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bahntech - Deutsche Bahn AG

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TECHNOLOGIE-TRANSFER<br />

Innovationen für<br />

das System <strong>Bahn</strong><br />

NR. 01 | 06<br />

LIEFERANTEN-PRÄDIKAT<br />

Perfekte<br />

Partnerschaften<br />

INNOTRANS<br />

<strong>Bahn</strong>-Mekka<br />

Berlin<br />

RÜCKBLICK<br />

Erfolgsstory<br />

15 Jahre ICE


2<br />

thema.<br />

zur sache: HARTMUT MEHDORN. Seite 3<br />

ICE – Wegbereiter des Systems <strong>Bahn</strong><br />

Der Hochgeschwindigkeitsverkehr hat die <strong>Bahn</strong><br />

von Grund auf modernisiert und stellt ihre Weichen<br />

in die Zukunft.<br />

thema. 15 JAHRE ICE. Seiten 4 – 13<br />

Der Innovationstreiber<br />

Hightech für Hochgeschwindigkeit: Viele Entwicklungen,<br />

die für den ICE konzipiert wurden,<br />

sind heute für viele andere Bereiche der <strong>Bahn</strong> zum<br />

Stand der Technik geworden.<br />

Highlights der ICE-Entwicklung:<br />

Führerraum: Neue Mitte. Seite 4<br />

Klimaanlage: Luft statt Chemie. Seite 5<br />

Sichere <strong>Bahn</strong> bei Seitenwind. Seite 6<br />

WC: Hightech für alle. Seite 7<br />

Diagnose: Dialog am Display. Seite 8<br />

Der Q-Kraft auf der Spur. Seite 9<br />

Boxenstopp nach Fahrplan. Seite 10<br />

Ultraschall am Rad. Seite 12<br />

Geprüfte Wellen. Seite 13<br />

aktuell. hintergrund.<br />

aktuell. INNOTRANS. Seite 14<br />

Große Schau der <strong>Bahn</strong>technik<br />

Die InnoTrans in Berlin wird wieder zum Mekka<br />

der <strong>Bahn</strong>-Ingenieure. Die DB präsentiert die volle<br />

Bandbreite ihres Know-hows rund um Rad und<br />

Schiene.<br />

aktuell. NAHVERKEHR. Seite 15<br />

Rasanter RegionalExpress<br />

Auf der neuen ICE-Strecke zwischen Nürnberg<br />

und Ingolstadt werden ab Fahrplanwechsel im<br />

Dezember RE-Züge der DB Regio mit Tempo 200<br />

zu den schnellsten Nahverkehrszügen.<br />

aktuell. LIEFERANTEN-PRÄDIKAT. Seite 16 - 18<br />

Perfekte Partnerschaften<br />

Auf der Messe InnoTrans wird die <strong>Deutsche</strong> <strong>Bahn</strong><br />

Preise in sechs verschiedenen Kategorien an herausragende<br />

Lieferanten vergeben.<br />

hintergrund. RÜCKBLICK. Seiten 19 - 26<br />

Neue Entdeckung der Eisenbahn<br />

Die Entwicklungsgeschichte des Schienen-Hochgeschwindigkeitsverkehrs<br />

in Deutschland geht bis<br />

in die 70er-Jahre zurück.<br />

hintergrund. INTERVIEW. Seiten 22 - 23<br />

Systemverbund als Erfolgsbasis<br />

Vorstand Roland Heinisch zur ICE-Entwicklung.<br />

hintergrund. PATENT. Seite 27<br />

Gabelstapler statt Luftkissen<br />

ICE-Wartung spart Millionen-Investitionen.<br />

IMPRESSUM BAHNTECH 1|06<br />

Das Technik-Magazin der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Bahn</strong> <strong>AG</strong><br />

Herausgeber:<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Bahn</strong> <strong>AG</strong><br />

Potsdamer Platz 2<br />

10785 Berlin<br />

Chefredaktion:<br />

Christine Geißler-Schild<br />

Tel. 030-297-61168<br />

Fax 030-297-62322<br />

christine.geissler-schild@bahn.de<br />

www.db.de/<strong>bahntech</strong><br />

Text und Gestaltung: Viadukt Redaktionsbüro<br />

Fotos: <strong>Deutsche</strong> <strong>Bahn</strong> <strong>AG</strong>,<br />

Druck: Koelblin-Fortuna-Druck GmbH<br />

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier<br />

mit mineralölfreien Farben.


ZUR SACHE<br />

Von zehn Menschen, die heute von Frankfurt am Main aus beispielsweise nach Berlin,<br />

Stuttgart oder Hamburg reisen wollen, entscheiden sich fünf für den Zug. Sie nehmen<br />

den ICE. Wo die DB mit ihrem Top-Angebot Komfort und kurze Reisezeiten<br />

anbieten kann, ist sie mit Marktanteilen von über 50 Prozent klarer Marktführer<br />

gegenüber Auto und Flugzeug – mit steigender Tendenz.<br />

In nur 15 Jahren hat der Markenartikel ICE eine Erfolgsstory geschrieben, die selbst<br />

kühnste Erwartungen übertroffen hat. Es ist ein Erfolg, der viele Väter hat: Der ICE ist<br />

mehr als ein Zug, mehr als eine Zugfamilie. Hinter den drei Buchstaben jener Abkürzung,<br />

die fast jeder in Deutschland kennt, verbirgt sich ein komplexes, hoch innovatives<br />

System, das erst im Zusammenspiel seiner Komponenten Effizienz wie<br />

Attraktivität entfalten kann. Hochgeschwindigkeit auf Schienen ist nur möglich, weil<br />

<strong>Bahn</strong>, Wissenschaft und Industrie gemeinsam die Grundlagen<br />

erforscht und dann in der Systemlösung ICE verwirklicht haben.<br />

Wie ganzheitlich dieser Ansatz war, lässt sich einfach erklären.<br />

Es ging nicht nur darum, einen schnellen Zug zu bauen.<br />

Vielmehr musste auch die gesamte Infrastruktur für Tempo 250<br />

und später dann Tempo 330 optimiert werden. Dabei ging es um<br />

Fragestellungen, die beim Zusammenwirken von Rad und Schiene<br />

beginnen, genauso die Dynamik zwischen Stromabnehmer<br />

und Fahrdraht betreffen, aber auch weit darüber hinaus gehen –<br />

bis beispielsweise zur Leit- und Sicherungstechnik und zu den<br />

Wartungs- und Instandhaltungskonzepten.<br />

Es war dafür ein Glücksfall, dass schon die Bundesbahn als<br />

Vorgängerin der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Bahn</strong> über das umfassende Knowhow<br />

für das System <strong>Bahn</strong> verfügte. Und es ist nicht übertrieben<br />

festzustellen, dass das ambitionierte Projekt ICE nur unter dem<br />

alle Kompetenzen einenden Konzerndach wirtschaftlich sinnvoll realisierbar war. Der<br />

Blick ins Ausland belegt das: Hochgeschwindigkeitssysteme entwickeln sich vor allem<br />

dort, wo integrierte <strong>Bahn</strong>en die Projekte unter dem Systemansatz angehen können.<br />

So ist es auch kein Zufall, dass das System <strong>Bahn</strong> heute von den Innovationen der<br />

ICE-Entwicklung weit über unsere Flaggschiffe hinaus profitiert. Ob neue Technik für<br />

Züge und Infrastruktur, optimierte Abläufe in der Wartung oder – nicht zuletzt –<br />

Komfort und Informationssysteme für unsere Kunden: Viele Dinge, die für den ICE<br />

konzipiert wurden, prägen heute ganz selbstverständlich die moderne Eisenbahn.<br />

Davon profitierten unmittelbar auch die Wettbewerber der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Bahn</strong>. Als<br />

Marktführer setzten wir nicht nur Maßstäbe. Wir schaffen zudem die technischen<br />

Voraussetzungen und Standards für einen wirtschaftlichen <strong>Bahn</strong>betrieb über den<br />

Hochgeschwindigkeitsverkehr hinaus genauso auch im Regional- oder im Güterverkehr.<br />

Der ICE ist Technologietreiber für das System <strong>Bahn</strong>. Er stärkt insgesamt die Zukunft<br />

des Schienenverkehrs. bt<br />

Der ICE –<br />

Wegbereiter<br />

des Systems<br />

<strong>Bahn</strong><br />

Hartmut Mehdorn,<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Bahn</strong> <strong>AG</strong><br />

3<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006


thema<br />

4<br />

15 JAHRE ICE<br />

Im Sommer 1991 begann<br />

bei der <strong>Bahn</strong> das<br />

fahrplanmäßige ICE-<br />

Zeitalter. 15 Jahre danach<br />

lässt sich eine<br />

sehr eindrucksvolle<br />

Zwischenbilanz ziehen.<br />

Das neue Flaggschiff<br />

auf Schienen wurde<br />

zum Markenzeichen<br />

und Top-Produkt des<br />

Der<br />

Innovations-<br />

treiber<br />

Fernverkehrs. Für das<br />

Gesamtsystem <strong>Bahn</strong><br />

war der Start in den<br />

Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />

ein beispielloser<br />

Technologiesprung<br />

mit Auswirkungen und<br />

Veränderungen weit<br />

über den ICE hinaus.<br />

Klimatisierte Führerräume – das war eine Innovation für die ICE-Flotte und ist<br />

heute in allen modernen Fahrzeugen selbstverständlich. Hinsichtlich Funktionalität<br />

und Anordnung der Bedienelemente war der ICE-<br />

Führerraum das Ergebnis kontinuierlicher Weiterentwicklung<br />

von <strong>Bahn</strong> und Industrie. Auffälligste Veränderung:<br />

Der Triebfahrzeugführer sitzt in der Mitte; in<br />

älteren Fahrzeugen war sein Arbeitsplatz seitlich, in<br />

Fahrtrichtung rechts eingerichtet. Auf dem Führertisch<br />

sind alle Bedienelemente übersichtlich angeordnet. Mit<br />

wenigen Kippschaltern und Hebeln steuert der Mann im<br />

Führerraum Bremsen, Zugkraft, Signalleuchten, Sandstreuanlagen, Zugbeeinflussung<br />

oder Stromabnehmer. Auf modernen Displays kann sich der Lokführer im<br />

ICE mithilfe elektronischer Diagnosesysteme jederzeit über den Betriebszustand des<br />

Führerraum:<br />

Neue Mitte<br />

Zuges informieren und bei Unregelmäßigkeiten eine Anleitung zum Beheben von<br />

Störungen abrufen. Darüber hinaus lassen sich über die Displays beispielsweise die<br />

Systemwechsel am Grenzübergang und die Fernübertragung der Diagnosedaten an<br />

das ICE-Werk einleiten oder die Zugbeeinflussungs- und Antriebsanlagen ansteuern.


Der ICE 3 ist weltweit der erste Serienzug, der mit einer luftgestützten Klimaanlage<br />

ausgerüstet ist. Anstelle der für die Ozonschicht gefährlichen Kältemittel FCKW und<br />

FKW arbeitet die Anlage ausschließlich mit Luft als Kältemittel. Dies entlastet die<br />

Umwelt gegenüber herkömmlichen Klimaanlagen. Hinzu kommt, dass die luftgestützten<br />

Anlagen aufgrund des Wegfalls der Kältemittelbeschaffung und -entsorgung<br />

und der danach vereinfachten Instandhaltung Vorteile gegenüber bisherigen<br />

Systemen versprechen.<br />

Anfang der 90er-Jahre hatte die DB <strong>AG</strong> diese ökologische Weiterentwicklung aus<br />

Umweltschutzgründen bei der Industrie initiiert und die Entwicklung und Erprobung<br />

der luftgestützten Klimaanlagen bei verschiedenen Herstellern vorangetrieben. Seit<br />

Ende 2005 ist in der zweiten Bauserie des ICE 3 eine optimierte Kaltluftanlage im<br />

Einsatz, die zur Kühlung einen offenen Unterdruckprozess nutzt. Dabei wird<br />

Umgebungsluft angesaugt und durch Entspannung in einer Kühlturbine abgekühlt.<br />

Klimaanlage:<br />

Luft statt Chemie<br />

Joachim Mayer, Chef<br />

des Produktbereichs<br />

Fahrzeuge im Konzernressort<br />

Technik/<br />

Beschaffung, bringt<br />

die 15 Jahre High<br />

Speed auf Schienen<br />

auf einen ebenso<br />

schlichten wie überzeugenden Nenner: „Eisenbahn<br />

fahren ist heute anders als vor dem<br />

ICE.“ Zahlreiche technische und betriebliche<br />

Innovationen haben nicht nur die Grundlagen<br />

für einen modernen, schnellen Schienenverkehr<br />

geschaffen – sie sind auch die<br />

Basis für die wirtschaftliche Erfolgsstory des<br />

ICE.<br />

Rund 550 Millionen Fahrgäste fuhren seit<br />

1991 mit einem der neuen Schienenstars. Stetig<br />

steigt die Zahl der <strong>Bahn</strong>kunden. Im ersten<br />

Jahr, das kaum mehr als ein Halbjahr war, stiegen<br />

fünf Millionen Reisende in die Triebzüge<br />

der ersten ICE-Serie, 67 Millionen waren es<br />

2005. Die Flotte wuchs: Dem ICE 1 folgten<br />

der ICE 2, der ICE 3 und die Neigetechnik-<br />

Diese kalte, so genannte Prozessluft kühlt über einen Wärmetauscher die Zuluft für<br />

den Fahrgastraum. Anschließend wird die Prozessluft im Turboverdichter wieder auf<br />

