1 „Darf´s ein bisschen mehr sein?“ Abendgottesdienst, 16. Juni ...
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<strong>„Darf´s</strong> <strong>ein</strong> <strong>bisschen</strong> <strong>mehr</strong> s<strong>ein</strong>?<strong>“</strong><br />
<strong>Abendgottesdienst</strong>, <strong>16.</strong> <strong>Juni</strong> 2013<br />
vorher: Anspiel Metzgerei – <strong>mehr</strong> Zeit, <strong>mehr</strong> Geld, <strong>mehr</strong>…<br />
„Darf’s <strong>ein</strong> <strong>bisschen</strong> <strong>mehr</strong> s<strong>ein</strong>?<strong>“</strong><br />
Vorsicht, wer so fragt. Die Ansprüche sind manchmal groß.<br />
Eine Verkäuferin hinter der Wursttheke ist schnell überfordert,<br />
wenn der Kunde gerne etwas anderes hätte als Wurst oder<br />
Fleisch.<br />
<strong>„Darf´s</strong> <strong>ein</strong> <strong>bisschen</strong> <strong>mehr</strong> s<strong>ein</strong>?<strong>“</strong><br />
Ja, manchmal dürfte es schon gerne etwas <strong>mehr</strong> s<strong>ein</strong>. Nur,<br />
macht es denn Sinn, hohe Ansprüche zu stellen?<br />
-‐ Mehr Zeit für Familie und Freunde – das klingt gut, aber der<br />
Tag hat nun mal nur 24 Stunden!<br />
-‐ Mehr Geld in der Urlaubskasse – wär schön, dann könnt es<br />
mal etwas weiter weg gehen. Mehr Taschengeld, klar, wär<br />
ganz nett, aber wenn es nun mal nicht geht…<br />
-‐ Mehr Aufmerksamkeit von anderen: dass in der Schule nicht<br />
immer die anderen im Vordergrund stehen; dass am Ar-<br />
beitsplatz nicht immer nur die anderen gelobt werden; dass<br />
bei Familienfesten nicht immer nur die anderen toll daste-<br />
hen; dass es mal <strong>ein</strong> <strong>bisschen</strong> um mich geht<br />
Klingt alles gut, aber wenn es nun mal nicht so ist – was hilft<br />
dann das Klagen? Was helfen hohe Ansprüche, wenn k<strong>ein</strong>er da zu<br />
s<strong>ein</strong> sch<strong>ein</strong>t, der sie erfüllen kann oder will? Dann schiebt man<br />
den Frust vor sich her, lebt ständig in den Wunschgedanken der<br />
verpassten und unrealistischen Möglichkeiten und hat k<strong>ein</strong>en Blick<br />
für das, was tatsächlich zu tun ist.<br />
Also besser gleich verabschieden von allen Wünschen nach<br />
„<strong>ein</strong> <strong>bisschen</strong> <strong>mehr</strong><strong>“</strong>?<br />
Ich rede hier nicht von der Gier, alles haben zu wollen, am<br />
besten sofort. Klar, das gibt es auch. So <strong>ein</strong>e Mentalität, sich bei<br />
allem zu bedienen, egal ob es legal ist oder nicht. Es verletzt un-<br />
seren Gerechtigkeitssinn, wenn Menschen, die eh schon viel ha-<br />
ben, sich zusätzlich auf Kosten anderer bereichern; wenn Solidari-<br />
tät nichts <strong>mehr</strong> gilt, sondern nur noch Geiz und die Frage, was es<br />
mir selber bringt?<br />
Manchen reicht „<strong>ein</strong> <strong>bisschen</strong> <strong>mehr</strong><strong>“</strong> nicht – die möchten gern<br />
alles für sich haben, auch auf Kosten anderer. Gier zerstört Ge-<br />
m<strong>ein</strong>schaft, Missgunst zerstört Beziehungen.<br />
Aber hohe Ansprüche sind nicht dasselbe wie Gier. Hohe An-<br />
sprüche zeigen, dass wir vom Leben etwas erwarten. Und ist das<br />
zuviel verlangt?<br />
Ich hoffe, dass ihr vom Leben etwas erwartet. Das Leben von<br />
jedem <strong>ein</strong>zelnen von uns ist wichtig und wertvoll – es ist nicht<br />
egal, was daraus wird.<br />
Wer m<strong>ein</strong>t, durch Erfolg und Selbstsucht glücklich zu werden,<br />
