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Eva-Maria Oehrens<br />
Bildung im öffentlichen Gespräch<br />
Vom praktischen und unpraktischen Nutzen kultureller Bildung<br />
"Doof sein ist von gestern", behauptet die Frankfurter Rundschau und bietet ihren Lesern in<br />
jedem Samstags-Magazin zehn Fragen zur Allgemeinbildung an. Unter der Schlagzeile<br />
"Bildungslücke" wird breit gestreutes, überwiegend kulturbezogenes und an eine mittlere<br />
Schulbildung gekoppeltes Wissen quer durch alle Lebensbereiche zur Auffrischung bzw. zum<br />
Neuerwerb angeboten. Im Multiple-Choice-Verfahren dürfen wir entscheiden, in welcher Stadt<br />
es die meisten Brücken gibt und ob „Eos“ ein Deodorant, eine griechische Rebsorte oder die<br />
Göttin der Morgenröte ist.<br />
Abfragbares Wissen, das einen überdurchschnittlichen Bildungsstand vermuten lässt, steht<br />
derzeit hoch im Kurs. "Die Zeit" verquickt ihr Kenntnisspiel boshafterweise mit der Frage "Leben<br />
Sie noch?" Womit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die Verfügung über bestimmte<br />
Informationen heute als Indiz für aktive Teilhabe am öffentlichen, sprich: am medienöffentlichen<br />
Leben gilt. Beim TV-Sender RTL kann man mit einem breiten, spontan verfügbaren<br />
Allgemeinwissen relativ viel Geld gewinnen, und das dazugehörige Brett- und Kartenspiel "Wer<br />
wird Millionär?" war beim letzten Weihnachtsfest der absolute Verkaufsschlager.<br />
Aus den Programmdirektionen der Sender tönt es vergnügt, dass man noch nie so preiswerte<br />
Quotenrenner produziert habe wie derzeit im neu entflammten Quiz-Boom. Der finanzielle<br />
Aufwand für Personal, Bühnenshow und Preisgelder ist vergleichsweise gering, die Attraktivität<br />
beim mitratenden und sich ungewöhnlich intensiv identifizierenden Publikum quer durch alle<br />
Alters-, Einkommens- und Bildungsschichten enorm hoch. Nicht zu vergessen die<br />
Medienresonanz als Image-Indikator: Über die Ergebnisse und Erlebnisse bei Quiz-Sendungen<br />
wird in Tageszeitungen, Illustrierten und Fachzeitschriften messbar häufiger und ausführlicher<br />
geschrieben als über Highlights oder Pannen bei Musik- und Show-Programmen. Das erklärt<br />
sich aufgrund der großen Bandbreite der angesprochenen Themen, der „Wie du und<br />
ich“-Kandidaten und ihren Biographien, die einen Aufhänger für die journalistische<br />
Berichterstattung hergeben, nahezu von selbst.<br />
Aber nicht nur die Unterhaltungswelten setzen auf den Marktwert klassischer und damit per<br />
definitionem kultureller, d.h. auf die Geschichte, die Künste und die Wissenschaften sich<br />
beziehender Bildung. Der Ex-Professor, Theaterpädagoge und Publizist Dietrich Schwanitz hat<br />
mit seinem mutigen bis provokanten Versuch „Bildung: Alles was man wissen muss“, die<br />
abendländische Kultur in 500 Seiten zusammenzupacken, ein Zeichen gesetzt. Bildung hat<br />
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eben in mehrfacher Hinsicht Konjunktur: Nicht nur als Spiegelbild und Paradigma<br />
gesellschaftlicher Zuordnungen, sondern auch als Mittel und Gegenstand der privaten<br />
Lebensgestaltung, der Berufswelten und des öffentlichen Gesprächs. Schwanitz versteht es,<br />
Bildung als Allianz von Wissen und Können so zu präsentieren, dass selbst das Trockenrudern<br />
im Atlas der Geschichte zum intellektuellen Vergnügen wird. Sein Buch schafft, dank der<br />
verständlichen und verständnisvollen Sprache, ein Vergnügungs- und Bildungserlebnis<br />
besonderer Art. Bei aller berechtigten Kritik am Fehlen, bzw. am gezielten Aussparen der<br />
modernen Wissens- und Bildungsinhalte aus Wirtschaft, Naturwissenschaften und Technik<br />
bleibt die Lesefreude, einem umfassend gebildeten, zu Selbstironie und Bodenhaftung fähigen<br />
Autor bis in die Ziselierungen des kultivierten Nicht-Wissens hinein folgen zu dürfen.<br />
Spaßige Snob-Ecke<br />
Die Kanonisierung europäischen Bildungswissens, die Schwanitz für das 20. Jahrhundert<br />
vornimmt, ist dabei womöglich weniger neu und interessant als seine Zuordnung<br />
unterschiedlicher Bildungsbegriffe und die Überlegungen zur Wertigkeit verschiedener<br />