Umgebungsniveau verdichtet und als warme Abluft nach außen abgegeben.<br />

Version ICE T sowie die Dieselvariante ICE<br />

TD. „Tag für Tag fahren heute mehr als<br />

180.000 Reisende mit dem ICE. Das entspricht<br />

der Bevölkerungszahl einer Stadt wie<br />

Mainz. Der ICE ist das Flaggschiff der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Bahn</strong> und eine der erfolgreichsten<br />

deutschen Marken überhaupt. Der Zug erreicht<br />

in Deutschland einen Bekanntheitsgrad<br />

von fast 100 Prozent“, so Dr. Karl-<br />

Friedrich Rausch, Vorstand Personenverkehr.<br />

Der ICE bedient fahrplanmäßig rund<br />

hundert deutsche Städte. Er fährt zudem ins<br />

Ausland, beispielsweise nach Amsterdam,<br />

Brüssel, Zürich und Wien – ab Sommer 2007<br />

auch nach Paris. Zwei Drittel des gesamten<br />

Fernverkehrs der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Bahn</strong> werden<br />

mit den schicken und schnellen Zügen abgewickelt.<br />

Diplom-Ingenieur Mayer staunt<br />

selbst ein bisschen: „Das hätten wir vor 15 Jahren<br />

in unseren kühnsten Träumen nicht zu<br />

hoffen gewagt.“<br />

Hinter dem Erfolg des ICE steckt harte Arbeit.<br />

„Zunächst einmal mussten überhaupt<br />

Saubere Kühle,<br />

einfache Instandhaltung:<br />

Die Klimaanlage<br />

des<br />

ICE 3 setzt neue<br />

Maßstäbe.<br />

5<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006


thema<br />

6<br />

15 JAHRE ICE<br />

die technischen Voraussetzungen für einen<br />

fahrplanmäßigen Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />

geschaffen werden“, berichtet Mayer,<br />

der die neue Zeit der weißen Züge mit der roten<br />

Bauchbinde seit den Anfängen begleitet.<br />

In den Jahren vor den neuen Triebzügen<br />

hatte sich die damalige Bundesbahn in den<br />

Immer leichter, immer schneller: Moderne<br />

Schienenfahrzeuge bringen tendenziell immer weniger<br />

Gewicht aufs Gleis, um so wertvolle Energie einzusparen.<br />

Und sie werden immer schneller. Das gilt insbesondere<br />

für den Hochgeschwindigkeitsverkehr, trifft<br />

heute aber auch auf Güterverkehr und Regionalverkehr<br />

zu. Damit gewinnt ein Problem an Bedeutung, dass in<br />

Zeiten der „alten“ <strong>Bahn</strong> keins war – die Frage, inwieweit<br />

Seitenwind, speziell in Form starker Böen, für den<br />

sicheren Betrieb berücksichtigt werden muss. Mit der<br />

Entwicklung der ICE-2-Serie hat sich die DB mit diesem<br />

Problem erstmals intensiv beschäftigt. Da diese Züge<br />

nur an einem Ende einen schweren Triebkopf haben,<br />

am anderen aber einen vergleichsweise leichten<br />

Steuerwagen, musste der Frage Hochgeschwindigkeit<br />

und Wind nachgegangen werden.<br />

Die Ende der 90er-Jahre gewonnenen Erkenntnisse<br />

stellten die Basis für die restriktionsfreie Aufnahme<br />

des ICE-3-Verkehrs mit 300 km/h auf der Strecke Köln-<br />

ICE-Flotte ICE 1 ICE 2 ICE 3 ICE T<br />

7-teilig<br />

Stückzahl 59 44 63<br />

Sichere <strong>Bahn</strong> bei<br />

Seitenwind<br />

ICE T<br />

5-teilig<br />

insg. 70<br />

Länge (in m) 358 205 200 185 136<br />

Höchstgeschwindigkeit (km/h) 280 280 330 230 230<br />

Anzahl der Sitze 649 368 440 357 250<br />

Leergewicht (in t) 782 410 409/435 368 278<br />

70ern des vorigen Jahrhunderts schon bis zu<br />

Tempo 200 hochgearbeitet – doch noch<br />

schneller zu fahren, das bedeutete Vortasten<br />

in technisches Neuland. Mayer: „Lange Zeit<br />

hatte man geglaubt, dass Geschwindigkeiten,<br />

die wesentlich über 200 km/h hinausgehen,<br />

schnell an die technischen Grenzen<br />

des Systems Eisenbahn führen würden. Erst<br />

die systematische Rad/Schiene-Grundlagenforschung<br />

brachte die Erkenntnis, dass selbst<br />

Tempo 300 und noch mehr realisierbar<br />

sind.“<br />

Die Vorbereitungen für den Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />

machten aber auch<br />

Rhein/Main dar. In den folgenden Jahren gewann das<br />

Thema Seitenwind im Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />

zunehmend auch international an Bedeutung. Die DB<br />

bringt ihre Erfahrungen in die entstehenden nationalen<br />

und internationalen Regelwerke ein, was nicht nur<br />

dem Hochgeschwindigkeitsverkehr zugute kommt: In<br />

künftigen Regeln für international eingesetzte Güterwagen<br />

werden auch seitenwindbedingte Anforderungen<br />

gestellt.<br />

Hier profitiert man nun europaweit von dem reichen<br />

Erfahrungsschatz, den sich die DB im Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />

angeeignet hat. Im Rahmen eines<br />

Verbundprojektes hat sie die Methoden für den<br />

Sicherheitsnachweis Seitenwind weiter verbessert: Sie<br />

sind kompatibel mit internationalen Regeln und wurden<br />

bereits an einer Vielzahl von Fahrzeugen und<br />

Strecken erfolgreich angewandt. Mittlerweile gibt es<br />

robuste Verfahren, um Güterwagen und Regionalzüge<br />

sicher und schnell beurteilen zu können.<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006


asch deutlich, dass der technische Aufwand<br />

für den Betrieb schneller Züge auf<br />

schnellen Strecken ungleich höher sein<br />

musste als für herkömmliche <strong>Bahn</strong>technik.<br />

Vom Reisekomfort bis zur Lauftechnik, von<br />

den Bremsen bis zur Qualität des Fahrwegs<br />

fordert das System ICE technische Höchst-<br />

Seit dem ICE-Zeitalter werden sämtliche<br />

neuen elektrischen Triebzüge, Reisezugwagen<br />

und modernisierten Fahrzeuge ausschließlich<br />

mit geschlossenen Toilettensystemen<br />

ausgestattet. Aufgrund der vakuum-gestützten<br />

Spülung sind diese modernen<br />

Anlagen extrem Wasser sparend: Nur 0,5 Liter<br />

werden bei einem Spülvorgang verbraucht,<br />

während herkömmliche Toiletten heute noch<br />

zwischen fünf und sieben Liter Wasser benötigen.<br />

Gespült wird mit reinem Wasser ohne<br />

jede chemische Zusätze. Deshalb können die<br />

Abwässer bei der Entsorgung in den Werken<br />

WC: Hightech<br />

für alle<br />

Schnell auf den<br />

Strecken des Alt-<br />

Netzes - dank Neigetechnik:<br />

Die<br />

ICE T ergänzen die<br />

Hochgeschwindigkeitslinien<br />

(links).<br />

Komplexe Technik<br />

für die Stromversorgung:Hochgeschwindigkeits-<br />

Stromabnehmer.<br />

leistungen (s. Kasten S. 8) – und Hightech<br />

hat seinen Preis. „Je nach Zugausstattung<br />

mussten wir bisher mit Kosten von 35.000<br />

bis 50.000 Euro pro Sitzplatz rechnen – das<br />

ist in etwa doppelt so viel wie bei einem Nahverkehrsfahrzeug“,<br />

beschreibt Mayer die Dimensionen.<br />

„Wir hoffen, dass wir bei<br />

problemlos in die normale Abwasserkanalisation<br />

geleitet werden.<br />

Nicht nur in Sachen Umweltschutz, auch in<br />

puncto Technik ist die WC-Anlage im ICE beispielhaft,<br />

denn dahinter steckt ein hochkomplexes,<br />

elektronisches System, das mithilfe<br />

eines eigenen Rechners gesteuert und überwacht<br />

wird: Der Spülkasten aktiviert den so<br />

genannten Ejektor, der aus dem bordeigenen<br />

Druckluftsystem Vakuum erzeugt. Parallel<br />

dazu wird die Spülung eingeleitet und Wasser<br />

über die Druckerhöhungspumpe in das WC-<br />

Becken gepresst. Anschließend öffnet das<br />

künftigen Zugbestellungen den unteren<br />

Wert nicht mehr wesentlich überschreiten.“<br />

Die Konsequenz aus den hohen Kosten: „Uns<br />

war von Anfang an klar, dass die hohen Investitionen<br />

nur dann zu einem wirtschaftlichen<br />

Erfolg führen konnten, wenn wir<br />

beim Fahrzeug-Einsatz ein Höchstmaß an<br />

Ventil zum Abwassersystem, die Fäkalien werden<br />

durch das Vakuum abgesaugt und in den<br />

Abwassertank geleitet. Elektronische Regelungstechnik<br />

überwacht laufend diese<br />

Vorgänge. Auch Verstopfungen in den nur 40<br />

bis 50 Millimeter dicken Abwasserrohren werden<br />

von der sensiblen Technik registriert: Sie<br />

sperrt sofort die Anlage und meldet die<br />

Störung an die Borddiagnosesysteme.<br />

Frischwassertanks, die bis zu 400 Liter fassen,<br />

versorgen Waschbecken und WC mit Wasser.<br />

Die Behälter werden bei den regelmäßigen<br />

Boxenstopps im ICE-Werk aufgefüllt.<br />

Hochtechnologie-<br />

Produkt Zug-WC.<br />

Entsprechend<br />

qualifiziert muss<br />

die Wartung sein.<br />

7<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006


thema<br />

8<br />

15 JAHRE ICE<br />

Der IC Experimental war als erster Zug der DB bereits<br />

mit einem Diagnosesystem ausgestattet, das<br />

Störungen der Zugtechnik automatisch an Bord<br />

erfasste. Die Entwicklung entpuppte sich als so innovativ,<br />

dass sie immer mehr zum Stand der Technik wird. Im<br />

ICE 1 wurde das System dann dahingehend perfektioniert,<br />

dass die gesammelten Diagnosen noch während<br />

der fahrplanmäßigen Fahrt etwa zwei Stunden vor<br />

Ankunft im Betriebswerk dorthin vorgemeldet wurden.<br />

Von diesen Erfahrungen profitierten dann auch die<br />

schnelle Fernverkehrslokomotive der Baureihe 101 und<br />

weitere Lok-Serien. Auch sie wurden mit einer<br />

Schadensvormeldung ausgestattet. Das Prinzip funk-<br />

Diagnose:<br />

Dialog am Display<br />

INNOVATIONEN FÜR DEN ICE<br />

tioniert ähnlich wie im Hochgeschwindigkeitszug: Ein<br />

Diagnosespeicher in der Lok sammelt Daten über die<br />

Funktionsweise der elektrischen Komponenten. Vom<br />

Werk aus wird die Lok „angerufen“ und die Datei mit<br />

den Diagnosedaten ausgelesen.<br />

Parallel dazu bekommt auch der Lokführer mehr<br />

Informationen, denn das Diagnosesystem teilt ihm<br />

über Displays mit, ob und wie er gewisse kleinere<br />

Störungen selbst beseitigen kann. Auch das dient letztlich<br />

einer höheren Verfügbarkeit, kürzt Werkstattaufenthalte<br />

oder macht sie im günstigsten Fall gar nicht<br />

mehr nötig, weil der Fehler schon während der Fahrt<br />

behoben werden kann. Auch in den Triebzügen des<br />

Bremstechnik: Die Wirbelstrombremse ersetzt im ICE 3 als berührungsfreies und<br />

damit verschleißfreies System die bisher für Geschwindigkeiten über 160 km/h<br />

erforderliche Magnetschienenbremse.<br />

Lauftechnik: Optimierte Drehgestelle versprechen sicheren und ruhigen Lauf bei<br />

niedrigen und hohen Geschwindigkeiten. Sie sind so ausgelegt, dass sie in engen<br />

Kurven genauso wie bei Tempo 300 hohen Fahrkomfort bieten.<br />

Fahrzeugbau: ICE-Fahrzeuge sind aus selbsttragenden Aluminiumstrukturen aufgebaut<br />

– und damit leichter als Waggons in herkömmlichem Rahmenbau mit<br />

Außenverkleidungen.<br />

Neigetechnik: Die schon bewährten Antriebssysteme aktiver Neigetechnik sind<br />

für den ICE T mit moderner Regelungstechnik weiterentwickelt worden.<br />

Leittechnik: Mithilfe der für den Hochgeschwindigkeitsverkehr entwickelten<br />

Linienzugbeeinflussung (LZB) und der elektronischen Führerraum-<br />

Signalisierung wurde die Automatische Fahr- und Bremssteuerung (AFB) entwickelt.<br />

Die LZB ist zudem prinzipielle Grundlage für das künftige europäische<br />

System ETCS.<br />

Oberbau: Viel Aufwand steckt in Hochgeschwindigkeitsstrecken mit optimierter<br />

Gleislage sowie neuen Inspektions- und Instandhaltungsmethoden. Für Tunnelund<br />

Brückenbauwerke an Hochgeschwindigkeitsstrecken wurden neue<br />

Standards erarbeitet (Zur Festen Fahrbahn s. S. 24).<br />

Stromabnehmer: Aerodynamische Stromabnehmer mit einem elektronisch<br />

gesteuerten Feder-Dämpfer-System verstetigen bei hohen Geschwindigkeiten<br />

die Kontaktkraft am Fahrdraht.<br />

Energieverbrauch: Das windschnittige Design der Züge, die moderne<br />

Drehstromantriebstechnik mit Rückspeisung von Energie beim Bremsen, spezielle<br />

technische Hilfen für den Lokführer zur energiesparenden Fahrweise<br />

machen ICE-Züge sparsam: Bei durchschnittlicher Besetzung liegt der Verbrauch<br />

pro Person auf 100 km umgerechnet bei unter 2 Litern Kraftstoff.<br />

Regionalverkehrs gibt es bereits Diagnoseeinrichtungen,<br />

mit denen Störungen an einzelnen Komponenten<br />

– zum Beispiel der Bremse – erfasst werden. Da<br />

diese Züge noch nicht mit aufwändigen Datennetzwerken<br />

über das ganze Fahrzeug hinweg wie beim<br />

ICE ausgestattet sind, landen diese Meldungen ausschließlich<br />

via Display beim Lokführer. Dabei sind diese<br />

Systeme bereits so „intelligent“, dass sie dem Lokführer<br />

im Cockpit auch gleich mitteilen, wie relevant die<br />

Störung für seine weitere Fahrt ist. Das reicht dann von<br />

Hinweisen auf die Behebung der Störung bis zur<br />

Anordnung, aus Sicherheitsgründen das Fahrzeug<br />

anzuhalten.


Produktivität erreichen. Nur Züge, die im<br />

kommerziellen Einsatz sind, sind wirtschaftlich.<br />

Jeder Stillstand kostet Geld."<br />

So sind denn die ICE heute die am meisten<br />

ausgelasteten „Arbeitstiere“ der <strong>Bahn</strong><br />

mit jährlichen Laufleistungen bis über<br />

500.000 Kilometern je Zug – das ist in etwa<br />

ein Drittel mehr als bei den ebenfalls hoch geforderten<br />

Nahverkehrsfahrzeugen in Ballungsgebieten.<br />

Möglich wird die Kilometerleistung<br />

durch ein innovatives, hoch effizientes<br />

Instandhaltungssystem, das extra<br />

für den Hochgeschwindigkeitsverkehr entwickelt<br />

wurde. Es reduziert die Standzeiten<br />

der Züge ganz erheblich, und es macht die<br />

Nacht zum Tag: Laufende Wartungs- und<br />

Kontrollarbeiten werden in den ICE-Werken<br />

grundsätzlich nachts, also in den Betriebspausen<br />

durchgeführt.<br />

Diese Werke sind eigens für die ICE-Flotte<br />

gebaut und für die erforderlichen Arbeitsabläufe<br />

maßgeschneidert. Anders als bei der<br />

Eisenbahn zuvor gehen die Züge komplett in<br />

die Instandhaltung, werden also nicht in ihre<br />

einzelnen Wagen zerlegt. Mayer: „Das<br />

Das mit tonnenschweren Lasten und reichlich<br />

Geschwindigkeit betriebene Zusammenspiel von Rad<br />

und Schiene belastet zwangsläufig das stählerne Material.<br />

Seit den Anfängen der Eisenbahn gibt es das<br />

Phänomen, dass die Räder „unrund“ werden. Die<br />

Unrundheiten der Radoberfläche sind die Folge der vertikalen<br />

Kraft, die sich zwischen Rad und Schiene entwickelt,<br />

der so genannten Q-Kraft. Unrunde Räder sind<br />

bei der <strong>Bahn</strong> unbeliebt – sie stören die Transportqualität,<br />

