />

des Lageberichts.<br />

Die Beurteilungsobjekte entstehen durch komplexe Erfassungs-, Verarbeitungs-<br />

und Überwachungsprozesse.<br />

• Zwei grundsätzliche Möglichkeiten, ein Urteil zu bilden:<br />

1. Prüfung des Systemoutputs, also <strong>der</strong> Verarbeitungsergebnisse: Prüfer prüft formelle<br />

Aspekte, außerdem konstruiert er <strong>für</strong> jeden zu prüfenden Geschäftsvorfall,<br />

Beleg, Kontierung und Erst-, Zwischen- und Abschlussbuchung ein Sollobjekt<br />

und vergleicht es mit vorgefundenem Istobjekt.<br />

− "Kontenprüfung", "Ergebnisprüfung" o<strong>der</strong><br />

"Jahresabschlusszahlenprüfung"<br />

⇒ deshalb auch: "direkte Prüfung".<br />

2. Prüfung <strong>der</strong> Regeln und Verfahren, nach denen die Geschäftsvorfälle erfasst<br />

werden sollen. Da die Gesamtheit aller Regeln und Verfahren ein System bildet,<br />

spricht man von "Systemprüfung".<br />

Bei Systemprüfung kann nur mittelbar auf die Richtigkeit des Systemoutputs<br />

geschlossen werden, denn das System muss geeignet sein,<br />

− Geschäftsvorfälle richtig zu bearbeiten,<br />

− während des gesamten Beurteilungszeitraums anwendbar zu sein<br />

⇒ deshalb auch: "indirekte Prüfung".<br />

• System- und Jahresabschlusszahlenprüfung sind keine Alternativen, son<strong>der</strong>n beide<br />

sind <strong>für</strong> eine wirtschaftliche und zuverlässige Urteilsbildung notwendig.<br />

59


Prüfungstechnik<br />

Begriff und Aufgaben des Erfassungs-, Verarbeitungs- und Internen Kontroll- (Überwachungs-)systems:<br />

Bei <strong>Jahresabschlussprüfung</strong> werden untersucht:<br />

(1) das Erfassungs- und Verarbeitungssystem und<br />

(2) das Interne Kontrollsystem (IKS).<br />

Zu (1): Erfassungs- und Verarbeitungssystem<br />

Alle Regelungen und Anweisungen, um Erfassungs- und Verarbeitungsprozesse<br />

nicht zufällig, son<strong>der</strong>n nach einer bestimmten, möglichst zwangsläufigen Ordnung<br />

ablaufen zu lassen, z. B. doppelte Buchführung, Kontenplan, Inventurverfahren<br />

etc.<br />

Zu (2): Internes Kontrollsystem<br />

Alle Regelungen und Verfahren, die die Richtigkeit <strong>der</strong> Erfassung und Verarbeitung<br />

<strong>der</strong> anfallenden Geschäftsvorfälle sichern sollen.<br />

• Internes Überwachungssystem (IÜS)<br />

= Internes Kontrollsystem und interne Prüfung durch Innenrevision<br />

- Für Prüfer ist nur <strong>der</strong> Teil des IÜS relevant, <strong>der</strong> im Rechnungswesen<br />

<strong>für</strong> Richtigkeit <strong>der</strong> Jahresabschlusszahlen sorgen soll.<br />

- Schwerpunkt <strong>der</strong> Systemprüfung liegt auf IKS, also den fest eingebauten<br />

Überwachungen.<br />

- Wirksames IKS erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass keine wesentlichen<br />

Fehler entstehen bzw. verbleiben.<br />

60


Prüfungstheorie<br />

- Qualität des IKS beeinflusst Fehlerrisiko und Fehlererwartung.<br />

Schwächen o<strong>der</strong> Lücken im IKS führen zu erheblichen Fehlermöglichkeiten.<br />

- Die Prüfung des IKS ist Element <strong>der</strong> GoA und als solches bei Abschlussprüfungen<br />

zwingend vorgeschrieben:<br />

"Bei <strong>der</strong> Abschlußprüfung hat <strong>der</strong> Abschlußprüfer System- und<br />

Funktionsprüfungen des internen Kontrollsystems und Einzelprüfungen<br />

durchzuführen" (FG 1/1988 Abschn. D II).<br />

”Der Abschlussprüfer muss ein Verständnis von dem internen<br />

Kontrollsystem insoweit entwickeln, als es <strong>für</strong> die Feststellung und<br />

Beurteilung <strong>der</strong> Fehlerrisiken sowie <strong>der</strong> prüferischen Reaktionen<br />

auf die beurteilten Fehlerrisiken erfor<strong>der</strong>lich ist.” (IDW PS 261<br />

(35)).<br />

• Trennung von Erfassungs-, Verarbeitungs- und Kontrollsystem in praxi nicht möglich,<br />

weil:<br />

- Erfassungs-, Verarbeitungs- und Kontrollhandlungen wechseln im Bearbeitungsprozess<br />

einan<strong>der</strong> ab.<br />

- Einzelne Erfassungs- und Verarbeitungsschritte besitzen gleichzeitig Kontrollaspekte<br />

(Bsp.: Bei anschließenden Ist-Ist-Vergleichen!).<br />

- IKS ohne Erfassungs- und Verarbeitungssystem undenkbar.<br />

Risikomanagementsystem (RMS)<br />

• Bei einer Aktiengesellschaft, die Aktien mit amtlicher Notierung ausgegeben hat,<br />

ist vom Abschlussprüfer im Rahmen <strong>der</strong> Prüfung zu beurteilen, ob <strong>der</strong> Vorstand<br />

ein geeignetes Überwachungssystem i. S. d. § 91 AktG eingerichtet hat und ob<br />

das eingerichtete System seine Aufgaben erfüllen kann (§ 317 dHGB).<br />

• Das Risikomanagementsystem (RMS) hat die Aufgabe, unternehmensrelevante<br />

Risiken zu identifizieren, zu erfassen und spätestens dann, wenn sie<br />

<strong>für</strong> das Unternehmen wesentlich werden bzw. sie Unternehmen in seinem<br />

Fortbestand gefährden könnten, zu kanalisieren bzw. abzuwehren.<br />

• Das RMS ist integraler Bestandteil des Internen Überwachungssystem.<br />

• Hinsichtlich <strong>der</strong> Prüfung des RMS sind die Grundsätze <strong>der</strong> Systemprüfung zu<br />

beachten (vgl. IDW PS 340).<br />

61


Ablauf <strong>der</strong> Systemprüfung:<br />

1. Systemerfassung,<br />

2. Systemdokumentation,<br />

3. Systemtests,<br />

4. Systembeurteilung.<br />

Zu 1.: Systemerfassung<br />

Prüfungstechnik<br />

• Für Beurteilung ist notwendig: Die Kenntnis des Systems, d. h. die Systemerfassung<br />

ist die Ermittlung <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> einzelnen Bearbeitungsvorgänge, <strong>der</strong> zugehörigen<br />

Kontroll- und Korrekturhandlungen sowie <strong>der</strong> Anordnung <strong>der</strong> einzelnen Bearbeitungs-,<br />

Kontroll- und Korrekturhandlungen sowie <strong>der</strong> personellen Zuordnung.<br />

• Das IKS-gestützte Erfassungs-, Verarbeitungs- und Auswertungssystem wird vor<br />

allem im Hinblick auf seine<br />

- Aufgabentrennungen,<br />

- Funktionstrennungen,<br />

- Kompetenzbündelungen,<br />

- Aufgabenvervielfachungen und<br />

- organisatorischen Rahmenbedingungen<br />

geprüft.<br />

Aufgaben Funktionen<br />

Bildung Glie<strong>der</strong>ung Trennung<br />

Maßnahmen <strong>der</strong> formalen<br />

Strukturierung<br />

Gestaltungselemente <strong>der</strong> Aufbau- und Ablauforganisation<br />

Kompetenzen<br />

Bündelung<br />

Maßnahmen <strong>der</strong> Zuweisung an<br />

einen Mitarbeiter<br />

Verantwortlichkeiten<br />

Zusammenfassung<br />

mehrere<br />

Mitarbeiter<br />

gemeinsam<br />

Abb. 10: Möglichkeiten zuverlässigkeitssteigern<strong>der</strong> Organisationsmaßnahmen<br />

62


Prüfungstheorie<br />

• Die tatsächlichen Kopplungsbeziehungen im Rechnungswesen des zu prüfenden<br />

Unternehmens sind auf ihre Zuverlässigkeitswirkungen zu analysieren.<br />

Hier<strong>für</strong> hat sich <strong>der</strong> Prüfer Soll-Vorstellungen zu bilden:<br />

a) über die erfor<strong>der</strong>lichen organisatorischen Maßnahmen <strong>für</strong> ein funktionierendes<br />

IKS und<br />

b) über den vom IKS insgesamt zu for<strong>der</strong>nden Zuverlässigkeitsgrad.<br />

• Vier Möglichkeiten <strong>der</strong> Systemerfassung:<br />

1. Systemerfassung durch eigene Beobachtungen <strong>der</strong> zu erfassenden Abläufe.<br />

• Beurteilung:<br />

- Sehr zuverlässige und vollständige Informationen (allerdings Fehlbeurteilungsgefahr<br />

durch "Hawthorne-Effekte"),<br />

- sehr aufwendig, vor allem wenn bereits vollzogene Abläufe bei Anwesenheit<br />

des Prüfers wie<strong>der</strong>holt werden.<br />

2. Auswertung vorhandener Unterlagen <strong>der</strong> zu prüfenden Unternehmung wie<br />

Organisationspläne, Stellenbeschreibungen o<strong>der</strong> durch Innenrevision erstellte<br />

Systemdokumentationen.<br />

• Beurteilung:<br />

- Abweichung des in den Unterlagen dokumentierten vom tatsächlich<br />

realisierten IKS möglich,<br />

- Än<strong>der</strong>ung des Systems im Laufe des Geschäftsjahres (vor Erscheinen<br />

des Prüfers) möglich<br />

⇒ Folgende Informationen sind dann notwendig:<br />

-- Wann ist das System geän<strong>der</strong>t worden?<br />

-- Sind alle Fälle vom "neuen" System erfasst worden?<br />

63


3. Fragebogentechnik<br />

Prüfungstechnik<br />

• Mit Hilfe meist standardisierter Fragebögen wird erfragt, wie das System<br />

arbeitet bzw. arbeiten soll.<br />

⇒ Fixierung <strong>der</strong> Antworten ergibt ein Bild des geplanten Systems.<br />

• Arten von Fragebogen:<br />

- Fragen in geschlossener Form:<br />

-- Nur Ja-/Nein-Antworten möglich, wobei Ja-Antworten Systemstärken,<br />

Nein-Antworten Systemschwächen kennzeichnen.<br />

-- Beurteilung:<br />

Hoher Rationalisierungseffekt, aber sehr starr und befragte<br />

Personen wissen schnell, was und wie sie antworten müssen,<br />

um eine ”gute” Beurteilung zu erhalten. Dadurch ist eine<br />

Fehlbeurteilung möglich.<br />

- Fragen in offener Form:<br />

-- Antwort unter näherer Darstellung des Sachverhalts.<br />

-- Beurteilung:<br />

Geringerer Rationalisierungseffekt, aber flexible Antworten<br />

möglich, dadurch geringere Gefahr <strong>der</strong> Fehlbeurteilung.<br />

⇒ Kombination bei<strong>der</strong> Fragebogentechniken!<br />

• Beispielfragen zur Prüfung des IKS <strong>für</strong> den Bereich <strong>der</strong> Verbindlichkeiten:<br />

- Liegt ein Organisationsplan und ein Verzeichnis aller Mitarbeiter<br />

<strong>der</strong> Buchführung vor?<br />

- Sind die Aufgabenbereiche <strong>der</strong> Mitarbeiter beschrieben und klar<br />

abgegrenzt?<br />

- Welche Bücher werden im einzelnen geführt?<br />

- Erfüllen Art und Anzahl <strong>der</strong> Bücher die gesetzlichen Vorschriften?<br />

- Sind auf den Konten Datum, Belegnummer, Buchungstext und<br />

Gegenkonto angegeben?<br />

- In welchen Abständen werden Abstimmungen vorgenommen und<br />

liegen über die Ergebnisse schriftliche Unterlagen vor?<br />

64


Prüfungstheorie<br />

- Wie werden Falschbuchungen behandelt?<br />

- Ist die Prüfspur gesichert, auch wenn <strong>der</strong> Buchungsstoff gruppenweise<br />

gebucht worden ist, im Journal und auf den Sachkonten?<br />

4. Erfassung des Systems durch Ziehung von Wurzelstichproben (= bidirektionale<br />

Systemprüfung)<br />

Zu 2.: Systemdokumentation<br />

• Systemdokumentation kann gleichzeitig mit Erfassung z. B. durch ausführliches<br />

Aufschreiben <strong>der</strong> Antworten auf den Fragenkatalog erfolgen.<br />

• Darstellungstechniken:<br />

- Ablaufdiagramme,<br />

- Flow Charts.<br />

• Für die Technik <strong>der</strong> Systemdokumentation ist entscheidend,<br />

Zu 3.: Systemtests<br />

- ob das Prüfungsunternehmen einen Fragebogen besitzt,<br />

- ob sich das jeweilige IKS des zu prüfenden Unternehmens durch einen standardisierten<br />

und deshalb relativ starren Fragenkatalog adäquat erfassen lässt.<br />

Ziel: Abbildung eines vollständigen und genauen Bildes des konzipierten IKS.<br />

• Das realisierte IKS kann von dem geplanten bzw. konzipierten IKS aufgrund formeller<br />

und informeller Regelungen abweichen.<br />

Bsp.: Zwei Mitarbeiter, die sich gegenseitig kontrollieren sollen, sprechen sich<br />

untereinan<strong>der</strong> ab, diese Kontrollen zu unterlassen, aber sich gegenseitig<br />

die Belege abzuzeichnen:<br />

65


Prüfungstechnik<br />

- Kontrollen sind faktisch außer Kraft gesetzt,<br />

- schlägt sich in Systemerfassung i. d. R. nicht nie<strong>der</strong>.<br />

• Überprüfung anhand einiger Geschäftsvorfälle, ob vorgesehene Kontrollen auch<br />

durchgeführt wurden.<br />

Wenn ein sichtbarer Kontrollpfad vorhanden ist (z. B. Namenszeichen), dann<br />

ist dieses ein Indiz da<strong>für</strong>, dass Kontrollhandlungen ausgeführt wurden. Ein Indiz<br />

ist aber kein Beweis!<br />

• Feststellung <strong>der</strong> Existenz und Wirksamkeit von Kontrollen durch die Eingabe<br />

falscher fiktiver Daten in das System durch den Prüfer und Ermittlung, ob und<br />

wie das IKS die Fehler aufdeckt.<br />

• Beurteilung:<br />

- Sehr aufwendig, fiktive Geschäftsvorfälle nach Tests aus Datenmaterial zu<br />

eliminieren.<br />

• Weicht geplantes vom realisierten System ab ⇒ Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Systemdokumentation.<br />

• Um zu beurteilen, ob ein System wie geplant funktioniert und mit welcher Zuverlässigkeit<br />

Fehler entdeckt und korrigiert werden, muss <strong>der</strong> Prüfer Stichproben<br />

aus dem Datenstrom ziehen und aus dem Ergebnis auf die Wirksamkeit aller<br />

Kontrollen schließen.<br />

• Unzuverlässige Kontrollen sind als Systemschwächen zu kennzeichnen.<br />

• Problem: Die Funktionsfähigkeit eines Systems ist nicht nur zu einem Zeitpunkt,<br />

son<strong>der</strong>n während des relevanten Prüfungszeitraums, also<br />

des gesamten GJ zu beurteilen.<br />

⇒ - Die Systemtests haben sich auf Geschäftsvorfälle zu erstrecken, die aus<br />

dem gesamten zu beurteilenden Zeitraum ausgewählt werden.<br />

- Wenn keine Systemtests <strong>für</strong> den gesamten Zeitraum möglich sind, dann<br />

ist eine umfangreichere Jahresabschlusszahlenprüfung erfor<strong>der</strong>lich.<br />

• Erfolgen Systemprüfungen während einer Zwischenprüfung im laufenden Geschäftsjahr,<br />

muss bei <strong>der</strong> Hauptprüfung nach Abschluss des Geschäftsjahres<br />

festgestellt werden, ob das System auch in <strong>der</strong> Zwischenzeit einwandfrei gearbeitet<br />

hat.<br />

66


Zu 4.: Systembeurteilung<br />

Prüfungstheorie<br />

• Vergleich des vom Prüfer festgestellten Ist-Systems mit einem von ihm gedanklich<br />

gebildeten Soll-System (vgl. Block 5 in Abb. 11).<br />

• Fehlende o<strong>der</strong> mangelhafte Kontrollen müssen als Schwachstellen gekennzeichnet<br />

werden, da dort erhöhte Gefahr besteht, dass Fehler entstehen und nicht entdeckt<br />

werden.<br />

• Fehlererwartungen determinieren weitere Prüfungshandlungen. (Vgl. Anschlussstellen<br />

zwischen "Systemprüfung" und "Jahresabschlusszahlenprüfung": Abb. 11<br />

und Abb. 12).<br />

• Bei <strong>der</strong> Systembeurteilung muss <strong>der</strong> Prüfer nicht nur einzelne Kontrollen, son<strong>der</strong>n<br />

auch die Systemabläufe im Zusammenhang beurteilen.<br />

• Aufbauend auf <strong>der</strong> Systemprüfung muss <strong>der</strong> Prüfer bei nachfolgen<strong>der</strong> Ergebnisprüfung<br />

(d. h. Jahresabschlusszahlenprüfung) feststellen, ob tatsächlich wesentliche<br />

Fehler an Schwachstellen entstanden sind.<br />

• Der Prüfer hat durch IKS-Analyse Informationen darüber,<br />

- welche Fehlerarten er an<br />

- welchen Stellen im Erfassungs-, Verarbeitungs- und Kontrollsystem<br />

- in welchen Zeiträumen<br />

- in welchem Ausmaß (Unzuverlässigkeit des Teilsystems) erwarten kann.<br />

• Gezielte Festlegung <strong>der</strong> weiteren Prüfungshandlungen nach Art, Umfang und Zeitpunkt<br />

möglich.<br />

67


Prüfer wählt aus allen<br />

Normen die <strong>für</strong> sein<br />

Prüfungsobjekt relevanten<br />

Normen aus<br />

(b) Zuverlässigkeit<br />

Relevante Normen<br />

<strong>für</strong> Prüfungsobjekt<br />

1<br />

3<br />

Prüfer bildet sich<br />

Sollvorstellungen<br />

nach Gesetz, Satzung<br />

GoB, GoA und an<strong>der</strong>en<br />

Normen über die an<br />

das Prüfungsobjekt<br />

zu stellenden Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

im Hinblick<br />

auf :<br />

(a) Funktions- und<br />

Aufgabentrennungen<br />

sowie Kompetenzbündelungen,Aufgabenvervielfachungen<br />

und organisatorische<br />

Rahmenbedingungen<br />

Interdependenzen<br />

Soll-Or-<br />

ganisation<br />

Soll-Zuver-<br />

lässigkeit<br />

Vorinformationen<br />

über Stärken und<br />

Schwächen des<br />

Systems<br />

(Urteil über das Erfassungs-/Verarbeitungs-/Überwachungssystem)<br />

Start<br />

Prüfungstechnik<br />

Normen: GoB, Gesetz, Satzung, GoA, Auftrag<br />

2<br />

(1) Prüfer wählt<br />

aus dem Rechnungswesen<br />

bzw. dem Internen<br />

Erf.-, Verarb.- und<br />

Überwachungssystem<br />

Unterlagen zur flächendeckendenErmittlung<br />

<strong>der</strong> Ablauforganisation<br />

des Systems<br />

(2)Test des erm. Systems<br />

anhand von abgewickeltenGeschäftsvorfällen<br />

Prüfer ermittelt die 4<br />

angewandten Aufgabenund<br />

Funktionstrennungen,<br />

die Kompetenzbündelungen,<br />

Aufgabenvervielfachungen<br />

und die organisatorischen<br />

Rahmenbedingungen des<br />

Systems anhand <strong>der</strong><br />

flächendeckenden<br />

Unterlagen<br />

Ist-Organisation<br />

5<br />

Prüfer vergleicht<br />

Ist-(I) Ablauforganisation<br />

und Soll-(S)<br />

Ablauforganisation<br />

S-I-Abweichung<br />

Prüfer vergleicht<br />

Ist-Zuverlässigkeit<br />

mit Soll-Zuverlässigkeit<br />

S-I-Zuverlässigkeitsabweichung<br />

8<br />

Prüfer beurteilt S-I-<br />

Abweichung bezüglich<br />

Zuverlässigkeit<br />

Information über ausgewählte<br />

Bereiche<br />

und Geschäftsvorfälle<br />

und (spätere) Rückgabe<br />

<strong>der</strong> Unterlagen<br />

Erhalt <strong>der</strong> Unterlagen<br />

Prüfer urteilt 6<br />

über organisatorische<br />

Systemstärken und<br />

-schwächen und Aufgrund des Ur-<br />

Prüfer ermittelt anteils zur Korrekhand<br />

<strong>der</strong> zufällig ausgewähltenTest-Getur<br />

durch das<br />

schäftsvorfälle die Unternehmen<br />

tatsächlich erreichte<br />

Zuverlässigkeit<br />

Ist-Zuverlässigkeit<br />

7<br />

Vorinformationen<br />

bzgl. Zuverlässigkeit<br />

etc. <strong>für</strong> die Jahresabschlußzahlenprüfung<br />

Aufgrund des<br />

Urteils zur<br />

Korrektur<br />

durch das<br />

Unternehmen<br />

Normen <strong>für</strong> Sollobjekte<br />

Rechtliche <strong>Grundlagen</strong><br />

und Informationen<br />

über:<br />

Geschäftsvorfälle<br />

Belegerstellung<br />

Kontierung<br />

Buchung<br />

Kontenabschluß<br />

Hauptabschlußübersicht<br />

Jahresabschluß<br />

System- o<strong>der</strong><br />

Ergebnis-<br />

Korrektur durch<br />

das Unternehmen<br />

Istobjekte <strong>der</strong> Jahresabschlußzahlenprüfung<br />

zur Korrektur durch<br />

das Unternehmen<br />

0<br />

Erfassungs-, Verarbeitungs- und Überwachungssysteme des Rechnungswesens <strong>der</strong> zu prüfenden Unternehmung<br />

Informationen<br />

über ausgewählte<br />

und erhaltene<br />

Istobjekte<br />

1 3 2 4 5<br />

Abb. 11: Blockdiagramm über den Ablauf <strong>der</strong> Systemprüfung<br />

68


Prüfungstheorie<br />

223.2 Prüfung <strong>der</strong> Jahresabschlusszahlen (Ergebnisprüfung)<br />

223.21 Vorbemerkung<br />

Jahresabschlusszahlenprüfung:<br />

Prüfung <strong>der</strong> realitätsgerechten Abbildung einzelner Geschäftsvorfälle; richtet sich auf<br />

die in Konten dokumentierten Verarbeitungsergebnisse.<br />

Notwendigkeit <strong>der</strong> Jahresabschlusszahlenprüfung:<br />

1. Der Prüfer muss sich davon überzeugen, ob Schwächen im IÜS tatsächlich zu<br />

Fehlern geführt haben.<br />

2. Auch wenn ein wirksam konzipiertes und zuverlässig arbeitendes IÜS die Wahrscheinlichkeit<br />

von Fehlern min<strong>der</strong>t, kann die Existenz von Fehlern niemals ganz<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Ursachen von Fehlern bei einem guten IÜS:<br />

a) Ein IKS arbeitet nie mit 100%iger Zuverlässigkeit, son<strong>der</strong>n es verbleibt<br />

stets ein bestimmter Unzuverlässigkeitsbereich.<br />

b) Die Umgehung von Kontrollmaßnahmen ist möglich.<br />

c) Fehler können oberhalb <strong>der</strong> Ebene des IÜS entstehen. Hierzu zählen vor<br />

allem über Bilanzpolitik hinausgehende (= manipulierende) Maßnahmen<br />

<strong>der</strong> Unternehmensleitung.<br />

⇒ Fehler, die trotz IÜS auftreten, können nur durch detaillierte Prüfung <strong>der</strong><br />

Jahresabschlusszahlen entdeckt werden. Eine Systemprüfung muss immer<br />

durch die Prüfung <strong>der</strong> Jahresabschlusszahlen ergänzt werden.<br />

223.22 Analytische Prüfungshandlungen<br />

Anwendungsbereich, Gegenstand und Umfang analytischer Prüfungshandlungen ist<br />

geregelt in IDW PS 312.<br />

Analytische Prüfungshandlungen spielen <strong>für</strong> die Wirtschaftlichkeit, aber auch <strong>für</strong> die<br />

Effektivität einer Abschlussprüfung eine bedeutende Rolle, da durch sie die aussagebezogenen<br />

Einzelfallprüfungen und damit <strong>der</strong> Prüfungsumfang insgesamt zur Gewinnung<br />

eines hinreichend sicheren Prüfungsurteils reduziert werden.<br />

Analytische Prüfungshandlungen sind Plausibilitätsbeurteilungen von Verhältniszahlen<br />

und Trends, mit <strong>der</strong>en Hilfe auffällige Abweichungen aufgezeigt werden sollen.<br />

69


Prüfungstechnik<br />

Bei einer Plausibilitätsbeurteilung handelt es sich somit um eine indirekte Prüfungsmethode,<br />

die im Rahmen des Soll-Ist-Vergleichs nicht eine exakte Gleichheit zwischen<br />

Soll-Objekt und Ist-Objekt, son<strong>der</strong>n eine sachlogische Übereinstimmung (Plausibilität)<br />

feststellt.<br />

Es werden nur Gruppenergebnisse d.h. verdichtete Jahresabschlussinformationen und<br />

nicht einzelne Geschäftsvorfälle o<strong>der</strong> Bestände miteinan<strong>der</strong> verglichen.<br />

Analytische Prüfungshandlungen bestehen grundsätzlich aus drei Komponenten:<br />

• Prognose (des Soll-Objektes),<br />

• Vergleich (des Ist-Objektes mit dem Soll-Objekt),<br />

• Beurteilung (<strong>der</strong> Soll-Ist-Differenz).<br />

Analytische Prüfungshandlungen umfassen beispielsweise Vergleiche zu beurteilen<strong>der</strong><br />

Daten mit:<br />

• Informationen aus Vorjahren (innerbetriebliche Vergleiche),<br />

• Vom Unternehmen erwarteten Ergebnissen (Budgetierung und Prognosen),<br />

• Erwartungen des AP über die Fortentwicklung im Unternehmen,<br />

• Branchenspezifischen Kennzahlen, wie das Verhältnis von Umsätzen zu den For<strong>der</strong>ungen<br />

des Unternehmens verglichen mit Branchendurchschnittszahlen o<strong>der</strong> verglichen<br />

mit an<strong>der</strong>en Unternehmen vergleichbarer Größe in <strong>der</strong>selben Branche (zwischenbetriebliche<br />

Vergleiche).<br />

Des Weiteren beinhalten analytische Prüfungshandlungen auch die Beurteilung von<br />

Zusammenhängen:<br />

• zwischen einzelnen finanziellen Informationen, die nach den Erfahrungen des Unternehmens<br />

erwartungsgemäß einem vorhersehbaren Muster entsprechen, wie die Bruttogewinnspannen,<br />

• zwischen finanziellen und wichtigen nicht-finanziellen Informationen, wie das Verhältnis<br />

von Lohn- und Gehaltskosten zu <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Arbeitnehmer.<br />

Voraussetzung aussagefähiger analytischer Prüfungshandlungen ist grundsätzlich die<br />

Zuverlässigkeit des zur Verfügung gestellten Datenmaterials sowie eine stetige Bilanzierung.<br />

Bei wesentlichen Posten darf <strong>der</strong> AP das Prüfungsurteil nicht ausschließlich auf die<br />

Ergebnisse analytischer Prüfungshandlungen stützen. Hier ist eine detaillierte Prüfung<br />

von Geschäftsvorfällen und/o<strong>der</strong> Beständen erfor<strong>der</strong>lich.<br />

70


Prüfungstheorie<br />

223.23 Prüfung von Geschäftsvorfällen und Beständen<br />

1 3 2 4 5<br />

Allgemeine<br />

Normen<br />

Prüfer erstellt Sollobjekte<br />

zu den ausgewählten<br />

Istobjekten<br />

Prüfer vergleicht<br />

Soll- und Istobjekte<br />

in <strong>der</strong> Jahresabschlußzahlenprüfung<br />

Prüfer beurteilt<br />

S-I-Abweichungen<br />

Prüfer bildet sich ein<br />

Urteil aus <strong>der</strong><br />

Jahresabschlußzahlenprüfung<br />

Prüfer vergleicht<br />

Zuverlässigkeit aus<br />

Systemprüfung mit<br />

<strong>der</strong> aus Jahresabschlußzahlenprüfung<br />

Zuverlässigkeit<br />

aus<br />

Systemprüfung<br />

größer?<br />

Nein<br />

9<br />

Sollobjekte<br />

11<br />

S-I-Abweichungen<br />

12<br />

15<br />

Istobjekte<br />

Vorinformationen<br />

bzgl. Zuverlässigkeit<br />

etc. <strong>für</strong> die<br />

Jahresabschlußzahlenprüfung<br />

Interdependenzen<br />

Schwere <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Jahresabschlußzahlenprüfung<br />

entdeckten<br />

Fehler<br />

13<br />

Ja<br />

Vorinformationen über Stärken<br />

und Schwächen des Systems<br />

10<br />

Prüfer wählt Ist-<br />

Objekte aus dem Rechnungswesen<br />

<strong>der</strong> zu<br />

prüfenden Unternehmung<br />

<strong>für</strong> die verschiedenenAuswahlprüfungen<br />

aus<br />

Istobjekte zur Korrektur durch das<br />

Unternehmen, Information an Vorstand<br />

Rückgabe <strong>der</strong> Istobjekte an das Unternehmen<br />

(u. U. Vorstand)<br />

Prüfer faßt Ergebnisse<br />

aus SystemundJahresabschlußzahlenprüfung<br />

zusammen<br />

Urteil wird den Adressaten<br />

mitgeteilt<br />

Informationen<br />

über ausgewählte<br />

und erhaltene Istobjekte<br />

14<br />

Prüfungsergebnis<br />

16<br />

Adressateninformationen<br />

(Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB<br />

und Prüfungsbericht nach § 321 HGB)<br />

Abb. 12: Blockdiagramm über den Ablauf <strong>der</strong> Jahresabschlusszahlenprüfung<br />

71<br />

Rückgabe<br />

von Istobjekten<br />

zur<br />

Korrektur<br />

Rückgabe<br />

von Istobjekten<br />

ohne<br />

Korrektur


23 Umfang <strong>der</strong> Prüfungshandlungen<br />

Prüfungstechnik<br />

231. Determinanten des Prüfungsumfangs<br />

§ 317 dHGB bzw. § 269 UGB regelt Gegenstand und Umfang <strong>der</strong> Prüfung <strong>für</strong> Einzel-<br />

und Konzernabschluss.<br />

• Der Prüfungsumfang ist im Gesetz nicht eindeutig festgelegt.<br />

• Das Gesetz nennt aber die Determinanten des Prüfungsumfangs:<br />

1. Den Prüfungsgegenstand, denn Zahl und Komplexität <strong>der</strong> vom Abschlussprüfer<br />

zu beurteilenden Elemente des Prüfungsgegenstands bestimmen wesentlich<br />

den Umfang <strong>der</strong> Prüfung.<br />

2. Die vom Prüfer gefor<strong>der</strong>ten Aussagen über den Prüfungsgegenstand:<br />

- Der Prüfer muss so prüfen, dass er beurteilen kann, ob:<br />

-- <strong>der</strong> Jahresabschluss den "gesetzlichen Vorschriften und sie ergänzenden<br />

Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Satzung"<br />

(§ 317 Abs. 1 Satz 2 dHGB bzw. § 269 Abs. 1 Satz 2 UGB) entspricht<br />

und<br />

-- "<strong>der</strong> Lagebericht mit dem Jahresabschluß ... mit den bei <strong>der</strong> Prüfung<br />

gewonnenen Erkenntnissen des Abschlußprüfers in Einklang“<br />

steht und, „ob <strong>der</strong> Lagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstellung<br />

von <strong>der</strong> Lage des Unternehmens ... vermittelt.“ (§ 317 Abs. 2<br />

Satz 1 dHGB) bzw. „<strong>der</strong> Lagebericht mit dem Jahresabschluß ... in<br />

Einklang“ steht und, „ob die sonstigen Angaben im Lagebericht<br />

nicht eine falsche Vorstellung von <strong>der</strong> Lage des Unternehmens ...<br />

erwecken“ (§ 269 Abs. 1 Satz 3 UGB)<br />

-- ”die Chancen und Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung zutreffend<br />

dargestellt sind“ (§ 317 Abs. 2 Satz 2 dHGB).<br />

-- ”<strong>der</strong> Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 des Aktiengesetzes obliegenden<br />