Intelligenzen, Begabungen und kreativer Anlagen. Mit seinem genüsslich inszenierten<br />
Provokationskapitel "Was man alles nicht wissen sollte", setzt Schwanitz sich mitsamt der<br />
klassischen Bildungselite zum Schluss noch so spaßig und selbstironisch in die Snob-Ecke,<br />
dass man wieder richtig Freude am Intellektuellen-Job bekommt. Hier saßen sie ja schon immer<br />
- nicht die wirklich Gebildeten, aber die Bildungsphilister und die Überheblichen, die es für<br />
unpassend bis gefährlich halten, sich mit den niederen Faszinationen populärer Alltagskulturen<br />
abzugeben. Unter pädagogischen Gesichtspunkten mag das bedenklich erscheinen, aber als<br />
Gelegenheitsfehltritt macht es einfach Spaß, gehört zur professionellen Psychohygiene und<br />
schärft die didaktische Genauigkeit – insbesondere für Menschen in Kommunikationsberufen -,<br />
die Snob-Position gezielt ins Spiel zu bringen. Nicht zuletzt eröffnet sich in dieser Kategorie ein<br />
Riesenfundus an medienwirksamem Material für Glossisten und Kabarettisten und auch an<br />
methodischen Anregungen für Kultur- und Medienpädagogen, die mit Kindern und Jugendlichen<br />
kritisch und mit den Stilmitteln der Satire über die öffentliche Beachtung bzw. Nicht-Beachtung<br />
von Themen des privaten oder öffentlichen Interesses sprechen.<br />
Schwanitz führt verträglich boshaft aus, wie Bildungswissen als Spielfigur im Kampf um<br />
Anerkennung, Status und Sympathie eingesetzt wird. Seinen Party-Beitrag für Akademiker und<br />
Menschen, die als solche gelten möchten, wird man (bei austauschbaren Vokabeln) immer<br />
wieder gern erkennen: „’Wie Sie wissen, ist der Strukturalismus nur ein verkappter<br />
Neukantianismus. Natürlich werden Sie fragen, wo das transzendentale Subjekt ist. Ich gebe zu,<br />
vielleicht ist es ja kein Subjekt, aber transzendental ist es allemal. Und da frage ich Sie: Ist die<br />
Kulturgeschichte nicht notwendigerweise die Hegelianisierung des Strukturalismus? Trotz der<br />
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antihumanistischen Wende? Und eine überfällige dazu?’ Darauf werden einige Zuhörer<br />
gedankenvoll nicken; einige werden verhalten ‚hmhmhm’ knurren oder ein Geräusch<br />
verursachen wie eine Kuh, die zu muhen anfängt, aber es sich dann anders überlegt…<br />
Hätte aber jemand den Drang verspürt, dem Redner zu antworten, hätte er niemals gesagt:<br />
‚Wovon reden Sie überhaupt?’, selbst wenn das seine Empfindungen am deutlichsten zum<br />
Ausdruck gebracht hätte. Stattdessen hätte er eine Bemerkung gemacht wie: ‚Vom<br />
Kantianismus zum Hegelianismus ist es nur ein Schritt.’… Und er hätte damit das Entzücken<br />
des Vortragenden sowie die Bewunderung der Zuhörer erregt.“ (Dietrich Schwanitz: Bildung.<br />
Alles was man wissen muss. Frankfurt 1999. S. 398)<br />
Meine Mutter erntete in Feiertagsgesprächen über Politik, Bildung, Wissenschaft und Beruf oft<br />
Betretenheit, wenn sie intellektuell und kulturell ambitionierten Freunden oder jungen<br />
Familienmitgliedern im besten Hamburger Missingsch empfahl: „Nu red mal nich so<br />
geschwollen daher, sons ward di dein Hemd to kort.“ Entspannter wurde die Geschichte von der<br />
Kaufmannsfrau aufgenommen, die sich im Buchladen nach einem Lexikon erkundigt, in dem<br />
deutsche Wörter „auf fremdwortsch“ stehen. Schwanitz erklärt plastisch, weshalb es ein<br />
gesellschaftlich akzeptiertes Tabu sei, nach dem man das Niveau der Bildungskommunikation<br />
keinesfalls benennen oder gar zum Gegenstand des Gesprächs machen dürfe, wenn man sich<br />
nicht ins kommunikative Abseits begeben will: „In der Moral ist das ganz üblich; da unterstellt<br />
man eine generelle Anständigkeit als Normalfall. Auf einer Abendgesellschaft wäre es<br />
unangebracht zu fragen: ‚Sagen Sie mal, Herr Dr. Isebrecht, haben Sie schon mal einen<br />
Raubüberfall begangen? Nein? Auch kein Notzuchtverbrechen?’ In der selben Weise unterliegt<br />
die Bildung einem Thematisierungstabu. Es ist also unangebracht, die Bildung des Gegenüber<br />
wie bei einem Quiz zu prüfen nach der Manier: ‚Wer hat den Dom von Florenz erbaut? Was,<br />
