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Mißtrauen, Panik und Herdenverhalten. Psychologie versus ...

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Studium generale im WS 2009/10<br />

„Die zweite Weltwirtschaftskrise <strong>und</strong> ihre Folgen“<br />

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong>.<br />

<strong>Psychologie</strong> <strong>versus</strong> Rationalität<br />

von Werner Neus<br />

Tübingen, 5. November 2009


<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

1. Einführung<br />

� „Wirtschaft ist zur Hälfte <strong>Psychologie</strong>.“<br />

• so oder so ähnlich Ludwig Erhard (<strong>und</strong> seither viele andere)<br />

� Erwartung beim Titel des Vortrags vermutlich<br />

• Bankenkrise Folge psychologischer Effekte (irrationalen Verhaltens)<br />

� Eingeplante Enttäuschung, denn Ziel dieses Vortrags:<br />

• Zeigen, daß unvernünftig erscheinende Verhaltensmuster Ausdruck<br />

individueller Rationalität sein können<br />

(das gilt dann entsprechend auch für die Marktergebnisse)<br />

• Ableiten von Folgerungen daraus (Politikempfehlungen)<br />

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Die zweite Weltwirtschaftskrise <strong>und</strong> ihre Folgen 1


<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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� Ausgangspunkt für die Wahrnehmung „psychologischer“ Effekte:<br />

verzerrtes Verständnis von „Rationalität“<br />

� unwillkürliche gedankliche Bezugnahme auf das Modell vollkommener<br />

Wettbewerbsmärkte<br />

• abstrakte Formulierung: Hauptsätze der Wohlfahrtsökonomik<br />

• volkstümlicher: „unsichtbare Hand“ (Adam Smith)<br />

„Jedes Individuum wird von einer unsichtbaren Hand zu einem Ziel geführt,<br />

das nicht in seiner Absicht lag. (...) Indem es sein Eigeninteresse verfolgt,<br />

wird das Ziel der Gesellschaft häufig effektiver gefördert, als wenn das<br />

Individuum das gesellschaftliche Ziel direkt fördern wollte.“<br />

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Die zweite Weltwirtschaftskrise <strong>und</strong> ihre Folgen 2


<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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� Folge: implizite Gleichsetzung von „Rationalität“ <strong>und</strong> „gute Marktergebnisse“<br />

� Banken- <strong>und</strong> Weltwirtschaftskrise dann Ausfluß von Irrationalität<br />

Beispiele für gesellschaftlich schädliches Verhalten im Bankenbereich<br />

� Vergabe von Krediten an Schuldner mit miserabler Bonität („Ninja-Kredite“)<br />

� flächendeckender Erwerb <strong>und</strong>urchsichtiger Kreditverbriefungen alleine auf<br />

Basis der Bewertung von Rating-Agenturen<br />

� Auflegung von Entlohnungssystemen, die zu erheblichen Fehlanreizen führen<br />

� mangelnde Vergabe von Krediten an andere Banken <strong>und</strong> an<br />

Industrieunternehmen<br />

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Die zweite Weltwirtschaftskrise <strong>und</strong> ihre Folgen 3


<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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Beispiele für rationale, aber unvernünftig erscheinende Verhaltensmuster<br />

� Aufkommen <strong>und</strong> Zusammenbrechen von Vertrauensmechanismen<br />

(am Beispiel von Rating-Agenturen)<br />

� Rationale Blasen (am Beispiel von Wertpapierpreisen)<br />

� Rationales <strong>Herdenverhalten</strong> (am Beispiel von Wertpapierhändlern)<br />

� <strong>Panik</strong> (am Beispiel von Schalterstürmen)<br />

Gemeinsamkeiten<br />

� Erfordernis, Erwartungen zu bilden über das Verhalten oder über die<br />

Erwartungen anderer Marktteilnehmer<br />

� individuelle Rationalität <strong>und</strong> kollektiv suboptimale Lösungen weit verbreitet<br />

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Die zweite Weltwirtschaftskrise <strong>und</strong> ihre Folgen 4


<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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2. Vertrauensmechanismen: Funktionsfähigkeit <strong>und</strong><br />

Zerbrechen<br />

� Geschäft von Rating-Agenturen extrem vertrauensempfindlich<br />

• Produktion von Information, Nutzer muß auf deren Korrektheit vertrauen<br />

• erst später Offenbarung der tatsächlichen Korrektheit<br />

• überdies wegen unsicherer Erwartungen Irrtum möglich („Vertrauensgut“)<br />

� Problem: Gefahr der Bereitstellung unzuverlässiger Informationen<br />

• wegen geringerer Kosten<br />

• wegen Interessenkonflikten<br />

(• wegen Unfähigkeit)<br />

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Die zweite Weltwirtschaftskrise <strong>und</strong> ihre Folgen 5


