Arbeit und Beschäftigung in der saarländischen Gesundheitswirtschaft

Arbeit und Beschäftigung in der saarländischen
Gesundheitswirtschaft
von
Ingrid Matthäi
Jörg Marschall
Studie im Auftrag der Arbeitskammer des Saarlandes
Saarbrücken, Januar 2008

Inhalt
1. Zielsetzung der Studie und methodisches Vorgehen.............................................5
2. Gesundheitswirtschaft – ein Perspektivwechsel vom ‚Kostenfaktor’...................9
zur ‚Zukunftsbranche’
2.1 Die „Entdeckung“ einer Branche ..................................................................................9
2.2 Eine Definition der Gesundheitswirtschaft..................................................................14
Exkurs: Der zweigeteilte Gesundheitsmarkt..........................................................16
2.3 Wachstumstreiber und Herausforderungen für die Gesundheitswirtschaft ................17
3. Unternehmen und Einrichtungen in der saarländischen Gesundheits-..............23
wirtschaft – eine branchenbezogene Betrachtung
3.1 Überblick.....................................................................................................................23
3.2. Betriebe der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung .......................25
3.2.1 Krankenhäuser ...........................................................................................................25
3.2.2 Einrichtungen zur Vorsorge und medizinischen Rehabilitation ..................................29
3.2.3 Ambulante Einrichtungen / medizinische Praxen .......................................................31
3.3 Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen..........................................................33
3.4 Unternehmen aus den Vorleister- und Zulieferbranchen............................................35
3.5 Unternehmen des Groß- und Einzelhandels ..............................................................37
3.6 Verwaltung: Betriebe und Organisationen des Gesundheitswesens..........................39
Exkurs: Mitbestimmung in der Gesundheitswirtschaft ........................................40
4. Beschäftigung und Aus- und Weiterbildung in der Gesundheitswirtschaft.......43
4.1 Beschäftigungsentwicklung ........................................................................................43
4.1.1 Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung..................................43
4.1.2 Entwicklung der geringfügigen Beschäftigung............................................................47
4.1.3 Entwicklung bei den freien Berufen/Selbstständigen .................................................50
4.1.4 Erwerbstätige..............................................................................................................51
4.2. Ausbildung und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen........................................52
5. Regionale Entwicklungsstrategien im Vergleich...................................................57
5.1 Überblick über Strategien von Regionen und Bundesländern....................................57
5.2 Das Saarland im Regionenvergleich ..........................................................................59
5.3 Innovationskerne und -potenziale der Gesundheitswirtschaft Saar ...........................65
6. Grenzüberschreitende Gesundheitswirtschaft – eine Chance ............................70
für das Saarland?
6.1 Grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen ............71
6.2 Grenzüberschreitende Beschäftigung ........................................................................73
7. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick ..............................................................74
8. Literatur .....................................................................................................................76
Anhang ..................................................................................................................................79
3

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1: Gesundheitsausgaben in Deutschland in Mio. Euro nach...............................................11
Ausgabenträgern im Zeitverlauf
Tabelle 2: Gesundheitsausgaben nach Kostenträgern im Saarland................................................12
Tabelle 3: Betriebe der Gesundheitswirtschaft Saar in 2004 ...........................................................24
Tabelle 4: Ärztliche geleitete ambulante Gesundheitseinrichtungen ...............................................31
im Saarland
Tabelle 5: Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen im Saarland ..........................................33
Tabelle 6: Beschäftigte in den Vorleister- und Zulieferbranchen im Saarland .................................36
Tabelle 7: Beschäftigte im Groß- und Einzelhandel der Gesundheits- ............................................38
wirtschaft Saar
Tabelle 8: Selbstständige Ärzte, Zahnärzte und Apotheker im Saarland.........................................51
1999 bis 2006 nach Geschlecht
Tabelle 9: Entwicklung der Erwerbstätigkeit in der saarländischen Gesundheitswirtschaft ............52
Tabelle 10: Vorgehaltene und tatsächlich belegte Ausbildungsplätze für Krankenpflege- ................53
und Gesundheitsfachberufe in den Schulen der saarländischen
Krankenhäuser in 2006
Tabelle 11: Prozentualer Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ................................60
in der Gesundheitswirtschaft an der Gesamtzahl der Beschäftigten in 2003
Tabelle 12: Beschäftigte in den ‚innovativen Kernen’ der Gesundheitswirtschaft, 2006....................68
___________________________________________________________________________________
Abb. 1: Schichtenmodell der Gesundheitswirtschaft....................................................................15
Abb. 2: Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung insgesamt und..............44
in der Gesundheitswirtschaft im Saarland (in Tsd.)
Abb. 3: Verteilung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf die jeweiligen..................45
Segmente der saarländischen Gesundheitswirtschaft in Prozent, 2006
Abb. 4: Zuwächse sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nach Segmenten der..............46
Gesundheitswirtschaft im Saarland von 1999 bis 2006
Abb. 5: Geringfügige Beschäftigung im Saarland und in der saarländischen Gesund-...............48
heitswirtschaft
Abb. 6: Prozentuale Verteilung der geringfügig Beschäftigten auf die Wirtschaftszweige ..........49
der Gesundheitswirtschaft im Saarland in 2006
4

1. Zielsetzung der Studie und methodisches Vorgehen
Die Gesundheitswirtschaft gilt als einer der dynamischsten Wachstumsmärkte der
Zukunft. Neben der sozialpolitischen und wohlfahrtsstaatlichen Bedeutung des Gesundheitswesens
wird zunehmend erkannt, dass die Gesundheit ein zentraler Wirtschaftsfaktor
und Beschäftigungsmotor ist. Diese Branche verzeichnet seit Jahren
ein Beschäftigungswachstum und Prognosen gehen von einem weiteren Arbeitsplatzwachstum
aus. Im Rahmen der Studie wurde ermittelt, welche wirtschafts- und
beschäftigungspolitische Bedeutung die Gesundheitswirtschaft im Saarland derzeit
tatsächlich hat und inwieweit die Region von dem prognostizierten Arbeitsplatzwachstum
profitieren kann.
Die Studie konzentriert sich hinsichtlich der saarländischen Gesundheitswirtschaft
auf drei zentrale Themenfelder:
1) Aktuelle Bestandsaufnahme zur Beschäftigung.
2) Analyse der Innovationspotenziale und Innovationskerne der regionalen Gesundheitswirtschaft.
3) Bedeutung der Großregion Saar-Lor-Lux für die saarländische Gesundheitswirtschaft.
Ad 1): Aktuelle Bestandsaufnahme zu Beschäftigung
Bislang liegen für das Saarland weder bilanzierende noch differenzierende Studien
zu Arbeitsmarkt und Beschäftigung in der Gesundheitswirtschaft vor. Damit schließt
die Studie ein Forschungsdesiderat.
In der Gesundheitswirtschaft gibt es ein breites Spektrum an Beschäftigungsverhältnissen,
an Berufen und Qualifikationen, was eine Beschäftigungsbilanz erschwert.
Neben den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die zahlenmäßig die größte
Erwerbsgruppe stellen, sind in der Gesundheitswirtschaft traditionell die freien Berufe
bei den Medizinern und Apothekern sowie bei den Gesundheitsfachberufen und
Heilberufen zahlreich vertreten. Um die Anzahl der Arbeitsplätze realistisch abbilden
zu können, wird die Gesundheitswirtschaft begrifflich weit gefasst. Demzufolge werden
für die Bestandsaufnahme nicht nur die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
in den Einrichtungen des klassischen Gesundheitswesens, sondern auch diejenigen
bei den Vor- und Zulieferern aus der gewerblichen Wirtschaft – Health-Care-
Industrie, Gesundheitshandwerk und Handel einbezogen. Durch Einbeziehung weiterer
Erwerbsgruppen, insbesondere der freien Berufe und der geringfügig Beschäftigten
kann die Gesamtzahl an Erwerbstätigen, die in der Gesundheitswirtschaft arbeiten,
ermittelt werden. Neben einer Gesamtbilanz sollen auch die Teilarbeitsmärkte
und die Unternehmensstrukturen der einzelnen Branchensegmente der Gesundheitswirtschaft
differenzierter analysiert und abgebildet werden, um Entwicklungstrends
und Wachstumspotenziale identifizieren zu können. Die Stärken der saarländischen
Gesundheitswirtschaft bzw. ihrer Teilsegmente sollen ebenso herausgearbeitet
werden wie die jeweiligen Wachstumstreiber und -risiken.
5

Ad 2): Analyse der Innovationspotenziale und Innovationskerne der regionalen Gesundheitswirtschaft
In diesem Themenfeld werden zwei Fragestellungen aufgegriffen: erstens, welche
Entwicklungsstrategien werden im Saarland im Vergleich zu anderen Bundesländern
verfolgt; zweitens, über welche Innovationspotenziale und Innovationskerne verfügt
die saarländische Gesundheitswirtschaft?
Einige Regionen haben früh erkannt, dass die Gesundheitswirtschaft ein gewichtiger
Jobmotor und Wirtschaftsfaktor ist. Sie entwickeln Strategien, die auf eine offensive
Vermarktung als Gesundheitsregion abzielen und zu mehr Beschäftigung führen sollen.
Im Regionenvergleich soll ermittelt werden, wo das Saarland derzeit steht und
ob es vergleichbare Aktivitäten wie die anderen Länder entfaltet, um die regionale
Gesundheitswirtschaft zu unterstützen.
Innovationen gelten als Schlüssel für Wachstum und Beschäftigung, weshalb die
Regionen gleichermaßen bestrebt sind, ihre eigenen Standorte zu Forschungs- und
Technologieclustern aufzurüsten, damit sie am Wachstum zukunftsfähiger Arbeitsplätze
teilhaben können. Ein Themenschwerpunkt der Studie richtet sich deshalb auf
die innovativen Kerne der saarländischen Gesundheitswirtschaft – auf Bildung, Forschung
und Wirtschaft - und geht der Frage nach, welchen Beitrag sie zur Schaffung
zukunftsfähiger Arbeitsplätze leisten. Zum einen soll genauer ermittelt werden, wie
stark diese innovativen Kerne im Saarland besetzt sind und ob sie über eine ‚kritische
Masse’ an Betrieben, Forschungseinrichtungen und Arbeitsplätzen verfügen,
um Spill-over-Effekte zu erzeugen. Zum anderen geht es um die Frage, wie bedeutsam
der regionale Technologie- und Wissenstransfer für das betriebliche Innovationsgeschehen
ist. Innovationen sind das Resultat einer gelungenen Verwertung von
Forschungsergebnissen und Ideen, wobei der Wissens- und Technologietransfer eine
wesentliche Rolle spielt. Die Innovationsimpulse resultieren Innovationstheorien
zufolge aus der Wirkungskette zwischen Bildung, Forschung und Unternehmen. Inwieweit
sich diese Wirkungskette auf regionaler Ebene abbilden lässt und durch Kooperationen
zwischen saarländischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen
fundiert wird, soll ebenfalls genauer sondiert werden.
Ad 3): Bedeutung der Großregion Saar-Lor-Lux für die saarländische Gesundheitswirtschaft
Das Saarland ist eine Grenzregion und als diese eingebettet in die Großregion Saar-
Lor-Lux. Neben diversen Initiativen, Rahmenabkommen und Absichtserklärungen zur
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit existieren bereits einige reale Kooperationen
im Gesundheitswesen. EU-Regelungen zur Liberalisierung der Gesundheitsmärkte
sowie bilaterale Abkommen sollen eine grenzüberschreitende Inanspruchnahme
von ambulanten und stationären Leistungen erleichtern. Es gibt kaum Angaben,
inwieweit die Grenzbewohner medizinische Leistungen oder Produkte im Nachbarland
tatsächlich nachfragen und ob diese Nachfrage beispielsweise im Saarland
zu Umsatzeinbußen bei Apotheken oder umgekehrt zu einer höheren Bettenauslas-
6

tung in Kliniken führen. Infolgedessen sind valide Aussagen zu Auswirkungen und
Effekten auf die Beschäftigung im Saarland durch eine grenzüberschreitende Nutzung
und Nachfrage von Gesundheitsangeboten und Dienstleistungen kaum möglich.
Unter beschäftigungspolitischen Aspekten interessanter hingegen ist ein anderer
Grenzeffekt: Die Großregion Saar-Lor-Lux stellt mit rund 150.000 Grenzgängern einen
der größten grenzüberschreitenden Arbeitsmärkte dar. In welchen Branchen und
Berufen die Pendler Arbeit finden, darüber gibt die amtliche Statistik keine genauere
Auskunft. Es ist aber zu vermuten, dass neben der Industrie und dem Handel auch
die Gesundheitswirtschaft zahlreiche Grenzgänger beschäftigt. Auf explorativem Wege
wird deshalb versucht, sich diesem Thema anzunähern.
Methodisches Vorgehen
Eine Studie zur saarländischen Gesundheitswirtschaft, die unterschiedliche Facetten
und Segmente, ihre Stärken und Potenziale sowie Struktur- und Beschäftigungseffekte
erfassen will, bedarf einer Verknüpfung verschiedener sozialwissenschaftlicher
Methoden. Es kommt ein Methodenmix zur Anwendung, bestehend aus:
� Auswertung und Aufbereitung statistischer Quellen und Datenbanken,
� Dokumenten- und Literaturanalysen, Sekundärauswertung von Studien,
� Expertengespräche.
Für die Analysen werden neben der offiziellen Beschäftigtenstatistik zahlreiche andere
Datenquellen wie Branchenberichte, statistische Erhebungen von Berufsverbänden
und Kammern sowie differenzierte Daten der Gesundheitsberichterstattung herangezogen,
die spezifischere Auskünfte über Teilarbeitsmärkte oder für bestimmte
Berufsgruppen in der Gesundheitswirtschaft geben. Diese Daten werden erstmals
systematisch ausgewertet und zu einem Gesamtbild zusammengeführt.
Für die Bestandsaufnahme wurden insbesondere Daten aus folgenden statistischen
Quellen und Datenbanken herangezogen und ausgewertet:
� Amtliche Statistiken des Statistischen Landesamtes Saarland und des Statistischen
Bundesamtes
� Daten der Bundesagentur für Arbeit, der Regionalagentur Rheinland-
Pfalz/Saarland und des IAB-Berufeatlas
� Daten aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes und des Saarlandes
� Daten der WHO und der OECD
� Daten von Kammern und Verbänden, unter anderem Arbeitskammer,
IHK/ZPT, Ärztekammer, Saarländische Krankenhausgesellschaft.
Die Expertengespräche sind ein zentraler Bestandteil der Untersuchung. Die Experten
werden in ihrer Funktion als Repräsentanten einer Organisation oder Institution
7

angesprochen, die sie vertreten. Als Experten bezeichnen wir jemanden, der aufgrund
seiner Funktion oder Tätigkeit über profunde Kenntnisse, Informationen und
Einschätzungen über Entwicklungstrends verfügt, die für die Untersuchung von besonderer
Relevanz sind. Die Hintergrundinformationen und Erkenntnisse, die aus
den Gesprächen gewonnen werden, können zu einer valideren Einschätzung der
Beschäftigungs- und Arbeitsmarkttrends in der Gesundheitswirtschaft genutzt werden.
Insgesamt wurden 15 Expertengespräche mit ausgewiesenen Kennern, Gesundheitspolitikern,
Entscheidern und Promotoren der saarländischen Gesundheitswirtschaft
geführt. Sie alle sind Vertreter oder Repräsentanten von Verbänden, Einrichtungen,
Institutionen oder Kammern der Gesundheitswirtschaft sowie von Ministerien
und Gewerkschaften, wobei darauf geachtet wurde, möglichst alle zentralen Segmente
der Gesundheitswirtschaft abzudecken.
8

2. Gesundheitswirtschaft – ein Perspektivwechsel vom ‚Kostenfaktor’
zur ‚Zukunftsbranche’
2.1 Die „Entdeckung“ einer Branche
In den wirtschafts- und sozialpolitischen Debatten wurde das Gesundheitssystem
über lange Zeit nahezu ausschließlich als konsumptiver Wohlfahrtssektor und insbesondere
als wettbewerbshemmender Kostenfaktor wahrgenommen. Stetig steigende
Kassenbeiträge würden, so ein gängiges Argument, die Lohnnebenkosten in die Höhe
treiben, die Arbeitskosten verteuern und die internationale Wettbewerbsfähigkeit
der deutschen Wirtschaft gefährden 1 . Für die ‚Kostenexplosion’ im Gesundheitswesen
werden vor allem steigende Ausgaben, ineffiziente Strukturen und eine Verteuerung
der Leistungen verantwortlich gemacht. Zwar sind die absoluten Gesundheitsausgaben
in den letzten Jahren deutlich gestiegen, allerdings nicht stärker als das
Bruttoinlandsprodukt. Der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandsprodukt
liegt nach Angaben des statistischen Bundesamtes seit Jahren relativ konstant bei
rund 11 Prozent. Dass die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) in den letzten Jahren
nicht nur oder gar ausschließlich ein ‚Kostenproblem’, sondern auch ein Einnahme-
und Wettbewerbsproblem hatten, wird hingegen kaum thematisiert 2 . Die gesundheitspolitischen
und gesetzlichen Initiativen zur Reformierung des Gesundheitswesens
waren und sind weiterhin primär darauf ausgerichtet, diese ‚Kostenexplosion’
durch diverse Maßnahmen und Vorgaben zur ‚Deckelung’ der Ausgaben, durch Budgetierung,
durch Einführung von DRG-Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups)
zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, durch Qualitätssicherung und Mindestmengenvorgaben
etc. den Griff zu bekommen, um dadurch unter anderem. zu einer Senkung
der Sozialabgaben beizutragen.
Erst gegen Mitte/Ende 90er-Jahre zeichnete sich ein Perspektivwechsel in der
Wahrnehmung des Gesundheitssystems ab und der Blick richtete sich stärker auf
dessen wirtschafts- und beschäftigungspolitische Bedeutung. Durch diesen Paradigmenwechsel
vom ‚Gesundheitssystem als Kostenfaktor’ zur ‚Gesundheitswirtschaft
als Wachstumsmotor’ kann die volkswirtschaftliche Relevanz dieses Sektors
besser erfasst werden und zwar in mehrfacher Hinsicht. Erstens, das Gesundheitswesen
ist nicht nur ein Wohlfahrtssektor, sondern ein Markt, auf dem Milliardenbe-
1 Häussler u.a. (2006; 2006a) haben in einem internationalen Vergleich die Belastungen der Arbeitgeber aus
der Industrie durch die gesundheitssystembedingten Lohnnebenkosten untersucht. Ihre Ergebnisse belegen,
dass die Belastungen für die Unternehmen deutlich überschätzt werden. Die gesundheitssystembedingten
Kosten für die deutschen Arbeitgeber liegen im internatonalen Vergleich im Mittelfeld und sind deutlich niedriger
als beispielsweise in Frankreich und in den USA.
2 Vgl. Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (2001). Da die Beitragsentwicklung an die
Beschäftigungs- und die Lohnsummenentwicklung gekoppelt ist, führen rückläufige Beschäftigtenzahlen, hohe
Arbeitslosenzahlen und ein wachsender Anteil an Rentnern unter den Versicherten zwangsläufig zu sinkenden
Beitragseinnahmen, so dass die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben weiter auseinander geht.
Um den Wettbewerb bei den gesetzlichen Krankenkassen zu fördern, hat der Gesetzgeber den Pflichtversicherten
die Möglichkeit zum Wechsel der Krankenkasse eröffnet. Daraufhin verloren die AOK und die Ersatzkassen
mehr als 5 Mio. Versicherte an die Innungs- und Betriebskrankenkassen, die deutlich günstigere Mitgliederbeiträge
anbieten können. Die wachsende Konkurrenz untereinander führt zu einer Spaltung der Kassen
in so genannte ‚Versorgerkassen’, deren Ausgaben laufend steigen und Beitragserhöhungen nach sich
ziehen und in so genannten ‚Beitragsleisterkassen’ mit höheren Einnahmen als Ausgaben aufgrund einer jüngeren,
einkommensstarken und gesunden Mitgliederstruktur (vgl. Ruhkamp 2007).
9

träge umgesetzt werden und dem zukünftig hohe Wachstumsraten prognostiziert
werden. Es ist, zweitens, eine personal- und beschäftigungsintensive (Dienstleistungs-)Branche,
die seit Jahren Beschäftigungszuwächse verzeichnet und in der
nach Angaben des Statistischen Bundesamts in 2005 mehr als 4,2 Mio. Erwerbstätige
beschäftigt waren. Drittens, Gesundheit ist ein Produktivitätsfaktor. Je gesünder
die Menschen sind und im Lebensverlauf bleiben, desto geringer werden die volkswirtschaftlichen
Kosten, d.h. die Kosten für kurative Ausgaben und für
krankheitsbedingte Ausfälle im Arbeitsleben. Viertens, die Gesundheitswirtschaft gehört
als innovations- und wissensintensive Branche zu einer der wichtigsten Zukunftsbranchen.
Ökonomen und Innovationstheoretiker prognostizieren gar, dass die
Gesundheit als nachfrage-, angebots- und innovationsintensiver Wachstumsmarkt
möglicherweise der gesuchte sechste Kondratjew-Zyklus 3 sein und durch die Verknüpfung
von High-Tech-Medizin, neuen Therapieformen und interdisziplinären Basis-
und Schlüsseltechnologien wie Bio- und Nanotechnologien eine lange Phase
wirtschaftlichen Aufschwungs einleiten könnte (vgl. Nefiodow 1999). Diese Thesen
sollen im Folgenden genauer überprüft werden.
� Volkswirtschaftliche Bedeutung der Gesundheitswirtschaft
Die Gesundheitswirtschaft gilt als dynamische Wachstumsbranche. Prognosen gehen
davon aus, dass sich die Ausgaben für Gesundheit bis zum Jahr 2020 auf jährlich
ca. 500 Milliarden Euro verdoppeln werden (vgl. Ernst & Young 2005). Deutschland
gilt vor allem für Medizintechnik als lukrativer, weil drittgrößter, Absatzmarkt der
Welt – nach den USA und Japan.
Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Gesundheitswirtschaft wird offensichtlich,
wenn man sie mit anderen Kennziffern in Beziehung setzt. Zwischen 1995 und 2005
sind die Gesundheitsausgaben um 28 Prozent und absolut von rund 186 Mrd. Euro
auf mehr als 239 Mrd. Euro gestiegen (Quelle: Statistisches Bundesamt). Dieses Finanzvolumen
entspricht knapp 11 Prozent der Gesamtwirtschaftsleistung, dem Bruttoinlandsprodukt
(Quelle: OECD) 4 . Während die absoluten Gesundheitsausgaben
gestiegen sind, ist der Anteil am BIP in den letzten Jahren hingegen relativ konstant
geblieben.
Eine Vielzahl von Kostenträgern kommt für die Gesundheitskosten in Deutschland
auf. Wie sich die Gesundheitsausgaben auf die einzelnen Ausgabenträger verteilen
und sich im Zeitverlauf von 1995 bis 2005 verschieben, zeigt Tabelle 1.
3 Als Kondratjew-Zyklen werden lange Wellen der Konjunktur mit weitgehender Vollbeschäftigung bezeichnet,
die durch eine lange Aufschwungphase gekennzeichnet sind und durch grundlegende technische Innovationen
eingeleitet werden (z.B. Erfindung der Dampfmaschinen, des Automobils, der Informationstechnologie).
4 Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit 11,1 Prozent im Jahr 2003 an dritter Stelle der OECD-
Länder hinter den USA, wo der Anteil der Gesundheitsaussagen rund 15 Prozent am BIP betrug und der
Schweiz mit einem Anteil von 11,5 Prozent.
10

Tabelle 1: Gesundheitsausgaben in Deutschland in Mio. Euro nach Ausgabenträgern
im Zeitverlauf
1995 2000 2005
Prozentanteil
in 2005
Prozentanstieg
1995-2005
Prozentanstieg
2000-2005
Gesamtausgaben 186.542 212.423 239.357 +28,3% +12,7%
anteilig:
GKV 112.474 123.914 135.868 56,8% +20,8% +9,6%
PKV 14.275 17.604 22.023 9,2% +54,3% +25,1%
Öff. Haushalte 19.917 13.613 13.623 5,7% -31,6% -0,1%
Sozialkassen 1
13.073 23.835 25.363 10,6% +94,0% +6,4%
Arbeitgeber 7.779 8.678 10.081 4,2% +29,6% +16,2%
Privathaushalte 19.024 24.780 32.399 13,5% +70,3% +30,7%
Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes , eigene Berechnung
1) Die Kategorie beinhaltet die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung
und der gesetzlichen Pflegeversicherung. Der starke Anstieg der Ausgaben betrifft fast ausschließlich
die gesetzliche Pflegeversicherung.
Die gesetzlichen Krankenkassen waren und sind nach wie vor der größte Ausgabenträger.
Knapp 57 Prozent aller Gesundheitsausgaben in Deutschland wurden in 2005
durch die GKV finanziert, der Beitrag der privaten Krankenversicherung lag bei gut 9
Prozent. Zusammen finanzierten die GKV und die drei weiteren gesetzlichen Sozialversicherungen
(Unfall-, Renten-, Pflegeversicherung) rund zwei Drittel der Gesundheitsausgaben.
Mit einer Ausnahme wiesen alle Ausgabenträger Ausgabensteigerungen
im Zeitverlauf auf. Lediglich bei den öffentlichen Haushalten sind die Gesundheitsausgaben
zwischen 1995 und 2005 deutlich um ein Drittel, d.h. um 6,3 Mrd.
Euro gesunken. Die Privathaushalte waren mit 32 Mrd. Euro der zweitgrößte Ausgabenträger
nach der GKV in 2005. Nach der Pflegeversicherung verzeichnen die Privathaushalte
mit 70 Prozent den stärksten Anstieg bei den Gesundheitsausgaben im
Zeitverlauf. Die Bürger gaben zwischen 1995 und 2005 rund 13 Mrd. Euro mehr aus,
was unter anderem auf die Kostenzuwächse bei den pflegerischen und therapeutischen
Leistungen sowie auf die notwendigen Zuzahlungen bei Medikamenten,
Zahnersatz, medizinischen Hilfsmitteln etc. zurückzuführen ist (vgl. GBE-Bund 2006)
Rund ein Fünftel aller Gesundheitsausgaben entfallen mittlerweile auf Direktkäufe
und Zuzahlungen (vgl. GBE Bund 2006).
Im Saarland betrugen die Gesundheitsausgaben im Jahr 2004 rund 2,997 Mrd. Euro
5 , was einem Anteil von 11,2 Prozent am saarländischen Bruttoinlandsprodukt entsprach.
Um die Relationen zu verdeutlichen: Die Gesamtausgaben des Landeshaushalts
lagen im gleichen Jahr bei 3,2 Mrd. Euro und der Gesamtumsatz des verarbeitenden
Gewerbes an der Saar betrug 3,1 Mrd. Euro. Der saarländischen Gesund-
5 Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Saarlands. Es handelt sich um geschätzte Zahlen anhand des Bevölkerungsquotienten
auf der Datenbasis der Gesundheitsausgabenrechnung, GBE Bund.
11

heitswirtschaft steht ein Wirtschaftsvolumen von knapp 3 Mrd. Euro zur Verfügung,
das von unterschiedlichen Ausgabenträgern gespeist wird (vgl. Tab. 2). Im Bereich
des Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesens, also einem großen Teil der ambulanten
und medizinischen Versorgung, beträgt die Bruttowertschöpfung 6 im Jahr
2004 rund 2,064 Mrd. Euro bei einer saarländischen Gesamtbruttowertschöpfung
von 23,844 Mrd. Euro, was einem Anteil von 8,6 Prozent entspricht (Quelle: VGR,
Statistisches Bundesamt). Der Bereich Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen
weist zwischen 1999 und 2004 mit 23 Prozent ein mehr als doppelt so hohes Wachstum
aus wie das Wachstum der Bruttowertschöpfung der Gesamtwirtschaft mit 10,4
Prozent. Auch im Vergleich zur bundesweiten Gesundheitswirtschaft ist das Wachstum
bei der Bruttowertschöpfung der saarländischen Gesundheitswirtschaft um 5,3
Prozent höher.
Tabelle 2: Gesundheitsausgaben nach Kostenträgern im Saarland
2002 2003 2004
Mio. € je Einw. Mio. € je Einw. Mio. € je Einw.
GKV 1.715 1.611 1.744 1.643 1.685 1.595
PKV 251 236 263 248 270 256
Öff. Haushalte 188 175 185 175 186 178
Ges. Pflegevers. 223 209 224 211 225 213
Sozialkassen 1
96 90 97 91 96 90
Arbeitgeber 121 114 124 117 124 117
Privathaushalte 347 326 367 345 411 389
Quelle: GBE Saarland; eigene Berechnung;
1) bei den Sozialkassen handelt es sich um die gesetzliche Unfall- und Rentenversicherung.
Zwischen 1995 und 2004 stiegen die Gesundheitsausgaben im Saarland um 525
Mio. Euro, was einem Ausgabenanstieg von 21 Prozent entspricht und damit geringer
ausfällt als demjenigen auf Bundesebene mit 25,3 Prozent. Die Gesundheitsausgaben
je Einwohner im Saarland lagen im Jahr 1995 bei 2.471 Euro und im Jahr
2004 bei 2.996 Euro, was einem Zuwachs von 525 Euro entspricht (Quelle: GBE
Saarland). Bei den Pro-Kopf-Ausgaben in 2004 lag das Saarland allerdings mit 2.996
Euro deutlich über den bei 2.840 Euro liegenden Pro-Kopf-Ausgaben im Bund. Eine
Aufschlüsselung der Ausgaben nach Kostenträgern im Jahr 2004 zeigt, dass die gesetzliche
Krankenversicherung mit Abstand den größten Anteil an den Gesundheitsausgaben
übernimmt (vgl. Tab. 2), an zweiter Stelle liegen die privaten Haushalte mit
ca. 411 Mio. Euro. Pro Einwohner entspricht das einer Summe von 389 Euro. Allein
zwischen 2002 und 2004 stiegen die Gesundheitsausgaben der privaten Saar-
Haushalte von 347 Mio. auf 411 Mio. Euro. Unter allen Ausgabenträgern verzeichneten
die Privathaushalte zwischen 2002 und 2004 mit 18,4 Prozent den höchsten An-
6 Die Ausweisung der Bruttowertschöpfung der VGR erfolgt nach Wirtschaftszweigen, d.h. dass das Gesundheitswesen
nicht separat ausgewiesen ist, sondern zusammen für die oben genannten Wirtschaftsbereiche.
Die Bruttowertschöpfung im Gesundheitswesen ist die Summe der hier produzierten Gesundheitsgüter und
-dienstleistungen abzüglich der von anderen Wirtschaftsbereichen bezogenen Vorleistungen und Vorprodukte.
Die Bruttowertschöpfung für die gesamte Gesundheitswirtschaft liegt demzufolge deutlich über dem oben angegebenen
Wert.
12