das wissen Sie nicht? Und Sie wollen das Abitur haben?’ ... Bildung ist der Name eines sozialen<br />
Spiels, das durch erhöhte Erwartungen und Erwartungserwartungen in bezug auf das kulturelle<br />
Wissen der Mitspieler gekennzeichnet ist.“ (a.a.O., S. 395/6)<br />
Verglichen mit diesen ziemlich verqueren, aber auf der Image- und Status-Ebene äußerst<br />
sensibel gehandelten Vorteilsmengen von Bildungskommunikation mutet das öffentliche Quiz-<br />
Spiel im Fernsehen fast wie ein sozialistischer Rundumschlag an. Wer oder was „Eos“ ist, kann<br />
schließlich jeder Hauptschüler in der Auflösung des wöchentlich erscheinenden<br />
Kreuzworträtsels nachlesen. So erklären sich gewiss auch die populäre Faszination des<br />
einfachen Sach- und Begriffswissens und seine mediale Aufwertung als Gegenstand des<br />
öffentlichen Gesprächs. Ganz im Sinne derer, die in den siebziger Jahren behaupteten, das<br />
Fernsehen trüge durch seine medienspezifisch bedingten Vereinfachungsrituale zu einer<br />
Demokratisierung der Bildung bei, freuen sich derzeit die Boulevard-Blätter darüber, wenn ein<br />
gebremster Bundesbeamter schon bei der zweiten Fragestufe versagt und wenn ein pfiffiger<br />
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Handwerker in die Gewinnkategorie einer Eigentumswohnung gelangt. So etwas hat die<br />
Stimmung der Menschen schon zu allen Zeiten beflügelt.<br />
Bildung gilt seit Humboldt und Pestalozzi als Vorgang der Aneignung von Wissen, Können und<br />
Fertigkeiten mit dem Ziel, eine allseits geformte und entwicklungsbereite Persönlichkeit zu<br />
werden. Ursprünglich verstand man unter Bildung die gestaltende Arbeit am Material. So ist der<br />
Begriff der kulturellen Bildung im Grunde ein Pleonasmus, - hätte es nicht in der Vergangenheit<br />
vielfältige Versuche gegeben, die Bildung von der Kultur und damit auch von der Menschlichkeit<br />
und von der Natürlichkeit trennen. Entsprechend beschreibt Schwanitz das Extrembild des<br />
deutschen Bildungsbürgers klischeehaft und pointiert: „Dabei fügten die Nazis ihm etwas<br />
Dämonisches hinzu, eine gehörige Prise Wahnsinn, die sich in der Kontrastierung von kältester<br />
Grausamkeit und sensibelster Musikalität zeigte. In dieser Form wurde der typische Deutsche<br />
als sentimentaler SS-Mann, der abwechselnd Wagner hört und Leute abschlachtet, zur<br />
Standardfigur des amerikanischen Kriegsfilms.“ (Schwanitz, a.a.O. S. 444)<br />
Jeder weiß, dass es sich hierbei um ein Zerrbild handelt. Aber es ist bis heute präsent – nicht<br />
ohne Grund. Schwanitz führt wie andere Kulturwissenschaftler das Fehlen der Frauen in den<br />
stilbildenden Milieus als Ursache an. Beim Militär und in den Universitäten gab es bis ins<br />
vergangene Jahrhundert hinein keine Frauen. Machistische Unkultur, gekennzeichnet durch<br />
Kommando-Ton, Gespreiztheit und Pompösität, schlug auf die bürgerlichen Verhaltensweisen<br />
durch. Noch heute gelten Liebenswürdigkeit, Bescheidenheit, Humor und Zuvorkommen im<br />
Geschäftsleben, aber auch in breiten Kreisen der Politik als Ausdruck von Schwäche und damit<br />
als unprofessionell.<br />
Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – erinnert das gegenwärtig geführte<br />
Bildungsgespräch streckenweise an die Sezierung der „Höhere-Töchter-Bildung“, die<br />
Deutschlands erste Akademikerinnen noch in der Kaiserzeit vornahmen: Damals erhielten die<br />
Töchter der mehr oder weniger vermögenden „gut bürgerlichen“ Familien einen strengen<br />
Schulunterricht in deutscher, englischer und französischer Sprache, in der Literatur- und<br />
Kunstgeschichte, in der Geographie und in der Mathematik. Außerhalb der Schule war<br />
Klavierunterricht Pflicht, dazu gab es Tanzstunden, Konversationszirkel und Einweisungen in die<br />
Führung eines Haushalts. Die Schulbildung endete bei der Mittleren Reife und durfte nur in<br />
Ausnahmefällen mit dem Besuch einer Handels- oder Sprachenschule gekrönt werden.<br />
Abiturientinnen als spätere Akademikerinnen waren auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch<br />