<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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Basismodell zur Abbildung des Zusammenhangs<br />

� Erklärungsziel<br />

• Vertrauen kann grds. tragfähig sein, aber auch zerbrechen.<br />

� Kosten der Produktion einer zutreffenden Information k 1<br />

� Kosten der Produktion einer unzuverlässigen Information k 2 < k1<br />

• nur mit Wahrscheinlichkeit α korrekt ( 0 < α < 1)<br />

� Zahlungsbereitschaft der Nutzer für eine zutreffende Information p 1,<br />

für eine<br />

unzuverlässige Information p2 ≤<br />

k2<br />

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Die zweite Weltwirtschaftskrise <strong>und</strong> ihre Folgen 6


<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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� Nutzer vertrauen solange in Korrektheit, bis Unzuverlässigkeit aufgedeckt wird<br />

• anschließend nachhaltiger Verlust des Vertrauens („Wer einmal lügt...“)<br />

� Entscheidungskriterium der Rating-Agentur: Gewinnbarwerte<br />

• bei Produktion einer korrekter Information<br />

B<br />

1<br />

= ∑ ∞<br />

t=<br />

1<br />

p1<br />

− k<br />

( 1+<br />

i)<br />

1<br />

t<br />

=<br />

p<br />

1<br />

− k<br />

i<br />

1<br />

• bei Produktion einer unzuverlässigen Information<br />

B<br />

2<br />

∞<br />

∞<br />

p1<br />

− k2<br />

p1<br />

− k1<br />

p2<br />

− k<br />

= + α ⋅∑<br />

+ ( 1−<br />

α)<br />

⋅<br />

t ∑ t<br />

1+<br />

i ( 1+<br />

i)<br />

( 1+<br />

i)<br />

t =<br />

2<br />

t = 2<br />

p1<br />

− k<br />

1+<br />

i<br />

p1<br />

− k1<br />

+ α ⋅ .<br />

i ⋅(<br />

1+<br />

i)<br />

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

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2<br />

=<br />

2


<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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� Entscheidungskriterium: Produktion einer korrekten Information, wenn<br />

•<br />

B<br />

1<br />

><br />

B<br />

2<br />

⇔<br />

p<br />

− k<br />

) > ( k<br />

− k<br />

( 1 1 1 2<br />

i<br />

) ⋅<br />

1−<br />

α<br />

Mögliche Tragfähigkeit des Vertrauens<br />

� Qualitätsprämie erforderlich, Kostendeckung reicht nicht aus<br />

� Vertrauen um so eher möglich (die Qualitätsprämie darf um so kleiner sein)<br />

• je geringer die Kostendifferenz<br />

• je häufiger die Agentur tätig (Marktanteil)<br />

• je geringer die Wahrscheinlichkeit, „automatisch“ richtig zu liegen<br />

� vielfältige Erweiterungen denkbar<br />

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Die zweite Weltwirtschaftskrise <strong>und</strong> ihre Folgen 8


<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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Zusammenbrechen des Vertrauens bei unerwarteten Parameteränderungen<br />

� höhere Zusatzkosten wegen komplexerer Produkte<br />

� neue Geschäftsmodelle (Aufkommen von Interessenkonflikten)<br />

� zunehmender Wettbewerb (� geringerer Marktanteil)<br />

Politikempfehlungen<br />

� Interessenkonflikte mindern<br />

� Haftung für Fehlauskünfte<br />

• trifft aber auch ehrliche Agenturen, die Pech hatten<br />

� Erhöhung des Wettbewerbs?<br />

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Die zweite Weltwirtschaftskrise <strong>und</strong> ihre Folgen 9


<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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3. Rationale Blasen<br />

� Blase: derjenige Teil des (Wertpapier-) Preises, der nicht durch<br />

F<strong>und</strong>amentalwert p erklärt werden kann<br />

• p t = pt<br />

+ bt<br />

mit ∑ ∞<br />

p =<br />

t<br />

τ = t + 1<br />

d τ<br />

( 1+<br />

i)<br />

τ<br />

� rationale Blase: Entwicklung der Blasenkomponente, die trotz der Möglichkeit<br />

des Platzens einen positiven Gewinnerwartungswert zuläßt<br />

Einfachste Form: deterministische Blase<br />

�<br />

b<br />

t<br />

⎧a<br />

⋅bt<br />

= ⎨<br />

⎩ 0<br />

−1<br />

mit<br />

mit<br />

π<br />

1−<br />

π<br />

mit π<br />

⋅ a > 1<br />

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<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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� Beteiligung an Blase individuell lohnend, trotz des Wissens um das mögliche<br />