Maßnahmen in einer geeigneten Form getroffen hat und<br />

ob das danach einzurichtende Überwachungssystem seine Aufgaben<br />

erfüllen kann.” (§ 317 Abs. 4 dHGB) Diese Regelung ist indes<br />

nur zwingend auf Aktiengesellschaften anzuwenden, die Aktien mit<br />

amtlicher Notierung ausgegeben haben.<br />

• Die gesetzlichen Vorschriften setzten lediglich Rahmenbedingungen, innerhalb<br />

<strong>der</strong>er es dem Abschlussprüfer obliegt ”Art und Umfang <strong>der</strong> im Einzelfall erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Prüfungshandlungen im Rahmen <strong>der</strong> Eigenverantwortlichkeit nach pflichtgemäßem<br />

Ermessen zu bestimmen.” (IDW PS 200 Tz. 18)<br />

72


Prüfungstheorie<br />

Die GoA konkretisieren den Prüfungsumfang:<br />

• Ein vertrauenswürdiges Urteil muss ein hohes Maß an Genauigkeit und Sicherheit<br />

aufweisen.<br />

• Sicherheit kennzeichnet die Wahrscheinlichkeit/Zuverlässigkeit, mit <strong>der</strong> ein Urteil<br />

zutrifft. Genauigkeit ist ein Maß <strong>für</strong> die Exaktheit eines Urteils.<br />

• Aufgabe <strong>der</strong> GoA ist es, diejenigen Sicherheits- und Genauigkeitsgrade festzulegen,<br />

die <strong>für</strong> eine konkrete Prüfungsaufgabe angemessen sind.<br />

• Bei Schätzungen stehen Sicherheit und Genauigkeit in einem Spannungsverhältnis.<br />

Bei gegebenem Stichprobenumfang steigt die Sicherheit, wenn die Genauigkeit abnimmt,<br />

wenn also das Intervall vergrößert wird:<br />

100% Sicherheit<br />

0% Sicherheit<br />

1<br />

0,5<br />

0<br />

W<br />

0<br />

absolute (100 %)<br />

Genauigkeit<br />

1 2<br />

U<br />

Ungenauigkeit,<br />

Breite des<br />

Schätzintervalls<br />

Abb. 13: Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Genauigkeit des Prüfungsurteils<br />

73


Prüfungstechnik<br />

• Der HFA des IdW legt die Vorgabe des erfor<strong>der</strong>lichen Sicherheits- und Genauigkeitsgrades<br />

weitgehend in das Ermessen des verantwortlichen Abschlussprüfers.<br />

• Zum erfor<strong>der</strong>lichen Sicherheitsgrad sagt <strong>der</strong> HFA:<br />

"Bei <strong>der</strong> Festlegung des erfor<strong>der</strong>lichen Sicherheitsgrades <strong>für</strong> eine statistische Aussage muß<br />

<strong>der</strong> Prüfer gewissenhaft abwägen, ob das bei je<strong>der</strong> Stichprobenprüfung in Kauf zu nehmende<br />

Risiko eines unzutreffenden Urteils über das untersuchte Prüfgebiet im Rahmen<br />

des Gesamturteils seiner Prüfung noch vertretbar ist." (HFA, Stellungnahme 1/1988,<br />

Abschn. D III 2 b)).<br />

• Im Zweifel sollten die Teilurteile mit mindestens 95%iger Sicherheit abgegeben<br />

werden, um die Vertrauenswürdigkeit des Urteils je<strong>der</strong>zeit zu gewährleisten.<br />

• Den Genauigkeitsgrad, d. h. die Breite des Toleranzbereichs muss <strong>der</strong> Prüfer:<br />

"Nach <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> im Prüfgebiet festgestellten Fehler und nach ihren möglichen Auswirkungen<br />

auf die Rechnungslegung ... von Fall zu Fall festlegen." (HFA, Stellungnahme<br />

1/1988, Abschn. D III 2 c)).<br />

• Als Kriterien <strong>für</strong> den Genauigkeitsgrad nennt <strong>der</strong> HFA:<br />

- Die Bedeutung im Prüfgebiet festgestellter Fehler <strong>für</strong> das Gesamturteil,<br />

- <strong>der</strong> erwartete Fehleranteil sporadisch im Prüfgebiet auftreten<strong>der</strong> Fehler,<br />

- <strong>der</strong> Anfall systematischer o<strong>der</strong> bewusster Fehler im Prüfgebiet und<br />

- die Bedeutung des einzelnen Teilgebietes im Rahmen <strong>der</strong> Gesamtprüfung.<br />

• Im Zweifel ist ein Genauigkeitsgrad von 99 % grundsätzlich ausreichend.<br />

• Bei bewusst gesteuerten Auswahlverfahren lassen sich keine objektiv feststellbaren<br />

Sicherheits- und Genauigkeitsgrade angeben.<br />

74


232. Vollprüfung<br />

Prüfungstheorie<br />

Bei einer Vollprüfung wird das Urteil erst dann gefällt, wenn sämtliche Elemente eines<br />

Prüffeldes auf ihre urteilsrelevanten Merkmale untersucht worden sind.<br />

Das Urteil kann mit einer sehr hohen Sicherheit und Genauigkeit abgegeben werden<br />

(theoretisch sogar mit je 100%iger Sicherheit und Genauigkeit).<br />

Aber:<br />

- Eine Vollprüfung verbraucht viel Zeit und verursacht hohe Kosten.<br />

- Die Realisierung maximaler Urteilsqualität ohne Rücksicht auf die Kosten wi<strong>der</strong>spricht<br />

den Zielen <strong>der</strong> Urteilsadressaten.<br />

- Auch bei einer Vollprüfung sind Fehler des Prüfers durch Ermüdung und Irrtümer<br />

möglich (und damit auch keine 100%ige Sicherheit und Genauigkeit).<br />

- Auch Auswahlverfahren bieten hohes Maß an Sicherheit und Genauigkeit.<br />

- Der Grundsatz <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit ist als GoA allgemein anerkannt. Der<br />

Prüfer muss die erfor<strong>der</strong>liche Qualität seines Urteils deshalb mit möglichst geringem<br />

Aufwand erzielen.<br />

Deshalb:<br />

Vollprüfung nur bei Prüfungsfel<strong>der</strong>n mit hoher Bedeutung, z. B. Prozessrückstellungen.<br />

Vollprüfung kommt vor allem dann und bei Prüfungsfel<strong>der</strong>n in Betracht, wenn die<br />

Risiken aus <strong>der</strong> individuellen Sensitivitätsanalyse (INSA) bei Moody‘s RiskCalc einen<br />

sehr hohen Einfluss auf eine deutliche Risikoerhöhung <strong>für</strong> den Fortbestand des<br />

Unternehmens signalisieren.<br />

75


233. Auswahlprüfung<br />

233.1 Überblick zu den Verfahren<br />

Prüfungstechnik<br />

Anwendung <strong>der</strong> Auswahlprüfung, wenn eine vollkommene Sicherheit bei verlangter<br />

Mindestgenauigkeit des Gesamturteils über einen Prüfungskomplex nicht verlangt wird<br />

(und das ist <strong>der</strong> Regelfall).<br />

• Auswahlprüfung = Prüfung einer möglichst repräsentativen Auswahl von Ist-<br />

Objekten (= Stichprobenelemente, n) aus <strong>der</strong> Menge des<br />

Prüfungskomplexes (= Grundgesamtheit, N). Vom Ergebnis<br />

<strong>der</strong> Auswahlprüfung wird dann auf alle, auch auf<br />

die nicht geprüften Sachverhalte geschlossen und ein Prüfungsurteil<br />

gebildet.<br />

• Zweck <strong>der</strong> Auswahlprüfung: Reduzierung des Prüfungsumfangs und <strong>der</strong> Prüfungszeit,<br />

d. h. kostengünstigere Durchführung von Prüfungen.<br />

Aber: Unentdeckte Fehler müssen in Kauf genommen werden.<br />

• Stellungnahme HFA 1/1988, Abschn. A:<br />

"Der Abschlußprüfer (hat) Art und Umfang seiner Prüfungshandlungen gewissenhaft<br />

und mit berufsüblicher Sorgfalt ... zu bestimmen, so daß ihm unter Beachtung <strong>der</strong> Wesentlichkeit<br />

die gefor<strong>der</strong>te sichere (und genaue) [Ergänzungen in runden Klammern<br />

durch den Verfasser] Beurteilung <strong>der</strong> Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit <strong>der</strong> Rechnungslegung<br />

möglich ist. Um diese Zielsetzung <strong>der</strong> Abschlußprüfung im Rahmen <strong>der</strong> gebotenen<br />

Wirtschaftlichkeit und Termingerechtigkeit <strong>der</strong> Prüfung zu erreichen, ist im allgemeinen<br />

<strong>der</strong> Einsatz stichprobengestützter Prüfungsmethoden (zufallsgesteuerter Auswahlverfahren)<br />

erfor<strong>der</strong>lich, aber auch ausreichend."<br />

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die möglichen Verfahren <strong>der</strong> Auswahlprüfung:<br />

76


Auswahlverfahren<br />

Zufallsgesteuerte<br />

Auswahl<br />

Systematisch gesteuerte<br />

Auswahl<br />

Mit ergebnisabhängigem<br />

Stichprobenumfang<br />

Mit vorgegebenem<br />

Stichprobenumfang<br />

Auswahl <strong>der</strong> Prüfungsgegenstände<br />

nach dem<br />

Fehlerrisiko<br />

Auswahl nach <strong>der</strong><br />

Bedeutung <strong>der</strong><br />

Prüfungsgegenstände<br />

Abb. 14: Verfahren <strong>der</strong> Auswahlprüfung<br />

Prüfungstheorie<br />

Detektivische<br />

Auswahl<br />

Auswahl typischer<br />

Elemente<br />

Konzentrationsauswahl<br />

77<br />

Mit unterschiedlichen Auswahlwahrscheinlichkeiten<br />

Mit gleichen Auswahlwahrscheinlichkeiten<br />

Sequentialtestverfahren<br />

Wertproportionale<br />

Auswahl<br />

(BPA) *)<br />

Geschichtete<br />

Auswahl<br />

"Unechte"<br />

o<strong>der</strong><br />

"systematische"<br />

Zufallsauswahl<br />

"Echte"<br />

Zufallsauswahl<br />

*) BPA = Betragsproportionale<br />

Auswahl


233.2 Bedeutung von Vorinformationen<br />

Prüfungstechnik<br />

Die Verlässlichkeit des Prüferurteils, d. h. <strong>der</strong> Grad an Sicherheit und Genauigkeit des Urteils,<br />

ist abhängig von:<br />

• <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> untersuchten Elemente (n) im Verhältnis zur Zahl aller Elemente (N),<br />

• <strong>der</strong> sachgerechten Anwendung <strong>der</strong> Verfahren und<br />

• dem Grad <strong>der</strong> Zuverlässigkeit <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> Verfahren benutzten Informationen<br />

über das Prüfungsgebiet (Vorinformationen) zur Auswahl <strong>der</strong> Elemente.<br />

Nützliche Informationen sind bspw. Angaben über<br />

• den absoluten und relativen Wert einzelner Geschäftsvorfälle,<br />

• die Bedeutung eines Prüffeldes <strong>für</strong> das Gesamturteil,<br />

• die wirtschaftliche Lage des zu prüfenden Unternehmens,<br />

• den Schwierigkeitsgrad <strong>der</strong> Buchungsvorgänge,<br />

• die Qualifikation des Buchhaltungs- bzw. Rechnungswesenpersonals,<br />

• die Kenntnis von Vorjahresfehlern.<br />

Das IDW (FG 1/1977 und 1/1988 sowie HFA 1/1988) verpflichtet den Prüfer, vor Anwendung<br />

eines Auswahlverfahrens solche Informationen zu beschaffen und auszuwerten:<br />

• "Unter Berücksichtigung des Grundsatzes <strong>der</strong> Wesentlichkeit und des Fehlerrisikos wird <strong>der</strong><br />

Abschlußprüfer seine Prüfungshandlungen auf <strong>der</strong> Grundlage von Stichproben (gemeint sind<br />

Auswahlverfahren) vornehmen". (FG 1/1988, Abschn. D II 1. Anm. 1).<br />

• Prüffel<strong>der</strong> sind im Hinblick auf die Bedeutung (Wesentlichkeit) <strong>der</strong> im Prüffeld<br />

enthaltenen Elemente, gemessen an ihrem absoluten o<strong>der</strong> relativen Wert <strong>für</strong> das<br />

Prüfungsurteil, zu analysieren.<br />

• Prüfer benötigt Vorinformationen, die ihm gestatten, das Fehlerrisiko, d. h. die<br />

Wahrscheinlichkeit von Fehlern o<strong>der</strong> von Verstößen gegen die Rechnungslegungsvorschriften,<br />

abzuschätzen.<br />

- FG 1/1977: "Das Fehlerrisiko im Rahmen <strong>der</strong> Rechnungslegung hängt<br />

u. a. ab von Art, Größe und wirtschaftlicher Lage des zu prüfenden<br />

Unternehmens sowie von Verwertbarkeit und Art <strong>der</strong><br />

Vermögensgegenstände bzw. Schulden. Bei <strong>der</strong> Abschätzung<br />

des Fehlerrisikos ist <strong>der</strong> Stand des internen Kontrollsystems<br />

von Bedeutung."<br />

- Bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> wirtschaftlichen Lage resultierenden Fehlerrisiken<br />

sind grundsätzlich zwei Gruppen von Risikofaktoren zu unterscheiden:<br />

(1) Risiken aus dem Gesundheitszustand/Bestandsfestigkeit des Unternehmens<br />

und<br />

78


Quellen <strong>für</strong> Vorinformationen:<br />

Wirtschaftsprüfung I<br />

(2) Risiken aus dem Lebenswandel des Unternehmens (=künftige Geschäftsrisiken<br />

als kumulierte Gewinne/ Verluste).<br />

Beide Risikogruppen ergeben gemeinsam das Risiko des Unternehmens.<br />

Beispiel (1): Ein Unternehmen mit hoher Bestandsfestigkeit (Wi<strong>der</strong>standskraft)<br />

kann auch riskante Geschäfte eingehen. Es wird<br />

durch Verluste nicht gleich im Bestand gefährdet, son<strong>der</strong>n fe<strong>der</strong>t<br />

diese ab.<br />

Beispiel (2): Ein Unternehmen mit sehr geringer Bestandsfestigkeit wird<br />

u. U. schon bei einer Geschäftstätigkeit in einem Zweig mit<br />

geringem Son<strong>der</strong>risiko scheitern, wenn durch schwache Konjunktur<br />

eine kurzfristige Kaufzurückhaltung <strong>der</strong> Kunden ausgelöst<br />

wird.<br />

• Stand des internen Kontrollsystems/IÜS bzw. des RMS,<br />

• Betriebsbegehungen,<br />

• Analyse <strong>der</strong> Aufbau- und Ablauforganisation mit Urlaubsvertretungsregelungen,<br />

• Studium von Fehlerprotokollen,<br />

• Reklamationen von Kunden und Lieferanten,<br />

• Abstimmungsprüfungen,<br />

• Vorstichproben o<strong>der</strong> die Analyse <strong>der</strong> wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des<br />

Unternehmens,<br />

• Ermittlung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Lage mit Hilfe <strong>der</strong> Bilanzbonitätsprüfung <strong>der</strong> letzten<br />

fünf Jahre sowie des vorläufigen und später des endgültigen JA sowie <strong>der</strong> dem Bilanzstichtag<br />

folgenden zwei Jahre,<br />

• ”Qualitative Bonität” mit KNNA auf <strong>der</strong> Basis von Auskünften.<br />

79


Prüfungstechnik<br />

Beispiele <strong>für</strong> bei <strong>der</strong> Jahresabschlusszahlenprüfung benötigte Vorinformationen bei alternativen<br />

Auswahlverfahren (Übersicht aus: Baetge, J., Auswahlprüfungen auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Systemprüfung):<br />

Benötigte Vorinformationen über<br />

Höhe des Wertes (EUR-Betrags) absolut<br />

Höhe des Wertes (EUR-Betrags) relativ<br />

Ergebnis <strong>der</strong> ABC-Analyse<br />

Fehleranfälligkeit<br />

wegen Bearbeiter<br />

(mangelnde Kenntnisse)<br />

wegen fehlen<strong>der</strong> Kontrolle<br />

wegen Komplexität des Falles<br />

wegen Komplexität <strong>der</strong> Bearbeitung (o<strong>der</strong> Mängel des Prozessablaufs)<br />

wegen Indizien <strong>für</strong> Fehler (Radierung/Rasur/Verheimlichung)<br />

wegen fehlen<strong>der</strong> Funktions- bzw. Aufgabentrennung<br />

wegen Son<strong>der</strong>fall (keine generelle Regelung)<br />

Routinefall<br />

Gleichartige Fehlerursachen bzw. -möglichkeiten<br />

"Lage" <strong>der</strong> Geschäftsvorfälle<br />

Aus <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> ausgewählten Fälle genutzte Informationen über<br />

Weiterauswahl<br />

Ende <strong>der</strong> Auswahl<br />

Ausreißerfreiheit<br />

(Mindest)größe <strong>der</strong> Grundgesamtheit<br />

Zufallszahlen-Tabelle o<strong>der</strong> -generator o<strong>der</strong> Ersatz<br />

Gewünschter Sicherheits- und Genauigkeitsgrad<br />

Zulässiger Fehler 1. und/o<strong>der</strong> 2. Art<br />

Maximal tolerabler Fehleranteil bzw. -wert<br />

Prognostizierter Fehleranteil bzw. -wert<br />

Angewendetes Auswahlverfahren ? Bewusste Auswahlverfahren Zufallsgesteuerte Auswahlverfahren<br />

Auswahl<br />

nach absoluter<br />

o<strong>der</strong><br />

relativer Bedeutung<br />

des<br />

Geschäftsvorfalls<br />

x<br />

x<br />

x<br />

DetektivischeAuswahl<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

(x)<br />

(x)<br />

x<br />

80<br />

Typische<br />

Auswahl<br />

x<br />

x<br />

(x)<br />

Einfache<br />

Zufallsauswahl<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

Einstufige Auswahlverfahren<br />

Komplexe Zufallsauswahl<br />

GeschichteteZufallsauswahl<br />

(x)<br />

(x)<br />

(x)<br />

(x)<br />

(x)<br />

(x)<br />

(x)<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

Klumpenauswahl<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

Mehrstufige<br />

Zufalllsauswahl,<br />

z.B.<br />

Sequentialtestverfahren<br />

x<br />

x<br />

(x)<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x


Wirtschaftsprüfung I<br />

233.3 Systematisch gesteuerte Auswahlverfahren<br />

233.31 Auswahlkriterien und Prüfungsumfang<br />

Die Stellungnahme 1/1988 des HFA des IDW nennt in Übereinstimmung mit <strong>der</strong> Prüfungspraxis<br />

als Kriterien <strong>für</strong> die bewusstgesteuerte (=systematische) Auswahl:<br />

• Die relative und absolute Bedeutung des einzelnen Prüfungsgegenstands innerhalb<br />

<strong>der</strong> Gesamtprüfung,<br />

• die Auswahl nach "typischen Fällen" und<br />

• das "Fehlerrisiko".<br />

233.311. Konzentrationsauswahl<br />

Definition:<br />

Bei diesem Auswahlverfahren werden diejenigen Elemente ausgesucht und geprüft, die wegen<br />

ihres relativen o<strong>der</strong> absoluten Gewichts im Prüfungsfeld das Urteil über das Prüfgebiet<br />

entscheidend beeinflussen können.<br />

Synonyme Begriffe: Konzentrationsauswahl, Auswahl nach dem Konzentrationsprinzip<br />

(cut-off-Verfahren).<br />

Konzentrationsprinzip: Bei bestimmten Elementen beeinträchtigen Fehler wesentlich<br />

die Aussagefähigkeit des Jahresabschlusses und damit<br />

das Gesamturteil des Abschlussprüfers.<br />

• Je bedeuten<strong>der</strong> ein Prüffeld vom Umfang/Wert (relativ zu allen an<strong>der</strong>en) ist, desto<br />

höher ist unter sonst gleichen Bedingungen <strong>der</strong> Prüfungsumfang anzusetzen, denn<br />

mit jedem zusätzlich untersuchten Prüfungselement sinkt das Risiko des Prüfers, ein<br />

falsches Urteil über das Prüffeld abzugeben.<br />

• Von dem Ergebnis <strong>der</strong> untersuchten Geschäftsvorfälle kann <strong>der</strong> Prüfer nicht auf die<br />

Fehlerhaftigkeit o<strong>der</strong> Fehlerfreiheit im nicht geprüften Teil <strong>der</strong> Grundgesamtheit<br />

schließen, aber er kann sicher sein, dass die nicht entdeckten Fehler nur bei Prüfungsobjekten<br />

auftreten können, die von geringerer Bedeutung sind (subjektive Repräsentativität).<br />

81


Prüfungstechnik<br />

Beispiel <strong>für</strong> die Auswahl nach <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Prüfungsgegenstände mittels ABC-<br />

Analyse:<br />

• Ausgangsdaten <strong>für</strong> ein Beispiel<br />

- Prüfungsfeld: For<strong>der</strong>ungen aus Lieferungen und Leistungen,<br />

- Gesamtwert <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ungen: 60 Mio. EUR,<br />

- 10.000 verschiedene Einzelfor<strong>der</strong>ungen.<br />

• Vorgehen in zwei Schritten:<br />

1. Einteilung <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ungen in Klassen:<br />

A-For<strong>der</strong>ungen: Relativ wenige große Geschäftsvorfälle, die einen relativ<br />

großen Anteil des Wertes des gesamten For<strong>der</strong>ungsbestandes<br />

ausmachen.<br />

B-For<strong>der</strong>ungen: Mittelwertige For<strong>der</strong>ungen, die i. d. R. in größerer Zahl<br />

vorkommen.<br />

C-For<strong>der</strong>ungen: For<strong>der</strong>ungen, die einen relativ geringen Wert im Verhältnis<br />

zum Wert des gesamten For<strong>der</strong>ungsbestandes aufweisen, indes<br />

in sehr großer Zahl im Bestand enthalten sind.<br />

82


Wirtschaftsprüfung I<br />

2. Verteilung <strong>der</strong> einzelnen For<strong>der</strong>ungen in die definierten Klassen:<br />

a) Computergestützt werden die For<strong>der</strong>ungen nach ihrer Höhe (nach Wert) ab-<br />

/aufsteigend sortiert. Folgende Tabelle zeigt eine mögliche Verteilung:<br />

(1) (2) (3) (4) (5) (6)<br />

For<strong>der</strong>ungs-<br />

Nr.<br />

nach Werthöhe<br />

fallend<br />

1<br />

.<br />

.<br />

2.000<br />

.<br />

.<br />

3.000<br />

.<br />

.<br />

10.000<br />

Buchungs-<br />

Nr.<br />

06.754<br />

.<br />

.<br />

02.678<br />

.<br />

.<br />

09.234<br />

.<br />

.<br />

05.899<br />

Kumulierter<br />

Mengenanteil<br />

(%)<br />

0,01<br />

.<br />

.<br />

20<br />

.<br />

.<br />

30<br />

.<br />

.<br />

100<br />

83<br />

Betrag <strong>der</strong><br />

Einzelfor<strong>der</strong>ung<br />

(EUR)<br />

1,5 Mio<br />

.<br />

.<br />

50.000<br />

.<br />

.<br />

5.000<br />

.<br />

.<br />

100<br />

Wertanteil<br />

<strong>der</strong><br />

Einzelfor<strong>der</strong>ung<br />

(%)<br />

2,5<br />

.<br />

.<br />

0,083<br />

.<br />

.<br />

0,0083<br />

.<br />

.<br />

0,00017<br />

Kumulierter<br />

Wertanteil<br />

(%)<br />

2,5<br />

.<br />

.<br />

80<br />

.<br />

.<br />

95<br />

.<br />

.<br />

100


Prüfungstechnik<br />

b) Abbildung des kumulativen Mengen- und Wertanteils <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ungen in<br />

einer Verteilungskurve (Lorenzkurve):<br />

Wertanteil in Prozent<br />

100<br />

95<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

5<br />

A<br />

B<br />

C<br />

10 20 30 40 50 60 70 80 90<br />

Abb. 15: ABC-Analyse<br />

• Beurteilung <strong>der</strong> ABC-Analyse:<br />

Mengenanteil in Prozent<br />

- Anwendung <strong>der</strong> ABC-Analyse trägt erheblich zur Rationalisierung <strong>der</strong> Prüfung<br />

von For<strong>der</strong>ungen (und Verbindlichkeiten) bei.<br />

- Muss im Verbund mit weiteren Kriterien betrachtet werden: Vorinformationen,<br />

z. B. Informationen über notleidende Debitoren, liefern Anhaltspunkte<br />

<strong>für</strong> eine detektivische Auswahl, welche For<strong>der</strong>ungen bzw. zugehörige<br />

Geschäftsvorfälle betreffen können, die jenseits des mittels einer ABC-<br />

Analyse bewusst ausgewählten For<strong>der</strong>ungsbestandes liegen können.<br />

- Die ABC-Analyse als Auswahlkriterium findet ihre Grenze dort, wo die Konzentrationskurve<br />

nahe <strong>der</strong> 45 ° -Linie verläuft und deshalb die Prüfung eines geringen<br />

Mengenanteils nicht zur Prüfung eines hohen Wertanteils führen kann.<br />

84<br />

100


233.312. Auswahl typischer Elemente<br />

Definition:<br />

Wirtschaftsprüfung I<br />

Die Prüfungshandlungen konzentrieren sich auf solche Geschäftsvorfälle, die im Prüfgebiet<br />

jeweils in gleicher Weise o<strong>der</strong> von den gleichen Personen verarbeitet werden und bei denen<br />

Fehler deshalb als typisch <strong>für</strong> den jeweiligen Verarbeitungsgang angesehen werden können.<br />

Ziel des Verfahrens:<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Prüfung von wenigen, ausgewählten Geschäftsvorfällen ein möglichst <strong>für</strong> das<br />

gesamte Prüffeld subjektiv repräsentatives Urteil zu gewinnen.<br />

Anwendungsbereiche:<br />

• Systemprüfungen<br />

• Entdecken systematischer Fehler, die u. U. wie<strong>der</strong>um auf Fehlerquellen (i. S. v. Fehlerursachen)<br />

hinweisen können.<br />

• Gewinnung wertvoller Aufschlüsse über mögliche Fehler, wenn keine an<strong>der</strong>en Vorinformationen<br />

vorliegen.<br />

• Grundlage von Wurzelstichproben (retrograde Prüfung).<br />

Anwendungsgrenzen:<br />

• Die zu prüfenden Objekte müssen auf ähnliche Weise erstellt worden sein. Ansonsten<br />

werden systematisch auftretende Fehler nicht als solche erkannt.<br />

85


233.313. Detektivische Auswahl<br />

Definition:<br />

Prüfungstechnik<br />

Der Prüfer wählt aufgrund seines Spürsinns und seiner Erfahrung solche Sachverhalte aus,<br />

bei denen er am ehesten Fehler vermutet.<br />

• Prüffel<strong>der</strong>, in denen ein hoher Fehleranteil erwartet wird, werden intensiver geprüft<br />

als Prüffel<strong>der</strong>, bei denen ein geringer Fehleranteil vermutet wird, d. h. je höher das<br />

Fehlerrisiko ist, desto größer muss <strong>der</strong> Stichprobenumfang sein.<br />

Beim risikoorientierten Ansatz kann <strong>der</strong> Prüfer aber auch versuchen, jene Prüfungsfel<strong>der</strong> zu<br />

identifizieren, bei denen ein hohes inhärentes Risiko (IR) besteht. Hierbei kann ihm z. B.<br />

die Bilanzbonitätsprüfung mit einem Bilanzrating helfen. Dabei ist <strong>der</strong> Pyramideneffekt zu<br />

beachten.<br />

Ziel des risikoorientierten Verfahrens:<br />

Minimierung des Prüfungsrisikos <strong>für</strong> einen α-Fehler.<br />

Zweckgerichtete Auswahl von Vorinformationen als Auswahlkriterium <strong>für</strong> die Stichprobe:<br />

• Will <strong>der</strong> Abschlussprüfer unbeabsichtigte Fehler aufspüren, dann sind:<br />

- Grad <strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong> Organisation des Rechnungswesens,<br />

- Schwierigkeitsgrad <strong>der</strong> Verarbeitung von Geschäftsvorfällen und<br />

- Qualifikation <strong>der</strong> jeweiligen Mitarbeiter im Rechnungswesen zu berücksichtigen.<br />

• Will <strong>der</strong> Abschlussprüfer beabsichtigte Fehler aufspüren:<br />

- Vorläufige Einschätzung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Lage des Unternehmens anhand <strong>der</strong><br />

noch ungeprüften Jahresabschlusszahlen mit einem Bilanzrating.<br />

⇒ Bei Unterschlagungsprüfungen sind Spürsinn und Erfahrung des Prüfers beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig!<br />

86


Wirtschaftsprüfung I<br />

Mögliche Fehlerquellen lassen sich generell nach den folgenden Kriterien aufspüren:<br />

• Sachliche Auswahlkriterien<br />

⇒ Z. B. außergewöhnliche Schadenfälle (hohe Beträge) im Versicherungswesen,<br />

Schwierigkeitsgrad <strong>der</strong> Bearbeitung, sichtbare Korrekturen<br />

• Personelle Auswahlkriterien<br />

⇒ Z. B. Ausbildungsstand, Erfahrung <strong>der</strong> Mitarbeiter des Rechnungswesens<br />

• Zeitliche Auswahlkriterien<br />

⇒ Z. B. Zeiträume mit hoher Arbeitsbelastung, Vertretungszeiten<br />

• Räumliche Auswahlkriterien<br />

⇒ Z. B. erhöhte Gefahr von Diebstahl aufgrund des wenig gesicherten Lagerortes<br />

Beurteilung:<br />

• Erfahrungen und Vorinformationen des Prüfers können explizit berücksichtigt werden<br />

(Erfahrungseffekt).<br />

• Bei Wie<strong>der</strong>holungsprüfungen besteht die Gefahr, dass die Auswahlkriterien des Prüfers<br />

durchschaut werden bzw. einige Teile des Prüfungsstoffes nie geprüft werden und damit<br />

ein Bereich <strong>für</strong> beabsichtigte Unregelmäßigkeiten entsteht. Dabei werden <strong>für</strong> den Prüfer<br />

sogenannte Soll-Bruchstellen vorbereitet.<br />

• Präventionsstrategie: Kombination von Auswahlkriterien.<br />

Stellungsnahme HFA 1/1988, Abschn. C II 2.:<br />

"Es kann zweckmäßig sein, die Auswahl nach dem Fehlerrisiko mit <strong>der</strong> Auswahl nach<br />

<strong>der</strong> Bedeutung des Prüfungsgegenstandes zu verbinden und z. B. zunächst nach dem Fehlerrisiko<br />

auszuwählen und daran anschließend auf die Bedeutung <strong>der</strong> verbleibenden<br />

Elemente des Prüfgebiets abzustellen."<br />

87


Prüfungstechnik<br />

233.32 Beurteilung systematisch gesteuerter (bewusster) Auswahlverfahren<br />

Vorteil:<br />

• Die bewusste Auswahl bietet dem Prüfer vor allem den Vorteil, aufgrund seines Sachverstandes<br />

gezielt nach fehlerhaften Prüfungselementen suchen zu können. Die Methoden<br />

<strong>der</strong> bewussten Auswahl führen dann zum Erfolg, wenn vom Prüfer bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong><br />

Stichprobenelemente möglichst sämtliche verfügbaren Vorinformationen über die mutmaßliche<br />

Qualität des in Auswahl zu prüfenden Prüfungskomplexes berücksichtigt werden.<br />

Nachteile:<br />

Fazit:<br />

• Eine generelle Gefahr <strong>der</strong> bewussten Auswahlprüfung ist, dass das zu prüfende Unternehmen<br />

die Auswahlkriterien aufgrund von Erfahrungen aus vorangegangenen Prüfungen<br />

voraussieht und daher bewusste Fehler einfacher verdecken kann o<strong>der</strong> sogenannte<br />

Soll-Bruchstellen vorbereitet.<br />

• Gefahren birgt die bewusste Auswahlprüfung insoweit, als <strong>der</strong> Prüfer:<br />

1. z. B. nicht genügend Vorinformationen über die mutmaßliche Qualität des zu prüfenden<br />

Komplexes erlangt, o<strong>der</strong><br />

2. ein unpassendes Auswahlkriterium heranzieht und dadurch zu verzerrten Ergebnissen<br />

kommt, o<strong>der</strong><br />

3. zu viele o<strong>der</strong> zu wenige Elemente in die Prüfung einbezieht.<br />

Der Einsatz eines bewussten Auswahlverfahrens ist fallweise zu entscheiden. Anhaltspunkte<br />

geben die Grundsätze ordnungsmäßiger Durchführung von Abschlussprüfungen (GoA).<br />