selten. Von Frauen wie Gertrud Bäumer und Helene Lange ist bekannt, dass sie die bürgerliche<br />
Mädchenbildung als Schmierfilm für die politische und wissenschaftliche Karriere der Männer<br />
entlarvt hatten. In der Zeit des Nationalsozialismus waren es übrigens fast immer die Frauen,<br />
die durch eine nach außen besonders kultiviert und gebildet wirkende Gestaltung des<br />
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Familienlebens die triebhaften und grausamen Exzesse der Männer kaschierten und damit dem<br />
öffentlichen Gespräch entzogen.<br />
Zwang zur Hochstapelei<br />
In der Nachkriegszeit, die von den nach 1945 Geborenen interessanterweise auch heute noch<br />
so genannt wird, verpflichtete der „Bildungsbericht“ die deutsche Abiturientia bis Ende der 60-er<br />
Jahre zur intellektuellen Hochstapelei. Da äußerten sich 18-Jährige über ihre geistigen Wurzeln<br />
im Existentialismus, ihr kritisches Verhältnis zur Kultur des Christentums und darüber, wie sie<br />
ihre individuelle Moralität zu entwickeln und in der sozialen Gemeinschaft zu verantworten<br />
gedächten. Zum Jahreswechsel 1966/67 beispielsweise, als ich mich diesem Ritual zu<br />
unterziehen hatte, wirkte es stimulierend, aber auch durchaus polarisierend, den in der Schule<br />
vermittelten Bildungsinhalten ein kulturpraktisches Äquivalent beizufügen, etwa durch die<br />
komplizierte Erörterung, was es einer jungen Frau bedeutet, aktiv Musik zu machen, für die<br />
Schülerzeitung aufrührerische Gedichte zu schreiben und sich mit Flugblättern und<br />
Schmähschriften in die antiautoritäre Bewegung einzuklinken. So etwas hat Pädagogen in<br />
dieser Zeit beeindruckt, forderte sie zur persönlichen Stellungnahme auch gegenüber ihren<br />
Vorkriegs- und Kriegs-Leitungsautoritäten heraus und ergab für die Schüler einen Imagegewinn,<br />
wenn es gut lief, manchmal allerdings – so auch bei mir – einen heftigen Ansehensverlust, der<br />
sich auf die Abiturnoten sehr übel auswirkte. Dass das rein praktisch gesehen ein ziemlich<br />
unwichtiger Nutzen bzw. Schaden war, weil es in den meisten Studienfächern noch keinen<br />
Numerus Clausus gab, steht auf einem anderen Blatt.<br />
Der Bildungsbericht von Abiturienten wurde im Verlauf der Schul- und Hochschulreform der 70er<br />
Jahre abgeschafft, weil man erkannt hatte, dass einerseits die Jugendlichen mit dieser<br />
Aufgabe überfordert waren und dass andererseits soziale Ungerechtigkeiten durch den Zwang<br />
zur schul-öffentlichen Reflexion des eigenen Bildungsweges eher verschärft denn gemäßigt<br />
wurden. Wer von Haus aus viele und möglicherweise auf der Image-Ebene auch für die Schule<br />
als Institution interessante Bildungs- und Kulturpunkte in die gesellschaftliche Gesamtwertung<br />
einbrachte, wurde durch dieses Instrument der Sozialkontrolle eindeutig bevorzugt. Wer aus<br />
einem bildungs- und kulturferneren Umfeld kam, hatte trotz erwiesener Intelligenz und<br />
vielfältiger Fähigkeiten deutlich weniger Chancen, die Wertschätzung der öffentlichen<br />
Bildungsinstanzen und ihrer pädagogischen Protagonisten zu erringen.<br />
Heute wird das Fehlen einer kulturell bzw. kulturgeschichtlich verankerten Allgemeinbildung oft<br />
beklagt. Viele Menschen übersehen in ihrer Kritik jedoch, dass sich gerade in den letzten<br />
Jahrzehnten neue und möglicherweise humanere, weil an aktuellen Themen, medialen<br />
Ausdrucksweisen und technischen Fähigkeiten orientierte Formen der Persönlichkeitsbildung<br />
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entwickelt haben. Das sind Formen, die auch soziale, künstlerische und lebenspraktische Werte<br />
als Bildungsfaktor transportieren und die menschliche Natur möglicherweise weniger zu<br />
verbiegen suchen, als dies zu Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeiten oft der Fall war. Die<br />
verschiedenartigen Entwicklungsstränge der kulturellen Bildung lassen die Vermutung zu, dass<br />
es inzwischen durchaus wieder eine Argumentationslobby für die Bildung und für die Kultur gibt,<br />
die einen ganz praktischen Schulterschluss zwischen der professionellen Beschäftigung mit den<br />