stieg bei den Gesundheitsausgaben – im Vergleich dazu stiegen die verfügbaren
Einkommen lediglich um 5,6 Prozent. Da das Saarland unter den westdeutschen
Flächenländern das niedrigste Einkommensniveau aufweist und auch beim Bruttoinlandsprodukt
mit 24.300 Euro pro Einwohner deutlich unter dem Bundesschnitt von
25.900 Euro liegt (vgl. Bertelsmann-Stiftung 2007), ist davon auszugehen, dass die
Kaufkraft für zusätzliche private Gesundheitsleistungen zukünftig an Grenzen stoßen
wird.
� Arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Bedeutung der Gesundheitswirtschaft
Die Gesundheitswirtschaft ist nicht nur unter volkswirtschaftlichen Aspekten bedeutsam,
sondern auch für Arbeitsmarkt und Beschäftigung. Die Gesundheitsberichterstattung
des Bundes verweist auf rund 4,2 Mio. Erwerbstätige, die einer Tätigkeit im
Gesundheitswesen nachgehen, wobei auch die Zuliefer- und Vorleisterbranchen eingerechnet
werden. Die Relevanz für den nationalen Arbeitsmarkt erschließt sich erst
im Vergleich: jeder neunte Erwerbstätige i.o.S. arbeitet in der Gesundheitswirtschaft,
in der Automobilbranche hingegen nur jeder 50. Beschäftigte. Darüber hinaus ist die
Gesundheitswirtschaft, vor allem im klassischen Bereich der Gesundheitsversorgung,
ein Arbeitsmarkt mit einer hohen Gendersegmentierung. In den Gesundheitsfachberufen
(Pflegeberufe, Heilberufe) dominieren weibliche Beschäftigte. In diesen
Berufsgruppen liegt der Frauenanteil bei über 80 Prozent, er verringert sich stark bei
den technisch-naturwissenschaftlichen Berufen und bei den medizinischen Berufen.
Die Gesundheitswirtschaft ist aufgrund ihrer personenbezogenen Leistungen eine
personal- und beschäftigungsintensive Branche. In der Gesundheitswirtschaft wird
auch zukünftig mit einem steigenden Bedarf an Arbeitskräften gerechnet und die aktuellen
Diskussionen sind geprägt durch Warnungen vor einem drohenden Fachkräfte-
und Nachwuchskräftemangel infolge des demographischen Wandels. Gleichwohl
ist zu erwarten, dass sich die Bedarfe je nach Branchen, Berufsfeldern und Berufsgruppen
disparat entwickeln werden, unter anderem durch eine Vielzahl von Faktoren,
die in ihrer Wirkung nur schwer einschätzbar sind. Demographischer Wandel,
Veränderung von Lebensgewohnheiten und von Krankheitsbildern sowie medizinischer
Fortschritt werden zu neuen oder anderen Bedarfen sowie altersgerechten
Leistungsangeboten führen, die wiederum strukturelle Anpassungen im Gesundheitssystem
notwendig machen. Die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze in der
Gesundheitswirtschaft hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit die sozialen Sicherungssysteme
die künftigen Ausgabenzuwächse tragen können und inwieweit die
Kaufkraft der privaten Haushalte ausreicht, um vermehrt privat finanzierte Gesundheitsleistungen
nachzufragen.
� Standortpolitische Bedeutung der Gesundheitswirtschaft
Die Gesundheitswirtschaft hat im Vergleich zu anderen Industrie- und Dienstleistungsbranchen
einen unter standortpolitischen Aspekten bedeutsamen Vorteil. Die
Wertschöpfung und die Schaffung von Arbeitsplätzen findet überwiegend auf nationaler
Ebene statt. Die personenbezogenen (Dienst-)Leistungen sind ‚ortsgebunden’
13

und müssen möglichst im Nahbereich der Nachfrager vorgehalten werden. Dies gilt
zumindest für die Mehrzahl der Arbeitsplätze, die unmittelbar mit Aufgaben der medizinischen
und pflegerischen Versorgung betreut sind, weniger für die Arbeitsplätze in
den Vor- und Zulieferbranchen der Gesundheitswirtschaft. Durch die hohe ‚Standortgebundenheit’
bei personenbezogenen Leistungen ist die Verlagerung von Arbeitsplätzen
ins Ausland kaum möglich. Von daher wird das prognostizierte Beschäftigungswachstum
in der Gesundheitswirtschaft auch vornehmlich in Deutschland und
nicht im Ausland stattfinden. Genau das ist eine der zentralen Triebfedern, weshalb
zahlreiche Bundesländer und Regionen bestrebt sind, günstige Rahmen- und
Wachstumsbedingungen für ihre jeweilige Gesundheitswirtschaft zu schaffen.
2.2 Eine Definition der Gesundheitswirtschaft
Gesundheitswirtschaft ist mittlerweile zu einem gängigen Begriff geworden, wenngleich
eine einheitliche Definition fehlt. In unserer Studie verwenden wir eine weite
Definition der Gesundheitswirtschaft: Neben dem Kern des klassischen Gesundheitswesens,
das das Leistungsspektrum der medizinischen Versorgung abdeckt,
werden auch die wertschöpfenden und produktiven Wirtschaftsbranchen erfasst, die
Vorleistungen und Zulieferdienste für die medizinische Versorgung erbringen (vgl.
Fretschner u.a. 2004). Mit dieser weiten Definition wird zum einen die Wertschöpfungskette
erfasst, zum anderen festgehalten, dass die Gesundheitswirtschaft sowohl
eine stark ausdifferenzierte als auch eine Querschnittbranche mit branchen-
und sektorenübergreifenden Verflechtungen ist.
In die Studie einbezogen werden Arbeitsplätze in Unternehmen, Einrichtungen und
Praxen, die im o.g. Sinne zur Gesundheitswirtschaft gehören. Bei der Gliederung der
Branchen und Segmente der Gesundheitswirtschaft entlang der Wertschöpfungskette
verwenden wir folgendes Schema:
a) Betriebe und Einrichtungen des Gesundheitswesens:
- Einrichtungen der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung
(Krankenhäuser, Praxen, ambulante Versorgungszentren)
- Einrichtungen für Prävention und Rehabilitation
- Notfallversorgung und Rettungsdienste.
b) Pflegeeinrichtungen
- Stationäre und ambulante Einrichtungen der Altenpflege (ambulante Pflegedienste,
Altenheime, Pflegeheime)
- Einrichtungen zur Pflege und Betreuung von Behinderten
c) Hersteller aus den Vorleister- und Zulieferbranchen:
- Hersteller aus der Pharmaindustrie
- Hersteller von Medizintechnik und Medizinprodukten
- Betriebe des Gesundheitshandwerks
d) Handelsbranche
- Großhandel für pharmazeutische und medizinische Produkte
14

- Einzelhandel (Apotheken und Sanitätshäuser)
e) Hochschul- und Forschungseinrichtungen
f) Betriebe der Verwaltung
- Krankenkassen und Sozialversicherungen
- Berufs- und Spitzenverbände, Kammern
- Sonstige Organisationen des Gesundheitswesens.
Anhand eines vom IAT entwickelten Schichtenmodells (vgl. Abb. 1) lassen sich die
einzelnen Segmente und Facetten der Gesundheitswirtschaft besser visualisieren
(vgl. Dahlbeck u.a. 2004). Den Kern bildet das personalintensive klassische Versorgungssystem,
dessen Leistungen direkt am Menschen ansetzen und das von konzentrischen
Kreisen, bestehend aus den wertschöpfenden und produktiven Branchen,
umlagert wird. Die im äußersten Kreis dargestellten – nachgelagerten – Gesundheitsbereiche
wie Gesundheitstourismus, Sport, Ernährung, Wellness und Wohnen
werden in dieser Studie nicht berücksichtigt, weil sie dem so genannten zweiten
Gesundheitsmarkt – einem reinen Konsumentenmarkt – zugeordnet werden können.
Abb. 1: Schichtenmodell der Gesundheitswirtschaft
Quelle: Ostwald/Ranscht (2007: 29) nach Dahlbeck u.a. (2004)
In der Untersuchung wird zwischen erstem und zweitem Gesundheitsmarkt unterschieden.
In die Bestandsaufnahme werden nur jene Arbeitsplätze einbezogen, die
dem ersten Gesundheitsmarkt zugeordnet werden können. Dafür sind mehrere
Gründe ausschlaggebend. Die Anbieter und Leistungsträger in den jeweiligen Segmenten
der Gesundheitswirtschaft auf diesem ersten Markt sind – auch durch die
offiziellen Statistiken – eindeutiger ein- und abgrenzbar, was auch für die zahlreichen
Berufsgruppen und Berufsfelder gilt. Arbeitsmarkt und Beschäftigung im zweiten Gesundheitsmarkt
hingegen sind aufgrund der heterogenen und unübersichtlichen
Strukturen auf Anbieterseite sowie einer breiten Varianz an Qualifikationsprofilen und
15

Berufen sowie an regulären und atypischen Beschäftigungsverhältnissen und unterschiedlicher
Erwerbsformen diffuser und weniger klar eingrenzbar. Eine fundierte
Bestandsaufnahme und Analyse über Arbeitsmarkt und Beschäftigungsentwicklung
auf diesem zweiten Gesundheitsmarkt ist erheblich aufwendiger als für den ersten
Gesundheitsmarkt, unter anderem aufgrund statistischer Erfassungsprobleme, und
deshalb im Rahmen dieser Studie nicht zu leisten.
Exkurs: Der zweigeteilte Gesundheitsmarkt
Der deutsche Gesundheitsmarkt ist ein zweigeteilter Markt, der gänzlich unterschiedlichen
Steuerungsprinzipien und Logiken folgt. Zum ersten Gesundheitsmarkt sind
alle Leistungen, Angebote, Produkte und Waren zu zählen, die durch das gesetzlich
definierte Leistungsspektrum abgedeckt sind und durch die Ausgabenträger des Gesundheitssystems
finanziert werden. Dieser erste Gesundheitsmarkt ist ein hochregulierter,
staatlich gesteuerter und kontrollierter Markt. Er ist kein Markt, der nach
den Prinzipien von Angebot und Nachfrage funktioniert und sich durch freien Wettbewerb
selbst reguliert. Vielmehr wird dieser Gesundheitsmarkt durch umfassende
sozialrechtliche und sozialpolitische Interventionen der Politik im Zusammenspiel und
in Auseinandersetzung mit interessenmächtigen Lobbygruppen aus der Pharmaindustrie,
den jeweiligen Spitzenverbänden, Standesvertretungen etc. austariert. Obwohl
das Leitbild Kunde in der Forderung nach dem ‚mündigen Patienten’ aufscheint,
ist der Vergleich falsch. Denn ‚mündige’ Verbraucher haben die Freiheit von ‚Exit-
und Voice’-Optionen, sie können sich beliebig für oder gegen Angebote des Marktes
entscheiden. Patienten, die eine medizinische Versorgung benötigen, können in der
Regel nicht autonom entscheiden, welche Gesundheitsleistungen und welche Leistungsanbieter
sie in Anspruch nehmen möchten, ganz zu schweigen davon, dass
ihnen die Fachkenntnis fehlt, um sinnvolle Behandlungs- oder Therapieangebote
fundiert einschätzen und vergleichen zu können. Marktwirtschaftliche Prinzipien gelten
nicht für die Beziehungen zwischen Patienten als Nachfragern und Leistungsträgern
als Anbietern. Allerdings soll nach dem Willen des Gesetzgebers durch Einführung
ökonomischer Steuerungsmechanismen mehr Wettbewerb zwischen den Leistungsanbietern
im Gesundheitssystem hergestellt und durch Wirtschaftlichkeit erhöht
werden. Das zukünftige Wachstum auf dem ersten Gesundheitsmarkt hängt keineswegs
nur von steigenden, veränderten oder neuartigen Bedarfen auf Nachfrageseite
ab, sondern auch von dem zur Verfügung stehenden Gesamtbudget bei den Ausgabenträgern,
das sich in Abhängigkeit von der jeweiligen Lohnentwicklung und Beschäftigtenquote
entwickelt. Demzufolge sind die Prognosen hinsichtlich der Wirtschafts-
und Beschäftigungszuwächse für diesen ersten Gesundheitsmarkt eher verhalten.
Der zweite Gesundheitsmarkt ist ein reiner Konsumenten- und Wettbewerbsmarkt,
der durch Angebot und Nachfrage gesteuert wird und der den Kunden einen ‚Mehrwert’
an Lebensqualität oder einen ‚Zusatznutzen’ für Gesundheit und Wohlbefinden
verspricht. Das Leistungsspektrum dieses Marktes umfasst alle Angebote und Leis-
16

tungen für Gesundheit im weitesten Sinne, die von den Konsumenten nachgefragt
und durch die privaten Haushalte finanziert werden. Diese Gesundheitsangebote und
-produkte können im Wesentlichen den Bereichen Freizeit, Tourismus, Sport, Ernährung
und Wohnen zugeordnet werden. Die angebotenen Waren und Dienstleistungen
sind u. a. Ausdruck gewandelter oder neuartiger Bedürfnisse, neuer Lebensstile,
veränderter Gesundheitsgewohnheiten und höherer Lebensqualität, oft auch Ausdruck
reiner Life-Style-Moden oder sie bedienen soziale Bedürfnisse nach Abgrenzung
und neuartigen Statussymbolen. Zu den Angeboten dieses Marktes zählen beispielsweise
Wellness, Fitness, Gesundheits- und Ausgleichssport, Gesundheitstourismus,
‚Kur-Urlaub’, Verwöhn- und Entspannungsprogramme, ‚Gesundheits- und
Fitnessprodukte’ der Nahrungsmittelindustrie und vieles mehr. Im Vergleich zum ersten
Gesundheitsmarkt, dessen Wachstum stark an die Beitragseinnahmen, d.h. an
die volkswirtschaftliche Gesamtentwicklung und die Lohnsummenentwicklung, gekoppelt
und dadurch begrenzt ist, wird dem zweiten Gesundheitsmarkt eine dynamischere
Wachstumsrate prognostiziert. Zahlreiche Gründe scheinen dafür zu sprechen:
steigende Lebensqualität, wachsendes Gesundheitsbewusstsein sowie ‚jugendzentrierte’
Schönheitsideale, die gesellschaftlichen Erfolg mit Gesundheit im
Sinne von Attraktivität, Fitness, Aktivität und Vitalität gleichsetzen. Die Adressaten
des zweiten Gesundheitsmarkts sind vor allem die kaufkräftigen und gesundheitsbewussten
Konsumenten aus bildungsorientierten und einkommensstarken Sozialschichten.
Diese Entwicklung dürfte die soziale Ungleichheit in der Teilhabe an Gesundheit
allerdings weiter verschärfen. Denn der Trend zur ‚Zweiklassen-Gesellschaft’
beschränkt sich dann nicht mehr nur auf den ersten Gesundheitsmarkt resp.
die medizinische Versorgung (vgl. Lauterbach 2007), sondern wiederholt sich auch
auf dem zweiten Gesundheitsmarkt.
2.3 Wachstumstreiber und Herausforderungen für die Gesundheitswirtschaft
Die Gesundheitswirtschaft wird stark durch sozial- und gesundheitspolitische Weichenstellungen
beeinflusst, die unmittelbare Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung
haben. Diese Interdependenzen können und dürfen nicht ignoriert werden,
wenngleich diese Studie weniger die sozialpolitischen als die wirtschafts- und
beschäftigungspolitischen Dimensionen der Gesundheitswirtschaft in den Blick
nimmt. Die gesetzlichen Änderungen zur Gesundheitsreform und zur Kostendämpfung
können und sollen im Rahmen dieser Studie allerdings nur in groben Zügen und
im Hinblick auf Wachstumschancen und -risiken skizziert werden.
Die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungssituation in der Gesundheitswirtschaft wird
langfristig nicht nur durch das beitragsfinanzierte System, sondern auch durch
Wachstumstreiber, neue Markttrends und widersprüchliche Entwicklungsprozesse
beeinflusst, die einerseits Impulse für Beschäftigungswachstum geben, andererseits
auch zu Substitutionseffekten, d.h. zu Arbeitsplatzabbau oder Verschiebungen von
Arbeitsplätzen führen können. Welche Szenarien letztlich eintreten werden, sind seriös
nicht prognostizierbar. Gleichwohl sind einige der nachfolgend skizzierten Ent-
17

wicklungsprozesse bereits so weit fortgeschritten, dass erste Effekte auf Arbeitsplätze
und Beschäftigung zu beobachten sind. Diese bundesweiten Trends machen vor
der saarländischen Gesundheitswirtschaft nicht Halt, sondern werden durch regionalspezifische
Rahmenbedingungen und Idiosynkrasien entweder verstärkt oder abgeschwächt.
Angesichts der saarspezifischen Besonderheiten im Gesundheitssystem
– hoher Kostendruck, höhere Ausgabenlast, höchste Beitragssätze in der gesetzlichen
Krankenversicherung (AOK), höhere Gesundheitsausgaben pro Einwohner,
teurere Krankenhausstrukturen (vgl. Bruckenberger 2007) – sind strukturelle
Anpassungsprozesse absehbar, die zwangsläufig Personalanpassungen nach sich
ziehen werden. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Herausforderungen für
die Gesundheitswirtschaft unter Berücksichtigung der saarspezifischen Rahmenbedingungen
genauer skizziert.
� Demographischer Wandel
Der demographische Wandel kennzeichnet eine nichtreversible Entwicklung, die
schon vor langem eingesetzt hat und die infolge rückläufiger Geburtenrate und steigender
Lebenserwartung zu einer alternden und zurückgehenden Bevölkerung führt.
Dieser Prozess ist im Saarland bereits weiter fortgeschritten als im Bund, denn die
saarländische Bevölkerung altert und schrumpft schneller als die Gesamtbevölkerung.
Das Saarland weist niedrigere Geburtenraten und einen stärkeren Bevölkerungsrückgang
auf, unter anderem infolge eines negativen Wanderungssaldos, und
hat einen höheren Altersstrukturkoeffizienten 7 . Der aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung
zufolge wird diese Entwicklung bis 2020 zu einem Bevölkerungsrückgang
um rund 80.000 Einwohner führen (vgl. Arbeitskammer des Saarlandes 2007). Zwischen
2006 und 2020 wird es zu starken Altersverschiebungen kommen: der Anteil
der Hochaltrigen (80 Jahre und älter) wird um 44 Prozent zunehmen, während der
Anteil der Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren um gut 30 Prozent zurückgehen
wird (vgl. Landesregierung 2007).
Diese massiven Verschiebungen zwischen den Altersgruppen werden Auswirkungen
auf die regionale Gesundheitswirtschaft haben – und zwar sowohl auf den Arbeitsmarkt
als auch auf die Versorgungs- und Angebotsstrukturen. Die Herausforderung
am Arbeitsmarkt wird die veränderte Altersstruktur der Erwerbsbevölkerung sein.
Während die Zahl der Nachwuchskräfte rückläufig ist, wird die Zahl der älteren Erwerbspersonen
ab 50 Jahren stark zunehmen, ihr Anteil wird auf fast 40 Prozent
steigen (vgl. Arbeitskammer des Saarlandes 2007). Eine Verknappung des Arbeitskräfteangebots
ist mittelfristig allerdings nicht zu erwarten, u.a. weil sich die Erwerbsquoten
der Frauen und der Älteren weiter erhöhen werden. Die erhöhte Arbeitsplatznachfrage
wird zumindest mittelfristig nicht zu einer Entlastung des regionalen
Arbeitsmarktes führen.
7
Der Altersstrukturkoeffizient bezeichnet die Relation der Älteren ab 65 Jahren zu den Jüngeren im Alter zwischen
20 und unter 65 Jahren.
18

Durch den wachsenden Anteil an Älteren und Hochaltrigen infolge des demographischen
Wandels entstehen neue Bedarfe an altersgerechten Gesundheitsangeboten
und Versorgungsstrukturen. Mit der Zunahme an Älteren verändern sich, die ‚Krankheitsbilder’
und damit das Morbiditätsprofil der Bevölkerung und mit ihm der Bedarf
an Gesundheitsleistungen – und insbesondere an Pflegeleistungen. Die Nachfrage
nach Leistungen in der Geriatrie, der Gerontopsychiatrie, der Palliativmedizin usw.
wird steigen, umgekehrt werden infolge sinkender Geburtenraten die Bedarfe nach
pädiatrischen Leistungen zurückgehen. Die Bedarfe an Fachärzten und in bestimmten
Gesundheitsfachberufen werden sich je nach Disziplin auseinanderentwickeln.
Die Nachfrage nach Hebammen, Kinderkrankenschwestern, Geburtshelfern, Kinderärzten
etc. wird langfristig sinken, während die Nachfrage nach Pflegekräften und
Pflegeleistungen – insbesondere zur Sicherstellung häuslicher Pflege – zukünftig
steigen wird (vgl. Hofmann 2006).
� Gesundheitskosten und Schichtzugehörigkeit
Ob der Alterungsprozess und eine steigende Lebenserwartung zukünftig zu höheren
Gesundheitskosten führen, ist strittig. Die höchsten Kosten, nämlich rund 70-80 Prozent
der Gesamtkosten, verursachen Menschen in den „letzten ein bis zwei Jahren
vor ihrem Tode – egal wie alt sie werden“ (vgl. Afheldt 2003: 4). Je nach Schichtzugehörigkeit
trifft sowohl die ‚Medikalisierungsthese’ der wachsenden Ausgaben infolge
höherer Lebenserwartung als auch die ‚Kompressionsthese’, dass sich die von
Krankheiten geprägte Lebensspanne vor dem Tod reduziert, zu. Für die einkommensstarken
Schichten gilt die ‚Kompressionsthese’: sie leben länger und erwerben
chronische Krankheiten später. Für sozial Schwächere gilt die ‚Medikalisierungsthese’:
ihre auf niedrigerem Niveau gewonnenen Lebensjahre verbringen sie mit relativ
früh erworbenen chronischen Erkrankungen (vgl. Kühn 2001).
Die höheren Gesundheitsausgaben im Saarland werden unter anderem darauf zurückgeführt,
dass die Bevölkerung einen höheren Verbrauch an Medikamenten habe
und häufiger in stationärer Behandlung sei. Die Ursachen dafür sind unklar, zumal
keine regionalen Morbiditätsprofile vorliegen, die diese Thesen untermauern oder
widerlegen würden. Ob die erhöhte Nachfrage nach Medikamenten und stationärer
Behandlung primär auf den im Saarland bereits weiter fortgeschrittenen Alterungsprozess
zurückgeführt werden kann, ist eher zu bezweifeln. Die Abweichungen zum
Bund sind mit größerer Wahrscheinlichkeit auf saarspezifische sozio-ökonomische
Faktoren zurückzuführen. Studien belegen nämlich eindeutige Zusammenhänge zwischen
Schichtzugehörigkeit und Gesundheit. Zwar sind die Menschen heutzutage
wesentlich gesünder als früher, allerdings sind die Gesundheitsrisiken sozial ungleich
verteilt, was ebenso für die Lebenserwartung gilt. Angehörige aus sozial schwachen
oder bildungsfernen Schichten haben höhere Gesundheitsrisiken, leiden häufiger
und länger an chronischen Erkrankungen und sterben früher als Angehörige einkommensstarker
und bildungsnaher Schichten. Menschen aus ärmeren Schichten
haben meist ein geringeres Gesundheitsbewusstsein, leben gesundheitsriskanter,
haben weniger Geld für hochwertige Nahrungsmittel zur Verfügung und sind häufiger
19

körperlich belastenderen Arbeitsbedingungen ausgesetzt als Angehörige höherer
Schichten. Die insgesamt niedrigere Lebenserwartung im Saarland 8 und höhere Gesundheitsrisiken
bei Teilen der saarländischen Bevölkerung dürften primär auf sozioökonomische
Unterschiede zurückzuführen sein. Sie spiegeln einerseits die im Ländervergleich
ungünstigeren sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen (niedrigere
Einkommen, niedrigeres Bildungsniveau, hoher Armutsquotient) an der Saar wider,
sie sind andererseits Resultat der spezifischen Arbeitsbedingungen und -belastungen
einer Industrie- und Montanregion mit hohem Anteil an Fabrik- und Schichtarbeit.
� „Vermarktlichung“ des Gesundheitssystems
Durch eine stärkere Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit, durch Einführung einheitlicher
Qualitätsstandards und von Mindestmengen sowie über ökonomische Steuerungsmechanismen
in Form des DRG-Systems geraten die deutschen Krankenhäuser
zunehmend unter Handlungsdruck. Experten befürchten, dass sich der finanzielle
Druck nochmals massiv verschärfen oder gar zu einer „existenziellen Bedrohung für
einzelne Abteilungen oder ganze Krankenhäuser werden“ könne (Riemer-Hommel
2007:57). Dem aktuellen Krankenhaus Barometer zufolge plant bereits jedes dritte
Krankenhaus aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation einen Stellenabbau
beim Pflegepersonal und im ärztlichen Dienst (vgl. Blum u.a. 2007). In der stationären
medizinischen Versorgung, d.h. in den Krankenhäusern und Kliniken, zeichnen
sich tiefgreifende strukturelle und organisatorische Veränderungen ab, die auf eine
Leistungs- und Strukturoptimierung abheben und sich dabei am Leitbild Markt orientieren.
Bundesweit nehmen auf der Trägerebene Fusionen, Privatisierungen und Kooperationen
zu. Um profitabler wirtschaften zu können, erfolgen Schwerpunktbildungen
und Spezialisierungen. Die saarländische Landesregierung zielt mit dem aktuellen
Krankenhausplan ebenfalls darauf ab, diese Entwicklungsprozesse auf regionaler
Ebene zu forcieren (vgl. Bekanntmachung des Krankenhausplans 2006). Ein Länderranking
untermauert den strukturellen Anpassungsbedarf. In allen untersuchten Kategorien
schnitten die saarländischen Krankenhausstrukturen schlecht ab und belegten
einen der letzten Plätze (vgl. Bruckenberger 2007).
Der Wettbewerb in der Gesundheitswirtschaft wird zukünftig auch dadurch zunehmen,
dass die Gesetzlichen Krankenversicherungen aus Wirtschaftlichkeitserwägungen
stärker dazu übergehen werden, Versorgungsleistungen und Rabattverträge für
Arzneimittel auszuschreiben. Die AOK Baden-Württemberg hat erstmals die gesamte
hausärztliche Versorgung bundesweit ausgeschrieben, um das Versorgungsmonopol
der Kassenärztlichen Vereinigungen aufzubrechen. Durch die Ausschreibungen für
8 In Deutschland ist die durchschnittliche Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen.
Die bestehenden regionalspezifischen Disparitäten haben im Zeitverlauf zwar abgenommen, so dass
sich die Lebenserwartung der Bevölkerung in den einzelnen Bundesländern bei den Neugeborenen insgesamt
weiter annähert. Trotz dieser Entwicklung ist die Lebenserwartung eines Neugeborenen im Saarland
heute immer noch niedriger als die eines Neugeborenen in anderen westdeutschen Ländern. Das erwartete
Durchschnittsalter eines männlichen Neugeborenen liegt in Deutschland bei 76,6 Jahren, im Saarland bei
75,4 Jahren, während Baden-Württemberg mit 78 Jahren die Spitzenposition aller Länder einnimmt (vgl. Statistisches
Bundesamt).
20