88


Prüfungstheorie<br />

233.4 Zufallsgesteuerte Auswahlverfahren<br />

233.41 <strong>Grundlagen</strong><br />

233.411. Zufalls-(Urnen-) Modell<br />

Ausschließlich <strong>der</strong> Zufall entscheidet darüber, welche Untersuchungseinheiten in die Auswahl<br />

gelangen.<br />

Definitionen:<br />

Urnenmodell<br />

Zufallsauswahl: Jede Einheit <strong>der</strong> Grundgesamtheit hat die gleiche o<strong>der</strong> eine<br />

bestimmte berechenbare Chance, in die Stichprobe zu gelangen.<br />

Stichprobe: Menge <strong>der</strong> zufällig aus <strong>der</strong> Grundgesamtheit entnommenen<br />

Elemente.<br />

Stichprobenfehler: Differenz zwischen dem Kennwert einer Stichprobe und dem<br />

"tatsächlichen Wert" <strong>der</strong> Grundgesamtheit, aus <strong>der</strong> die<br />

Stichprobe gezogen wurde.<br />

Versuchsanordnung:<br />

- Eine Urne ist mit N gleich großen, gleich schweren idealen Kugeln gefüllt.<br />

- Die Kugeln unterscheiden sich lediglich durch äußerliche Merkmalsausprägungen:<br />

-- Unterschiedliche Farbaufdrucke (schwarz bzw. rot)<br />

⇒ qualitative Merkmalsausprägungen<br />

(Fehleranteilsstatistik/homograde Fragestellung)<br />

-- Aufgebrachte Zahlen<br />

⇒ quantitative Merkmalsunterschiede<br />

(Fehlerwertstatistik/heterograde Fragestellung)<br />

Übertragung auf ein Beispiel <strong>der</strong> Buchführung (entnommen aus: BUCHNER, R.,<br />

Stichprobenprüfung, Zufallsauswahl, in: HwRev 1992, Sp. 1897 f.):<br />

89


Prüfungstechnik<br />

Die Urne enthält die prüfungspflichtigen Geschäftsvorfälle (Belege) eines bestimmten<br />

Prüffeldes (z. B. For<strong>der</strong>ungen) mit N Belegen, von denen M Belege mit 0


Prüfungstheorie<br />

233.412. Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Stichprobenprüfung<br />

Für die Anwendung stichprobengestützter Prüfungsmethoden nennt <strong>der</strong> HFA in<br />

Übereinstimmung mit <strong>der</strong> Prüfungsliteratur folgende Bedingungen:<br />

(Stellungnahme HFA 1/1988, Abschn. D II/III 1.b)/IV 3.)<br />

(1) Bestimmte Anfor<strong>der</strong>ungen an die Prüfbereitschaft des zu prüfenden Unternehmens,<br />

(2) hinreichend große Prüffel<strong>der</strong>,<br />

(3) homogene Prüffel<strong>der</strong> in Bezug auf die Fehler sowie<br />

(4) vorliegen von Informationen über das Prüfgebiet (in Bezug auf die Struktur und einzelne<br />

Parameter).<br />

Zu (1) Anfor<strong>der</strong>ungen an die Prüfbereitschaft<br />

Sachgerechte strukturelle Aufbereitung des Prüfgebiets und Abgrenzung <strong>der</strong><br />

Grundgesamtheit:<br />

Merkmale, die entwe<strong>der</strong> als Auswahlkriterien in Betracht kommen o<strong>der</strong> die selbst<br />

Prüfungsgegenstand sein können, müssen lückenlos und vollständig erfasst werden,<br />

Zweckmäßig gestaltetes und wirksames IKS erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Zugriffsbereitschaft <strong>der</strong> Daten<br />

Zu (2) Hinreichend große Prüffel<strong>der</strong><br />

Ein nicht entdeckter Fehler verliert <strong>für</strong> das Prüferurteil umso mehr an Gewicht, je<br />

umfangreicher das Prüffeld ist.<br />

⇒ Degressionseffekt!<br />

Der Prüfer kann den Umfang <strong>der</strong> Prüffel<strong>der</strong> nur teilweise beeinflussen:<br />

⇒ Unternehmensspezifische Faktoren (z. B. Größe, Branchenzugehörigkeit etc.)<br />

bestimmen die Prüffeldabgrenzung.<br />

Konten mit Massenverkehr (z. B. Konten des Zahlungs- und Warenverkehrs) eignen sich<br />

beson<strong>der</strong>s <strong>für</strong> Stichprobenprüfungen.<br />

91


Zu (3) Homogene Prüffel<strong>der</strong><br />

Prüfungstechnik<br />

Prüffeld muss in sachlicher, zeitlicher, personeller und örtlicher Hinsicht eindeutig<br />

abgegrenzt sein, damit ein objektiv repräsentatives Urteil über das gesamte Prüffeld aufgrund<br />

<strong>der</strong> Stichprobenergebnisse gefällt werden kann.<br />

Die Homogenitätsbedingung bezieht sich auf die gesuchten Fehler. Die Fehler in einem<br />

Prüffeld müssen von gleicher Art sein (gleiche Bedeutung <strong>für</strong> das Urteil des Prüfers).<br />

For<strong>der</strong>ung nach "Ausreißerfreiheit":<br />

"Vor Beginn <strong>der</strong> Stichprobenziehung sollte die Grundgesamtheit auf ihre Homogenität (in bezug<br />

auf die Fehler) [Ergänzung in runden Klammern durch den Verfasser] und auf Ausreißer hin<br />

untersucht werden." (Stellungnahme HFA, 1/1988, Abschn. D III 1. b))<br />

Zu (4) Informationen über das Prüfgebiet<br />

Der Einsatz statistischer Methoden setzt stets Vorkenntnisse über das Prüfgebiet voraus:<br />

Informationen über einzelne Parameter (z. B. erwarteter Fehleranteil) o<strong>der</strong> die Struktur<br />

des Prüfgebiets<br />

⇒ Voraussetzung <strong>für</strong> Wahl eines zweckmäßigen und wirtschaftlichen stichprobengestützten<br />

Prüfverfahrens<br />

Ohne konkrete Informationen kein Testverfahren anwendbar<br />

Quantifizierbare Vorinformationen erfor<strong>der</strong>lich<br />

Das Prüffeld kann Fehler enthalten:<br />

Häufigkeitsfehler:<br />

- Erfahrungsgemäß häufig auftretende Fehler mit relativ geringem Gewicht <strong>für</strong> das<br />

Prüferurteil,<br />

- Treten mit erwarteter Sicherheit auf und führen erst von einem bestimmten Umfang<br />

an zur Ablehnung <strong>der</strong> Ordnungsmäßigkeit des Prüffeldes.<br />

Stichprobenprüfungen sind anwendbar!<br />

92


Möglichkeitsfehler:<br />

Prüfungstheorie<br />

- Selten auftretende, gravierende Fehler,<br />

- Vorhandensein kann nicht mit quantifizierbarer Sicherheit angegeben werden,<br />

- Ermittlungspflicht (wegen großer Bedeutung).<br />

⇒ Bei Erwartung von Möglichkeitsfehlern: Vollprüfung erfor<strong>der</strong>lich!<br />

233.413. Verteilungsannahmen<br />

Annahme des Entnahmemodells "Ziehen ohne Zurücklegen" bei betriebswirtschaftlichen<br />

Prüfungen sinnvoll.<br />

Hypergeometrische Verteilung <strong>der</strong> Stichprobenfehleranteile<br />

Formel <strong>für</strong> die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Zahl fehlerhafter Elemente zu<br />

entdecken:<br />

W(m/P) =<br />

⎛ ⎞ ⎛ ⎞<br />

⎜ M ⎟ •⎜<br />

N - M ⎟<br />

⎜ ⎟ ⎜ ⎟<br />

⎝ m⎠<br />

⎝ n - m⎠<br />

, (m = 0,1,...n)<br />

⎛ ⎞<br />

⎜ N ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎝ n⎠<br />

mit<br />

W = Wahrscheinlichkeit<br />

N = Umfang <strong>der</strong> Grundgesamtheit<br />

n = Umfang <strong>der</strong> Stichprobe<br />

M = Anzahl <strong>der</strong> fehlerhaften Elemente in <strong>der</strong> Grundgesamtheit<br />

m = Anzahl <strong>der</strong> fehlerhaften Elemente in <strong>der</strong> Stichprobe<br />

P = M/N = Fehleranteil in <strong>der</strong> Grundgesamtheit<br />

Nachteil: großer Rechenaufwand<br />

Ohne EDV: Approximation <strong>der</strong> hypergeometrischen Verteilung durch an<strong>der</strong>e, einfacher<br />

zu handhabende Verteilungen<br />

⇒ Aber: Approximationsfehler!<br />

93


Prüfungstechnik<br />

Bestimmung <strong>der</strong> oberen Schätz- o<strong>der</strong> Vertrauensgrenze dominiert bei prüferischen<br />

Fragestellungen.<br />

Es wird <strong>der</strong> (obere) Fehleranteil im Prüffeld angegeben, <strong>der</strong> mit einer bestimmten<br />

Wahrscheinlichkeit (z. B. 95%iger Sicherheit) nicht überschritten wird. Der Prüfer<br />

betrachtet also primär die ungünstigen Fälle.<br />

Die folgende Übersicht aus v. Wysocki, <strong>Grundlagen</strong> des betriebswirtschaftlichen<br />

Prüfungswesens, 3. Aufl., 1988, S. 191 zeigt die in Kauf zu nehmenden<br />

Fehlschätzungen bei Verwendung unterschiedlicher Verteilungen.<br />

"Als Maßstab <strong>für</strong> die Bestimmung <strong>der</strong> jeweiligen Fehlschätzungen dienen dabei die auf<br />

<strong>der</strong> Grundlage des Modells <strong>der</strong> hypergeometrischen Verteilung gewonnenen<br />

Schätzergebnisse <strong>für</strong> die obere Schätzgrenze."<br />

Fall I Fall II Fall III Fall IV Fall V Fall VI Fall VII<br />

(1) Grundgesamtheit (N) 800 800 800 800 10.000 10.000 10.000<br />

(2) Stichprobenumfang (n) 200 100 100 100 200 100 100<br />

(3) Fehlerzahl in <strong>der</strong> Stichprobe (m) 1 1 5 10 1 1 5<br />

(4) Fehleranteil in <strong>der</strong> Stichprobe (p = m/n) 0,005 0,01 0,05 0,10 0,005 0,01 0,05<br />

(5) Auswahlsatz (n/N) 0,25 0,125 0,125 0,125 0,02 0,01 0,01<br />

(6) Obere Schätzgrenze (%)<br />

hypergeometrische Verteilung<br />

(7) Obere Schätzgrenze (%)<br />

Normalverteilung (t = 1,645)<br />

2,1100<br />

1,211<br />

4,4266<br />

2,532<br />

94<br />

9,8972<br />

8,356<br />

15,9733<br />

14,619<br />

2,3314<br />

1,312<br />

4,6379<br />

2,629<br />

10,1997<br />

(8) Relative Fehlschätzung -42,61% -42,80% -15,57% -8,48% -43,72% -43,31% -16,01%<br />

(9) Obere Schätzgrenze (%)<br />

Millot'sches Verfahren<br />

1,863<br />

4,027<br />

9,519<br />

15,585<br />

(10) Relative Fehlschätzung -10,76% -9,03% -3,82% -2,43% -6,37% -6,60% -3,09%<br />

(11) Obere Schätzgrenze (%)<br />

Poisson-Verteilung<br />

2,372<br />

4,744<br />

10,513<br />

16,962<br />

2,183<br />

2,372<br />

4,332<br />

4,744<br />

8,567<br />

9,885<br />

10,513<br />

(12) Relative Fehlschätzung +12,42 +7,17% +6,22% +6,19% +1,74% +2,2% +3,07%<br />

(13) Obere Schätzgrenze<br />

Binominalverteilung o. Endlichkeitskorr.<br />

2,350<br />

4,656<br />

10,225<br />

16,372<br />

2,350<br />

4,656<br />

10,225<br />

(14) Relative Fehlschätzung +11,37 +5,18% +3,31% +2,50% +0,80% +0,39% +0,25%<br />

(15) Obere Schätzgrenze<br />

Binominalverteilung m. Endlichkeitskorr.<br />

2,103<br />

4,422<br />

9,891<br />

15,964<br />

2,331<br />

4,637<br />

10,199<br />

(16) Relative Fehlschätzung -0,33% -0,10% -0,06% -0,06% -0,02% -0,02% -0,01%


Prüfungstheorie<br />

Beson<strong>der</strong>heit im Bereich des betriebswirtschaftlichen Prüfungswesens: Nur sehr geringe<br />

noch tolerable Fehleranteile!<br />

⇒ Konsequenzen <strong>für</strong> die anwendbaren Wahrscheinlichkeitsverteilungen:<br />

Binomialverteilung:<br />

⇒ rechnerisch aufwendig<br />

Normalverteilung:<br />

⇒ Scheidet i. d. R. aus, da nicht o<strong>der</strong> nur bei einem unverhältnismäßig<br />

großen Stichprobenumfang vertretbar (da in praxi mit verhältnismäßig<br />

geringen Fehleranteilswerten gerechnet werden muss)<br />

⇒ Approximationsbedingungen:<br />

n P (1-P) > 9; N > 2n<br />

Poisson-Verteilung:<br />

⇒ Entspricht den tatsächlichen Gegebenheiten bei Buchprüfungen am<br />

besten.<br />

⇒ Approximationsbedingungen:<br />

n > 10; P < 0,05 und n/N < 0,05<br />

In <strong>der</strong> Praxis i. d. R. erfüllt<br />

große Bedeutung<br />

233.42 Arten <strong>der</strong> Stichprobenauswahl<br />

233.421. Einfache Stichprobenauswahl<br />

Jedes Element hat die gleiche Chance, in die Stichprobe zu gelangen<br />

⇒ "Zufallsauswahl mit gleichen Auswahlwahrscheinlichkeiten"<br />

Techniken <strong>der</strong> einfachen Stichprobenauswahl:<br />

Es wird zwischen <strong>der</strong> „echten“ und <strong>der</strong> „unechten“ Zufallsauswahl unterschieden:<br />

"Echte Zufallsauswahl": Sämtliche Stichprobenelemente werden durch Los aus <strong>der</strong><br />

Grundgesamtheit gezogen (vgl. Urnenmodell).<br />

⇒ da Losverfahren sehr aufwendig, Auswahl mittels Zufallszahlentabellen/-<br />

Zufallszahlengenerator.<br />

95


Prüfungstechnik<br />

Beispiel <strong>für</strong> die Auswahl mit Hilfe einer Zufallszahlentabelle:<br />

Aus einer Grundgesamtheit von 9.000 fortlaufend (bei 1 beginnend) numerierten<br />

Belegen sollen 75 Belege zufällig ausgewählt werden.<br />

Auszug aus einer Zufallszahlentabelle:<br />

........<br />

Spalte →<br />

Zeile ↓<br />

(1)<br />

(2)<br />

(3)<br />

(20) 75480 41978 6739 89183 47745 44222 59689<br />

(21) 53196 50587 16244 67041 48115 95420 896<br />

(22) 15210 67526 96801 59503 95869 75112 52992<br />

(23) 99051 89444 10550 36940 35347 65787 66015<br />

(24) 47594 88275 92401 34942 46830 16831 57209<br />

(25) 13012 99382 40172 66854 415 24965 98700<br />

(26) 75675 40253 30372 48467 94443 50351 67878<br />

(27) 13347 26623 1555 76820 31467 64988 91442<br />

(28) 51144 60320 52156 81094 13480 72198 20980<br />

(29) 27743 17266 34551 5765 54542 86301 45472<br />

(30) 85760 28078 31699 62333 54691 58938 58996<br />

(31) 78144 56872 47198 19352 5752 93543 48753<br />

(32) 99127 3092 36116 20140 24253 83450 34831<br />

(33) 38312 71241 34490 31423 31944 98899 46290<br />

(34) 41883 36422 88713 22431 61871 87530 55611<br />

(35) 63794 27511 97056 30662 4360 62053 84777<br />

1. Schritt: Die zu prüfenden Belege sind fortlaufend zu numerieren.<br />

96<br />

(4)<br />

2. Schritt: An einer beliebigen Stelle in <strong>der</strong> Tabelle mit Zufallsauswahl beginnen (z. B.<br />

Zeile 22, Spalte 1: 15210).<br />

3. Schritt: In horizontaler Richtung nach rechts o<strong>der</strong> in vertikaler Richtung nach unten<br />

z. B. jeweils die vier rechtsstehenden Ziffern notieren:<br />

- bei horizontalem Vorgehen:<br />

5210, 7526, 6801, X, 5869, 5112, 2992, ...<br />

- bei vertikalem Vorgehen:<br />

5210, X, 7594, 3012, 5675, 3347, ...<br />

(5)<br />

(6)<br />

(7)


Prüfungstheorie<br />

- Ziffern, die nicht in den Auswahlbereich 1 bis 9.000 fallen, bleiben<br />

unberücksichtigt (=X).<br />

4. Schritt: Ausgewählte Ziffern in aufsteigen<strong>der</strong> Reihenfolge sortieren.<br />

"Unechte Zufallsauswahl": Nur das erste Element <strong>der</strong> Stichprobe wird streng<br />

zufällig ausgewählt, die weiteren n-1<br />

Stichprobenelemente werden systematisch abhängig<br />

von <strong>der</strong> ersten Auswahleinheit gezogen.<br />

Mögliche Verfahren:<br />

- Einbeziehung jedes x-ten Elements mit x = N/n,<br />

- Schlussziffernverfahren,<br />

- Auswahl nach Anfangsbuchstaben und<br />

- Auswahl nach Geburtstagen.<br />

Nur anwendbar, wenn mit Sicherheit kein Zusammenhang zwischen Auswahlkriterium<br />

und zu prüfenden Untersuchungsmerkmalen besteht.<br />

233.422. Geschichtete Auswahl<br />

Bei nicht erfüllter Homogenitätsbedingung bezüglich <strong>der</strong> Fehleranfälligkeit <strong>der</strong><br />

Prüfelemente in einem Prüffeld:<br />

Zerlegung des Prüffelds in homogenere Teilmengen (sog. Schichten), Anwendung <strong>der</strong><br />

Stichprobenverfahren jeweils auf diese Schichten.<br />

Urnenmodell: mehrere Urnen<br />

Elemente werden nicht mehr mit den gleichen, aber immer noch mit berechenbaren<br />

Wahrscheinlichkeiten geprüft.<br />

"Zufallsauswahl mit ungleichen Auswahlwahrscheinlichkeiten"<br />

Schichtungseffekt <strong>der</strong> Prüfung:<br />

Positiver Schichtungseffekt: Erfor<strong>der</strong>licher (Gesamt-) Stichprobenumfang wird<br />

bei gleicher Urteilsqualität kleiner.<br />

97


Prüfungstechnik<br />

Negativer Schichtungseffekt: Mehrarbeit durch die Schichtenbildung<br />

Probleme, die einen erhöhten Planungsaufwand verursachen:<br />

1. Wahl geeigneter Schichtungsmerkmale,<br />

2. Bestimmung <strong>der</strong> Zahl zu bilden<strong>der</strong> Schichten und<br />

3. Zuteilung <strong>der</strong> Elemente zu den gebildeten Schichten.<br />

Zu 1. Wahl geeigneter Schichtungsmerkmale<br />

- (Gesamt-) Stichprobenumfang wird bei gleicher Urteilsqualität umso kleiner,<br />

-- je homogener die Untersuchungselemente innerhalb einer Schicht und<br />

-- je heterogener die Schichten zueinan<strong>der</strong> sind.<br />

⇒ Auswahl von Untersuchungsmerkmalen, die gleiche Fehlerhäufigkeiten<br />

erwarten lassen.<br />

- Beispiele <strong>für</strong> geeignete Untersuchungsmerkmale:<br />

-- Zeitraum <strong>der</strong> Belegerstellung,<br />

-- Höhe <strong>der</strong> Belegsumme o<strong>der</strong><br />

-- möglicher Manipulationsspielraum.<br />

Zu 2. Zahl zu bilden<strong>der</strong> Schichten<br />

Aufteilung in möglichst wenige (i. d. R. drei o<strong>der</strong> vier) Schichten, denn<br />

- überproportionaler Anstieg <strong>der</strong> Mehrarbeit <strong>für</strong> den Prüfer mit je<strong>der</strong> zusätzlichen<br />

Schicht,<br />

- nur unwesentliche Abnahme des erfor<strong>der</strong>lichen Stichprobenumfangs mit<br />

steigen<strong>der</strong> Schichtenzahl.<br />

Zu 3. Zuteilung <strong>der</strong> Elemente zu den gebildeten Schichten<br />

- Jedes Element ist nach seiner betreffenden Merkmalsausprägung einer <strong>der</strong><br />

Schichten zuzuordnen.<br />

98


Prüfungstheorie<br />

Alternative zur geschichteten Auswahl: Klumpenauswahl<br />

Die Grundgesamtheit wird so in Teilmengen (Klumpen) zerlegt, dass <strong>der</strong> Prüfungsstoff<br />

innerhalb jedes Klumpens hinsichtlich des erwarteten Fehleranteils möglichst repräsentativ<br />

<strong>für</strong> die Grundgesamtheit ist.<br />

"Benachbarte" Geschäftsvorfälle, z. B. alle Vorgänge eines Tages o<strong>der</strong> alle<br />

Rechnungen eines Verkaufsbezirks, werden zu Klumpen zusammengefasst.<br />

Klumpen müssen in sich möglichst heterogen, untereinan<strong>der</strong> dagegen möglichst<br />

homogen sein.<br />

Klumpeneffekt <strong>der</strong> Prüfung:<br />

- Positiver Klumpeneffekt:<br />

Nur geringe Auswahlkosten, da Auswahl <strong>der</strong> einzelnen Prüfungselemente sehr einfach<br />

und bequem.<br />

- Negativer Klumpeneffekt:<br />

I. d. R. größere Zahl zu prüfen<strong>der</strong> Untersuchungseinheiten, d. h. höhere Kosten <strong>der</strong><br />

Prüfung. Die Abgrenzung homogener Klumpen bereitet große Schwierigkeiten.<br />

Klumpenauswahl erfor<strong>der</strong>t sorgfältige Planung!<br />

233.423. Wertproportionale Auswahl<br />

Verfeinerung <strong>der</strong> einfachen Stichprobenauswahl, bei <strong>der</strong> Auswahleinheit und<br />

Untersuchungseinheit nicht übereinstimmen.<br />

Annahme: Positionen mit hohem Buchwert enthalten tendenziell auch höhere Fehler.<br />

⇒ Betrags- bzw. wertproportionale Auswahlwahrscheinlichkeit <strong>der</strong> Stichprobenelemente trägt<br />

<strong>der</strong> großen Bedeutung hoher Beträge <strong>für</strong> das Prüferurteil Rechnung.<br />

99


Prüfungstechnik<br />

"Sampling with Probability Proportional to Size" = "PPS"<br />

Verfahren innerhalb des PPS-Sampling:<br />

"Dollar-Unit Sampling" (DUS) o<strong>der</strong> "Monetary-Unit Sampling" (MUS):<br />

Als Elemente <strong>der</strong> Grundgesamtheit werden die einzelnen Dollar-(o<strong>der</strong> EUR-) Einheiten<br />

des kumulierten Gesamtbetrages einer For<strong>der</strong>ung betrachtet.<br />

⇒ Beispiel:<br />

Eine 1.000 EUR-For<strong>der</strong>ung ist in 1.000 Ein-EUR-Beträge als Auswahleinheiten<br />

aufzuteilen. Eine For<strong>der</strong>ung von 10.000 EUR ist in 10.000 Ein-EUR-<br />

Beträge aufzuteilen und besitzt im Vergleich zu einer For<strong>der</strong>ung über 1.000<br />

EUR die 10-fache Wahrscheinlichkeit, in die Stichprobe zu gelangen.<br />

⇒ "Große" Beträge:<br />

Vollerhebung aller „A-Fälle“ (Konzentrationsauswahl nach ABC-Analyse)<br />

⇒ "Normale" Beträge:<br />

Teilerhebung mittels DUS<br />

Problem bei <strong>der</strong> betragsproportionalen Auswahl:<br />

Betragsproportionalität zum Buchwert<br />

- Bei überbewerteten Positionen: Die zu hoch bewerteten Werte haben fälschlich eine<br />

höhere Auswahlwahrscheinlichkeit als die richtig bewerteten. Das Stichprobenurteil<br />

überschätzt den tatsächlichen Fehler.<br />

- Bei unterbewerteten Positionen: Die zu niedrig bewerteten Werte haben fälschlich<br />

eine geringere Chance als die richtig bewerteten Posten, ausgewertet zu werden. Das<br />

Stichprobenurteil unterschätzt den tatsächlichen Fehler.<br />

Anwendung des DUS, wenn <strong>der</strong> Prüfer eher überbewertete Buchwerte erwarten<br />

muss.<br />

Gefahr: Wesentliche Unterbewertungen von Beständen bleiben im Rahmen <strong>der</strong><br />

Prüfung unentdeckt. Daher evtl. vorher Prüfung/Beurteilung <strong>der</strong><br />

wirtschaftlichen Lage und Vorstichprobe bzgl. Über-/Unterbewertung.<br />

100


Prüfungstheorie<br />

233.424. Mehrstufige Stichprobenauswahl<br />

Stichprobenumfang ergibt sich erst aufgrund <strong>der</strong> Prüfungsergebnisse.<br />

Oft reicht die Ziehung weniger Elemente bereits <strong>für</strong> ein Urteil über die Einhaltung <strong>der</strong><br />

zulässigen Fehlerrisiken aus, z. B. wenn die ersten gezogenen Stichprobenelemente<br />

bereits überwiegend fehlerhaft sind.<br />

Vorteil: I. d. R. geringerer Stichprobenumfang erfor<strong>der</strong>lich als bei den Verfahren mit<br />

vorgegebenem Stichprobenumfang (ASN-Curve).<br />

Hierbei Unterscheidung in:<br />

Offene Verfahren<br />

⇒ Maximaler Prüfungsumfang ist nicht bekannt.<br />

Geschlossene Verfahren<br />

⇒ Es ist bekannt, nach wie vielen Prüfelementen spätestens ein Urteil vorliegen<br />

wird.<br />

Das offene Sequentialtestverfahren geht auf Abraham Wald zurück und wird hier kurz<br />

erläutert. Die folgende Abbildung ist entnommen aus LEFFSON/LIPPMANN/BAETGE, S.<br />

63:<br />

x<br />

FehlerhafteStichprobenelemente<br />

+ 3,3759<br />

- 4,0856<br />

0<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

-1<br />

-2<br />

-3<br />

I Rückweisungs- o<strong>der</strong><br />

Ablehnungsbereich<br />

II Weiterprüfungsbereich<br />

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150<br />

Zahl <strong>der</strong> gezogenen<br />

Stichprobenelemente<br />

x c = - 4,0856 + 0,0328 n<br />

x r = 3,3759 + 0,0328 n<br />

Abb. 17: Graphik eines sequentiellen offenen Stichprobenplans<br />

101<br />

III Annahmebereich<br />

n


Prüfungstechnik<br />

Parameter zur Berechnung <strong>der</strong> Annahme- und Ablehnungsgeraden:<br />

P 0 = Fehleranteil, bei dem das Prüffeld uneingeschränkt als ordnungsmäßig<br />

angesehen werden kann,<br />

P 1 = Fehleranteil, von dem ab die Ordnungsmäßigkeit des Prüffeldes zu verneinen<br />

ist,<br />

β = Zulässiges Auftraggeberrisiko,<br />

α = Zulässiges Prüferrisiko.<br />

Annahme- und Ablehnungsgeraden werden durch folgende Gleichungen definiert:<br />

x r = h 1 +sn<br />

x c = -h 0 + sn<br />

mit: x r = Ablehnungskennzahl<br />

x c = Annahmekennzahl<br />

Bei genügend großer Grundgesamtheit lässt sich <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong> Werte <strong>für</strong> s, h 0<br />

und h 1 die Binomialverteilung zugrunde legen, so dass sich folgende Ausdrücke<br />

ergeben:<br />

s =<br />

h 0 =<br />

h 1 =<br />

1- P<br />

1- P<br />

P<br />

P -<br />

0<br />

log<br />

1<br />

1 1- P<br />

log log<br />

0 1- P<br />

1-<br />

P<br />

P -<br />

α<br />

log<br />

β<br />

1 1- P<br />

log log<br />

0 1- P<br />

1-<br />

P<br />

P -<br />

α<br />

log<br />

β<br />

1 1- P<br />

log log<br />

0 1- P<br />

102<br />

1<br />

0<br />

1<br />

0<br />

1<br />

0


Vorgehensweise:<br />

Prüfungstheorie<br />

Berechnung <strong>der</strong> Annahme- und <strong>der</strong> Ablehnungsgeraden aus den vier genannten<br />

Parametern<br />

Ziehen und Auswerten kleiner Gruppen von Stichprobenelementen<br />

Überprüfung nach je<strong>der</strong> Ziehung, ob das insoweit erreichte Ergebnis schon ein<br />

Prüfurteil zulässt:<br />

- Stichprobenpunkt liegt mit dem bisherigen Stichprobenumfang innerhalb des<br />

Bereichs <strong>der</strong> beiden Geraden (Weiterprüfungsbereich)<br />

Ziehen eines weiteren Stichprobenloses<br />

- Stichprobenpunkt liegt außerhalb des Weiterprüfungsbereichs<br />

Praxis: Formeln zu kompliziert<br />

Prüffeld wird als ordnungsmäßig o<strong>der</strong> materiell fehlerhaft betrachtet<br />

Tabellen mit Annahme- und Ablehnungszahlen<br />

Zahl <strong>der</strong> <strong>für</strong> eine Annahme o<strong>der</strong> Ablehnung des Prüfungsfeldes notwendigen fehlerhaften Elemente<br />

mit den Testhypothesen: mit den vorgegebenen Risiken:<br />

p 0 = 0,02; p 1 = 0,05 p 0 = 0,02; p 1 = 0,04<br />

Stichprobenumfang<br />

n<br />

25<br />

50<br />

75<br />

100<br />

125<br />

150<br />

175<br />

.<br />

.<br />

.<br />

475<br />

500<br />

Annahmekennzahl<br />

x c<br />

0,01<br />

0,83<br />

1,65<br />

.<br />

.<br />

.<br />

11,50<br />

12,32<br />

103<br />

Ablehnungskennzahl<br />

x r<br />

4,19<br />

5,01<br />

5,83<br />

6,65<br />

7,47<br />

8,29<br />

9,11<br />

.<br />

.<br />

.<br />

18,96<br />

19,78


Prüfungstechnik<br />

Je mehr <strong>der</strong> Fehleranteil eines Prüffeldes von dem <strong>für</strong> ein ordnungsmäßiges bzw. nicht<br />

ordnungsmäßiges Prüffeld relevanten Fehleranteil abweicht, desto leichter ist die<br />

Einordnung möglich.<br />

Beim offenen Sequentialtest: Eventuell sehr großer Prüfungsumfang, wenn Stichprobenpunkte<br />

Weiterprüfungsbereich nicht verlassen.<br />

⇒ Einführung eines zusätzlichen Abbruchkriteriums, z. B. maximal so viele Elemente<br />

wie beim nicht-sequentiellen Verfahren.<br />

233.43 Fragestellungen bei Stichprobenprüfungen<br />

233.431. Überblick<br />

Homograde Fragestellung:<br />

Schätzung von Fehleranteilen steht bei <strong>der</strong> IKS/IÜS-Prüfung im Mittelpunkt<br />

(Fehleranteils-Statistik).<br />

Elemente <strong>der</strong> gesamten Untersuchungsmasse werden nur danach beurteilt, ob sie<br />

eine bestimmte Eigenschaft (Fehler) besitzen o<strong>der</strong> nicht.<br />

⇒ Basis zur Schätzung des Fehleranteils: Zahl <strong>der</strong> gefundenen fehlerhaften im<br />

Verhältnis zur Zahl aller Elemente.<br />

Beurteilung durch den Prüfer i. d. R. unproblematisch.<br />

Heterograde Fragestellung:<br />

Schätzung von Durchschnittswerten <strong>der</strong> Elemente <strong>der</strong> Grundgesamtheit<br />

(Fehlerwert-Statistik).<br />

Anwendungsfälle z. B.:<br />

- Nachprüfen von Beständen,<br />

- Ermittlung des Grades von Soll-Ist-Abweichungen.<br />

104


Prüfungstheorie<br />

Bedeutung homogra<strong>der</strong>/heterogra<strong>der</strong> Fragestellungen <strong>für</strong> den Prüfer:<br />

Beide Fragestellungen sind gleich wichtig.<br />

Systemprüfung:<br />

⇒ Homograde Fragestellung!<br />

Prüfung <strong>der</strong> Jahresabschlusszahlen (Ergebnisprüfung):<br />

⇒ Heterograde Fragestellung!<br />

Unterscheidung <strong>der</strong> Stichproben nach den aus den Stichprobenergebnissen zu<br />

ziehenden Schlüssen:<br />

Schätzstichprobe:<br />

- Schätzung <strong>der</strong> Ausprägungen einzelner urteilsrelevanter Merkmale des<br />

Prüffeldes.<br />

- Liefert keine Entscheidungsregel, son<strong>der</strong>n Informationen als Grundlage <strong>für</strong><br />

komplexere Urteilsbildung.<br />

- Typische Fälle:<br />

-- Rückschluss von dem in einer Stichprobe vorgefundenen Anteil<br />

fehlerhafter Elemente auf den Anteil fehlerhafter Elemente in <strong>der</strong><br />

Grundgesamtheit (homograde Frage = Fehleranteil?).<br />

-- Rückschluss von <strong>der</strong> Zahl und <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> in einer Stichprobe<br />

gefundenen Abweichungen (Fehler) auf die entsprechenden Fehler-<br />

Durchschnittswerte (heterograde Frage = Fehlerwert?).<br />

Annahmestichprobe (Hypothesentest):<br />

- Unmittelbare Entscheidung über Annahme o<strong>der</strong> Ablehnung des Prüffeldes<br />

anhand <strong>der</strong> Stichprobe.<br />

- Vorgabe bestimmter Hypothesen über die Fehlerbehaftung des Prüfungsfeldes,<br />

Stichprobenergebnis dient <strong>der</strong> Ermittlung einer diesbzgl. Entscheidungsregel!<br />

⇒ Prüfungsbericht und Bestätigungsvermerk.<br />

105


Entdeckungsstichprobe:<br />

Prüfungstechnik<br />

- Berechnung <strong>der</strong> Entdeckungswahrscheinlichkeiten von fehlerhaften Elementen<br />

in <strong>der</strong> Grundgesamtheit.<br />

⇒ Unterschlagungsprüfung.<br />

Die folgende Tabelle zeigt mögliche Kombinationen von Fragestellungen:<br />

Nach Fehleranteil<br />

o<strong>der</strong><br />

Fehlerwert<br />

↓<br />

Homograde<br />

Heterograde<br />

Nach <strong>der</strong> Auswertung<br />

des<br />

Stichprobenergebnisses<br />

→<br />

Schätzstichprobe Annahmestich-<br />

probe<br />

Wie groß ist <strong>der</strong><br />

Fehleranteil in <strong>der</strong><br />

Grundgesamtheit,<br />

wenn in <strong>der</strong> Stichprobe<br />

ein bestimmter<br />

Anteil gefunden<br />

wird?<br />

Welche Höhe hat <strong>der</strong><br />

durchschnittliche<br />

Wertansatz des Prüffeldes,<br />

wenn ein bestimmter<br />

Mittelwert<br />

in <strong>der</strong> Stichprobe gefunden<br />

wurde?<br />

106<br />

Nach welchen Kriterien<br />

kann <strong>der</strong> Prüfer aufgrund<br />

<strong>der</strong> Auswertung<br />

<strong>der</strong> Fehleranteile einer<br />

Stichprobe das Prüffeld<br />

a) akzeptieren,<br />

b) ablehnen?<br />

Nach welchen Kriterien<br />

kann <strong>der</strong> Prüfer aufgrund<br />

<strong>der</strong> Auswertung<br />

<strong>der</strong> Wertansätze einer<br />

Stichprobe das Prüffeld<br />

a) akzeptieren,<br />

b) ablehnen?<br />

Entdeckungsstichprobe<br />

Mit welcher Wahrscheinlichkeit<br />

wird<br />

<strong>der</strong> Prüfer ein (kein)<br />

fehlerhaftes Element<br />

in <strong>der</strong> Stichprobe<br />

finden?