sind Ursache für Lärm, und sie erhöhen den<br />

Verschleiß. In den 90er-Jahren entwickelte die DB<br />

Systemtechnik ein automatisches Messverfahren, das<br />

die vertikalen Kräfte zwischen Rad und Schiene<br />

Der Q-Kraft<br />

auf der Spur<br />

gewissermaßen im Vorbeifahren erfassen kann – die<br />

Detektionsanlage für unrunde Räder (DafuR). Die<br />

Anlage wird ortsfest im Streckennetz installiert, und sie<br />

misst auf einem gut vier Meter langen Gleisabschnitt<br />

den Q-Kraftverlauf eines jeden über sie rollenden<br />

Rades. Die Messsignale werden für jeden Radsatz<br />

spart Zeit, weil kein Rangieraufwand notwendig<br />

wird. Genauso wie die Installation<br />

von On-Board-Diagnosesystemen, die wir<br />

erstmals im ICE 1 eingebaut haben: Schon<br />

zwei Stunden vor der Ankunft im Werk meldet<br />

das System während der Fahrt mögliche<br />

erkannte Fehler vor. Damit werden die Arbeiten<br />

planbarer, für die Bestandsaufnahme<br />

fällt somit keine weitere Zeit an.“<br />

Ganz ohne Vorbild war das ICE-Werkstattkonzept<br />

allerdings nicht. Die S-<strong>Bahn</strong>en<br />

in München, Frankfurt und Stuttgart wurden<br />

schon seit den 70-er Jahren im Zugverband<br />

in die Wartung und Instandhaltung<br />

geschickt. Schon damals galt für die Ganzzug-Wartung:<br />

Standzeiten für Instandhaltung<br />

wie betriebliche Steuerung lassen sich<br />

besser disponieren. In der Folge wurden die<br />

Zugumläufe verbessert, was wiederum die<br />

Wirtschaftlichkeit des Betriebs optimierte.<br />

Darüber hinaus betreiben die Experten<br />

von Technik/Beschaffung ein umfassendes<br />

Monitoring des Störgeschehens. Sie kontrollieren<br />

regelmäßig Material- und Fertigungsaufwand.<br />

Mayer: „Letztlich sind das alles<br />

Köln<br />

Dortmund<br />

Frankfurt<br />

Karlsruhe<br />

Hamburg<br />

Hannover<br />

Leipzig<br />

Berlin<br />

München<br />

Messstellen im Netz<br />

Versuchsanlage<br />

DB Fernverkehr<br />

DB Regio<br />

S-<strong>Bahn</strong><br />

aufgezeichnet und ausgewertet. Das bedeutet:<br />

Kombiniert mit Zugnummer, Achsnummer und der<br />

jeweiligen Seite des Zuges werden die Rundlaufabweichungen<br />

registriert und um Zuggeschwindigkeit,<br />

Achszahl, Überfahrzeit, Radlasten ergänzt. Gemessen<br />

wird prinzipiell die Kraft, mit der das Rad auf die<br />

ICE-Innovationen<br />

übernommen: Führerstand<br />

der Güterzuglok<br />

BR 189 (oben).<br />

Ganzzug-Wartungskonzept<br />

auch für<br />

S-<strong>Bahn</strong> (linke Seite).<br />

Zusatznutzen:<br />

Auch InterCity-Züge<br />

fahren zum Teil<br />

auf den schnellen<br />

ICE-Strecken.<br />

Schiene drückt. Das Ergebnis wird mit Dehnungsmessstreifen<br />

erfasst, die dank vorheriger Kalibrierung<br />

die Q-Kraft ablesbar machen und damit zugleich<br />

Abweichungen von der Norm erkennen lassen.<br />

Ursprünglich ausschließlich im ICE-Netz installiert,<br />

verfügt die DB mittlerweile über mehr als zwei<br />

Dutzend DafuR-Messstellen. So nutzt nicht nur der<br />

Fernverkehr diese einfache, aber wirkungsvolle<br />

Prüfmethode, auch DB Regio checkt inzwischen in<br />

dieser Systematik die Qualität der Räder. Und in<br />

München und Hannover wird demnächst sogar die<br />

S-<strong>Bahn</strong> über diese Detektionsanlagen rollen. Übrigens<br />

auch das Netz profitiert: Der Verschleiß am Oberbau<br />

kann jetzt nämlich qualifiziert bewertet werden. Die<br />

Einsatzmöglichkeiten sind geradezu universell, denn<br />

die Suche nach Unrundheiten ist praktisch in allen<br />

gängigen Geschwindigkeitsbereichen möglich – von<br />

5 km/h bis 400 km/h.<br />

9<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006


thema<br />

10<br />

15 JAHRE ICE<br />

Maßnahmen in unserem Bestreben, den<br />

Fahrzeug-Einsatz noch zuverlässiger planbar<br />

zu machen und zugleich die technische Optimierung<br />

der Fahrzeuge kontinuierlich voranzutreiben.<br />

Das natürlich alles mit dem<br />

Ziel, noch ein bisschen wirtschaftlicher fahren<br />

zu können.“ Das Ergebnis kann sich se-<br />

Penible Präzision in fast schon klinischer Atmosphäre:<br />

Für die ICE-Wartung hat die DB hochmoderne Konzepte<br />

entwickelt, die im Laufe der Jahre immer weiter<br />

optimiert wurden. Den aktuellen Top-Zustand bietet<br />

z. B. das ICE-Werk München. Die dort beheimateten<br />

Züge kommen dorthin zum Boxenstopp. Alle 4000<br />

Kilometer beim ICE 3, also nach der Laufleistung von<br />

zwei, drei Tagen ist die Laufwerkskontrolle fällig. Nicht<br />

nur Räder und Achsen, sondern auch der Dachbereich,<br />

die Einstiegstüren werden gecheckt, sowie WC-<br />

Behälter entleert und Frischwasserbehälter befüllt.<br />

„DER ICE IST DAS FL<strong>AG</strong>GSCHIFF DER<br />

DEUTSCHEN BAHN UND EINE DER ERFOLG-<br />

REICHSTEN DEUTSCHEN MARKEN ÜBERHAUPT.“<br />

hen lassen: Die technischen Pannen im ICE-<br />

Einsatz konnten im Laufe der Jahre deutlich<br />

verringert werden. Beim Neigetechnik-ICE-<br />

T zum Beispiel kommt es inzwischen auf<br />

40.000 Kilometer zu lediglich einer technischen<br />

Störung, die zu mehr als einer fünfminütigen<br />

Verspätung führt.<br />

Längst alltäglich:<br />

ICE-Einsatz im Ausland,<br />

hier ein ICE 3<br />

im Hauptbahnhof<br />

von Amsterdam.<br />

Und das gewissermaßen im Akkord: Nach 90 Minuten<br />

ist im Normalfall alles erledigt. Wie gut geschmierte<br />

Zahnräder greifen die einzelnen Arbeitsschritte ineinander.<br />

Der auf einem aufgeständerten Gleis geparkte<br />

Zug kann von vier Ebenen aus gleichzeitig bearbeitet<br />

werden. Die höchste ist die Dacharbeitsebene, die über<br />

besondere Arbeitsbühnen erreicht wird. Die <strong>Bahn</strong>steigebene<br />

eröffnet den Zugang zum Innenraum, etwa<br />

für die Reinigung und Müllentsorgung. Die Hauptarbeitsebene<br />

liegt etwa einen Meter unter den<br />

aufgeständerten Schienen. Hier können Arbeiten im<br />

Boxenstopp<br />

nach Fahrplan Laufwerkskontrolle<br />

Dr. Karl-Friedrich Rausch, Vorstand Personenverkehr der DB <strong>AG</strong><br />

nach 4 000<br />

km<br />

• Laufwerke<br />

• Dachbereich<br />

• Einstiegstüren<br />

• WC<br />

• Frischwasser<br />

1,5 h Standzeit<br />

Viele technische Innovationen, die eigens<br />

für den ICE entwickelt wurden, sind im<br />

Laufe der Jahre zum Standard auch für andere<br />

moderne Schienenfahrzeuge geworden.<br />

Das betrifft in hohem Maße den Reisekomfort.<br />

Beispielsweise wird das Angebot unterschiedlicher<br />

Sitzlandschaften, z.B. mit<br />

Reihenbestuhlung und Vis-à-vis-Plätzen<br />

oder Arbeitstischen auch in anderen Zügen<br />

vom Intercity bis zum Regionalexpress realisiert.<br />

Fahrzeuge mit Klimaanlagen sind heute<br />

im Nahverkehr so selbstverständlich<br />

geworden wie geschlossene WC-Systeme.<br />

Auch die Fahrgast-Information über Displays<br />

ist heute längst nicht mehr nur ICE-<br />

Standard.<br />

Vor einer interessanten Zukunft steht<br />

auch die Wirbelstrombremse, die ihre Bremskräfte<br />

verschleißfrei ohne jede mechanische<br />

Berührung mit starken Magnetfeldern über<br />

der Schiene entwickelt. Ursprünglich als zusätzliche<br />

Bremse für den Tempo-300-Verkehr<br />

entwickelt, gibt es Überlegungen, das System<br />

auch außerhalb des Hochgeschwindigkeitsverkehrs<br />

einzusetzen.<br />

Klinisch rein und<br />

immer Tempo:<br />

So läuft in den<br />

ICE-Werken die<br />

Wartung.<br />

Nachschau<br />

Laufwerkskontrolle plus:<br />

• Bremsprüfung<br />

• LZB<br />

• Gleitschutz<br />

20 000<br />

km<br />

2,5 h Standzeit<br />

Inspektionsstufe 1<br />

Nachschau plus:<br />

• Bremsrevision<br />

• Klimaanlage<br />

• Kücheneinrichtung<br />

• Sitze<br />

• Batterien<br />

• FIS<br />

80 000<br />

km<br />

2 Module à 8 h Standzeit<br />

-


Zum Vorreiter auch für andere <strong>Bahn</strong>en<br />

und die Industrie wurden die auf Ultraschall<br />

basierenden Methoden der zerstörungsfreien<br />

Prüfung von Radsatzwellen und<br />

Rädern (s. S. 12/13 unten). Frankreich,<br />

Spanien, Italien, Korea, China – überall, wo<br />

Hochgeschwindigkeitszugsysteme entstehen,<br />

beeindrucken die modernen Instandhaltungsprozesse<br />

nach dem Vorbild des ICE.<br />

Inspektionsstufe 2<br />

Inspektionsstufe 1 plus:<br />

• Fahrmotor<br />

• Radsatzlager<br />

• Radsatzwellen<br />

• Kupplungen<br />

240 000<br />

km<br />

2 Module à 8 h Standzeit<br />

Schürzenbereich, Versorgungsaufgaben oder der<br />

Austausch von Radsätzen oder Drehgestellen vorgenommen<br />

werden. Schließlich noch die Unterflurebene<br />

in der Gleisgrube, mit 1,75 Metern unter Schienenoberkante<br />

tief genug, um ergonomisch optimal alle<br />

Arbeiten unter dem Zug ausführen zu können. Auch die<br />

Fahrpläne für komplexere Arbeiten am Zug stehen fest<br />

– von der Nachschau alle 20.000 Kilometer bis zur<br />

großen Revision. Die dauert dann zwei Wochen, doch<br />

bis ein ICE diese Verschnaufpause bekommt, muss er<br />

erst einmal 2,4 Millionen Kilometer gefahren sein.<br />

Inspektionsstufe 3<br />

Inspektionsstufe 2 plus:<br />

• Luftpresser<br />

• Trafo-Ölkühler<br />

• Behandlung des Fahr<br />

gastinnenraums<br />

480 000<br />

km<br />

3 Module à 8 hStandzeit<br />

Die <strong>Bahn</strong>en in diesen Ländern lernen gerne<br />

von der DB: Sie beschaffen nicht nur die entsprechenden<br />

Geräte, sondern studieren auch<br />

die Prozesse in den deutschen ICE-Werken.<br />

So hat die Tschechische <strong>Bahn</strong> eine erste<br />

Ultraschall-Prüfanlage für Radsätze in Betrieb<br />

genommen und informiert sich in den<br />

deutschen Werken über weitere Systeme. An<br />

der Entwicklung der zerstörungsfreien<br />

1. Revision<br />

Arbeiten an allen<br />

Komponenten<br />

1,2 Mio<br />

km<br />

2 Module à 5 Tage Standzeit<br />

Nachschau mit<br />

Stablampe: Alle<br />

4000 Kilometer<br />

wird jeder Zug<br />

kritisch unter die<br />

Lupe genommen.<br />

2. Revision<br />

wie 1. Revision plus:<br />

• Drehgestelltausch<br />

• Austausch und<br />

Zerlegung vieler<br />

Komponenten<br />

2,4 Mio<br />

km<br />

2 Module à 5 Tage Standzeit<br />

Facelifting für das<br />

Erfolgsmodell: Im<br />

Relaunch werden<br />

die 59 ICE 1 fit gemacht<br />

für weitere<br />

Dienstjahre – auch<br />

mit neuen Sitzen.<br />

11<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006


thema<br />

12<br />

15 JAHRE ICE<br />

Nutzung von<br />

Stückzahleneffekten<br />

durch<br />

Modularisierung<br />

und<br />

Standardisierung<br />

Ultraschall-Diagnose: In den ICE-Werken in München<br />

und Dortmund setzt die DB bereits die zweite<br />

Generation elektronischer Systeme zur automatisierten<br />

Ultraschallprüfung von Rädern der ICE-Flotte ein. Die<br />

beiden Unterflurprüfeinrichtungen – kurz „UFPE“ –<br />

stellen sicher, dass die Räder der Fahrzeuge im einwandfreien<br />

Zustand sind, denn bereits kleinste<br />

Veränderungen können rechtzeitig detektiert und<br />

bewertet werden. Alle Räder werden im eingebauten<br />

Zustand unabhängig vom Radtyp per Ultraschall<br />

Ultraschall<br />

am Rad<br />

Einsatz bewährter<br />

Technik auch aus<br />

anderen<br />

Industriezweigen<br />

Weitere Senkung<br />

des Energieverbrauchs<br />

Prüfung waren neben der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Bahn</strong><br />

namhafte Firmen beteiligt, die jetzt ihre Entwicklungen<br />

international vermarkten. Die<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Bahn</strong> ist daran beteiligt: Sie hat<br />

teils eigene Patente, teils gemeinsame Patente<br />

mit den Industriefirmen.<br />

Der ICE war nicht nur eine technische Innovation,<br />

sondern auch Treiber für kundenorientierte<br />

Schulungsprogramme. Und er<br />

setzte Signale in der Wahrnehmung: die neue<br />

Dienstkleidung oder das Entwickeln neuer<br />

Serviceleistungen. So entstanden neue Berufsbilder<br />

bei der <strong>Bahn</strong> – im Service, im Ver-<br />

Tempo überzeugt:<br />

Die schnellen ICE-<br />

Verbindungen Hamburg<br />

- Berlin haben<br />

einen Run auf die<br />

<strong>Bahn</strong> ausgelöst.<br />

Künftige technische Innovationen<br />

im Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />

Weitere Senkung<br />

der Schallemission<br />

Noch bessere<br />

Ausnutzung der<br />

Fahrgasträume für<br />

Sitzplätze<br />

Neue technische<br />

Serviceleistungen<br />

zur Nutzung der<br />

Reisezeit und<br />

Informationsübermittlung<br />

kauf, im Zug, im <strong>Bahn</strong>hof. Neue technische<br />

Komponenten und Werkstoffe verlangten<br />

nach einem völlig anderen Verständnis der<br />

technischen Abläufe und setzten fachliches<br />

Wissen voraus. Mikroprozessoren, elektronische<br />

Rechner, Computer, Displays,<br />

Software – modernste Systeme forderten<br />

Triebfahrzeugführer, Werkstattmitarbeiter<br />

und Disponenten. Dafür setzten sich viele<br />

Eisen-bahner wieder auf die Schulbank, um<br />

fachlich dazuzulernen.<br />

Zugleich wurde der Arbeitsplatz <strong>Bahn</strong><br />

interessant für die Absolventen von Stu-<br />

geprüft. In rund 30 Minuten ist der Prüfvorgang am<br />

Radsatz abgeschlossen, für den – bei speziellen<br />

Radsätzen – ohne eine derartige Prüfanlage bis zu<br />

sechs Stunden Arbeitszeit alleine für Ein- und Ausbau<br />

notwendig wären. Die automatisierte Prüfung systematisiert<br />

und beschleunigt nicht nur die Arbeitsabläufe,<br />

sondern sie sichert auch die hohe Qualität der<br />

Instandhaltung und macht den Betrieb wirtschaftlicher.<br />

Die mobile UFPE ist im Arbeitsgleis „unterflur“<br />

angeordnet. Mittels einer Hydraulik wird ein Radsatz<br />

diengängen, die bislang eher weniger mit<br />

dem Schienenverkehr zu tun hatten. Dazu<br />

zählen beispielsweise Wirtschaftsingenieure,<br />

Informatiker oder Wirtschaftsinformatiker.<br />

Die Berufsbilder der <strong>Bahn</strong> haben sich<br />

zum Teil geradezu revolutionär gewandelt –<br />

vom Mechatroniker über den Kaufmann für<br />

Verkehrsservice bis hin zum IT-Systemelektroniker.<br />

Trotz der hohen Geschwindigkeiten setzte<br />

die <strong>Bahn</strong> mit der ICE-Familie von Anfang<br />

an Maßstäbe in Sachen Umweltbewusstsein:<br />

Die Züge haben ihre markante Form aus dem<br />

am Fahrzeug angehoben, und die Prüfköpfe angelegt.<br />

Die UFPE arbeitet mit hochfrequenten Ultraschallwellen,<br />

die sie über die Prüfköpfe in das Rad<br />

aussendet. Der Ultraschall tastet das Rad bei einer vollen<br />

Umdrehung in allen Bereichen ab. Jede<br />

Veränderung im Material reflektiert die Impulse zurück<br />

an das Gerät. Auf Monitoren werden die Ergebnisse grafisch<br />

sichtbar gemacht, bewertet und elektronisch<br />

gespeichert.<br />

Zuverlässige Diagnose:UFPE-Einsatz<br />

an einem<br />

Referenzradsatz<br />

(links), Radsatzwellen-Prüfung<br />

(rechts)


