Download - Akademie Remscheid
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Handwerker in die Gewinnkategorie einer Eigentumswohnung gelangt. So etwas hat die<br />
Stimmung der Menschen schon zu allen Zeiten beflügelt.<br />
Bildung gilt seit Humboldt und Pestalozzi als Vorgang der Aneignung von Wissen, Können und<br />
Fertigkeiten mit dem Ziel, eine allseits geformte und entwicklungsbereite Persönlichkeit zu<br />
werden. Ursprünglich verstand man unter Bildung die gestaltende Arbeit am Material. So ist der<br />
Begriff der kulturellen Bildung im Grunde ein Pleonasmus, - hätte es nicht in der Vergangenheit<br />
vielfältige Versuche gegeben, die Bildung von der Kultur und damit auch von der Menschlichkeit<br />
und von der Natürlichkeit trennen. Entsprechend beschreibt Schwanitz das Extrembild des<br />
deutschen Bildungsbürgers klischeehaft und pointiert: „Dabei fügten die Nazis ihm etwas<br />
Dämonisches hinzu, eine gehörige Prise Wahnsinn, die sich in der Kontrastierung von kältester<br />
Grausamkeit und sensibelster Musikalität zeigte. In dieser Form wurde der typische Deutsche<br />
als sentimentaler SS-Mann, der abwechselnd Wagner hört und Leute abschlachtet, zur<br />
Standardfigur des amerikanischen Kriegsfilms.“ (Schwanitz, a.a.O. S. 444)<br />
Jeder weiß, dass es sich hierbei um ein Zerrbild handelt. Aber es ist bis heute präsent – nicht<br />
ohne Grund. Schwanitz führt wie andere Kulturwissenschaftler das Fehlen der Frauen in den<br />
stilbildenden Milieus als Ursache an. Beim Militär und in den Universitäten gab es bis ins<br />
vergangene Jahrhundert hinein keine Frauen. Machistische Unkultur, gekennzeichnet durch<br />
Kommando-Ton, Gespreiztheit und Pompösität, schlug auf die bürgerlichen Verhaltensweisen<br />
durch. Noch heute gelten Liebenswürdigkeit, Bescheidenheit, Humor und Zuvorkommen im<br />
Geschäftsleben, aber auch in breiten Kreisen der Politik als Ausdruck von Schwäche und damit<br />
als unprofessionell.<br />
Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – erinnert das gegenwärtig geführte<br />
Bildungsgespräch streckenweise an die Sezierung der „Höhere-Töchter-Bildung“, die<br />
Deutschlands erste Akademikerinnen noch in der Kaiserzeit vornahmen: Damals erhielten die<br />
Töchter der mehr oder weniger vermögenden „gut bürgerlichen“ Familien einen strengen<br />
Schulunterricht in deutscher, englischer und französischer Sprache, in der Literatur- und<br />
Kunstgeschichte, in der Geographie und in der Mathematik. Außerhalb der Schule war<br />
Klavierunterricht Pflicht, dazu gab es Tanzstunden, Konversationszirkel und Einweisungen in die<br />
Führung eines Haushalts. Die Schulbildung endete bei der Mittleren Reife und durfte nur in<br />
Ausnahmefällen mit dem Besuch einer Handels- oder Sprachenschule gekrönt werden.<br />
Abiturientinnen als spätere Akademikerinnen waren auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch<br />
selten. Von Frauen wie Gertrud Bäumer und Helene Lange ist bekannt, dass sie die bürgerliche<br />
Mädchenbildung als Schmierfilm für die politische und wissenschaftliche Karriere der Männer<br />
entlarvt hatten. In der Zeit des Nationalsozialismus waren es übrigens fast immer die Frauen,<br />
die durch eine nach außen besonders kultiviert und gebildet wirkende Gestaltung des<br />
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