Prüfungstheorie<br />

233.432. Die Schätzstichprobe bei heterogra<strong>der</strong> Fragestellung<br />

Typische Anwendungsfälle heterogra<strong>der</strong> Schätzstichproben sind z. B.<br />

- Schätzung des Ausfallrisikos von For<strong>der</strong>ungen,<br />

- Schätzung <strong>der</strong> Risikovorsorge <strong>für</strong> Kredite im Massenkreditgeschäft,<br />

- Stichprobeninventur nach § 241 Abs. 1 dHGB bzw. § 192 Abs. 4 UGB.<br />

Der Gesamtwert kann mit einer Mittelwertschätzung geschätzt werden.<br />

Darstellung <strong>der</strong> einfachen Mittelwertschätzung:<br />

Das arithmetische Mittel <strong>der</strong> Stichprobe (x) dient als Schätzwert <strong>für</strong> den Mittelwert <strong>der</strong><br />

Grundgesamtheit (μ). Der Schätzfehler (e) kann unter bestimmten Voraussetzungen<br />

berechnet werden. Der Vertrauensbereich (Konfidenzintervall) <strong>der</strong> Schätzung ergibt<br />

sich zu:<br />

μ = x ± e<br />

Bei normalverteilter Grundgesamtheit bzw. genügend großem Stichprobenumfang<br />

n (Faustregel: n > 30) können wir den Stichprobenfehler (e) wie folgt berechnen:<br />

e = t⋅<br />

Legende:<br />

∃ σ ∃<br />

x σ x<br />

s N−n ; mit =<br />

n n − 1<br />

t Vielfaches <strong>der</strong> Standardabweichung (abhängig von<br />

<strong>der</strong> gewünschten Sicherheit <strong>der</strong> Aussage)<br />

s Standardabweichung <strong>der</strong> Stichprobe<br />

N Umfang <strong>der</strong> Grundgesamtheit<br />

σ Standardabweichung <strong>der</strong> Grundgesamtheit<br />

n Umfang <strong>der</strong> Stichprobe<br />

e Schätzfehler<br />

^<br />

σ -x Geschätzte Standardabweichung <strong>der</strong> Grundgesamtheit auf<br />

Basis <strong>der</strong> Standardabweichung <strong>der</strong> Stichprobe<br />

107


Prüfungstechnik<br />

Die Wahrscheinlichkeit <strong>für</strong> das Konfidenzintervall <strong>für</strong> das arithmetische Mittel <strong>der</strong><br />

Grundgesamtheit ergibt sich als:<br />

Legende:<br />

Wx ( −t∃ σ x ≤ μ ≤ + t∃<br />

σ x)<br />

= ( 1 − α)<br />

W Wahrscheinlichkeit bzw. Aussagesicherheit<br />

(1-α) Sicherheitsgrad<br />

Da die Standardabweichung <strong>der</strong> Grundgesamtheit (σ) unbekannt ist, muss σ<br />

geschätzt werden. Als Schätzwert <strong>für</strong> σ verwenden wir die Standardabweichung <strong>der</strong><br />

Stichprobe (s).<br />

Der Korrekturfaktor <strong>für</strong> endliche Gesamtheiten kann weggelassen werden, wenn<br />

n/N < 0,05.<br />

Einer Wahrscheinlichkeit bzw. einem Sicherheitsgrad von 95 % entspricht das<br />

folgende Konfidenzintervall:<br />

Beispiel (entnommen aus V. WYSOCKI, <strong>Grundlagen</strong> des betriebswirtschaftlichen<br />

Prüfungswesens, 3. Aufl., 1988, S. 227):<br />

W (x - 1, 96 s<br />

n<br />

≤ ≤ μ<br />

s<br />

x + 1,96 ) = 95 %<br />

n<br />

Aus einer Grundgesamtheit von N = 4.000 Elementen wird eine Stichprobe mit einem<br />

Umfang von n = 100 Elementen zufällig ausgewählt. In <strong>der</strong> Stichprobe werden die<br />

folgenden Merkmalswerte festgestellt:<br />

Merkmalswerte 40 50 55 60 65 70 75<br />

Häufigkeiten 5 10 20 30 15 15 5<br />

Für das arithmetische Mittel und die Varianz dieser Stichprobe erhalten wir:<br />

2<br />

x = 60 und s = 65.<br />

108


Prüfungstheorie<br />

Da n/N = 0,025 < 0,05 und n > 30, können wir die Normalverteilung anwenden und<br />

den Korrekturfaktor vernachlässigen.<br />

Wir erhalten <strong>für</strong> eine Aussagesicherheit von 95 % einen Stichprobenfehler von e =<br />

1,58.<br />

e = 1,96 s<br />

2<br />

n<br />

= 1,96 65<br />

100<br />

109<br />

= 1,96 × 0,806 = 1,58.<br />

Für den Gesamtwert <strong>der</strong> Grundgesamtheit erhalten wir:<br />

W [(60 - 1, 58) 4.000 ≤ μ N ≤ (60 + 1, 58) 4.000] = 95 %<br />

W [ 233.680 ≤ μN<br />

≤ 246.320 ] = 95 %.<br />

Interpretation: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % liegt <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> Elemente<br />

in <strong>der</strong> Grundgesamtheit zwischen 233.680 und 246.320.<br />

233.5 Vergleich <strong>der</strong> Auswahlverfahren<br />

Vorzüge und Nachteile <strong>der</strong> systematisch gesteuerten und <strong>der</strong> zufallsgesteuerten<br />

Auswahlverfahren liegen auf so unterschiedlichen Ebenen, dass eine Beurteilung ihrer<br />

Zweckmäßigkeit nur nach Maßgabe <strong>der</strong> jeweiligen Prüfungssituation erfolgen kann.<br />

Beurteilung <strong>der</strong> Verfahren:<br />

Vorliegen von Vorinformationen:<br />

- Systematisch gesteuerte Auswahlverfahren können explizit die Vorinformationen<br />

nutzen,<br />

- zufallsgesteuerte Auswahlverfahren können die Vorinformationen nur begrenzt<br />

einbinden (Schichtenbildung).<br />

Repräsentanz <strong>der</strong> Stichprobe:<br />

- Bei systematisch gesteuerten Auswahlverfahren ist die Auswahl <strong>der</strong> Elemente<br />

nach Art und Umfang bewusst so anzulegen, dass möglichst sämtliche in dem<br />

Prüfgebiet vorhandenen wesentlichen Fehler bzw. sämtliche <strong>für</strong> das Prüfungsurteil<br />

wesentlichen Elemente in die Auswahl gelangen.<br />

⇒ Subjektive Repräsentanz, d. h. keine Quantifizierung <strong>der</strong> erreichten<br />

Sicherheit und Genauigkeit des Urteils möglich.


Prüfungstechnik<br />

- Bei Anwendung <strong>der</strong> Verfahren <strong>der</strong> zufallsgesteuerten Auswahl werden die<br />

Elemente nach Art und Umfang unbewusst (zufällig) ausgewählt.<br />

Objektive Repräsentanz, d. h. eine Quantifizierung <strong>der</strong> erreichten<br />

Sicherheit und Genauigkeit des Urteils ist möglich.<br />

Problem: Nicht in die Zufallsstichprobe gelangte fehlerhafte Elemente<br />

müssen zunächst unkorrigiert bleiben, da sie mit Hilfe des<br />

Zufallsauswahlverfahrens nicht gezielt lokalisiert werden<br />

können. Falls Vorwissen über einzelne fehlerhafte Elemente<br />

vorliegt, darf es nicht <strong>für</strong> die Zufallsauswahl verwandt<br />

werden. Vorwissen über das Prüffeld ist <strong>für</strong> die Berechnung<br />

des erfor<strong>der</strong>lichen Stichprobenumfanges heranzuziehen.<br />

Für alle Verfahren gilt als Voraussetzung <strong>der</strong> Anwendung: Dokumentation <strong>der</strong><br />

Argumentation <strong>für</strong> jeweilige Verfahren.<br />

Zusammenfassung<br />

Die systematische Auswahl typischer Fälle hat sich bei Systemprüfungen bewährt;<br />

bei Verdacht auf systematische Fehler ist gezielt nach weiteren Fehlern zu suchen.<br />

Die systematische Auswahl kommt vor allem auch <strong>für</strong> Prüfgebiete in Betracht, die<br />

überschaubar sind und bei denen deshalb mögliche Quellen wesentlicher Fehler<br />

o<strong>der</strong> die <strong>für</strong> das Prüfungsurteil bedeutsamen Prüffälle gezielt untersucht werden<br />

können.<br />

Die Zufallsauswahl erweist dann ihre Vorzüge, wenn es an geeigneten Vorinformationen<br />

<strong>für</strong> eine subjektive Auswahl fehlt und wenn es sich bei dem<br />

Prüfgebiet um relativ homogene Massenvorgänge handelt; sie führt zu einer Objektivierung<br />

des Stichprobenergebnisses.<br />

110


Prüfungstheorie<br />

233.6 Die Bedeutung <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> Auswahlprüfung <strong>für</strong> die Bildung des Gesamturteils<br />

Planung und Durchführung <strong>der</strong> Abschlussprüfung einschließlich <strong>der</strong> Auswahlprüfung<br />

ist ein kontinuierlicher und interdependenter Prozess.<br />

Ziele des planmäßigen Prüfungsvorgehens sind:<br />

Die Ermöglichung einer sicheren Beurteilung <strong>der</strong> Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit<br />

<strong>der</strong> Rechnungslegung und<br />

die Aufdeckung und damit das Ausschließen von Fehlern von wesentlicher<br />

Bedeutung <strong>für</strong> das Gesamturteil.<br />

Determinanten des Fehlerrisikos:<br />

Inhärentes Risiko,<br />

Internes Kontrollsystem des geprüften Unternehmens zur Begrenzung des Fehlerrisikos<br />

(Kontrollrisiko),<br />

IKS-Prüfung und -Beurteilung bestimmen die Zielrichtung und den Umfang weiterer<br />

Prüfungshandlungen,<br />

Globale analytische Untersuchungen können Hinweise auf wesentliche Fehlermöglichkeiten<br />

ergeben.<br />

⇒ Ergebnis: Vorkenntnisse <strong>für</strong> die Einzelfallprüfung.<br />

Mit Einzelfallprüfungen kann das Risiko, dass durch Kontrollmaßnahmen nicht<br />

verhin<strong>der</strong>te Fehler von wesentlicher Bedeutung unentdeckt bleiben, mit einer hohen<br />

Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.<br />

Aber: Absolute Sicherheit ist bei den im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Jahresabschlussprüfung</strong> erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Auswahlprüfungen nicht zu erreichen.<br />

Zur Bildung des Gesamturteils über den Jahresabschluss (Bestätigungsvermerk) hat <strong>der</strong><br />

Abschlussprüfer die Einzelergebnisse seiner Prüfungshandlungen in ihrer absoluten und<br />

relativen Bedeutung sachgerecht zu würdigen (subjektive Urteilsbildung).<br />

111


24 Prüfungsinstrumente<br />

241. Prüfungshandbücher<br />

Prüfungstechnik<br />

Prüfungshandbücher sind alle Aufzeichnungen, die dazu dienen, den Prüfungsprozess zu<br />

planen, zu realisieren und zu dokumentieren bzw. Hilfestellung bei fachlichen<br />

Fragestellungen zu geben.<br />

Inhalt <strong>der</strong> Prüfungshandbücher:<br />

• Standardprüfprogramme,<br />

• Arbeitspapier-Formulare und<br />

• Verweise auf Fallsammlungen.<br />

241.1 Standardprüfprogramme<br />

Standardisierte Prüfprogramme sind <strong>für</strong> einen typischen Prüfungsauftrag entwickelte<br />

Prüfungsanweisungen, die eine genaue Beschreibung <strong>der</strong> jeweiligen<br />

(1) Prüfungsziele,<br />

(2) Prüfungsaufgaben und<br />

(3) Prüfungshandlungen<br />

enthalten.<br />

Ein standardisiertes Prüfprogramm muss von dem jeweiligen Prüfungsleiter auf die<br />

speziellen Bedingungen und Erfor<strong>der</strong>nisse des jeweiligen konkreten Prüfungsauftrages<br />

zugeschnitten werden.<br />

Beurteilung von Standardprüfprogrammen:<br />

Vorteil: Kostendegression bei häufiger Verwendung des standardisierten Prüfprogramms<br />

(SPP).<br />

Nachteil: Beson<strong>der</strong>heiten des Auftrages und des Prüfungsteams könnten vom Planer<br />

evtl. nicht genügend berücksichtigt werden.<br />

⇒ Erfor<strong>der</strong>nis von Kontrollen.<br />

112


241.2 Arbeitspapiere<br />

Prüfungstheorie<br />

”Arbeitspapiere sind alle Aufzeichnungen und Unterlagen, die <strong>der</strong> Abschlußprüfer im<br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> Abschlußprüfung selbst erstellt, sowie alle Schriftstücke und<br />

Unterlagen, die er von dem geprüften Unternehmen o<strong>der</strong> von Dritten als Ergänzung seiner<br />

eigenen Unterlagen zum Verbleib erhält. Da sie internen Zwecken des Abschlußprüfers<br />

dienen, sind sie nicht zur Weitergabe bestimmt.” (IDW PS 460 Tz. 1).<br />

Zweck <strong>der</strong> Arbeitspapiere:<br />

• Dokumentation <strong>der</strong> Prüfungsplanung, <strong>der</strong> Prüfungsdurchführung und <strong>der</strong><br />

Prüfungsfeststellungen,<br />

• laufende Überwachung des Prüfungsprozesses,<br />

• Herleitung <strong>der</strong> Prüfungsergebnisse,<br />

• Nachweis <strong>der</strong> Prüfungsqualität (⇒ Peer Review und Quality Control),<br />

• Vorbereitung und Unterstützung von Folgeprüfungen.<br />

Notwendigkeit <strong>der</strong> Dokumentation und Rechenschaft:<br />

1. Komplexität des Prüfungsstoffes und des Prüfungsurteils,<br />

2. Nachprüfbarkeitspostulat (und Nachweis <strong>der</strong> Befolgung <strong>der</strong> GoA),<br />

3. Flexibilität bei Prüfungsausführung ist Voraussetzung <strong>für</strong> flexible Planung.<br />

⇒ Kommunikation und Koordination von Prüfungsmitarbeitern.<br />

Arbeitspapiere sind ein wichtiges Instrument zur Realisation <strong>der</strong> Prüfungsplanung:<br />

(a) Rationalisierungseffekte durch Arbeitspapiere,<br />

(b) Auswertbarkeit <strong>der</strong> Arbeitspapiere bei <strong>der</strong> Planung von Folgeprüfungen.<br />

113


Prüfungstechnik<br />

Zu (a): Rationalisierungseffekte durch Arbeitspapiere (AP)<br />

• Rationalisierungseffekte durch generelle Regelungen <strong>für</strong> die Erstellung von Arbeitspapieren:<br />

- AP-Formulare,<br />

- Art <strong>der</strong> Kennzeichnung <strong>der</strong> AP,<br />

- Technik <strong>der</strong> Dokumentation von Prüfungshandlungen,<br />

- Verweissystematik in AP,<br />

- Verwendung von Formularen <strong>für</strong> bestimmte Prüfungsfel<strong>der</strong> usw.<br />

Zu (b): Auswertbarkeit <strong>der</strong> Arbeitspapiere bei <strong>der</strong> Planung von Folgeprüfungen<br />

Auswertung <strong>der</strong> Arbeitspapiere <strong>der</strong> Vorjahresprüfung liefert wichtige Informationen<br />

<strong>für</strong> die Planung <strong>der</strong> laufenden Prüfung.<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an Arbeitspapiere (= Dokumentations- und Rahmengrundsätze):<br />

AP müssen<br />

• systematisch zusammengestellt und aufbewahrt werden.<br />

Beispiel <strong>für</strong> System bei AP:<br />

-- eine chronologische Dokumentation,<br />

-- eine sachlich geordnete Dokumentation und<br />

-- entsprechende Verweissystematik.<br />

(⇒ Analogie zur Buchhaltungssystematik mit Grundbuch und Hauptbuch)<br />

• vollständig sein,<br />

• klar und verständlich angelegt werden,<br />

• richtig (zweckentsprechend) und<br />

• wirtschaftlich sein.<br />

114


Glie<strong>der</strong>ung und Inhalt <strong>der</strong> AP<br />

1. Dauerakte<br />

2. Einzelakte(n)<br />

Zu 1.: Dokumente <strong>der</strong> Dauerakte:<br />

Prüfungstheorie<br />

In <strong>der</strong> Dauerakte werden diejenigen Unterlagen systematisch abgelegt, die <strong>für</strong> den<br />

Abschlussprüfer über einen Zeitraum von mehreren Jahren von Bedeutung sind. Die<br />

Dauerakte ermöglicht dem Abschlussprüfer, einen schnellen Überblick über das zu prüfende<br />

Unternehmen.<br />

a) Unternehmensspezifische, nur selten verän<strong>der</strong>liche Sachverhalte:<br />

- Rechtsverhältnisse, Unternehmensform, Verflechtungen, Satzung/Statut, Vorstands-<br />

und Aufsichtsratmitglie<strong>der</strong>,<br />

- Handelsregisterauszüge,<br />

- Organisationsstrukturplan,<br />

- Buchführungssystem,<br />

- Bewertungsrichtlinien,<br />

- "Geschäftsberichte" <strong>der</strong> Vorjahre i. w. S.,<br />

- langjährig wirksame Verträge (wichtige Anstellungsverträge, Miet- und Pachtverträge,<br />

langfristige Kaufverträge),<br />

- Bilanzbonitätsrating aller Vorjahre.<br />

b) Prüferische Maßnahmen in Vorjahren:<br />

- Än<strong>der</strong>ungsvorschläge <strong>für</strong> die Organisation (insbes. IKS),<br />

- Prüfungsprogramme <strong>der</strong> Vorjahre mit Zeitprotokollen,<br />

- Prüfungsschwerpunkte (z. B. aufgrund <strong>der</strong> INSA des Moody’s RiscCalc),<br />

- Kopien <strong>der</strong> Prüfungsberichte <strong>der</strong> Vorjahre,<br />

- Hinweise und Vormerkungen <strong>der</strong> Vorjahresprüfungen.<br />

115


Zu 2.: Einzelakte(n)<br />

Prüfungstechnik<br />

Die Einzelakte enthält die <strong>für</strong> das Prüfungsergebnis einer Prüfung relevanten Unterlagen.<br />

Die Einzelakte wird <strong>für</strong> jede Abschlussprüfung neu angelegt.<br />

a) Nachweis:<br />

- Mitglie<strong>der</strong> des Prüfungsteams,<br />

- einzelne ausgeführte Tätigkeiten,<br />

- angewandte Prüfungsmethoden,<br />

- Prüfungsumfang,<br />

- Prüfungszeit,<br />

- <strong>der</strong> Einzelfeststellungen.<br />

b) Unterlagen <strong>für</strong> die Urteilsbildung (Hinweise auf die Urteilskriterien),<br />

c) Teilurteile über Prüfungsfel<strong>der</strong>,<br />

d) Hinweise auf Tatbestände, die in den Prüfungsbericht o<strong>der</strong> den Management-Letter<br />

aufgenommen werden sollen.<br />

241.3 Fallsammlungen<br />

Große Prüfungsgesellschaften prüfen weltweit nach einheitlichen Grundsätzen:<br />

⇒ Gleiche Sachverhalte werden gleich geprüft und beurteilt.<br />

Instrument:<br />

Umfangreiche Fallsammlungen mit typischen Bilanzierungsfragen und Entscheidungen.<br />

⇒ Durch Orientierung an einmal getroffenen Entscheidungen entsteht ein hohes Maß an<br />

Einheitlichkeit und Kontinuität <strong>der</strong> Entscheidungen.<br />

Fallsammlungen (Firm-and-Sec-Accounting Series Releases) können als<br />

- Loseblattsammlungen o<strong>der</strong><br />

- CD-ROM<br />

organisiert sein.<br />

116


242. Computerprüfprogramme<br />

Prüfungstheorie<br />

Da ein großer Teil <strong>der</strong> zu prüfenden Daten in DV-Anlagen gespeichert ist, wird <strong>der</strong><br />

Computer häufig auch zur Prüfung eingesetzt. Die Programme, die zur Prüfung verwendet<br />

werden, sind sog. Computerprüfprogramme.<br />

Arten von Computerprüfprogrammen:<br />

• Spezielle Prüfprogramme<br />

- Für einen konkreten Anwen<strong>der</strong> entwickelt,<br />

- können beson<strong>der</strong>e Fragestellungen des Prüfungsunternehmens berücksichtigen,<br />

- aufwendige Entwicklung,<br />

- rentieren sich nur bei sehr großen Prüfungsunternehmen.<br />

• Generelle Prüfprogramme<br />

- Bei ähnlichen Fragestellungen wie<strong>der</strong>verwendbar;<br />

- Programme müssen an vorhandene Datenorganisation jeweils angepasst werden;<br />

- sehr anwen<strong>der</strong>freundlich programmiert;<br />

- automatischer Prüfungsberichtsgenerator (z. B. Audit Agent);<br />

- Entwicklung rentiert sich wegen <strong>der</strong> generellen Verwendbarkeit eher als bei speziellen<br />

Prüfprogrammen, die nur <strong>für</strong> einen bestimmten Anwen<strong>der</strong> entwickelt<br />

werden;<br />

- Programme bestehen aus Subroutines, d. h. Unterprogrammen, die bestimmte Prüfungshandlungen<br />

ausführen bzw. vorbereiten;<br />

- Prüfer wählt Subroutines aus.<br />

117


25 Netzplantechnik<br />

251. Gegenstand <strong>der</strong> Netzplantechnik<br />

Prüfungstechnik<br />

Die Verfahren <strong>der</strong> Netzplantechnik sind ein ausgezeichnetes Hilfsmittel zur Lösung <strong>der</strong> Probleme<br />

<strong>der</strong> Zeitplanung.<br />

Einsatz <strong>der</strong> Netzplantechnik bei <strong>der</strong> Zeitplanung:<br />

(1) Zeitliche Abstimmung <strong>der</strong> durch den Prüfungsplaner während einer Planungsperiode<br />

abzuwickelnden Aufträge;<br />

(2) Bestimmung <strong>der</strong> Zeiten (Anfangs- und Endzeitpunkte), während <strong>der</strong>er die Mitarbeiter o<strong>der</strong> die<br />

einzelnen Teams <strong>für</strong> die Erledigung <strong>der</strong> Einzelaufträge zur Verfügung stehen sollen;<br />

(3) Bestimmung <strong>der</strong> Zeiten (Anfangs- und Endzeitpunkte), während <strong>der</strong>er die Bearbeitung von einzelnen<br />

Prüffel<strong>der</strong>n bzw. Prüffel<strong>der</strong>gruppen im Rahmen <strong>der</strong> einzelnen Aufträge vorgenommen<br />

werden soll;<br />

Zwecke <strong>der</strong> Netzplantechnik:<br />

• Einhalten <strong>der</strong> Maximalzeiten je Prüffeld; <strong>der</strong> Abgabe des Urteils im Prüfungsbericht und<br />

Bestätigungsvermerks;<br />

• Erkennen und Vermeiden von zeitlichen Unverträglichkeiten.<br />

Definition Netzpläne<br />

In Netzplänen werden Abläufe und ihre Abhängigkeiten graphisch dargestellt. Die Netzplantechnik<br />

dient auch <strong>der</strong> Projektsteuerung, indem Termine ermittelt werden und die Projektdurchführung<br />

daraufhin veranlasst werden kann. Ferner dient sie zur Projektüberwachung sowie zur Sicherung <strong>der</strong><br />

Projektdurchführung hinsichtlich Terminen, Qualitäten, Quantitäten und Kosten.<br />

Abb. 18: Beispiel zur graphischen Darstellung von abhängigen Abläufen<br />

Prüfung <strong>der</strong><br />

Anlagenabgänge<br />

Prüfung <strong>der</strong> a. o.<br />

Erträge aus Anlagenabgängen<br />

Prüfung <strong>der</strong><br />

Verluste aus Anlagenabgängen<br />

Prüfung <strong>der</strong><br />

Zuschreibungen<br />

Prüfung <strong>der</strong><br />

Umbuchungen<br />

118<br />

Prüfung <strong>der</strong><br />

Anlagenendbestände<br />

Abstimmung<br />

von Bilanz- und<br />

GuV-Ausweis


252. Entwicklung <strong>der</strong> Netzplantechnik<br />

Prüfungstheorie<br />

Grundlage <strong>der</strong> Netzplantechnik ist die Graphentheorie, die sich auf den ungarischen<br />

Mathematiker KÖNIG zurückführen lässt (1935).<br />

Vorgangspfeilnetzplan-Methode ("Critical Path Method" CPM):<br />

1957 entwickelte duPont de Nemours & Company gemeinsam mit <strong>der</strong> Remington Rand<br />

Univac eine Methode, um kostspielige Wartungs- und Umstellungsarbeiten bei Großanlagen<br />

in <strong>der</strong> Chemie zu rationalisieren.<br />

Ereignisknotennetzplan-Methode ("Program Evaluation and Review Technique" PERT):<br />

1958 entwickelte die US-Marine mit einer Beratungsfirma und Lockheed PERT zur<br />

Koordination beim Aufbau des Polaris-Raketen-Systems. Wird heute noch angewandt<br />

(Voraussetzung zur Erlangung von US-Regierungsaufträgen).<br />

Vorgangsknotennetzplan-Methode ("Metra-Potential Method" MPM):<br />

1958 im Auftrag <strong>der</strong> Electricité de France zur Terminplanung beim Atomkraftwerkbau<br />

entwickelt.<br />

253. Netzplanelemente und Netzplantypen<br />

253.1 Netzplanelemente<br />

(1) Funktionale Elemente:<br />

Begriff Definition<br />

Vorgang<br />

Ereignis<br />

Anordnungs-<br />

beziehung AOB<br />

Zeitbeanspruchende Ablaufschritte (Teilarbeiten, Handlungen, Tätigkeiten)<br />

mit definiertem Anfang und Ende, z. B. "Endfassung des<br />

Jahresabschlussberichts herstellen", "Schaden feststellen", "Genehmigung<br />

einholen".<br />

Eintretensmomente definierter Zustände im Projektablauf. Je<strong>der</strong> Vorgang<br />

beginnt mit einem Anfangsereignis und endet mit einem En<strong>der</strong>eignis.<br />

Der Vorgang "Endfassung des Jahresabschlussberichts herstellen"<br />

beginnt z. B. mit dem Anfangsereignis "Manuskript an Sekretärin<br />

übergeben" und endet mit dem En<strong>der</strong>eignis "Jahresabschlussbericht<br />

an Wirtschaftsprüfer übergeben".<br />

Abhängigkeit (Aufeinan<strong>der</strong>folge) zwischen den Vorgängen bzw. Ereignissen.<br />

Die funktionalen Elemente stehen in folgen<strong>der</strong> Beziehung zueinan<strong>der</strong>:<br />

119


Vorgang 1<br />

Prüfungsplan<br />

erstellen<br />

Auftrag angenommen<br />

Prüfungstechnik<br />

AOB<br />

Prüfungsplan erstellt<br />

und <strong>für</strong> das Prüfungsteam<br />

kopiert<br />

Ereignis<br />

Abb. 19: Beziehungen zwischen funktionalen Netzplanelementen<br />

(2) Formale Elemente:<br />

Die beiden formalen Elemente sind:<br />

Knoten<br />

Pfeil<br />

(gerichtete Kanten)<br />

Abb. 20: Formale Elemente eines Netzplans<br />

120<br />

Prüfungsbeginn<br />

Vorgang 2<br />

Kasse<br />

prüfen<br />

Arbeitspapier<br />

Kassenprüfung<br />

ist erstellt


253.2 Netzplantypen<br />

Netzplantypen<br />

Vorgangsorientiert Ereignisorientiert<br />

Ereignisknotennetzplan<br />

Vorgangknotennetzplan<br />

Vorgangpfeilnetzplan<br />

Abb. 21: Übersicht über die drei Netzplantypen<br />

Prüfungstheorie<br />

Ereignisse werden als<br />

Knoten, Vorgänge werden<br />

nicht dargestellt<br />

Vorgänge werden als Knoten,<br />

Ereignisse werden nicht<br />

dargestellt<br />

Vorgänge werden als<br />

Pfeile, Ereignisse als Knoten<br />

dargestellt<br />

121<br />

AOB<br />

AOB<br />

AOB<br />

Vorgang<br />

Ereignis Ereignis<br />

Vorgang Vorgang<br />

Ereignis Ereignis<br />

Typisches Verfahren:<br />

PERT<br />

Typische Verfahren:<br />

BKN, HMN, MPM, PD,<br />

PCS, PMS, PPS, SINETIK<br />

Typisches Verfahren: CPM


Prüfungstechnik<br />

253.3 Grundregeln <strong>für</strong> die Darstellung von Netzplänen<br />

(1) Der Vorgang wird durch einen Knoten dargestellt und durch Pfeile zu an<strong>der</strong>en<br />

Vorgängen in Beziehung gesetzt, d. h. mit diesen verbunden. Je<strong>der</strong> Vorgang beginnt<br />

und endet mit einem Ereignis. Das En<strong>der</strong>eignis eines Vorganges ist gleichzeitig das<br />

Anfangsereignis seines Nachfolgers. Daraus folgt, dass ein Vorgang beendet sein muss,<br />

wenn <strong>der</strong> Nachfolger (nachfolgen<strong>der</strong> Vorgang) beginnt.<br />

A B C<br />

(2) Wenn mehrere Vorgänge beendet sein müssen, bevor ein neuer Vorgang beginnt, wird<br />

je<strong>der</strong> von ihnen mit dem Nachfolger durch einen Pfeil verbunden.<br />