Rabattverträge bei ausgewählten Wirkstoffen will die Gesetzliche Krankenversicherung
hohe Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben erzielen. Diese Maßnahmen
dürften längerfristig nicht ohne Auswirkungen auf die Anbieterstrukturen bleiben.
� Neue Versorgungskonzepte
Das vom Gesetzgeber intendierte Primat „ambulant vor stationär“ soll sowohl in der
Akutversorgung und bei der Rehabilitation als auch in der Pflege durch die Schaffung
entsprechender ambulanter Versorgungsstrukturen Berücksichtigung finden. Das
Konzept der integrierten Versorgung wiederum sieht eine engere Verzahnung von
stationären und ambulanten Leistungen vor, um eine durchgehende Versorgung
nach einem Klinikaufenthalt sicherzustellen. Beides, integrierte Versorgungskonzepte
und der Ausbau ambulanter Strukturen, stellt die stationären Einrichtungen vor neue
Herausforderungen. Sie müssen sich entweder auf neue Konkurrenten einstellen
oder selber entsprechende Kapazitäten für ambulante Leistungen bzw. für eine
Nachsorge aufbauen. Durch neue Therapieformen und Fortschritte in der minimalinvasien
Chirurgie können ebenfalls mehr Leistungen ambulant erbracht und stationäre
Kapazitäten abgebaut werden. Durch den Ausbau der ambulanten Strukturen wird es
perspektivisch zu einer stärkeren Verlagerung von Kapazitäten aus dem stationären
in den ambulanten Bereich kommen, was auch zu entsprechenden Verschiebungen
bei den Arbeitsplätzen führen dürfte. Bislang allerdings sind diese Entwicklungen am
Saarland weitgehend vorbeigegangen. Statt des Ausbaus ambulanter Strukturen
wachsen hier nach wie vor die Kapazitäten in der stationären Versorgung, vor allen
Dingen bei den Pflegeeinrichtungen, auch deswegen, weil stationäre Leistungen
mehr Gewinn versprechen.
� Medizinisch-technischer Fortschritt
Eine wichtige Einflussgröße – hinsichtlich der Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze
vor allem für qualifizierte Beschäftigung – sind die Fortschritte und Innovationen
im medizinischen und im medizintechnischen Bereich. Die medizinische Forschung
und die Vorleister- und Zulieferindustrien, vor allem die Medizintechnik als dynamische
und hochinnovative Branche, gelten als der eigentliche Motor für Wachstum in
der Gesundheitswirtschaft. Die Hoffnungen, durch High-Tech-Innovationen zukunftsfähige
Arbeitsplätze für Hochqualifizierte zu schaffen, sind groß. High-Tech-Medizin
sowie neue Therapien, Diagnoseverfahren und Behandlungsformen können zu einer
effizienteren, schnelleren und schonenderen Behandlung führen oder konservative
Behandlungsmethoden ersetzen. Sie eröffnen neue Wege in der Prävention und Rehabilitation,
die wiederum positive Beschäftigungseffekte nach sich ziehen können.
� Europäisierung und Liberalisierung des Gesundheitsmarktes
Die ‚Europäisierung’ des Gesundheitsmarkts durch neue EU-Regelungen führt zu
einer stärkeren Öffnung und Liberalisierung der national regulierten Gesundheitsmärkte.
Dadurch entsteht Raum für neuartige Geschäfts- und Vertriebsmodelle im
Handel (z.B. Internetversand von Arzneimitteln). Die Liberalisierung des Gesund-
21

heitsmarktes bietet Chancen für neue Wettbewerber, kann aber auch zu Verdrängungsprozessen
und letztlich zu strukturellen Umbrüchen auf dem Gesundheitsmarkt
führen – vor allem im Groß- und Einzelhandel, insbesondere bei den Apotheken.
Die skizzierten Entwicklungstrends, die sich in der Gesundheitswirtschaft abzeichnen,
sind hinsichtlich ihrer potenziellen Beschäftigungswirkungen nur schwer einzuschätzen.
Fakt ist allerdings, dass die Hürden, die bislang den ersten Gesundheitsmarkt
vor intensiverem Wettbewerb geschützt haben, sukzessive durch die Gesundheitsreformen
sowie durch EU-Regelungen gelockert werden und zu einer stärkeren
Liberalisierung und Deregulierung führen. Durch mehr Wettbewerb auf dem Gesundheitsmarkt
resp. in der Gesundheitswirtschaft soll das Preisgefüge unter Druck geraten,
so die Hoffnung der Politiker, und zu Ausgabensenkungen bei den Gesundheitskosten
beitragen. Welche Branchen und Beschäftigtengruppen aus der Gesundheitswirtschaft
in diesem Prozess eher zu den Gewinnern oder zu den Verlierern gehören,
soll später ausführlicher analysiert werden. Zu vermuten ist, dass sich der Arbeitsmarkt
in der Gesundheitswirtschaft heterogener entwickeln und je nach Branchensegment,
Berufs und Beschäftigtengruppe stärker ausdifferenzieren wird.
Inwieweit die sozialen, technischen und medizinischen Innovationen zu mehr Beschäftigung
im Saarland führen, hängt von vielen Faktoren ab. Wichtig für die Schaffung
zukunftsfähiger Arbeitsplätze sind vor allem die Impulse, die durch Innovationen
infolge des Wissens- und Technologietransfers entstehen. Das hängt allerdings auch
davon ab, ob das Saarland in diesen Innovationskernen über eine entsprechende
‚kritische Masse’ verfügt, und ob deren Innovationsdynamik ausreicht, um ein quantitativ
bedeutsames Wachstum hervorzubringen.
22

3. Unternehmen und Einrichtungen in der saarländischen Gesundheitswirtschaft
– eine branchenbezogene Betrachtung
3.1 Überblick
In diesem Kapitel wenden wir uns den einzelnen Branchen der Gesundheitswirtschaft
zu, um einen genaueren Einblick in die Strukturen der saarländischen Gesundheitswirtschaft,
über die Verteilung der Beschäftigten auf die jeweiligen Branchen
und deren Betriebe zu erhalten. Neben der branchenbezogenen Beschäftigtenentwicklung
und dem Betriebsbestand sollen die für die Branchen- und Arbeitsplatzentwicklung
wichtigsten Treiber und Trends jeweils kurz skizziert werden.
Das zuletzt erstellte statistische Unternehmensregister für das Saarland erfasst die
Betriebe nach Wirtschaftsabschnitten und ermöglicht keine differenziertere Aufschlüsselung
(Hassler 2004) 9 . Für 2002 wurden für das Saarland insgesamt 38.747
Betriebe mit 327.005 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ausgewiesen. Davon
entfielen auf das Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen zusammengenommen
2.877 Betriebe mit 38.785 Beschäftigten. Damit stellten die Betriebe des Gesundheitswesens
einen Anteil von 7,4 Prozent an allen Betrieben der Gesamtwirtschaft
und einen Anteil von 11,9 Prozent an der Gesamtbeschäftigung. Bei den in diesem
Wirtschaftsabschnitt erfassten Betrieben der Gesundheitswirtschaft handelt es sich
im Wesentlichen um die Einrichtungen und Praxen aus der ambulanten und stationären
medizinischen Versorgung. Die tatsächliche Anzahl der Betriebe in der Gesundheitswirtschaft
liegt weit darüber, da die Betriebe aus den Vor- und Zulieferbranchen
anderen Wirtschaftsabschnitten zugeordnet sind. Bei einer tiefergehende Aufschlüsselung
der Betriebe nach einzelnen Wirtschaftszweigen und Segmenten der Gesundheitswirtschaft
gemäß unserer weiten Definition ergeben sich statistische Erfassungsprobleme.
Um die Zahl der Betriebe in den einzelnen Segmenten näherungsweise
abbilden zu können, wird auf verschiedene statistische Quellen zurückgegriffen
– mit abweichenden Berichtszeiträumen zwischen 2004 und 2006. Unberücksichtigt
bleiben in dieser Aufstellung die Betriebe aus den sonstigen Gesundheitsorganisationen
und der Verwaltung, da zu diesen keine statistischen Daten vorliegen.
9 Im Unternehmensregister sind alle Betriebe mit Umsatzsteuer und /oder sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten
zum Berichtsjahr 2002 erfasst. Dazu gehören auch Einbetriebsunternehmen.
23

Tabelle 3: Betriebe der Gesundheitswirtschaft Saar in 2004
Krankenhäuser
Anzahl
Betriebe
26
Vorsorge-/Rehaeinrichtungen
22
Stationäre Pflegeeinrichtungen 1
130
Ambulante Pflegedienste 1
121
Arztpraxen, ambulante Einrichtungen 1.604
Zahnarztpraxen 534
Praxen der Heilmittelerbringer 2
840
Apotheken 350
Handel 39
Gesundheitshandwerk 342
Health-Care-Unternehmen 36
Dienstleistungsunternehmen 47
Forschungseinrichtungen 2
Insgesamt 4.093
Quellen: GBE Saar, Martin (2005), eigene Berechnung
Anmerkungen: 1) Zahlen beziehen sich auf 2005; 2) Zahlen beziehen sich auf 2006.
Die Gesamtzahl der Betriebe in der Gesundheitswirtschaft inklusive der Vor- und Zulieferbranchen
beträgt derzeit knapp 4.100, womit der Anteil von 7,4 auf 10,6 Prozent
an allen Betrieben der Gesamtwirtschaft im Saarland steigt. Im Bund hingegen stellten
laut IAB-Betriebspanel von 2001 die Betriebe der Gesundheitswirtschaft einen
Anteil von 12 Prozent an allen Betrieben der Gesamtwirtschaft (vgl. Gewiese u.a.
2003).
Sowohl im Saarland wie im Bund ist die Gesundheitswirtschaft vor allem kleinbetrieblich
strukturiert. Zahlenmäßig dominieren die Klein- und Kleinstbetriebe, wobei die
ärztlichen Praxen, die Praxen der Heilmittelerbringern und die Apotheken zahlenmäßig
das größte Gewicht haben. Diese Sparten stellen zwar 81 Prozent aller Betriebe
der saarländischen Gesundheitswirtschaft, beschäftigen mit knapp 15 Prozent jedoch
nur einen vergleichsweise geringen Anteil an Beschäftigten. Im Unterschied dazu
sind in den Krankenhäusern gut ein Drittel aller Beschäftigten der Gesundheitswirtschaft
tätig, obwohl diese Einrichtungen nur 0,6 Prozent aller Betriebe dieser Branche
ausmachen.
Die Entwicklungstrends von Betrieben und Beschäftigten werden in den folgenden
Abschnitten genauer analysiert. Wir konzentrieren uns dabei auf die für die Arbeitsplatzentwicklung
bedeutsamsten Segmente der Gesundheitswirtschaft, nämlich auf
die Betriebe des Gesundheitswesen (Krankenhäuser, ambulante medizinische Einrichtungen
und Praxen, Rehabilitationseinrichtungen), die ambulanten und stationären
Pflegeeinrichtungen, die gewerblichen Unternehmen aus den Vorleister- und Zu-
24

lieferbranchen von Industrie und Gesundheitshandwerk, die Betriebe des Groß- und
Einzelhandels sowie auf die Betriebe, die sonstigen Organisationen des Gesundheitswesens
sowie der Verwaltung zugeordnet werden können. Auf die Hochschul-
und Forschungseinrichtungen wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen, da deren
Entwicklung in Kap. 5.3 im Zusammenhang mit den innovativen Kernen der Gesundheitswirtschaft
ausführlich betrachtet wird.
3.2 Betriebe des Gesundheitswesens
3.2.1 Krankenhäuser
Betriebsbestand:
Das Saarland verfügt mit derzeit 25 Krankenhäusern, darunter zwei Kliniken zur Maximalversorgung,
über eine räumlich dichte stationäre Versorgung. Hinsichtlich der
Trägerstrukturen weist das Saarland im Vergleich zum Bund einige Besonderheiten
auf. Sämtliche Einrichtungen befinden sich ausschließlich in öffentlicher oder (frei-)
gemeinnütziger Trägerschaft, wobei mehr als die Hälfte der Häuser von kirchlichen
Trägern (Marienhaus-GmbH, Caritas, Diakonie) betrieben wird. Es gibt keine privaten
Krankenhausbetreiber. Im Unterschied zu anderen Bundesländern gibt es im Saarland
keine Krankenhäuser, die privatisiert und von kommerziellen Klinikbetreibern
bzw. großen Klinikkonzernen übernommen worden sind. Um die einzelnen Häuser,
vor allem die kleinen Krankenhäuser, wettbewerbsfähiger zu machen, hat es in der
Vergangenheit bereits Konzentrationsprozesse, Fusionen und Rechtsformänderungen
gegeben. Krankenhäuser wurden unter Beibehaltung der einzelnen Standorte
unter einem gemeinsamen Trägerdach zusammengeschlossen wie beispielsweise
bei der Marienhaus GmbH und bei der Saarland Heilstätten GmbH. Einem ähnlichen
Zweck dient die rechtliche Umwandlung öffentlicher Krankenhäuser von Regie- und
Eigenbetrieben in privatwirtschaftliche Gesellschaften. Die Krankenhäuser verbleiben
dabei im Eigentum öffentlicher Träger unabhängig von ihrer Betriebsart. Das Uni-
Klinikum Homburg ist die einzige Einrichtung, die aufgrund ihrer Ausbildungs- und
Forschungsaufgaben, vom Land unterhalten wird.
Beschäftigtenzahl:
Die Krankenhäuser im Saarland beschäftigten in 2006 rund 17.000 Menschen und
sind damit der größte Anbieter von Arbeitsplätzen in der Gesundheitswirtschaft. Der
Personalbestand ist in den letzten Jahren nahezu auf dem gleichen Niveau geblieben,
während im Bund die Beschäftigtenzahl in den letzten vier Jahren um 2,4 Prozent
zurückgegangen ist. Die Krankenhäuser stellen darüber hinaus fast 2.200 Ausbildungsplätze
für die Gesundheitsberufe zur Verfügung. Ob der Personalbestand in
den Krankenhäusern zukünftig gehalten oder sogar ausgebaut werden kann, hängt
von vielen Faktoren ab. Zentrale Entwicklungstrends im stationären Bereich, die Einfluss
auf die Beschäftigtenentwicklung haben, werden im Folgenden ausführlicher
dargestellt.
25

Entwicklungstrends:
Nicht nur auf Bundesebene, auch im Saarland befinden sich die Krankenhäuser in
einer wirtschaftlichen und institutionellen Umbruchphase. Durch die verbindliche Einführung
ökonomischer Steuerungsmechanismen wie des DRG-Systems (Diagnosis
Related Groups) im Jahr 2004 wächst der Kostendruck auf die Krankenhäuser, wodurch
die Sicherstellung der medizinischen Versorgung immer stärker betriebswirtschaftlichen
Logiken unterworfen wird. Der zunehmende Zwang zu wirtschaftlicherem
Handeln, die Durchsetzung neuer Qualitäts- und Behandlungsstandards, die
Vorgaben bestimmter Mindestmengen (z.B. bei Operationen) zur Sicherstellung der
Behandlungsqualität, neue tarifrechtliche Regelungen zur Arbeitszeitgestaltung bei
den Krankenhausärzten sowie die geplante Konvergenz landesfallweiter Basiswerte
stellt die Einrichtungen – auch und insbesondere im Saarland - vor zahlreiche neue
Herausforderungen.
Bereits in den letzten Jahren hat es im Saarland zahlreiche Bestrebungen gegeben,
die Strukturen der regionalen Krankenhauslandschaft zu optimieren und die Einrichtungen
wettbewerbsfähiger zu machen. Dazu zählten Fusionen und Zusammenschlüsse
von Einrichtungen unter dem Dach eines gemeinsamen Trägers und / oder
die Änderung der Rechtsform von Regiebetrieben in privatwirtschaftlich agierende
Gesellschaften. Gleichwohl bestehen nach Expertensicht und aus Perspektive der
Landesregierung, die im Rahmen der Krankenhausplanung für die Sicherstellung der
medizinischen Versorgungsinfrastruktur im Land zuständig ist, strukturelle Anpassungsbedarfe
zur Optimierung der saarländischen Krankenhauslandschaft. Um diesen
Entwicklungsprozess zu beschleunigen, sieht der in 2006 verabschiedete Krankenhausplan
größere strukturelle Veränderungen vor: Abbau von Bettenkapazitäten,
Abbau paralleler Leistungsangebote, stärkere Spezialisierung und Zentrenbildung,
Zusammenlegung und Schließung von Abteilungen zur Erhöhung der Qualität und
zur Sicherstellung von Mindestmengen, verstärkte Kooperationen zwischen den Einrichtungen
zur Optimierung des Leistungsangebots. Die saarländischen Krankenhausstrukturen
werden sich dadurch ändern, sei es, dass neue Schwerpunktbildungen,
Zentrenbildungen und Spezialisierungen stattfinden, sei es, dass im Rahmen
einer Strukturbereinigung weitere Zusammenlegungen oder Schließungen von Abteilungen
stattfinden werden. Im Saarland wurden infolge des Geburtenrückgangs bereits
sechs von 17 Abteilungen für Geburtshilfe, welche die Mindestmengenvorgaben
nicht mehr erfüllen konnten, sowie drei von acht pädiatrischen Abteilungen in Krankenhäusern
geschlossen (vgl. Saarländische Landesregierung 2007: 131).
Gemäß dem aktuellen Krankenhausplan für 2006 bis 2010 sollen die Bettenkapazitäten
in den nächsten Jahren um weitere rund 800 Planbetten verringert werden, um
den in den letzten Jahren stetig rückläufigen Auslastungsgrad wieder auf 85 Prozent
zu erhöhen und um der generellen Verkürzung der Verweildauer Rechnung zu tragen.
Die durchschnittliche Planbettenzahl sank von 8.658 in 1994 auf 7.305 in 2006,
parallel dazu sank die durchschnittliche Bettenauslastung von 86,8 Prozent im Jahr
1994 auf 77,7 Prozent in 2006 (vgl. Saarländische Krankenhausgesellschaft). Im
26

Ländervergleich weist das Saarland den vierthöchsten Bettenindex aus. In 2004
kommen auf 10.000 Einwohner 69,4 Krankenhausbetten, bundesweit sind es 64,4
Betten (Bekanntmachung des Krankenhausplans 2006). Wird der von der Landesregierung
geplante Bettenabbau realisiert, dann werden laut Prognose in 2010 62,7
Betten auf 10.000 Einwohner entfallen (vgl. Bekanntmachung des Krankenhausplans
2006), wodurch das Saarland bei der stationären Versorgung dann unter den Bundesdurchschnitt
sinken würde. Aufgrund medizinischer Fortschritte und neuer Behandlungsmethoden
hat sich die Verweildauer der Patienten innerhalb des letzten
Jahrzehnts stetig reduziert. Im Jahr 1994 lag der durchschnittliche Krankenhausaufenthalt
noch bei 11,8 Tagen, in 2006 nur noch bei 8,3 Tagen (vgl. Saarländische
Krankenhausgesellschaft). Die Fallzahlen stiegen zwischen 1994 und 2003 kontinuierlich
um 33.745 Fälle oder 12,6 Prozent auf 266.598 Fälle an, ehe ab 2004 ein
rückläufiger Trend einsetzte. In 2006 wurden 250.326 Fälle stationär behandelt (vgl.
Saarländische Krankenhausgesellschaft). Trotz rückläufiger Fallzahlen liegt das
Saarland mit 244,7 Patienten pro 1.000 Einwohner (Stand 2005) nach wie vor weit
über dem Bundesdurchschnitt mit 204,6 Patienten (vgl. Saarländische Landesregierung
2007).
Die saarländischen Kliniken nehmen Spitzenpositionen bei den Basisfallwerten ein.
Nach Hamburg und Berlin hat das Saarland mit 2.930 Euro den dritthöchsten Landesbasisfallwert
(Berechnung anhand der Krankenhauspreisstrukturen), während
Schleswig-Holstein mit 2.649 Euro den niedrigsten Wert aufweist. (vgl. VdAK 2006).
Durch die ungünstigen Kostenstrukturen liegen die Ausgaben der Krankenkassen je
nach Kassenart für stationäre Versorgung zwischen 35 und 43 Prozent – und damit
über dem Bundesschnitt (vgl. VdAK 2006). Zahlreiche Experten befürchten, dass bei
der geplanten Einführung eines einheitlichen Basisfallwerts zahlreiche Kliniken in
eine ungünstige wirtschaftliche Situation geraten könnten.
Einer aktuellen bundesweiten Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts zufolge
weisen rund 30 Prozent der befragten Krankenhäuser Verluste aus und 42 Prozent
befürchten für 2008 eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation (Blum u.a.
2007a: 13). Knapp 38 Prozent dieser Häuser planen dieser Umfrage zufolge einen
Stellenabbau beim nicht-ärztlichen Personal und 11 Prozent einen Stellenabbau im
ärztlichen Dienst. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich der vom Statistischen
Bundesamt in den letzten Jahren beobachtete bundesweite Trend zum
Personalabbau in den stationären Einrichtungen zukünftig fortsetzen wird. Von diesem
rückläufigen Trend war das Saarland bislang ausgenommen. Ob es infolge der
strukturellen Anpassungs- und Konzentrationsprozesse im Saarland zukünftig ebenfalls
zu einem Beschäftigungsabbau im stationären Bereich kommen wird, ist wohl
eher nicht zu befürchten. Allerdings können die Beschäftigten nicht mehr unbedingt
davon ausgehen, dass sie dauerhaft an ihren angestammten Arbeitsplätzen tätig
sein werden. Angesichts des dynamischen Wandels in den Angebots- und Versorgungsstrukturen
ist damit zu rechnen, dass es zukünftig stärker zu Kapazitäts- und
Arbeitsplatzverschiebungen zwischen Abteilungen und Krankenhäusern sowie zwischen
dem stationären und ambulanten Bereich kommen wird – mit entsprechenden
27

Verschiebungen im Personalbestand. Beschäftigungszuwächse könnten sich zukünftig
aus folgenden Trends ergeben. Zum einen werden durch den demographischen
Wandel Mehrbedarfe an ‚altersgerechten‘ Leistungsangeboten in bestimmten Fachabteilungen
entstehen. Zum anderen geht mit der Verkürzung der Verweildauer und
der Orientierung an Qualitätsstandards eine Professionalisierung und Intensivierung
der Pflege und Therapie einher. Dadurch ist Prognosen zufolge ein erhöhter Personalbedarf
von 15 Prozent pro Bett bis 2020 zu erwarten (vgl. Ostwald/Ranscht 2007).
Um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, drehen die saarländischen Krankenhäuser
schon seit einiger Zeit an der Kostenschraube. Rationalisierung und Outsourcing
sind gängige Strategien zur Steigerung der Effizienz. Darüber hinaus gewinnen qualitätsorientierte
Ziele immer mehr an Bedeutung, die durch den Einsatz prozessorientierter
Systeme und eines Qualitätsmanagements sichergestellt werden sollen.
Zur Senkung der Personalkosten wurden indirekte Bereiche und Tätigkeiten, die
nicht unmittelbar mit dem „Kerngeschäft“ im Zusammenhang stehen, outgesourct,
d.h. entweder fremdvergeben oder in eigene Service-Gesellschaften ausgegliedert.
Dazu gehören vor allem Bereiche mit geringer qualifizierten Tätigkeiten wie Küche,
Reinigung, Wäscherei, Hol- und Bringdienste. Zunehmend werden allerdings auch
qualifizierte Dienstleistungen wie Einkauf, Labor, EDV und Radiologie ausgelagert.
Mit der Ausgliederung in eigene Servicegesellschaften verlieren Arbeits- und Tarifverträge
ihre Verbindlichkeit und oft verschlechtern sich mit dem Arbeitgeberwechsel
die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen für das Personal. Auch durch Zusammenlegung
von Krankenhäusern oder die Konzentration von Häusern unter dem Dach
einer Trägergesellschaft kann Personal eingespart werden, insbesondere in der Verwaltung
und dem Wirtschafts- und Versorgungsbereich.
Um das qualifizierte Personal möglichst effizient und kostensparend einzusetzen,
werden neue Formen der Arbeitsorganisation und Arbeitsteilung erprobt, die auch zu
Umschichtungen innerhalb der Beschäftigtengruppen führen. Breit diskutiert wird gegenwärtig,
inwieweit Ärzte durch nicht-medizinisches Personal entlastet werden können,
indem examinierte Kräfte einige dieser bislang den Medizinern vorbehaltenden
Aufgaben übernehmen. Auch administrative Aufgaben wie Dokumentation oder
komplexere Tätigkeiten wie Case Management (Bettensteuerung, Entlassungsmanagement)
werden zunehmend an Pflegekräfte delegiert. Diese Aufgabendelegation
setzt sich nach unten fort. Zur Entlastung der Pflegekräfte wiederum werden für
nicht-pflegerische Aufgaben wie Essensausgabe auch in saarländischen Krankenhäusern
zunehmend angelernte Arbeitskräfte als ‚Stationsassistenten’ oder gar Zivildienstleistende
eingesetzt, die zudem kostengünstiger sind. Die Pflegekräfte werden
einerseits von nicht-pflegerischen Tätigkeiten entlastet, andererseits findet eine Leistungsverdichtung
statt, weil die freiwerdenden Personalressourcen nicht für eine
Steigerung der Pflegequalität, sondern für Personaleinsparungen genutzt werden.
Während die saarländischen Krankenhäuser aktuell keine Mehrbedarfe an Pflegepersonal
haben bzw. personal- und arbeitspolitische Strategien zur Personalanpassung
beim nicht-medizinischen Personal nutzen, steigt der Bedarf an ärztlichem Per-
28

sonal. Durch die neuen Arbeitszeitregelungen im medizinischen Dienst kommen viele
Einrichtungen nicht mehr mit dem bisherigen Personalschlüssel aus, um die Arbeits-
und Bereitschaftszeiten adäquat abdecken zu können, und sind deshalb zu Personalaufstockungen
gezwungen. Eingestellt werden derzeit vor allem Assistenzärzte.
3.2.2 Einrichtungen zur Vorsorge und medizinischen Rehabilitation
Betriebsbestand:
Im Saarland ist die Zahl der stationären Vorsorge- und Reha-Einrichtungen sukzessive
auf derzeit 19 zurückgegangen. Mehrere Reha-Kliniken sind Akut-Krankenhäusern
angeschlossen oder haben einen gemeinsamen Träger. Die Trägervielfalt
ist größer als bei den Krankenhäusern. Neben gemeinnützigen und öffentlichen Trägern
gibt es diverse private Betreiber. Die Schwerpunkte der medizinischen Rehabilitation
in den saarländischen Einrichtungen, gemessen an der Bettenzahl, liegen vor
allem bei der inneren Medizin und der Orthopädie.
Beschäftigtenzahl:
Während die Beschäftigtenstatistik ein relativ konstantes Beschäftigtenniveau von
rund 2.100 Stellen zwischen 2000 und 2006 verzeichnet, hat es laut Krankenhausstatistik
einen Rückgang um 313 Beschäftigte von 1816 im Jahr 2000 auf 1.503 Beschäftigte
im Jahr 2006 gegeben. Auf Bundesebene war ein gegenläufiger Trend zu
verzeichnen: hier gab es Beschäftigungszuwächse um knapp 5 Prozent. Vergleicht
man beide Entwicklungen, dann verfügt das Saarland in diesem Segment der Gesundheitswirtschaft
noch über deutliche Wachstumspotenziale.
Entwicklungstrends:
Prävention und Rehabilitation gelten als ausgesprochene Zukunfts- und Wachstumsfelder,
da sowohl Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge als auch zur Nachsorge i. S.
einer raschen Wiederherstellung von Gesundheit einen immer höheren Stellenwert in
der Alltags- und Arbeitswelt erhalten. Prävention dient der Gesundheitsförderung, um
die individuelle Gesundheit langfristig zu erhalten und um Erkrankungen vorzubeugen.
Der Präventionsgedanke ist vom Gesetzgeber (SGB V § 20) gestärkt worden,
indem die Krankenkassen verpflichtet wurden, Leistungen zur Primärprävention anzubieten.
Dem Präventionsbericht 2007 zufolge gaben die gesetzlichen Krankenkassen
dafür im Jahr 2006 mehr als 232 Euro aus (vgl. MDS 2008). Diskutiert wird derzeit
über ein Präventionsgesetz mit dem Ziel, die Prävention zur vierten Säule neben
Akutbehandlung, Rehabilitation und Pflege auszubauen und dafür rund 250 Mio. Euro
pro Jahr zur Verfügung zu stellen. Diese gesetzlichen Initiativen verweisen darauf,
dass auf dem Feld der Prävention ein lukrativer Zukunftsmarkt für neue Angebote
entstehen wird und dementsprechende Beschäftigungspotenziale birgt.
Das Ziel der Rehabilitation wiederum ist eine schnelle Wiedereingliederung in den
sozialen und beruflichen Alltag sowie die Vermeidung von Erwerbsunfähigkeit oder
29

von Pflegebedürftigkeit. Experten gehen derzeit im Bereich der medizinischen Rehabilitation
von einer strukturellen Unterversorgung insbesondere in der ambulanten
Rehabilitation aus. Der Gesetzgeber forciert den Ausbau ambulanter – neuerdings
auch mobiler – Strukturen in der Rehabilitation, um im Rahmen von Nachsorge- und
Anschlussbehandlungen eine wohnortnahe Versorgung der Patienten sicherstellen
zu können (§ 19 Absatz 2 SGB IX). Von daher wird zukünftig eine verstärkte Leistungsverschiebung
vom stationären in den ambulanten Rehabilitationssektor stattfinden.
Auch in der Gesetzlichen Krankenversicherung hat aus Wirtschaftlichkeitserwägungen
heraus die ambulante Rehabilitation bei gleicher Zielerreichung Vorrang vor
einer stationären Versorgung (vgl. § 40 SGB V).
Aufgrund der Kostendämpfungsmaßnahmen im Gesundheitswesen ist die Zahl der
stationären Reha-Einrichtungen kontinuierlich zurückgegangen. Dies gilt auch für das
Saarland. Die Verschiebungen hin zur ambulanten Rehabilitation sowie integrierte
Versorgungskonzepte bringen die stationären Einrichtungen unter Handlungsdruck.
Akut-Krankenhäuser sind deshalb ebenfalls daran interessiert, zukünftig verstärkt
Anschlussbehandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen in eigener Regie anzubieten.
Einige saarländische Krankenhäuser haben derartige Strukturen bereits aufgebaut
und treten damit in Konkurrenz zu den eigenständigen Reha-Kliniken.
Prognosen gehen dennoch davon aus, dass der Rehabilitationsbereich insgesamt
Wachstumspotenziale beinhaltet, u.a. weil sich die Zahl der Anspruchsberechtigten
erhöht hat und im Zuge des demographischen Wandels mit wachsenden Bedarfen
zu rechnen ist (vgl. GEBERA 2006). Denn inzwischen haben auch Ältere, die nicht
mehr im Erwerbsleben stehen, sowie Pflegebedürftige gesetzlichen Anspruch auf
Rehabilitationsleistungen. Die skizzierten Entwicklungstrends deuten auf ein zukünftiges
Beschäftigungswachstum in diesem Gesundheitssegment hin. Experten haben
unterschiedliche Erklärungen, weshalb das Saarland bislang nicht von diesem
Wachstumstrend profitiert.
Die Einschätzungen der saarländischen Experten hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit
und Wachstumspotenziale der regionalen Reha-Einrichtungen sind eher ambivalent.
Während die einen davon ausgehen, dass die saarländischen Einrichtungen die
Reha-Krise der letzten Dekade gut überwunden haben und einigermaßen ‚zukunftsfest’
sind, befürchten andere, dass die Reha-Einrichtungen aufgrund ungünstiger
Kostenstrukturen und rückläufiger Auslastungszahlen weiterhin unter Anpassungsdruck
stehen. Eher skeptisch sind die Experten gegenüber den Chancen, die im Gesundheitstourismus
liegen. Patienten aus anderen Bundesländern würden bei Wahlmöglichkeit
eher Reha-Kliniken in landschaftlich attraktiveren Gegenden oder in renommierten
Kur- und Badeorten präferieren statt ins Saarland zu kommen. Einrichtungen
in Merzig, Blieskastel oder Quierschied dürften es deshalb schwer haben,
wenn sie ernsthaft mit Standorten im Schwarzwald, auf Borkum oder im Allgäu um
Patienten konkurrieren wollten. Während die weitere Entwicklung im stationären Bereich
der Rehabilitation schwer vorhersehbar ist, dürften die Prognosen für die ambulante
und mobile Rehabilitation erheblich günstiger sein. Das Saarland weist derzeit
30

