BLICKPUNKT - Kirchengemeinde Asseln
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gemauert, durch die das flüssige<br />
Metall zu den Gusslöchern<br />
geleitet wird.<br />
Wie es dann weitergeht,<br />
konnten Generationen von Schülern<br />
auswendig aufsagen:<br />
Fest gemauert in der Erden,<br />
steht die Form, aus Lehm gebrannt.<br />
/ Heute muss die Glocke<br />
werden, frisch Gesellen, seid zur<br />
Hand. / Von der Stirne heiß rinnen<br />
muss der Schweiß, / soll das<br />
Werk den Meister loben, doch<br />
der Segen kommt von oben.<br />
Mit diesen Zeilen lässt<br />
Friedrich Schiller sein wohl bekanntestes<br />
Gedicht beginnen.<br />
Im „Lied von der Glocke“ beschreibt<br />
er jedoch nur einen<br />
Bruchteil des Werdegangs einer<br />
Glocke, nämlich den Schmelzvorgang<br />
und alle Arbeitsgänge,<br />
die unmittelbar mit dem Gießen<br />
zu tun haben. Von der Herstellung<br />
der Form ist in dem Gedicht<br />
überhaupt nicht die Rede, auch die Schlussphase der<br />
Arbeit, in der die Glocke ihren letzten Schliff bekommt,<br />
fehlt bei Schiller.<br />
Wie es Tradition ist, werden auch unsere Glocken<br />
an einem Freitagnachmittag um 15 Uhr, dem Sterbetag<br />
und der Sterbestunde Christi, gegossen. Die Vorbereitungen<br />
für den Guss beginnen aber schon am frühen<br />
Freitagmorgen. Zuerst muss der Feuerofen entfacht<br />
werden und wenn dieser nach mehreren Stunden die<br />
nötige Hitze erreicht hat, wird das Schürloch geschlossen.<br />
Dadurch wird die Flamme gezwungen, durch eine<br />
besondere Öffnung, den Schwalch, in den Schmelzofen<br />
zu ziehen. Die Umleitung der Flamme bewirkt, dass<br />
der Schmelzofen besser auf die für das Schmelzen von<br />
Kupfer erforderliche Temperatur von knapp 1100 °C<br />
gebracht werden kann. Ist das Kupfer flüssig, werden<br />
Zinnbarren in die Kupferschmelze geworfen. Diese<br />
beiden Zutaten der Glockenspeise verbinden sich im<br />
flüssigen Zustand durch Verrühren zu Bronze. Eine<br />
optimale Glockenbronze hat ein Mischungsverhältnis<br />
von 78 % Kupfer und 22 % Zinn. Bei Schiller steht<br />
dazu Folgendes:<br />
Nehmet Holz vom Fichtenstamme, doch recht<br />
trocken lasst es sein, / dass die eingepresste Flamme<br />
schlage zu dem Schwalch hinein. / Kocht des Kupfers<br />
Brei, schnell das Zinn herbei, / dass die zähe Glockenspeise<br />
fließe nach der rechten Weise. ...<br />
Jetzt, Gesellen, frisch! Prüft mir das Gemisch, /<br />
ob das Spröde mit dem Weichen / sich vereint zum<br />
guten Zeichen.<br />
Wenig später heißt es bei Schiller:<br />
Wohl! Nun kann der Guss beginnen, schön gezacket<br />
ist der Bruch. / Doch, bevor wir’s lassen rinnen,<br />
betet einen frommen Spruch!<br />
Wenn sich die Bruchfläche eines Probestäbchens<br />
körnig zeigt, kann mit dem Gießen der Glocke begon-<br />
bLicKPuNKt gemeiNde<br />
Glockengießer Rudolf Perner mit einem seinem Werke<br />
nen werden. Früher wie heute ist es üblich, dass zuvor<br />
der anwesende Pfarrer ein Gebet spricht und um Gottes<br />
Segen für die Glockengießer und ihr Werk bittet.<br />
Mit dem Ausruf „In Gottes Namen!“ gibt der<br />
Glockengießermeister das Zeichen, den Zapfen im<br />
Schmelzofen zu öffnen und die flüssige Bronze kann<br />
durch die Rinnen auf die erste Glockenform zufließen.<br />
Während sich der Hohlraum zwischen Glockenkern<br />
und Mantel mit der flüssigen Glockenbronze langsam<br />
füllt, entweichen die Luft und die beim Gießen entstehenden<br />
Gase durch die beiden anderen Löcher, die<br />
Windpfeifen.<br />
Auch wenn äußerlich betrachtet alles gut verlaufen<br />
ist, sollten dennoch einige Minuten für ein Gebet<br />
oder ein gemeinsames Lied verbleiben, denn jeder<br />
Gießvorgang ist trotz bester Vorarbeiten mit Risiken<br />
behaftet.<br />
Danach ruht die Glocke solange in ihrer Grube, bis<br />
sie ausreichend ausgekühlt ist. Anschließend wird sie<br />
ausgegraben, von ihrem Lehmkorsett befreit und vom<br />
Kern gehoben. Nach dem Säubern und Polieren der<br />
Oberflächen wird der erste Glockenschlag ausgeführt.<br />
Jetzt stellt sich heraus, ob die Glocke gelungen ist und<br />
tatsächlich den gewünschten Ton anschlägt.<br />
Ziehet, ziehet, hebt! Sie bewegt sich, schwebt.<br />
/ Freude dieser Stadt bedeute, / Friede sei ihr erst<br />
Geläute.<br />
So lässt der Dichter sein „Lied von der Glocke“ enden.<br />
Wir wünschen unseren vier neuen Glocken, dass<br />
sie eine erheblich längere Lebensdauer haben als ihre<br />
unmittelbaren Vorgängerglocken und dass ihr Rufen<br />
zu den Gottesdiensten in der Luther-Kirche und ihre<br />
Friedensbotschaft von den <strong>Asseln</strong>ern über viele, viele<br />
Jahre erhört werden.<br />
Klaus Coerdt<br />
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