A<br />

B<br />

C<br />

122<br />

D


Prüfungstheorie<br />

(3) Ebenso gilt die Umkehrung, dass mehrere Vorgänge mit einem Vorgänger durch Pfeile<br />

verbunden werden, wenn sie erst nach dessen Ende beginnen können.<br />

A<br />

(4) Laufen zwei Vorgänge parallel (gemeinsamer Vorgänger und Nachfolger), werden beide<br />

durch Pfeile mit ihren Vorgängern und Nachfolgern verbunden.<br />

B<br />

B<br />

C<br />

D<br />

A D<br />

(5) Es dürfen keine Schleifen entstehen, denn <strong>der</strong> zeitliche Ablauf kann nur fortschreiten.<br />

Falsche Darstellung:<br />

Richtige Darstellung:<br />

C<br />

A B<br />

A1 B1 A2 B2<br />

123


Prüfungstechnik<br />

254. Ablaufplanung und Zeitplanung mit Hilfe <strong>der</strong> Netzplantechnik<br />

254.1 Überblick<br />

Ablaufplanung<br />

1 Vorbereitende Maßnahmen durchführen<br />

(Strukturanalyse) 2 Projektstrukturplan erstellen<br />

Zeitplanung<br />

(Zeitanalyse)<br />

3 Vorgänge erfassen und Vorgangsliste<br />

erstellen<br />

4 Netzplan zeichnen<br />

Abb. 22: Ablaufschritte <strong>der</strong> Netzplantechnik<br />

5 Vorgangsdauern ermitteln<br />

6 Zeitpunkte, Pufferzeiten und kritischen<br />

Weg ermitteln<br />

7 Vorgangstermine und Projekttermin<br />

ermitteln<br />

8 Überwachung <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

124<br />

Projektplanung<br />

Projektsteuerung


254.2 Ablaufplanung <strong>für</strong> einen Auftrag<br />

Prüfungstheorie<br />

Schritt 1: Vorbereitende Maßnahmen durchführen<br />

Festlegung des Projektziels,<br />

Projektgruppe und <strong>der</strong>en Leiter bestimmen,<br />

Entscheiden, ob neben <strong>der</strong> Terminplanung und -steuerung auch eine Kosten- bzw.<br />

Ausgaben- sowie Kapazitätsplanung und -steuerung durchzuführen ist,<br />

Datenrückmeldung sichern, um später eine Projektsteuerung gewährleisten zu können,<br />

Entscheiden, ob <strong>der</strong> Netzplan manuell o<strong>der</strong> mit Hilfe eines rechnergestützten Programms<br />

ermittelt und aktualisiert werden soll.<br />

Schritt 2: Projektstrukturplan erstellen<br />

Hierarchisch über verschiedene Organisationsebenen aufgebaute Projektdarstellung<br />

Aufgabe: Komplexes Projekt in mehreren Ebenen soweit zu glie<strong>der</strong>n, bis es übersichtlich<br />

dargestellt ist.<br />

⇒ Schützt davor, bei <strong>der</strong> Zeichnung des Netzplans etwas zu vergessen.<br />

Bei kleinen Projekten kann auf Projektstrukturplan verzichtet werden.<br />

Schritt 3: Vorgänge erfassen und Vorgangsliste erstellen<br />

Die Vorgänge sollen so gewählt werden, dass die Zeiteinheit zwischen 0,2 % und 2 % <strong>der</strong><br />

Projektdauer beträgt. Somit wird man im Allgemeinen folgende Zeiteinheiten/Projektdauerrelationen<br />

wählen:<br />

Projektdauer Zeiteinheit<br />

> 5 Jahre<br />

1/2 bis 5 Jahre<br />

bis 1/2 Jahr<br />

Woche<br />

Tag<br />

125<br />

Monat<br />

Woche<br />

Tag<br />

Stunde<br />

Minute


Daten <strong>der</strong> Vorgangsliste:<br />

Prüfungstechnik<br />

(1) Vorgangs-Nr.,<br />

(2) Vorgangs-Bezeichnung,<br />

(3) Vorgangs-Dauer,<br />

(4) Vorgänge, die unmittelbar vorher beendet sein müssen (Vorgänger), damit <strong>der</strong><br />

entsprechende Vorgang beginnen kann.<br />

Beispiel: Vorgangsliste zur Prüfung des Anlagevermögens<br />

Vorgang<br />

Nr.<br />

Vorgangs-Bezeichnung Dauer in<br />

Tagen<br />

126<br />

Vorgänger-Nr.<br />

1 Besichtigung <strong>der</strong> Anlagen 4 ?<br />

2 Stichprobenweise Abstimmung <strong>der</strong> Anlagenkartei 5 1<br />

3 Prüfung <strong>der</strong> Anlagenzugänge 20 2<br />

4 Prüfung <strong>der</strong> Anlagenabgänge 14 2<br />

5 Prüfung <strong>der</strong> außerordentlichen Erträge aus Anlagenabgängen<br />

3 4<br />

6 Prüfung <strong>der</strong> Verluste aus Anlagenabgängen 3 4<br />

7 Prüfung <strong>der</strong> Abschreibungen 15 3; 8<br />

8 Prüfung <strong>der</strong> Zuschreibungen 5 4<br />

9 Prüfung <strong>der</strong> Umbuchungen 4 5; 6; 7<br />

10 Abstimmung von Bilanz- und GuV-Ausweis 4 9<br />

Schritt 4: Netzplan zeichnen<br />

Das Zeichnen des Netzplans besteht im Aneinan<strong>der</strong>setzen von Knoten und Pfeilen. Der<br />

erste Knoten in einem Netzplan heißt Startknoten (DIN 69 900: Knoten, in den kein Pfeil<br />

einmündet); <strong>der</strong> letzte Knoten heißt Zielknoten (DIN 69 900: Knoten, von dem kein Pfeil<br />

ausgeht).


Start<br />

1 2<br />

Abb. 23: Netzplanentwurf<br />

254.3 Zeitplanung <strong>für</strong> einen Auftrag<br />

Inhalt <strong>der</strong> Zeitplanung:<br />

3<br />

Prüfungstheorie<br />

8<br />

4 5<br />

6<br />

Bei <strong>der</strong> Zeitplanung werden nun die Vorgangsdauern bestimmt und die Vorgangs- und Projekttermine<br />

sowie die kritischen Vorgänge und Pufferzeiten ermittelt.<br />

Schritt 5: Vorgangsdauern ermitteln<br />

Die Vorgangsdauern werden mit Hilfe vorhandener Planzeiten o<strong>der</strong> durch Befragen bzw.<br />

Vergleichen und Schätzen bestimmt.<br />

127<br />

7<br />

9<br />

10<br />

Ziel


Prüfungstechnik<br />

Schritt 6: Zeitpunkte, Pufferzeiten und kritischen Weg ermitteln<br />

Aus <strong>der</strong> Vorgangsliste werden die Vorgangsdauern in den Netzplan übertragen:<br />

Prinzip<br />

Vorgang Nr. i<br />

Vorgangs-Bezeichnung<br />

D(i)<br />

D(i) = Dauer des Vorgangs i<br />

Dann werden die Anfangs- und Endzeitpunkte in den Knoten eingetragen:<br />

Prinzip<br />

Vorgang Nr. i<br />

Vorgangs-Bezeichnung<br />

FAZ(i) D(i) FEZ(i)<br />

SAZ(i) GP(i) SEZ(i)<br />

FAZ(i) = Frühestmöglicher Anfangszeitpunkt des<br />

Vorgangs i<br />

SAZ(i) = Spätesterlaubter Anfangszeitpunkt des<br />

Vorgangs i<br />

FEZ(i) = Frühestmöglicher Endzeitpunkt des<br />

Vorgangs i<br />

SEZ(i) = Spätesterlaubter Endzeitpunkt des<br />

Vorgangs i<br />

GP(i) = Gesamtpufferzeit des Vorgangs i<br />

128


Berechnung <strong>der</strong> Zeitpunkte:<br />

(1) Vorwärtsrechnung<br />

Prüfungstheorie<br />

Der Startknoten erhält den FAZ = 0, und <strong>der</strong> früheste Endzeitpunkt FEZ wird aus<br />

0 + Vorgangsdauer D(1) ermittelt:<br />

FAZ(j) = FEZ(i)<br />

FEZ(j) = FAZ(j) + D(j)<br />

Bei Nachfolgern mit mehreren parallelen Vorgängern (z. B. Vorgang 9) werden,<br />

ausgehend von allen Vorgängern (i), alle möglichen FEZ(i) errechnet und das<br />

Maximum <strong>der</strong> so errechneten Zeitpunkte verwendet, so dass die vorstehende<br />

Formel dann wie folgt zu modifizieren ist:<br />

FAZ(j) = Max {FEZ(i)}<br />

i<br />

FEZ(j) = FAZ(j) + D(j)<br />

Beispiel: FAZ(9) = Max {FEZ(5); FEZ(6); FEZ(7)}<br />

= Max {26; 26; 44}<br />

= 44<br />

(Vgl. nachstehenden Netzplan mit kritischem Pfad)<br />

(2) Rückwärtsrechnung<br />

Die spätesten Anfangszeitpunkte SAZ(i) und die spätesten Endzeitpunkte SEZ(i)<br />

werden wie folgt eingetragen:<br />

Im rechten unteren Feld des Endknotens 10 wird <strong>der</strong> SEZ (10) = 52 eingetragen.<br />

SAZ(10) wird aus SEZ(10) - D(10), also 52 - 4 = 48, errechnet und in das linke<br />

untere Feld eingetragen. Die SEZ(i) und SAZ(i) aller weiteren Vorgänge i werden<br />

wie folgt ermittelt:<br />

SEZ(i) = SAZ(j)<br />

SAZ(i) = SEZ(i) - D(i)<br />

Bei Vorgängen i mit mehreren parallelen Nachfolgern j gilt:<br />

SEZ(i) = Min {SAZ(j)}<br />

j<br />

SAZ(i) = SEZ(i) ? D(i)<br />

Beispiel: SEZ(4) = Min {SAZ(8); SAZ(5); SAZ(6)}<br />

= Min {24; 41; 41}<br />

= 24<br />

(Vgl. nachstehenden Netzplan mit kritischem Pfad)<br />

129


(3) Pufferzeiten und kritischer Weg<br />

Prüfungstechnik<br />

Gesamte Pufferzeit GP<br />

Zeitspanne zwischen frühestmöglicher und<br />

spätesterlaubter Lage eines Vorgangs.<br />

Freie Pufferzeit<br />

Freie Vorwärtspufferzeit:<br />

Zeitspanne, um die ein Vorgang gegenüber seiner frühestmöglichen<br />

Lage verschoben werden kann, ohne die<br />

frühestmögliche Lage an<strong>der</strong>er Vorgänge zu verän<strong>der</strong>n.<br />

Freie Rückwärtspufferzeit:<br />

Zeitspanne, um die ein Vorgang gegenüber seiner spätestmöglichen<br />

Lage verschoben werden kann, ohne die<br />

spätestmögliche Lage an<strong>der</strong>er Vorgänge zu verän<strong>der</strong>n.<br />

Unabhängige Pufferzeit<br />

Zeitspanne, um die ein Vorgang verschoben werden<br />

kann, wenn seine Vorgänger spätesterlaubt und seine<br />

Nachfolger frühestmöglich fertig sein sollen.<br />

• Bei Kenntnis <strong>der</strong> Pufferzeiten aller Ereignisse kann <strong>der</strong> kritische Weg bestimmt<br />

werden, <strong>der</strong> aus den (kritischen) Vorgängen besteht, <strong>der</strong>en gesamte Pufferzeiten<br />

GP Null ist.<br />

Schritt 7: Vorgangstermine und Projekttermin ermitteln<br />

Die Projektplanung ist beendet, wenn die kritischen Vorgänge und die Pufferzeiten <strong>der</strong><br />

nichtkritischen Vorgänge ermittelt sind. Deshalb folgt als letzter Schritt die Terminermittlung,<br />

also <strong>der</strong> Übergang von <strong>der</strong> fristenbezogenen Projektplanung zur terminbezogenen<br />

Projektsteuerung.<br />

130


Start<br />

000000<br />

000000<br />

1 2<br />

000404<br />

000004<br />

040509<br />

040009<br />

3<br />

092029<br />

090029<br />

Prüfungstheorie<br />

8<br />

230528<br />

240129<br />

4 5<br />

091423<br />

100124<br />

Abb. 24: Netzplan mit kritischem Pfad<br />

Zusammenfassung:<br />

230326<br />

411844<br />

6<br />

230326<br />

411844<br />

7<br />

291544<br />

290044<br />

FEZ(i) = FAZ(i) + D(i)<br />

FAZ(i) = Maximum <strong>der</strong> FEZ aller direkten Vorgänger j<br />

KW = Kritischer Weg: alle Vorgänge mit GP(i) = 0<br />

GP(i) = SAZ(i) - FAZ(i) bzw.<br />

= SEZ(i) - FEZ(i)<br />

SAZ(i) = SEZ(i) - D(i)<br />

SEZ(i) = Minimum <strong>der</strong> SAZ aller direkten Nachfolger j<br />

131<br />

9<br />

440448<br />

440048<br />

10<br />

480452<br />

480052<br />

Ziel<br />

520052<br />

520052


255. Beurteilung <strong>der</strong> Netzplantechnik<br />

Prüfungstechnik<br />

(1) Die genaue Analyse eines Projekts sowie das daraus resultierende Termingerüst lassen<br />

drohende Engpässe und Verzögerungen bereits im Ansatz erkennen und ermöglichen<br />

rechtzeitige Gegenmaßnahmen.<br />

(2) Die übersichtliche, <strong>für</strong> jedes Verfahren <strong>der</strong> Netzplantechnik bis ins Detail einheitlich<br />

festgelegte Darstellungsweise ermöglicht eine zweifelsfreie Verständigung zwischen allen<br />

Beteiligten.<br />

(3) Der Netzplan liefert in je<strong>der</strong> Phase des Projekts einen raschen, allgemein verständlichen<br />

Überblick über den Projektstand und lässt Engpässe und mögliche Störungsquellen<br />

frühzeitig erkennen.<br />

(4) Ein weiterer Nutzen <strong>der</strong> Netzplantechnik wird schließlich darin gesehen, dass in <strong>der</strong><br />

Planungsphase eines Projekts <strong>der</strong> Zwang besteht, Aufgaben, Kompetenzen und<br />

Verantwortung aller Projektbeteiligten klären zu müssen.<br />

(5) Die Nutzung von Netzplan-Software ermöglicht eine schnelle und effiziente zeitliche<br />

Überwachung auch von großen Projekten/Prüfungen.<br />

132


3 Risikoorientierte Prüfung<br />

Prüfungstheorie<br />

31 Verpflichtung zur risikoorientierten Abschlussprüfung<br />

Ziel <strong>der</strong> risikoorientierten Abschlussprüfung ist die Optimierung des Prüfungsprozesses<br />

durch eine möglichst frühzeitige Erfassung <strong>der</strong> wesentlichen Prüfungsrisiken (Fehlerrisiko (=<br />

Inhärentes Risiko mal Kontrollrisiko), Entdeckungsrisiko und Risiko <strong>der</strong> künftigen Entwicklung).<br />

Neue Prüfungsstandards und berufsständische Verlautbarungen schreiben eine Risikobeurteilung<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Prüfungsplanung verbindlich vor. Der IDW PS 240 und die VO<br />

1/1995 <strong>der</strong> WPK und des IDW enthalten die aus SAS No. 47 1 sowie die aus den ISA 300 -<br />

400 2 übernommene Verpflichtung zur risikoorientierten Abschlussprüfung.<br />

Im Rahmen einer Untersuchung von 500 Abschlussprüfungen in den USA, Großbritannien<br />

und Südafrika hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte Haskins & Sells International<br />

festgestellt, dass 75 % <strong>der</strong> wesentlichen Risiken <strong>der</strong> Prüfungsaufträge bereits in <strong>der</strong> Planungsphase<br />

hätten erkannt werden können. Die wesentlichen Risiken wurden nach dieser<br />

Untersuchung folgen<strong>der</strong>maßen unterschieden:<br />

• Ähnliche Fehler sind in den Vorjahren aufgetreten (38 %),<br />

• Branche ist risikobehaftet (12 %),<br />

• zu prüfendes Unternehmen ist risikobehaftet (9 %),<br />

• sonstige vorab erkennbare Risiken (16 %) sowie<br />

• Risiken, die in <strong>der</strong> Planungsphase nicht zu erkennen waren (25 %).<br />

1 Statement on Auditing Standard (SAS). Die SAS sind vom Auditing Standards Board (ASB) des American<br />

Institute of Certified Public Accountants (AICPA) herausgegebene Interpretationen allgemein anerkannter Prüfungsrichtlinien.<br />

Das AICPA ist die Berufsorganisation <strong>der</strong> amerikanischen Wirtschaftsprüfer. Eine Aufgabe des<br />

AICPA ist die Herausgabe von Prüfungsrichtlinien. Diese Prüfungsrichtlinien sind <strong>für</strong> amerikanische Wirtschaftsprüfer<br />

verbindlich.<br />

2<br />

International Standard on Auditing (ISA). Bei den International Standards on Auditing handelt es sich um<br />

internationale Prüfungsstandards, die vom IAPC <strong>der</strong> IFAC entwickelt werden. Die nationalen Mitgliedsorganisationen<br />

des IFAC, zu denen <strong>für</strong> Deutschland das IDW und die WPK gehören, haben sich zur Umsetzung <strong>der</strong><br />

internationalen Prüfungsstandards in Deutschland verpflichtet.<br />

International Fe<strong>der</strong>ation of Accountants (IFAC): Hauptaufgabe <strong>der</strong> IFAC ist, den Berufsstand <strong>der</strong><br />

”Accountants” auf internationaler Ebene fortzuentwickeln, vor allem im Hinblick auf die Qualitätssicherung<br />

<strong>der</strong> Berufsausübung.<br />

International Auditing Practices Committee (IAPC): Das IAPC ist ein Unterausschuss <strong>der</strong> IFAC, <strong>der</strong> sich mit<br />

Fragen <strong>der</strong> internationalen Harmonisierung von Regeln <strong>der</strong> ordnungsmäßigen Durchführung von Abschlussprüfungen<br />

sowie mit Form und Inhalt <strong>der</strong> Prüfung beschäftigt.<br />

133


Risikoorientierte Abschlußprüfung<br />

Die Studie zeigt, dass sowohl eine sorgfältige risikoorientierte Prüfungsplanung als auch die<br />

Kenntnis des Geschäfts und <strong>der</strong> Branche des zu prüfenden Unternehmens notwendige Voraussetzungen<br />

<strong>für</strong> eine ordnungsmäßige Abschlussprüfung sind.<br />

Die Risikosituation des Abschlussprüfers kann folgen<strong>der</strong>maßen strukturiert werden:<br />

Das allgemeine<br />

Geschäftsrisiko<br />

des Abschlußprüfers<br />

Abb. 25: Risiken des Abschlussprüfers<br />

32 Die Risiken des Abschlussprüfers<br />

Prüfungsrisiko<br />

321. Das allgemeine Geschäftsrisiko des Abschlussprüfers<br />

Das spezielle<br />

Auftragsrisiko<br />

des Abschlußprüfers<br />

Das allgemeine Geschäftsrisiko des Abschlussprüfers umfasst neben dem allgemeinen Unternehmerrisiko,<br />

dem jedes Unternehmen ausgesetzt ist, Konsequenzen, die vor allem aus<br />

Fehlurteilen o<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Mißachtung von Berufspflichten resultieren:<br />

- Haftung <strong>für</strong> entstandene Schäden (z. B. gegenüber Aktionären, Banken);<br />

- berufsgerichtliche Maßnahmen bei Verstößen gegen die Berufssatzung;<br />

- strafrechtliche Sanktionen (z. B. Beihilfe zur Steuerhinterziehung) sowie<br />

- Beeinträchtigung o<strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong> beruflichen Reputation.<br />

Das allgemeine Geschäftsrisiko des Abschlussprüfers kann auch aus einer verfehlten Unternehmenspolitik<br />

des Abschlussprüfers resultieren, wenn er seine Absatzmärkte und/o<strong>der</strong><br />

Wettbewerber falsch einschätzt.<br />

134


Prüfungstheorie<br />

322. Das spezielle Auftragsrisiko des Abschlussprüfers<br />

Das spezielle Auftragsrisiko des Abschlussprüfers betrifft den einzelnen Prüfungsauftrag. Es<br />

resultiert aus den speziellen Gegebenheiten des zu prüfenden Unternehmens, wie dessen<br />

Sitz, Branchenzugehörigkeit, Wettbewerbslage, Management und auch aus dem Fortbestandsrisiko<br />

des zu prüfenden Unternehmens.<br />

Das spezielle Auftragsrisiko korrespondiert in starkem Maße mit <strong>der</strong> Bestandsfestigkeit des<br />

zu prüfenden Unternehmens. So kann eine schlechte wirtschaftliche Lage des zu prüfenden<br />

Unternehmens dazu führen, dass das Unternehmen das vereinbarte Honorar nicht begleichen<br />

o<strong>der</strong> dass die Abschlussprüfung nicht GoA-konform durchgeführt werden kann.<br />

Schlimmer ist, wenn das Bestandsrisiko des zu prüfenden Unternehmens wegen Ängsten vor<br />

<strong>der</strong> sich selbst erfüllenden Prophezeiung o<strong>der</strong> vor Auftragsverlust vom Prüfer verschwiegen<br />

wird und es zu einem Scheitern des zu prüfenden Unternehmens kommt, ohne dass <strong>der</strong> Abschlussprüfer<br />

ein Signal gegeben hat.<br />

Das Auftragsrisiko umfasst wie das Geschäftsrisiko Konsequenzen, die eine Existenzgefährdung<br />

des Abschlussprüfers zur Folge haben können. Die Kontrolle des speziellen Auftragsrisikos<br />

kann durch eine risikoorientierte Auswahl <strong>der</strong> Prüfungsaufträge erfolgen. Hilfsmittel<br />

hier<strong>für</strong> sind Checklisten zur Identifikation von Unternehmen mit außergewöhnlichen Risiken<br />

und die Beurteilung <strong>der</strong> Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens vor Auftragsannahme<br />

o<strong>der</strong> Auftragsfortführung.<br />

Das spezielle Auftragsrisikos ist von zentraler Bedeutung <strong>für</strong> die Entscheidung über die Annahme<br />

o<strong>der</strong> Ablehnung eines Prüfungsauftrages. Die Beurteilung durch den Abschlussprüfer<br />

erfolgt stets unter <strong>der</strong> Abwägung möglicher Auftragschancen.<br />

Der Grundsatz <strong>der</strong> Gewissenhaftigkeit (§ 43 Abs. 1 WPO) verlangt, dass <strong>der</strong> Abschlussprüfer<br />

mögliche Ausschließungsgründe <strong>für</strong> einen speziellen Prüfungsauftrag im Vorfeld <strong>der</strong> Auftragsannahme<br />

analysiert. Eine nachträgliche Kündigung ist nach § 318 Abs. 6 dHGB bzw. §<br />

270 Abs. 6 UGB nur aus wichtigem Grund zulässig.<br />

135


323. Prüfungsrisiko<br />

323.1 Definition des Prüfungsrisikos<br />

Risikoorientierte Abschlußprüfung<br />

Prüfungsrisiko: Gefahr, einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk <strong>für</strong> einen Jahresabschluss<br />

zu erteilen, <strong>der</strong> wesentliche Fehler aufweist, bzw. einen Bestätigungsvermerk nur eingeschränkt<br />

zu erteilen o<strong>der</strong> zu verweigern, obwohl <strong>der</strong> Jahresabschluss keine wesentlichen<br />

Fehler enthält. Durch das KonTraG hat sich das Prüfungsrisiko darüber hinaus um die Gefahr<br />

erweitert, wesentliche Fortbestandsrisiken nicht zu erkennen bzw. nicht anzugeben,<br />

obwohl sie im Prüfungsbericht und eventuell im Bestätigungsvermerk angegeben werden<br />

müssen.<br />

Laut Leffson ist <strong>der</strong> gesetzliche Prüfungsauftrag ausdrücklich ein Mißtrauensauftrag: ”Der<br />

Abschlußprüfer darf niemals darauf vertrauen, daß die Buchführung in Ordnung ist o<strong>der</strong><br />

daß die Unternehmensleitung den Jahresabschluß normengerecht aufgestellt hat.”<br />

Aus dem Mißtrauensauftrag folgt nach Leffson, dass <strong>der</strong> Abschlussprüfer das unbekannte<br />

Prüfungsobjekt solange als nicht ordnungsmäßig vermutet, bis er sich vom Gegenteil überzeugen<br />

konnte.<br />

Je nachdem, welche konkreten Ergebnisse die Prüfung liefert, muss <strong>der</strong> Abschlussprüfer<br />

seine Ausgangshypothese beibehalten o<strong>der</strong> er muss sie revidieren. Da dem Abschlussprüfer<br />

bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Ordnungsmäßigkeit des Prüfungsobjektes und <strong>der</strong> Fortbestandsrisiken<br />

Fehler unterlaufen können, kann die Ablehnung <strong>der</strong> Ausgangshypothese entwe<strong>der</strong> die<br />

richtige o<strong>der</strong> die falsche Entscheidung sein.<br />

Ausgangshypothese: Der Jahresabschluss ist nicht i.O. bzw. das Unternehmen ist insolvenzgefährdet.<br />

Entscheidung<br />

des Prüfers<br />

aufgrund von<br />

Urteilsbildungsbeiträgen<br />

Hypothese<br />

wird<br />

beibehalten<br />

Hypothese<br />

wird<br />

revidiert<br />

Hypothese<br />

trifft zu<br />

korrekte<br />

Entscheidung<br />

α-Fehler<br />

Wahrer Zustand<br />

Abb. 26: Qualität <strong>der</strong> Entscheidung des Abschlussprüfers<br />

136<br />

Hypothese trifft<br />

nicht zu<br />

β-Fehler<br />

korrekte<br />

Entscheidung


Prüfungstheorie<br />

Die ungerechtfertigte Ablehnung eines Jahresabschlusses, <strong>der</strong> keine wesentlichen Fehler enthält,<br />

wird als β-Fehler bezeichnet. Vom α-Fehler wird gesprochen, wenn <strong>der</strong> Abschlussprüfer<br />

den Bestätigungsvermerk erteilt, obwohl <strong>der</strong> Jahresabschluss wesentliche Fehler enthält. 3<br />

α-Fehler und β-Fehler unterscheiden sich durch die Konsequenzen, die mit den Fehlentscheidungen<br />

verbunden sind:<br />

Bei einem β-Fehler wird das geprüfte Unternehmen seinerseits das Urteil des Abschlussprüfers<br />

prüfen. Da keine wesentlichen Fehler vorhanden sind, wird es den Abschlussprüfer zu<br />

einer Überprüfung und Korrektur seines Urteils drängen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein<br />

β-Fehler unentdeckt bleibt, kann daher als gering eingestuft werden. Die erneute Prüfung<br />

verursacht zusätzliche Kosten und führt neben dem Reputationsverlust <strong>für</strong> den Prüfer möglicherweise<br />

zum Verlust des Prüfungsauftrags im folgenden Jahr.<br />

Unterläuft dem Abschlussprüfer ein α-Fehler, so führt dies in aller Regel zu einem endgültigen<br />

Fehlurteil, da das ”geprüfte” Unternehmen mit dem positiven Urteil zufrieden sein<br />

wird: Das Unternehmen wird den erteilten Bestätigungsvermerk nicht in Frage stellen. Allerdings<br />

ist im Fall von vom Abschlussprüfer im Prüfungsbericht bzw. im Bestätigungsvermerk<br />

nicht vermerkten bestandsgefährdenden Tatsachen, die im Folgejahr offenbar werden,<br />

ein noch stärkerer Reputationsverlust <strong>für</strong> den Abschlussprüfer zu erwarten als im Falle des β-<br />

Fehlers.<br />

Allerdings ist nicht jedes Fehlurteil mit Konsequenzen <strong>für</strong> den Abschlussprüfer verbunden.<br />

Fehlurteile werden oft erst aufgedeckt, wenn Dritten daraus ein (finanzieller) Schaden entsteht.<br />

Die Qualität eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks ist nachträglich stark anzuzweifeln,<br />

wenn das geprüfte Unternehmen im Folgejahr erhebliche Verluste verkraften<br />

muss, bestandsgefährdet o<strong>der</strong> insolvent wird.<br />

3 Beachte: Die Definitionen von α-Fehler und β-Fehler sind in <strong>der</strong> Literatur nicht einheitlich.<br />

Sie hängen von <strong>der</strong> Formulierung <strong>der</strong> sogenannten Nullhypothese ab.<br />

137


Risikoorientierte Abschlußprüfung<br />

Der Abschlussprüfer kann aber nicht <strong>für</strong> jedes Fehlurteil zur Verantwortung gezogen werden.<br />

Der Abschlussprüfer muss nur eine Mindestqualität des Prüfungsurteils garantieren,<br />

nämlich von ca. 95 % Sicherheit bei 2 % Ungenauigkeit. Qualitativ lässt sich das Ziel <strong>der</strong><br />

Prüfung wie folgt formulieren:<br />

”Das Ziel <strong>der</strong> Prüfung ist die Abgabe eines hinreichend sicheren und genauen Urteils mit<br />

minimalen Kosten <strong>für</strong> das Prüfungsunternehmen.”<br />

Dies bedeutet, dass ein bestimmtes verbleibendes Prüfungsrisiko (≤ 5 %), also eine geringe<br />

Unsicherheit, zulässig und unausweichlich ist, denn die Prüfung darf (und kann) nicht zur<br />

Vollprüfung ausgeweitet werden. Das wäre den zu prüfenden Unternehmen in <strong>der</strong> Regel zu<br />

teuer und wi<strong>der</strong>spräche den GoA.<br />

Der α-Fehler wird hier mit dem eigentlichen Prüfungsrisiko gleichgesetzt, da die Wahrscheinlichkeit<br />

des Auftretens eines β-Fehlers aus den oben genannten Gründen als gering<br />

einzustufen ist.<br />

Die verwendete Definition des Prüfungsrisikos unterstellt, dass <strong>der</strong> Abschlussprüfer hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> Beurteilung des Jahresabschlusses vor einer ”Entwe<strong>der</strong>-o<strong>der</strong>-Entscheidung” steht.<br />

Dabei handelt sich aber um eine Vereinfachung <strong>der</strong> viel komplexeren Entscheidungssituation<br />

des Abschlussprüfers. Der Abschlussprüfer kann den Bestätigungsvermerk nicht nur verweigern,<br />

son<strong>der</strong>n nach dem KonTraG gemäß § 322 Abs. 4 dHGB (§ 274 Abs. 3 UGB) einschränken<br />

und um ergänzende Beurteilungen erweitern (Bestätigungsbericht). Aus Vereinfachungsgründen<br />

wird im folgenden nur die ”Entwe<strong>der</strong>-o<strong>der</strong>-Entscheidungssituation” betrachtet.<br />

Bestätigungsvermerk WP IV<br />

323.2 Bestandteile des Prüfungsrisikos<br />

Die Möglichkeit des Auftretens eines Prüfungsfehlers setzt entwe<strong>der</strong> voraus, dass wesentliche<br />

Inkorrektheiten im Jahresabschluss enthalten sind (Fehlerrisiko) und dass diese im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Prüfung nicht erkannt werden (Entdeckungsrisiko) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Abschlussprüfer<br />

erkennt aus den ihm vorliegenden Prüfungsunterlagen nicht, dass eine potentielle Bestandsgefährdung<br />

(Risiko <strong>der</strong> künftigen Entwicklung) vorliegt, die er im Prüfungsbericht und<br />

eventuell auch im Bestätigungsvermerk angeben müsste.<br />

138


Inhärentes<br />

Risiko<br />

Prüfungstheorie<br />

Prüfungsrisiko<br />

Fehlerrisiko Entdeckungsrisiko<br />

Kontrollrisiko<br />

Risiko<br />

analytischer<br />

Prüfungshandlungen<br />

Abb. 27: Bestandteile des Prüfungsrisikos<br />

Risiko<br />

detaillierter<br />

Prüfungshandlungen<br />

Risiko <strong>der</strong><br />

künftigen Entwicklung<br />

Das Fehlerrisiko gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass in einem Prüfungsobjekt wesentliche<br />

Fehler enthalten sind. Dem Fehlerrisiko ist <strong>der</strong> Abschlussprüfer mit Beginn <strong>der</strong> Prüfung<br />

ausgesetzt. Die Ursachen liegen zum einen in den dem Prüffeld innewohnenden Risiken<br />

(Inhärente Risiken) und zum an<strong>der</strong>en in <strong>der</strong> Fähigkeit des Unternehmens durch ein wirksames<br />

Internes Kontrollsystem (IKS) den Inhärenten Risiken zu begegnen (Kontrollrisiko).<br />

Das Fehlerrisiko ist vom Abschlussprüfer kurzfristig nicht beeinflussbar. Seine Aufgabe ist,<br />

das Fehlerrisiko zu analysieren, zu beurteilen und bei <strong>der</strong> Prüfungsplanung und -<br />

durchführung durch die Wahl eines entsprechend großen Prüfungsumfangs zu berücksichtigen.<br />