Radsatzwellen – die Achsen – sind hoch belastete<br />

Komponenten des Rad/Schiene-Systems, und sie<br />

bedürfen schon aus Gründen der Sicherheit einer ständigen<br />

Überprüfung. Bereits seit den Anfängen des ICE-<br />

Zeitalters bedient sich die <strong>Bahn</strong> der Ultraschall-<br />

Prüfungen. Zunächst wurden die Bauteile mit einem<br />

manuellen System abgetastet. Doch mit steigender<br />

Zahl der Züge wurde ein neues Verfahren entwickelt:<br />

die automatisierte Ultraschallprüfung für Radsatzwellen<br />

mit Innenbohrung. Gemeinsam mit der Firma<br />

Cegelec Anlagen- und Automatisierungstechnik entstand<br />

im Jahr 2002 die erste automatisch arbeitende<br />

Geprüfte<br />

Wellen<br />

Die Energiebilanz:<br />

Von den<br />

Verbrauchwerten<br />

des ICE können<br />

Autofahrer nur<br />

träumen.<br />

Windkanal: Sie sind aerodynamisch so gebaut,<br />

dass der Energieverbrauch gegenüber<br />

herkömmlichen Schienenfahrzeugen deutlich<br />

gesenkt werden konnte. Hinzu kam ein<br />

technologisches Novum, das heute ebenfalls<br />

Stand der Technik für andere moderne Triebfahrzeuge<br />

ist: Die beim Bremsvorgang<br />

erzeugte Energie wird über generatorischen<br />

Bremsen zurück ins Netz gespeist.<br />

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Im<br />

Energieverbrauch ist die ICE-Flotte trotz der<br />

hohen Geschwindigkeiten recht sparsam.<br />

Bei einer durchschnittlichen mittleren Auslastung<br />

liegt der Energieverbrauch des ICE 3<br />

umgerechnet bei weniger als zwei Litern<br />

Benzin pro Person und 100 Kilometern, beim<br />

ICE 2 bei rund 2,5 Litern und beim ICE 1<br />

immerhin noch bei weniger als drei Litern<br />

Benzin. bt<br />

Prüfeinrichtung – mittlerweile gibt es 16 davon allein<br />

bei der DB. Die meisten von ihnen sind in den ICE-<br />

Werken installiert, doch auch im Instandhaltungswerk<br />

Krefeld und im Werk Dessau wird die Prüftechnik bei<br />

S-<strong>Bahn</strong>en bzw. E-Loks angewandt. Die Tendenz ist<br />

weiter steigend. Die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung<br />