Künsten, dem System der Allgemeinbildung, der öffentlichen Bildungskommunikation und dem<br />
sozialen Klima in einem Gemeinwesen als Ziel anstrebt. Inwieweit die Veränderungen der<br />
Kommunikationsgepflogenheiten durch den Einsatz und die Nutzung neuer Medien in diesem<br />
Prozess eine praktisch-konstruktive Wendung beeinflussen und möglicherweise fördern<br />
können, ist gegenwärtig eine außerordentlich auf- und anregende Diskussion.<br />
So gibt es aktuell viele Ansätze, alte und neue Kulturtechniken in öffentlichen Bildungsforen<br />
zusammenzuführen. Ob E-Mail, Online-Medien und 24-Stunden-Fernsehen allerdings eine<br />
vergleichbare Funktion übernehmen können, wie Schwanitz sie dem literarischen Roman<br />
zuweist, scheint eher unwahrscheinlich. Die gelesene und mit den eigenen Bildern und<br />
Einsichten im Kopf illustrierte Geschichte biete etwas Einzigartiges: „Anders als durch<br />
Geschichten kann man ‚Zeit’ nicht beobachten. Nur sie bieten die Logik von Ablaufprogrammen.<br />
Nur über sie lassen sich solche nichtlinearen Prozesse wahrnehmen, wie etwa self-fulfilling<br />
prophecies, also Prophezeiungen, die sich selbst erfüllen wie die Annahme: Alle halten mich für<br />
verrückt. Wer von diesem Gedanken besessen ist, hat bald recht. Und nur vermittels der<br />
Geschichten, die man an anderen beobachtet, kann man die Abläufe beobachten, in denen<br />
man selbst steckt.... Darin ist der Roman einzigartig. Er macht etwas möglich, was es weder in<br />
einer anderen Kunstgattung noch in der Realität gibt: Die Welt aus der Perspektive eines<br />
anderen Menschen zu erleben und gleichzeitig dieses Erleben zu beobachten.“ (Schwanitz,<br />
a.a.O. S. 403)<br />
Bildung als Qualifikation<br />
Wer in der Lage ist, solche und vergleichbare Bildungserlebnisse zu verbalisieren, sie durch<br />
sein persönliches Auftreten zu kommunizieren und möglicherweise sogar durch Dokumente<br />
eigener Bildungs- und Kulturpraxis zu belegen, hat in manchen Berufen beste Chancen. Der<br />
Presse- und Informationsdienst „Arbeitsmarkt Kultur – Bildung – Soziales“ berichtete vor kurzem<br />
über eine Umfrage bei Wirtschaftunternehmen und Organisationen, in der die Bewertung von<br />
Fachkursen zur PR-Arbeit als Einstellungskriterium erfragt wurde. Ganz speziell wurde nach<br />
den Fortbildungen gefragt, die von der Deutschen <strong>Akademie</strong> für Public Relations (DAPR)<br />
angeboten und durchgeführt werden. Die Umfrage hatte einen sehr konkreten Hintersinn, da in<br />
diesem Arbeitsfeld, das in allen gesellschaftlichen Bereichen zu den Zuwachsbranchen zählt,<br />
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zur Zeit heftige Abgrenzungs-, Aufwertungs- und Marktsicherungsaktivitäten ablaufen. Das<br />
Ergebnis, ob durch die konkrete Fragestellung manipuliert oder nicht, war für die Anbieter der<br />
Fachkurse niederschmetternd. Bei 85 Prozent der Personalentscheidungen wurden eindeutig<br />
die Allgemeinbildung, die verbale Kompetenz, das kultivierte Auftreten, die Passfähigkeit der<br />
Gesamtpersönlichkeit der Bewerberinnen und Bewerber (die sogenannten Stabsfunktionen PR-<br />
Arbeit und Unternehmenskommunikation werden auch in der Wirtschaft zunehmend von Frauen<br />
wahrgenommen), Sprachkenntnisse und Fachkompetenzen im unternehmens- bzw.<br />
organisationsspezifischen Bereich als Kriterien benannt. Nur bei 6 Prozent der<br />
Einstellungsentscheidungen wurden besagte Fachlehrgänge als Entscheidungsmerkmal<br />
überhaupt erwähnt.<br />
Es gibt noch keine Erhebungen darüber, inwieweit sich die Fort- und Weiterbildung zur<br />
Unternehmenskommunikation in sozialen, pädagogischen und kulturellen Arbeitsfeldern positiv<br />
auswirkt oder nicht. Wer Fortbildungskurse zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, zum<br />
Kommunikationsmanagement bzw. zur Unternehmenskommunikation konzipiert und durchführt,<br />
darf diese Bedeutung (kultureller) Bildung aber keinesfalls unterschätzen. Neben den absolut<br />
praktischen und professionellen Methoden des modernen Kommunikationsgeschäfts, wie man<br />
