PDF (12.3 MB) - Fachbuch-Journal
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IM FOKUS: WISSENSCHAFTLICH ARBEITEN<br />
Scheuermann, Ulrike (2012): Schreibdenken. Schreiben als<br />
Denk- und Lernwerkzeug nutzen und vermitteln.<br />
Opladen; Toronto: Verlag Barbara Budrich. 126 Seiten.<br />
ISBN-10 3825236870<br />
€ 9,99<br />
Für viele Studierende stellt das<br />
Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten<br />
eine problembehaftete Herausforderung<br />
dar, eine trockene Zwangsleistung,<br />
die allein zum Scheinerwerb<br />
mühsam und stockend abgeleistet<br />
werden muss. Dabei kann Schreiben<br />
auch das Gegenteil davon sein: eine<br />
lustvolle, kreative, die Gedanken und<br />
das Lernen anregende Tätigkeit, die<br />
persönliche Bereicherung und Entlastung<br />
mit sich bringt. Wie ein solches<br />
Schreiben aussehen kann und<br />
wie wissenschaftlich Schreibende es<br />
für sich selbst nutzen sowie in der<br />
Hochschullehre vermitteln und einsetzen<br />
können, zeigt Ulrike Scheuermann,<br />
Psychologin, Sachbuchautorin<br />
und seit 15 Jahren als Schreibcoach<br />
tätig, in ihrem neuen Buch.<br />
Darin stellt sie einleitend ihren Ansatz<br />
des ‚Schreibdenkens‘ vor, unter<br />
dem sie verschiedene Methoden zur<br />
Förderung assoziativen und strukturierten<br />
Denkens und Schreibens<br />
subsummiert, die Leser/innen ihrer<br />
vorausgegangenen Veröffentlichung<br />
zum Teil bereits (z.B. aus der ‚Schreibfitness-Mappe‘ von<br />
2011) kennen. Weiter erläutert und begründet sie die vielfältigen<br />
Anwendungsmöglichkeiten des Schreibdenkens als<br />
Schreibhilfe, als Lehr/Lernmethode sowie zum Selbstcoaching.<br />
Das dritte Kapitel behandelt dann den Schreibprozess sowie<br />
unterschiedliche Schreibtypen und gibt zu den verschiedenen<br />
Phasen bzw. Typen jeweils hilfreiche Tipps. Zudem enthält es<br />
Hinweise zu Schreibzeiten und der Gestaltung des Arbeitsortes.<br />
Auf diese theoretischen, wissenschaftlich fundierten Einführungen<br />
und Anleitungen zur eigenen Einordnung der/s Lesers/in<br />
folgt im vierten Kapitel die Vorstellung verschiedener<br />
Methoden des Schreibdenkens. Die Unterkapitel erläutern<br />
zunächst kurz die verschiedenen Übungskategorien (Denkbilder,<br />
Schreibsprints, Denkwege, gemeinsam schreibdenken,<br />
Notizstrategien) mit ihrem speziellen Nutzen und stellen dann<br />
zu jeder Kategorie verschiedene Einzelübungen mit ihren jeweiligen<br />
Anwendungsmöglichkeiten vor, etwa in bestimmten<br />
Phasen des Schreibprozesses oder innerhalb eines Seminars.<br />
Im Anschluss werden die optisch durch Umrahmung hervorgehobenen<br />
Übungen Schritt für Schritt sehr klar und gut nachvollziehbar<br />
geschildert und vielfach abschließend durch eine<br />
Illustration verdeutlicht.<br />
Um eine Vorstellung von der Art der Übungen zu geben, sei<br />
als Beispiel kurz der ‚Textpfad‘ zusammengefasst, der dazu<br />
dient, Abschnitte möglichst kleinteilig zu planen: Man notiert<br />
zuerst eine Überschrift des zu planenden Abschnitts, hält<br />
dann in Stichpunkten auf der linken Blattseite die wichtigs-<br />
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ten Strukturelemente fest, verbindet sie und markiert sie mit<br />
verschiedenen Umrandungsarten, so dass die Struktur auch<br />
visuell deutlich wird. Anschließend hält man rechts Stichpunkte<br />
zu den verschiedenen Gliederungselementen fest. Dadurch<br />
gelingt es zum einen, eine klare Struktur zu verfolgen, zum<br />
anderen wird der für manche Schreibende<br />
schwere Schritt vom Planen<br />
zum Rohtexten vereinfacht.<br />
Nach der genauen Schilderung der<br />
Übungen geht es im fünften Kapitel<br />
weiter mit Hinweisen zu ihren<br />
Einsatzmöglichkeiten in der Hochschullehre.<br />
Dort können sie nicht<br />
nur die wissenschaftliche Schreibkompetenz<br />
fördern, sondern auch als<br />
Unterrichts- und Lehr/Lernmethode<br />
dienen, von der gerade introvertierte<br />
Lernende stark profitieren. Auch<br />
generell weisen die Schreibübungen<br />
einige Vorteile gegenüber den dominierenden<br />
Arbeitsformen Gruppenarbeit<br />
und Diskussionen auf, deren<br />
Ergebnisse beeinträchtigt sind durch<br />
‚soziale Faulenzerei‘, ‚Produktionsblockade‘<br />
(durch das Warten bis man<br />
sich äußern kann) sowie ‚Bewertungsangst‘<br />
(96). Genaue Schilderungen,<br />
wie sich Schreibdenkübungen in<br />
der Hochschullehre einführen und<br />
anleiten lassen, sowie welche Übungen<br />
sich besonders für welche konkreten<br />
Lernziele und Seminarphasen<br />
eignen, bieten Lehrenden bestmögliche<br />
Anleitung und Hilfestellungen, um diese neue Methode<br />
ins Seminargeschehen einzubringen. Das Kapitel schließt mit<br />
Hinweisen dazu, wie der Transfer des Schreibens aus der Lehrveranstaltung<br />
in das eigenständige Lernen der Studierenden<br />
angeregt werden kann.<br />
Das letzte Kapitel schließlich widmet sich mit dem Selbstcoaching<br />
einem weiteren Anwendungsfeld des Schreibdenkens,<br />
das nicht so fern von der Schreibdidaktik liegt, wie man meinen<br />
könnte, denn auch bei Schreibproblemen Studierender<br />
sind die hier genannten Übungen hilfreich. Darüber hinaus<br />
können sie für weitere Lebensbereiche zum Selbstcoaching<br />
genutzt werden. Sie bauen zum einen auf den im 4. Kapitel<br />
beschriebenen Übungen auf, die kombiniert, vertieft oder mit<br />
anderen Aufgabenstellungen versehen werden. Zum anderen<br />
werden hier weitere Fragestellungen und neue Schreibmöglichkeiten<br />
eingeführt. Das Kapitel bezieht sich theoretisch u.a.<br />
auf Schulz von Thuns Modell des ‚Inneren Teams‘ sowie auf<br />
verschiedene psychotherapeutische Ansätze.<br />
Der wissenschaftlich sowie durch langjährige praktische Erfahrung<br />
fundierte Band stellt mit seinen klaren und einladenden<br />
Erläuterungen eine für alle beruflich und privat Schreibenden<br />
spannende, sehr anregende und vor allem – wenn<br />
man die Übungen selbst ausprobiert – nützliche Lektüre dar.<br />
Besonders nachdrücklich aber sei er Hochschullehrenden<br />
empfohlen, die nicht nur selbst vom Schreibdenken profitieren<br />
können, sondern auch reichlich Unterstützung finden, um<br />
es zu Gunsten der Studierenden als Lehr/Lernmethode in ihre<br />
Seminare zu integrieren. (nh)