Mittelfristig wird <strong>der</strong> Abschlussprüfer versuchen, Fehlerrisiken zu verringern, indem er<br />

sie dem zu prüfenden Unternehmen bewusst macht (Management Letter).<br />

Das Entdeckungsrisiko kennzeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass trotz <strong>der</strong> angewandten<br />

Prüfungshandlungen wesentliche Fehler unentdeckt bleiben.<br />

Das Entdeckungsrisiko wird durch Art, Umfang und Effektivität <strong>der</strong> formellen und materiellen<br />

Prüfungshandlungen bestimmt. Bei konstantem Prüfungsrisiko und erhöhtem Fehlerrisiko<br />

muss <strong>der</strong> Abschlussprüfer seine Prüfungshandlungen so gestalten, dass das Risiko<br />

sinkt, wesentliche Fehler nicht zu entdecken.<br />

Die Differenzierung des Prüfungsrisikos in Fehler- und Entdeckungsrisiko betrifft nicht<br />

nur den Jahresabschluss insgesamt, son<strong>der</strong>n jedes Prüffeld. Die Notwendigkeit, das Prüfungsrisiko<br />

auf Prüffeldebene zu untersuchen, resultiert zum einen aus <strong>der</strong> Gefahr, dass aufgrund<br />

<strong>der</strong> Komplexität des gesamten Prüfungsobjektes wesentliche Sachverhalte übersehen<br />

werden könnten und zum an<strong>der</strong>en aus dem Ziel, das gefor<strong>der</strong>te hinreichend sichere und genaue<br />

Prüfungsurteil mit minimalen Kosten zu erreichen.<br />

139


Risikoorientierte Abschlußprüfung<br />

Ziel <strong>der</strong> risikoorientierten Abschlussprüfung ist es, die Kosten <strong>der</strong> Prüfung bei gegebenem<br />

Prüfungsrisiko durch eine umfassende Risikoeinschätzung über die Reduktion des Fehlerrisikos<br />

und dadurch bedingte Erhöhung des akzeptablen Entdeckungsrisikos zu minimieren.<br />

Der Grundsatz <strong>der</strong> Eigenverantwortlichkeit (§ 43 Abs. 1 WPO) verlangt, dass <strong>der</strong> Abschlussprüfer<br />

seine Entscheidungen selbst trifft. Der Abschlussprüfer ist daher stets<br />

- ungeachtet <strong>der</strong> Reduktion des Fehlerrisikos - verpflichtet, ein Minimum an detaillierten<br />

Prüfungshandlungen durchzuführen, um sich ein eigenes Urteil bilden zu können. Er darf<br />

sich also auch nicht allein auf das BBR stützen!<br />

Durch das KonTraG erweitert sich das Prüfungsrisiko des Abschlussprüfers um das Risiko<br />

<strong>der</strong> künftigen Entwicklung. Gemäß § 317 Abs. 2 Satz 2 dHGB muss <strong>der</strong> Abschlussprüfer<br />

prüfen, ob die Chancen und Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung und evtl. Bestandsgefährdungen<br />

im Lagebericht zutreffend dargestellt sind. Darüber hinaus ist <strong>der</strong> Abschlussprüfer<br />

verpflichtet, sowohl im Prüfungsbericht nach § 321 Abs. 1 dHGB (§ 273 Abs. 2 UGB) als<br />

auch im Bestätigungsvermerk gemäß § 322 Abs. 2 Satz 2 dHGB mögliche Fortbestandsrisiken<br />

geson<strong>der</strong>t anzugeben. Hier besteht das Prüfungsrisiko des Abschlussprüfers darin, dass<br />

er Hinweise auf wesentliche Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung nicht erkennt und/o<strong>der</strong> die<br />

wirtschaftliche Lage (Bestandsfestigkeit) des zu prüfenden Unternehmens falsch einschätzt.<br />

Hier könnte ein Instrument wie das BBR unterstützen.<br />

323.3 Fehlerrisiko<br />

323.31 Inhärentes Risiko<br />

Inhärentes Risiko: Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Fehlern in einem Prüffeld, die<br />

alleine o<strong>der</strong> zusammen mit Fehlern in an<strong>der</strong>en Prüffel<strong>der</strong>n wesentlich sind.<br />

Das Inhärente Risiko umfasst die eigentlichen Ursachen <strong>für</strong> Fehler. Sie liegen zum einem im<br />

Prüfungsobjekt/-feld selbst (Charakteristik des Prüffeldes) und zum an<strong>der</strong>en in den äußeren<br />

Bedingungen des Prüfungsobjektes. Die äußeren Bedingungen beeinflussen die Fehleranfälligkeit<br />

des gesamten Rechenwerks des zu prüfenden Unternehmens.<br />

140


Prüfungstheorie<br />

Die beiden Komponenten des Inhärenten Risikos sind:<br />

(a) Die Bedingungen des Inhärenten Risikos:<br />

• makroökonomische Bedingungen<br />

(konjunkturelle Entwicklung, konjunkturpolitische Maßnahmen, gesellschaftspolitische<br />

Ereignisse),<br />

• Branchenbedingungen<br />

(Branchenkonjunktur, Branchenstruktur, Position des Unternehmens innerhalb <strong>der</strong><br />

Branche),<br />

• Unternehmensbedingungen<br />

(wirtschaftliche Lage, Insolvenzwahrscheinlichkeit, Lebensalter des Unternehmens,<br />

Rechtsform, Größe, Qualifikation des Managements).<br />

(b) Die Charakteristika des Inhärenten Risikos:<br />

• Manipulationsanfälligkeit eines Prüffeldes,<br />

• Umfang, Häufigkeit und Komplexität <strong>der</strong> Verarbeitungsprozesse,<br />

• Ausmaß von Nicht-Routinetransaktionen und Schätzungen beim Ansatz und bei <strong>der</strong><br />

Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden,<br />

• Abhängig von Fortbestandsrisiken,<br />

• Umfang <strong>der</strong> Teilschritte <strong>der</strong> Bewertung.<br />

Die Charakteristika des Inhärenten Risikos unterliegen in <strong>der</strong> Regel keinen Verän<strong>der</strong>ungen,<br />

da sie mit dem Geschäft des zu prüfenden Unternehmens und/o<strong>der</strong> den<br />

speziellen Eigenschaften eines Prüffeldes eng verbunden sind.<br />

Die Beurteilung des Inhärenten Risikos durch den Abschlussprüfer erfolgt durch eine umfassende<br />

Risikoanalyse im Rahmen <strong>der</strong> Prüfungsplanung und zu Beginn <strong>der</strong> Prüfung.<br />

Bei <strong>der</strong> Beurteilung des Inhärenten Risikos kann sich <strong>der</strong> Abschlussprüfer<br />

• auf Erkenntnisse aus Vorjahresprüfungen und <strong>der</strong> Vorprüfung,<br />

• seiner Kenntnis <strong>der</strong> gesamtwirtschaftlichen Situation und <strong>der</strong> Branche sowie<br />

• auf Urteile über die Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens, vor allem in<br />

Form von Branchen- und Zeitvergleichen, stützen.<br />

141


323.32 Kontrollrisiko<br />

Risikoorientierte Abschlußprüfung<br />

Kontrollrisiko: Wahrscheinlichkeit, dass Fehler in einem Prüffeld durch das IKS des Unternehmens<br />

nicht verhin<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> nicht entdeckt und korrigiert werden. Darüber hinaus ist<br />

nach KonTraG unter dem Kontrollrisiko auch die Gefahr zu subsumieren, dass das von <strong>der</strong><br />

Unternehmensleitung installierte Risikomanagementsystem nicht angemessen ist. Das heißt,<br />

die Unternehmensleitung wird nicht rechtzeitig auf Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung o<strong>der</strong><br />

Fortbestandsrisiken hingewiesen.<br />

Das Kontrollrisiko ist ein Maß <strong>der</strong> Qualität bzw. <strong>der</strong> Effektivität des im Unternehmen installierten<br />

Internen Kontrollsystems (IKS) 4 und des Risikomanagementsystems.<br />

Das IKS ist vornehmlich darauf gerichtet, Fehler zu vermeiden, aufzudecken und zu beheben,<br />

die aus <strong>der</strong> Charakteristik des Inhärenten Risikos resultieren. Vom IKS ist das Risikomanagementsystem<br />

(nach § 91 Abs. 2 AktG) abzugrenzen. Das Risikomanagementsystem<br />

eines Unternehmens übernimmt die Funktionen <strong>der</strong> Erfassung, Messung und Steuerung <strong>der</strong><br />

relevanten Risiken und Risikopotentiale sowie die Überwachung <strong>der</strong> einzelnen Risiken und<br />

des kumulativen Unternehmensrisikos.<br />

Die Beurteilung des IKS erfolgt im Rahmen <strong>der</strong> Systemprüfung, die Teil <strong>der</strong> Vorprüfung<br />

ist. Ergebnis <strong>der</strong> Systemprüfung muss eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit sein, mit<br />

<strong>der</strong> das IKS potentielle wesentliche Fehler nicht verhin<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> nicht entdeckt und korrigiert.<br />

Bei Erstprüfungen erfor<strong>der</strong>t die Einschätzung des Kontrollrisikos eine vollständige Erfassung<br />

und Analyse des IKS. Bei Folgeprüfungen kann <strong>der</strong> Abschlussprüfer auf Erkenntnisse aus<br />

vorangegangenen Prüfungen zurückgreifen. Während <strong>der</strong> Prüfungsdurchführung muss <strong>der</strong><br />

Abschlussprüfer sich stets davon überzeugen, dass das IKS in <strong>der</strong> dokumentierten Form<br />

noch vorhanden ist und über den gesamten Beurteilungszeitraum angewandt wurde.<br />

Jedes Unternehmen benötigt ein Risikomanagementsystem damit die Unternehmensleitung<br />

frühzeitig auf Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung o<strong>der</strong> im schlimmsten Fall Fortbestandsrisiken<br />

reagieren kann. Bei Aktiengesellschaften, die Aktien mit amtlicher Notierung ausgegeben<br />

haben, ist <strong>der</strong> Abschlussprüfer nach § 317 Abs. 4 dHGB verpflichtet zu prüfen, ob <strong>der</strong><br />

Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 dAktG obliegenden Maßnahmen zur Errichtung eines<br />

Risikomanagementsystems getroffen hat und ob das System seine Aufgabe erfüllt.<br />

Ist ein Risikomanagementsystem fest implementiert, sollte dessen Ausgestaltung in <strong>der</strong> Vorprüfung<br />

aufgenommen und beurteilt werden, soweit dies möglich ist. Der Abschlussprüfer<br />

wird dabei mit dem Problem konfrontiert, dass das Kontrollrisiko eines Risikomanagementsystems<br />

statistisch nicht gemessen werden kann. Zum einen liefert ein Risikomanagementsystem<br />

prognostische Aussagen und zum an<strong>der</strong>en kann aufgrund <strong>der</strong> Ungewissheit <strong>der</strong><br />

künftigen Entwicklung kein Sollobjekt bestimmt werden.<br />

4<br />

Das IKS ist die Summe <strong>der</strong> Regeln und Verfahren, die die Richtigkeit <strong>der</strong> Erfassung und Verarbeitung <strong>der</strong> in<br />

einem Unternehmen anfallenden Geschäftsvorfälle sichern sollen.<br />

142


Prüfungstheorie<br />

Das Kontrollrisiko kann entwe<strong>der</strong> aus fehlenden o<strong>der</strong> mangelhaften Kontrollelementen des<br />

IKS resultieren, o<strong>der</strong> vorgesehene Kontrollen werden nicht ausgeführt o<strong>der</strong> funktionieren<br />

nicht wie geplant. Das Kontrollrisiko kann nie gleich Null sein. Interne Kontrollen können<br />

z. B. durch mangelnde Sorgfalt zeitweise unwirksam werden. Des Weiteren besteht stets die<br />

Möglichkeit, dass sich das Management über bestehende und funktionierende Kontrollen<br />

hinwegsetzt (Management Override).<br />

Das Kontrollrisiko wie das Inhärente Risiko sind <strong>für</strong> den aktuellen Prüfungsauftrag ein Datum.<br />

Beide Größen liegen in <strong>der</strong> Verantwortung des zu prüfenden Unternehmens.<br />

323.4 Entdeckungsrisiko<br />

323.41 Risiko analytischer Prüfungshandlungen<br />

Risiko analytischer Prüfungshandlungen: Wahrscheinlichkeit, dass <strong>der</strong> Abschlussprüfer aufgetretene<br />

und durch das IKS nicht beseitigte wesentliche Fehler durch analytische Prüfungshandlungen<br />

ebenfalls nicht entdeckt.<br />

Exkurs: Analytische Prüfungshandlungen (vgl. IDW PS 312).<br />

Analytische Prüfungshandlungen werden unterteilt in<br />

a) Vergleichszahlen- und Kennzahlenanalyse und<br />

b) Analyse mit Hilfe wirtschaftlich orientierter Kontrollrechnungen.<br />

ad a) Vergleichszahlen und Kennzahlenanalyse<br />

Bei <strong>der</strong> Vergleichszahlenanalyse werden Jahresabschlusszahlen durch Zeit- und Betriebsvergleiche<br />

auf absolute Än<strong>der</strong>ungen untersucht. Sind die festgestellten Verän<strong>der</strong>ungen<br />

nicht erklärbar, können sie Hinweise auf Fehler im Prüfungsfeld geben.<br />

Bei <strong>der</strong> Prüfung mit Kennzahlen greift <strong>der</strong> Abschlussprüfer auf Verhältniszahlen zurück<br />

(z. B.: Eigenkapitalquote, Fremdkapitalquote, statischer Verschuldungsgrad).<br />

Die ermittelten Kennzahlen können Vorjahres- o<strong>der</strong> Branchenwerten gegenübergestellt<br />

werden. Auch hier können nicht erklärbare Abweichungen Hinweise auf Fehler<br />

geben.<br />

Will <strong>der</strong> Abschlussprüfer zu einem umfassenden Bild <strong>der</strong> wirtschaftlichen Lage des<br />

zu prüfenden Unternehmens gelangen, wird er Kennzahlenkataloge heranziehen, die<br />

alle Informationsbereiche des Jahresabschlusses und damit die wirtschaftliche Lage<br />

des Unternehmens wi<strong>der</strong>spiegeln.<br />

ad b) Analyse mit Hilfe wirtschaftlich orientierter Kontrollrechnungen:<br />

Mit Hilfe wirtschaftlicher Kontrollrechnungen versucht <strong>der</strong> Abschlussprüfer, die<br />

Daten <strong>der</strong> Finanzbuchhaltung durch unabhängige Aufzeichnungen auf ihre Richtig-<br />

143


Risikoorientierte Abschlußprüfung<br />

keit zu überprüfen. Diese Kontrollrechnungen werden vor allem bei <strong>der</strong> Prüfung von<br />

GuV-Posten angewandt.<br />

Bei einem Fertigungsbetrieb kann von den zugekauften und verbrauchten Rohstoffen<br />

und Waren auf die Menge <strong>der</strong> hergestellten Erzeugnisse geschlossen werden, sofern<br />

diese in einem festen Verhältnis zueinan<strong>der</strong> stehen. Die Personalkosten können<br />

anhand von Personalstatistiken unter <strong>der</strong> Berücksichtigung von Tarifän<strong>der</strong>ungen<br />

plausibilisiert werden.<br />

Beurteilung analytischer Prüfungshandlungen:<br />

Die Qualität analytischer Prüfungshandlungen hängt von <strong>der</strong> Zuverlässigkeit des zur<br />

Verfügung stehenden Datenmaterials ab. Es besteht stets die Gefahr, dass das zu<br />

Vergleichszwecken herangezogene Datenmaterial fehlerhaft ist.<br />

Vor <strong>der</strong> Anwendung analytischer Prüfungshandlungen ist zu klären, ob die Bildung<br />

bestimmter Verhältniszahlen betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Darüber hinaus können<br />

Kennzahlen durch bilanzielle Ansatz- und Bewertungswahlrechte, Ermessensspielräume<br />

sowie Sachverhaltsgestaltungen verzerrt werden. Der Abschlussprüfer<br />

sollte solche Zusammenhänge erkennen und bei seinen Schlussfolgerungen berücksichtigen.<br />

Bei stark aggregierten Daten besteht die Möglichkeit, dass wesentliche Fehler saldiert<br />

und verdeckt werden.<br />

Analytische Prüfungshandlungen sind zur abschließenden Beurteilung eines kritischen<br />

Prüfungsfeldes nicht ausreichend. In <strong>der</strong> Praxis werden analytische Prüfungshandlungen<br />

daher stets mit detaillierten Prüfungshandlungen kombiniert.<br />

323.42 Risiko detaillierter Prüfungshandlungen<br />

Risiko detaillierter Prüfungshandlungen: Wahrscheinlichkeit, dass <strong>der</strong> Abschlussprüfer aufgetretene<br />

und we<strong>der</strong> durch das IKS noch aufgrund analytischer Prüfungshandlungen entdeckte<br />

wesentliche Fehler mit Hilfe detaillierter ergebnisorientierter Prüfungshandlungen<br />

ebenfalls nicht entdeckt.<br />

Das Risiko detaillierter Prüfungshandlungen wird in das Auswahlrisiko und das Prüferrisiko<br />

unterteilt:<br />

(a) Auswahlrisiko (Sampling Risk)<br />

• Nur in Ausnahmefällen wird <strong>der</strong> Abschlussprüfer eine Vollprüfung vornehmen, da<br />

eine lückenlose Prüfung i.d.R. nicht wirtschaftlich ist und gegen die Grundsätze<br />

ordnungsmäßiger Abschlussprüfung verstoßen würde.<br />

• Bei den Verfahren <strong>der</strong> Auswahlprüfung müssen indes unentdeckte Fehler in Kauf<br />

genommen werden. Auswahlrisiko<br />

144


(b) Prüferrisiko (Non Sampling Risk)<br />

Das Prüferrisiko kann in das:<br />

Prüfungstheorie<br />

1. Wirksamkeitsrisiko,<br />

2. Anwendungsrisiko und<br />

3. Interpretationsrisiko unterteilt werden.<br />

Zu 1.: Das Wirksamkeitsrisiko kennzeichnet die Gefahr, dass <strong>der</strong> Abschlussprüfer eine Prüfungshandlung<br />

auswählt, die nicht auf die Erfor<strong>der</strong>nisse des zu prüfenden Sachverhalts<br />

abgestimmt ist. So kann bspw. die Vollständigkeit des ausgewiesenen Bestandes<br />

an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen nicht durch eine retrograde<br />

Prüfung überprüft werden.<br />

Zu 2.: Das Anwendungsrisiko tritt im Prüfungsprozess auf, wenn Prüfungshandlungen nicht<br />

adäquat angewandt werden. Für die Anwendung mathematisch-statistischer Methoden<br />

müssen bestimmte Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sein.<br />

(Vgl.: Kap. 233.412.)<br />

Zu 3.: Das Risiko, eine Prüfungsfeststellung falsch zu interpretieren, kann z. B. aus mangelnden<br />

Rechnungslegungskenntnissen, mangeln<strong>der</strong> Sorgfalt des Abschlussprüfers resultieren.<br />

Die Ursachen des Prüferrisikos liegen in einer unzureichenden Planung und Überwachung<br />

<strong>der</strong> Prüfung, mangeln<strong>der</strong> Qualifikation und im schlimmsten Fall in mangeln<strong>der</strong> Integrität<br />

des Abschlussprüfers.<br />

Wird ein Fehlurteil aufgedeckt, ist <strong>der</strong> Abschlussprüfer zur Verantwortung zu ziehen. Der<br />

Abschlussprüfer kann sich indes exkulpieren, wenn er die Mindesturteilssicherheit eingehalten<br />

und dies in seinen Arbeitspapieren dokumentiert hat.<br />

Im Falle einer Vollerhebung eines Prüffeldes strebt das Auswahlrisiko gegen Null und es<br />

verbleibt nur das Prüferrisiko.<br />

145


323.5 Risiko <strong>der</strong> künftigen Entwicklung<br />

323.51 Definition<br />

Risikoorientierte Abschlußprüfung<br />

Gefahr, dass <strong>der</strong> Abschlussprüfer in den ihm vorliegenden Unterlagen und im Prüfungsprozess<br />

Hinweise auf wesentliche Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung nicht erkennt und/o<strong>der</strong><br />

die wirtschaftliche Lage (Bestandsfestigkeit) des zu prüfenden Unternehmens falsch, d. h. zu<br />

positiv, einschätzt.<br />

Das Risiko <strong>der</strong> künftigen Entwicklung ist nach KonTraG die Gefahr einer möglichen künftigen<br />

Nettovermögensmin<strong>der</strong>ung <strong>für</strong> das zu prüfende Unternehmen. Diese mögliche Nettovermögensmin<strong>der</strong>ung<br />

resultiert aus einer eventuellen negativen Abweichung <strong>der</strong> künftig tatsächlich<br />

realisierten Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von den zum Bilanzstichtag geplanten<br />

Werten <strong>der</strong> Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.<br />

Für den Abschlussprüfer sind nicht sämtliche negativen Planabweichungen und damit alle<br />

Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung relevant, son<strong>der</strong>n nur die wesentlichen:<br />

• Risiken, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage spürbar nachteilig beeinflussen<br />

könnten und<br />

• bestandsgefährdende Risiken (Insolvenzgefahr) bzw. die Gefahr eines künftigen Scheiterns<br />

des Unternehmens (Non Going Concern).<br />

Neben gewichtigen Einzelrisiken können auch immer eine große Zahl an einzeln betrachtet<br />

unbedeutenden Risiken gemeinsam zu wesentlichen negativen Abweichungen von <strong>der</strong> erwarteten<br />

wirtschaftlichen Lage o<strong>der</strong> zu einer Bestandsgefährdung führen.<br />

Die Ursachen <strong>für</strong> Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung sind vielfältig und finden sich auf allen<br />

Unternehmensebenen. Sie resultieren aus:<br />

• Än<strong>der</strong>ungen von politischen o<strong>der</strong> ökonomischen Faktoren (Wechselkurse, Inflationsraten,<br />

Zölle etc.),<br />

• Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Branchenstruktur durch neue Wettbewerber und/o<strong>der</strong> neue Technologien,<br />

• Grad <strong>der</strong> Akzeptanz <strong>der</strong> Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens sowie<br />

• Rechtsstreitigkeiten, Reklamationen o<strong>der</strong> Klagen.<br />

Nach dem KonTraG ist es nicht die Aufgabe des Abschlussprüfers, eine eigene Prognose<br />

bezüglich <strong>der</strong> Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung zu erstellen. Der Abschlussprüfer ist auf<br />

die Risikoprognose des Unternehmens angewiesen und soll überprüfen, ob die vorgenommene<br />

Inventur <strong>der</strong> Risiken sachgerecht durchgeführt wurde und mit den Erkenntnissen seiner<br />

Prüfung übereinstimmt.<br />

Der Abschlussprüfer muss aber aus den ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen, die wirtschaftliche<br />

Lage, die Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung und Fortbestandsgefährdungen ermitteln,<br />

soweit das möglich ist und diese sowohl im Prüfungsbericht als auch gegebenenfalls<br />

im Bestätigungsvermerk berichten.<br />

146


Prüfungstheorie<br />

Die Inventur <strong>der</strong> Risiken durch das zu prüfende Unternehmen muss gewährleisten, dass<br />

sämtliche drohenden und möglichen Nettovermögensmin<strong>der</strong>ungen erfasst werden. Die Inventur<br />

<strong>der</strong> Risiken erstreckt sich daher auf:<br />

• Geschäfte, die mit <strong>der</strong> Beschaffung von Beständen eingeleitet worden sind,<br />

• Geschäfte, die mit Abschluss von (Beschaffungs- bzw.) Absatzverträgen eingeleitet<br />

worden sind und auf<br />

• Geschäfte, die am Abschlussstichtag noch nicht abgeschlossen sind, <strong>der</strong>en Abschluss<br />

aber mit einer erheblichen, nicht unbedingt überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu<br />

erwarten ist.<br />

Unabdingbare Voraussetzung <strong>für</strong> eine dem Grundsatz <strong>der</strong> Vollständigkeit genügende Inventur<br />

<strong>der</strong> Risiken ist ein funktionsfähiges Risikomanagementsystem des zu prüfenden Unternehmens.<br />

Die vom zu prüfenden Unternehmen ermittelten Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung sind<br />

vom Abschlussprüfer dahingehend zu beurteilen, ob die Risiken einzeln o<strong>der</strong> kumulativ wesentlich<br />

und berichtspflichtig sind.<br />

Diese Aufgabe kann <strong>der</strong> Abschlussprüfer nur dann sachgerecht erfüllen und das Risiko einer<br />

Fehleinschätzung minimieren, wenn er über eine genaue Kenntnis <strong>der</strong> Bestandsfestigkeit des<br />

zu prüfenden Unternehmens zum Bilanzstichtag verfügt. Das heißt letztendlich, <strong>der</strong> Abschlussprüfer<br />

muss sich ein eigenes Urteil bzgl. <strong>der</strong> Bestandsfestigkeit bzw. Bestandsgefährdung<br />

des zu prüfenden Unternehmens bilden.<br />

323.52 Instrumente zur Beurteilung <strong>der</strong> Bestandsfestigkeit<br />

Ausgehend von den Jahresabschlüssen des zu prüfenden Unternehmens lässt sich mit Hilfe<br />

mo<strong>der</strong>ner Verfahren <strong>der</strong> Jahresabschlussanalyse die Bestandsfestigkeit objektiv beurteilen.<br />

Bei mo<strong>der</strong>nen empirischen Verfahren <strong>der</strong> Jahresabschlussanalyse werden auf <strong>der</strong> Basis einer<br />

hinreichend großen Zahl von solventen und insolventen Unternehmen mit Hilfe mathematisch-statischer<br />

Verfahren die relevanten Kennzahlen zur Beurteilung <strong>der</strong> Bestandsfestigkeit<br />

eines Unternehmens objektiv ausgewählt und zu einem Gesamtrisikoindex verdichtet.<br />

Am Institut <strong>für</strong> Revisionswesen wurde in Zusammenarbeit mit Baetge & Partner mittels <strong>der</strong><br />

Künstlichen Neuronalen Netz-Analyse (KNNA) ein Klassifikator entwickelt, mit dem <strong>der</strong><br />

Abschlussprüfer die Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens in Form einer Aposteriori-Insolvenzwahrscheinlichkeit<br />

beurteilen kann. Der zur Zeit leistungsfähigste Klassifikator<br />

ist das Bilanzbonitätsrating BP-14 (Backpropagation-Netz mit 14 Kennzahlen), das<br />

sog. BBR-Baetge-Bilanzbonitäts-Rating Die Kennzahlen des BBR erfassen alle relevanten<br />

Kennzahlen <strong>der</strong> Vermögens-, Finanz- und Ertragslage so, dass ein umfassendes Urteil über<br />

die Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens gewährleistet ist. Zudem handelt es<br />

sich um ”intelligente” Kennzahlen, die die vom zu prüfenden Unternehmen eventuell vorgenommenen<br />

bilanzpolitischen und sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen konterkarieren.<br />

147


Risikoorientierte Abschlußprüfung<br />

Ein Bilanz-Rating des zu prüfenden Unternehmens ermöglicht dem Abschlussprüfer, die<br />

Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens zur Abwehr <strong>der</strong> Risiken <strong>der</strong> künftigen<br />

Entwicklung am Bilanzstichtag zu messen. Mit diesem Wissen ist <strong>der</strong> Abschlussprüfer in <strong>der</strong><br />

Lage, die Risiken aus den eingeleiteten Geschäften und den geplanten wirtschaftlichen Aktivitäten<br />

angemessen zu werten: Ein Unternehmen mit hoher Bestandsfestigkeit ist in <strong>der</strong> Lage,<br />

Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung abzufe<strong>der</strong>n, ohne dass die wirtschaftliche Lage o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Fortbestand des Unternehmens gefährdet wird. Demgegenüber kann <strong>für</strong> ein Unternehmen<br />

mit geringer Bestandskraft unter Umständen bereits aus einer künftigen Geschäftstätigkeit<br />

mit geringem Risiko die Gefahr des Scheiterns resultieren.<br />

Durch die Anfor<strong>der</strong>ung eines Bilanzbonitätsratings seines zu prüfenden Unternehmens<br />

kann <strong>der</strong> Abschlussprüfer Unternehmensschieflagen frühzeitig erkennen und darüber berichten.<br />

Das zu prüfende Unternehmen kann rechtzeitig Maßnahmen zur Abwendung <strong>der</strong><br />

drohenden Gefahren treffen.<br />

Darüber hinaus erlaubt das Bilanzbonitätsrating dem Abschlussprüfer, Prüfungsschwerpunkte<br />

festzulegen. Kennzahlen des BBR, die im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Unternehmen o<strong>der</strong><br />

im Zeitvergleich eine negative Entwicklung zeigen, sind <strong>für</strong> den Abschlussprüfer ein wichtiges<br />

Indiz <strong>für</strong> kritische Prüfungsfel<strong>der</strong>. Der Abschlussprüfer kann diese Information nutzen,<br />

um seine Prüfungsintensität entsprechend anzupassen und damit die Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong><br />

Prüfung verbessern.<br />

Zusätzlich zum Einsatz des BBR muss <strong>der</strong> Abschlussprüfer qualitative Unternehmensmerkmale<br />

analysieren, die Hinweise auf mögliche Fortbestandsrisiken liefern könnten. Damit<br />

keine Negativmerkmale übersehen werden, sollte <strong>der</strong> Abschlussprüfer eine auf das zu prüfende<br />

Unternehmen abgestimmte Checkliste einsetzen.<br />

148


Beurteilung <strong>der</strong><br />

Verän<strong>der</strong>ung des Wortst-<br />

Case-<br />

Fortbestandsrisikos:<br />

Beurteilung des<br />

Lebenswandels (Worst-<br />

Case-Planabschluß)<br />

des Mandanten:<br />

Beurteilung des<br />

Gesundheitszustandes<br />

(IST-Abschluß)<br />

des Mandanten:<br />

Beurteilung mit einer<br />

Risiko- bzw.<br />

Fortbestands-Checkliste<br />

(Inventur <strong>der</strong> Risiken):<br />

Fehlbericht o<strong>der</strong> besser:<br />

Angabe <strong>der</strong><br />

Bestandsfestigkeit (1-<br />

Fortbestandsrisiko)<br />

Worst-Case-Planabschluß wird mit dem<br />

Baetge-Bilanz-Rating beurteilt.<br />

Unternehmensbonität wird mit<br />

dem Baetge-Bilanz-Rating<br />

beurteilt<br />

WP beurteilt das Unternehmen anhand einer<br />

Risiko- bzw. Fortbestands-Checkliste . Dabei sind<br />

alle Kriterien zu berücksichtigen, die einen dauerhaften<br />

Fortbestand (Going-Concern) des Unternehmens zweifelhaft<br />

erscheinen lassen. Ferner sind Vorgänge von beson<strong>der</strong>er<br />

Bedeutung nach dem Abschlußstichtag zu berücksichtigen.<br />

Hat sich das Worst-<br />

Case-Plan-Bilanz-Rating<br />

Nein Nein<br />

gegenüber dem Ist-Abschluß<br />

verschlechtert?<br />

Ergebnis des<br />

Baetge-Bilanz-Ratings<br />

des Worst-Case-Plan-<br />

Abschlusses: "Insolvenzgefährdung"?<br />

Nein<br />

Ergebnis des<br />

Bilanz-Ratings des<br />

Ist-Abschlusses: "Insolvenzgefährdung"?<br />

Prüfungstheorie<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

WP prüft die Verschlechterung<br />

Nein des Bilanz-Ratings<br />

WP prüft Urteil des Worst-Case-<br />

Plan-Bilanz-Ratings<br />

WP prüft Urteil des<br />

Bilanz-Ratings.<br />

Nein<br />

Zeigt die Risiko- bzw. Fortbestands-<br />

Checkliste Zweifel am Going<br />

Concern?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Ist die Worst-Case-<br />

Güteklasse gegenüber<br />

dem Ist-Abschluß<br />

schlechter?<br />

Nein<br />

Ist das Urteil des WP:<br />

"Insolvenzgefährdung"?<br />

Nein<br />

Ist das Urteil des WP:<br />

"Insolvenzgefährdung"?<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Angabe <strong>der</strong> Erhöhung des<br />

Worst-Case-Fortbestandsrisikos<br />

Angabe <strong>der</strong> künftigen<br />

Bestandsgefährdung durch Nennung<br />

des künftigen Fortbestandsrisikos im<br />

Prüfungsbericht (und<br />

Bestätigungsvermerk)<br />

Angabe <strong>der</strong> Bestandsgefährdung<br />

durch Nennung<br />

des Fortbestandsrisikos im<br />

Prüfungsbericht (und<br />

Bestätigungsvermerk).<br />

Angabe von Fortbestandsrisiken im<br />

Prüfungsbericht und gegebenenfalls im<br />

Bestätigungsvermerk.<br />

Beurteilung, ob die Risiken <strong>der</strong> künftigen<br />

Entwicklung im Lagebericht zutreffend<br />

dargestellt sind.<br />

Abb. 28: Entscheidungsprozess bzgl. <strong>der</strong> Bestandsfestigkeit eines Unternehmens bei Einsatz des BBR<br />