noch eine strukturelle Unterversorgung bei Angeboten zur ambulanten und mobilen
Rehabilitation auf. Mit dem weiteren Aus- und Aufbau derartiger Strukturen dürfte die
Nachfrage nach qualifiziertem Personal mittelfristig deutlich steigen und die Zahl der
Arbeitsplätze zunehmen. Gleichzeitig gehen Experten davon aus, dass die Personalrekrutierung
– insbesondere beim ärztlichen Personal – für die Rehabilitationskliniken
schwieriger werden könnte, weil sich diese häufig in direktem Wettbewerb mit Krankenhäusern
und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens befinden (GEBERA
2006).
Sollte die Prävention tatsächlich – wie vom Gesetzgeber geplant – zur vierten Säule
in der Versorgung ausgebaut werden, dann dürften daraus ebenfalls Beschäftigungsimpulse
für den regionalen Arbeitsmarkt hervorgehen.
3.2.3 Ambulante Einrichtungen / medizinische Praxen
Betriebsbestand:
Im Saarland gibt es mehr als 1.600 medizinische Praxen, darunter 736 Hausarztpraxen
und 832 Facharztpraxen (vgl. Tab. 4). Seit 1999 stieg die Zahl der medizinischen
Praxen um 6 Prozent. Hinzu kommen rund 530 Zahnarztpraxen. Seit 1999 ist die
Zahl der Zahnarztpraxen ebenfalls gestiegen – um 4 Prozent. Gemäß den Bedarfsplanungsrichtlinien
wird ein Verhältnis von 60 zu 40 zwischen Hausärzten und Fachärzten
als sinnvoll erachtet. Im Saarland verschieben sich die Relationen deutlich
zugunsten der Fachärzte. Auf einen Hausarzt kommen 1,1 Fachärzte. Eine Entwicklung
hin zu Gemeinschafts- und Schwerpunktpraxen bei Ärzten ist auch im Saarland
zu verzeichnen. Während die Zahl der Einzelpraxen rückläufig ist, steigt die Anzahl
der Gemeinschaftspraxen. In 2005 entstanden erstmals drei medizinischen Versorgungszentren,
die gemäß den gesetzlichen Vorgaben zukünftig eine stärkere Rolle in
der ambulanten Versorgung einnehmen sollen.
Tabelle 4: Ärztliche geleitete ambulante Gesundheitseinrichtungen im Saarland
Jahr
Einzel
praxen
Niederlassungen
Hausärzte Fachärzte
Gemeinschafts-
praxen
Einzel-
praxen
Gemeinschaftspraxen
MVZ Schwerpunktpraxen
Anzahl
2004 511 230 530 281 52
2005 494 242 506 326 3 56
Quelle: GBE Saarland
Das Saarland weist eine hohe Dichte in der ambulanten medizinischen Versorgung
auf. Auf 641 Einwohner kommt eine medizinische Praxis. Experten gehen zwar zukünftig
nicht von Versorgungsengpässen aus, befürchten jedoch, dass die Versorgungsdichte
in den ländlichen Räumen des Saarlands abnehmen könnte. Aufgrund
des relativ hohen Altersdurchschnitts bei den Allgemeinmedizinern steht auf mittel-
31

fristige Sicht ein Generationswechsel an. Vor allem in den ländlichen Gebieten dürfte
es schwieriger werden, Nachfolger für die aus dem Berufsleben ausscheidenden
Hausärzte zu finden, die bereit sind, deren Arztpraxen übernehmen.
Beschäftigtenzahl:
In den ambulanten medizinischen Einrichtungen inklusive der Zahnarztpraxen waren
in 2006 rund 7.300 Personen regulär beschäftigt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten ist über die letzten Jahre hinweg relativ konstant geblieben.
Demgegenüber nahm die Zahl der geringfügig Beschäftigten in den letzten Jahren
kontinuierlich zu. In den Arzt- und Zahnarztpraxen, inklusive der Praxen der Heilmittelerbringer,
sind mittlerweile mehr als 4.200 geringfügig Beschäftige tätig. Dieser
Sektor der Gesundheitswirtschaft weist den höchsten Anteil an geringfügig Beschäftigten
aus – noch vor dem Pflegebereich. Von den 4.200 geringfügig Beschäftigten
entfallen rund 3.200 auf die Arzt- und Zahnarztpraxen. Im Schnitt beschäftigt jede
medizinische Praxis 4,5 Mitarbeiter in einem sozialversicherungspflichtigen und 1,5
Mitarbeiter in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis.
Entwicklungstrends:
Die ärztliche Versorgung hat sich in der Vergangenheit ständig verbessert. Deutschland
weist heute im Vergleich zu vielen anderen Industrieländern eine höhere Arztdichte
auf. Im Jahr 2000 kamen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt auf
10.000 Einwohner 44,9 Ärzte, in 2006 waren es bereits 49,4 Ärzte. Im Saarland sind
die Relationen geringfügig günstiger: hier kamen im Jahr 2000 auf 10.000 Einwohner
46,2 Ärzte und im Jahr 2006 waren es bereits 50,7 Ärzte.
In der ambulanten medizinischen Versorgung sind strukturelle Umbrüche zu erwarten,
insbesondere durch die Verlagerung von Kapazitäten und Leistungen aus dem
stationären Bereich in den ambulanten Bereich. Dadurch dürften sich perspektivisch
Wachstumspotenziale ergeben.
Ärztliche Einzelpraxen werden zunehmend als historisches ‚Auslaufmodell‘ betrachtet.
Der Trend geht hin zu größeren Wirtschafts- und Versorgungseinheiten – zu ambulanten
Versorgungszentren und zu ärztlichen Gemeinschaftspraxen. Dieser Trend
führt längerfristig zu einer rückläufigen Zahl an Arztpraxen, nicht jedoch zu einem
Rückgang an Ärzten, wodurch sich am Personalbestand wenig ändern dürfte. Prognosen
gehen von einer wachsenden Bedeutung des ambulanten medizinischen Sektors
aus, unter anderem durch das zunehmende Gewicht integrierter Versorgungsformen,
die den Praxen eine wichtige Lotsen- und Schnittstellenfunktion im Gesundheitswesen
zuweisen. Darüber hinaus wird erwartet, dass infolge der Alterung der
Bevölkerung ambulante Leistungen zukünftig verstärkt nachgefragt werden. Angesichts
dieser Entwicklungstrends dürfte dieses Segment der Gesundheitswirtschaft
weiterhin gute Aussichten auf ein Beschäftigungswachstum haben – und zwar sowohl
beim medizinischen Personal wie bei den Gesundheits- und Heilberufen. Vor
allem letztere dürften von der Zunahme größerer ambulanter Versorgungseinheiten
32

profitieren, da diese Zentren darauf abzielen, ein umfassendes Leistungsangebot
‚aus einer Hand’ bzw. ‚unter einem Dach’ zu liefern.
3.3 Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen
Betriebsbestand:
Im stationären und ambulanten Pflegebereich gibt es im Saarland derzeit 251 Betriebe.
Hinsichtlich der Trägerstrukturen unterscheiden sich die Pflegeeinrichtungen
deutlich von den Krankenhäusern, die derzeit keine privaten Betreiber haben. Das
Gros der Pflegeeinrichtungen wird von gemeinnützigen Trägern und von privaten
Trägern unterhalten. Die Zahl der Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft ist gering.
Tabelle 5: Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen im Saarland
Jahr
ambulante Pflegeeinrichtungen
stationäre Pflegeeinrichtungen
1999 153 110
2001 147 118
2003 131 122
2005 121 130
Quelle: GBE Saarland
Beschäftigtenzahl:
Die stationären und ambulanten Altenpflegeeinrichtungen, Altenwohnheime und die
Einrichtungen zur Pflege Behinderter sind mit rund 9400 Beschäftigten nach den
Krankenhäusern der zweitgrößte Arbeitsmarkt in der Gesundheitswirtschaft. Es handelt
sich zugleich um den Bereich mit den größten Beschäftigungszuwächsen in den
letzten Jahren. Zwei Drittel der Arbeitsplätze befinden sich in den stationären Altenpflegeeinrichtungen,
ein Drittel entfällt auf die ambulanten Pflegedienste. Von 1999
bis 2006 stieg die Anzahl der Beschäftigten in den Pflegeinrichtungen um mehr als
ein Viertel, nämlich um knapp 2000. Hinsichtlich der Berufsgruppen und der Beschäftigungsverhältnisse
unterscheiden sich ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen
deutlich. Die stationären Einrichtungen beschäftigen erheblich mehr Altenpfleger/innen
und Helfer/innen, da sowohl Betreuungs- wie Pflegeleistungen anfallen,
während die Pflegedienste examiniertes Pflegepersonal einsetzen müssen, da nur
diese die bei häuslicher Pflege anfallenden pflegerischen Tätigkeiten ausführen dürfen.
Bei den Pflegediensten ist nur ein kleiner Teil der Mitarbeiter, vor allem Leitungspersonal,
in Vollzeit beschäftigt, der überwiegende Teil arbeitet in Teilzeit oder
ist geringfügig beschäftigt, was vornehmlich arbeitsorganisatorische Gründe hat. Die
33

zu erbringenden Pflegeleistungen können nicht gleichmäßig über den Arbeitstag verteilt
werden, sondern konzentrieren sich auf wenige Stunden am Vormittag und am
Abend. In den stationären Pflegeeinrichtungen ist das Verhältnis zwischen Teilzeit-
und Vollzeitkräften fast ausgewogen. In stationären Pflegeeinrichtungen werden ebenfalls
geringfügig Beschäftigte eingesetzt, im Verhältnis zu den regulären Beschäftigungsverhältnissen
allerdings in erheblich geringerem Umfang als bei den Pflegediensten.
Die geringfügig Beschäftigten werden zudem anders eingesetzt, nämlich
seltener für Pflegetätigkeiten, sondern stärker für Tätigkeiten in der Hauswirtschaft
und der Versorgung.
Entwicklungstrends:
Die saarländischen Entwicklung der Pflegelandschaft steht in deutlichem Kontrast
sowohl zur bundesweiten Entwicklung als auch zu den gesetzlichen Rahmenvorgaben,
die sich am Primat ‚ambulant vor stationär’ orientieren. Die generelle Zielsetzung
bei der Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen fokussiert darauf, die
ambulanten – und neuerdings auch die mobilen – Leistungs- und Versorgungsangebote
zur Sicherstellung einer häuslichen Pflege zu verbessern und auszubauen, um
den Verbleib in den eigenen vier Wänden so lange wie möglich zu gewährleisten. Im
Saarland indes wurden die Kapazitäten in der stationären Pflege weiter ausgebaut.
Nach Einführung der Pflegeversicherung hatte sich zunächst die Anzahl der ambulanten
Pflegedienste im Saarland verdreifacht und stieg bis zum Jahr 1999 auf 153
(vgl. Saarländische Landesregierung 2007: 115). Seitdem ging die Zahl der Pflegedienste
kontinuierlich auf 121 Betriebe in 2005 zurück (vgl. Tab. 5). Der Rückgang ist
einerseits auf eine Marktbereinigung zurückzuführen – auf Marktabgänge sowie auf
Konzentrationsprozesse infolge von Zusammenschlüssen. Anderseits verschwanden
Pflegedienste wieder vom Markt, die nicht den Qualitätsstandards entsprochen haben.
Zahlenmäßig gingen die Pflegedienste zwar zurück, die am Markt verbliebenen
sind dafür größer geworden. Experten gehen davon aus, dass Überkapazitäten von
10 Prozent vorhanden sind und deshalb der „Markt für ambulante Pflegedienste im
Saarland mehr als gesättigt ist“ (vgl. Saarländische Landesregierung 2007: 116). Experteneinschätzungen
zufolge stehen die Marktbereinigungen nicht im Zusammenhang
mit den Entwicklungen auf dem ‚informellen’ Pflegemarkt, der sich aus der privaten
Nachfrage nach billigen osteuropäischen Pflegekräften und Betreuungspersonal
speist und in einer rechtlichen Grauzone zwischen legaler und illegaler Beschäftigung
angesiedelt ist.
Während bei den ambulanten Pflegediensten die Zahl der Betriebe abnahm, vollzog
sich bei den stationären Einrichtungen eine umgekehrte Entwicklung. Zwischen 1999
und 2005 stieg die Zahl der Einrichtungen um 20 Betriebe von 110 auf 130 (vgl. Tab.
5). Die Landesregierung, die den gesetzlichen Auftrag hat, die Versorgungsinfrastruktur
unter anderem durch einen Landespflegeplan sicherzustellen, sieht aktuell
keine Mehrbedarfe an Pflegeplätzen und geht sogar davon aus, dass trotz des Alterungsprozesses
der Bevölkerung bis 2020 lediglich ein zusätzlicher Bedarf an 400
34

Plätzen in der stationären Pflege entstehen wird (vgl. Saarländische Landesregierung
2007: 118). Da der Pflegemarkt im Saarland weitgehend gesättigt ist oder sogar
Überangebote bereithält, ist eher nicht mit einem vergleichbaren Arbeitsplatzwachstum
wie in den vergangenen Jahren zu rechnen. Die Prognosen der Landesregierung
stehen allerdings in Widerspruch zu Prognosen auf der Basis der 10. Koordinierten
Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts, wonach
bundesweit bis zum Jahr 2020 die stationären Pflegefälle um 44 Prozent und die
ambulanten um 30 Prozent steigen werden. Demzufolge geht das Statistische Bundesamt
auf langfristige Sicht von entsprechenden Mehrbedarfen an Pflegeeinrichtungen
und Pflegekräften aus (vgl. Ostwald/Ranscht 2007). Andere Studien verweisen
ebenfalls auf einen überdurchschnittlichen Anstieg der bundesweiten Nachfrage
nach stationären Pflegesettings bis 2020 (vgl. Sell o.J.) oder gar auf einen drohenden
‚Pflegenotstand’, weil die Nachfrage nach Pflegepersonal und Pflegeplätzen zukünftig
nicht mehr gedeckt werden könne. Welches Szenario letztlich auf die saarländische
Pflegelandschaft eher zutreffen könnte – Marktsättigung oder Mehrbedarfe
–, ist derzeit kaum zu beantworten.
Gleichwohl dürften sich neue Wachstumsfelder für Beschäftigung ergeben, insbesondere
aus integrierten Pflegekonzepten, aus einer qualitativen Verbesserung der
Pflege sowie aus neuen Leistungs- und Serviceangeboten zur Unterstützung eines
langen Verbleibs in der Häuslichkeit, z.B. durch neue Entwicklungen in der Home-
Care-Überwachungstechnik, bei telemedizinischen Angeboten oder durch die Entwicklung
neuer Wohnformen, die eine stationäre Betreuung überflüssig machen oder
zumindest dazu beitragen, die Verweildauer in Pflegeheimen zu verkürzen. Darüber
hinaus wird perspektivisch angesichts der zunehmenden Singularisierung der Gesellschaft
der Bedarf an Hospizen zur Begleitung und Betreuung von jenen Sterbenden
steigen, die nicht mehr auf familiäre Ressourcen zur Unterstützung in der letzten
Lebensphase zurückgreifen können.
3.4 Unternehmen aus den Vorleister- und Zulieferbranchen
Betriebsbestand:
Zu den gewerblichen Unternehmen der Gesundheitswirtschaft gehören die Hersteller
von Pharmaerzeugnissen, Medizintechnik und Medizinprodukten sowie das Gesundheitshandwerk.
Im Saarland gibt es 378 gewerbliche Hersteller, davon entfallen 342
Betriebe auf das Gesundheitshandwerk und 36 Unternehmen auf die industriellen
Health Care-Hersteller (vgl. Martin 2005). Bei den Betriebsgrößen dominieren kleinbetriebliche
Strukturen. Es gibt nur wenige saarländische Unternehmen im industriellen
Bereich, die an mittelständische bzw. großbetriebliche Größenordnungen herankommen.
Dies ist im Bereich der Medizintechnik die Niederlassung des Dialysekonzerns
Fresenius Medical Care mit rund 1.500 Beschäftigten und im Pharmabereich
der Generikahersteller Ursapharm mit rund 290 Beschäftigen. Allerdings ist die Me-
35

dizintechnik ein Wirtschaftszweig, der in Deutschland traditionell eher durch mittelständische
oder kleinbetriebliche Strukturen geprägt ist.
Tabelle 6: Beschäftigte in den Vorleister- und Zulieferbranchen im Saarland
Branchen 1999 2006
Industrielle Hersteller 2.113 2.615
- Hersteller für Medizintechnik, Medizinprodukte 1.202 1.846
- Pharmahersteller 911 769
Gesundheitshandwerk 970 922
Beschäftigte insgesamt 3.083 3.537
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnung
Beschäftigtenzahl:
Zusammen beschäftigen die Unternehmen aus Industrie und Handwerk 3.537 Mitarbeiter,
wovon fast drei Viertel auf die Industrieunternehmen entfallen (vgl. Tab. 6).
Die Beschäftigtenbilanz ist positiv. Seit 1999 haben die Unternehmen im Saldo 454
neue Arbeitsplätze geschaffen. Dieses Beschäftigungswachstum verteilt sich allerdings
nicht gleichmäßig über die Wirtschaftszweige, sondern resultiert ausschließlich
aus Zuwächsen bei den Herstellern von Medizintechnik, während die Beschäftigtenzahl
bei den Handwerksbetrieben in geringem und bei den Pharmaherstellern in größerem
Umfang zurückgegangen ist. Beide Wirtschaftszweige verloren insgesamt 190
Arbeitsplätze. Bei einer Einzelbetrachtung der Wirtschaftszweige wird erkennbar,
dass die Beschäftigtenzahl bei den Medizintechnik-Herstellern seit 1999 sogar um
ein Drittel, nämlich um mehr als 600 Personen, gestiegen ist.
Entwicklungstrends:
Konträr zur Medizintechnik verläuft die Beschäftigtenentwicklung nicht nur in der
pharmazeutischen Industrie, die im Saarland traditionell nur schwach besetzt ist,
eher negativ, sondern auch im Gesundheitshandwerk, zu dem Augenoptiker, Dentallabore,
Hörgeräteakustiker, Orthopäden und Bandagisten gehören. Die stagnierenden
bzw. rückläufigen Beschäftigtenzahlen im Handwerk hängen unter anderem mit
den Kostendämpfungsmaßnahmen im Gesundheitswesen zusammen. Die Dentallabore
geraten durch Festzuschüsse beim Zahnersatz und durch Importe billigeren
Zahnersatzes zunehmend unter wirtschaftlichen Druck. Die anderen Betriebe des
Gesundheitshandwerks haben aufgrund der steigenden Zuzahlungen bei Hilfsmitteln
ebenfalls Umsatzeinbrüche zu verkraften. Da das Gesundheitshandwerk stark auf
den regionalen Markt ausgerichtet und keine exportorientierte Branche ist, schlagen
die gesetzlichen Maßnahmen zur ‚Deckelung’ der Gesundheitsausgaben unmittelbar
auf die wirtschaftliche Situation der Betriebe durch. Die wirtschaftlichen Probleme
des Gesundheitshandwerks resultieren teilweise auch daraus, dass die Kostenträger
zunehmend dazu übergehen, für die Versorgung mit Hilfsmitteln überregionale Verträge
mit größeren Betrieben abzuschließen, um günstigere Konditionen auszuhan-
36

deln – und dadurch den regional ausgerichteten kleinen Handwerksbetrieben die angestammten
Märkte wegbrechen.
Wesentlich positiver sehen die Wachstumsprognosen für die Hersteller von Medizintechnik
aus. Auf dem Weltmarkt für Medizintechnik wurden 2003 rund 184 Mrd. Euro
umgesetzt, davon 20. Mrd. Euro auf dem deutschen Markt, der den drittgrößten Einzelmarkt
nach den USA und Japan darstellt (vgl. Bundesverband Medizintechnologie
2007). Das durchschnittliche Marktwachstum in Deutschland für Medizintechnik lag
jedoch um 2 bis 3 Prozent unter dem des Weltmarktes, was auf Budgetrestriktionen
und auf fehlende Investitionsmittel bei den Krankenhäusern zurückgeführt wird. Von
dem weltweiten Marktwachstum profitieren vor allem exportorientierte bzw. international
tätige Medizintechnik-Firmen. Rund Dreiviertel ihres Umsatzes erwirtschaften
die Medizintechnik-Unternehmen durch Exporte, was auf eine hohe Innovations- und
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen hindeutet. Da ein großer Teil der
saarländischen Unternehmen lediglich auf dem regionalen bzw. nationalen Markt
agiert (vgl. Martin 2005), der zudem durch eine stärkere Investitionszurückhaltung
gekennzeichnet ist und darüber hinaus abhängig von gesundheitspolitischen Weichenstellungen,
ist ein Wachstum bei den saarländischen Unternehmen auf einem
niedrigeren Niveau zu erwarten.
3.5 Unternehmen des Groß- und Einzelhandels
Betriebsbestand:
Der saarländische Großhandel mit 39 Betrieben besteht aus zwei Wirtschaftsunterklassen,
dem Großhandel mit pharmazeutischen Erzeugnissen und dem Großhandel
mit medizinischen und orthopädischen Artikeln. Zum Einzelhandel gerechnet werden
die Sanitätshäuser, die medizinische und orthopädische Artikel verkaufen, sowie die
Apotheken, die das Monopol in der Arzneimittelversorgung haben. Das Saarland hat
mit 350 öffentlichen Apotheken eine im Vergleich zum Bund deutlich höhere Versorgungsdichte.
Während im Saarland eine Apotheke im Schnitt 3.033 Einwohner versorgt,
liegt der Schnitt auf Bundesebene bei 3.839 Einwohnern (vgl. Ostwald/Ranscht
2007).
Beschäftigtenzahl:
Groß- und Einzelhandel der Gesundheitswirtschaft beschäftigen zusammen fast
4.500 Menschen und damit deutlich mehr als die Hersteller aus Industrie und Handwerk.
Das kleinste Beschäftigungssegment ist der Einzelhandel mit 634 Beschäftigten,
während der Großhandel mit rund 1.800 Mitarbeitern und die Apotheken mit
2.000 Mitarbeitern jeweils das Dreifache an Arbeitsplätzen aufweisen. Der Handel
insgesamt verzeichnet mit einem Beschäftigungswachstum von 31 Prozent ein dreifach
höheres Wachstum als die gesamte Gesundheitswirtschaft. Zwischen 1999 und
2006 entstanden über 1.000 neue Arbeitsplätze im Handel.
37

Tabelle 7: Beschäftigte im Groß- und Einzelhandel der Gesundheitswirtschaft Saar
1999 2006
Großhandel 1.270 1.813
Apotheken 1.803 2.025
Sonst. Einzelhandel 354 634
Beschäftigte insgesamt 3.427 4.472
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnung
Der Einzelhandel konnte seine Beschäftigtenzahl verdoppeln, im Großhandel stieg
sie um ein Drittel und bei den Apotheken um ein Achtel. Während geringfügige Beschäftigung
im Großhandel keine nennenswerte Rolle spielt, verhält es sich im Einzelhandel,
insbesondere bei den Apotheken, umgekehrt. Im Einzelhandel arbeiten
mittlerweile circa 1.100 geringfügig Beschäftigte, das Gros mit über 900 Personen in
den Apotheken.
Entwicklungstrends:
Das überdurchschnittliche Wachstum des Handels, insbesondere des Großhandels
ist kein saarländischer Sondereffekt, sondern korrespondiert mit einer bundesweiten
Entwicklung. Vor allem im Pharmagroßhandel herrscht ein hoher Wettbewerbsdruck,
der durch Konzentrationsprozesse und Marktbereinigungen, aber auch durch exogene
Faktoren verschärft wird. Das hohe Umsatzwachstum der letzten Jahre hat sich
aufgrund der Verringerung der Gewinnmargen abgeschwächt, unter anderem durch
gesetzliche Änderungen wie der Aut-idem-Regelung, die Apotheken verpflichten,
statt der Originalpräparate preisgünstigere Generika zu verkaufen. Durch den Direktvertrieb
an Apotheken versuchen große Pharmakonzerne wie Pfitzer zunehmend,
den Zwischenhandel auszuschalten, um die eigenen Gewinnmargen zu erhöhen.
Durch neue Vertriebsformen wie Internethandel mit Arzneimitteln sind ebenfalls Umsatzeinbußen
zu erwarten. Andererseits profitieren die Pharmagroßhändler von der
Europäisierung und Liberalisierung der Gesundheitsmärkte, indem sie neue Vertriebs-
und Geschäftsmodelle entwickeln oder sich stärker international aufstellen.
Das Arbeitsplatzwachstum im saarländischen Pharmagroßhandel dürfte primär auf
die Expansion eines einzigen Unternehmens, nämlich auf den mittlerweile größten
deutschen Arzneimittelimporteur Kohlpharma, zurückgehen. Kohlpharma setzt erfolgreich
auf ein Geschäftsmodell, das bei Importen und Re-Importen von Arzneimitteln
geschickt die nationalen Preisunterschiede nutzt, um Gewinne zu erzielen. Generell
sind die Wachstumsprognosen für den Pharmagroßhandel eher günstig. Begründet
wird dies zum einen mit einer infolge des demographischen Wandels steigenden
Nachfrage nach Medikamenten, zum anderen mit neuen Absatzmärkten, die durch
die weitere Liberalisierung der Arzneimittelmärkte erschlossen werden können. Der
Großhandel wartet auf den Fall des Apothekenmonopols, um sich verstärkt im Einzelhandel
engagieren zu können, z.B. durch den Aufbau von Discountketten. Der
Celesio-Konzern ist bereits dabei, diesen neuen Markt mit Hilfe seiner Marke Doc-
38

Morris aufzurollen und erprobt derzeit im Saarland das Franchise-Konzept mit kooperierenden
Partnerapotheken.
Bis jetzt sind die Apotheken durch das Fremd- und Mehrbesitzverbot weitgehend vor
Konkurrenz geschützt und können auf einem wettbewerbsarmen, stark regulierten
Arzneimittelmarkt ihr Monopol verteidigen. Doch das deutsche Apothekenrecht steht
auf dem Prüfstand. 2008 entscheidet der Europäische Gerichtshof, ob das Apothekenrecht
im Widerspruch zur Niederlassungsfreiheit und zum europäischen Wettbewerbsrecht
steht. Wenn das Apothekenmonopol fällt, ist der Weg frei für neue Marktanbieter
und Discountketten. Eine Liberalisierung des Apothekenmarktes befürworten
viele Experten in der Hoffnung, dass die Arzneimittelpreise sinken und dadurch
Ausgaben- und Beitragsentlastungen auf Seiten der Kostenträger möglich werden.
Der Öffnung des Marktes sehen die Apotheken wiederum mit Sorge entgegen. Apothekerverbände
befürchten strukturelle Umbrüche in ähnlichem Umfang, wie sie die
Optikerbranche durch den Marktauftritt der Fielmann-Kette erfahren hat. Die Apotheken
fühlen sich in die Zange genommen – und zwar von unterschiedlichen Marktakteuren,
die mit verschiedenen Geschäftsideen und Vertriebsmodellen den Arzneimittelmarkt
revolutionieren wollen. Dazu gehören Discountketten- und Franchise-
Konzepte wie DocMorris, die von Großhandelsunternehmen gepusht werden, sowie
der wachsende Internethandel. Zu den neuen Konkurrenten gehören mittlerweile
auch große Drogeriemarkt-Ketten wie DM und Schlecker, die Annahmestellen für
Rezepte in ihren Märkten einrichten. Prognosen gehen davon aus, dass es zukünftig
infolge eines verschärften Wettbewerbs zu einer Marktbereinigung kommen und die
Zahl der selbstständigen Apotheken abnehmen wird.
3.6 Verwaltung: Betriebe und Organisationen des Gesundheitswesens
Betriebsbestand:
Unter dem Oberbegriff Verwaltung werden alle Kranken- und Sozialkassen, Verbände,
Kammern und sonstige Organisationen der Gesundheitswirtschaft zusammengefasst.
Die genaue Anzahl der saarländischen Betriebe in diesem Segment lässt sich
weder aus den Unternehmensstatistiken noch aus den Daten der Gesundheitsberichterstattung
ermitteln.
Beschäftigtenzahl:
Die Beschäftigtenstatistik ermöglicht hingegen differenzierte quantitative Aussagen
zur Beschäftigung für die verschiedenen Leistungsträger der Sozialversicherung und
für sonstige Anstalten und Organisationen des Gesundheitswesens. Insgesamt beschäftigten
diese Institutionen im Jahr 2006 rund 3.600 Personen, rund 300 mehr als
1999. Von den 3.600 entfallen allein rund 3.000 Arbeitsplätze, also rund vier Fünftel,
auf die Krankenkassen. Die gesetzlichen Krankenkassen mit AOK, Ersatzkassen,
IKK und BKK sowie die Knappschaft beschäftigen etwa 1.900 Personen, die Kassen
der privaten Krankenversicherung rund 1.100. Während die Beschäftigtenzahl bei
39

den sonstigen Anstalten rückläufig war, bauten GKV-Kassen und PKV-Kassen ihren
Personalbestand weiter aus, die GKV um 271 Mitarbeiter, die PKV um 262 Mitarbeiter.
Das Stellenwachstum bei der GKV ist vor allem auf die Expansion einer einzigen
Krankenkasse, nämlich der IKK Südwest zurückzuführen, die im Saarland aufgrund
ihrer im Vergleich zur AOK erheblich günstigeren Beitragssätze hohe Mitgliederzuwächse
verzeichnen konnte. Es mag angesichts der im Vergleich zur GKV geringen
Mitgliederzahlen der PKV überraschen, dass fast ein Drittel aller Arbeitsplätze der
saarländischen Krankenkassen auf die PKV entfallen. Die Erklärung ist einfach – die
UKV, eine der größten privaten Krankenversicherungen in Deutschland hat ihren
Hauptstandort mit über 650 Beschäftigten in Saarbrücken.
Entwicklungstrends:
Das Saarland wird als Wirtschaftsstandort für die AOK und die Ersatzkassen zunehmend
schwieriger, weil die Schere zwischen Gesundheitsausgaben und Beitragseinnahmen
– auch im Vergleich zum Bund – in überproportionalem Maße auseinandergeht.
Die AOK und die Ersatzkassen verlieren Beitragszahler in erheblichen Umfang
an die so genannten Beitragszahlerkassen, von denen im Saarland vor allem IKK
Süd-West und die Knappschaft durch Mitgliederzuwächse profitieren, tragen aber
gemessen an ihren Mitgliederzahlen einen überproportional hohen Anteil an den
saarländischen Gesundheitskosten, insbesondere bei den Krankenhauskosten und
den Arzneimittelausgaben. Für die AOK als typische ‚Versorgerkasse’ ist die wirtschaftliche
Situation mittlerweile derart kritisch, dass Szenarien einer Fusion mit der
AOK Baden-Württemberg oder gar eine Insolvenz nicht mehr undenkbar erscheinen.
Damit wäre das Saarland das einzige Bundesland, das keine eigenständige regionale
AOK mehr hätte. Auch für einzelne Ersatzkassen ist der Rückzug aus dem Saarland
kein Tabu-Thema mehr, vor allem dann, wenn der Gesundheitsfonds ab 2009,
wie vom Gesetzgeber geplant, eingeführt wird und eine Kompensation der regionalen
Kostenunterschiede, die bislang durch Zahlungen aus dem Strukturfonds gewährleistet
war, dann nicht mehr stattfinden wird. Diese Signale deuten darauf hin,
dass die Beschäftigtenzahlen im Saarland nicht nur bei der AOK, sondern auch bei
den Ersatzkassen zukünftig zurückgehen könnten. Ob der Beschäftigtensaldo angesichts
des drohenden Arbeitsplatzabbaus bei den ‚Versorgerkassen’ durch die Schaffung
neuer Stellen bei den ‚Beitragszahlerkassen’ zukünftig wieder ausgeglichen
werden kann, ist schwer zu beurteilen.
Exkurs: Mitbestimmung in der Gesundheitswirtschaft
Unter dem Begriff Gesundheitswirtschaft sind unterschiedliche Branchen subsumiert,
für die jeweils eigene Tarifverträge gelten und für die je nach Geltungsbereich verschiedene
Gewerkschaften zuständig sind. Unter den Gewerkschaften spielt die Gewerkschaft
Verdi die bedeutendste Rolle in der Gesundheitswirtschaft, da sie nicht
nur das Alleinvertretungsmandat für die beschäftigungsintensiven Dienstleistungsbranchen
hat, sondern tatsächlich den Großteil der Beschäftigten tarifvertraglich vertritt.
Durch das Ausscheren des Marburger Bundes aus der Tarifgemeinschaft mit
40