Platzen (auch bei Risikoaversion!)<br />

� Schwäche: Entstehen der Blase bleibt offen<br />

Stochastische Blase<br />

�<br />

b<br />

t<br />

⎧a<br />

⋅bt<br />

−1<br />

+ εt<br />

= ⎨<br />

⎩ 0<br />

mit<br />

mit<br />

π<br />

1−<br />

π<br />

mit E{ ε } = 0<br />

� Entstehung durch exogene Schocks<br />

� läßt auch Folgen von mehreren Blasen zu<br />

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Die zweite Weltwirtschaftskrise <strong>und</strong> ihre Folgen 11<br />

t


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� generelle Schwächen<br />

• nur Beschreibungsansatz<br />

• Blasen auf Wertpapiermärkten empirisch schwer nachzuweisen<br />

Politikempfehlungen<br />

� Schädlichkeit einer Vermögensblase<br />

• verteuert auch nicht-spekulative Transaktionen<br />

(erhöht Kapitalkosten <strong>und</strong> behindert Realinvestitionen)<br />

� Begrenzung des Blasenwachstums durch limitiertes Kreditvolumen<br />

• problematische Politik der hohen Liquidität<br />

� Einfluß auf die Entstehung?<br />

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<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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4. Rationales <strong>Herdenverhalten</strong><br />

� viele Begründungen für paralleles Verhalten denkbar<br />

• Präferenz für gemeinschaftliches Betrinken am Strand<br />

� Reise nach Mallorca<br />

• Netzwerkeffekte (bspw. kompatible Telephonsysteme, Videotechniken ...)<br />

� hier: Abstellen auf Informationen <strong>und</strong> Erwartungen, daher<br />

• <strong>Herdenverhalten</strong>: Imitation früherer Akteure unter Außerachtlassung<br />

eigener Informationen<br />

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<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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Erste Variante: Informationskaskaden<br />

� beliebte Geschichte zur Illustration:<br />

• In einer Tourismusgegend kommen nacheinander n Touristen zu zwei<br />

benachbarten Restaurants (Olympia <strong>und</strong> Delphi)<br />

• Olympia sieht etwas besser aus <strong>und</strong> würde mangels besserer Kenntnisse<br />

vorgezogen werden (leichte Anfangspräferenz).<br />

• Jeder Tourist hat einen Tipp von seinem Hotelier.<br />

• Tourist 1 hat den Tipp O <strong>und</strong> geht dahin.<br />

• Tourist 2 sieht das <strong>und</strong> geht dann in jedem Fall ins Olympia<br />

� Tipp O: dann sowieso<br />

� Tipp D: gleich häufiger Tipp O <strong>und</strong> D; leichte Anfangspräferenz für O<br />

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� Entscheidung des Touristen 2 völlig uninformiert.<br />

� Jeder weitere in der gleichen Situation.<br />

� Alle gehen ins Olympia<br />

unabhängig von der Informationsverteilung nach Tourist 1 !<br />

� entsprechend Investition / keine Investition statt Wahl des Restaurants<br />

� Maßgeblichkeit alleine der ersten Information<br />

• extrem schlechte Informationsverarbeitung<br />

• möglicherweise Entscheidung gegen n −1<br />

anderslautende Informationen<br />

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Zweite Variante: Reputationsorientiertes <strong>Herdenverhalten</strong><br />

� mehrere Wertpapierhändler (in Fonds oder Banken)<br />

• sukzessive Möglichkeit der Investition in riskante Anlage<br />

• Kluge Händler haben informative, aber unvollkommene Signale über die zu<br />

erwartenden Gewinne bzw. Verluste.<br />

• Dumme Händler haben völlig uninformative Signale.<br />

• Händler wollen eine gute Reputation erhalten (für „klug“ gehalten werden).<br />

� Gleichgewicht<br />

Wenn der erste Händler seinem Signal entsprechend kauft, werden alle<br />

anderen ebenfalls kaufen, <strong>und</strong> umgekehrt.<br />

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� innere Logik<br />

• Wenn man den Fehler mit allen anderen teilt, ist der Reputationsschaden<br />

gering („Share the blame“-Effekt).<br />

• Wenn man als einziger richtig entschieden hat, hat man nur Glück gehabt.<br />

� Anekdotische Beobachtungen aus Investmentbanken bestätigen genau dieses<br />

Verhalten.<br />

Politikempfehlung<br />

� Transparenz herstellen, um das Gewicht einzelner Beobachtungen zu<br />

verringern<br />

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5. <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> Schalterstürme<br />

Banken <strong>und</strong> Liquiditätstransformation<br />

� Liquiditätstransformation eine der wesentlichen Aufgaben von Banken<br />

� Ausgangsüberlegungen<br />

• Investitionen mit langfristiger Kapitalbindung erzielen eine höhere Rendite.<br />