wird sich spätestens dann wundern, wenn das Geld ihm auch<br />
nicht <strong>mehr</strong> weiterhilft.<br />
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Bsp. Klassenarbeit Berufsschule: Macht Erfolg glücklich?<br />
Antworten: „Was bringt <strong>ein</strong>em Erfolg, wenn man ihn nicht ge-<br />
nießen kann – weil man k<strong>ein</strong>en hat, der sich mit <strong>ein</strong>em freut.<strong>“</strong><br />
„Glaube und Familie sind wichtiger als der Erfolg, weil sie auch<br />
dann da sind, wenn man sie braucht – Erfolg geht vorüber<strong>“</strong><br />
Darf’s <strong>ein</strong> <strong>bisschen</strong> <strong>mehr</strong> s<strong>ein</strong>? Die Dinge, auf die es im Leben<br />
ankommt, sind gar nicht so leicht zu messen. Mehr Liebe – wie<br />
misst man das? Mehr Zuversicht im Blick auf die Zukunft, <strong>mehr</strong><br />
Selbstachtung und die Überzeugung, dass man sich nicht vor den<br />
anderen verstecken muss.<br />
Kann ja s<strong>ein</strong>, dass <strong>ein</strong> anderer klüger ist als ich, dass er schö-<br />
ner singen kann und für s<strong>ein</strong> Aussehen <strong>mehr</strong> bewundert wird als<br />
ich. (Hauptsache, ich bin der Beste im Fußball… N<strong>ein</strong>, natürlich<br />
gibt es auch da Bessere. Das hab ich irgendwann lernen müssen.)<br />
Fällt es dir schwer, anderen zu gönnen, was sie richtig gut<br />
können und wofür sie bewundert werden? Du bist doch deshalb<br />
nicht weniger wert! Es zählt doch nicht weniger, was du dafür<br />
richtig gut kannst und für was du Experte bist! Wär doch<br />
schlimm, wenn alle gleich wären!<br />
Ein <strong>bisschen</strong> <strong>mehr</strong> Selbstbewussts<strong>ein</strong> – das wäre für viele <strong>ein</strong>e<br />
tolle Sache. Denn wer an sich selbst zweifelt, setzt sich unter<br />
Druck, es sich selbst und den anderen beweisen zu müssen, dass<br />
man was ist – obwohl man eigentlich selbst gar nicht so richtig<br />
dran glaubt.<br />
Und dann fängt man an zu vergleichen und die Macken von<br />
anderen genau zu beachten – denn vielleicht rückt es mich ja in<br />
<strong>ein</strong> besseres Licht, wenn der andere als Idiot dasteht.<br />
Ein <strong>bisschen</strong> <strong>mehr</strong> Selbstbewussts<strong>ein</strong> – und dadurch <strong>ein</strong> biss-<br />
chen <strong>mehr</strong> Gelassenheit. Leicht gesagt, aber wie geht das? Auf<br />
Befehl sicher nicht…<br />
An wen können wir die hohen Ansprüche in unserem Leben<br />
stellen? Diese Frage ist entscheidend, denn darauf kommt es an.<br />
Wenn ich an der Wursttheke <strong>ein</strong>en Akkubohrer oder <strong>ein</strong>e Packung<br />
Filzstifte bestelle, dann wird das nichts. Das Bild mag uns ver-<br />
rückt vorkommen, aber genau so verhalten wir uns oft… Wir stel-<br />
len Erwartungen, hohe Erwartungen – aber richten sie in die fal-<br />
sche Richtung.<br />
Von allem möglichen erwarten wir, dass es uns glücklich<br />
macht. Und wir m<strong>ein</strong>en, wenn wir davon <strong>mehr</strong> hätten, dann wäre<br />
alles in Ordnung.<br />
Im Alten Testament steht <strong>ein</strong> spannender Satz. Gott sagt die-<br />
sen Satz über das Volk Israel, s<strong>ein</strong> auserwähltes Volk. In Jeremia<br />
2, Vers 13 steht dieser Satz: M<strong>ein</strong> Volk tut <strong>ein</strong>e doppelte Sünde:<br />
„Mich, die lebendige Quelle, verlassen sie und graben sich Brun-<br />