Verdi hat sich die Tariflandschaft noch mehr zersplittert. Nicht nur die Tariflandschaft
ist unübersichtlich, auch hinsichtlich der Mitbestimmung weist die Gesundheitswirtschaft
Besonderheiten auf. Kirchliche Arbeitgeber, die ja in der saarländischen Gesundheitswirtschaft
eine bedeutende Rolle als Träger und Betreiber von Einrichtungen
spielen, reklamieren ein besonderes Arbeitsrecht, das die im Betriebsverfassungsgesetz
(BetrVG) definierten betrieblichen Mitbestimmungs- und Vertretungsrechte
einschränkt.
Die Existenz von Betriebsräten hängt stark von der jeweiligen Betriebsgröße und den
betriebsförmigen Strukturen ab. Für die Gesundheitswirtschaft gilt die wie für die übrigen
Wirtschaftsbranchen gängige Mitbestimmungsregel: Je größer die Betriebe
sind und je ausgeprägter die Betriebsförmigkeit ist, desto häufiger gibt es betriebliche
Interessensvertretungen. Diese Regel trifft für den Krankenhausbereich auf alle Einrichtungen
zu. Je nach Träger haben die Krankenhäuser entweder Betriebsräte oder
Personalräte, die ihre Mitbestimmungsrechte wahrnehmen. Unübersichtlicher stellt
sich die Lage in anderen Gesundheitsbereichen dar – und unter anderem aufgrund
der größeren Trägervielfalt und der hohen Anzahl an privaten Arbeitgebern wie z.B.
bei den Pflegeeinrichtungen. Zu den mitbestimmungsfreien Betrieben zählen in aller
Regel die Klein- und Kleinstbetriebe. Dies trifft auch auf die große Mehrzahl der privat
betriebenen ambulanten Pflegedienste und Pflegeheime zu. Bei Kleinstbetrieben
– wie beispielsweise den Arztpraxen und den Praxen der Heilberufe – sind mitbestimmte
Betriebe generell die absolute Ausnahme. Obwohl in der Gesundheitswirtschaft,
insbesondere bei den Einrichtungen des Gesundheitswesen, die überwiegende
Zahl der Beschäftigten Frauen sind, bilden sich diese genderspezifischen Relationen
nicht in der Zusammensetzung der Betriebsratsgremien ab. Die Betriebsratsfunktionen
in den frauendominierten Betrieben sind überwiegend mit Männern besetzt.
Ähnlich heterogen wie bei der betrieblichen Mitbestimmung ist das Bild bei dem gewerkschaftlichen
Organisationsgrad. Die saarländischen Krankenhäuser weisen gegenüber
anderen Einrichtungen und Branchensegmenten der Gesundheitswirtschaft
den höchsten Organisationsgrad unter den Belegschaften auf. Je nach Krankenhaus
sind zwischen 25 und 60 Prozent der Belegschaft Mitglied von Verdi, was ein im
Vergleich zum Bund überdurchschnittlicher Organisationsgrad ist. Gewerkschaftlich
organisiert sind vor allem die Berufsgruppen und Facharbeiter aus den indirekten
Bereichen bzw. outgesourcten Servicegesellschaften wie Reinigungskräfte, Handwerker,
Köche, Elektriker usw., die zur klassischen Klientel der Gewerkschaften gehören.
Arbeits- und Leistungsverdichtung sowie eine zunehmende Unzufriedenheit
mit den Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern führen den Gewerkschaften
neue Mitglieder zu. Der Marburger Bund als berufsständisches Vertretungsorgan der
Ärzteschaft hat durch den Tarifkampf zahlreiche neue Mitglieder aus dem medizinischen
Bereich gewonnen, die zuvor nicht gewerkschaftlich organisiert waren. Die
Mitgliederzahlen bei Verdi steigen ebenfalls, weil immer mehr Mitarbeiter aus dem
Pflegebereich die Unterstützung der Gewerkschaft zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen
suchen. Ein neues Betätigungsfeld für Verdi sind die Beschäftigten aus
41

den therapeutischen und Heilberufen, die in ambulanten Praxen arbeiten und zunehmend
Beratungsbedarf artikulieren. Durch Kooperationsvereinbarungen mit den
jeweiligen Berufsverbänden ist sichergestellt, dass die Gewerkschaft eine Erstberatung
auch für Personen durchführen kann, die keine Gewerkschaftsmitglieder sind.
42

4. Beschäftigung und Aus-/Weiterbildung in der Gesundheitswirtschaft
4.1 Beschäftigungsentwicklung
In diesem Kapitel richtet sich der Fokus auf die Beschäftigungsentwicklung in der
saarländischen Gesundheitswirtschaft. Im Rahmen einer Bilanzierung sollen Aussagen
zur Gesamtzahl der Erwerbstätigen getroffen werden, weshalb sämtliche Beschäftigungsverhältnisse
einbezogen werden, d.h. zusätzlich zu den sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten die freien Berufen, die im Gesundheitswesen traditionell
eine wichtige Rolle spielen und die geringfügig Beschäftigten 10 . Der zweite Teil dieses
Kapitels befasst sich mit der Aus- und Weiterbildungssituation in den Gesundheitsberufen.
Der Aus- und Weiterbildung kommt ein hoher Stellenwert zu, um einen
Fachkräftemangel und Personalengpässe zukünftig zu vermeiden. Nachwuchssicherung,
Kompetenzerhalt und attraktive Laufbahnangebote sind zentrale Stellhebel, um
die Beschäftigungsperspektiven in den Gesundheitsberufen weiter zu verbessern.
4.1.1 Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung
Die Betrachtung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zeigt: Die Gesundheitswirtschaft
ist auf Bundesebene wie im Saarland als Arbeitsmarkt von großer
Bedeutung. 3,5 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, mehr als jeder
Achte (13,3 Prozent), arbeiten in Deutschland in diesem Bereich. Im Saarland ist die
Bedeutung der Gesundheitswirtschaft sogar noch größer: Hier arbeitet gut jeder
Siebte (14,6 Prozent), in absoluten Zahlen also fast 50.000 sozialversicherungspflichtig
Beschäftigte, in dieser Wirtschaftsbranche.
Im Zeitraum 1999 bis 2006 entwickelte sich die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
in der Gesundheitswirtschaft sowohl auf Bundesebene als auch im Saarland
gegen den Trend der Gesamtbeschäftigung 11 . Die Gesamtbeschäftigung verzeichnete
im Bund eine positive Entwicklung bis ins Jahr 2000, ging dann aber von
2001 bis 2005 um fast 6 Prozent zurück (vgl. Anhang, Abb. 1). Die Beschäftigung in
der deutschen Gesundheitswirtschaft wuchs dagegen über den gesamten Zeitraum,
ausgehend von 3,2 Mio. Beschäftigten in 1999 auf 3,5 Mio. Beschäftigte in 2006. Seit
2003 hat sich das Wachstum allerdings abgeflacht.
Nahezu parallel hierzu verläuft die Beschäftigtenentwicklung im Saarland (vgl. Abb.
2): Auch hier stieg die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bis 2001 stark an,
um dann bis 2006 um 11.000 Stellen, d.h. 5 Prozent abzunehmen. Ebenfalls gegen
diesen Trend entwickelte sich die Beschäftigung in der Gesundheitswirtschaft. Sie
wuchs innerhalb dieses Zeitraums um 10,5 Prozent. Mit Ausnahme eines Einbruchs
in 2004 konnten kontinuierlich neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Allerdings hat
10 Sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse werden von der Bundesagentur für
Arbeit systematisch erfasst. Daher lassen sich diese Beschäftigungsformen sehr differenziert im zeitlichen
Verlauf, nach den einzelnen Wirtschaftszweigen als auch im Vergleich zum Bund analysieren. Bei der Erfassung
der Selbstständigen wurde auf Daten der Gesundheitsberichterstattung des Bundes zurückgegriffen.
11 Aufgrund der Neuzuschnitte in der Systematik der Wirtschaftsunterklassen beginnt die Zeitreihenbetrachtung
der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erst ab dem Stichjahr 1999.
43

sich das Wachstum nach 2004 deutlich abgeschwächt. Seit 1999 wurden insgesamt
rund 4.700 neue Stellen in der saarländischen Gesundheitswirtschaft geschaffen,
durchschnittlich pro Jahr 676 Stellen. Das Gros der Stellenzuwächse entfällt auf den
Beginn der Dekade.
Abb. 2: Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung insgesamt
und in der Gesundheitswirtschaft im Saarland (in Tsd.)
Anzahl in Tausend
360
355
350
345
340
335
330
350,86
45,01
356,21
45,63
357,27
46,54
353,46
48,18
348,25
48,89
344,68
48,58
340,61
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte insgesamt Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Gesundheitswirtschaft
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnung
Aufschlussreich ist eine differenziertere Aufschlüsselung der Beschäftigten nach den
Branchen und Segmenten der Gesundheitswirtschaft (vgl. Anhang, Tab. 1 und 2).
Wie zu erwarten, stellen die personal- und beschäftigungsintensiven Bereiche des
Gesundheitswesens, die personenbezogene Leistungen erbringen, die größten Beschäftigtenanteile.
An erster Stelle stehen mit 19.530 Beschäftigten die Einrichtungen
der stationären medizinischen Versorgung, d.h. in Akut-Krankenhäusern und Reha-
Kliniken. 12 Die Pflegeeinrichtungen mit rund 9.400 Beschäftigten stehen an zweiter
Stelle, dicht gefolgt von den ambulanten medizinischen Praxen mit rund 8.500 Beschäftigten.
In diesen drei Bereichen des klassischen Gesundheitswesens arbeiten
drei von vier Beschäftigten der Gesundheitswirtschaft. Von den restlichen 24 Prozent
entfallen 9 Prozent der Beschäftigten auf den Handel, jeweils 7 Prozent auf die ge-
12
Die Beschäftigten des Rettungswesens sind in den Beschäftigtenzahlen zur stationären medizinischen Versorgung
enthalten.
49,24
339,61
49,75
51
50
49
48
47
46
45
44
43
42
Anzahl in Tausend
44

werbliche Wirtschaft und die Verwaltung sowie ein Prozent auf Forschung (vgl. Abb.
3).
Abb. 3: Verteilung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf die jeweiligen
Sparten der saarländischen Gesundheitswirtschaft in Prozent, 2006
Hersteller / Vorund
Zulieferer
Pflege
7%
19% Handel 9% Forschung und
Entwicklung
1%
Verwaltung 7%
Ambulante
Versorgung 17%
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnung
Stationäre
Versorgung
40%
Bei einer differenzierten Betrachtung der Beschäftigungszuwächse wird ersichtlich,
dass die einzelnen Sparten bzw. Wirtschaftsklassen der Gesundheitswirtschaft unterschiedlich
stark gewachsen sind (vgl. Abb. 4). Ein überproportionales Wachstum
hatte der Pflegebereich, in dem 41 Prozent aller neuen Stellen geschaffen wurden,
gefolgt vom Handel mit 22 Prozent. Dem durchschnittlichen Wachstum der Gesundheitswirtschaft
entsprachen die Zuwächse in der ambulanten medizinischen Versorgung
und die der gewerblichen Wirtschaft. Ein unterdurchschnittliches Wachstum
verzeichneten die stationäre medizinische Versorgung, die Verwaltung und die Forschung.
13
13 Die Diskrepanzen zu den in Kap. 5.3 genannten Zahlen zum Beschäftigungswachstum und zum Beschäftigungssaldo
in Wirtschaft und Forschung ergeben sich daraus, dass unterschiedliche Statistiken herangezogen
wurden bzw. verschiedene Wirtschaftsunterklassen zusammengefasst wurden.
45

Abb. 4: Zuwächse sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nach Sparten der
Gesundheitswirtschaft im Saarland von 1999 bis 2006
Pflege 1.955 (41,3%)
Handel
Ambulante Versorgung
Hersteller / Vor- und
Zulieferer
Stationäre Versorgung
Verwaltung
Forschung und Entwicklung
105
305
382
(2,2%)
488
454
(10,3%)
(9,6%)
(8,1%)
(6,4%)
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnung
1.045
(22,1%)
0 500 1.000 1.500 2.000 2.500
Eine Betrachtung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach Berufen
ermöglicht differenziertere Aussagen zur Geschlechterverteilung und zum Verhältnis
von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung. Als Quelle dient der IAB-Berufeatlas, der für
ausgewählte Gesundheitsberufe derartige Angaben bereithält.
� Weiblich dominierte Berufsfelder
Die Gesundheitsberufe zeichnen sich durch einen sehr hohen Frauenanteil aus:
Während bei den im IAB-Berufeatlas erfassten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
im Jahr 2005 der Frauenanteil bei 45 Prozent liegt, sind es unter den
Gesundheitsdienstberufen 84,4 Prozent, bei denn nicht-medizinischen Berufen
sogar 89 Prozent. Aber auch die meisten akademischen Gesundheitsdienstberufe
zeichnen sich durch einen in den letzten Jahren gestiegenen (relativ) großen
Frauenanteil aus: Apotheker 79 Prozent, Zahnärzte 59 Prozent. Lediglich die
Humanmediziner weisen mit 44 Prozent einen geringeren Frauenanteil auf.
� Jugendzentrierte Berufe
Die in Gesundheitsberufen beschäftigten Personen sind vergleichsweise jung: Sie
haben gegenüber allen Berufen einen höheren Anteil von unter 25-Jährigen und
unter 35-Jährigen (35 Prozent gegenüber 28 Prozent) und zugleich einen geringeren
Anteil von über 50-Jährigen. Vor allem Sprechstundenhilfen sowie Masseure,
Krankengymnasten und verwandte Berufe sind besonders jugendzentriert. Der
geringe Anteil an Älteren in den Gesundheitsberufen hängt auch damit zusammen,
dass es sich um frauentypische Berufe handelt, die ein bestimmtes er-
46

werbsbiographisches Muster zeigen: nämlich geringe Verweildauer und geringer
Anteil an Berufsrückkehrerinnen nach einer Kinderphase. Aus dem Rahmen fallen
hinsichtlich der Altersstruktur dagegen die Helferinnen in der Krankenpflege. Sie
zeichnen sich durch einen geringeren Anteil von unter 35-Jährigen gegenüber
den Beschäftigten insgesamt aus, gleichzeitig haben sie einen großen Anteil über
50-Jähriger, der sogar über dem der Berufe insgesamt liegt. Das wiederum hängt
damit zusammen, dass häufig Umschüler, Berufswechsler und Berufsrückkehrerinnen
in diesen Beruf streben und hier auch als Ältere – vor allem im Altenpflegebereich
– noch Arbeitsmarktchancen haben, unter anderem weil sie für die Altenpflege
spezifische Kompetenzen mitbringen, über die Jüngere oft nicht verfügen.
� Hoher Anteil an Teilzeitbeschäftigung
Teilzeitbeschäftigung ist in den Gesundheitsberufen weit verbreitet, was wiederum
typisch für Berufe mit hohem Anteil an weiblicher Beschäftigung ist. In den
nicht-medizinischen Gesundheitsberufen arbeitet ein Drittel der Beschäftigten in
Teilzeit, über alle Berufe hinweg liegt der Anteil an Teilzeitbeschäftigten bei 18
Prozent. Besonders häufig arbeiten die Beschäftigten in den Helferberufen in
Teilzeit (42), gefolgt von den Beschäftigten in den examinierten Pflegeberufen (37
Prozent). Teilzeitbeschäftigung ist in den medizinischen Berufen gering, mit Ausnahme
der Apotheker. Dort liegt der Anteil an Teilzeitbeschäftigten bei 32 Prozent.
4.1.2 Entwicklung der geringfügigen Beschäftigung
Neben sozialversicherungspflichtiger Voll- und Teilzeitbeschäftigung gewinnen atypische
Beschäftigungsformen, namentlich die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse
14 , auf dem Arbeitsmarkt immer mehr an Bedeutung. Im Saarland nahm die Zahl
der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse von 2000 bis 2006 um 15 Prozent zu,
von knapp 63.000 im Jahr 2000 auf 72.000 im Jahr 2006. Seit 2003 werden in der
Statistik der Bundesagentur für Arbeit zudem die geringfügig Beschäftigten im Nebenjob
ausgewiesen, d.h. Personen, die neben einer sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigung zusätzlich einen ‚Minijob’ ausüben. Deren Zahl ist im Saarland von
2003 bis 2006 von 12.720 auf 22.310 angestiegen. Rechnet man beide Gruppen zusammen,
dann sind derzeit im Saarland mehr als 94.000 Personen als ‚Minijobber’
tätig.
Seit der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung durch das Zweite Gesetz für
moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz II“) im Jahr 2003 und der damit
verbundenen Ausweitung der Verdienstmöglichkeiten für „Mini-Jobs“ ist ein deutlicher
Anstieg bei der geringfügigen Beschäftigung zu verzeichnen (vgl. Abb. 5). Im
14 Unter geringfügiger Beschäftigung wird im Sinne der hier verwendeten Statistik lediglich geringfügig entlohnte
Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV verstanden. Geringfügig entlohnte Beschäftigung liegt dann vor,
wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung (§14 SGB IV) regelmäßig im Monat 400 Euro nicht überschreitet.
47

gleichen Zeitraum gingen fast 5 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse
verloren. Das Verhältnis von sozialversicherungspflichtiger zu
geringfügiger Beschäftigung verschlechterte sich: Im Jahr 1999 kamen auf einen geringfügigen
Beschäftigten noch 5,7 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, im Jahr
2006 waren es nur noch 4,7.
Abb. 5: Geringfügige Beschäftigung im Saarland und in der saarländischen Gesundheitswirtschaft
80.000
75.000
70.000
65.000
60.000
55.000
50.000
7.157
62.830
7.493
63.562
7.662
64.830
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnung
8.058
67.017
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Eine parallele Entwicklung vollzieht sich in der saarländischen Gesundheitswirtschaft
Hier wächst der Anteil der geringfügig Beschäftigten ebenfalls stetig (vgl. Abb. 6). Im
Zeitraum von 2000 bis 2006 stieg die Zahl der geringfügig Beschäftigten um rund
1.600 auf fast 8.800, was einem Zuwachs von 23 Prozent entspricht und somit mehr
als doppelt so hoch ausfällt wie der Gesamtzuwachs an sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten in der Gesundheitswirtschaft. Auch der Anteil an ‚Minijobbern’, die einer
geringfügigen Beschäftigung im Nebenjob nachgehen, hat zwischen 2003 und
2006 von 1.716 auf 2.910 Personen zugenommen. Rechnet man diese ‚Nebenjobber’
der Gruppe der geringfügig Beschäftigten hinzu, dann arbeiten in der saarländischen
Gesundheitswirtschaft derzeit knapp 11.700 Personen als ‚Minijobber’.
Die Relationen zwischen sozialversicherungspflichtiger und geringfügiger Beschäftigung
verändern sich demzufolge auch in der Gesundheitswirtschaft zunehmend zu
Ungunsten der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung: Im Jahr 2000 standen
einem geringfügig Beschäftigten noch 6,4 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
gegenüber, in 2006 sind es nur noch 5,7.
8.631
72.332
8.863
71.409
geringfügig Beschäftigte im Saarland geringfügig Beschäftigte in der Saarländischen Gesundheitswirtschaft
8.789
72.002
9.000
8.500
8.000
7.500
7.000
6.500
6.000
5.500
5.000
48

Ein genaueres Bild der geringfügigen Beschäftigung ergibt aber erst die differenzierte
Aufschlüsselung nach den Branchensegmenten der Gesundheitswirtschaft (vgl. Abb.
6). Denn während in manchen Segmenten die geringfügige Beschäftigung marginal
ist, wird sie in anderen Segmenten in großem Umfang als Beschäftigungsform eingesetzt.
Besonders stark verbreitet ist die geringfügige Beschäftigung in der ambulanten
medizinischen Versorgung (48 Prozent), insbesondere bei den Praxen, sowie
in den Pflegeinrichtungen (24 Prozent). Nahezu drei Viertel aller ‚Billigjobber’ in der
Gesundheitswirtschaft sind in diesen beiden Wirtschaftsbereichen tätig. Der Handel,
vornehmlich der Einzelhandel – bestehend aus Apotheken und Sanitätshäusern, liegt
mit 14 Prozent an dritter Stelle. Eine erheblich geringere Bedeutung hat die geringfügige
Beschäftigung für die stationäre medizinische Versorgung (8 Prozent) 15 , die Industrie
(4 Prozent), die Verwaltung (1 Prozent) und die Forschung (1 Prozent).
Abb. 6: Prozentuale Verteilung der geringfügig Beschäftigten auf die Wirtschaftszweige
der Gesundheitswirtschaft im Saarland in 2006
Pflege
24%
Ambulante
Versorgung
48%
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnung
Hersteller / Vor-
und Zulieferer
4%
Handel
14%
Forschung und
Entwicklung
1%
Verwaltung 1%
Stationäre
Versorgung 8%
Der überwiegende Teil der Arbeitsplätze in der Gesundheitswirtschaft entfällt auf
qualifizierte Beschäftigung. Dies gilt auch für einen großen Teil der geringfügig Beschäftigten.
Denn geringfügige Beschäftigung ist keineswegs identisch mit geringer
Qualifikation. Vor allem in den medizinischen Praxen, den Apotheken und bei den
ambulanten Pflegediensten, die überproportional viel Personal in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen
beschäftigen, handelt es sich nach Expertenmeinung
meist um qualifizierte Fachkräfte.
Die beschäftigungspolitischen Auswirkungen infolge der Zunahme atypischer Beschäftigung
können hier nur angedeutet werden. Erstens kann es als problematisch
gelten, dass die Arbeitsplatzbereiche, in denen atypischer Beschäftigung große Bedeutung
zukommt, zu einem sehr großen Teil aus qualifizierter Arbeit bestehen.
Zweitens steht geringfügige Beschäftigung immer im Verdacht, sozialversicherungs-
15 Der reale Anteil an geringfügig Beschäftigten im stationären Bereich ist höher. Dieser wird statistisch nicht
adäquat wiedergegeben, weil die ‚Minijobber’ in den ausgegliederten Servicegesellschaften nicht mit eingerechnet
sind.
49

pflichtige Beschäftigung zu substituieren bzw. das Wachstum regulärer Beschäftigung
zu mindern. Schon unmittelbar nach der Hartz II-Gesetzgebung wurde geschätzt,
dass bundesweit fast eine dreiviertel Million versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse
in geringfügige umgewandelt werden (vgl. Rudolph 2003).
Das abgeschwächte Beschäftigtenwachstum nach 2003 in der saarländischen Gesundheitswirtschaft
könnte demgemäß auch mit dem Anstieg atypischer Beschäftigung
in Zusammenhang stehen. Die statistischen Zahlen belegen eine Koinzidenz.
Der Rückgang bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 2003 auf 2004
fällt mit dem starken Anstieg der geringfügigen Beschäftigung und mit der Gesetzesänderung
zusammen. Dementsprechend verschlechterte sich die Relation sozialversicherungspflichtiger
zu geringfügiger Beschäftigung auch erst nach 2003, nämlich
von 6,3 im Jahr 2003 auf 5,7 im Jahr 2006, während in den Jahren zuvor das Verhältnis
nahezu gleich blieb.
4.1.3 Entwicklung bei den freien Berufen / Selbstständigen
Neben sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und geringfügig Beschäftigten spielen
in der Gesundheitswirtschaft, hier vor allem im klassischen Gesundheitswesen,
die freien Berufe eine wichtige Rolle. Zu den freien Berufen gehören die medizinischen
Berufe, die Haus- und Fachärzte, Zahnärzte sowie die Psychotherapeuten und
Apotheker, die eigene Praxen bzw. Apotheken betreiben. Auch unter den nichtmedizinischen
Gesundheitsberufen gibt es eine Reihe von Selbstständigen mit eigenen
Praxen. Dazu gehören neben den sog. Heilmittelerbringern wie Physiotherapeuten,
Krankengymnasten, Masseuren und medizinische Bademeistern, Logopäden,
Ergotherapeuten, Podologen auch weitere Berufsgruppen wie die Hebammen und
die Heilpraktiker 16 . Über die Anzahl der Selbstständigen in den nicht-medizinischen
Berufen liegen im Gegensatz zu den medizinischen Berufsgruppen keine validen
statistischen Daten für das Saarland vor und werden deshalb hier nicht weiter berücksichtigt.
Im Saarland gab es in 2006 mehr als 2.500 selbstständige Ärzte, Zahnärzte und
Apotheker (vgl. Tab. 8). Darunter waren rund 1.600 Allgemeinmediziner und Fachärzte.
Seit 1999 hat deren Zahl um 6 Prozent zugenommen und ist von 1.524 auf
1.615 angestiegen. Die Zahl der selbstständigen Zahnärzte wuchs um 4 Prozent auf
577. Für 2006 werden 332 selbstständige Apotheker in der Statistik der GBE Bund
ausgewiesen. Insgesamt ist die Zahl der Selbstständigen seit 1999 um 3,5 Prozent
gewachsen, also im Vergleich zur gesamten Gesundheitswirtschaft auf wesentlich
niedrigerem Niveau.
16
Die Leistungen der Heilpraktiker/innen gehören nicht zum gesetzlichen Leistungsspektrum der gesetzlichen
Krankenversicherung.
50

Tabelle 8: Selbstständige Ärzte, Zahnärzte und Apotheker im Saarland 1999 bis 2006
nach Geschlecht
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Veränderung
1999-2006
niedergelassene
Ärzte 1.524 1.543 1.563 1.593 1.610 1.604 1.609 1.615 6,0%
männlich 1.158 1.165 1.170 1.178 1.183 1.171 1.164 1.154 -0,3%
weiblich
niedergelassene
366 378 393 415 427 433 445 461 26,0%
Zahnärzte 553 568 563 583 576 534 581 577 4,3%
männlich 418 429 420 431 422 398 424 416 -0,5%
weiblich
Besitzer und
Pächter öffentli-
135 139 143 152 154 136 157 161 19,3%
cher Apotheken 361 361 356 358 352 346 340 332 -8,0%
männlich 214 211 202 200 198 194 188 194 -9,3%
weiblich
Selbstständige
147 150 154 158 154 152 152 138 -6,1%
Ärzte, Zahnärzte
und Apotheker
insgesamt
2.438 2.472 2.482 2.534 2.538 2.484 2.530 2.524 3,5%
Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, eigene Berechnung
Während der überwiegende Teil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der
Gesundheitswirtschaft weiblich ist (ca. 82 Prozent), kehrt sich das Geschlechterverhältnis
bei den Selbstständigen in den medizinischen Berufen um. Die freien Berufe
sind eine klassische Männerdomäne. Bei den selbstständigen Ärzten und Zahnärzten
liegt der Männeranteil bei gut 70 Prozent. Allerdings holen die Frauen langsam
auf. Ihr Anteil ist in den letzten Jahren um 4 Prozent auf rund 28 Prozent gestiegen.
Eine Ausnahme stellen die pharmazeutischen Berufe dar, in denen die Frauen traditionell
relativ stark vertreten sind. Dies spiegelt sich auch im Geschlechterverhältnis
bei den selbstständigen Apothekern wieder: der Frauenanteil liegt hier bei 42 Prozent.
4.1.4 Erwerbstätige
Die reale beschäftigungspolitische Bedeutung der saarländischen Gesundheitswirtschaft
wird nicht adäquat dargestellt, wenn man lediglich die sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten berücksichtigt. Erst in der Gesamtbetrachtung aller Erwerbstätigen
– die in unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen stehen – lassen sich die
Entwicklungstrends und Dimensionen der Gesundheitswirtschaft Saar exakt erfassen
(vgl. Tab. 9).
51