149


Risikoorientierte Abschlußprüfung<br />

Eine solche Checkliste sollte u. a. folgende Aspekte berücksichtigen:<br />

Wirtschaftliche Negativmerkmale<br />

− im globalen Umfeld, d. h. im gesamtwirtschaftlichen, rechtlich-politischen, wissenschaftlich-technischen<br />

sowie ökologischen Umfeld als Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Unternehmenstätigkeit.<br />

− im Unternehmensumfeld, d. h. in <strong>der</strong> Branchenentwicklung, den Marktbedingungen<br />

auf Absatz- und Beschaffungsmärkten sowie den Wettbewerbsverhältnissen.<br />

− im Unternehmen, d. h. in <strong>der</strong> Leistungs- und Produktpalette, <strong>der</strong> Beschaffungs- und<br />

Absatzpolitik, <strong>der</strong> strategischen Ausrichtung des Unternehmens, in den Finanzierungsstrategien,<br />

in <strong>der</strong> Innovationspolitik etc.<br />

Negativmerkmale im Management z. B.:<br />

− Verwicklung in strafbare Handlungen/schwerwiegende Rechtsverstöße.<br />

− Große persönliche Probleme <strong>der</strong> Unternehmensleitung.<br />

− Unzuverlässigkeit des Managements.<br />

Negativmerkmale in Unternehmensbereichen:<br />

− Information, Planung, Organisation und Kontrolle.<br />

− Beschaffung, Lagerhaltung.<br />

− Branchenabhängigkeit.<br />

Negativmerkmale in <strong>der</strong> Kontoführung:<br />

− Dauerhaftes Überschreiten von Kreditlinien.<br />

− Keine Skonto-Inanspruchnahme.<br />

− Steigende Gesamtverschuldung.<br />

− Kurzfristige Fremdfinanzierung.<br />

Spezielle Negativmerkmale:<br />

− Einschränkung/Verweigerung des Bestätigungsvermerks im Vorjahr.<br />

− Risiken aus laufenden Gerichtsprozessen.<br />

− Übernahme von hohen Eventualrisiken.<br />

− Mängel im Risikomanagementsystem.<br />

− Abhängigkeit des Unternehmens von wenigen o<strong>der</strong> nur einem einzigen Lieferanten,<br />

Abnehmer(n), Produkt(en), Geldgeber(n) o<strong>der</strong> Rohstoff(en).<br />

− Beson<strong>der</strong>e (wertbegründende) Vorfälle nach dem Bilanzstichtag.<br />

Die Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens hat eine große Bedeutung <strong>für</strong> das<br />

Inhärente Risiko. Unternehmen in einer schlechten wirtschaftlichen Verfassung werden<br />

häufig versuchen, sich durch z. B. Überbewertungen des Vorratsvermögens o<strong>der</strong> unzulässige<br />

Aktivierung von Aufwendungen besser darzustellen, als es den tatsächlichen Gegebenheiten<br />

entspricht.<br />

Das BBR liefert hinsichtlich <strong>der</strong> Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens statistisch<br />

abgesicherte und zu einem Gesamtrisikoindex (N-Wert) verdichtete Informationen.<br />

Dieser N-Wert ermöglicht dem Abschlussprüfer, das Risiko einer Fehleinschätzung des Risikos<br />

<strong>der</strong> künftigen Entwicklung zu minimieren. Dieses Risiko <strong>der</strong> Fehleinschätzung wird<br />

weiter reduziert, wenn <strong>der</strong> Abschlussprüfer die qualitativen Negativmerkmale des zu prüfen-<br />

150


Prüfungstheorie<br />

den Unternehmens umfassend analysiert und vor dem Hintergrund <strong>der</strong> ermittelten Bestandsfestigkeit<br />

bewerten kann.<br />

33 Das Prüfungsrisikomodell<br />

331. Aufbau des Prüfungsrisikomodells<br />

Eine Möglichkeit, die Risikosituation des Abschlussprüfers darzustellen, besteht in <strong>der</strong> Abbildung<br />

des Prüfungsrisikos und dessen Bestandteilen in einem Risikomodell:<br />

Prüfungsrisiko = Fehlerrisiko x Entdeckungsrisiko<br />

PR = (IR x KR) x (RaP x RdP)<br />

mit<br />

PR = Prüfungsrisiko<br />

IR = Inhärentes Risiko<br />

KR = Kontrollrisiko<br />

RaP = Risiko analytischer Prüfungshandlungen<br />

RdP = Risiko detaillierter Prüfungshandlungen<br />

Das Prüfungsrisikomodell ist ein vereinfachtes Abbild <strong>der</strong> Risikosituation des Abschlussprüfers.<br />

Sein Zweck ist das Offenlegen <strong>der</strong> Beziehungen zwischen Fehlerrisiko und Entdeckungsrisiko,<br />

um die Prüfungsplanung nachhaltig zu verbessern und Hinweise auf die Bestimmung<br />

<strong>der</strong> Art und des Umfangs <strong>der</strong> Prüfungshandlungen zu gewinnen.<br />

Im Prüfungsrisikomodell werden allerdings nur Prüfungsrisiken erfasst, die in <strong>der</strong> vergangenheitsorientierten<br />

Rechnungslegung des zu prüfenden Unternehmens enthalten sind. Das<br />

Risiko <strong>der</strong> künftigen Entwicklung, die Gefahr wesentliche Risiken <strong>der</strong> künftigen Entwicklung<br />

nicht zu erkennen und/o<strong>der</strong> die Bestandsfestigkeit falsch einzuschätzen, wird im Prüfungsrisikomodell<br />

nicht abgebildet. Dieses Prüfungsrisiko wird maßgeblich durch die künftigen<br />

Geschäfte des zu prüfenden Unternehmens beeinflusst, die allerdings zum großen Teil<br />

erst nach Abschluss <strong>der</strong> Prüfung realisiert werden.<br />

151


Risikoorientierte Abschlußprüfung<br />

Das Prüfungsmodell lässt sich durch die Regenwolkenanalogie veranschaulichen:<br />

Internes Jahresabschlußprüfung<br />

Kontrollsystem<br />

Abb. 29: Regenwolkenanalogie<br />

Prüfungsrisiko<br />

IKS/IÜS/RMS<br />

Die Möglichkeit, dass in einem Prüffeld wesentliche Fehler auftreten (Inhärentes Risiko),<br />

wird durch den Regen dargestellt. Die aufgespannten (löchrigen?) Schirme sind Maßnahmen<br />

des zu prüfenden Unternehmens und des Abschlussprüfers, wesentliche Fehler zu verhin<strong>der</strong>n.<br />

152


Prüfungstheorie<br />

Zunächst kann das zu prüfende Unternehmen ein IKS installieren, durch das Fehler verhin<strong>der</strong>t<br />

o<strong>der</strong> entdeckt und korrigiert werden kann. Es besteht indes die Gefahr, dass wesentliche<br />

Fehler durch das IKS we<strong>der</strong> verhin<strong>der</strong>t noch aufgedeckt und korrigiert werden o<strong>der</strong> dass wesentliche<br />

Fehler das IKS umgehen (Kontrollrisiko).<br />

Durch seine analytischen und detaillierten Prüfungshandlungen spannt <strong>der</strong> Abschlussprüfer<br />

im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Jahresabschlussprüfung</strong> einen weiteren Schirm auf. Einige Regentropfen indes<br />

passieren (Prüferrisiko) o<strong>der</strong> umgehen (Auswahlrisiko) auch diesen Schirm. Die verbleibenden<br />

Regentropfen, die den Boden (Jahresabschluss) erreichen, stellen das Prüfungsrisiko<br />

des Abschlussprüfers dar.<br />

Ziel des Abschlussprüfers ist, seinen Schirm unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Qualität des IKS des<br />

zu prüfenden Unternehmens durch eine effektive Kombination von analytischen und detaillierten<br />

Prüfungshandlungen so weit aufzuspannen, dass er trotz <strong>der</strong> verbleibenden Regentropfen<br />

ein hinreichend sicheres und genaues Urteil abgeben kann (Mindestqualität des Urteils).<br />

Je löchriger und kleiner <strong>der</strong> Schirm (IKS) des zu prüfenden Unternehmens ist, desto weiter<br />

muss <strong>der</strong> Abschlussprüfer seinen Schirm durch die Auswahl effektiver Prüfungshandlungen<br />

und die Bestimmung des Prüfungsumfangs aufspannen.<br />

Aus <strong>der</strong> Mindestqualität des Prüfungsurteils resultiert <strong>für</strong> den Abschlussprüfer ein maximal<br />

zulässiges Prüfungsrisiko von 5 %. 5 Der Abschlussprüfer muss das Inhärente Risiko und das<br />

Kontrollrisiko analysieren und beurteilen. Durch Umformen <strong>der</strong> Gleichung des Prüfungsrisikomodells<br />

kann das Entdeckungsrisiko ermittelt werden:<br />

5<br />

Entdeckungsrisiko (RaP x RdP) =<br />

Prüfungsrisiko (PR)<br />

Inhärentes Risiko (IR) x Kontrollrisiko (KR)<br />

Das Entdeckungsrisiko kann durch die Gestaltung des Prüfungsprogramms beeinflusst werden.<br />

Ein niedriges Entdeckungsrisiko erfor<strong>der</strong>t zuverlässigere Prüfungshandlungen und erhöhte<br />

Stichprobenumfänge.<br />

”Ziel <strong>der</strong> Prüfung ist die Abgabe eines hinreichend vertrauenswürdigen Urteils ... mit minimalen Kosten <strong>für</strong> die<br />

Prüfungsunternehmung.”<br />

Die Abgabe eines hinreichend vertrauenswürdigen Urteils erfor<strong>der</strong>t eine Prüfungssicherheit von 95% und eine<br />

Prüfungsgenauigkeit von 99%. Die Mindestqualität des Urteils kann somit nur bei einem Prüfungsfehler von ≤<br />

5% erreicht werden.<br />

153


Risikoorientierte Abschlußprüfung<br />

332. Kritische Würdigung des Prüfungsrisikomodells<br />

(a) Nutzen des Prüfungsrisikomodells<br />

• Im Prüfungsprozess gewonnene Informationen können mit dem Prüfungsrisikomodell<br />

systematisiert und hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Prüfungsrisiko beurteilt<br />

werden.<br />

• Das Prüfungsrisikomodell för<strong>der</strong>t die isolierte Betrachtung einzelner unternehmensspezifischer<br />

Risikokomponenten.<br />

• Die Zerlegung des Prüfungsrisikos zwingt den Abschlussprüfer, sich umfassend mit<br />

dem Prüfungsobjekt zu beschäftigen und explizit Informationen zu analysieren, die<br />

er bei einem lediglich globalen Ansatz übersehen könnte.<br />

• Bei Prüffel<strong>der</strong>n, die auf Basis mathematisch-statistischer Verfahren geprüft werden,<br />

besteht die Möglichkeit, das berechnete Risiko detaillierter Prüfungen direkt in die<br />

Bestimmungsgleichung des Stichprobenumfangs zu integrieren.<br />

• Der Abschlussprüfer muss die Höhe des Inhärenten Risikos, des Kontrollrisikos und<br />

des Risikos analytischer Prüfungshandlungen subjektiv schätzen. Dies ist nur möglich,<br />

wenn er sich mit dem Prüfungsfeld intensiv auseinan<strong>der</strong>setzt. Seine Entscheidung<br />

hat er zu begründen und in den Arbeitspapieren zu dokumentieren.<br />

(b) Kritik am Prüfungsrisikomodell<br />

• Mangelnde Unabhängigkeit:<br />

Die Anwendung des Multiplikationssatzes <strong>für</strong> die Wahrscheinlichkeitsrechnung, <strong>der</strong><br />

z.B. <strong>für</strong> drei unabhängige Ereignisse<br />

P (A ∩ A ∩ A ) = P(A ) x P(A ) x P(A )<br />

1 2 3 1 2 3<br />

lautet, verlangt, dass die einzelnen Teilrisiken unabhängig voneinan<strong>der</strong> sind, was<br />

nicht <strong>der</strong> Realität entspricht.<br />

Das Inhärente Risiko wird durch das Kontrollrisiko beeinflusst. Ein schwaches IKS<br />

kann zu einer sorgloseren Einstellung bei <strong>der</strong> Aufgabenerfüllung führen; Konsequenz:<br />

Das Inhärente Risiko nimmt zu.<br />

154


Prüfungstheorie<br />

• Mangelnde Objektivität<br />

Die meisten Komponenten des Risikomodells müssen vom Prüfer subjektiv geschätzt<br />

werden. Für das Inhärente Risiko und das Kontrollrisiko liegen keine objektiven<br />

Wahrscheinlichkeiten vor.<br />

• Mangelnde Gewichtung<br />

Die Teilrisiken sind gleichgewichtet.<br />

Das zulässige Niveau des Prüfungsrisikos lässt sich durch verschiedene Kombinationen<br />

aus Inhärentem Risiko, Kontrollrisiko und Entdeckungsrisiko einhalten, d. h.,<br />

eine wechselseitige Kompensation <strong>der</strong> Risikokomponenten ist zulässig. Daraus folgt,<br />

dass das Risikomodell in bestimmten Situationen einen vollständigen Verzicht auf<br />

ergebnisorientierte Prüfungshandlungen signalisiert:<br />

(c) Fazit<br />

Prüfungsrisiko 5%,<br />

Inhärentes Risiko 50%<br />

Kontrollrisiko 10%<br />

Entdeckungsrisiko =<br />

0,05<br />

= 1<br />

0,5 x 0,1<br />

Das Entdeckungsrisiko kennzeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass trotz <strong>der</strong> angewandten<br />

Prüfungshandlungen zur Fehleraufdeckung wesentliche Fehler unentdeckt<br />

bleiben.<br />

Für die Abgabe eines hinreichend sicheren und genauen Urteils ist nach den Berufsgrundsätzen<br />

ein Prüfungsrisiko i.H.v. 5% akzeptabel. Ist nun ein Prüffeld durch ein<br />

Inhärentes Risiko i.H.v. 50% und ein Kontrollrisiko i.H.v. 10% gekennzeichnet,<br />

könnte <strong>der</strong> Abschlussprüfer theoretisch auf eigene Prüfungshandlungen verzichten,<br />

da bei dieser Datenkonstellation ein Entdeckungsrisiko von 100% zulässig wäre.<br />

Solch ein Ergebnis wi<strong>der</strong>spricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Abschlussprüfung.<br />

Der Grundsatz <strong>der</strong> Eigenverantwortlichkeit verlangt, dass sich <strong>der</strong> Abschlussprüfer sein<br />

Urteil selbst bildet und seine Entscheidungen in eigener Verantwortung bestimmt. Der<br />

Abschlussprüfer hat daher stets ein Minimum an detaillierten Prüfungshandlungen vorzunehmen.<br />

Der Zweck des Prüfungsrisikomodells ist, die Beziehungen zwischen den vorgestellten<br />

Risikoarten offenzulegen und ihre Wirkungen auf die Qualität des Prüfungsurteils<br />

darzustellen. Der Abschlussprüfer kann daraus Konsequenzen <strong>für</strong> die Bestimmung<br />

von Art und Umfang <strong>der</strong> Prüfungshandlungen ableiten und auf diese Weise<br />

die Prüfungsplanung nachhaltig verbessern.<br />

155


4 Überwachungstheorie<br />

41 Einführung<br />

Überwachungstheorie<br />

411. Wirtschaftsprüfung als Überwachungstätigkeit<br />

Überwachung:<br />

• ist - zumindest gedanklich - nach Planung und Realisation die dritte Phase des<br />

betrieblichen Geschehens;<br />

• ist <strong>der</strong> Vergleich von Objekten mit dem Ziel, Abweichungen bzw. Übereinstimmungen<br />

festzustellen und die aus dem Vergleich gewonnenen Informationen <strong>für</strong><br />

entsprechende Konsequenzen zu nutzen.<br />

Kontrolle:<br />

Überwachungshandlung ist fest in den betrieblichen Arbeitsablauf eingebaut und/<br />

o<strong>der</strong> Überwacher ist <strong>für</strong> die Ergebnisse des überwachten Prozesses verantwortlich.<br />

Prüfung:<br />

Überwachungshandlung ist nicht fest in den betrieblichen Ablauf eingebaut und <strong>der</strong><br />

Überwacher ist nicht <strong>für</strong> die Ergebnisse des überwachten Prozesses verantwortlich.<br />

Aber:<br />

Überwacher (Kontrolleur und Prüfer) ist immer <strong>für</strong> die eigenen Überwachungshandlungen<br />

verantwortlich.<br />

Generelle Regelung:<br />

Überwachung ist fest in den<br />

betrieblichen Arbeitsablauf<br />

eingebaut<br />

"Kontrolle"<br />

Überwachung<br />

Abb. 30: Überwachung, Kontrolle, Prüfung<br />

interne Prüfung<br />

= interne Revision<br />

156<br />

Fallweise Regelung:<br />

Überwachung ist nicht fest in<br />

den betrieblichen Arbeitsablauf<br />

eingebaut<br />

"Prüfung" (Revision)<br />

externe Prüfung<br />

= Wirtschaftsprüfung


Prüfungstheorie<br />

IV. "Quality Control" o<strong>der</strong> "Peer Review"<br />

III. Prüfung durch externen JA-Prüfer (= Wirtschaftsprüfung i.e.S.)<br />

II. Prüfung durch Innenrevision<br />

I. Kontrollierte Finanzbuchführung<br />

(Abteilungsleiter als Supervisor)<br />

Abb. 31: Einordnung <strong>der</strong> Wirtschaftsprüfung in die Überwachungstheorie<br />

412. Misstrauen als Motiv <strong>der</strong> Überwachung?<br />

Be<strong>für</strong>worter und Kritiker einer strengen Überwachung konstruieren das Gegensatz-Paar:<br />

Vertrauen o<strong>der</strong> Überwachung.<br />

Be<strong>für</strong>worter: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!"<br />

Kritiker: "Vertrauen ist grundsätzlich besser als Kontrolle."<br />

"Die Nachbarskin<strong>der</strong>"<br />

Wer an<strong>der</strong>n gar zuwenig traut,<br />

Hat Angst an allen Ecken;<br />

Wer gar zuviel auf andre baut,<br />

Erwacht mit Schrecken.<br />

Es trennt sie nur ein leichter Zaun,<br />

Die beiden Sorgengrün<strong>der</strong>;<br />

Zuwenig und zuviel Vertrauen<br />

sind Nachbarskin<strong>der</strong>.<br />

157<br />

Wilhelm Busch


Vertrauen<br />

Keine<br />

Überwachung<br />

Abb. 32: Misstrauen als Motiv <strong>der</strong> Überwachung<br />

Überwachungstheorie<br />

Mißtrauen<br />

Starke<br />

Überwachung<br />

Vernachlässigt wird:<br />

⇒ Sicherheitsstreben bei<strong>der</strong> Beteiligten,<br />

⇒ Sinnvolle und sachbezogene Überwachung kann Vertrauensverhältnis begründen<br />

o<strong>der</strong> festigen.<br />

(aber: schlechte Ergebnisse können auch Misstrauensverhältnisse begründen!)<br />

413. Überwachungsadressaten<br />

Ziel-<br />

vorgabe<br />

Sollwerte<br />

Planung Realisation<br />

Sollwerte Istwerte<br />

Rückgabe bei nicht akzeptierten Abweichungen<br />

Abb. 33: Die Überwachung im betrieblichen Prozess<br />

158<br />

Überwachung<br />

(Soll-Isto<strong>der</strong><br />

Ist-Ist-<br />

Vergleich<br />

Evtl. an<strong>der</strong>e<br />

Vergleichswerte<br />

Weitergabe<br />

bei Akzeptanz<br />

Evtl. Ausson<strong>der</strong>ung<br />

nicht akzeptierter<br />

Istobjekte


Prüfungstheorie<br />

Wichtigstes Kennzeichen je<strong>der</strong> Überwachung:<br />

(1) Vergleich von Objekten;<br />

(2) Rückgabemöglichkeit zur Korrektur.<br />

Durch Überwachung soll:<br />

Grad <strong>der</strong> Übereinstimmung zwischen Planung und Realisation<br />

festgestellt und ggf. verbessert werden, um eine hohe Bearbeitungsqualität bei <strong>der</strong> Realisation<br />

und <strong>der</strong> Planung zu erreichen.<br />

Überwachung dient<br />

<strong>der</strong> Planung und <strong>der</strong> Realisation<br />

Dispositionsüberwachung Objektüberwachung<br />

Adressat: dispositiver Faktor Adressat: Faktor objektbezogene<br />

Arbeit<br />

Unterscheidungskriterien:<br />

keine Überschneidungsfreiheit<br />

• Adressaten <strong>der</strong> Überwachungsinformation bzgl. <strong>der</strong> Abweichung und ihrer<br />

eventuellen Ursachen;<br />

• Überwachungsfrequenz.<br />

159


Abb. 34: Überwachung im betrieblichen Prozess<br />

Überwachungstheorie<br />

160


Dispositionsüberwachung:<br />

Prüfungstheorie<br />

• Unsicherheit <strong>der</strong> Zukunft lässt nur sehr große Bandbreiten als Sollwerte zu;<br />

• Fehlermeldung seltener als bei Objektüberwachung;<br />

• weniger Impulse <strong>für</strong> eine präventive und/o<strong>der</strong> korrektive Wirkung als bei <strong>der</strong> Objektüberwachung;<br />

• Abweichungsinformation wird in größeren Abständen zurückgemeldet (zumindest<br />

diskret: wöchentlich, monatlich, evtl. nur jährlich o<strong>der</strong> je Projekt);<br />

• Adressat: dispositiver Faktor;<br />

• kann evtl. auch an objektbezogenen Faktor zurückgekoppelt werden;<br />

• liefert Informationen über Qualität <strong>der</strong> Planung und Realisation;<br />

• erfolgt häufig mit Hilfe von Kennzahlen.<br />

Objektüberwachung:<br />

• geschieht i. d. R. laufend (tendenziell kontinuierlich);<br />

• Adressat: Mitarbeiter, die objektbezogene Arbeit ausführen;<br />

• Ziel: Gewährleistung möglichst richtiger Arbeitsergebnisse.<br />

Objektüberwachungen<br />

ergebnisorientierte verfahrensorientierte<br />

dienen <strong>der</strong> Ergebnisberichtigung<br />

161<br />

dienen <strong>der</strong> Verhaltensbeeinflussung<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter o<strong>der</strong><br />

einer Methodenän<strong>der</strong>ung bei<br />

Anlagen bzw. Verfahren


414. Überwachungswirkungen<br />

Präventivwirkung<br />

Überwachungstheorie<br />

Überwachungswirkungen<br />

Korrekturwirkung<br />

Lernwirkung<br />

Sicherheitswirkung<br />

dysfunktionale Wirkung<br />

Informationswirkung<br />

Die Präventivwirkung tritt ein, wenn sich die Mitarbeiter bewusst sind, dass sie überwacht<br />

werden und sie daher ihre Aufgaben mit größerer Sorgfalt erledigen, als wenn sie<br />

sich nicht überwacht fühlen.<br />

Durch die Überwachung können sie veranlasst werden,<br />

• bewusste Fehler zu unterlassen und<br />

• unbewusste Fehler zu vermeiden.<br />

Dysfunktionale Wirkung <strong>der</strong> Überwachung:<br />

Zu strenge Überwachung kann demotivierend wirken:<br />

⇒ Rückdelegation <strong>der</strong> Verantwortung <strong>für</strong> die Arbeit;<br />

⇒ Anstieg <strong>der</strong> Fehlerhäufigkeit;<br />

⇒ Zum Abbau <strong>der</strong> dysfunktionalen Wirkungen sollte die Überwachung<br />

- ein neutraler<br />

- nicht personenbezogener<br />

Vorgang sein.<br />

162


Fehlervermeidung bei <strong>der</strong><br />

ursprünglichen Bearbeitung<br />

Abb. 35: Präventivwirkung <strong>der</strong> Überwachung<br />

Prüfungstheorie<br />

Überwachungsintensität,<br />

Stärke <strong>der</strong> Sanktionen<br />

bei Abweichungen<br />

Die Korrekturwirkung <strong>der</strong> Überwachung bezieht sich auf die trotz <strong>der</strong> Präventivwirkung<br />

verbliebenen Fehler.<br />

Entdeckte Fehler führen:<br />

a) zu einer Korrektur o<strong>der</strong> Ausson<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> fehlerhaften Elemente und<br />

b) zu einer Abstellung <strong>der</strong> Fehlerursachen.<br />

Nicht akzeptable Abweichungen führen zur "Rückgabe“ zum Bearbeitungsschritt<br />

⇒ Rückkopplung<br />

(unabhängig davon, an welche Person zu welcher Zeit <strong>der</strong> Fehler gemeldet wird und<br />

welche ihn zu welcher Zeit korrigiert).<br />

Lassen sich systematische Fehlerursachen durch eine Überwachung erkennen und abstellen,<br />

so liegt über die Korrekturwirkung hinaus eine Lernwirkung vor.<br />

Überwachung sollte eine zweifache Sicherheitswirkung besitzen:<br />

• Überwacher kennt die Bearbeitungsqualität;<br />

• Überwachter hat Sicherheit, dass seine Bearbeitungsqualität bekannt ist und die<br />

Überwachenden damit zufrieden sind.<br />

Überwachung hat auch bei eher fehlerhafter Bearbeitung eine Informationswirkung <strong>für</strong><br />

Überwacher und Überwachten.<br />

163


415. Schritte <strong>der</strong> Überwachung<br />

Schrifttum: Soll - Ist - Vergleich<br />

hier: Soll - Ist - Vergleich<br />

Ist - Ist - Vergleich<br />

Überwachungstheorie<br />

Kernstück <strong>der</strong> Überwachung:<br />

Vergleich eines Istobjektes mit einem Vergleichsobjekt.<br />

Wenn:<br />

Vergleichsobjekt = Sollobjekt<br />

dann besitzt Vergleichen<strong>der</strong> Norm, nach <strong>der</strong> er entscheidet, ob das Istobjekt "richtig"<br />

o<strong>der</strong> "falsch" ist.<br />

Festlegung des Soll-Vergleichsobjekts durch:<br />

• Planungsüberlegungen (müssen sich auf wirtschaftliche Ziele sowie auf technische<br />

und rechtliche Nebenbedingungen stützen),<br />

• rechtliche Regelungen (Gesetze, Satzungen, Verträge).<br />

Wenn:<br />

Vergleichsobjekt = Istobjekt<br />

dann erlaubt Abweichung keine Entscheidung darüber, welches Ist-Objekt "richtig" und<br />

welches "falsch" ist.<br />

⇒ Weitere Überwachungsmaßnahmen sind notwendig.<br />

⇒ Bei Übereinstimmung: Beide Objekte werden als "richtig" angesehen (Vereinfachung!).<br />

Die Überwachung (Kontrolle, Prüfung) in allgemeiner Form umfasst folgende sechs<br />

Schritte:<br />

(1) Auswahl o<strong>der</strong> Feststellung o<strong>der</strong> Ermittlung <strong>der</strong> zu überwachenden Istobjekte,<br />

(2) Auswahl o<strong>der</strong> Feststellung o<strong>der</strong> Ermittlung <strong>der</strong> zugehörigen Vergleichsobjekte,<br />

(3) Vergleich <strong>der</strong> Objekt-Paare,<br />

(4) Beurteilung <strong>der</strong> Abweichungen, d. h. Entscheidung über Istobjekte<br />

(a) ob Freigabe bzw. Akzeptanz des Istobjektes o<strong>der</strong><br />

(b) ob Abweichungsfeststellung.<br />

Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden:<br />

1. Bei einem Ist-Ist-Vergleich ist keine Fehlerzuordnung möglich. Daher ist<br />

entwe<strong>der</strong> die Neubearbeitung bei<strong>der</strong> Objekte erfor<strong>der</strong>lich o<strong>der</strong> es ist ein<br />

Sollobjekt zu ermitteln mit anschließendem Soll-Ist-Vergleich gem. (4) (b)<br />

2.<br />

164


Prüfungstheorie<br />

2. Bei einem Soll-Ist-Vergleich wird ein Fehler beim Istobjekt festgestellt.<br />

Auch hier sind zwei Fälle zu unterscheiden:<br />

- Die fehlerhaften Istobjekte werden<br />

-- korrigiert o<strong>der</strong><br />

-- ausgeson<strong>der</strong>t o<strong>der</strong><br />

-- vernichtet und/o<strong>der</strong><br />

- Die Fehlerursachen werden beseitigt.<br />

(5) Zusammenfassung aller Teilurteile zu einem Gesamturteil,<br />

(6) Urteilsmitteilung an die Adressaten.<br />

416. Zur Darstellung von Überwachungsprozessen<br />

Literaturhinweise:<br />

BAETGE, JÖRG, ”Überwachungstheorie, Kybernetische”, in: Handwörterbuch <strong>der</strong> Revision, hrsg.<br />

von Adolf G. Coenenberg und Klaus von Wysocki, Stuttgart 1983, Sp. 1556 - 1569.<br />

BAETGE, JÖRG, Überwachung, in: Vahlens Kompendium <strong>der</strong> BWL, Bd. 2, hrg. von Bitz, M., 3.<br />

Aufl. München 1993, S. 175-218.<br />

165


Überwachungstheorie<br />

42. Kriterien zur Beurteilung von Überwachungsmaßnahmen<br />

Überwachung ist als "wirtschaftliche Veranstaltung" nur sinnvoll, wenn <strong>der</strong> durch sie<br />

gestiftete (bewertete; J.B.) Nutzen die Kosten ihrer Durchführung übersteigt".<br />

(LOITLSBERGER, E., S. 84)<br />

Bei Wirtschaftlichkeit müssen die zu erwartenden Leistungen von Überwachungssystemen<br />

höher als <strong>der</strong>en Kosten sein.<br />

Überwachung soll:<br />

• Präventivwirkung,<br />

• Korrekturwirkung (Lernwirkung),<br />

• Vertrauenswirkung (Sicherheits- resp. Informationswirkung)<br />

haben.<br />

Das heißt, es soll die<br />

• Zuverlässigkeit und<br />

• Wirtschaftlichkeit<br />

<strong>der</strong> betrieblichen Prozesse gesteigert werden.<br />

Überwachungen müssen mit diesen beiden Kriterien beurteilt werden.<br />

Zur Ermittlung <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit sind zu bestimmen:<br />

• die durch die Überwachung verursachten Kosten:<br />

-- Kosten <strong>der</strong> Überwachung i.e.S.,<br />

-- Kosten <strong>der</strong> Korrektur,<br />

• Überwachungsleistung (L)<br />

= Einsparungen aufgrund von vermiedenen und korrigierten Fehlern,<br />

= Reduzierung <strong>der</strong> Kosten <strong>für</strong> verbliebene Fehler (K VF ).<br />

166


Prüfungstheorie<br />

Steigerung <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit von Überwachung bedeutet: Reduzierung <strong>der</strong> Gesamtkosten<br />

<strong>der</strong> Überwachung.<br />

Abb. 36: Optimale Überwachungsintensität<br />

167


Überwachungstheorie<br />

GK(x) = K (x)+K = 100<br />

-1<br />

VF Ü +(20+ 5x) = 100(x +1) +(20+5x)<br />

x+1<br />

d[K (x)+K (x)]<br />

dx<br />

VF Ü -2<br />

= - 100(x +1) +5 = 0<br />

2<br />

5(x +1) = 100<br />

x opt = + 20-1<br />

x opt = 3, 472<br />

⇒ Bei x opt = 3,472 liegt das Minimum <strong>der</strong> gesamten Überwachungskosten.<br />

Ziel: Maximierung <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit (WI)<br />

WI = (L - K ) → max!<br />

K Ü = 20+ 5x<br />

K = 100<br />

VF<br />

x +1<br />

ö<br />

L = 100 - 100<br />

x +1<br />

Problem:<br />

Überwachungsleistung ist schwer zu ermitteln, da zu den Einsparungen aufgrund <strong>der</strong><br />

korrigierten Fehler auch die Präventivwirkung <strong>der</strong> Überwachung einfließen müsste.<br />

⇒ Ansatz ist nur <strong>für</strong> Korrekturwirkung geeignet, da Kosten verbliebener Fehler<br />

(K VF ) schwierig zu messen sind;<br />

⇒ Reduktion <strong>der</strong> Messung auf (die noch zu definierende) Zuverlässigkeit!<br />

168


Ermittlungsprobleme:<br />

Prüfungstheorie<br />

• Kosten verbleiben<strong>der</strong> Fehler<br />

• Präventivwirkung <strong>der</strong> Überwachung.<br />

Ersatzkriterien <strong>für</strong> die Wirtschaftlichkeit:<br />

(1) Ergebnis-Zuverlässigkeit<br />

Ermittlung <strong>der</strong> Ergebnis-Zuverlässigkeit setzt voraus:<br />

- Kenntnis <strong>der</strong> Teilzuverlässigkeiten;<br />

- Beachtung <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Rechenregeln;<br />

- Kenntnis <strong>der</strong> organisatorischen Verknüpfungen von Ablaufschritten.<br />