interessiert auch andere <strong>Bahn</strong>en, zum Beispiel die<br />

koreanische <strong>Bahn</strong> für ihre Hochgeschwindigkeitszüge.<br />

Auch die Berliner Verkehrsgesellschaft will Tram-<br />

Achsen so kontrollieren.<br />

Bei dem rechnergesteuerten Verfahren werden acht<br />

Positionen gleichzeitig über die gesamte Länge der<br />

Welle hinweg gecheckt und die Prüfergebnisse mit<br />

Hilfe eines Scanners auf einem Bildschirm sichtbar<br />

gemacht. Wenn diese Standardprüfung keine Beanstandungen<br />

ergibt, kann die Radsatzwelle wieder in<br />

den Betrieb rollen. Das O.K. dazu wird automatisch von<br />

der Anlage gegeben. Zeigen sich jedoch Abweichungen<br />

von der Norm, schlägt das System Alarm. Die<br />

Automatisierung hat die Radsatzwellenprüfung abgesichert<br />

und erheblich beschleunigt. Damit verringert<br />

sie kostspielige Standzeiten in den Werken.<br />

13<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006


aktuell<br />

14<br />

INNOTRANS<br />

Große Schau der<br />

<strong>Bahn</strong>technik<br />

Vom 19. bis zum 22. September wird die<br />

Messe in Berlin wieder zum Mekka der Eisen<strong>bahntech</strong>nik.<br />

Die alle zwei Jahre stattfindende<br />

internationale Fachmesse InnoTrans<br />

wird die weltweite Verkehrstechnikbranche<br />

zusammenführen. Mit von der Partie ist natürlich<br />

die <strong>Deutsche</strong> <strong>Bahn</strong>: „Die InnoTrans<br />

bietet uns die optimale Plattform, um gegenüber<br />

Industrie und Bestellern von <strong>Bahn</strong>leistungen<br />

unser einzigartiges Know-how zu<br />

demonstrieren“, sagte <strong>Bahn</strong>-Chef Hartmut<br />

Mehdorn. Er erhofft sich von der Messe weitere<br />

positive Impulse zur Entwicklung des<br />

Schienenverkehrsmarktes.<br />

Die DB ist mit einem 500 Quadratmeter<br />

großen Messestand (Halle 1.2, Stand 201)<br />

und im Freigelände vertreten. Das Informations-<br />

und Gesprächsangebot mit den Fachleuten<br />

des Konzerns umfasst sämtliche<br />

technische Bereiche. So stellt etwa DB Energie<br />

Technik zur Erfassung des <strong>Bahn</strong>stromverbrauchs<br />

grenzüberschreitender Verkehre<br />

vor. Auch Themen wie Versorgungssicherheit<br />

und Energiesparmöglichkeiten, die in<br />

Zeiten steigender Energiepreise für alle Verkehrsunternehmen<br />

gleichermaßen wichtig<br />

sind, werden aufgegriffen.<br />

Die DB Fahrzeuginstandhaltung führt<br />

vor, welche Möglichkeiten ihre Fachleute für<br />

Modernisierungs- und Umbauprogramme<br />

von Schienenfahrzeugen haben, die in die<br />

Jahre gekommen sind. Instandhaltungsspezialisten<br />

demonstrieren darüber hinaus moderne<br />

Wartungs- und Instandhaltungssysteme.<br />

Herausragende aktuelle Projekte<br />

sind das Redesign der ICE-1-Flotte sowie das<br />

Modernisierungsprogramm der fast 30 Jahre<br />

alten S-<strong>Bahn</strong>-Triebzüge der Reihe ET 420, die<br />

für den Einsatz im Großraum Stuttgart kos-<br />

Mit der S-<strong>Bahn</strong><br />

zur Messe: Der<br />

neue Hauptbahnhof<br />

von Berlin<br />

wird für viele<br />

InnoTrans-Besucher<br />

Attraktion<br />

und Startpunkt<br />

zugleich sein.<br />

tengünstig für weitere zehn Jahre Lebensdauer<br />

fit gemacht und dabei vollkommen modernisiert<br />

werden, um anspruchsvollen<br />

Kundenvorstellungen zu entsprechen.<br />

Die DB Kommunikationstechnik gibt<br />

Einblicke in den gesamten, sich immer weiter<br />

entwickelnden Bereich der IT- und Netzwerktechnik,<br />

sie informiert genauso über<br />

Büro- und Sicherheitstechnik, Fahrgastinformationsanlagen,<br />

Automatentechnik und<br />

Mediendienstleistungen. Mit von der Partie<br />

ist auch die DB Magnetbahn GmbH. Sie tritt<br />

treiber des rund 34.000 Kilometer Schienennetzes<br />

in Deutschland präsentiert Instandsetzungskonzepte<br />

und zeigt die<br />

vielseitige Kompetenz von der Weichenherstellung<br />

bis zur Baustellenlogistik. Mit auf<br />

dem DB-Stand ist auch die DB ProjektBau,<br />

die dort ihre Qualitäten als Projektmanagement-Dienstleister<br />

des <strong>Bahn</strong>konzerns darstellt.<br />

Bewiesen hat sie diese Qualität zuletzt<br />

bei der Planung und Realisierung der neuen<br />

Nord-Süd-Verbindung in Berlin einschließlich<br />

des Hauptbahnhofs.<br />

DIE BAHN PRÄSENTIERT IN BERLIN DIE<br />

GESAMTE BANDBREITE IHRES KNOW-HOWS<br />

mit dem Slogan an: „In nur zehn Minuten alle<br />

zehn Minuten“. Damit ist das Ziel beschrieben,<br />

in München die Verkehrsdrehscheiben<br />

Hauptbahnhof und Flughafen mit<br />

einer gut 37 Kilometer langen Magnetbahn<br />

zu verbinden und dort ein modernes, schnelles<br />

Angebot zu schaffen, was Flug und Zug<br />

optimal verknüpft. Die DB Netz <strong>AG</strong> als Be-<br />

Auch der Bereich Qualitätssicherung<br />

tritt auf der Messe an. Er stellt insbesondere<br />

die fertigungsbegleitende Qualitätssicherung<br />

bei der Beschaffung von neuen Fahrzeugen<br />

vor – im konkreten Fall geht es um<br />

Doppelstockwagen für die israelische Staatsbahn.<br />

Zu den weiteren Spezialitäten, die die<br />

<strong>Bahn</strong> präsentiert, gehören die Aktivitäten


der Tochter DB Systems. Sie stellt maßgeschneiderte<br />

IT-Lösungen für den Verkehrsmarkt<br />

vor. Dazu zählen Entwicklungen wie<br />

das Reisendeninformationssystem RIS, dessen<br />

moderne Anwendungen insbesondere<br />

der Verkehrsträger übergreifenden Anschlusssicherung,<br />

etwa von der S-<strong>Bahn</strong> zum<br />

Bus, dienen.<br />

Die DB Systemtechnik stellt sich als<br />

„Kompetenzzentrum für <strong>Bahn</strong>(en) und<br />

<strong>Bahn</strong>industrie“ dar. Neben der umfassenden<br />

Präsentation der Ingenieurdienstleistungen<br />

werden Exponate wie etwa ein Messstromabnehmer<br />

ausgestellt. Im Freigelände wird<br />

der Mess-ICE zu sehen sein, der maßgeblich<br />

an der Komponentenentwicklung für den<br />

Hochgeschwindigkeitsverkehr in Deutschland<br />

und im Ausland beteiligt ist. Der Produktbereich<br />

Fahrzeuge des Ressorts<br />

Technik/Beschaffung beschreibt auf der<br />

Messe das Zusammengehen von Einkäufern<br />

und Ingenieuren bei der Beschaffung, dem<br />

Betrieb, der Optimierung und Instandhaltung<br />

verschiedener Fahrzeugtypen.<br />

Dokumentiert wird, dass dieses Know-how<br />

auch als Beratungsdienstleistung von anderen<br />

<strong>Bahn</strong>en gut nachgefragt ist.<br />

„Telekommunikations-Lösungen aus einer<br />

Hand“ ist das Thema von DB Telematik.<br />

Die Konzerntochter führt auf der InnoTrans<br />

ihr Leistungsspektrum rund um die Mobilfunktechnologie<br />

GSM-R vom Netzaufbau<br />

bis zur Betriebsführung der Anlagen vor.<br />

Zum Themenkreis gehört ferner unter<br />

anderem die mobile Sicherheitstechnik, mit<br />

der sicherheitsrelevante Bereiche im <strong>Bahn</strong>umfeld<br />

mittels modernster Kameratechnik<br />

kontrolliert im Blick bleiben können.<br />

Vertreten ist auch die <strong>Bahn</strong>bauGruppe,<br />

zu der sich die Experten rund um die<br />

Infrastruktur Technik des Verkehrssystems<br />

Schiene zusammengefunden haben. Zu den<br />

Blickfängen auf dem Messestand gehört ein<br />

Modell der Festen Fahrbahn, ein Highlight<br />

ist beispielsweise der Stromschienenstützpunkt<br />

für Hilfsbrücken.<br />

Keine technische Dienstleistung ohne<br />

qualifizierte Menschen: DB Training stellt<br />

sich als der „Qualifizierungs- und Beratungsanbieter“<br />

der <strong>Bahn</strong> dar, DB Zeitarbeit als der<br />

Personaldienstleister, der nicht zuletzt helfen<br />

kann, Auftragsspitzen mit qualifiziertem<br />

Personal abzudecken. bt<br />

NAHVERKEHR<br />

Rasanter RegionalExpress<br />

DB Regio: Mit 200 Sachen über<br />

die ICE-Strecke Nürnberg – Ingolstadt<br />

Vom Fahrplanwechsel im Dezember an bekommt<br />

Bayern den schnellsten Regionalverkehr<br />

in Deutschland, vielleicht sogar der<br />

Welt. Zehn Mal täglich wird dann der München-Nürnberg-Express<br />

im Zwei-Stunden-<br />

Takt verkehren. Er fährt auf Bayerns neuer<br />

Schnellstrecke von Nürnberg nach Ingolstadt<br />

und weiter südlich bis München auf der<br />

ausgebauten Strecke Ingolstadt–München<br />

mit 200 km/h Höchstgeschwindigkeit.<br />

Damit wird zum ersten Mal eine für Tempo<br />

300 konzipierte Strecke auch für den Regionalverkehr<br />

genutzt. Zwischen Nürnberg<br />

und Ingolstadt hat die Neubaustrecke zwei<br />

Halte für die Regionalzüge bekommen – in<br />

Allersberg (Rothsee) sowie in Kinding im<br />

Altmühltal. Ganze 102 Minuten wird die Reise<br />

zwischen Nürnberg und München mit<br />

dem RegionalExpress künftig dauern. DB<br />

Regio hat den Verkehr in einer Ausschreibung<br />

der Bayerischen Eisenbahngesellschaft<br />

gewonnen und wird das Angebot zunächst<br />

für sieben Jahre aufrecht erhalten.<br />

Technisch stellt der schnelle Regionalverkehr<br />

kein Problem dar, da DB Regio auf<br />

bewährtes Rollmaterial des Fernverkehrs zurückgreift.<br />

Eingesetzt werden Wendezüge<br />

mit Lokomotiven der Baureihe 101 und Intercity<br />

–Reisezugwagen. Diese Fahrzeuge erfüllen<br />

die Kriterien für einen so schnellen<br />

Nahverkehr: Sie sind druckdicht – wichtig<br />

für die langen Tunnel im Neubaustreckenabschnitt<br />

zwischen Nürnberg und Ingolstadt –,<br />

sie sind für Tempo 200 zugelassen und sie<br />

bieten als klimatisierte Fahrzeuge einen zeitgemäßen<br />

Komfort.<br />

Äußerlich im „Nahverkehrs-Rot“ von DB<br />

Regio lackiert, finden in den sechs Wagen<br />

insgesamt 430 Reisende Platz. In den Spitzenzeiten<br />

des Berufsverkehrs fährt zudem<br />

ein Zehn-Wagen-Zug mit 760 Plätzen. Es gibt<br />

sowohl Großraumwagen als auch Abteile mit<br />

komfortabler Bestuhlung, eine behindertengerechte<br />

Toilette, einen Rollstuhl-Stellplatz<br />

und eine hochwertige Innenausstattung im<br />

1. Klasse-Bereich. Pro Zug ist weiter ein<br />

Mehrzweckraum mit 16 Fahrradabstellplätzen<br />

vorgesehen.<br />

Fahrplantechnisch „schwimmen“ die Züge<br />

dank der hohen Reisegeschwindigkeit<br />

mit den schnelleren ICE mit – das heißt:<br />

Sie können Fahrplantrassen zwischen den<br />

Fernverkehrszügen nutzen, ohne diese zu<br />

behindern. Überholungen sind in Ingolstadt<br />

Hauptbahnhof eingeplant. Der neue schnelle<br />

Nahverkehr mit dem München-Nürnberg-<br />

Express wird den Kunden zu den üblichen<br />

Ticket-Konditionen angeboten.<br />

Attraktiv werden dadurch auch Verbin-<br />

Parallelfahrt zur<br />

Eröffnung der Strecke:<br />

Bald fahren hier auch<br />

schnelle RE-Züge.<br />

dungen über Nürnberg und München hinaus:<br />

Wer von Bayreuth nach München mit<br />

dem RegionalExpress fährt, spart eine ganze<br />

Stunde, von Weilheim oder von Rosenheim<br />

nach Nürnberg verkürzt sich die Fahrzeit um<br />

30 Minuten. Das gilt natürlich erst recht für<br />

die direkte Entfernung Ingolstadt – Nürnberg<br />

über die Neubaustrecke: Bislang fahren<br />

die Regionalzüge über Treuchtlingen und<br />

brauchen 90 Minuten, künftig wird diese<br />

Zeit halbiert. bt<br />

15<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006


aktuell<br />

16<br />

LIEFERANTEN-PRÄDIKAT<br />

Die InnoTrans wird in diesem Jahr der<br />

Rahmen für die Verleihung der DB-<br />

Lieferantenprädikate sein. „Zum zweiten<br />

Mal hat die <strong>Bahn</strong> <strong>AG</strong> das Lieferantenprädikat<br />

in sechs Kategorien ausgeschrieben“,<br />

berichtet Dr. André Zeug, Generalbevollmächtigter<br />

Technik/Beschaffung der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Bahn</strong>. Und: „Wir wollen die<br />

Auszeichnung durch Kontinuität zu einem<br />

renommierten Preis der Wirtschaft entwickeln.“<br />

Das Interesse der DB an hervorragenden<br />

Lieferantenbeziehungen kommt nicht<br />

von ungefähr. DB-Konzernchef Hartmut<br />

Mehdorn: „Mit einem Einkaufsvolumen von<br />

bis zu zwölf Milliarden Euro pro Jahr ist der<br />

Konzern einer der größten Auftraggeber der<br />

Wirtschaft. Mehr als 30 Prozent gehen dabei<br />

an mittelständische Firmen.“ Rund 35.000<br />

Zuliefererfirmen sind die Auftragnehmer.<br />

„Von ihnen fordern wir qualitativ hochwertige<br />

Produkte und Leistungen, die einen wirtschaftlichen<br />

Betrieb zu wettbewerbsfähigen<br />

Konditionen ermöglichen“, erläutert Zeug –<br />

und die dazu beitragen, das System <strong>Bahn</strong><br />

technisch stetig weiterzuentwickeln.<br />

Mit dem Lieferantenprädikat werden herausragende<br />

Leistungen in den Bereichen<br />

Bau, Fahrzeuge, Fahrzeugersatzteile,<br />

Informationssysteme, Elektrotechnik / Telekommunikation<br />

/ Leit- und Sicherungstechnik<br />

sowie Allgemeiner Einkauf / Maschinelle<br />

Anlagen / Facility Management prämiert.<br />

Entscheidende Kriterien sind Qualität und<br />

Perfekte Partnerschaften<br />

KATEGORIE BAU<br />

ECHTERHOFF GMBH & CO. KG,<br />

WESTERKAPPELN<br />

Sie kam als Retter in höchster Not: Die<br />

Echterhoff Bau-Gruppe stieg vor eineinhalb<br />

Jahren nach nur kurzer Bedenk- und Prüfzeit<br />

nach der Insolvenz eines Bauträgers in das<br />

Projekt der neuen Nord-Süd-Eisenbahnverbindung<br />

in Berlin ein. Sie schaffte es trotz<br />

erheblicher Schwierigkeiten und extremen<br />

Termindrucks, den neuen ICE-Fernbahnhof<br />

Berlin Südkreuz am Kreuzungspunkt mit<br />

dem südlichen S-<strong>Bahn</strong>-Ring fristgerecht<br />

zum „kleinen Fahrplanwechsel“ Ende Mai<br />

unmittelbar vor der Fußball-Weltmeisterschaft<br />

fertigzustellen – und leistete damit<br />

einen wesentlichen Beitrag zum ambitionierten<br />

Gesamtprojekt.<br />

Die Jury des Lieferantenpreises beeindruckte<br />

besonders, wie die Echterhoff-Ex-<br />

Zuverlässigkeit, Serviceorientierung, reelle<br />

Preise, Nachhaltigkeit und Umweltschutz,<br />

Nutzen für den <strong>Bahn</strong>kunden, partnerschaftliches<br />

Verhalten sowie Innovationsfreude<br />

und Identifikation mit den Zielen der DB <strong>AG</strong>.<br />

Die Kandidaten für das DB-Lieferantenprädikat<br />

werden vom Zentralen Einkauf der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Bahn</strong> vorgeschlagen. Eine Jury<br />

aus Vertretern der DB-Geschäftsfelder<br />

bewertet die vorgeschlagenen Lieferanten<br />

und vergibt den Preis. Für das ausgezeichnete<br />

Unternehmen ist das Prädikat eine<br />

begehrte Auszeichnung, mit der es sich zwei<br />

Jahre, bis zur Verleihung des nächsten<br />

Lieferantenprädikats, schmücken darf.<br />

perten in kurzer Zeit Bauabläufe und Baulogistik<br />

umkrempelten, um das Projekt trotz<br />

der Verzögerungen und Nachbesserungen<br />

fristgerecht abzuschließen – und zwar ohne<br />

die Notsituation auszunutzen. Echterhoff<br />

habe, so befand die Jury, „sowohl im Auftreten<br />

als Auftragnehmer in DB-Projekten als<br />

auch als umweltbewusstes, qualitäts- und<br />

mitarbeiterorientiertes mittelständisches<br />

Unternehmen beeindruckt.“<br />

KATEGORIE FAHRZEUGERSATZTEILE<br />

GL SPEZIALVERGLASUNG GMBH,<br />

HALSTENBECK<br />

Was bei Autos schon lange möglich ist,<br />

funktioniert nun auch beim ICE: Die GL Spezialverglasung<br />

hat ein Verfahren entwickelt,<br />

mit dem beschädigte ICE-Fenster sicher repariert<br />

werden können. Der Unterschied<br />

zum Auto: Die gläsernen Partien im Zug sind<br />

anspruchsvolle Hightechprodukte, die ex-<br />

Endspurt am<br />

Berliner Südkreuz:<br />

Das Projekt wurde<br />

planmäßig<br />

fertiggestellt.