nen, die doch rissig sind und k<strong>ein</strong> Wasser geben.<strong>“</strong><br />
Schlimme Analyse: Da sind Menschen, die eigentlich wissen<br />
könnten, wo es gutes, frisches Wasser gibt – aber sie verzichten<br />
darauf und graben lieber ihre eigenen Wasserlöcher – Schmutzlö-<br />
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cher, aus denen k<strong>ein</strong> gesundes Wasser heraus fließt, sondern nur<br />
stinkende Brühe.<br />
Das ganze ist <strong>ein</strong>e Metapher, <strong>ein</strong> Bild: Gott sorgt sich mit die-<br />
sem Satz nicht um die Wasserversorgung des Volkes Israels, son-<br />
dern es geht um den Durst, den die Seele hat:<br />
-‐ Lebensdurst,<br />
-‐ Durst nach Anerkennung und Bestätigung,<br />
-‐ Durst nach Liebe,<br />
-‐ Durst nach Leben mit Sinn,<br />
-‐ Durst nach guten Freundschaften,<br />
-‐ Durst danach, echt s<strong>ein</strong> zu dürfen und k<strong>ein</strong>e Rolle spielen<br />
zu müssen<br />
-‐ Durst danach, Fehler machen zu dürfen und Schuld loswer-<br />
den zu können<br />
Wer von s<strong>ein</strong>em Leben etwas erwartet, der kennt diesen<br />
Durst in der <strong>ein</strong> oder anderen Form. Und es ist <strong>ein</strong> gutes Zeichen,<br />
wenn wir diesen Durst verspüren.<br />
Gott hat diesen Durst in uns hin<strong>ein</strong>gelegt, weil er wollte, dass<br />
der Mensch <strong>mehr</strong> empfindet als <strong>ein</strong> Tier. Gott hat uns Menschen<br />
„zu s<strong>ein</strong>em Ebenbild geschaffen<strong>“</strong> – das ist <strong>ein</strong>e Auszeichnung, ei-<br />
ne hohe Würde.<br />
Das heißt: Es gehört zu unserem Menschs<strong>ein</strong> dazu, dass wir<br />
gerne <strong>mehr</strong> haben wollen als jeden Tag <strong>ein</strong>fach nur irgendwie zu<br />
überleben oder nur vor uns hin zu vegetieren.<br />
Und Gott, der uns gewollt und geschaffen hat, ist derjenige,<br />
der den Lebensdurst unserer Seele stillen kann und liebend gerne<br />
stillen möchte.<br />
„Mich, die lebendige Quelle verlassen sie<strong>“</strong> sagt Gott über s<strong>ein</strong><br />
Volk im Alten Testament. Etwas später sagt dann Jesus: Kommt<br />
her zu mir, die ihr durstig seid – ich will euren Durst stillen. Ich<br />
bin das Brot des Lebens. Wenn ihr davon esst, wird euer Lebens-<br />
hunger gestillt.<br />
Und an <strong>ein</strong>er anderen Stelle sagt Jesus: „Ich bin gekommen,<br />
um euch das Leben in s<strong>ein</strong>er ganzen Fülle zu schenken – in der<br />
Lutherübersetzung steht da: „damit sie das Leben und volle Ge-<br />
nüge haben sollen.<strong>“</strong> Das volle, das pralle Leben – drunter macht<br />
es Jesus nicht.<br />
Und die Geschichte, die wir vorhin gehört haben, bringt das<br />
wunderbar zum Ausdruck: Fünftausend Mann plus Frauen und<br />
Kinder werden satt – aber so, dass auch noch zwölf Körbe übrig<br />
bleiben! Das ist volle Genüge. Das ist das pralle Leben.<br />
Wer das hat, der fragt nicht <strong>mehr</strong>: Darf’s <strong>ein</strong> <strong>bisschen</strong> <strong>mehr</strong><br />
s<strong>ein</strong>. Der hat <strong>mehr</strong>, als er braucht und staunt über die Fülle, die<br />
Gott uns gibt Tag für Tag.<br />
Es wäre schade, wenn wir uns mit weniger zufrieden geben.<br />
Es darf ruhig <strong>ein</strong> <strong>bisschen</strong> <strong>mehr</strong> s<strong>ein</strong>. Amen.<br />
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