(2) Überwachungskosten<br />

Bestimmtes Budget <strong>für</strong> die Überwachungs- (i.e.S.) und Korrekturkosten mit<br />

max. Zuverlässigkeit o<strong>der</strong> vorgegebene Zuverlässigkeit mit min. Kosten.<br />

Lösungsversuch:<br />

Effizienz <strong>der</strong> Überwachung wird hilfsweise mit <strong>der</strong> erreichten Zuverlässigkeit (Z) ermittelt.<br />

Zahl <strong>der</strong> fehlerfreien untersuchten Bearbeitungsvorgänge<br />

Z = ------------------------------------------------------------------------------------<br />

Zahl <strong>der</strong> insgesamt an einer Systemstelle untersuchten Vorgänge<br />

n ⇒ unendlich<br />

Zuverlässigkeit = Wahrscheinlichkeit <strong>für</strong> die Fehlerfreiheit des untersuchten<br />

Arbeitsmaterials<br />

Abschätzen <strong>der</strong> Zuverlässigkeit eines Gesamtsystems o<strong>der</strong> von Systemteilen:<br />

• Fehlerarten festlegen (o<strong>der</strong> Katalog erweitern);<br />

• Untersuchung <strong>der</strong> bearbeiteten Vorgänge auf die Fehlerarten;<br />

• Berechnung von Z (bei gleichgewichteten Fehlerarten);<br />

• Die Verwendung <strong>der</strong> Elementarsysteme ermöglicht eine Berechnung <strong>der</strong> Gesamtzuverlässigkeit,<br />

wenn die Teilzuverlässigkeiten bekannt sind;<br />

• Darstellung <strong>der</strong> Organisationsalternativen <strong>der</strong> Überwachung mit Hilfe <strong>der</strong> Elementarsysteme;<br />

• Beurteilung <strong>der</strong> Organisationsalternativen anhand <strong>der</strong> Zuverlässigkeit und Ermittlung<br />

<strong>der</strong> verursachten Kosten.<br />

169


Bedeutung <strong>der</strong> Zuverlässigkeitsanalyse:<br />

Überwachungstheorie<br />

1. Maß <strong>für</strong> Bearbeitungsqualität;<br />

2. Beschreibung des Mengengerüstes <strong>der</strong> Fehlerkosten <strong>für</strong> die Wirtschaftlichkeitsanalyse.<br />

Mögliche Kriterien <strong>für</strong> die Auswahl <strong>der</strong> "optimalen" Überwachungssystem-Alternative:<br />

• Zuverlässigkeit;<br />

• Determinanten <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit;<br />

• nicht quantifizierbare Kriterien.<br />

170


Prüfungstheorie<br />

43 Organisationsmöglichkeiten <strong>für</strong> eine Überwachung betrieblicher Prozesse<br />

431. Organisationsmaßnahmen zur unmittelbaren Effizienzsteigerung <strong>der</strong> Überwachung<br />

431.1 Überblick<br />

Maßnahmen, die unmittelbar <strong>der</strong> Effizienzsteigerung <strong>der</strong> Überwachung dienen:<br />

• Aufgabenbildung,<br />

• Aufgabenglie<strong>der</strong>ung,<br />

• Aufgabentrennung,<br />

• Aufgabenvervielfachung,<br />

• Aufgabenwie<strong>der</strong>holung,<br />

• vollständige Funktionsausübung,<br />

• Funktionstrennung,<br />

• Kompetenzbündelung.<br />

171


Aufgaben Funktionen<br />

Überwachungstheorie<br />

Bildung Glie<strong>der</strong>ung Trennung<br />

Maßnahmen <strong>der</strong> formalen<br />

Strukturierung<br />

Gestaltungselemente <strong>der</strong> Aufbau- und Ablauforganisation<br />

Kompetenzen<br />

Bündelung<br />

Maßnahmen <strong>der</strong> Zuweisung an<br />

einen Mitarbeiter<br />

Abb. 37: Festlegung und Zuweisung von Aufgaben, Funktionen, Kompetenzen<br />

und Verantwortlichkeiten<br />

Verantwortlichkeiten<br />

Zusammenfassung<br />

mehrere<br />

Mitarbeiter<br />

gemeinsam<br />

Aufgaben sind die auf das Ziel <strong>der</strong> Unternehmung gerichteten Gesamt- und Teiltätigkeiten<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter, wie Buchführen, Belegerstellen, Kontieren.<br />

Als Funktionen sind die dispositiven, ausführenden, im eigentlichen Sinne überwachenden<br />

und korrigierenden Teiltätigkeiten zur Erfüllung einer Aufgabe o<strong>der</strong><br />

Teilaufgabe definiert.<br />

Die Wirkung <strong>der</strong> Überwachung (Präventiv-, Korrektur- und Sicherheitswirkung) sind<br />

nur erzielbar, wenn die Funktionen<br />

• Bearbeitung,<br />

• Überwachung i. e. S. und<br />

• Korrektur<br />

erfüllt sind.<br />

172


431.2 Aufgabenbildung und -glie<strong>der</strong>ung<br />

Aufgabenbildung:<br />

Aufgaben werden nach den Kriterien<br />

• Objekt und<br />

• Verrichtung<br />

formuliert.<br />

⇒ Beispiel: Beleg kontieren.<br />

Prüfungstheorie<br />

Durch eine Aufgabenglie<strong>der</strong>ung entsteht eine logische und systematische Aufeinan<strong>der</strong>folge<br />

von Tätigkeiten.<br />

Informationen<br />

über<br />

Geschätsvorfälle<br />

Kontieren Buchen<br />

Mitarbeiter (MA) erledigt<br />

Buchführung mit<br />

Konten<br />

abschließen<br />

Abb. 38: Aufgabenglie<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> Buchführung<br />

431.3 Aufgabenzuordnung<br />

431.31 Vertikale Aufgabentrennung<br />

Hauptabschlußübersicht<br />

(=HAÜ)<br />

erstellen<br />

Aufgabentrennung:<br />

Teilaufgaben werden auf mehrere Mitarbeiter verteilt.<br />

Vertikale Aufgabentrennung:<br />

Aufgaben werden zwischen Arbeitsablaufschritten getrennt.<br />

173<br />

Jahres<br />

abschluß<br />

(=JA)<br />

erstellen<br />

Informationen<br />

aus dem<br />

Jahresabschluß


Überwachungstheorie<br />

⇒ Beispiel: Trennung von Kontierung und Buchung.<br />

Informationen<br />

über Geschäftsvorfälle<br />

1. MA 2. MA<br />

Kontieren<br />

Buchen<br />

3. MA<br />

Konten<br />

abschließen<br />

4. MA<br />

HAÜ<br />

erstellen<br />

Abb. 39: Vertikale Aufgabentrennung innerhalb <strong>der</strong> Buchführung<br />

Informationen<br />

über Geschäftsvorfälle<br />

Belege<br />

erstellen<br />

Kontieren<br />

Kontenabschließen<br />

Rückkopplungen<br />

HAÜ<br />

erstellen<br />

5. MA<br />

JA<br />

erstellen<br />

Gesetze und Grundsäze ordnungsmäßiger Buchführung<br />

Normen <strong>für</strong> Sollobjekte<br />

Buchen<br />

JA erstellen<br />

Informationen<br />

aus<br />

dem Jahresabschluß<br />

Informationen<br />

aus<br />

dem Jahresabschluß<br />

Abb. 40: Vertikale Aufgabentrennung in <strong>der</strong> Finanzbuchhaltung als Kombination von Reihenkopplung<br />

und Rückkopplung(smöglichkeiten)<br />

174


Prüfungstheorie<br />

Wirkungen <strong>der</strong> vertikalen Aufgabentrennung (Arbeitsteilung) ohne Rückkopplungsmöglichkeit:<br />

• Primär: Produktivitätssteigerung bei Teilaufgaben;<br />

• Aber auch: Präventivwirkung und fallweise Korrekturwirkung,<br />

da die Bearbeitung vertikal getrennter Teilaufgaben einen impliziten Soll-Ist-Vergleich<br />

voraussetzt.<br />

Vertikale Aufgabentrennung (= Arbeitsteilung) vor allem wirksam, wenn<br />

• Abwicklung von Geschäftsvorfällen,<br />

• Verwaltung von Geld,<br />

• Verwaltung sonstiger Vermögensgegenstände,<br />

• manuelle, mechanische o<strong>der</strong> elektronische Erstellung von Aufzeichnungen,<br />

voneinan<strong>der</strong> personell getrennt sind.<br />

Bei manueller Erstellung von Aufzeichnungen:<br />

• Belegerstellung,<br />

• Kontierung,<br />

• Buchung,<br />

• Abschluss <strong>der</strong> Konten,<br />

• Erstellung des Jahresabschlusses.<br />

Bei mechanischer und elektronischer Erstellung von Aufzeichnungen:<br />

• Erstellung von Eingabe-Belegen,<br />

• Dateneingabe, -umwandlung,<br />

• Programmerstellung,<br />

• Erstellung von Test- und Prüfprogrammen,<br />

• Maschinenbedienung,<br />

• Verwahrung von Datenträgern und Programmen,<br />

• Erstellung von Auswertungen.<br />

175


431.32 Horizontale Aufgabentrennung<br />

Überwachungstheorie<br />

Horizontale Aufgabentrennung:<br />

Eine Aufgabe wird innerhalb eines Arbeitsablaufschrittes <strong>der</strong>art getrennt, dass eine Ergebnisabstimmung<br />

zwischen den getrennten Aufgaben möglich ist.<br />

⇒ Beispiel: Trennung <strong>der</strong> Debitorenbuchführung von <strong>der</strong> Führung des Sachkontos<br />

"For<strong>der</strong>ungen".<br />

Abb. 41: Beispiel einer horizontalen Aufgabentrennung<br />

431.33 Aufgabenvervielfachung<br />

Aufgabenvervielfachung:<br />

Eine Aufgabe wird in gleicher o<strong>der</strong> ähnlicher Weise mehrfach erfüllt, um <strong>für</strong> die<br />

Überwachung des Ergebnisses <strong>der</strong> ersten Aufgabenerfüllung ein Vergleichsobjekt zu<br />

haben. Häufigste Form <strong>der</strong> Aufgabenvervielfachung ist die Aufgabendopplung. ⇒<br />

Beispiel: doppelte Buchführung<br />

176


Prüfungstheorie<br />

Abb. 42: Ist-Ist-Vergleich als Parallelkopplung mit anschließendem Soll-Ist-Vergleich <strong>für</strong> Ist-Ist-<br />

Abweichungen und anschließen<strong>der</strong> Rückkopplung <strong>für</strong> alle Soll-Ist-Abweichungen<br />

Ist-Vergleichsobjekte lassen sich heranziehen, wenn<br />

(1) bereits mindestens ein Ist-Vergleichsobjekt vorliegt, weil<br />

(a) eine identische Aufgabe mehrfach ausgeführt worden ist,<br />

(b) eine komplementäre Aufgabe mehrfach ausgeführt worden ist;<br />

(2) ein identisches o<strong>der</strong> komplementäres Ist-Vergleichsobjekt zum Zwecke des Vergleichs<br />

erstellt werden muss o<strong>der</strong> kann und dieses Vergleichsobjekt billiger als<br />

ein entsprechendes Sollobjekt erstellt werden kann.<br />

Aufgabenvervielfachung:<br />

Identische o<strong>der</strong> komplementäre Aufgaben werden einmal o<strong>der</strong> mehrere Male wie<strong>der</strong>holt.<br />

177


431.4 Funktionsbildung und -glie<strong>der</strong>ung<br />

Überwachungstheorie<br />

Funktionsbildung:<br />

Einzelne Funktionen werden <strong>für</strong> jede Teilaufgabe konkretisiert.<br />

Erst eine explizite Funktionsbildung schafft ein ausgeprägtes Überwachungs- (bzw.<br />

Kontroll-) Bewusstsein bei den Mitarbeitern, das die gewünschten Wirkungen hervorruft.<br />

Implizite Funktionsbildung bei <strong>der</strong> Aufgabenglie<strong>der</strong>ung und -trennung:<br />

Objektüber wachung<br />

431.5 Funktionszuordnung<br />

⎧ Bearbeitung <strong>der</strong> Aufgabe<br />

⎪<br />

⎪ Überwachung i. e.S<br />

⎨<br />

⎪(Vergleich<br />

mit anschließen<strong>der</strong> Beurteilung)<br />

⎪<br />

⎩<br />

⎪<br />

Korrektur<br />

431.51 Selbstüberwachung bzw. Funktionszusammenfassung<br />

Selbstüberwachung:<br />

Vergleich wird von <strong>der</strong>selben Person ausgeführt, die auch die Aufgabe ausgeführt hat<br />

und die auch eventuell vorzunehmende Korrekturen und an<strong>der</strong>e Teilfunktionen ausführt.<br />

⇒ Selbstüberwachung ist eine gute Voraussetzung <strong>für</strong> fehlerarme Leistungen und<br />

Lernverhalten!<br />

⇒ Selbst- und Fremdüberwachung sind keine Alternativen son<strong>der</strong>n Komplemente!<br />

Form und Intensität <strong>der</strong> Fremdüberwachung ist abhängig von Intensität und Effektivität<br />

<strong>der</strong> Selbstüberwachung (vgl. <strong>Jahresabschlussprüfung</strong>).<br />

Selbstüberwachung:<br />

Ausweitung <strong>der</strong> Verantwortungs- und Kompetenzbereiche<br />

⇒ führt zur Erhöhung des Selbstwertgefühls und <strong>der</strong> Identifikation mit <strong>der</strong> Aufgabe<br />

(beson<strong>der</strong>s bei intrinsisch motivierten Mitarbeitern)<br />

⇒ unter <strong>der</strong> Grundvoraussetzung, dass <strong>der</strong> Mitarbeiter die Fähigkeit und den Willen<br />

besitzt, die Aufgabe zu erfüllen.<br />

178


Prüfungstheorie<br />

Vorteile <strong>der</strong> Selbstüberwachung:<br />

• Vermeidung langer Wartezeiten,<br />

• keine Transportkosten,<br />

• Kenntnis <strong>der</strong> Materie,<br />

• Motivationsför<strong>der</strong>ung (Erhöhung <strong>der</strong> Zuverlässigkeit vor <strong>der</strong> Fremdüberwachung).<br />

Nachteile <strong>der</strong> Selbstüberwachung:<br />

• Aufdeckung bewusster Fehler nicht möglich,<br />

• kein Ausgleich <strong>für</strong> mangelnde Fähigkeiten und Fertigkeiten möglich,<br />

• Ausführung und Effizienz kaum feststellbar, sofern Selbstüberwachung nicht dokumentiert<br />

wird (bei Dokumentation ließe sich an<strong>der</strong>erseits die positive Motivationswirkung<br />

nicht realisieren),<br />

• u. U. keine Entdeckung von Flüchtigkeitsfehlern, die sowohl bei <strong>der</strong> Erstellung<br />

des Istobjekts als auch bei <strong>der</strong> Bildung des Vergleichsobjekts begangen werden.<br />

431.52 Fremdüberwachung bzw. Funktionstrennung<br />

Funktionstrennung:<br />

Zuordnung verschiedener Funktionen zu verschiedenen Mitarbeitern.<br />

Fremdüberwachung:<br />

Funktionen "Bearbeitung" und "Überwachung i.e.S." sind voneinan<strong>der</strong> getrennt<br />

(Funktionstrennung).<br />

Fremdüberwachung ist nur notwendig, wenn (externe) Überwachungsadressaten ein<br />

vertrauenswürdiges Urteil über den Sachverhalt benötigen (z. B. <strong>Jahresabschlussprüfung</strong>).<br />

Fremdüberwachung ist angebracht:<br />

• <strong>für</strong> überwiegend extrinsisch Motivierte,<br />

• bei unzureichend befähigten Mitarbeitern (bzgl. <strong>der</strong> Bearbeitung),<br />

• zur Aufdeckung bewusster Fehler,<br />

• bei Routinearbeiten (Vier- o<strong>der</strong> Sechs-Augen-Prinzip),<br />

• wenn eine Dokumentation <strong>der</strong> erreichten Zuverlässigkeit notwendig ist.<br />

Bei Fremdüberwachung kann die Korrektur:<br />

(1) vom Bearbeiter,<br />

(2) von einem Dritten o<strong>der</strong><br />

(3) vom Überwacher i.e.S.<br />

ausgeführt werden.<br />

179


zu (1) Korrektur durch Bearbeiter<br />

Überwachungstheorie<br />

Vorteile:<br />

- Beseitigung systematischer Fehlerursachen durch den Bearbeiter selbst (-> Lernwirkung).<br />

- Gegenkontrolle (Kontrolle des Überwachers i.e.S. durch den Bearbeiter/Korrektor).<br />

Nachteil:<br />

- Schwierige Fälle, die <strong>der</strong> Korrektor nicht beherrscht, können auch bei Korrektur<br />

nicht richtig gestellt werden.<br />

zu (2) Korrektur durch den Dritten<br />

Vorteil:<br />

- richtige Bearbeitung schwieriger Fälle, sofern Dritter guter Fachmann ist.<br />

Nachteil:<br />

- Vorteile <strong>der</strong> Korrektur durch den Bearbeiter entfallen.<br />

zu (3) Korrektur durch Überwacher (i.e.S.)<br />

Vorteil:<br />

- nur wenn Überwacher zuverlässiger arbeitet als Bearbeiter.<br />

Nachteil:<br />

- demotivierend <strong>für</strong> Bearbeiter.<br />

Fremdüberwachung:<br />

Korrektur durch den ursprünglichen Bearbeiter am sinnvollsten.<br />

⇒"Harzburger Modell":<br />

• Bearbeitung und Korrektur in einer Hand,<br />

• Rückdelegation unmöglich.<br />

180


Prüfungstheorie<br />

431.6 Kompetenzbildung, -glie<strong>der</strong>ung und -zuordnung<br />

Kompetenzbildung:<br />

Schaffung von Kompetenzbereichen.<br />

Kompetenzglie<strong>der</strong>ung:<br />

Zerlegung <strong>der</strong> Kompetenzbereiche in Teilbereiche.<br />

Kompetenzzusammenfassung (-bündelung):<br />

• Notwendiges Komplement zur Aufgaben- und Funktionstrennung: mehrere<br />

Mitarbeiter erhalten nur gemeinsam die Kompetenz, eine bestimmte Aufgabe<br />

o<strong>der</strong> eine Funktion innerhalb einer Aufgabe wahrzunehmen.<br />

• Durch Kompetenzzusammenfassung werden partielle Arbeitsergebnisse verschiedener<br />

Mitarbeiter wie<strong>der</strong> zusammengefasst und miteinan<strong>der</strong> abgestimmt.<br />

• Ist-Ist-Vergleich.<br />

431.7 Verantwortlichkeitsbildung, -glie<strong>der</strong>ung und -zuordnung<br />

Verantwortlichkeit als Kriterium <strong>für</strong> die Bereichsbildung.<br />

Bereichsbildung erfolgt analog zu 431.6 Kompetenzbildung, -glie<strong>der</strong>ung und -zuordnung,<br />

denn es gilt <strong>der</strong> Grundsatz:<br />

Kongruenz von Kompetenz und Verantwortung!<br />

432. Organisationsmöglichkeiten zur mittelbaren Effizienzsteigerung <strong>der</strong> Überwachung<br />

Wirksamkeit <strong>der</strong> Überwachung hängt auch von<br />

• personellen,<br />

• sachlichen und<br />

• finanziellen<br />

Voraussetzungen ab.<br />

⇒ Flankierende Organisationsmaßnahmen sind notwendig!<br />

Flankierende Maßnahmen:<br />

Organisatorische Maßnahmen, die den Arbeitsablauf und die Aufbauorganisation festlegen.<br />

Wirkungen <strong>der</strong> flankierenden Maßnahmen:<br />

• Wahrscheinlichkeit <strong>für</strong> richtige Ist-Objekte wird erhöht,<br />

• Ist-Objekt wird leichter überwachbar (durch größere Einheitlichkeit).<br />

181


Überwachungstheorie<br />

Beispiele <strong>für</strong> generelle Regelungen im Bereich Rechnungswesen:<br />

• Bilanzierungshandbücher,<br />

• Kontenpläne,<br />

• Belegorganisation und Formular- und Belegnummern-System,<br />

• Arbeitsplatzbeschreibungen,<br />

• Arbeitsablaufdiagramme,<br />

• Organigramme,<br />

• Aufgaben- und Kompetenzverteilung,<br />

• Stellvertreterregelungen,<br />

• Zugangsbeschränkungen,<br />

• Zugriffs- und Entnahmesicherungen,<br />

• separate Verwaltung und Verwahrung von Geld,<br />

• motivationale Maßnahmen.<br />

Personelle Voraussetzungen<br />

Arbeitsplatzbeschreibungen,<br />

Arbeitsablaufdia- und<br />

Organigramme<br />

Funktionstrennung<br />

Reihenkopplung<br />

Datensicherung<br />

und Belegorganisation<br />

Sicherungen und<br />

Zugangsbeschränkungen<br />

Vertikale<br />

Aufgabentrennung<br />

Reihenkopplung<br />

mit Rückkopplungsmöglichkeit<br />

Parallelkopplung<br />

Kompetenzbündelung<br />

Sachliche Voraussetzungen<br />

Parallelkopplung<br />

Generelle Regelungen, Gewährung<br />

von Anreizen,<br />

Stellvertreterregelungen<br />

Horizontale Aufgabentrennung<br />

und Aufgabenvervielfachung<br />

Separate Verwaltung<br />

und Aufbewahrung von<br />

Geld und an<strong>der</strong>en Vermögensteilen<br />

Abb. 43: Die Effizienz <strong>der</strong> Überwachung beeinflussende Faktoren und zugrundeliegende Kopplungsbeziehungen<br />

182<br />

Finanzielle Voraussetzungen


Prüfungstheorie<br />

44. Bildung und Analyse von internen Überwachungssystemen<br />

441. Die Isolierung von Überwachungsschritten aus dem Arbeitsablauf<br />

Abb. 44: Die Analyse <strong>der</strong> Kopplungen in einem Arbeitsablauf durch Disaggregation<br />

183


Überwachungstheorie<br />

Abb. 45: Aufgaben- und Funktionstrennung am Beispiel eines Ausschnitts <strong>der</strong> Finanzbuchführung<br />

184


Prüfungstheorie<br />

442. Die Ermittlung von Zuverlässigkeiten <strong>für</strong> die verschiedenen Kopplungstypen<br />

442.1 Überblick<br />

Abb. 46: Empirische Ermittlung von Teilzuverlässigkeiten einzelner Systemelemente<br />

Abb. 47: Die Ermittlung <strong>der</strong> Zuverlässigkeit des Ausgangsmaterials bei einstufiger Bearbeitung<br />

ohne Überwachung<br />

185


442.2 Zusammenführung<br />

W[R1] = 0,9375<br />

Überwachungstheorie<br />

Kanal 1 mit + +<br />

m Elementen W[R2] = 0,75<br />

[ A]<br />

[ RA]<br />

[ 1] [ 2]<br />

Kanal 2 mit<br />

n Elementen<br />

m<br />

Anteil <strong>der</strong>Vorgänge aus Kanal<br />

m+ n<br />

n<br />

Anteil <strong>der</strong> Vorgänge aus Kanal 2<br />

m n =<br />

+ =<br />

1<br />

m = 800<br />

n = 200<br />

W R<br />

W<br />

W R ⋅ m+ W R ⋅n<br />

=<br />

m+ n<br />

0, 9375⋅ 800 + 0, 75⋅200 900<br />

=<br />

= = 09 ,<br />

800 + 200 1000<br />

Abb. 48: Zuverlässigkeit bei einer Zusammenführung<br />

442.3 Reihenkopplung<br />

W[RE] = 1,0<br />

W [RA]<br />

W[R1] = 0,949 W[R2] = 0,949<br />

W[RA] = 0,9<br />

Abb. 49: Teilzuverlässigkeiten bei einer Reihenkopplung = Steuerung vom Typ A<br />

Für die Reihenkopplung gilt die Multiplikationsregel:<br />

[ A] = [ E] ⋅ [ 1]<br />

⋅ [ 2]<br />

[ A]<br />

= ⋅ ⋅ ≅<br />

W R W R W R W R<br />

W R 1,0 0,949 0,949 0,9<br />

186<br />

W[RA] = 0,900601


442.4 Parallelkopplung<br />

W [RE] = 1,0<br />

W [R1] = 0,75<br />

W[R2] = 0,75<br />

Prüfungstheorie<br />

Ist-Ist-Vergleich und Beurteilung<br />

+<br />

-<br />

Abweichung<br />

= 0<br />

?<br />

Ausson<strong>der</strong>ung<br />

(37,5% des<br />

Eingangsmaterials)<br />

JA! Freigabe<br />

W [RA] = 0,9<br />

Abb. 50: Teilzuverlässigkeiten bei einer Parallelkopplung mit Ausson<strong>der</strong>ung von ungleichen<br />

Bearbeitungselementen<br />

W [R1]<br />

0,75<br />

ausgeson<strong>der</strong>t<br />

freigegeben<br />

und<br />

richtig<br />

0,75<br />

freigegeben<br />

und<br />

falsch<br />

ausgeson<strong>der</strong>t<br />

1,0 W[R2]<br />

Abb. 51: Darstellung <strong>der</strong> Zuverlässigkeit bei einer Parallelkopplung mit Ausson<strong>der</strong>ung voneinan<strong>der</strong><br />

abweichen<strong>der</strong> Bearbeitungsergebnisse<br />

[ ]<br />

W[ R1] ⋅W[<br />

R2]<br />

[ 1] ⋅ [ 2] + ( 1− [ 1] ) ⋅( 1−<br />

[ 2]<br />

)<br />

W RA<br />

=<br />

W R W R W R W R<br />

187<br />

075 , ⋅075<br />

,<br />

=<br />

≅ 09 ,<br />

075075 , ⋅ , + 025025 , ⋅ ,


Überwachungstheorie<br />

Abb. 52: Parallelkopplung im Stellvertreter-Fall (BAETGE, 1980, Sp. 1097 f.)<br />

442.5 Rückkopplung<br />

Abb. 53: Bedingte Wahrscheinlichkeiten <strong>für</strong> Bearbeitung, Sollobjekterstellung, Überwachung<br />

i.e.S. und Korrektur<br />

188


Prüfungstheorie<br />

Abb. 54: Ein Überwachungssystem-Element am Beispiel des Kontierens bei einmaliger Rückkopplung<br />

Abb. 55: Übergangsgraph <strong>für</strong> ein Überwachungssystem-Element (=ÜSE)<br />

189


Anfangszuverlässigkeit<br />

(hier 100 %)<br />

W(R)<br />

1-W(R)<br />

Überwachungstheorie<br />

Bearbeitung Kontrolle Korrektur<br />

W(R/R)<br />

1-W(R/R)1-W(R/F R)<br />

W(F/F)<br />

1-W(F/F)<br />

W(R/F R)<br />

W(R/F F)<br />

1-W(R/F F)<br />

WErg (R) = W(R) W(R/R) + W(R) (1-W(R/R)) W(R/F R)<br />

+ (1-W(R)) W(F/F) 1-W(R/F F)<br />

1-WErg (R) = W(R) (1-W(R/R)) (1-W(R/F R)) + (1-W(R)) W(F/F) (1-W(R/F F))<br />

+ (1-W(R)) (1-W(F/F))<br />

Zustand <strong>der</strong> Istobjekte<br />

nach den Tätigkeiten<br />

R F<br />

Ergebnis<br />

zuverlässigkeit<br />

W Erg (R)<br />

Ergebnisunzuverlässigkeit<br />

1-W Erg (R)<br />

Abb. 56: Wahrscheinlichkeitsbaum zur Berechnung <strong>der</strong> Ergebniszuverlässigkeit eines IKSE<br />

UMP =<br />

⎡ 1 0 0 0<br />

~<br />

~<br />

⎤<br />

⎢ ~ W<br />

[ ]<br />

[ F / R]<br />

W [ F / R]<br />

⎥<br />

⎢W<br />

R / R ~<br />

~ 0 ⎥<br />

⎢ ⋅WR/F [ ∩R] ⋅WF/F [ ∩R]<br />

⎥<br />

⎢<br />

~<br />

~<br />

⎥<br />

⎢<br />

WF/F [ ] WF/F [ ] ~ ⎥<br />

⎢<br />

0<br />

~<br />

~ W<br />

[ ] [ ]<br />

[ R / F]<br />

⋅WR/F∩F⋅WF/F∩F ⎥<br />

⎢<br />

⎥<br />

⎣⎢<br />

0 0 0 1 ⎦⎥<br />

Abb. 57: Das ÜSE als Markov-Prozeß in Matrizenschreibweise<br />

190


Prüfungstheorie<br />

443. Wirkung <strong>der</strong> Überwachung auf die Zuverlässigkeit von Routinetätigkeiten<br />

443.1 Wirkung <strong>der</strong> Selbstüberwachung<br />

Abb. 58: Ergebniszuverlässigkeit mit und ohne Selbstüberwachung<br />

191


442.2 Wirkung <strong>der</strong> Fremdüberwachung<br />

Abb. 59: Ergebnisse <strong>der</strong> Computersimulation<br />

Überwachungstheorie<br />

192


Wirtschaftsprüfung I<br />

45. Überwachungssysteme und Überwachungshierarchien<br />

Normen<br />

des Gesetzgebers<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>erNormgeber,<br />

z. B.:<br />

Gesetz,<br />

Satzung,<br />

GoB,<br />

Auftrag.<br />

Ausgewählte<br />

Ist-<br />

Objekte<br />

Normen<br />

Ausgewählte Ist-Objekte<br />

Normen<br />

Ausgewählte<br />

Ist-<br />

Objekte<br />

Normen<br />

Ausgewählte Ist-Objekte<br />

Informationen<br />

zu Sollobjektbildungen<br />

(Normen)<br />

Ist<br />

korrigiertes<br />

Ist<br />

Ist<br />

Sollobjektbildung und<br />

Soll-Ist-Vergleich<br />

durch eigene o<strong>der</strong> fremde<br />

Wirtschaftprüfer<br />

iV. Interne und externe Überwachungen<br />

<strong>der</strong> Abschlußprüfung, z. B.:<br />

"Quality Control" o<strong>der</strong><br />

"Peer Review"<br />

Sollobjektbildung<br />

und Soll-Ist-Vergleich<br />

durch Abschlußprüfer<br />

III. Die kontrollierte und geprüfte Finanzbuchführung<br />

als Prüfungsgegenstand <strong>der</strong><br />

externen Jahresabschlußprüfung<br />

Sollobjektbildung<br />

und Soll-Ist-Vergleich<br />

durch die Innenrevision<br />

bwz. den Vorstand<br />

II. Die kontrollierte Finanzbuchführung<br />

<strong>der</strong> Unternehmung als<br />

Prüfungsobjekt <strong>der</strong><br />

Innenrevision bzw.<br />

des Vorstandes<br />

Sollobjektbildung<br />

und Kontrolle<br />

durch Abteilungsleiter<br />

(Supervisor)<br />

I. Kontrollierte Finanzbuchführung<br />

Korrektur<br />

Finanzbuchführung<br />

Abb. 60: Hierarchie von Überwachungs-Regelkreisen<br />

193<br />

"richtig"<br />

Freigabe<br />

I<br />

"falsch"<br />

Rückgabe<br />

Istobjekte mit<br />

Informationen<br />

über Soll-Ist-<br />

Abweichungen<br />

II<br />

Informationen über Soll-Ist-Abweichungen<br />

III<br />

Informationen über Soll-Ist-<br />

Abweichungen<br />

Eingabe: Geschäftsvorfälle<br />

START<br />

IV<br />

Berichterstattung<br />

und<br />

ggfs.<br />

Freigabe<br />

zur<br />

weiteren<br />

Bearbeitung


Überwachungstheorie<br />

Die oberste Kontrollinstanz entzieht sich im zweifachen Sinne <strong>der</strong> Kontrolle:<br />

(1) Für die Zeit einer unverän<strong>der</strong>ten Kontrollhierarchie: Treten folgenschwere Fehler<br />

auf, so wird häufig eine zusätzliche, höhere Kontrollebene gefor<strong>der</strong>t.<br />

(2) Die Effizienz einer zusätzlichen (oberen) Kontrollinstanz kann nicht beurteilt<br />

werden.<br />

Die Schaffung neuer Kontrollhierarchien ist letztlich ein unendlicher Prozess. Einem<br />

ständigen Anwachsen <strong>der</strong> Kontrollhierarchie kann durch das Prinzip <strong>der</strong> Gegenkontrolle<br />

begegnet werden. D. h. die oberste Kontrollinstanz meldet alle festgestellten<br />

Fehler <strong>der</strong> darunter liegenden Ebene, so dass diese erneut eine Kontrolle (Vergleich<br />

und Beurteilung) durchführen kann. Bei einer Rückgabe zur Korrektur sollte die Gegenkontrolle<br />

zumindest immer stattfinden.<br />

⇒ Offene Fragen:<br />

• Was geschieht bei abweichen<strong>der</strong> Beurteilung durch die Gegenkontrolle?<br />

• Was geschieht bei vorhandenen, aber nicht festgestellten Fehlern?<br />

194

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