treme Luftdruckwellen bei Zugbegegnungen<br />

oder in Tunnels aushalten müssen.<br />

Aus der Sicht der Jury krönt das neue Angebot<br />

von GL die bisherige vertrauensvolle,<br />

gute Zusammenarbeit. Ein Beispiel dafür war<br />

die Nachrüstung der ICE-Flotte mit Notausstiegsfenstern:<br />

Dafür entwickelten die<br />

Mittelständler, die nach eigener Botschaft<br />

überall präsent sind, „wo Gleise liegen und<br />

Züge fahren“, eine eigene Logistik. So stellten<br />

sie sicher, dass die Fenster in den Betriebspausen<br />

– wo immer die Züge sich auch<br />

befanden – ohne zusätzliche teure Stillstandszeiten<br />

eingebaut werden konnten. Bei<br />

Bedarf sind die Züge schon drei Stunden<br />

nach der Reparatur startklar – dank eines<br />

schnell härtenden Spezialklebers von GL. Fazit<br />

der Jury: „Die Zusammenarbeit ist konstruktiv,<br />

ideenreich und serviceorientiert.“<br />

KATEGORIE INFORMATIONSSYSTEME<br />

SYSTEMTECHNIK GMBH,<br />

SÖMMERDA<br />

Wer an Bord eines Zuges vom Zugbegleiter<br />

eine Fahrkarte aus dem Mobilen Terminal<br />

erwirbt oder sein selbst ausgedrucktes<br />

Online-Ticket kontrollieren lässt, wird<br />

immer häufiger mit Soft- wie auch Hardware<br />

der Firma Systemtechnik bedient. Die Experten<br />

aus Thüringen haben sich in hohem<br />

Maße darauf spezialisiert, das gesamte<br />

Verkaufsgeschäft im Zug mit komfortablen<br />

Hightechlösungen zu verbessern und zwar<br />

auf kostengünstiger Basis eines Massengerätes,<br />

das den speziellen Bedürfnissen der<br />

<strong>Bahn</strong> angepasst und aufgerüstet wurde. Was<br />

die Juroren dabei besonders beeindruckte, ist<br />

die vertrauensvolle, enge Zusammenarbeit<br />

mit dem Kunden <strong>Bahn</strong>. So hat das Unternehmen<br />

den Quellcode für die Software der<br />

DB überlassen.<br />

Hard- wie Software von Systemtechnik<br />

bewähren sich bei hoher Zuverlässigkeit im<br />

Betriebsalltag. Und wenn doch einmal ein<br />

Gerät ausfällt, werden Probleme schnell und<br />

kulant behandelt. Auf der Seite der <strong>Bahn</strong><br />

schätzt man die hohe Serviceorientierung<br />

dieses Lieferanten, der sich tief in die gemeinsamen<br />

Projekte einarbeitet, innovative<br />

Weiterentwicklungen forciert und manchmal<br />

schon Problemlösungen lieferte, bevor<br />

das Problem im Betriebseinsatz auffiel.<br />

Die Software-Produkte der Systemtechnik<br />

GmbH, so die Jury, stärkten das Leistungsbild<br />

der <strong>Bahn</strong> im Vertrieb und ermöglichten<br />

eine ständige Erleichterung des Verkaufs.<br />

KATEGORIE ELEKTROTECHNIK, TELEKOMMU-<br />

NIKATION, LEIT- UND SICHERUNGSTECHNIK<br />

SCHEIDT & BACHMANN GMBH,<br />

MÖNCHENGLADBACH<br />

T-MOBILE DEUTSCHLAND GMBH, BONN<br />

Die Jury entschied sich, in dieser Kategorie<br />

gleich zwei herausragende Lieferanten<br />

auszuzeichnen. Scheidt & Bachmann beliefert<br />

als Spezialist überwiegend im Bereich<br />

der Leit- und Sicherungstechnik die DB und<br />

ihre Vorgängerinnen schon seit dem 19. Jahrhundert<br />

und ist dabei stets mit der Zeit gegangen.<br />

Ein aktuelles Beispiel dafür möchte<br />

die Jury mit dem Preis würdigen. Als die DB<br />

für den kostengünstigen Betrieb von Nebenstrecken<br />

moderne, wirtschaftliche Lösungen<br />

zur Sicherung des Zugbetriebes – auf einer<br />

technischen Ebene unterhalb der aufwändigen<br />

und für die speziellen Einsatzgebiete<br />

auch überdimensionierten Elektronischen<br />

Stellwerke – suchte, stieg Scheidt & Bachmann<br />

mit großem eigenen Aufwand in die<br />

Entwicklungsarbeit ein.<br />

Das Ergebnis war die vereinfachte Stellwerkstechnik<br />

eines Elektronischen Stellwerks<br />

für Signalisierten Zugleitbetrieb<br />

(ESZB), verbunden mit den entsprechenden<br />

Streckenausrüstungen. Das Unternehmen<br />

erhielt den Zuschlag für ein Pilotprojekt bei<br />

Schnelle Hilfe<br />

vom Spezialisten:<br />

ICE-Fenster, nachträglicheingebauter<br />

Notausstieg.<br />

¥¼·ÄÄLpcjmfÄ<br />

17<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006


aktuell<br />

18<br />

LIEFERANTEN-PRÄDIKAT<br />

der Kurhessenbahn, die von Kassel aus das<br />

Sauerland und Waldecker Land erschließt.<br />

Das Vorhaben ist inzwischen abgeschlossen.<br />

„Der Prototyp hat sich bewährt, die Erwartungen<br />

wurden vollständig erfüllt“, befand<br />

die Jury. Folgeaufträge wurden vergeben,<br />

wobei das Unternehmen Preisvorteile im Zuliefer-<br />

und Entwicklungsbereich durchaus an<br />

die <strong>Bahn</strong> weitergab.<br />

T-Mobile Deutschland hat maßgeblichen<br />

Anteil an der modernen Telekommunikation<br />

der <strong>Bahn</strong>. Nach der Umstellung aller<br />

Mobilfunkanschlüsse der DB auf T-Mobile<br />

mit einem eigenen, günstigen Tarif ist die<br />

<strong>Bahn</strong> größter Kunde des Unternehmens. Neben<br />

zahlreichen internen Speziallösungen<br />

für die Betriebsabläufe hat die Jury besonders<br />

gewürdigt, dass T-Mobile auch den<br />

Kunden der <strong>Bahn</strong> interessante und attraktive<br />

Kommunikationsmöglichkeiten bietet.<br />

Paradeprojekt ist dabei „Railnet“ – die<br />

moderne, drahtlose Internet-Zukunft mit<br />

WLAN-Technik zunächst in 20 <strong>Bahn</strong>höfen<br />

und sieben ICE-Zügen auf der Pilotstrecke<br />

zwischen Dortmund und Köln. Zudem wurde<br />

auf einem Abschnitt der Schnellstrecke<br />

Köln – Rhein/Main der Nachweis erbracht,<br />

dass Railnet auch bei Tempo 300 problemlos<br />

funktioniert. Gewürdigt wurde auch, dass T-<br />

Mobile von sich aus den Handy-Empfang<br />

entlang der ICE-Strecken verbessert hat.<br />

„Die Vorzüge der Partnerschaft mit T-Mobile<br />

werden unmittelbar auch von den Endkunden<br />

der <strong>Bahn</strong> als Leistungsverbesserungen<br />

wahrgenommen und tragen dazu<br />

bei, das Image der DB anzuheben und Reisezeit<br />

noch mehr zur Nutz-Zeit zu machen als<br />

bisher", ist die Ansicht der Juroren.<br />

KATEGORIE ALLGEMEINER EINKAUF,<br />

MASCHINELLE ANL<strong>AG</strong>EN UND<br />

FACILITIY MAN<strong>AG</strong>EMENT<br />

IT-HAUS GMBH, FÖHREN<br />

Das Unternehmen ist der Gewinner der<br />

EU-weiten Ausschreibung der <strong>Bahn</strong> für die<br />

Lieferung von Druckerverbrauchsmaterial,<br />

also Tintenpatronen und Tonerkassetten, und<br />

übernimmt auch die Rücknahme dieser Teile.<br />

Über 180 Bestellungen werden jeden Tag in die<br />

Büros des <strong>Bahn</strong>konzerns bundesweit ausgeliefert,<br />

grundsätzlich frei Haus innerhalb von<br />

zwei Tagen. Dazu ist IT-Haus voll in die<br />

Bestell-Logistik der DB – dem Klickshop –<br />

integriert und engagiert sich im Zusammenspiel<br />

mit den Einkäufern für eine weitere<br />

Prozessoptimierung beim Nachschub.<br />

Bei der <strong>Bahn</strong> schätzt man die hohe Flexibilität<br />

und Kreativität eines jungen, dynamischen<br />

Unternehmens, das auch auf<br />

kurzfristige Veränderungen schnell reagiert<br />

und vor allem auch außerhalb üblicher Geschäftszeiten<br />

jederzeit ansprechbar ist.<br />

Die Jury lobte den Beitrag von IT-Haus,<br />

die Einkaufskosten bei der <strong>Bahn</strong> zu reduzieren.<br />

„Die hohe Kleinteiligkeit der Auftragsdisposition<br />

und –abwicklung erfolgt überaus<br />

flexibel, pünktlich und kulant“, heißt es in<br />

der Begründung.<br />

SONDERPREIS FAHRZEUGE:<br />

FÜR HOHE ZUVERLÄSSIGKEIT FÜR DIE<br />

DOPPELSTOCKW<strong>AG</strong>EN DER SERIE 2003<br />

BOMBARDIER TRANSPORTATION GMBH,<br />

GÖRLITZ<br />

Die Jury sah sich außerstande, in der Kategorie<br />

Fahrzeuge ein Lieferantenprädikat über<br />

die gesamte Produktpalette eines Herstellers<br />

zu vergeben. Nach ihrer Auffassung gibt es<br />

derzeit keinen Schienenfahrzeughersteller,<br />

der eine solche Auszeichnung für sich in Anspruch<br />

nehmen kann. Mit dem Sonderpreis<br />

soll deshalb aufgrund seiner herausragenden<br />

Qualität ein einzelnes Fahrzeug gewürdigt<br />

werden: Der jüngste Doppelstockwagen aus<br />

dem Hause Bombardier.<br />

Seit 1993 hatte die DB über 1000 Doppelstockwagen<br />

bei Bombardier und dem Vorgänger-Unternehmen<br />

DWA bestellt. Als Ergebnis<br />

einer kontinuierlichen technischen Optimierung<br />

wurde dann 2003 die vierte Fahrzeugserie<br />

von zunächst knapp 300 Fahrzeugen – mit<br />

der Option auf 300 weitere – bestellt. Die<br />

jüngsten „DoStos“ zeichnen sich aus durch<br />

vollständige Dieselloktauglichkeit, sind auf<br />

Begegnungsverkehr bis 250 km/h ausgelegt,<br />

verfügen über ein Notlüftungskonzept bei<br />

Ausfall der Klimaanlagen und erfüllen die<br />

hohen Brandschutzanforderungen. Die Fahrzeuge<br />

erreichen regelmäßig Monat für Monat<br />

Verfügbarkeiten von über 99 Prozent und sind<br />

damit die Spitzenreiter in der DB-Flotte.<br />

Bombardier habe Fahrzeuge in hoher<br />

Qualität geliefert. Das Unternehmen sei<br />

ideenreich und kundenorientiert und damit<br />

– so die Jury – „durchaus beispielhaft für eine<br />

funktionierende Lieferantenbeziehung“ mit<br />

Signalwirkung für den Markt. bt


hintergrund<br />

RÜCKBLICK<br />

Neue Entdeckung<br />

der Eisenbahn<br />

Als der ICE 1 im Sommer 1991 in den Liniendienst startete, lagen hinter<br />

dem Projekt Hochgeschwindigkeit auf Schienen bereits zwei Jahrzehnte<br />

intensiver Planungen, Forschungen und Erprobungen.<br />

Ein klares politisches Bekenntnis markierte<br />

den Anfang: „Unser Verkehr ist ohne Eisenbahn<br />

nicht denkbar. Wirtschaft und Bevölkerung<br />

der Bundesrepublik bedürfen ihrer<br />

auch künftig, um mit einem in jeder Lage leistungsfähigen<br />

Verkehrsmittel ihre Versorgung<br />

sicherstellen zu können. Dieser<br />

unbestrittenen Erkenntnis entspricht die<br />

zwingende verkehrspolitische Notwendigkeit,<br />

die Bundesbahn der Gegenwart umzugestalten<br />

zur Eisenbahn der Zukunft.“<br />

Mit dieser Aussage im Verkehrsbericht<br />

1970 der Bundesregierung wurde in der<br />

Nachkriegsgeschichte nach Wirtschaftswunder<br />

und Autoboom die Eisenbahn von<br />

der Politik gewissermaßen neu entdeckt.<br />

Klar war damals schon: Zukunft konnte das<br />

System <strong>Bahn</strong> nicht allein nur auf dem in gut<br />

100 Jahren gewachsenen Netz haben. Es<br />

brauchte vielmehr neue Strecken, um mehr<br />

Kapazität zu erlangen und zugleich mit<br />

mehr Tempo attraktiver für den Kunden zu<br />

werden.<br />

Seinerzeit wurde ein ehrgeiziges Ausbauprogramm<br />

entworfen, das für das Gebiet der<br />

alten Bundesrepublik zwölf neue Strecken<br />

mit 2.200 Kilometern Länge vorsah. Daneben<br />

sollten 1.250 weitere Kilometer für höhere<br />

Geschwindigkeiten ausgebaut werden.<br />

Im August 1973 begannen im Süden von Hannover<br />

die Bauarbeiten für die heutige ICE-<br />

Strecke Hannover – Würzburg. Doch die<br />

ehrgeizigen Pläne, schon 1985 zum Jubiläum<br />

150 Jahre deutsche Eisenbahn über ein zu-<br />

sammenhängendes Netz von Neubau- und<br />

Ausbaustrecken verfügen zu können, ließen<br />

sich nicht verwirklichen. Denn nur wenige<br />

Monate nach dem Baubeginn stürzte die erste<br />

Ölkrise die Bundesrepublik in eine tiefe<br />

Rezession, und parallel dazu sollte es Jahre<br />

dauern, das Planungsrecht für die Neubauprojekte<br />

juristisch durchzusetzen.<br />

So mussten viele Planungen überarbeitet<br />

und zum großen Teil zurückgestellt werden.<br />

Ausgedient: InterCity<br />

Experimental als<br />

Denkmal vor dem<br />

Technikzentrum der<br />

DB in Minden.<br />

19<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006


hintergrund<br />

20<br />

RÜCKBLICK<br />

Von ursprünglich im ersten Anlauf geplanten<br />

630 Kilometern Neubaustrecke wurden<br />

dann bis 1991 zunächst 427 gebaut: die beiden<br />

ersten ICE-Strecken Hannover – Würzburg<br />

und Mannheim – Stuttgart. Buchstäblich<br />

auf der Strecke blieb anfangs – auch<br />

aus Kostengründen – die von der <strong>Bahn</strong> stets<br />

mit besonderem Nachdruck geforderte Verbindung<br />

von Köln in den Raum Rhein-Main,<br />

jene Hochgeschwindigkeitslinie, die dann<br />

erst im Sommer 2002 in Betrieb gehen sollte.<br />

Im Laufe der langen Planungs- und Bau-<br />

Zeiträume veränderten sich die betrieblichen<br />

Anforderungen an die neuen Linien in geradezu<br />

dramatischem Ausmaß. Zunächst hatte<br />

die Bundesbahn vorgehabt, über die Strecken<br />

Hannover – Würzburg und Mannheim<br />

– Stuttgart lokbespannte InterCity-Züge mit<br />

maximal 200 km/h fahren zu lassen.<br />

In den übergreifenden europäischen Planungen<br />

für ein neues Schienennetz war allerdings<br />

schon angesprochen, Trassierungen zu<br />

wählen, die möglichst Maximalgeschwindigkeiten<br />

von 300 km/h zulassen. So sind die<br />

ersten beiden Neubaustrecken bereits für<br />

280 km/h ausgelegt. Zudem sind sie in<br />

ihrer Trassierung für einen Mischbetrieb<br />

von schnellem Personen- und langsameren<br />

Güterverkehr konzipiert: Tagsüber „gehören“<br />

die Linien dem schnellen Reiseverkehr, nachts<br />

dem Güterverkehr mit Tempo 120 bis 160.<br />

Erst die Neubaustrecke Köln – Rhein/Main<br />

wurde als reine Hochgeschwindigkeitslinie<br />

für 300 km/h gebaut.<br />

Parallel zu den Planungen für ein neues<br />

Schnellfahr-Netz begannen die systematischen<br />

Forschungen für den Hochgeschwindigkeitsverkehr.<br />

Unterstützt mit Mitteln des<br />

Bundesforschungsministeriums forcierten<br />

ICE-FAMILIE (von links nach rechts):<br />

Urahn: InterCity Experimental, <strong>bahntech</strong>nisch genannt ICE-V<br />

Markant mit hohem Dach des Bord-Restaurants: ICE 1<br />

Halbzug mit Kupplung in der Schnauze: ICE 2<br />

Fit für Kurven dank Neigetechnik: ICE T<br />

Hochgeschwindigkeit ohne schwere Triebköpfe: ICE 3<br />

Nei-Tech-Variante für Dieselstrecken: ICE TD<br />

die Bundesbahn gemeinsam mit Wissenschaft<br />

und Wirtschaft, Hochschulen und<br />

Industrie eine systematische Erforschung des<br />

Rad/Schiene-Systems für Tempo 350. Damals<br />

war schon klar: Das bedeutete eine Fahrt in<br />

technologisches Neuland mit einer Fülle technisch-wissenschaftlicher<br />

Problemstellungen.<br />

Am 1. März 1972 wurde beim Bundesbahn-<br />

Zentralamt München die „Projektgruppe<br />

Rad/Schiene“ eingerichtet. Im Donauried<br />

südlich von Donauwörth und Dillingen sollte<br />

Zugpferd BR 120:<br />

Ihre moderne Drehstrom-Antriebstechnik<br />

bestimmte die<br />

ICE-Entwicklung<br />

1985 ICExperimental •<br />

1991 Inbetriebnahme ICE 1<br />

damals eine Versuchsanlage für Verkehrstechniken<br />

gebaut werden, um die Möglichkeiten<br />

und Grenzen der künftigen<br />

„Hochleistungsschnellbahn“ zu erforschen.<br />

Dabei ging es nicht nur um die Rad/Schiene-<br />

Technologie, sondern auch um die Magnetbahn-Technik.<br />

Das Projekt Donauried<br />

scheiterte am Widerstand der bayerischen<br />

Naturschützer. Es entstand die Transrapid-<br />

Versuchsanlage in Lathen im Emsland, die bis<br />

heute in Betrieb ist. Die zusätzlich geplante<br />

DIE „HOCHLEISTUNGSSCHNELLBAHN“<br />

SOLLTE AUF EINER TESTSTRECKE<br />

IM DONAURIED ERPROBT WERDEN.


1996 Inbetriebnahme ICE 2 •1999 Inbetriebnahme ICE T • 2000 Inbetriebnahme ICE 3 • 2001 Inbetriebnahme ICE TD<br />

Rad/Schiene-Versuchsstrecke Rheine –Freren<br />

wurde hingegen nicht gebaut. Das millionenschwere<br />

Projekt verschwand wieder in<br />

den Schubladen – es gab kein Geld dafür.<br />

Parallel dazu hatten die beiden Bundesbahn-Versuchsanstalten<br />

in Minden und<br />

München bereits damit begonnen, in höhere<br />

Geschwindigkeiten auf der Schiene vorzudringen.<br />

Ein 28 Kilometer langer Abschnitt<br />

der viergleisigen Strecke Hannover – Hamm<br />

zwischen Gütersloh und Neubeckum wurde<br />

für Schnellfahrten bis zu 250 km/h hergerichtet.<br />

„Es ging damals schon darum, Erkenntnisse<br />

über das Zusammenwirken der wesentlichen<br />

Komponenten Fahrzeug und<br />

Fahrweg zu sammeln“, erinnert sich Roland<br />

Heinisch, der die Entwicklung des Systems<br />

ICE lange Jahre als Technik- und später als<br />

Netzvorstand begleitet hatte. „Seinerzeit<br />

wurden wichtige erste Erkenntnisse über<br />

das Lauf- und Schwingungsverhalten der<br />

Fahrzeuge im Hochgeschwindigkeitsbereich<br />

ermittelt. Es ging darum, die Wechselwirkungen<br />

zwischen Stromabnehmer und Fahrleitung<br />

sowie zwischen Fahrzeug, Gleise und<br />

Oberbau zu analysieren.“<br />

Zudem wurden Bremssysteme erprobt,<br />

Probleme des Luftwiderstandes im Bereich<br />

jenseits von Tempo 200 registriert und<br />

Schallemissionen beobachtet. Die Forschungsarbeit<br />

war nicht auf eine ferne Zukunft<br />

ausgerichtet, sondern ausgesprochen<br />

praxisnah: Sie diente auch der schrittweisen<br />

Einführung von Tempo 200 im lokbespannten<br />

InterCity-Verkehr ab 1978.<br />

Neben der praktischen Erprobung im bestehenden<br />

Netz tasteten sich die Techniker<br />

dann im Laborversuch in Dimensionen vor,<br />

die ihnen in der Realität noch verschlossen<br />

Immer wieder neue<br />

Tests: Dem ICE V<br />

folgte der ICE S als<br />

Versuchseinheit aus<br />

umgebauten Serienfahrzeugen.<br />

Mit ihm<br />

wurde das Konzept<br />

für den ICE 3 erprobt.<br />

21<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006<br />

Die Generationen<br />

waren. In den 70er-Jahren entstand in München-Freimann<br />

der Rollprüfstand. Vom damaligen<br />

Bundesforschungsminister Hans<br />

Matthöfer bei der Eröffnung als „wichtiger<br />

Meilenstein im Rad/Schiene-Forschungsprogramm“<br />

gewürdigt, war damit ein Fahrweg-Simulator<br />

entstanden, der rollende<br />

Räder und Laufwerke im 1:1-Versuch bis zu<br />

Geschwindigkeiten von 500 km/h unter realistischen<br />

Bedingungen in der Simulation erproben<br />

konnte.<br />

Anfang der 80er-Jahre wurden dann<br />

Überlegungen konkret, die weitere Erprobung<br />

des künftigen Hochgeschwindigkeitsverkehrs<br />

mit einem Versuchs- und<br />

Demonstrationsfahrzeug voranzutreiben –<br />

die Idee des „InterCity Experimental“ war<br />

geboren. Und mit ihr das Kürzel ICE. 1985<br />

zum Eisenbahnjubiläum stand der erste ICE,<br />

bestehend aus zwei Triebköpfen und drei


hintergrund<br />

22<br />

INTERVIEW<br />

Der ICE – ein Produkt<br />

des Systemverbundes <strong>Bahn</strong><br />

Interview mit Roland Heinisch, Vorstand Systemverbund <strong>Bahn</strong><br />