Tabelle 9: Entwicklung der Erwerbstätigkeit in der saarländischen Gesundheitswirtschaft
2000 2006
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 45.629 49.747
Geringfügig Beschäftigte 7.157 8.789
Selbstständige 2.472 2.524
Erwerbstätige insgesamt 55.258 61.060
Quelle: Bundesagentur für Arbeit; Gesundheitsberichterstattung des Bundes, eigene Berechnung
Insgesamt waren in 2006 mehr als 61.000 Erwerbstätige 17 in der regionalen Gesundheitswirtschaft
tätig, im Jahr 2000 lag ihre Zahl noch bei rund 55.000 Personen.
Im Zeitverlauf hat die Zahl der Erwerbstätigen absolut um 5.800 zugenommen, was
einem Zuwachs von 10,5 Prozent entspricht. Die Wachstumsrate bei den Erwerbstätigen
und bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten war identisch.
4.2 Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsfachberufen
Die Ausbildung in den Gesundheitsberufen unterscheidet sich nach medizinischen
Berufen, für die ein Hochschulstudium Voraussetzung ist, und nach den Gesundheitsfachberufen
mit einer fachschulischen Ausbildung. Die Gesundheitsfachberufe
unterliegen nicht dem dualen Ausbildungssystem, vielmehr wird die Ausbildung je
nach Berufsgruppe entweder an privaten Fachschulen absolviert, für die zum Teil
Gebühren anfallen, oder an den Krankenhäusern, die eigene Ausbildungsstätten betreiben.
Die Ausbildung in den Pflegeberufen ist durch Bundesgesetze geregelt, die
die jeweilige Berufsbezeichnung schützen, und die Dauer, Zugangsvoraussetzungen
und Zielrichtung der Berufe vorgeben. Die schulische Ausbildung findet an staatlich
anerkannten Schulen statt, die sich im Saarland weitgehend in der Trägerschaft der
Krankenhäuser befinden (vgl. Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales 2005).
Hinzu kommen die Helferberufe in der Alten- und Krankenpflege, deren Ausbildung
landesrechtlich geregelt ist. Für das Saarland hat das Bundesinstitut für Berufsbildung
ein Konzept für eine ‚dualisierte Ausbildung’ in den Gesundheits- und
Pflegeberufen entwickelt, das derzeit erprobt wird (vgl. Saarländische Landesregierung
2007).
Die Krankenhäuser nehmen eine Schlüsselstellung für die Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen
ein. In 2005 gab es 2.425 Auszubildende an den Schulen des
Gesundheitswesens im Saarland, von denen das Gros – nämlich 2.168 – auf die den
Krankenhäusern angeschlossenen Ausbildungsstätten entfallen. In den Ausbildungsstätten
der Krankenhäuser werden folgende Gesundheitsfachberufe ausgebildet:
17 Nimmt man die knapp 3.000 geringfügig Beschäftigten im Nebenjob in die Beschäftigungsbilanz mit auf, dann
erhöht sich die Zahl der Erwerbstätigen in der saarländischen Gesundheitswirtschaft von 61.000 auf rund
64.000 Personen.
52

Ergotherapeut/innen; Diätassistent/innen, Hebammen/Entbindungspfleger, Physiotherapeut/innen,
Krankenpfleger/innen, Krankenpflegehelfer/innen, Kinderkrankenpfleger/innen,
Logopäd/innen, Orthoptist/innen sowie drei medizinisch-technische
Laborberufe, zu denen die Laboratoriumsassistent/innen, die Radiologieassistent/innen
sowie die Assistent/innen für Funktionsdiagnostik gehören. (vgl. Anhang Tab. 4).
Vor allem in den medizinisch-technischen Berufen, die sich immer mehr in High-
Tech-Berufe verwandeln, sind die Arbeitsmarktchancen ausgesprochen günstig und
die Nachfrage bundesweit sehr hoch. An den Ausbildungsstätten im Saarland wurden
deshalb die Ausbildungsplätze für die MTRA- und MTAF-Berufe aufgestockt. Die
Zahl der Ausbildungsplätze für Hebammen und Entbindungspfleger hingegen wurde
aufgrund rückläufiger Bedarfe infolge sinkender Geburtenraten abgesenkt.
Die Krankenhäuser halten gemäß Krankenhausplan 1.584 Ausbildungsplätze für die
Krankenpflegeberufe und weitere 584 Ausbildungsplätze für die anderen Gesundheitsfachberufe
vor (vgl. Tab. 10). In 2007 wurde ihre Zahl um 19 Plätze auf 2.187
erhöht (vgl. Saarländische Landesregierung 2007: 124). In der Krankenpflege ist die
Zahl der Ausbildungsplätze zwischen 1999 und 2004 um 7,9 Prozent – entgegen
dem Bundestrend – angestiegen. Nicht alle Ausbildungsplätze werden besetzt. Die
Besetzungsquote liegt bei den Krankenpflegeberufen bei knapp 80 Prozent und bei
den Gesundheitsfachberufen bei rund 93 Prozent (vgl. Tab. 10).
Tabelle 10: Vorgehaltene und tatsächlich belegte Ausbildungsplätze für Krankenpflege-
und Gesundheitsfachberufe in den Schulen der saarländischen Krankenhäuser
in 2006
Krankenpflegeberufe
vorgehaltene Plätze 2006 1.584
tatsächlich belegt 2006 (Jahresdurchschnitt) 80,8%
Gesundheitsfachberufe
vorgehaltene Plätze 2006 584
tatsächlich belegt 2006 (Jahresdurchschnitt) 92,9%
Quelle: Saarländisches Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales
Experten nennen zwei Hauptgründe für die Diskrepanz zwischen vorgehaltenen und
tatsächlich belegten Ausbildungsplätzen. Aufgrund der gestiegenen fachlichen Anforderungen
an die Auszubildenden werde bei der Auswahl der Bewerber besonderer
Wert auf qualifizierte Schulabschlüsse gelegt, um die Abbrecherquote möglichst
niedrig zu halten. Der zweite Grund für die Nichtausschöpfung der Ausbildungsplätze
liege darin, dass die Qualität und Professionalität der Ausbildung gesteigert werden
solle, z.B. durch einen günstigeren Betreuungsschlüssel.
Die Krankenhäuser bilden über Bedarf und somit in erheblichem Umfang für den Arbeitsmarkt
aus. Denn nur ein Teil der Pflegekräfte wird nach der Ausbildung von den
Krankenhäusern übernommen. Für diejenigen, die sich am Arbeitsmarkt orientieren
müssen, sind die Vermittlungschancen ausgesprochen günstig, da ihnen nicht nur
der regionale Arbeitsmarkt offen steht, sondern viele auch in den Kliniken in Rhein-
53

land-Pfalz oder in Luxemburg Beschäftigung finden. Experten wie Landesregierung
gehen davon aus, dass die vorhandenen Ausbildungskapazitäten ausreichen, um die
zukünftigen Bedarfe an Pflegekräften und bei den sonstigen Gesundheitsberufen zu
decken. Zukünftig wird es infolge des demographischen Wandels keinen Ausbildungsplatzmangel
mehr geben, sondern einen Bewerbermangel.
Wegen der geburtenschwachen Jahrgänge wird es perspektivisch zu einem Nachwuchskräftemangel
kommen, was die Ausbildungssituation zwar erheblich entschärft,
zugleich jedoch zu einem Bewerbermangel bzw. zur schärferen Konkurrenz
um Auszubildende führt. Auch die Zahl der Bewerber für eine Ausbildung in den
Pflegeberufen wird entsprechend zurückgehen. Aufgrund der relativ hohen Fluktuationen
und der geringen Verweildauer in den Pflegeberufen (vgl. Gewiese u.a. 2003)
ist eine frühzeitige Gegensteuerung unerlässlich, um einerseits genügend Nachwuchskräfte
ausbilden und um andererseits die Verweildauer erfahrener Fachkräfte
erhöhen zu können 18 .
Um einen zukünftigen Fachkräftemangel zu verhindern, ist nach Ansicht von Experten
eine Qualitätssteigerung in der Pflegeausbildung, aber auch eine Professionalisierung
der Pflegeberufe unerlässlich. Die Ausbildung müsse sich stärker an neuen
Arbeitserfordernissen und Pflegekonzepten ausrichten, die sich unter den Stichworten
Qualitätsmanagement, Pflegedokumentation, evidenzbasierte Pflege etc. subsumieren
lassen. Darüber hinaus müsse der Pflegeberuf attraktiver werden. Zur Vermeidung
eines Fachkräftemangels in den Pflege- und Gesundheitsberufen kommt
neben der Nachwuchssicherung und dem langfristigen Verbleib in den jeweiligen
Berufen auch der Rekrutierung älterer erfahrener Arbeitskräfte eine immer stärkere
Bedeutung zu.
Bei der Ausbildung der Pflegeberufe zeichnen sich derzeit zwei unterschiedliche
Trends ab, einmal in Richtung einer frühzeitigen Spezialisierung, einmal in Richtung
einer Akademisierung analog zu der Entwicklung in den skandinavischen und angelsächsischen
Ländern. Bislang ist die Ausbildung in den Pflegeberufen auf eine möglichst
breite Grundausbildung ausgerichtet, um eine hohe Einsatzflexibilität zu gewährleisten.
Eine Spezialisierung erfolgt erst später im Rahmen einer Weiterbildung.
Beispiel für eine Engführung und frühe Spezialisierung ist der neue Ausbildungsgang
zum operationstechnischen Assistenten (OTA) im Saarland. 19 OTA’s werden in Kliniken
und Arztpraxen eingesetzt, betreuen Patienten vor und nach der Operation, bereiten
den Operationssaal vor und nach, kümmern sich um Hygiene und eine aseptische
Arbeitsweise usw. Der OTA, dessen Ausbildung drei Jahre in Vollzeit dauert,
tritt damit in Konkurrenz zur traditionellen „OP-Schwester“, die eine dreijährige Ausbildung
zur Krankenpflegerin, Berufserfahrung sowie eine zweijährige berufsbeglei-
18 Untersuchungen des IAB verweisen darauf, dass die Fluktuationen und Personalabgänge in den Einrichtungen
des Gesundheitswesens überdurchschnittlich hoch sind. Die Ursachen für die geringe Verweildauer sind
die hohen psychischen und physischen Belastungen sowie die ungünstigen Arbeitszeiten , was zur Abwanderung
vieler Beschäftigte in attraktivere Berufe führt (vgl. Gewiese u.a. 2003)
19 Die Ausbildung zum OTA erfolgt nach Empfehlungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft, es gibt weder
bundes- noch landesrechtliche Regelungen und damit auch keine staatliche Anerkennung. Diese wird aber
angestrebt. Nach Aussagen von Experten sind bereits OTA’s in saarländischen Kliniken im Einsatz.
54

tende Fachausbildung absolviert hat. Spezifische Beschäftigungen, die Gegenstand
der Spezialisierung sind, erforderten keine dreijährige breite Berufsausbildung, so ein
Kostenargument für die frühe Spezialisierung. Skeptiker einer frühen Spezialisierung
führen an, dass diese ‚Spezialisten’ wegen ihrer fehlenden Einsatzbreite anders als
Beschäftigte mit breiter Grundqualifikation nur schwer in anderen Bereichen eingesetzt
werden können, sollten sie ihre eigentliche Tätigkeit nicht mehr ausüben können.
Eine Akademisierung der Pflegeberufe ist schon lange ein standespolitisches Ziel
des Berufsverbandes. Experten schätzen den Bedarf an akademischem Pflegepersonal
jedoch eher als gering ein. Generell besteht Konsens darin, dass für bestimmte
– insbesondere wissenschaftliche Tätigkeiten sowie für Leitungsfunktionen eine akademische
Pflegeausbildung sinnvoll sein kann. An der HTW in Saarbrücken wurde
2004 ein Bachelor-Studiengang für Pflegemanagement und -wissenschaft eingerichtet,
der ein berufsbegleitendes Studium für Angehörige der Pflegeberufe bietet.
Neben den dreijährigen Ausbildungsgängen in den Pflegeberufen gibt es auch die
verkürzte Variante für Pflegehelfer/innen mit einjähriger Ausbildungszeit. Allerdings
werden die Beschäftigungsaussichten dieser Helferberufe von Experten sehr verhalten
eingeschätzt: Entweder schränken Mindestfachkraftquoten (stationäre Pflege)
den Einsatz von Pflegehelfern ein, oder der enge Personalschlüssel wie beispielsweise
in Kliniken macht es erforderlich, dass alle Beschäftigten flexibel einsetzbar
sein müssen, damit von ihnen sämtliche anfallenden pflegerischen Tätigkeiten ausgeführt
werden können. Nichtsdestotrotz beinhaltet die einjährige Ausbildung auch
Aufstiegsmöglichkeiten, indem nämlich eine dreijährige Pflegeausbildung angehängt
werden kann. Darüber hinaus eröffnet die einjährige Ausbildung auch Personen aus
der ‚Arbeitsmarktreserve’, Älteren oder Berufsrückkehrerinnen einen Einstieg in eine
qualifizierte Berufstätigkeit, den sie ohne diese Ausbildung nicht hätten.
Für den langfristigen Verbleib in den jeweiligen Pflege- und Gesundheitsberufen
spielen attraktive Weiterbildungsmöglichkeiten eine wichtige Rolle, die horizontale
und vertikale Laufbahnmöglichkeiten eröffnen. Im Saarland gibt es zahlreiche – qualitativ
hochwertige – Angebote zur Fort- und Weiterbildung, die teilweise berufsbegleitend
angeboten werden 20 . Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang vor allem die
Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich der Fachpflege, die nach einer dreijährigen
Pflegeausbildung und entsprechender Berufserfahrung eine weitere Spezialisierung
in Richtung Intensivmedizin, Anästhesie, Rehabilitation, Palliativmedizin usw. ermöglichen.
Der zweite Schwerpunkt bei den Qualifizierungs- und Fortbildungsangeboten
liegt auf der Höherqualifizierung zur Übernahme von Funktionen wie Stations-, Bereichs-
oder Heimleitung. Ein weiterer Schwerpunkt der Fortbildungsangebote richtet
sich stärker auf Anpassungsqualifizierung, um den komplexer werdenden oder den
20 Die saarländische ‚Initiative Weiterbildung im Gesundheits- und Sozialbereich’, der über 30 Trägerverbände,
Weiterbildungseinrichtungen, Kammern, Gewerkschaften, Berufsverbände und das Gesundheitsministerium
angehören, hat eine Plattform im Internet für eine virtuelle Weiterbildungsakademie eingerichtet, die einen Überblick
über die diversen Fort- und Weiterbildungsangebote im Saarland gibt
(vgl. www.gesundheitsakademiesaar.de)
55

gewandelten Arbeitsanforderungen und Arbeitsabläufen Rechnung zu tragen wie.
Dazu gehören derzeit insbesondere Fortbildungen zum Qualitätsmanagement, um
die wachsenden Anforderungen nach Qualitätssicherung und Zertifizierung erfüllen
zu können. Stärker ins Blickfeld der Weiterbildungsanbieter geraten zunehmend Berufsrückkehrer/innen
in den Gesundheitsberufen. Um ihnen den Wiedereinstieg zu
erleichtern, werden spezielle Maßnahmen zur Nachqualifizierungen angeboten. Angesichts
des drohenden Nachwuchskräftemangels dürften derartige Maßnahmen
eine sinnvolle Investition in die Zukunft sein, damit die ‚stillen Arbeitsmarktreserven’
besser erschlossen und auch älteren Arbeitssuchenden eine neue Berufsperspektive
eröffnet werden kann.
56

5. Regionale Entwicklungsstrategien im Vergleich
5.1 Überblick über Strategien von Regionen und Bundesländern
Immer mehr Regionen und Bundesländer sind dabei, die Beschäftigungspotenziale
der Gesundheitswirtschaft zu entdecken und sich im „Wettlauf um die günstigsten
Ausgangspositionen auf diesem ’neuen Markt’ zu positionieren“ (vgl. Dahlbeck u.a.
2004: 82). Zu den Vorreitern dieser Entwicklung gehören unter anderem das ‚Gesundheitsland
Schleswig-Holstein’, das ‚Medical Valley’ im Raum Erlangen, Nürnberg,
Fürth oder der ‚Heilgarten Ostwestfalen-Lippe’. Doch die anderen Regionen
holen auf. Inzwischen sind eine ganze Reihe von Regionen oder Bundesländern dabei,
ebenfalls Leitprojekte und Strategien zu einer aktiveren Vermarktung und Standortprofilierung
zu entwickeln, wie die folgende Auswahl zeigt:
� Mecklenburg-Vorpommern hat einen Masterplan zur Gesundheitswirtschaft bis
2010 vorgelegt mit dem ambitionierten Ziel ‚zur Gesundheitsregion Nr. 1’ aufzusteigen
(Heinze u.a. 2006).
� Hessen setzt ebenso wie die Rhein-Neckar-Region auf eine Strategie der Spezialisierung
und wirbt als Innovationsstandort mit seiner boomenden Medizintechnik-
und Life Sciences-Branche (vgl. Herdt/Terzenbach 2006).
� Auch Bayern vermarktet sich zum einen als Innovations- und High-Tech-Standort,
wobei vor allem die Ballungsräume München und Erlangen/Nürnberg als innovative
Zentren für Biotechnologie im Mittelpunkt stehen. Wachstumspotenziale für
das Land werden zum anderen im Gesundheitstourismus gesehen.
� Rheinland-Pfalz hat eine Bestandsaufnahme zur regionalen Gesundheitswirtschaft
erstellen lassen und ist derzeit dabei, Leitprojekte zu entwickeln.
� In Nordrhein-Westfalen ist eine stärkere Diversifizierung im Gange. Hier gehen
die Aktivitäten vor allem von den Teilregionen aus, die mit unterschiedlichen
Schwerpunktsetzungen im Bereich der Gesundheitswirtschaft im Standortwettbewerb
antreten.
� Die Region Berlin-Brandenburg hat ebenfalls einen Masterplan Gesundheitsregion
entwickelt und um die Perspektive der Gesundheitswirtschaft erweitert. Die
größten Zukunftspotenziale für die Region werden in der wissens- und innovationsintensiven
Gesundheitsforschung und -entwicklung gesehen (Ostwald/
Ranscht 2007).
Erklärtes Ziel aller regionalen Aktivitäten ist die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen
in der Gesundheitswirtschaft – bevorzugt natürlich in der eigenen Region. Die Strategien
und wirtschaftspolitischen Aktivitäten variieren ebenso wie die Akteursebenen
und Promotoren, die den Entwicklungsprozess vorantreiben. Die Entwicklung der
Gesundheitswirtschaft wird in den meisten Fällen als regionalpolitische Aufgabe gesehen,
die Wirtschafts- und Standortpolitik enger mit den Aktivitäten der Gesundheitswirtschaft
verknüpft. Es ist sicher kein Zufall, dass in vielen Fällen nicht die Ge-
57

sundheitsministerien der Länder, sondern die Wirtschaftsministerien die Federführung
übernehmen.
Die regionalpolitischen Strategien zur Entwicklung der Gesundheitswirtschaft lassen
sich grob unterscheiden danach, ob sie einen eher ‚ganzheitlichen’ Fokus haben oder
eher auf Spezialisierung bzw. Diversifizierung ausgelegt sind. Beispiel für eine
eher ganzheitliche – integrative – Strategie ist Schleswig-Holstein. Dieses Bundesland
ist bereits seit dem Jahr 2000 dabei, die regionale Gesundheitswirtschaft strategisch
zu positionieren und sich als ‚Gesundheitsland’ systematisch zu profilieren. Unter
Federführung des Gesundheitsministerium wurde ressortübergreifend die ‚Gesundheitsinitiative
Schleswig-Holstein’ initiiert, um gemeinsam mit Vertretern der Gesundheitswirtschaft
die Kompetenzen und Qualitäten des Gesundheitslandes auszubauen
(vgl. Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren
Schleswig-Holstein 2007). Sechs Leitprojekte werden aktuell umgesetzt, um die regionale
Gesundheitswirtschaft weiter zu entwickeln. Schwerpunkte sind unter anderem
der Ausbau einer integrierten Versorgung, Entwicklung des Gesundheitstourismus
und grenzüberschreitende Projekte im Rahmen von eHealth. Das Land hat zudem
neuartige interdisziplinäre Master-Studiengänge aufgebaut, um den komplexeren
und disziplinübergreifenden Anforderungen in der Gesundheitswirtschaft Rechnung
zu tragen. Dazu gehören unter anderem Studienfächer wie Hospital Management,
Biomedical Engineering, eHealth.
Strategien der Spezialisierung orientieren sich an den spezifischen Stärken und
Kernkompetenzen, die es ermöglichen, sich in bestimmten Segmenten bzw. Branchen
der Gesundheitswirtschaft positiv von anderen Regionen abzuheben und Wettbewerbsvorteile
zu gewinnen. Die Spezialisierungspfade lassen sich im Kern danach
unterscheiden, ob bei der Standortentwicklung eher die wertschöpfenden und wissensintensiven
Wirtschaftsbereiche der industriellen Vor- und Zulieferer oder eher
die personalintensiven Dienstleistungsbereiche gefördert werden. Im Rhein-Main-
Gebiet, im Rhein-Neckar-Raum und in München-Martinsried werden die Kernkompetenzen
eindeutig in der gewerblichen Health-Care-Branche verortet, wozu vornehmlich
die innovativen Unternehmen aus der Biotechnologie, der Medizintechnik und
der Pharmabranche zählen. Diese Entwicklungsstrategien sind so genannte High-
Road-Strategien, die in den wissens- und technologiebasierten Wertschöpfungsbereichen
der regionalen Gesundheitswirtschaft die größten Wachstumschancen für
qualifizierte Beschäftigung sehen.
Strategien der Diversifizierung verfolgen eher große Flächenländer wie Bayern und
Nordrhein-Westfalen, in denen die jeweiligen Entwicklungspfade der Teilregionen
eine dominante Rolle einnehmen. Bayern fährt eine zweigleisige Strategie und setzt
sowohl auf wissensintensive High-Tech-Cluster als auf personalintensiven Gesundheitstourismus,
um die regionale Gesundheitswirtschaft unter Einsatz erheblicher
Fördermittel zu fördern. Während sich die wirtschaftlichen Ballungszentren Bayerns –
Erlangen/Nürnberg und München über ihre High-Tech-Cluster profilieren, soll in den
touristisch attraktiven Teilregionen mit hohem Anteil an Kur- und Badeorten der Ge-
58

sundheitstourismus gefördert werden, damit neue Arbeitsplätze entstehen. Für diesen
Zweck wurde in Bayern sogar eine eigene Marketinggesellschaft gegründet, die
im In- und Ausland den Gesundheitstourismus aktiv bewerben soll (vgl. Dahlbeck
u.a. 2004). Im Vergleich zu anderen Bundesländern setzt Bayern Fördermittel gezielt
auf der Basis strategischer Entscheidungen ein, um sich regionale Standort- und
Wettbewerbsvorteile in spezifischen Segmenten der Gesundheitswirtschaft zu verschaffen.
In Nordrhein-Westfalen wiederum war es nicht die Landesregierung, die
eine Vorreiter- und Promotorenfunktion einnahm, sondern die Teilregionen, die als
erste die mit der Gesundheitswirtschaft verbundenen Wachstumschancen erkannten
und unterschiedliche Aktivitäten mit eigenen Schwerpunkten entwickelten. Erst im
Jahr 2004 hat die Landesregierung einen Masterplan mit verschiedenen Entwicklungs-
und Gestaltungsszenarien vorgelegt, um einerseits erfolgsträchtige Entwicklungspfade
zu identifizieren, um andererseits die bereits vorhandenen Aktivitäten
besser integrieren und bündeln zu können.
Wie die Beispiele zeigen, gibt es eine erhebliche Varianz in den jeweiligen Entwicklungsstrategien
der Regionen. Sie unterscheiden sich allerdings auch hinsichtlich der
Politiksteuerung. Es gibt Beispiele für dezentrale – bottom-up gesteuerte – Entwicklungsstrategien,
die auf der Eigeninitiative von Teilregionen beruhen und durch deren
Engagement erst der Impuls für konzertierte Aktivitäten auf Landesebene gegeben
wurde. Üblicher indes sind top-down-Ansätze, bei denen die jeweilige Landesregierung
als strategischer Akteur den regionalen Entwicklungspfad für die Gesundheitswirtschaft
anhand der identifizierten Stärken und Kompetenzen definiert und entsprechende
Umsetzungsmaßnahmen zur Förderung und Vermarktung festlegt.
5.2 Das Saarland im Regionenvergleich
Die regionale Bedeutung der Gesundheitswirtschaft des Saarlandes erschließt sich
im Ländervergleich. Setzt man die Beschäftigtenzahlen der Gesundheitswirtschaft in
Relation zur Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den jeweiligen
Ländern, zeigt sich eine deutliche Varianz (vgl. Tab. 11). Im Jahr 2003 waren
bundesweit 14,2 Prozent aller Beschäftigten in der Gesundheitswirtschaft tätig. Bis
auf Mecklenburg-Vorpommern lagen alle ostdeutschen Länder sowie Bayern und
Baden-Württemberg unter dem Bundesdurchschnitt. In Bremen, Hamburg, Hessen
und Mecklenburg-Vorpommern näherten sich die Werte dem Bundesdurchschnitt an.
Schleswig-Holstein nimmt eine Spitzenposition mit 17,5 Prozent der Beschäftigten in
der Gesundheitswirtschaft ein, gefolgt von Berlin mit 15,6 Prozent und Rheinland-
Pfalz mit 15,4 Prozent. Das Saarland nimmt im Ländervergleich ebenfalls eine der
vorderen Positionen ein. Mit einem Beschäftigtenanteil von 15,2 Prozent liegt es an
vierter Stelle. Im Saarland ist heute bereits jeder siebte Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft
tätig, im Bund hingegen nur jeder achte.
59

Tabelle 11: Prozentualer Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der
Gesundheitswirtschaft an der Gesamtzahl der Beschäftigten in 2003 21
Bund
Thürigen
Sachsen
Brandenburg
Sachsen-Anhalt
Bayern
Baden-Württemberg
Bremen
Hamburg
Nordrhein-Westfalen
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachen
Saarland
Rheinland-Pfalz
Berlin
Schleswig-Holstein
Quelle: Dahlbeck u.a. (2004:84, IAB, eigene Berechnung
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
Prozent
Die saarländische Politik hat – parteienübergreifend - die regionale Gesundheitswirtschaft
trotz ihrer hohen Beschäftigungszuwächse bis in die jüngste Vergangenheit
kaum als Wirtschaftsfaktor bzw. eigenständige Wirtschaftsbranche wahrgenommen.
Im Vergleich zu den vielfältigen Aktivitäten und Initiativen, die mehr und mehr Länder
bzw. Regionen mittlerweile entwickeln, um die eigene Gesundheitswirtschaft im
Standortwettbewerb besser zu positionieren, gehört das Saarland eindeutig zu den
Regionen mit einer nachholenden Entwicklung. Es hat noch keine konkreten Bestrebungen
gegeben, die Gesundheitswirtschaft in wirtschaftspolitische, arbeitsmarkt-
und beschäftigungspolitische Strategien einzubinden. Trotz ihrer offensichtlichen
Wachstums- und Zukunftspotenziale wurde sie bislang ebenso wenig mit den Strategien
der Standort- und Ansiedlungspolitik noch mit der regionalen Strukturpolitik verknüpft,
geschweige denn durch Leitprojekte und gezielte Maßnahmen aktiv gefördert
oder vermarktet.
Ein institutionelles Hemmnis, das der strukturellen Förderung und Weiterentwicklung
der Gesundheitswirtschaft entgegensteht, ist sicherlich die Einteilung der Politikfelder
in die klassischen Ressorts. Sie führt dazu, dass die Gesundheitswirtschaft auf Poli-
21 Bei den Beschäftigtenzahlen in der Gesundheitswirtschaft wurden auch Rand- und Nachbarbereiche des
Gesundheitswesens wie beispielsweise Tourismus und Wellnessbereich einbezogen. Bei dieser weiten Definition
werden somit auch Sparten des zweiten Gesundheitsmarkts erfasst, die in der vorliegenden Studie ansonsten
unberücksichtigt bleiben. Daraus erklären sich auch mögliche Diskrepanzen zu den an anderer Stelle
aufgeführten Beschäftigtenzahlen.
12,7
13
13,3
13,4
13,6
13,6
14,2
14
14,1
14,2
14,2
14,3
15
15,2
15,4
15,6
17,5
60

tikebene nicht als Ganzes wahrgenommen und betrachtet wird, sondern in zwei ‚halbe’
Cluster zerfällt: nämlich in die Kernbereiche des Gesundheitswesens einerseits
und die gewerbliche Vorleister- und Zulieferindustrie andererseits. Während das Gesundheits-
und Sozialministerium als Ressort traditionell für das Gesundheitswesen
mit Schwerpunkt auf Gesundheits- und Sozialpolitik zuständig ist, fallen die gewerblich-industriellen
Sparten der Gesundheitswirtschaft in den Zuständigkeitsbereich des
Wirtschaftsressorts. Dass derartige institutionelle Hürden erfolgreich überwunden
werden können, beweisen andere Regionen, von denen das Saarland lernen könnte.
Sie haben diese Dualität erfolgreich überwunden, indem sie einem der beiden Ressorts
– entweder dem Gesundheitsministerium oder dem Wirtschaftsministerium –
die Federführung bei der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung
ihrer regionalen Gesundheitswirtschaft übertragen oder eine ressortübergreifende
Schnittstelle geschaffen haben.
Erste Schritte zu einer gezielteren Förderung und engeren Einbettung der regionalen
Gesundheitswirtschaft in die Entwicklungsstrategien des Landes könnten, sofern
man die jüngsten Zeichen und Presseverlautbarungen richtig interpretiert, zukünftig
vom Wirtschaftsministerium ausgehen. Zu der Weiterentwicklung der Innovationsstrategie
für den Planungszeitraum bis 2015 hat die Landesregierung ihren strategischen
Fokus auf neue Technologiefelder erweitert. In diesem Kontext gelangte die
Gesundheitswirtschaft bzw. deren wertschöpfende und innovativen Kerne aus Forschung
und Unternehmen erstmals konkreter in den Fokus der Landespolitik. Zur
Identifizierung zukunftsfähiger Wirtschafts- und Technologiefelder hatte die Landesregierung
Arbeitsgruppen, besetzt mit Experten aus Politik, Wirtschaft, Bildung und
Forschung, zu ausgewählten Technologiebereichen gebildet. Eine dieser Arbeitsgruppen
hatte die Aufgabe, strategische Empfehlungen für das Technologiefeld
Health Care zu entwickeln. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wurden im Herbst
2007 der Öffentlichkeit präsentiert 22 . Bei der Identifizierung zukunftsfähiger Technologiefelder
stand auch die Frage im Raum, welche Bereiche über ausreichende Substanz
und die aussichtsreichsten Potenziale für eine Cluster-Bildung 23 verfügen, um
in die Cluster- und Innovationspolitik integriert werden zu können. Zusätzlich zu den
bereits durch ein aktives Cluster- und Netzwerkmanagement geförderten drei Wirtschaftsclustern
(Automotive-Cluster, IT-Cluster und Nano-Bio-Cluster) rücken neben
Mechatronik und Automatisierung, Logistik, Bildung und Wissen nunmehr erstmals
auch Health Care und Medizintechnik ins Blickfeld der regionalen Innovationspolitik.
22 Anhand der Expertenempfehlungen sollen nach Ankündigung der Landesregierung bis 2015 insgesamt 108
Projekte zur Umsetzung der strategischen Ziele der Innovationspolitik realisiert werden. Dafür will die Landesregierung
eine Fördersumme von etwa. 133 Mio. Euro investieren. Für die nächsten sieben Jahre stünde damit
jährlich eine Summe von 19 Mio. Euro zur Verfügung. Würde die Fördersumme gleichmäßig auf die 108
Projekte verteilt, entfiele auf jedes Projekt eine jährliche Fördersumme von rund 176.00 Euro.
23 Wirtschaftscluster sind nicht identisch mit Wirtschaftsbranchen. Sie definieren sich dadurch, dass sie quer zur
traditionellen Branchengliederung liegen und stattdessen die gesamte Wertschöpfungskette von der Grundlagenforschung
bis zur wirtschaftlichen Anwendung umfassen. Wirtschaftscluster beziehen sich in der Regel auf
abgrenzbare Räume oder Regionen und entfalten ihre Innovationsdynamik aus den intensiven Kooperations-
und Netzwerkbeziehungen innerhalb dieses Wirtschaftsraumes. Die Innovations- und Wachstumspotenziale
resultieren primär aus dem Technologie- und Wissenstransfer, d.h. der Kettenwirkung zwischen Bildung, Forschung
und Wirtschaft.
61