• Risikoaverse Kapitalanleger haben einen unsicheren Bedarf an liquiden<br />

Mitteln.<br />

• Bei vorzeitiger Liquidation langfristiger Investitionen resultieren erhebliche<br />

Liquidationsverluste.<br />

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� Merkmale einer Einlagen- <strong>und</strong> Kreditbank<br />

• Hereinnahme von kurzfristig kündbaren Einlagen<br />

• Vergabe von langfristigen Krediten zur Finanzierung von Investitionen<br />

• Glättung von Zinsdifferenzen zwischen kurz- <strong>und</strong> langfristigen Anlagen<br />

� Versicherung der Einleger gegen deren Liquiditätsrisiken<br />

� immanentes Liquiditätsproblem der Bank<br />

• zugleich langfristige Investition in Kredite <strong>und</strong> kurzfristige Refinanzierung<br />

bei den Einlegern<br />

• Selbst eine völlig solide Bank kann nicht alle kurzfristigen Einlagen zugleich<br />

befriedigen.<br />

� „besondere Vertrauensempfindlichkeit“ der Banken<br />

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Gefahr eines Schaltersturms<br />

� Unerwartet hohe Auszahlungen auf Einlagen zwingen Banken, langfristige<br />

Anlagen zu liquidieren <strong>und</strong> Liquidationsverluste zu realisieren.<br />

� Beispiel: zwei verbleibende Einleger A <strong>und</strong> B mit spätem Liquiditätsbedarf<br />

A B Einlage abziehen Einlage stehen lassen<br />

Einlage abziehen *100; 100* 102; 94<br />

Einlage stehen lassen 94; 102 *105; 105*<br />

• zwei symmetrische Gleichgewichte<br />

• „normaler Bankbetrieb“: jeweils Einlage stehen lassen<br />

• krisenhafter Schaltersturm: jeweils Einlage abziehen („Run“)<br />

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� Gefahr des Übergangs vom normalen Bankbetrieb zur Krise<br />

• bei Erwartung, der andere Anleger wird abziehen, bspw.<br />

� bei schlechten Gerüchten über die Bank („City Back“)<br />

� bei Zahlungsunfähigkeit anderer Banken (Ähnlichkeitsvermutung):<br />

„Domino-Effekt“<br />

Politikempfehlungen<br />

� Begrenzung von Risikoübernahme <strong>und</strong> Liquiditätstransformation<br />

� bei Zahlungsschwierigkeiten Schließen der Schalter<br />

� Einlagenversicherung<br />

• ggf. auch durch den Staat: „lender of last resort“ (� SoFFin)<br />

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6. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Zusammenfassung<br />

� Vertrauensmechanismen können sich als tragfähig erweisen, sie können aber<br />

auch zusammenbrechen.<br />

� Es kann rational sein, Güter (bspw. Wertpapiere) zu völlig überhöhten Preisen<br />

zu kaufen.<br />

� Es kann rational sein, eigene Informationen völlig außer Acht zu lassen <strong>und</strong><br />

eigene Entscheidungen nur auf das beobachtbare Verhalten anderer<br />

Individuen zu stützen.<br />

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� Es kann rational sein, in einen Verkaufswettlauf einzusteigen, auch wenn<br />

individuelle Präferenzen <strong>und</strong> Informationen dies nicht unmittelbar nahelegen.<br />

� Alle diese Effekte sind zwar individuell rational, aber kollektiv suboptimal.<br />

Handlungsempfehlungen<br />

� generell: Schaffung von Institutionen, welche zur Sicherung kollektiv optimaler<br />

Entscheidungen beitragen<br />

� bspw. von Seiten des Staates<br />

• Zwang zur Offenlegung von Informationen<br />

• Einschränkung der Handlungsfreiheit<br />

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<strong>Mißtrauen</strong>, <strong>Panik</strong> <strong>und</strong> <strong>Herdenverhalten</strong><br />

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� selbstverständlich auch von Seiten Privater, bspw.<br />

• Moral !<br />

� problemmindernde Institutionen nicht kostenlos<br />

• direkte Kosten<br />

• „Nebenwirkungen“ (Opportunitätskosten)<br />

In Krisenzeiten größere Auswirkungen der Erwartungsbildung<br />

� Krise: hohe Ausgangsunsicherheit<br />

� Anpassung von Erwartungen über beobachtbare Signale<br />

� Gewichtung von Ausgangserwartung <strong>und</strong> Signalen mit umgekehrter Varianz<br />

� starke Erwartungsänderung in Krisenzeiten<br />

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Die zweite Weltwirtschaftskrise <strong>und</strong> ihre Folgen 24

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