<strong>bahntech</strong>: Herr Heinisch,<br />

15 Jahre ICE-Verkehr, über<br />

230 Züge im Einsatz, steigende<br />

Fahrgastzahlen – da können<br />

Sie doch nur stolz auf die neuen<br />

Superzüge sein.<br />

Heinisch: Ja natürlich, das bin<br />

ich. Ich denke, das sind wir alle<br />

bei der <strong>Bahn</strong>. Man darf aber<br />

nicht übersehen, dass die Entwicklung<br />

der ICE-Flotte nur ein<br />

Teil der Erfolgsgeschichte des<br />

Hochgeschwindigkeitsverkehrs<br />

auf Schienen ist.<br />

Sicher, ohne Neubaustrecken<br />

kein schneller ICE-Verkehr ...<br />

… das stimmt. Das ist es aber<br />

nicht allein. In der Entwicklung<br />

des Systems ICE steckt weit<br />

mehr. Sie ist das Ergebnis einer<br />

umfangreichen Rad/Schiene-<br />

Forschung und der umfassenden<br />

Erprobung einer Vielzahl technischer<br />

Komponenten, die oft<br />

selbst nur auf den zweiten oder<br />

dritten Blick mit dem Hochge-<br />

Mittelwagen, zur Verfügung. Zwar regierten<br />

in diesem Zug die Techniker, jedoch waren<br />

die Wagen innen bereits vollständig eingerichtet<br />

und gaben einen Vorgeschmack auf<br />

das künftige Reiseerlebnis im Serien-ICE,<br />

dem InterCity Express. Zahlreiche <strong>Bahn</strong>kunden<br />

bekamen in den nächsten Jahren davon<br />

einen Eindruck, denn der „neue Zug der<br />

neuen <strong>Bahn</strong>“ wurde speziell zum <strong>Bahn</strong>jubiläum<br />

immer wieder zu Präsentationsfahrten<br />

schwindigkeitsverkehr zu tun<br />

haben: Das ICE-Zeitalter ist das<br />

Ergebnis des funktionierenden<br />

technischen Systemverbundes<br />

<strong>Bahn</strong>, der schon in den Zeiten der<br />

alten Bundesbahn, aber genauso<br />

heute bei der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Bahn</strong> zu<br />