Die Aufgabe der Arbeitsgruppe Health Care bestand darin, Strategien, Maßnahmen
und Initiativen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auszuarbeiten. Ihr Fokus
richtete sich nicht auf die Gesundheitswirtschaft als Ganzes, sondern konzentrierte
sich auf Forschung und Unternehmen der Health Care-Industries, d.h. auf die wertschöpfenden
Segmente der Wertschöpfungskette. Ziel war es, zukünftige Wachstumsfelder
und (Technologie-)Entwicklungen zu sondieren, die förderwürdig sind und
für die anschlussfähige Kapazitäten und Kompetenzen im Saarland existieren. Als
aussichtsreiche Felder mit Innovations- und Wachstumschancen im Health Care-Bereich
wurden neben der Medizintechnik insbesondere potenzielle Anwendungen aus
der Telemedizin, medizinische Überwachungstechnik für den Home Care-Bereich zur
Unterstützung häuslicher Pflege und eHealth-Anwendungen (elektronische Vernetzung
und Steuerung von Patientendaten) benannt. Neue Anwendungen und ‚hybride’
Produkte sind vorrangig durch die stärkere Vernetzung von (Bio-)Informatik, Biotechnologie
und Medizintechnik zu erwarten.
Aufgrund der Aufgabenstellung und Expertenzusammensetzung der Arbeitsgruppe
‚Health Care’ ist anzunehmen, dass das Saarland zukünftig eher einen Entwicklungspfad
einschlagen könnte, der auf eine Strategie der Spezialisierung bei dem
Ausbau der Gesundheitsregion hinausliefe. Derartige Strategien werden auch von
anderen kleineren Regionen oder Stadtstaaten wie Berlin präferiert, während Flächenländer
wie Schleswig-Holstein und Bayern eher auf ‚ganzheitliche’ oder ‚diversifizierte’
Entwicklungsstrategien setzen. In Verbindung mit der Innovationsstrategie
konzentriert sich der saarländische Politikfokus gegenwärtig ausschließlich auf die
innovationsaktiven Kerne der regionalen Gesundheitswirtschaft – und das sind primär
die Unternehmen aus den Health Care-Industries und die Einrichtungen aus
dem Wissenschafts- und Forschungsbereich. Allerdings belegt die bisherige Beschäftigungsentwicklung,
dass sich das regionale Wachstum der Gesundheitswirtschaft
nicht auf die wertschöpfenden Segmente beschränkt. Vielmehr entstanden in
den letzten Jahren neue Arbeitsplätze vorrangig in den Dienstleistungs- und (Groß)
Handelssparten der Gesundheitswirtschaft.
Die saarländische Innovationspolitik rekurriert auf einen klassischen Innovationsbegriff,
der sich an einer ‚stofflichen’, materiellen Genese orientiert und demzufolge auf
technologische Neuerungen und Produkte abhebt. Die Konzentration auf die ‚stofflichen’
Innovationen verstellt den Blick auf soziale Innovationen, neue Geschäftsmodell
(z.B. im Groß-/Einzelhandel) oder Prozessinnovationen, die gleichermaßen zu
Beschäftigungswachstum führen können. Nicht-stoffliche Innovationen im Gesundheitswesen
können bspw. neue integrative Versorgungskonzepte, neue Leistungsangebote,
Zertifizierungen oder die Einführung neuer Qualitätsstandards sowie neue
Organisationskonzepte sein. Durch eine Engführung des Innovationsbegriffs auf die
produktiven, wertschöpfenden Segmente bleiben Chancen für den Ausbau der Gesundheitsregion
ungenutzt.
Eine Entwicklungsstrategie zur Förderung der saarländischen Gesundheitswirtschaft
sollte einen erweiterten Innovationsbegriff zugrunde legen und eine ganzheitliche
62

Ausrichtung haben, um möglichst alle Wachstumspotenziale ausschöpfen zu können.
Mit einer ganzheitlichen Entwicklungsstrategie ist gemeint, dass sämtliche Sparten
der Gesundheitswirtschaft aus dem ersten Gesundheitsmarkt in eine Förderstrategie
oder einen Masterplan einbezogen werden. Angesichts der kleinräumigen und
überschaubaren Strukturen der saarländischen Gesundheitswirtschaft könnte eine
integrative Strategie größere Effekte erzielen als eine Strategie der High-Tech-
Spezialisierung, die zu einer Exklusion der Dienstleistungs- und Handelssparten
führt.
Eine Entwicklungsstrategie wiederum, die primär auf jene Randbereiche der Gesundheitswirtschaft
fokussiert, die eher dem zweiten Gesundheitsmarkt zuzuordnen
sind, hat wahrscheinlich geringere Erfolgsaussichten. Im Vergleich zu touristisch attraktiveren
Regionen wäre eine Marketingstrategie, die primär auf den Ausbau des
Gesundheitstourismus im Saarland setzt, angesichts der ungünstigeren Rahmenbedingungen
weniger erfolgversprechend. Das Saarland würde damit in unmittelbare
Konkurrenz zu anderen Gesundheitsregionen treten, die in diesen Segmenten strukturell
besser aufgestellt sind und größere Standortvorteile genießen.
Ein naheliegender Schritt aus den Erkenntnissen der Arbeitsgruppe wäre eine Integration
der Gesundheitswirtschaft in die Clusterpolitik des Saarlandes, um deren Potenziale
stärker zu fördern. Derzeit gibt es drei durch ein aktives Cluster-Management
gesteuerte und geförderte Wirtschaftscluster: IT-Cluster, Automotive-Cluster
und NanoBio-Cluster. Im Hinblick auf die Beschäftigtenzahlen wäre ein Cluster Gesundheitswirtschaft
am bedeutsamsten. Die Gesundheitswirtschaft im Saarland beschäftigt
immerhin rund 10.000 Arbeitnehmer mehr als das Automotive-Cluster und
in Summe so viele Arbeitskräfte wie alle drei Cluster zusammengenommen. Der
quantitative Beitrag der Gesundheitswirtschaft zum Beschäftigungswachstum der
letzten Jahre war wesentlich höher als derjenige dieser drei Cluster. Da auch die zukünftigen
Wachstumschancen der Gesundheitswirtschaft insgesamt eher günstig
sind, wäre es aus strukturpolitischer Perspektive geboten, diesen ‚Jobmotor’ durch
flankierende Maßnahmen zu stärken. Sinnvoll wäre die Erstellung eines Masterplans,
anhand dessen konkrete Leitprojekte und Maßnahmen für die Gesundheitswirtschaft
im Saarland abgeleitet werden könnten.
Ein aktiv gesteuertes Cluster-Management bietet Chancen und Möglichkeiten zu einer
Standortprofilierung als Gesundheitsregion. Dadurch würde nicht nur eine Plattform
zur systematischeren Vernetzung entstehen, die Kooperationen und einen intensiveren
Wissensaustausch fördert, sondern auch eine stärkere Vermarktung nach
außen ermöglicht. Bei einer Engführung des Clusterzuschnitts allein auf die ‚Health
Care-Industries’ wäre das Risiko gegeben, dass die Wachstumspotenziale der Gesundheitswirtschaft
nicht ausgeschöpft werden. Es gibt in der medizinisch-technischen
Forschung und Entwicklung nicht nur Schnittstellen zur Industrie, sondern ebenso
zu den Einrichtungen des Gesundheitswesens. Eine weite Clusterdefinition,
die sowohl produktive wie dienstleistungsbezogene Sparten der Gesundheitswirtschaft
einbezieht, hätte den Vorteil, dass auch der Wissens- und Technologietransfer
63

in das Gesundheitswesen, d.h. in die Einrichtungen der medizinischen Versorgung,
der Pflege und der medizinischen Rehabilitation sichergestellt werden könnte. Dadurch
lassen sich zwei Zielsetzungen der Clusterpolitik verknüpfen: a) Beschäftigungswachstum
durch Förderung von Innovationen, b) Sicherstellung eines Wissens-
und Technologietransfers in die Einrichtungen des Gesundheitswesens als
Beitrag zur Qualitätssicherung und zur Erhöhung des Leistungs- und Versorgungsstandards.
Letzteres wiederum würde die Wettbewerbsposition der Versorgungseinrichtungen
und damit auch der Gesundheitsregion Saar insgesamt stärken.
Ein derartiger Entwicklungspfad, der sich an einer High-Road-Strategie orientiert,
bietet Chancen für das Saarland, ‚wissensintensive’ Arbeitsplätze vor allem im Bereich
der höher- und hochqualifizierten Beschäftigung zu schaffen. Um die regionale
Gesundheitswirtschaft zu stärken, wäre es sicherlich vorteilhaft, diese nicht nur in die
Innovationsstrategie einzubinden und durch Clusterbildung zu fördern, sondern darüber
hinaus strategisch mit der Ansiedlungs- und Standortpolitik zu verknüpfen.
Wenn es gelingt, weitere renommierte Forschungsinstitute sowie industrielle Unternehmen
aus der Medizintechnik, Biotechnologie und verwandten Technologiefeldern
ins Saarland zu holen, sind Beschäftigungszuwächse schneller zu realisieren als
durch ein endogenes Wachstum allein aus dem bestehenden Unternehmens- und
Forschungsbestand heraus.
Während auf der Politikebene das Thema Gesundheitswirtschaft erst langsam und
eher zögerlich als zukunftsfähiges Handlungsfeld ‚entdeckt’ wird, sind die Wirtschaftsverbände
schon länger aktiv, um die Gesundheitswirtschaft resp. deren produktive
Branchen stärker zu fördern Die Förder- und Unterstützungsaktivitäten von
Industrie- und Handelskammer und ZPT (Zentrale für Produktivität und Technologie
e.V.) konzentrieren sich gemäß ihres Auftrags auf die gewerblichen Anbieter und
Hersteller aus der Vor- und Zulieferindustrie der Gesundheitswirtschaft. Neben Beratung
und Unterstützung für die Unternehmen gehören Messebeteiligungen auf weltweiten
Branchenfachmessen zu den wichtigsten Aktivitäten. Die ZPT organisiert
– unter anderem mit Landesmitteln – Saar-Gemeinschaftsstände auf internationalen
Messen und Kooperations- und Kontaktbörsen, um die Suche nach neuen Geschäftspartnern
zu erleichtern. Um die interregionalen Kontakte und Kooperationen
auszubauen, fand 2004 erstmals eine Kontaktbörse für Medizintechnik-Unternehmen
in der Großregion Saar-Lor-Lux statt (vgl. Martin 2005), die aufgrund des regen Zuspruchs
bereits wiederholt wurde.
Seit etwa einem Jahr existiert eine privatwirtschaftliche Initiative, die eine aktivere
Vermarktung und Profilierung der saarländischen Gesundheitswirtschaft anstrebt. Sie
hat sich als Verein „Gesundheitsregion Saar e.V.“ konstituiert. Zu den Mitgliedern
des Vereins zählen rund 30 Vertreter aus Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft,
Medizin und Politik. Eines der wichtigsten Ziele besteht darin, ein Forum für Kontakte
zu schaffen, um Kooperationen zwischen Forschung, Medizin und Wirtschaft zu erleichtern.
64

5.3 Innovationskerne und -potenziale der Gesundheitswirtschaft Saar
Innovationen gelten als Schlüssel für Wachstum und Beschäftigung. Auch das Saarland
setzt zunehmend auf Innovationen und Schlüsseltechnologien, um zukunftsfähige
Arbeitsplätze zu schaffen. Die Gesundheitswirtschaft ist eine der innovationsaktiven
Branchen, in der wissens- und technologieintensive Entwicklungen eine zentrale
Rolle spielen. Auch die saarländische Gesundheitswirtschaft weist in ihrer Wertschöpfungskette
innovative Kerne in Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf,
die über eine ausreichende Substanz und Kompetenz zur Generierung weiteren
Wachstums verfügen. Innovationsforscher gehen davon aus, dass Innovationsimpulse
primär aus dem Wissens- und Technologietransfer entlang der Wirkungskette
Wissenschaft, Forschung und Wirtschaftsunternehmen resultieren. Je enger die Kooperationen
und Vernetzungen zwischen diesen drei Bereichen sind, desto größer
dürfte der Innovationserfolg in Form vermarktbarer Produkte sein. Voraussetzung
sind nicht nur Vernetzungen und Kooperationen, sondern auch die Verfügbarkeit an
qualifizierten Arbeitskräften. Dies wiederum setzt das Vorhandensein adäquater
(Aus-)Bildungsstrukturen und qualifizierter Arbeitskräfte in der Region voraus.
Die Universität des Saarlandes ist die einzige akademische Ausbildungsstätte für
den Medizinberuf. Die medizinische Fakultät bietet die Studiengänge Humanmedizin
und Zahnmedizin an. In 2006 waren für beide Studiengänge 1853 Studentinnen und
Studenten eingeschrieben (Quelle. Statistisches Landesamt des Saarlandes). An der
Universität wird auch der Studiengang Pharmazie angeboten, um angehende Pharmakologen
und Apotheker auszubilden. Im Wintersemester 2005/06 waren 290 Studierende
für das Fach Pharmazie eingeschrieben.
Die Industrieunternehmen und die Forschungseinrichtungen benötigen für ihre medizinisch-technischen
Entwicklungen neben Ärzten und Pharmazeuten vor allem naturwissenschaftlich-technisch
ausgebildetes Personal und Ingenieure. Im Zuge der
Neuausrichtung der Universität in den 90er Jahren wurde das Studienangebot stärker
auf diese spezifischen Arbeitsmarktbedarfe hin ausgerichtet. Die naturwissenschaftlich-technischen
Fachrichtungen und Kapazitäten wurden systematisch ausgebaut
und um neue zukunftsträchtige interdisziplinäre Studiengänge im Grenzbereich
der Medizin wie Bioinformatik, Biomedizin, Human- und Molekularbiologie, Biotechnologie
ergänzt.
An der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW) wurden mittlerweile
zwei Studiengänge eingerichtet, die für die Gesundheitswirtschaft von Relevanz
sind. Dies betrifft einmal den Studiengang Biomedizinische Technik, der einen
Bachelor- und Master-Abschluss bietet, zum anderen den Studiengang Pflegemanagement.
Nicht nur die Ausbildung und Lehre, auch ein großer Teil der medizinischen Forschung
erfolgt im Saarland in der Universität, dem Universitätsklinikum und den größeren
Krankenhäusern. Die medizinische Fakultät der Universität setzt auf Schwerpunktbildungen
in der Forschung, u.a. in der Biomedizin, so dass interdisziplinäre
65

Forschungsgruppen stärker gefördert werden können. Explizites Ziel dieser Forschungsgruppen
ist die Einbettung in regionale, nationale und internationale Expertennetzwerke.
Neben einem von der DFG geförderten Sonderforschungsbereich und
einer klinischen Forschungsgruppe existieren drei Graduiertenkollegs zur Nachwuchsförderung,
wobei eines dieser Graduiertenkollegs in Zusammenarbeit mit der
Universität Kaiserslautern betrieben wird. Darüber hinaus werden eine Vielzahl an
Drittmittelprojekten gefördert, die Kooperationen mit Industriepartnern beinhalten.
Diese Kooperationsprojekte befassen sich insbesondere mit Forschungsthemen zur
Genetik, Diagnostik und zur Therapie von Volkskrankheiten.
Im Jahr 2005 wurde das Kompetenzzentrum ‚Molekulare Medizin’ (KoMM) in Homburg
eingerichtet. Das Zentrum ist ein gutes Beispiel für eine gelebte Kooperation
zwischen Forschung und Wirtschaft. Im KoMM arbeiten Ärzte aus dem Universitätsklinikum
Homburg bei der Entwicklung innovativer Lösungen eng mit saarländischen
Biotechnologieunternehmen zusammen. Die Zentrenbildung verfolgt mehrere Ziele
und Aufgaben: Stärkung der Forschung an den Schnittstellen von biomedizinischen
Grundlagen, klinischer Medizin und angewandter technischer Entwicklung; Wissens-
und Technologietransfer in die Wirtschaftsunternehmen, Förderung des wissenschaftlichen
Nachwuchses und weitere Bündelung von Ressourcen und Kompetenzen
zur Etablierung neuer Forschungsprojekte. Der Technologietransfer richtet sich
vor allem auf die aus dem KoMM ausgegründeten Unternehmen mit dem Ziel, neue
zukunftsfähige Arbeitsplätze für die Region zu schaffen.
Forschung im medizinisch-technischen Bereich betreiben im Saarland nicht nur die
universitären Einrichtungen, sondern auch renommierte außeruniversitäre Institute.
Auf diesem Forschungsfeld aktiv sind insbesondere das Fraunhofer Institut für Biomedizinische
Technik (IBMT) und das Institut für Bioinformatik am Max-Planck-
Institut für Informatik. Die Forschungsarbeiten des IBMT sind anwendungsorientiert,
zahlreiche technische Lösungen entstehen in enger Kooperation mit oder im Auftrag
von Industriepartnern. Das Leistungsspektrum des IBMT umfasst vor allem die Gebiete
Biomedizin/Medizintechnik, Medizin-Telematik, Nan(bio)technologien und Biohybrid-Technologien.
Auf dem Gebiet der Kryotechnologie entwickelte das IBMT
neuartige technologische Lösungen für die Kryokonservierung. Diese technologische
Neuentwicklung wurde genutzt für die Einrichtung eines Zentrums für Kryobiotechnologie
in Sulzbach. Dort entstand eine der weltweit modernsten Kryobanken für Zellproben.
Mit Fördermitteln aus der Bill & Melinda-Gates Stiftung sowie einer Kofinanzierung
durch das Saarland und die Fraunhofer Gesellschaft wird seit 2006 unter
Konsortialführung des IBMT eine globale HIV-Kryobank zur Entwicklung eines HIV-
Impfstoffes in Sulzbach aufgebaut. Wenngleich die Kooperationen des IBMT mit
saarländischen Unternehmen für den Technologietransfer in die Wirtschaft nur von
untergeordneter Bedeutung sind, profitiert das Saarland dennoch unmittelbar von
den Innovations- und Forschungserfolgen des IBMT – nämlich als Standort für avancierte
Hochtechnologieforschung und durch die Schaffung neuer wissensintensiver
Arbeitsplätze.
66

Die oben genannten Forschungsschwerpunkte und Forschungseinrichtungen geben
keinen vollständigen Überblick über die saarländische medizinisch-technische Forschungslandschaft
wieder. Sie sollen lediglich exemplarisch belegen, dass das Saarland
in bestimmten Bereichen der medizinisch-technischen Forschung über ein innovatives
Potenzial verfügt, das anschlussfähig ist für neuartige Technologien und
Entwicklungen.
Das wissenschaftliche Personal im Lehr- und Forschungsbereich für Humanmedizin,
Pharmazie und Zahnmedizin umfasst für das Jahr 2005 rund 1.500 Personen (Quelle:
GBE-Bund): Nicht eingerechnet sind dabei die Ärzte, die unabhängig von Lehraufgaben
eigene medizinische Forschungen in den Krankenhäusern betreiben. Bei
einer konservativen Arbeitsplatzberechnung, in die lediglich die Arbeitsplätze von
zwei der saarländischen Forschungseinrichtungen mit direktem Bezug zur medizinisch-technischen
Forschung – MPI und IBMT – sowie das medizinische Hochschulpersonal
einbezogen werden, ergibt sich für 2005 ein Saldo von rund 2.200 Arbeitsplätzen,
die die saarländische Gesundheitswirtschaft im Bereich der medizinischtechnischen
Forschung vorhält. Seit dem Jahr 2000 sind rund 400 Stellen, davon 330
Stellen beim Hochschulpersonal und rund 70 in den Forschungseinrichtungen, hinzugekommen,
was einem prozentualen Zuwachs von 18 Prozent entspricht.
Die positive Beschäftigungsentwicklung in der medizinischen Forschung wird allerdings
gebremst durch zwei Faktoren. Zum einen liegt das Saarland sowohl bei den
Ausgaben für Hochschulen als auch bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung
deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Zum anderen wird die medizinische
Forschung in den Krankenhäusern durch die Einführung der Fallpauschalen (DRG)
zunehmend schwieriger, weil die dafür notwendigen personellen und finanziellen Kapazitäten
zurückgefahren werden. Auch bei der Besetzung von Chefarzt- und Professorenstellen
bekommt das Saarland zunehmend Probleme, renommierte Mediziner
zu gewinnen, weil diese andernorts wesentlich attraktivere Angebote für die finanzielle,
personelle und sachliche Ausstattung der Lehrstühle und für Forschung
erhalten.
Der Wissenstransfer zwischen der (angewandten) medizinischen und medizintechnischen
Forschung und der Hochschule wird primär durch personenbezogene Kooperationen
sichergestellt, wobei durch die Lehrtätigkeit des Forschungspersonals und
die Rekrutierung von wissenschaftlichen Nachwuchskräften Vernetzungen gefördert
werden. Auch durch universitäre Ausgründungen werden Kooperationen zwischen
den neuen Unternehmen und Hochschul- und Forschungseinrichtungen erleichtert,
wozu sicherlich auch die räumliche Nähe von Starterzentrum und Science Park zur
Universität beiträgt.
Die Wirtschaft profitiert von einem Wissens- und Technologietransfer immer dann,
wenn es gelingt, aus anwendungsbezogenen Forschungsergebnissen vermarktbare
Produkte und Lösungen zu erzeugen. In diesem Transferprozess spielt die Grundlagenforschung
im Vergleich zu angewandter Forschung und Entwicklung nur eine
nachrangige Rolle. Um Spill-over-Effekte innerhalb der Gesundheitswirtschaft zu er-
67

zielen, ist neben einem erfolgreichen Technologietransfer auch eine ‚kritische Masse’
an Betrieben und (anwendungsbezogenen) Forschungseinrichtungen Voraussetzung.
Hinsichtlich der Forschung ist, wie die obigen Ausführungen gezeigt haben,
das Saarland bereits relativ gut aufgestellt. Doch welche Wachstums- und Innovationsdynamik
entfalten die Wirtschaftsunternehmen?
Im Saarland gibt es laut IHK-Branchenreport 36 Industrieunternehmen, die Medizintechnik,
Medizinprodukte oder Pharmaerzeugnisse herstellen und insgesamt rund
2600 Menschen beschäftigen (Martin 2005). Den innovativen Kern der Health Care-
Industries bilden die Hersteller von Medizintechnik und medizinischen Produkten,
während die Pharmabranche, zu der vor allem Generikahersteller gehören, eher geringe
Innovationsaktivitäten entfaltet. Unter den Unternehmen der Medizintechnik ist
Fresenius Medical Care mit rund 1.500 Beschäftigten der mit Abstand größte Arbeitgeber.
Der Dialyse-Hersteller betrieb bis vor einigen Jahren eine große Forschungsabteilung
im Saarland. Außer Fresenius weisen alle anderen saarländischen Medizintechnik-Firmen
eher kleinbetriebliche Strukturen auf. Zahlreiche Neugründungen
resultieren aus universitären Spin-off’s, die sich im Starterzentrum oder im Science
Park angesiedelt haben. Bei den Kleinbetrieben und Neugründungen bleibt abzuwarten,
ob sie den Sprung auf die überregionalen und internationalen Märkte schaffen
und sich in Wachstumsnischen erfolgreich behaupten können. Problematisch sind
nicht nur der hohe Kapitalbedarf und die langen Zertifizierungsfristen für Medizintechnik,
sondern auch der lange Atem, den junge Unternehmen benötigen, um sich
am Markt durchzusetzen. Trotz zahlreicher Geschäftsrisiken ist die Branche ist im
Saarland gewachsen und hat seit 1999 rund 600 neue – hochqualifizierte – Arbeitsplätze
geschaffen. Die innovativen Kerne – Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsunternehmen
- haben zusammen sogar 1.000 neue Arbeitsplätze – und damit
gut jede fünfte neue Stelle in der regionalen Gesundheitswirtschaft – geschaffen.
Tabelle 12: Beschäftigte in den ‚innovativen Kernen’ der Gesundheitswirtschaft, 2006
Innovative Kerne Beschäftigte
Forschungseinrichtungen *
697
Hochschule 1.518
Wirtschaftsunternehmen 2.615
Gesamtzahl 4.830
Quelle: GBE-Bund, * Angaben beziehen sich auf 2005
Der Beschäftigungssaldo für die innovativen Kerne der Gesundheitswirtschaft ergibt
sich aus der Summe der Arbeitsplätze aus den Forschungseinrichtungen, den Hochschulen
und Wirtschaftsunternehmen (vgl. Tab. 12). Insgesamt sind mehr als 4.800
Menschen in diesen Kernbereichen der Innovation beschäftigt, was einem Anteil von
10 Prozent an der Gesamtbeschäftigung in der Gesundheitswirtschaft entspricht.
Die IHK bescheinigt der saarländischen Health-Care-Industries ein hohes Innovationspotenzial:
über die Hälfte der von ihr befragten Unternehmen betreibt Eigenent-
68

wicklungen, zwei Drittel kooperieren regelmäßig mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen
(vgl. Martin 2005), wobei offen bleibt, in welchem Umfang es sich dabei
um Kooperationen mit saarländischen Forschungseinrichtungen handelt. Der
IHK-Branchenbericht führt diverse Beispiele für gelungene Innovationen auf (vgl,
Martin 2005).
Welchen Anteil Innovationen am Arbeitsplatzwachstum haben, die primär auf einem
erfolgreichen innerregionalen Technologietransfer zwischen Forschung und Unternehmen
beruhen, ist schwer zu beurteilen. Räumliche Nähe ist, wie Innovationsforscher
belegen, keine Voraussetzung für Kooperationen und Vernetzungen, zumal die
regionalen Unternehmen häufig auch unmittelbare Konkurrenten sind. Auch die großen
Forschungseinrichtungen wie MPI und IBMT sind, was ihre Aktivitäten und Industriekooperationen
betrifft, national und international, aber keineswegs regional
ausgerichtet. Angesichts der ernüchternden Ergebnisse zahlreicher Studien zum
Technologietransfer sollten die unmittelbaren Verwertungseffekte, die aus der innerregionalen
Wirkungskette Bildung, Forschung und Wirtschaft hervorgehen, nicht überschätzt
werden (vgl. Spielkamp u.a. 1998). Unternehmenskooperationen werden
raum- und regionenübergreifend gespannt und folgen nicht primär den Logiken regionaler
(geographischer) Grenzziehungen, sondern Opportunitäten und realen Verwertungsinteressen.
Innovationserfolge von Unternehmen resultieren nämlich vor allem aus Impulsen aus
dem direkten Unternehmensumfeld – Kunden, Wettbewerber, Lieferanten, Partnerunternehmen.
Forschungskooperationen mit Universitäten oder Forschungseinrichtungen
hingegen sind demgemäss eher von nachrangiger Bedeutung (vgl. Rammer/Schmidt
2003), sofern es sich nicht um Basis- oder Schlüsselinnovationen, sondern
um inkrementale Innovationsaktivitäten handelt. Fakt ist jedoch gleichermaßen,
dass unabhängig davon, wie der Wissens- und Technologietransfer in die Wirtschaft
tatsächlich verläuft und organisiert wird – eher anhand regionaler oder standortübergreifender
Netzwerke – die innovativen Kerne aus Forschung und Unternehmen
neue Arbeitsplätze im Saarland schaffen. Angesichts der bisherigen Beschäftigungsentwicklung
sind die Aussichten auf weiteres Beschäftigungswachstum in den Innovationskernen
der Gesundheitswirtschaft ausgesprochen günstig.
69