z.B. eine Information so wirkungsvoll, gezielt und attraktiv wie möglich in die jeweils passenden<br />
Kanäle einspeist, gehört offensichtlich immer noch eine große Portion allgemeiner Bildung,<br />
spontaner Kommunikationsbereitschaft und –fähigkeit und sozialer Empathie dazu, das<br />
kommunikative Umfeld gerade bei den großen, schnellen und meist ziemlich arroganten Medien<br />
so aufzubereiten, dass es diese Information aufzunehmen und zu verarbeiten bereit ist.<br />
So ist die <strong>Akademie</strong> <strong>Remscheid</strong> unverändert gut beraten, wenn sie ihren fach- bzw.<br />
berufsspezifisch qualifizierenden Fortbildungskursen eine reichliche Prise an allgemeinen,<br />
sozialen und kulturellen Bildungserlebnissen beimengt. Sowohl die Erfahrung des Lernens in<br />
einer Gruppe, in der die Themen und Arbeitsfelder aller Beteiligten zum Zuge kommen, als auch<br />
die Bandbreite dessen, was hier im Verlaufe mehrerer Kursabschnitte an Eindrücken, Themen<br />
und Zusammenhängen erfahren, kennen gelernt und – je nach individueller Disposition – vertieft<br />
wird, ist in anonymen Fernlehrgängen und Kurzzeitkursen privater Anbieter nicht vergleichbar<br />
mitzuliefern.<br />
Wenn Bildung zur Last wird<br />
Im pädagogischen Kontext nicht zu vernachlässigen ist die Unterscheidung zwischen fachlich<br />
praktischem Anwendungswissen und der oft extrem unpraktischen, auf der Wahrnehmungsund<br />
Gefühlsebene sich vollziehenden Persönlichkeitsbildung. Als eher unpraktisch wird<br />
insbesondere von jungen Erwachsenen die Bildung im Sinne eines hohen intellektuellen und<br />
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moralischen Anspruchsdenkens – mit vielen unterschiedlichen Ansprüchen an sich selbst und<br />
an andere – immer dann empfunden, wenn die praktischen Erfordernisse des Erwerbslebens<br />
mit dem Wissen, den Einsichten und den emotionalen Befindlichkeiten des Einzelnen nicht<br />
mehr in Einklang zu bringen sind. Besonders kränkend ist die kognitive und die emotionale<br />
Dissonanz in Berufen, die nach außen hin einen hohen Bildungswert signalisieren, in ihrer<br />
Alltagsroutine aber überwiegend banal oder gar als Verdummungsinstanz agieren.<br />
Das berufliche und persönliche Unbehagen vieler Lehrer an allgemeinbildenden Schulen gehört<br />
in diese Kategorie. Wenn nur noch 15 Prozent aller Lehrer mehr, weniger oder kaum<br />
arbeitsfähig das Rentenalter von 65 Jahren erreichen, ist das nicht nur ein gesellschaftliches<br />
und berufspolitisches Alarmsignal. Die Negativ-Entwicklung des Schulwesens, unter dem Lehrer<br />
wie Schüler gleichermaßen leiden, zeigt vor allem darauf, dass akademische Studiengänge<br />
immer noch viel zu wenig auf die sozialen und persönlichkeitsbezogenen Erfordernisse<br />
pädagogischer Berufe hin ausgerichtet sind. Was nützt Lehrern und Schülern die umfassendste<br />
individuelle Geistesbildung, wenn sie aufgrund der sozialen und oft auch der kulturellen<br />
Rahmenbedingungen sich nicht ausagieren und vergegenständlichen kann?<br />
Noch schwieriger auszuhalten sind Berufstätigkeiten in der Privatwirtschaft, in denen Bildung<br />
zwar gezeigt werden muss, aber beruflich nicht gelebt werden kann. Journalisten in nahezu<br />
allen Publikationsorganen – die großen überregionalen Zeitungen, den „Spiegel“, die „Zeit“ und<br />
ein paar Satelliten-Zeitschriften wie „Psychologie heute“ vielleicht ausgenommen – wissen von<br />
dieser Diskrepanz ein Lied zu singen. Wer bei einer Presse- oder PR-Agentur, einer<br />
Lokalzeitung, einer Illustrierten oder in der Pressestelle eines Industrie-Unternehmens<br />
beschäftigt ist, für den kann Bildung wirklich zur Last werden. Da wird es oft nötig, sich morgens<br />
zum Arbeitsbeginn einen anderen Kopf aufzusetzen. Da muss man Bildungswissen gezielt<br />
vergessen, um sich auf die inhaltlich reduzierten, aber formal und technisch anspruchsvollen<br />
Aufgabenstellungen konzentrieren zu können.<br />
Gezielt vergessen müssen auch die pädagogisch und künstlerisch gebildeten Fachkräfte in der<br />
Jugendarbeit viel zu oft, was sie vor Jahren zu ihrer Berufswahl veranlasst hat und was sie zu<br />