unseren ausgewiesenen und bewiesenen<br />

Stärken gehört. Solch<br />

ein Hightechprojekt kann man<br />

wohl nur realisieren, wenn man<br />

so wie wir über das gesamte System-Know-how<br />

unter einem<br />

Dach verfügt und die unterschiedlichsten<br />

Spezialisten Hand<br />

in Hand arbeiten. Der Konzernbereich<br />

Technik hat hervorragende<br />

Ressourcen, was etwa Messen<br />

und Prüfen betrifft. Unser Spektrum<br />

reicht von umfassenden<br />

Simulationsverfahren bis zur<br />

zerstörungsfreien Werkstoffprüfung.<br />

So viel Aufwand für ein mehr<br />

als eineinhalb Jahrhunderte<br />

altes Verkehrssystem?<br />

Im Rad/Schiene-System gibt es<br />

zahlreiche Wechselwirkungen<br />

zwischen den beiden Grundkomponenten<br />

des Systems, also<br />

zwischen Rad und Schiene. Die<br />

mussten für einen beherzten<br />

Vorstoß in den Hochgeschwindigkeitsbereich<br />

völlig neu angegangen<br />

werden.<br />

Das Ausloten der technischen<br />

Grenzen des Systems <strong>Bahn</strong>?<br />

Im Prinzip schon, aber mehr<br />

die Beherrschung des Systems<br />

in diesem Geschwindigkeitsbereich.<br />

Es ist eben etwas anderes,<br />

ob sie einen Zug mit 100 oder mit<br />

300 km/h fahren lassen. Wie<br />

beim Auto auch müssen Fahrzeug<br />

und Strecke für schnelle<br />

Fahrten ausgelegt sein. Aber das<br />

Zusammenspiel von Rad und<br />

Schiene hat darüber hinaus eine<br />

Fülle von Problemstellungen, die<br />

detailliert untersucht werden<br />

mussten und die auch im täglichen<br />

Betrieb permanent im Au-<br />

eingesetzt und fuhr auch im fahrplanmäßigen<br />

InterCity-Dienst.<br />

Die Entscheidung, für Hochgeschwindigkeit<br />

Triebzüge statt lokbespannter Züge<br />

einzusetzen, war ein Ergebnis der ersten Forschungs-<br />

und Entwicklungsprogramme: Es<br />

hatte sich gezeigt, dass im Geschwindigkeitsbereich<br />

jenseits von 200 km/h Windschnittigkeit<br />

gefordert war. Nur ein<br />

aerodynamisch optimierter Triebzug ver-<br />

ge behalten werden müssen. Da<br />

geht es dann beispielsweise um<br />

die unmittelbaren und längerfristigen<br />

Folgen der enormen dynamischen<br />

Kräfte für Rad und<br />

Schiene, um aerodynamische<br />

Phänomene etwa bei der Begegnung<br />

zweier Hochgeschwindigkeitszüge<br />

oder bei Seitenwind.<br />

Und dann ist das Zusammenwirken<br />

von Rad und Schiene auch<br />

nur wieder ein Teil des Gesamtsystems<br />

<strong>Bahn</strong>. Es gibt völlig<br />

andere hochkomplexe Detailfragen.<br />

Zum Beispiel?<br />

Nehmen Sie die Wirbelstrombremse,<br />

die wir erstmals schon<br />

im Intercity Experimental, unserem<br />

Versuchszug, in den achtziger<br />

Jahren installiert hatten und<br />

nun im ICE 3 einsetzen. Dieses<br />

verschleißfreie Bremssystem basiert<br />

auf elektromagnetischen<br />

Kräften. Ganz einfach: Wenn der<br />

Elektromagnet am Zug unter<br />

sprach damals wie heute einen günstigen<br />

Energieverbrauch beim Spitzentempo.<br />

Der für 350 km/h ausgelegte InterCity<br />

Experimental, später ICE-V genannt, wurde<br />

von 1982 bis 1985, also in nur drei Jahren,<br />

konzipiert und gebaut. Der Versuchs- und<br />

Demonstrationszug, dessen Entwicklungskosten<br />

von knapp 80 Millionen D-Mark sich<br />

das Bundesforschungsministerium, die Industrie<br />

und die Bundesbahn teilten, war kon


Strom gesetzt ist, entstehen in<br />

der Schiene Wirbelströme mit<br />

bremsender Wirkung. Allein das<br />

entstehende Kraftfeld bremst<br />

den Zug, es findet keine mechanische<br />

Berührung statt. Wir haben<br />

nun feststellen müssen, dass<br />

diese elektromagnetischen Felder<br />

unter ungünstigen Umständen<br />

auch im Gleisbett liegende<br />

signaltechnische Einrichtungen<br />

beeinflussen können. Da haben<br />

unsere Ingenieure und die Industrie<br />

lange dran getüftelt, bis dieses<br />

Problem gelöst war.<br />

Hätte man diese Technik denn<br />

nicht auch verwerfen können?<br />

Nein. Wir brauchen sie als zusätzliche<br />

Bremse bei Geschwindigkeiten<br />

von 300, wie wir sie ja<br />

auf der Strecke Köln – Rhein/<br />

Main mit dem ICE 3 fahren.<br />

Außerdem ist sie ein hochwirtschaftliches<br />

System. Ich sagte ja,<br />

sie ist verschleiß- und berührungsfrei.<br />

Im Übrigen noch eins<br />

dazu: Wie wichtig die Abstimmung<br />

innovativer Komponenten<br />

für den Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />

innerhalb des<br />

Systems <strong>Bahn</strong> ist, erleben wir<br />

auch bei unseren Auslandseinsätzen<br />

der ICE-Flotte. Da sind<br />

dann immer wieder erhebliche<br />

Nachrüstungen oder zusätzliche<br />

Installationen notwendig, damit<br />

unser System ICE in das jeweilige<br />

nationale System <strong>Bahn</strong> hineinpasst.<br />

zeptionell auf die weitere Zukunft projektiert.<br />

Mit ihm sollten nicht nur die notwendigen<br />

Erfahrungen für die erste Zugserie für<br />

die Strecken Hannover – Würzburg und<br />

Mannheim – Stuttgart gesammelt werden,<br />

sondern er war als Erprobungsträger auch für<br />

die Schritte danach ausersehen. Plakatives<br />

Beispiel ist die Wirbelstrombremse: Dieses<br />

verschleiß- und berührungsfreie, elektromagnetisch<br />

wirkende Bremssystem wurde<br />

„DER ICE IST DAS WERK<br />

VIELER SPEZIALISTEN UNTER<br />

DEM DACH DER BAHN.“<br />

Muss das so kompliziert sein?<br />

Es ist so kompliziert. Wir müssen<br />

zur Kenntnis nehmen, dass jede<br />

nationale <strong>Bahn</strong> in Europa schon<br />

historisch gewachsen ihre eigenen<br />

technischen Entwicklungen,<br />

ihre eigenen Vorschriften und<br />

Standards hat, für die ein grenzüberschreitendes<br />

Fahrzeug dann<br />

gerüstet werden muss.<br />

Der Europa-Zug bleibt<br />

Illusion?<br />

So würde ich das nicht sehen. Natürlich<br />

kommen die <strong>Bahn</strong>en nach<br />

und nach zu einer europäischen<br />

Vereinheitlichung – die zu erreichen<br />

ist einfach schon ein Erfordernis<br />

der Wettbewerbsfähigkeit<br />

gegenüber den anderen Verkehrsträgern.<br />

Bestes Beispiel ist<br />

die Entwicklung der europaweit<br />

kompatiblen Betriebsleittechnik<br />

ETCS. Man muss aber auch sehen:<br />

Züge werden auch in Zukunft<br />

nicht multifunktional für<br />

alle erdenklichen Einsatzgebiete<br />

gebaut. Da macht dann eine kleine<br />

Lösung gezielt für ein bestimmtes<br />

grenzüberschreitendes<br />

Streckenprojekt durchaus Sinn.<br />

Warum sollten beispielsweise die<br />

Mehrsystemvarianten unserer<br />

ICE 3 immer die vier verschiedenen<br />

europäischen Antriebssysteme<br />

mit herumschleppen, wenn<br />

auf der tatsächlichen Strecke nur<br />

zwei gefragt sind? Anspruchsvolle,<br />

leistungsfähige Technik wirtschaftlich<br />

einzusetzen ist ein<br />

Ziel, das den <strong>Bahn</strong>en zwangsläufig<br />

näher liegen muss als Träume<br />

einer teuren Vereinheitlichung.<br />

erstmals im IC Experimental verwirklicht –<br />

zur Serienreife kam es jedoch erst im ICE 3.<br />

Von 1986 an durchlief der Versuchszug<br />

ein umfangreiches Testprogramm. Neben<br />

der Erprobung neu entwickelter Komponenten<br />

von den Drehgestellen bis zu den Diagnosesystemen<br />

an Bord ging es dabei immer<br />

wieder auch um das Gesamtsystem Rad und<br />

Schiene. Sehnsüchtig warteten die Ingenieure<br />

seinerzeit auf die Fertigstellung eines<br />

In 15 Jahren gab es eine rasche<br />

Entwicklung vom ICE 1 über<br />

den ICE 2 zum ICE 3 und weiter<br />

noch zum ICE T. Vom ICE 4 ist<br />

überhaupt nichts zu hören.<br />

Ich würde sagen noch nicht. Mit<br />

unserer heutigen Flotte, die der<br />

Personenverkehr gerade noch<br />

wieder um zusätzliche ICE 3<br />

und ICE-T erweitert hat, sind<br />

wir auf Jahre hinaus gut ausgestattet.<br />

Als wir vor zwei, drei<br />

Jahrzehnten Konzepte für den<br />

Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />

zu entwickeln begannen, dachten<br />

wir, dass wir Züge einsetzen,<br />

die vielleicht nach eineinhalb,<br />

oder zwei Jahrzehnten am Ende<br />

ihres technischen Lebenszyklus<br />

stehen. Die Erfahrungen<br />

mit der seit 1991 eingesetzten<br />

ICE-1-Flotte zeigen uns aber,<br />

dass es durchaus sinnvoll ist, die<br />

Fahrzeuge für eine weitere Lebensdauer<br />

zu modernisieren.<br />

Trotz der täglichen hohen Beanspruchungen<br />

erwarten wir von<br />

unseren Hochgeschwindigkeitszügen,<br />

dass sie so langlebig<br />

sind wie die herkömmlichen Eisenbahnfahrzeuge<br />

auch. Da die<br />

ICE-2- und die ICE-3-Flotte<br />

noch jünger sind, hat der Personenverkehr<br />

kaum Ersatzbedarf<br />

vor Mitte des nächsten Jahrzehnts.<br />

Also: Der ICE 4 wird aktuell<br />

noch nicht gesehen, wir<br />

sollten uns aber gedanklich<br />

auch damit beschäftigen. bt<br />

ersten Abschnittes der Strecke Hannover –<br />

Würzburg, um endlich 250 km/h und schneller<br />

fahren zu können.<br />

Zwar hatte der Zug bei einer Rekordfahrt<br />

im November 1985 auf der westfälischen<br />

Rennstrecke bereits 323 km/h erreicht. Doch<br />

fehlte seinerzeit noch jede praktische Erfahrung<br />

mit dem Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />

in den zahlreichen Tunnels der Neubaustrecke.<br />

Ab 1988 konnte auf dem dann fertig-<br />

23<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006


hintergrund<br />

24<br />

RÜCKBLICK<br />

Schneller Zug zum Flug; Der Fernbahnhof des Frankfurter Flughafens<br />

ist südlicher Endpunkt der ICE-Strecke Köln-Rhein/Main.<br />

gestellten Südabschnitt der neuen Strecke<br />

Hannover – Würzburg nachgewiesen werden,<br />

wie das Zusammenspiel der Komponenten<br />

in der Praxis des Hochgeschwindigkeitsverkehrs<br />

tatsächlich funktionierte.<br />

Neben der Zugentwicklung waren<br />

damals auch Untersuchungen zum Fahrweg<br />

für Hochgeschwindigkeitszüge angestellt<br />

worden. Die entscheidende Frage,<br />

die es zu klären galt: Lassen sich Schnellfahrten<br />

überhaupt auf dem klassischen<br />

Fahrweg aus Schienen, Schwellen und<br />

Schotter durchführen? Erstmalig wurden<br />

damals Überlegungen für eine Feste<br />

Fahrbahn angestellt und im bestehenden<br />

Streckennetz der Bundesbahn auf kurzen<br />

Abschnitten verschiedene Bauarten des<br />

schotterlosen Oberbaues eingebaut. Die<br />

damalige Erkenntnis: Für die zunächst anvisierten<br />

Geschwindigkeiten von 250 km/h<br />

ließ sich der herkömmliche Oberbau mit<br />

den international bewährten Schienenprofilen<br />

und mit Betonschwellen weiter<br />

verwirklichen.<br />

Der generelle Schritt zur Festen Fahrbahn<br />

für Hochgeschwindigkeitsstrecken<br />

wurde auch aus Kostengründen zurückgestellt.<br />

Lediglich vier Tunnelles der Neubaustrecken<br />

Hannover – Würzburg und<br />

Mannheim – Stuttgart erhielten in Beton<br />

verlegte Gleise. Eine durchgehende Betonfahrbahn<br />

wurde dann erstmals für die Strecke<br />

Köln – Rhein/Main gebaut. Sie ist die<br />

erste deutsche Strecke, die für Maximalgeschwindigkeiten<br />

von 300 km/h zugelassen<br />

ist.<br />

Parallel dazu wurde eine neue Oberleitungsbauart<br />

entwickelt, denn die hohe Geschwindigkeit<br />

sorgt an der Schnittstelle<br />

zwischen Fahrdraht und Stromabnehmer für<br />

elektrische und mechanische Beanspruchungen,<br />

der die bisherigen Bauarten nicht<br />

gewachsen waren. So entstand in den 80er-<br />

Jahren unter Federführung des Bundesbahnzentralamtes<br />

München die Oberleitungsbauart<br />

„Re 250“ als eine der wichtigsten<br />

Komponenten des für den Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />

weiterentwickelten Stromversorgungssystems<br />

für die schnellen Züge.<br />

In umfangreichen Versuchsreihen wurde das<br />

System so optimiert, dass die dynamischen<br />

Belastungen und der damit verbundene<br />

teure Verschleiß an Fahrdraht und Stromabnehmer<br />

bei hohem Tempo reduziert werden<br />

konnten. Prinzipiell wurde diese Bauart auf<br />

allen weiteren Hochgeschwindigkeitsstrecken<br />

des heutigen DB-Netzes installiert.<br />

Das Vordringen in die für die Eisenbahn<br />

zuvor nicht alltäglichen Geschwindigkeitsbereiche<br />

erforderte auch eine grundlegende<br />

Überarbeitung der Betriebsleittechnik. Vor<br />

der Inbetriebnahme der Neubaustrecken<br />

verfügte die Bundesbahn bereits über das<br />

System der Linienzugbeeinflussung (LZB),<br />

das schon 1965 auf der Schnellfahrstrecke<br />

München–Augsburg erstmals erprobt und<br />

ab 1978 auf allen Tempo-200-Abschnitten installiert<br />

worden ist. Im Ursprung war dieses<br />

System darauf ausgelegt, dem Lokführer<br />

über ein Anzeigegerät im Führerraum eine<br />

elektronische Fernsicht über fünf Kilometer<br />

Länge auf die Strecke vor ihm zu geben.<br />

Grund war im Wesentlichen, dass die Abstände<br />

zwischen Vorsignal und Hauptsignal<br />

(1000 m) für Geschwindigkeiten bis 160<br />

km/h ausgelegt waren. Das bedeutete: Ein<br />

schnellerer Zug wäre bei einem Halt ankündigenden<br />

Vorsignal nicht mehr rechtzeitig


vor dem Rot zeigenden Hauptsignal zum Stehen<br />

gekommen.<br />

Für die ICE-Zukunft wurde das System<br />

mithilfe von Mikrocomputern zur LZB 80<br />

ausgebaut, nun mit zehn Kilometer Signalvorausschau,<br />

was schon für die langen 12-Promille-Gefällstrecken<br />

der ersten beiden<br />

Neubaustrecken notwendig geworden war.<br />

Damit verfügte die <strong>Bahn</strong> erstmals über eine<br />

Betriebsleittechnik, die auf ortsfeste Signale<br />

verzichten konnte. Konsequent realisiert<br />

wurde sie jedoch erst mit den Weiterentwicklungen<br />

für die Neubaustrecke Köln –<br />

Rhein/Main.<br />

Die Erfahrungen aus der ICE-V-Erprobung<br />

flossen unmittelbar in die Anforderungen<br />

an die erste Serie des InterCity Express,<br />

des heutigen ICE 1 ein. Zum Fahrplanwechsel<br />

im Sommer 1991 war es dann soweit. Mit<br />

der Fertigstellung der ersten beiden Neubaustrecken<br />

nahm die Bundesbahn den re-<br />

gulären ICE-Verkehr auf. 60 Züge wurden<br />

nach und nach in Betrieb genommen, um ein<br />

attraktives, schnelles Zugangebot im Stundentakt<br />

auf den Nord-Süd-Magistralen mit<br />

den Endpunkten Hamburg, Bremen, München<br />

und Basel aufzubauen.<br />

Das noch aus den 80er-Jahren stammende<br />

Verkehrskonzept war durch die deutsche<br />

Wiedervereinigung 1990 überholt. So wurden<br />

im Rahmen der Verkehrsprojekte <strong>Deutsche</strong><br />

Einheit Anstrengungen unternommen,<br />

den ICE auch nach Berlin zu fahren. Das wurde<br />

– nachdem die Strecke Helmstedt - Magdeburg<br />

elektrifiziert worden war – in einem<br />

Vorlaufbetrieb bereits ab 1993 erreicht, 1998<br />

ging dann die Hochgeschwindigkeitsstrecke<br />

Berlin – Hannover in Betrieb. Ein Teil der<br />

ICE 1 verkehrt seitdem aus Süddeutschland<br />

kommend nach Berlin: Die Züge verlassen<br />

die Strecke Hannover – Würzburg bei Hildesheim<br />

und fahren über Braunschweig nach<br />

Wolfsburg, wo sie auf die neue Schnellbahntrasse<br />

überwechseln.<br />

Mit der Fertigstellung der Verbindung<br />

Berlin – Hannover setzte die DB dann erstmalig<br />

auch die neue Zuggeneration des ICE 2<br />

ein. Während der ICE 1 ein Langzug mit zwei<br />

Triebköpfen und meist zwölf Mittelwagen<br />

im Prinzip den lokbespannten InterCityzügen<br />

gleicht, wurde das ICE-System für den<br />

ICE 2 bereits modifiziert. Ein Zug besteht nur<br />

noch aus einem Triebkopf und sieben<br />

Wagen, mit einem Führerraum im letzten<br />

Wagen für den Wendezugbetrieb. Über die<br />

automatische Kupplung können zwei ICE-2-<br />

Einheiten zum Langzug verbunden werden.<br />

So ist es Alltag geworden beispielsweise auf<br />

der Verbindung zwischen Rhein-Ruhr und<br />

Berlin. Ein Zugteil bedient das Ruhrgebiet,<br />

der andere die Strecke Hagen – Wuppertal,<br />

ab Hamm werden beide als Langzug gefahren.<br />

weiter Seite 26<br />

Neue Strecken für das hohe Tempo: Bau der Lahntal-Brücke bei Limburg und der festen Fahrbahn für die Strecke Köln-Rhein/Main.<br />

25<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006


hintergrund<br />

26<br />

RÜCKBLICK<br />

Während ICE 1 und ICE 2 für Höchstgeschwindigkeiten<br />

von 280 km/h ausgelegt<br />

sind, brauchte die DB für ihre Planungen der<br />

Neubaustrecke Köln – Rhein/Main einen<br />

noch mal schnelleren Zug – den ICE 3. Er ist<br />

für eine Höchstgeschwindigkeit von 330<br />

km/h zugelassen und fährt im DB-Netz fahrplanmäßig<br />

Tempo 300.<br />

Mit diesem Zug erfuhr das System ICE einen<br />

Technologiesprung. Während die beiden<br />

Vorläufer als Züge mit Triebköpfen prinzipiell<br />

lokbespannten Zügen entsprachen,<br />

wurde im ICE 3 erstmalig die gesamte Antriebstechnik<br />

„unterflur“ – unter dem Zug –<br />

verteilt. Dieses anspruchsvolle Triebwagenkonzept<br />

erlaubt zunächst einmal eine höhe-<br />

re kommerzielle Nutzung der Züge, weil bei<br />

gleicher Zuglänge mehr Platz für Sitzplätze<br />

vorhanden ist – direkt hinter dem Triebfahrzeugführer<br />

beginnt die Bestuhlung. Die unter<br />

dem Zug befindliche Antriebstechnik<br />

verteilt auch das Gewicht der Komponenten<br />

besser als in den Triebköpfen. So sanken die<br />

Achslasten beim ICE 3 unter den europäisch<br />

festgelegten Grenzwert von 16 Tonnen.<br />

Damit waren die Voraussetzungen geschaffen,<br />

diesen Zug auch international zu<br />

fahren. Die beiden Vorgänger-Zugtypen<br />

waren lediglich für den Einsatz in Deutschland,<br />

der Schweiz und Österreich konzipiert<br />

worden, die dasselbe Stromsystem wie die<br />

DB haben. Die Mehrsystem-Varianten des<br />

ICE 3 – ICE 3 M genannt – verkehren als „ICE<br />

international“ inzwischen fahrplanmäßig<br />

nach Amsterdam und Brüssel, ausgestattet<br />

mit der jeweiligen Betriebsleittechnik des<br />

Nachbarlandes.<br />

Die schwierige Zulassung für Frankreich<br />

steht nach umfangreichen und aufwändigen,<br />

über mehrere Jahre dauernden Versuchen<br />

und Tests sowie Nachrüstungen bevor: Wenn<br />

Ende 2007 die französische Staatsbahn<br />

SNCF und die <strong>Deutsche</strong> <strong>Bahn</strong> gemeinsam<br />

den Hochgeschwindigkeitsverkehr zwischen<br />

Paris, Frankfurt am Main, Straßburg und<br />

Stuttgart beginnen wollen, werden dafür<br />

Frankreich-taugliche Mehrsystemvarianten<br />

des ICE 3 zur Verfügung stehen. bt


PATENT<br />

Gabelstapler statt Luftkissen<br />

Weniger ist im Spannungsfeld von Technik<br />

und Wirtschaftlichkeit häufig mehr: Diese<br />

Erkenntnis gilt auch für die zum Patent angemeldete<br />

Erfindung von Ludger Dortmund,<br />

Fertigungstechniker im ICE-Werk Dortmund.<br />

Seine Idee wird in den Werken zu<br />

Millioneneinsparungen führen. Sie revolutioniert<br />

den Radsatzwechsler, ein in den Werken<br />

ständig gebrauchtes Arbeitsgerät: Statt<br />

aufwändiger Luftkissentechnik bewegt ein<br />

normaler Gabelstapler den Radwechsler.<br />

Radsätze gehören im schnellen Schienenverkehr<br />

zu den am stärksten belasteten<br />

Komponenten. Deshalb werden sie bei der<br />

<strong>Bahn</strong> seit eh und je in der Wartung und Instandhaltung<br />

besonders gründlich geprüft.<br />

Vor dem Hintergrund, dass die Werkstattaufenthalte<br />

zugunsten eines effizienten kommerziellen<br />

Zugeinsatzes konzentriert sein<br />

sollten, wurde in den 90er-Jahren für die<br />

ICE-Werke eine neue Technik für einen besonders<br />

schnellen Radsatzwechsel entwickelt.<br />

Im Prinzip funktioniert das so:<br />

Zunächst werden die Verbindungen zwischen<br />

Wagenkasten und Radsatz beziehungsweise<br />

Drehgestell gelöst, dann wird<br />

das auf einem aufgeständerten Gleis stehende<br />

Fahrzeug abgestützt, der Radsatz angehoben<br />

und die unter ihm frei werdende<br />

Gleisbrücke entfernt. Dann kann der Radsatz<br />

entnommen und der neue Radsatz eingebaut<br />

werden.<br />

Vorteil des Verfahrens: Der Zug an sich<br />

wird nicht bewegt, es können also parallel<br />

sämtliche anderen Wartungsarbeiten ausgeführt<br />

werden. Hingegen muss beim Radsatzwechsel<br />

in bisheriger, „klassischer“ Methode,<br />

das gesamte Fahrzeug angehoben oder<br />

über einer Achssenke behandelt werden. Für<br />

Parallelarbeiten gibt es da keine Chance.<br />

Für den Radsatzwechsel im ICE werden<br />

mobile Radsatzwechsler eingesetzt, die mithilfe<br />

von hochmoderner Luftkissentechnik<br />

bewegt werden. „Diese Radsatzwechsler haben<br />

sich zwar im Prinzip bewährt“, sagt Gerd<br />

Irsch, Leiter Support Technik im Bereich<br />

Einkauf Material, Maschinenanlagen und<br />

technisches Facility Management, „doch<br />

man muss wissen, dass die aufwändige Luftkissentechnik<br />

uns immer wieder auch vor<br />

teure Probleme gestellt hat.“<br />

So funktioniert der Luftstrom nur zuverlässig,<br />

wenn der Hallenfußboden im Werk<br />

dafür eigens aufwändig präpariert und entsprechend<br />

gepflegt ist. Beschädigungen im<br />

Boden oder auf dem Boden liegende Teile<br />

können den Luftstrom abreißen lassen, und<br />

dann fällt der Wechsler komplett aus. Irsch:<br />

„Hinzu kommt, dass wir bei diesem Gerät<br />

nur einen einzigen Lieferanten hatten. Deshalb<br />

waren wir an Alternativen interessiert,<br />

um im Wettbewerb mehrerer Anbieter Investitionskosten<br />

zu senken und zugleich die<br />

Lebenszykluskosten zu verringern. Haupt-<br />

Schneller Radsatzwechsel: Einsetzen<br />

der Hebeanlage, hydraulisches<br />

Anheben des Radsatzes (obere Reihe),<br />

abgelassene Achse , Abtransport<br />

mit dem Gabelstapler (unten).<br />

prämisse für diesen Entwicklungsauftrag<br />

war der Verzicht auf die Luftkissentechnik.<br />

Außerdem wollten wir, wie in so vielen Bereichen,<br />

modulare Lösungen haben.“<br />

Ludger Dortmund aus Dortmund hatte<br />

die zündende Idee: Er entwickelte gemeinsam<br />

mit den Fachkollegen vom Fernverkehr<br />

und den Fahrzeuginstandhaltungswerken einen<br />

Radsatzwechsler, bei dem die Radsatzhebeeinrichtung<br />

hydraulisch funktioniert.<br />

Das Fahrzeug selbst, von den Ingenieuren<br />

„Ameise“ genannt, bewegt sich auf kleinen<br />

Rädern. Der neu konzipierte mobile Radsatzwechsler<br />

ist im Werk Dortmund bereits<br />

in zweifacher Ausführung im Einsatz. Er<br />

wurde bisher nicht nur beim ICE 3 und ICE T<br />

eingesetzt, sondern auch bei Regional-Triebzügen<br />

der Baureihe 425.<br />

Inzwischen ist Dortmunds Erfindung zum<br />

Patent und zum Gebrauchsmuster beim <strong>Deutsche</strong>n<br />

Patent- und Markenamt angemeldet.<br />

Der Ansatz, die Radsatzwechseltechnik für<br />

den ICE mit einer neuen Arbeitsgeräte-Generation<br />

zu vereinfachen, hat sich für die <strong>Bahn</strong> allemal<br />

gelohnt. Irsch: „Mittlerweile gibt es drei<br />

verschiedene Modelle, die wir für unsere Aufgabe<br />

in den Werken einsetzen können. Gegenüber<br />

den Luftkissenfahrzeugen sparen wir im<br />

Einkauf bis zu 70 Prozent.“ Vier weitere Anlagen<br />

sind bestellt, und nach und nach werden<br />

bei Neu- wie Reinvestitionen Millionen-Beträge<br />

eingespart. bt<br />

27<br />

<strong>bahntech</strong> 01| 2006

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