6. Grenzüberschreitende Gesundheitswirtschaft – eine Chance für das
Saarland?
Für die Groß-Region Saar-Lor-Lux steht die Frage im Mittelpunkt, wie die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, insbesondere die grenzüberschreitende
Versorgung der Bevölkerung gefördert werden können. In 2003 startete
ein saarländisch-lothringisches Projekt „Santé:Gesundheit – Saar:Moselle“ 24 mit der
Zielsetzung, Informationen zu den gesundheitlichen Versorgungsangeboten und
-bedürfnissen in der Grenzregion zu sammeln und Kooperationsmöglichkeiten zu
eruieren. Auch die beiden im Auftrag des Arbeitsministeriums Rheinland-Pfalz erstellten
Studien (vgl. Geppert 2006, 2007) haben das Ziel, anhand eines Vergleichs der
jeweiligen nationalen Gesundheitssysteme mehr Transparenz herzustellen und die
Chancen für eine grenzüberschreitende Nutzung der Gesundheitsdienstleistungen
auszuloten.
Die ‚Europäisierung’ des Gesundheitswesens schreitet voran, wenn auch langsam
und gegen massive Widerstände der Nationalstaaten, welche die Sozialpolitik als
ausschließlich nationale Aufgabe betrachten. Vor diesem Hintergrund sind auch die
massiven Widerstände gegen die Einbeziehung von Gesundheitsdienstleistungen in
die Dienstleistungsrichtlinie zu sehen. Nichtsdestotrotz ist es für Patienten heute
leichter, sich günstigen Zahnersatz in einer ausländischen Praxis zu verschaffen oder
grenzüberschreitend ambulante Leistungen in Anspruch zu nehmen, sofern die
eigene Krankenkasse die Kostenerstattung übernimmt. Hohe sozial- und leistungsrechtliche
Hürden indes gibt es bei einer grenzüberschreitenden stationären Behandlung,
sofern es sich nicht um eine Notfallversorgung handelt. Doch auch hier zeichnen
sich Veränderungen ab. Durch bilaterale Verträge wie beispielsweise das
deutsch-französische „Rahmenabkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit
im Gesundheitsbereich“ werden die Weichen für eine weitere Öffnung der
Gesundheitswirtschaft gestellt. Der 2005 zwischen Deutschland und Frankreich abgeschlossene
Vertrag bezieht sich ausschließlich auf die Grenzregionen beider Staaten:
auf deutscher Seite auf die Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz
und Saarland, auf französischer Seite auf die Regionen Lothringen und Elsass. Explizites
Ziel des Vertrags ist die Sicherstellung einer durchgehenden – und qualitativ
guten – Gesundheitsversorgung für die Bewohner des Grenzgebiets sowie die Optimierung
des Gesundheitsversorgungsangebots und der Verteilung der personellen
und sachlichen Ressourcen. Der Vertrag ermöglicht erstmals den Abschluss konkreter
Kooperationsvereinbarungen zwischen Einrichtungen des Gesundheitswesens
und Kostenträgern. Saarländische Krankenhäuser könnten jetzt beispielsweise einen
Vertrag mit einem Kostenträger in Lothringen abschließen, um französische Patienten
medizinisch zu versorgen, was für den umgekehrten Fall ebenso gilt. Inwieweit
die Gesundheitseinrichtungen von dieser Option Gebrauch machen werden, um
durch einen grenzüberschreitenden Patiententourismus ihre Wirtschaftlichkeit zu erhöhen,
ist eine noch offene Frage.
24 Ausführlichere Informationen dazu unter http://www.gesundheit-saar-moselle.org/
70

6.1 Grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen
In der Theorie kann eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit sowohl für die Qualität
der Patientenversorgung als auch für eine bessere Auslastung von Krankenhauskapazitäten
und damit für die Sicherung zumindest der vorhandenen Arbeitsplätze
sinnvoll sein. Eine Komplementarität der Strukturen im Saarland und in Lothringen
besteht zunächst einmal augenscheinlich darin, dass es in Lothringen Lücken
in der Versorgung gibt, während das Saarland in vielen Bereichen Überkapazitäten
aufweist. Vor allem wenn es um Untersuchungen mit medizinischen Großgeräten
und um spezielle Krankenhausangebote geht, müssen Patienten in der Region Lothringen
oft lange Wartezeiten und lange Fahrtwege in Kauf nehmen. Auch der Reha-
Bereich ist in Frankreich nicht in gleichem Umfang ausgebaut wie in Deutschland.
Gleichzeitig könnten Einrichtungen im Saarland an einer besseren Auslastung ihrer
Kapazitäten interessiert sein, indem sie Patienten aus Lothringen aufnehmen.
Vermehrte Zusammenarbeit setzt eine Win-Win-Situation voraus. Beide Seiten müssen
erkennbare Vorteile haben, gerade auch die Kostenträger. Eine einseitige Lenkung
von Patientenströmen aus Lothringen in saarländische Einrichtungen wäre jedoch
keine solche Win-Win-Situation. Werden französische Patienten in Deutschland
auf Kosten französischer Kassen behandelt, fürchten diese einen Abfluss von Geld
aus dem französischen Gesundheitssystem, was auch für den umgekehrten Fall gilt.
Jedes System ist bemüht, zunächst die eigenen Kapazitäten auszulasten, die spezifischen
Probleme der Grenzregion sind dagegen aus Sicht dieser Akteure von nachrangiger
Bedeutung.
Ein Ziel des Projektes Gesundheit Saar-Moselle war es, herauszufinden, wo sich die
Gesundheitssysteme des Saarlandes und des Départements Moselle ergänzen
könnten. So gibt es beispielsweise im Saarland kein Krankenhaus, das Schwerbrandverletzte
aufnehmen kann. Diese werden derzeit in eine Unfallklinik in Ludwigshafen
gebracht. Das CHR Metz-Thionville hält derartige Kapazitäten vor. Das
Aufzeigen weiterer solcher komplementärer Kooperationsmöglichkeiten würde den
möglichen Patientenstrom weniger einseitig machen. Von einem grenzüberschreitenden
Gesundheitsmarkt können wiederum die französischen Apotheken stärker
profitieren, weil sie aufgrund der nationalen Preisunterschiede verschreibungspflichtige
Medikamente günstiger abgeben können – auch an deutsche Kunden, sofern
diese Rezepte von deutschen Ärzten vorlegen können.
Um eine grenzüberschreitende stationäre Versorgung der Bevölkerung sicherstellen
zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Strukturell gesicherte
Verständigungsmöglichkeiten sind eine wesentliche Voraussetzung für eine grenzüberschreitende
Patientenversorgung. Ärzte wie Pflegepersonal müssen über ausreichende
Sprachkenntnisse verfügen, um die Patienten angemessen behandeln zu
können. Auch für die Patientenüberleitung und Dokumentation von Patientendaten
müssen Kapazitäten für eine Übersetzung in die Fremdsprache vorhanden sein. Eine
dritte Voraussetzung für eine grenzüberschreitende Patientenversorgung wäre die
71

Schaffung von Anlaufstellen oder „Lotsen“ für die Patienten. Die Möglichkeiten, Gesundheitsdienstleistungen
grenzüberschreitend in Anspruch zu nehmen, dürften derzeit
in der Bevölkerung relativ unbekannt sein. Erst Recht sind sich Patienten über
die Details im Unklaren, ob beispielsweise eine Erstattung durch die Kasse zu erwarten
ist, welche Behandlungen im benachbarten Ausland möglich sind und welche
Einrichtungen es überhaupt gibt etc.
Es gibt nur wenige Daten, inwieweit die Kliniken und Reha-Kliniken im Saarland bereits
französische Patienten versorgen. In 2004 wurde deshalb im Rahmen des Saar-
Moselle-Projektes eine Befragung saarländischer Einrichtungen durchgeführt. Die
Ergebnisse legen nahe, dass „(...) die geringe Anzahl von Personen mit Wohnsitz im
Département Moselle, die in saarländischen Kliniken im Jahr 2003 aufgenommen
wurden, auf eine spärliche Mobilität der Patientinnen und Patienten und auf eine geringe
‚Durchlässigkeit’ der Grenze schließen“ lässt (Mertens 2007: 20). Obwohl 96
Prozent der Krankenhäuser und rund 75 Prozent der Reha-Einrichtungen im Saarland
ausländische Patienten aufnahmen, von denen die meisten wiederum Franzosen
waren, kamen weniger als 1 Prozent aller Krankenhauspatienten aus dem benachbarten
Frankreich. Indes kamen häufiger Patienten aus Luxemburg zur Behandlung
in die saarländischen Hochleistungskliniken, weil Luxemburg bis vor kurzem
keine eigene Klinik zur Maximalversorgung hatte.
Vier der befragten saarländischen Krankenhäuser verfügen über Erfahrungen in einer
grenzüberschreitenden Patientenbehandlung. Als problematisch erscheinen insbesondere
die Sprachprobleme, die unterschiedlichen Sozialsysteme und organisatorische
Abstimmungsschwierigkeiten, vor allem jedoch „abrechnungstechnische
Hürden“ und „schlechte Zahlungsmoral der französischen Kostenträger“ (Mertens
2007: 20). Ein Bereich in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wurde in den
letzten 10-15 Jahren allerdings sehr weit vorangebracht: Das grenzüberschreitende
Rettungswesen.
Trotz der schwierigen Ausgangslage und zahlreicher nationaler Widerstände, die einer
engeren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit entgegenstehen, kam es in
den vergangen vergangenen Jahren zu verschiedenen Kooperationen zwischen
saarländischen und französischen Einrichtungen. So kooperieren etwa Krankenpflegeschulen
miteinander, was auch wechselseitige Praktika beinhaltet. Im psychiatrischen
Bereich werden grenzüberschreitende Mitarbeiter- und Patientenbegegnungen
organisiert. Auch Kooperationen, bei denen leistungsrechtliche Fragen tangiert sind,
sind bereits verwirklicht (vgl. Mertens 2007: 21):
� Eine Vereinbarung zwischen dem Centre Hospitalier Marie-Madeleine in Forbach
und dem Klinikum Saarbrücken aus dem Jahr 2003 ermöglicht die augenärztliche
Untersuchung von Frühgeborenen in Saarbrücken, wodurch Frühgeborenen und
Eltern der lange Transportweg zur Uniklinik Nancy erspart bleibt.
72

� Eine Zusammenarbeit zwischen dem Hôpital Freyming-Merlebach und den SHG-
Kliniken Völklingen ermöglicht die Dialyseversorgung französischer Patienten in
Völklingen.
� Eine Vereinbarung des Hospitalier Marie-Madeleine in Forbach und dem Klinikum
Saarbrücken regelt die Übernahme von Kernspintomographie-Untersuchungen
für Patienten aus Forbach.
Verschiedene weitere Ansätze für Kooperationen sind in einem mehr oder weniger
fortgeschrittenen Planungsstadium, unter anderem im zahnärztlichen Bereich, in der
neurochirurgischen und kardiologischen Notfallmedizin, in der Rehabilitation von
Herz-/Kreislauferkrankungen, sowie zwischen einzelnen Krankenkassen.
6.2 Grenzüberschreitende Beschäftigung
Die Großregion verfügt über einen der größten grenzüberschreitenden Arbeitsmärkte
Europas. Das Saarland spielt dabei vor allem für Einpendler aus Frankreich eine Rolle,
während Auspendler aus dem Saarland überwiegend in Luxemburg arbeiten. Wie
groß der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt für Gesundheitsberufe tatsächlich ist,
darüber liegen keine belastbaren Daten vor. Experten gehen aber davon aus, dass
der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt auch in der Gesundheitswirtschaft eine, wenn
auch geringe, Rolle spielt. Der Luxemburger Arbeitsmarkt ist attraktiv für saarländische
Arbeitskräfte aus dem Pflegebereich und für Ärzte, weil die Arbeitsbedingungen
deutlich besser und die Verdienstmöglichkeiten um ein Drittel höher als im Saarland
sind. Vor allem nordsaarländische Einrichtungen beklagen den ‚Brain-drain’ der qualifizierten
Fachkräfte aus den Gesundheitsberufen.
Die Grenzgänger haben auch als Patienten einen besonderen Rechtsstatus. Sie
können in dem jeweiligen Land, in dem sie arbeiten, auch die Leistungen des Gesundheitssystems
in Anspruch nehmen. Da die Grenzgängerströme sehr einseitig
zwischen Lothringen und dem Saarland verlaufen, dürften die saarländischen Gesundheitseinrichtungen
auch stärker von dieser Klientel profitieren als umgekehrt.
Die zunehmenden Kooperationen im Gesundheitswesen und die grenzüberschreitenen
Politikinitiativen zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung bieten
durchaus Wachstumschancen für die saarländische Gesundheitswirtschaft. Diese
dürfen aber angesichts der nationalen Widerstände und der Eigeninteressen der regionalen
Gesundheitsakteure nicht überschätzt werden.
73

7. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
In der Studie wird die saarländische Gesundheitswirtschaft aus drei Perspektiven
– einer synergetischen, einer komparativen und einer idiosynkratischen – erfasst,
beschrieben und analysiert, um ihre Spezifika, ihre Stärken und Besonderheiten sowie
ihre generelle wirtschafts- und beschäftigungspolitische Bedeutung für den
Standort zu verdeutlichen. Zu den wichtigsten Erkenntnissen und Ergebnissen gehören
insbesondere:
� Im Ländervergleich verfügt das Saarland über den vierthöchsten Anteil an Beschäftigten
in der Gesundheitswirtschaft. Während im Bund jeder achte Beschäftigte
in der Gesundheitswirtschaft tätig ist, ist es im Saarland bereits jeder siebte.
� Insgesamt arbeiten derzeit rund 61.000 Erwerbstätige in der saarländischen Gesundheitswirtschaft,
darunter knapp 50.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte,
8.800 geringfügig Beschäftigte und 2.600 Selbstständige. Bei Einberechnung
der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse im Nebenjob erhöht sich die
Gesamtzahl der Erwerbstätigen um 3000 auf 64.000 Personen.
� Die Gesundheitswirtschaft im Saarland ist ein Job- und Wachstumsmotor. Während
die Beschäftigtenzahlen insgesamt in den letzten Jahren stetig zurückgingen,
wuchs indessen die Beschäftigung in der Gesundheitswirtschaft um knapp
11 Prozent. Die Branche hat seit 1999 rund 4.700 neue Arbeitsplätze geschaffen.
Den größten Anteil daran hatten die Pflegeeinrichtungen und die Unternehmen
aus dem Handel. Gut jeder fünfte neue Arbeitsplatz entstand in den Forschungseinrichtungen
und den High-Tech-Unternehmen, also in den innovativen Kernen
der Gesundheitswirtschaft.
� Im Vergleich zum Bund weist die saarländische Gesundheitswirtschaft prozentual
mehr Beschäftigte aus in der stationären medizinischen Versorgung, im Handel
und in der Forschung, während die Beschäftigtenquote in der ambulanten medizinischen
Versorgung, im Pflegebereich, in der Rehabilitation und bei den Health-
Care-Herstellern unter dem Bundesschnitt liegt.
� Günstige Wachstumsprognosen haben vor allem der Großhandel, die Innovationskerne
mit den Health-Care-Unternehmen und den Forschungseinrichtungen
sowie Anbieter von ambulanten und mobilen Reha-Leistungen. Für den stationären
medizinischen Bereich hingegen werden strukturelle Anpassungen erwartet,
die eher zu einer Konsolidierung der Beschäftigung führen, während umgekehrt
der ambulante medizinische Bereich aufgrund neuer Versorgungskonzepte Kapazitäten
aufbauen wird. Der Pflegemarkt indes gilt als gesättigt.
Die Gesundheitswirtschaft gilt als ausgesprochene Wachstums- und Zukunftsbranche.
Dieses Versprechen löst auch die regionale Gesundheitswirtschaft ein, wenngleich
sich das Beschäftigungswachstum je nach Branche unterschiedlich stark entwickelt
hat. Bestimmte regionale Arbeits- und Gesundheitsmärkte wie der Pflegemarkt
und der Apothekensektor gelten als gesättigt, andere wiederum werden sich
74

eher auf dem jetzigen Niveau konsolidieren, weil sie wie die Krankenhäuser unter
hohem Anpassungs- und Kostendruck stehen, während weitere wie beispielsweise
das Gesundheitshandwerk mit Umsatzeinbußen zu kämpfen haben. Für die Gesundheitswirtschaft
insgesamt sind die Aussichten auf weiteres Beschäftigungswachstum
sehr günstig.
Innovationsimpulse aus dem Wissens- und Technologietransfer zwischen Forschung
und Unternehmen sollen mehr Wachstum und insbesondere neue – hochqualifizierte
– Arbeitsplätze vor Ort schaffen. Tatsächlich haben diese ‚Innovationskerne’ der Gesundheitswirtschaft
des Saarlandes dieses Versprechen eingelöst: sie haben zu einem
nicht unerheblichen Teil zum regionalen Arbeitsplatzwachstum in dieser Branche
beigetragen: Immerhin jede fünfte neue Stelle in der Gesundheitswirtschaft entstand
in diesen Innovationskernen. Ob diese Stellenzuwächse unmittelbar auf der
regionalen Wirkungskette zwischen Forschung und Wirtschaft beruhen oder ob der
Technologietransfer eher auf raumunabhängigen Kooperationen zurückgeht, kann
indes nicht abschließend beurteilt werden.
Während andere Bundesländer und Regionen die Potenziale der Gesundheitswirtschaft
als Beschäftigungsmotor und als Standortfaktor längst erkannt haben und dabei
sind, sich strategisch als Gesundheitsregionen zu positionieren, sind im Saarland
noch keine konkreten Aktivitäten auf Politikebene zu beobachten. Dabei gäbe es
aufgrund der Wachstumschancen und der hohen Beschäftigtenzahl gute Gründe, die
Gesundheitswirtschaft strategisch in die Regionalentwicklung einzubetten, d.h. sie
systematisch in die Standort- und Wirtschaftspolitik bzw. in die Innovationsstrategie
zu integrieren. Ein Entwicklungspfad zur Förderung der regionalen Gesundheitswirtschaft
sollte nicht einer Strategie der Spezialisierung folgen, sondern sich an einer
ganzheitlichen, integrativen Strategie ausrichten, um Entwicklungschancen und
Wachstumspotenziale aller Gesundheitssparten besser ausschöpfen zu können.
Auch durch vermehrte Kooperationen zwischen Gesundheitseinrichtungen und Unternehmen
innerhalb der Großregion Saar-Lor-Lux können sich ebenso wie im Zuge
einer zunehmenden Liberalisierung der bislang weitgehend abgeschotteten nationalen
Gesundheitsmärkte perspektivisch Chancen für die saarländische Gesundheitswirtschaft
ergeben. Die saarländische Gesundheitswirtschaft profitiert bereits in Ansätzen
von ihrer geographischen Lage, indem sie Patienten aus Rheinland-Pfalz und
Luxemburg mitversorgt und dadurch ihre Kapazitäten in der stationären medizinischen
Versorgung besser auslastet. Durch einen deutsch-französischen Rahmenvertrag
sind zudem die Weichen für eine grenzüberschreitende Patientenversorgung
gestellt. Ob dieser Vertrag tatsächlich mit Leben gefüllt wird, hängt allerdings entscheidend
davon ab, ob langfristig eine echte Win-Win-Situation sowohl für die saarländische
wie auch für die lothringische Gesundheitswirtschaft entsteht.
75

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78

Anhang:
Abb.1: Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung insgesamt und in der
Gesundheitswirtschaft in Deutschland
Anzahl in Mio.
28
28
27
27
26
26
25
27,48
3,20
27,83 27,82
3,26
3,31
27,57
3,41
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte insgesamt Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Gesundheitswirtschaft
Quelle: Statistisches Bundesamt, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, eigene Berechnungen
26,95
3,44
26,52
3,45
26,18
3,48
26,35
3,50
3,6
3,5
3,5
3,4
3,4
3,3
3,3
3,2
3,2
3,1
3,1
79

Tabelle1: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Wirtschaftsunterklassen im Saarland (Arbeitsort) 1999-2006 25
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Insgesamt Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 350.864 356.206 357.274 353.455 348.246 344.682 340.613 339.614
Hersteller / Vor- und Zulieferer 3.083 3.171 3.466 3.351 3.495 3.424 3.460 3.537
Industrie 2.113 2.171 2.435 2.310 2.470 2.391 2.462 2.615
Herstellung von pharmazeutischen Grundstoffen
Herstellung von pharmazeutischen Spezialitäten und sonstigen
8 5 9 12 12 12 15 19
pharmazeutischen Erzeugnissen 903 660 708 590 640 612 660 750
Herstellung von elektromedizinischen Geräten und Instrumenten 1.000 1.317 1.523 1.498 1.606 1.576 1.593 1.640
Herstellung von medizintechnischen Geräten 202 189 195 210 212 191 194 206
Gesundheitshandwerk 970 1.000 1.031 1.041 1.025 1.033 998 922
Herstellung von orthopädischen Erzeugnissen 333 337 335 327 329 324 312 318
Zahntechnische Laboratorien 539 563 588 599 597 611 590 521
Herstellung von augenoptischen Erzeugnissen 98 100 108 115 99 98 96 83
Handel 3.427 3.630 3.985 4.588 4.618 4.457 4.437 4.472
Großhandel
Handelsvermittlung von pharmazeutischen Erzeugnissen, medizinischen
und orthopädischen Artikeln und Laborbedarf, Ärztebedarf,
Dentalbedarf, zahnärztlichen Instrumenten, Krankenhaus- und
1.270 1.313 1.539 2.066 2.048 1.916 1.849 1.813
Altenpflegebedarf 228 98 78 185 180 175 100 97
Großhandel mit pharmazeutischen Erzeugnissen
Großhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln und
655 787 988 1.412 1.358 1.203 1.201 1.192
Laborbedarf 357 390 432 426 466 494 505 503
Großhandel mit Dentalbedarf 30 38 41 43 44 44 43 21
Einzelhandel 2.157 2.317 2.446 2.522 2.570 2.541 2.588 2.659
Apotheken 1.803 1.820 1.868 1.916 1.947 1.900 1.955 2.025
Einzelhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln 354 497 578 606 623 641 633 634
Forschung und Entwicklung 592 629 614 636 662 667 676 697
Forschung und En t w icklung im Bereich Medizin 592 629 614 636 662 667 676 697
25 Die Klassifikation der Wirtschaftszweige wurde 2003 von der WZ93 auf die WZ03 umgestellt. Damit geht teilweise eine neue Zuordnung von Beschäftigten zu Wirtschaftsunterklassen
einher, die Vergleiche möglicherweise problematisch macht. Bezüglich der hier in die Berechnung eingehenden Wirtschaftsunterklassen ist dieser Vergleich dennoch
möglich, da nur eine der aufgenommenen Wirtschaftsunterklassen von einer Neuzuordnung betroffen ist: Die Wirtschaftsunterklasse Öffentliche Verwaltung auf dem Gebiet
des Gesundheitswesen und des Sports der WZ 93 wurde zu zwei getrennten Wirtschaftsunterklassen in der WZ03, nämlich erstens in Öffentliche Verwaltung auf dem Gebiet
Gesundheitswesen und zweitens in Öffentliche Verwaltung auf dem Gebiet Sport. Die Anzahl der Beschäftigten, die von dieser Umordnung betroffen ist, ist vernachlässigbar,
so dass Vergleiche über das Jahr 2003 bedenkenlose möglich sind (vgl. Statistisches Bundesamt 2003).
80

Fortsetzung Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Wirtschaftsunterklassen im Saarland (Arbeitsort) 1999-2006
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Verwaltung 3.330 3.375 3.405 3.436 3.393 3.229 3.469 3.635
Krankenversicherungen 873 909 951 1.058 1.057 856 1.083 1.135
Öffentliche Verwaltung auf dem Gebiet Gesundheitswesen 87 78 62 40 35 33 33 31
Gesetzliche Krankenversicherung (ohne knappschaftliche
Krankenversicherung) 1.299 1.415 1.445 1.427 1.415 1.436 1.441 1.570
Knappschaftliche Krankenversicherung 381 289 272 306 320 314 316 355
Gesetzliche Unfallversicherung 103 120 120 118 120 131 132 119
Sonstige Anstalten und Einrichtungen des Gesundheitswesens 534 508 491 419 374 387 389 351
Organisationen des Gesundheitswesens 53 56 64 68 72 72 75 74
Stationäre Versorgung 19.148 19.182 19.065 19.509 19.552 19.451 19.556 19.530
Krankenhäuser und Hochschulkliniken (ohne Vorsorge- und
Rehabilitationskliniken) 2) 16.815 16.832 16.594 17.019 17.044 16.952 17.070 17.039
Vorsorge- und Rehabilitationskliniken 2.117 2.131 2.219 2.231 2.219 2.200 2.155 2.149
Krankentransport- und Rettungsdienste 216 219 252 259 289 299 331 342
Ambulante Versorgung 7.982 7.939 8.016 8.301 8.509 8.473 8.494 8.470
Arztpraxen für Allgemeinmedizin und Praxen von praktischen Ärztinnen
und Ärzten 1.621 1.614 1.591 1.601 1.615 1.619 1.641 1.634
Facharztpraxen (ohne Arztpraxen für Allgemeinmedizin) 3.413 3.435 3.450 3.546 3.643 3.568 3.561 3.557
Zahnarztpraxen 2.068 2.027 2.073 2.117 2.165 2.208 2.165 2.090
Praxen von psychologischen Psychotherapeutinnen und - therapeuten
Massagepraxen, Praxen von medizinischen Bademeisterinnen und
Bademeistern, Krankengymnastikpraxen, Praxen von Hebammen und
30 38 44 49 50 49 56 62
Entbindungspflegern sowie von verwandten Berufen 648 598 616 702 728 718 713 737
Heilpraktikerpraxen 37 36 33 35 45 39 44 42
Sonstige selbstständige Tätigkeiten im Gesundheitswesen 165 191 209 251 263 272 314 348
Pflege 7.451 7.703 7.985 8.358 8.658 8.879 9.145 9.406
Altenwohnheime 199 196 210 227 225 225 230 231
Altenheime 850 870 871 887 947 1.102 1.144 1.295
Altenpflegeheime 3.548 3.656 3.883 4.058 4.263 4.342 4.503 4.481
Einrichtungen zur Eingliederung und Pflege Behinderter 1.271 1.337 1.351 1.421 1.455 1.502 1.547 1.670
Ambulante soziale Dienste 1.583 1.644 1.670 1.765 1.768 1.708 1.721 1.729
Insgesamt Gesundheitswirtschaft
Anteil der svpfl. Beschäftigten in der Gesundheitswirtschaft an svpfl.
45.013 45.629 46.536 48.179 48.887 48.580 49.237 49.747
Beschäftigten insgesamt 12,8% 12,8% 13,0% 13,6% 14,0% 14,1% 14,5% 14,6%
81

Tabelle 2: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Saarländischen Gesundheitswirtschaft
im Jahr 2006
Hersteller / Vor- und Zulieferer 3.537
Handel 4.472
Forschung und Entwicklung 697
Verwaltung 3.635
Medizinische stationäre Versorgung 19.530
Medizinische ambulante Versorgung 8.470
Stationäre, ambulante und teilstationäre Pflege 9.406
Gesundheitswirtschaft insgesamt 49.747
Quelle: Regionalagentur Rheinland-Pfalz/Saarland, eigene Berechnung
Tabelle 3: Vergleich der Segmente sowie ausgewählter Wirtschaftsunterklassen zwischen
Saarland und Bund hinsichtlich des Anteils an der Gesundheitswirtschaft insgesamt
und hinsichtlich des Beschäftigungszuwachs 1999-2006
Anteil an sozialversicherungspflichtiger
Beschäftigung in der
Gesundheitswirtschaft
Zuwachs an Beschäftigung
1999-2006
Saarland Bund Saarland Bund
Hersteller / Vor- und Zulieferer 7,1% 8,0% 11,5% 11,3%
Herstellung von elektromedizinischen
Geräten und Instrumenten
3,3% 0,7% 64,0% 12,9%
Handel 9,0% 7,5% 23,2% 18,1%
Apotheken 4,1% 3,8% 12,3% 11,2%
Großhandel mit pharmazeutischen Erzeugnissen
2,4% 1,0% 82,0% 17,1%
Forschung und Entwicklung 1,4% 1,2% 10,8% 25,3%
Verwaltung 7,3% 8,3% 7,7% 3,3%
Stationäre Versorgung 39,3% 35,1% 1,8% -0,2%
Kliniken und Hochschulkliniken 34,3% 31,2% 1,3% -1,1%
Vorsorge- und Rehabilitationskliniken 4,3% 3,1% 1,5% 4,7%
Ambulante Versorgung 17,0% 19,4% 6,7% 11,5%
Arztpraxen für Allgemeinmedizin und
Praxen von praktischen Ärztinnen und
Ärzten
3,3% 3,2% 0,8% 0,9%
Facharztpraxen 7,2% 6,7% 4,2% 4,5%
Pflege 18,9% 20,6% 22,1% 25,5%
stationäre Pflege 11,8% 12,6% 30,7% 25,2%
ambulante soziale Dienste 3,5% 4,2% 9,2% 23,3%
Gesundheitswirtschaft insgesamt 100,0% 100,0% 10,5% 9,4%
Quelle: Statistisches Bundesamt, Regionalagentur Rheinland-Pfalz/Saarland, eigene Berechnung
82

Tabelle 4: Auszubildende an Schulen des Gesundheitswesens, Berufsfachschulen und
Fachschulen, Saarland, 2005
Pflegeberufe
Schule,
Fachseminar für …
insgesamt
Auszubildende
davon:
weiblich männlich
Ausbildungsdauer
in Monaten
Gesundheits- und Krankenpfleger 1.205 993 212 36
Altenpfleger 388 320 68 36
Krankenpflegehelfer 47 41 6 12
Gesundheitsfachberufe
Diätassistenten 33 27 6 36
Ergotherapeuten 105 86 19 36
Hebammen/Entbindungspfleger 53 53 0 36
Logopädin/Logopäde 63 57 6 36
MTA für Funktionsdiagnostik 28 20 8 36
MT Laboratoriumsassistenten 44 41 3 36
MT Radiologieassistenten 49 37 12 36
Operationstechnische Assistenten 29 21 8 36
Orthoptisten 7 7 0 36
Pharmazeutisch-technische Assistenten 28 27 1 30
Physiotherapeuten 188 125 63 36
Podologen (Med. Fußpfleger) 31 22 9 24
Rettungsassistenten 60 20 40 24
Heilerziehungspfleger 67 41 26 36
Insgesamt 2.425 1.938 487
Quelle: GBE des Saarlandes, für Altenpflegehelfer liegen keine statistischen Daten vor.
83