Motivationstext - Bilingualer Unterricht in Bayern

Bilingualer Unterricht – Let‘s go global
„Wos, jez soin ma des a no auf Änglisch macha?!“
So ähnlich könnten die Kommentare unserer Schülerinnen und Schüler aussehen, wenn sie in
der ersten Sachfachstunde zu Schuljahresbeginn erfahren, dass sich viele Schulen in Bayern am
Bilingualen Unterricht (12. und 13. Klassen) 1 beteiligen. Linguisten könnten sogar auf die Idee
kommen, es werde hier in Bayern „trilingual“ unterrichtet (Bairisch, Hochdeutsch und Englisch). Doch
bleiben wir bei bilingualem Unterricht.
Was steckt hinter diesem Unterrichtskonzept, welches schon seit über 30 Jahren in
Deutschlands Schulen 2 überaus erfolgreich praktiziert wird und an einigen Fachoberschulen und
Berufsoberschulen in Bayern bereits seit fast 10 Jahren? Bilingualer Sachfachunterricht sieht seine
Aufgabe darin, die Lernziele des Sachfaches, wie z.B. Sozialkunde, Geschichte oder Technologie,
sowohl in der Fremdsprache Englisch als auch in der Muttersprache zu vermitteln und zu erarbeiten.
In Bezug auf das Englische wird eine sogenannte aufgeklärte Einsprachigkeit angestrebt, d.h.
muttersprachliche Erklärungen stören den Unterrichtsverlauf nicht. Es handelt sich jedoch nicht um
einen erweiterten Englisch(nachhilfe-)unterricht, sondern um die zusätzliche Chance, die im
Englischunterricht, mit Hilfe von häufig künstlich wirkenden Übungen zum Spracherwerb, erworbenen
Kenntnisse sofort in reale Sprechsituationen mit echten Themen umzusetzen. Dies zeigt sich auch an
der extrem hohen Fehlertoleranz von Seiten der Lehrkräfte, die im bilingualen Unterricht nur äußerst
zurückhaltend korrigierend in den Sprachfluss der Lernenden eingreifen, und diesen schon gar nicht
bewerten. Dies kommt vor allem Schülerinnen und Schülern zugute, die sich im Fach Englisch wenig
beteiligen, um mögliche Fehler zu vermeiden. So gesehen ist der Zugewinn an Sprech- und
Lesefertigkeit, an Kommunikationsfähigkeit, an sprachlicher Spontaneität und an Differenziertheit in
der mündlichen und schriftlichen Ausdrucksfähigkeit besonders bei schwachen Englischschülern
enorm, da sie sich im bilingualen Unterricht einbringen können, ohne Gefahr zu laufen, für etwaige
sprachliche Fehler benotet zu werden. Zugleich können sie unterschwellig ihre Defizite im Fach
Englisch durch das reine Anwenden der Fremdsprache im bilingualen Fach verringern. 3 Neben
diesen, rein vom Fach Englisch her beobachteten, positiven „Nebenwirkungen“ geht es im bilingualen
Sachfachunterricht jedoch um viel mehr.
Die Fächer Geschichte und Sozialkunde per se fördern die Auseinandersetzung der Lernenden
mit der eigenen Kultur im Vergleich zu anderen Kulturen, die eigene Sichtweise wird relativiert und
reflektiert. Zudem setzt sich Sachfachunterricht gerade mit den kritischen Punkten im Zusammenleben
der Völker auseinander, die zu Konflikten geführt haben. Im bilingualen Sachfachunterricht wird es
den Schülerinnen und Schülern nun verstärkt ermöglicht, den zum Verständnis dieser Konflikte
nötigen Perspektivenwechsel vorzunehmen, da hier häufig mit Quellen und Materialien des
Zielsprachenlandes gearbeitet wird. Inhaltlich eignen sich im Fach Geschichte die Themenbereiche
Kalter Krieg, internationale Beziehungen und US-Geschichte besonders gut. Im bilingualen Unterricht
1
Bilingualer Sachfachunterricht kann nur in Klassen angeboten werden, in denen die Fachlehrkraft als Zweitfach
Englisch besitzt.
2
Im Zuge des deutsch-französischen Kooperationsvertrages von 1963 wurden die ersten bilingualen Schulen in
Deutschland gegründet.
3
Insbesondere dürfte der bilinguale Sachfachunterricht auch die Ergebnisse der mündlichen Gruppenprüfungen
im Fach Englisch verbessern.

dürfen ganz normal schriftliche Leistungsnachweise eingefordert werden, echte und repräsentative
mündliche Noten (z.B. Projektarbeit) werden aber besonders gefördert. 4 Ob nun das ganze Schuljahr
oder nur für gewissen Stunden bilingual unterrichtet wird, ist von der jeweiligen Lernsituation in der
Klasse abhängig. Doch selbst relativ kurze Phasen, die auf Wunsch der Schülerinnen und Schüler
durchaus verlängert werden können, beinhalten die entscheidende Zielsetzung des bilingualen
Sachfachunterrichts: die Förderung der Lebenskompetenz in einer globalisierten Welt. Die Arbeitswelt
der Zukunft wird ohne diese Schlüsselqualifikation nicht mehr auskommen. Neben einer
berufsqualifizierenden Fremdsprachenkompetenz werden die Arbeitgeber von morgen von unseren
Schülern von heute ein hohes Maß an Mobilität, Kontaktfähigkeit, Interesse für Fremdartiges und vor
allem Toleranz für kulturspezifische Lebensweisen erwarten.
Durch das Angebot bilingualen Sachfachunterrichts an den Fachoberschulen und
Berufsoberschulen in Bayern wollen wir unseren Schülerinnen und Schülern den ersten kleinen Schritt
in die globale Arbeitswelt erleichtern, because we care.
OStRin Sabine Lauber M.A.
MB-Fachberaterin für bilingualen Unterricht an FOS/BOS im MB Bereich Bayern Ost
4 Die in dieser Phase erworbene Zusatzqualifikation im bilingualen Unterricht sollen positiv im Abschlusszeugnis
bemerkt werden.