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STUDIEN ZUR - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Konfliktanalyse Bosnien und Herzegowina, November 2005<br />

erreichen wie vor dem Krieg. Heute liegt es mit 1.300 Euro im Jahr pro Kopf weit unter dem<br />

Durchschnitt in Südosteuropa und nur knapp vor dem des Kosovo.<br />

Die gesellschaftlichen Folgen <strong>der</strong> wirtschaftlichen Misere sind unübersehbar. Lange<br />

Schlangen vor den Botschaften Deutschlands und Österreichs machen täglich deutlich, dass<br />

vor allem junge Leute ihre Zukunft nicht länger in Bosnien, son<strong>der</strong>n außerhalb<br />

Südosteuropas sehen. Selbst gut ausgebildete Nachwuchskräfte ziehen in <strong>der</strong> Regel einen<br />

besser bezahlten Job außerhalb ihres Berufsfeldes im Ausland den schlecht bezahlten<br />

Posten in Bosnien vor. An den Universitäten des Landes werden jährlich Tausende für die<br />

Arbeitslosigkeit ausgebildet. Stellen bei den noch im Land verbliebenen internationalen<br />

Organisationen, sei es als Übersetzer, Fahrer o<strong>der</strong> Putzhilfe, gelten als heiß begehrt.<br />

Mangelnde Eigeninitiative und das Gefühl, den Gesetzen des Marktes hilflos ausgeliefert zu<br />

sein, sorgen für einen Zustand <strong>der</strong> Lähmung und Apathie. Während Kleinunternehmer etwa<br />

im Kosovo bei weitaus schlechteren Startvoraussetzungen eine erstaunliche Dynamik<br />

entwickeln, vorwärts zu kommen, ist davon in Bosnien kaum etwas zu spüren. „Risiken für<br />

die makroökonomische Stabilität bleiben“, warnt die Europäische Kommission, „mit nicht<br />

auszuschließenden Wirkungen auf Inflation und die Fähigkeit, Schulden zurückzuzahlen“. 12<br />

Um eine spätestens bei Beginn <strong>der</strong> Beitrittsverhandlungen „selbst tragende wirtschaftliche<br />

Entwicklung“ zu erreichen, sei es unumgänglich, den Anteil von Privatinvestoren am<br />

Bruttoinlandsprodukt von heute 40 Prozent dem Durchschnitt <strong>der</strong> Westbalkan-Staaten von<br />

53 Prozent anzugleichen.<br />

So sieht auch die 2004 vom bosnischen Ministerrat verabschiedete Mid-Term Development<br />

Strategy (2004-2007) die Stärkung des Privatsektors vor, was durch die Schaffung eines<br />

einheitlichen, entitätsübergreifenden Marktes, die Anpassung an EU-Standards und den<br />

Abbau bürokratischer Hin<strong>der</strong>nisse erreicht werden soll. Spezielles Augenmerk wird <strong>der</strong><br />

Rentenproblematik, dem Bildungssektor und dem Gesundheitsbereich gewidmet. Weltbank<br />

und EU monieren jedoch, dass die Abfolge <strong>der</strong> Maßnahmen dringend überarbeitet werden<br />

muss.<br />

2.3 Grundlagen für einen starken Gesamtstaat<br />

Seit den neunziger Jahren durchläuft Bosnien und Herzegowina einen dreifachen<br />

Transformationsprozess: vom Krieg zum Frieden, von <strong>der</strong> Plan- zur Marktwirtschaft und von<br />

einem Einparteienstaat zu einer pluralistischen Demokratie. Inwieweit dieser erfolgreich in<br />

<strong>der</strong> von den entscheidenden politischen Akteuren angestrebten EU-Aufnahme enden wird,<br />

ist weiterhin offen – und hängt entscheidend davon ab, ob Bosnien seinen Status als Weak<br />

State wird überwinden können.<br />

Politische Analysten sind sich einig, dass neben dem Versöhnungsprozess zwischen den<br />

einstigen Kriegsparteien die Stärkung des Gesamtstaats oberste Priorität genießt.<br />

Beson<strong>der</strong>s sensibel ist dabei das Beharren <strong>der</strong> bosnisch-serbischen Seite auf einem<br />

Fortbestand <strong>der</strong> Republika Srpska. Immerhin gelang es in den vergangenen Jahren, im<br />

Finanzbereich eine gemeinsame, entitätsübergreifende Besteuerungsgrundlage zu finden,<br />

große Hoffnungen werden in die Einführung <strong>der</strong> landesweit einheitlichen Mehrwertsteuer<br />

Anfang 2006 gesetzt. Mit <strong>der</strong> Einrichtung des Staatsgerichtshofs, des gemeinsamen<br />

Verteidigungsministeriums sowie des Abkommens über die Polizeireform erfolgten weitere<br />

Schritte zur Aushöhlung <strong>der</strong> Macht <strong>der</strong> Entitäten – und zur Kompetenzstärkung <strong>der</strong><br />

nationalen Exekutive.<br />

Ein von <strong>der</strong> European Stability Initiative im Dezember 2003 vorgelegtes Papier zur<br />

Neugestaltung <strong>der</strong> bosnischen Landkarte und die von Ashdown im Januar 2005 präsentierte<br />

12 EU-Kommission (18. November 2003): Report from the Commission to The Council<br />

15

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