Ausbildungszeiten an fachlichem und persönlichem Potential entwickeln konnten. Die alltägliche<br />
Praxis mit ihren bürokratischen und zugleich dramatisch inszenierten Ritualen verlangt nach<br />
Persönlichkeiten, die auf mehreren Klaviaturen gleichzeitig souverän spielen können. Aber<br />
genau diese Fähigkeit ist immer noch gekoppelt an ein Menschen- und Bildungsideal, das<br />
extrem unpraktisch – eben als ein letztlich nicht erreichbares Wunschbild wahrgenommen wird.<br />
Ein Beispiel aus dem Fortbildungsalltag der <strong>Akademie</strong> <strong>Remscheid</strong> ist der Musikschulleiter, der<br />
das Geigenspiel, die Musikpädagogik und viel Musiktheorie gelernt hat. Gefordert ist er heute<br />
als Finanzmanager und Politiker, als Stratege in der Kommunalpolitik, als Arbeitgeber, PR- und<br />
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Organisations-Fachmann. Kultur- und geisteswissenschaftliche Bildung hilft ihm möglicherweise<br />
bei der inneren Zuordnung seiner Tätigkeiten. Im Bestfall stabilisiert sie ihn sogar – z.B. wenn<br />
es ihm gelingt, banale Tätigkeiten und Alltagserfolge als sozial sinnvoll und deshalb im Inneren<br />
zustimmungsberechtigt zu kategorisieren. Geistig und emotional ausleben kann er dies alles<br />
jedoch nur in seltenen Glücksfällen.<br />
„Lasst mich in Ruhe vertrotteln“<br />
Die Angst vor der Diktatur des lebenslangen Lernens hat die öffentliche Bildungsdebatte längst<br />
überholt. Wenn in der Oberflächlichkeit des politischen Gesprächs „Bildung“ stets ausschließlich<br />
mit individuellem „Lernen“ konnotiert wird, kann auch ein Bundespräsident mit seinem<br />
eindringlichen Plädoyer für die soziale und die emotionale Dimension des Bildungsbegriffs kaum<br />
dagegen wirken. Der Wirtschaftspädagoge Karlheinz Geißler, Professor an der Universität der<br />
Bundeswehr in München, warnt seit einiger Zeit vor Bildungseuphorie und weist auf die<br />
Zusammenhänge zwischen Bildungsboom und Arbeitsplatzschwund hin. Er bezeichnet das<br />
öffentliche Gespräch über Bildung als „Illusionsveranstaltung“ und meint damit den (politisch<br />
und u.a. für viele Bildungsanbieter einträglichen) Handel mit der Illusion, durch Lernen ein<br />
soziales oder gar ein wirtschaftliches Problem lösen zu können. Bildung werde in unserer<br />
Gesellschaft sehr stark als Problemlösungsmittel benutzt, meint Geißler und vermutet, dass<br />
hierdurch die faktischen Ursachen der Probleme eher verschleiert werden. Auf die Frage eines<br />
Journalisten der Badischen Zeitung, wer seiner Ansicht nach von dieser Illusionsveranstaltung<br />
profitiert, sagt Geißler: „Zum Beispiel der Staat, indem er die Arbeitslosigkeit zu einem<br />
individuellen Lernproblem macht. Der Staat sagt: Du kannst Arbeit bekommen, wenn du<br />
genügend lernst. Es liegt an dir und nicht an der gesellschaftlichen Situation... Wenn es heißt,<br />
über Bildung bekomme ich einen Arbeitsplatz, stimmt das für Einzelne, aber auf die<br />
Bevölkerung als Ganze trifft es nicht zu. Das Bildungsniveau ist, was die Abschlüsse betrifft, in<br />
den letzten Jahren etwas gestiegen, aber verändert hat sich dadurch wenig. Wir haben nicht<br />
mehr Arbeitsplätze bekommen. Und wir haben keine neue Einkommensverteilung. Die ist<br />
genauso ungerecht wie vorher.“<br />
Geißler plädiert für eine stärkere Berücksichtigung der Subjektivität in allen Lern- und<br />
Bildungsprozessen und konstatiert, dass das Lernen im öffentlichen Gespräch heute eine<br />
nahezu religiöse Bedeutung erhalten hat. Zu dieser Nachfrage des Journalisten meint er: „Ich<br />
halte daran fest, dass Bildung zur Befreiung aus nicht selbstverschuldeter Unmündigkeit<br />
beiträgt. Nur sollte man nicht vergessen, dass Lernen selbst zur Unmündigkeit führt. Mir geht es<br />
darum, diese Schattenseiten von Bildung zu diskutieren. Die Doktrin des lebenslangen Lernens<br />
zwingt einen dazu, sich permanent mit seinen eigenen Defiziten auseinander zu setzen. Je<br />
mehr dieser Gesellschaft die Arbeit ausgeht, umso mehr braucht sie das Lernen als<br />
- 9 -
Ordnungsmodell. Wir gehen vom Tretrad Arbeit ins Tretrad Lernen über.... Die<br />
Heilsversprechungen, die heute mit dem Lernen assoziiert werden, sind genau die gleichen<br />
Erlösungshoffnungen, die die Leute früher mit dem Beten verbunden hatten. Die Menschen<br />
hoffen, dass sie erlöst werden von den Schwierigkeiten des irdischen Lebens, zum Beispiel<br />
davon, dass sie alt werden. Lernen ist ja eine Form, ewig jung und ewig fit zu bleiben,<br />
weswegen das lebenslange Lernen auch die Funktion der Todesverdrängung erfüllt. Kürzlich<br />
hat mich eine Zeitung gefragt, was wünschen Sie sich denn, wenn Sie alt werden. Da sagte ich,<br />
dass man mich in Ruhe vertrotteln lässt, ohne ständig lernen zu müssen.“<br />
(aus: Badische Zeitung, 10.8.2000. Zit. Nach: „Welt des Kindes“ 2/2001, März/April 2001.<br />
Literaturhinweis: Karlheinz A. Geißler, Frank Michael Orthey: Der große Zwang zur kleinen<br />
Freiheit. Berufliche Bildung im Modernisierungsprozess. Stuttgart 1998)<br />
Ich halte es für gut und wichtig, dass die öffentliche Bildungsdebatte in dieser Weise kontrovers<br />
geführt wird. Insbesondere der globale Siegeszug der Informationstechnologie hat die Frage<br />
nach nützlichem und unnützem Lernen eindeutig in den Ring von Bildungs-, Kultur- und<br />
Wirtschaftspolitik geworfen. Die Vermarktung von Bildung, ihr zunehmend deutlicher werdender<br />
Warencharakter und ihre politische Indienstnahme sollten uns darin bestärken, an humanen, an<br />
sozialer Gerechtigkeit und kultureller Vielfalt orientierten Lehr-, Lern- und Bildungskonzepten zu<br />
arbeiten. Das gilt neben der grundständigen Schul- und Ausbildung vor allem für die Fort- und<br />
Weiterbildung, die sich ja stets an ihrer Effektivität für den einzelnen Menschen und für seine<br />
berufliche Praxis messen und bewerten lassen muss.<br />
Bildung ist, wenn man...<br />
.... nicht nur weiß, was man nicht weiß und sich deshalb für gebildet hält, sondern wenn man<br />
auch weiß, was man wissen sollte und – vor allem – wie man sein Wissen im alltäglichen Leben<br />
am besten nutzt. In diesem Sinne ist es gewiss auch ein Ausdruck von Bildung, wenn sich<br />
Erwachsene, die an einer Fort- bzw. Weiterbildung teilnehmen möchten, bereits vor der<br />
Aufnahme neuen Wissens und neuer Erfahrungen überlegen, welche alten Wissens- und<br />
Erfahrungsinhalte dafür weichen müssen.<br />
Fachkräfte in pädagogischen Berufen müssen angesichts der immer unübersichtlicher<br />
werdenden Medien- und Informationsflut verstärkt über diesen Zusammenhang nachdenken.<br />
Wer mit Kindern und Jugendlichen lehrend und praktisch (sozial-)pädagogisch umgeht,<br />
insbesondere wer in leitender Position für die Kommunikation über diese Arbeit tätig ist – wie<br />
z.B. die Menschen, die in der <strong>Akademie</strong> <strong>Remscheid</strong> die langfristigen Fortbildungen zur Presseund<br />
Öffentlichkeitsarbeit absolvieren und sich u.a. damit als Führungskräfte und für<br />
Kommunikationsberufe profilieren -, muss heute mit den Bildungsinhalten zugleich auch deren<br />
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Rolle und Funktion im Gesamthaushalt der menschlichen Entwicklung und in der öffentlichen<br />
Debatte im Auge behalten.<br />
Nach der öffentlichen Präsenz von Bildung wurde noch nie so laut gerufen wie gegenwärtig. Mit<br />
Recht. Kinder und Jugendliche signalisieren und dramatisieren kulturelle Defizite, die sie an sich<br />
selbst und ihrer Umgebung wahrnehmen und bei den Erwachsenen einklagen, noch erheblich<br />
deutlicher, als es die Berichterstattung in den Medien tut. So eröffnet sich für Menschen, die in<br />
Bildungsprozessen der unterschiedlichsten Art beruflich engagiert sind, eine neue Hoffnung,<br />
dass der Ökonomisierung der Welt ihre Kultivierung als Regulativ quasi aus den Vorgängen<br />
selbst heraus zwingend folge. Ob die neuen Medien und die sich mit ihnen verändernden<br />
Kommunikationsgepflogenheiten dabei menschlich und kulturell einlösen, was sie technisch<br />
ermöglichen, liegt nicht zuletzt an denjenigen, die sie nutzen und bedienen – also an uns.<br />
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