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Ein Geheimtipp? Das war Janne Friederike Meyer ... - St. Georg

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REPORTAGE<br />

JANNE FRIEDERIKE MEYER<br />

Selfmade-Girl<br />

<strong>Ein</strong> <strong>Geheimtipp</strong>? <strong>Das</strong> <strong>war</strong> <strong>Janne</strong> <strong>Friederike</strong> <strong>Meyer</strong> vielleicht einmal.<br />

Spätestens mit dem Sieg in der RidersTour Etappe von Münster<br />

hat sie fürAufsehen gesorgt. Und Gehör verschaffte sich<br />

die junge Frau aus Holstein so und so.<br />

Pat und Patachon<br />

Schimmel Cantor und Lambrasco bei der<br />

Fellpflege – wen juckt es schon, wenn<br />

der eine etwas größer als der andere ist,<br />

wenn die Leistung stimmt …<br />

12 ST.GEORG 11/2008 11/2008 ST.GEORG 13<br />

Foto: www.toffi-images.de


Höhenflug<br />

Der vierjährige Cachas<br />

hat viel Springvermögen<br />

und noch mehr Kraft,<br />

vor allem, aber Spaß daran,<br />

diese Qualitäten zu<br />

zeigen – dynamische<br />

und unverhoffte Bocksprünge<br />

inklusive.<br />

14 ST.GEORG 11/2008<br />

JANNE FRIEDERIKE<br />

MEYER<br />

Geboren am 12. Januar<br />

1981 in Hamburg.<br />

Nach ihrem<br />

Abitur 2001 in Schenefeld<br />

– wo sie derzeit<br />

zuhause ist – machte sie<br />

sich im Oktober des selben<br />

Jahres mit einem Turnier- und<br />

Ausbildungsstall zunächst in<br />

Klein Flottbek selbstständig.<br />

KARRIERE Als Junge Reiterin<br />

gewann sie unter anderem den<br />

Preis der Besten und wurde<br />

Deutsche Meisterin. Diesen Titel<br />

holte sie 2006 auch in der<br />

Damen-Senioren-Konkurrenz.<br />

2007 gewann sie DM-Silber<br />

und gehört dem B2-Kader an.<br />

2008 sicherte sie sich die Riders-Tour-Etappe<br />

beim Turnier<br />

der Sieger in Münster. Weitere<br />

Infos: www.janne-meyer.de.<br />

Sie könnte mit diesem Lächeln<br />

Werbung machen.<br />

Für Zahnpasta. Sie kann es<br />

an- und ausknipsen, meistens<br />

steht der Schalter auf „an“.<br />

Der Grund ist einfach. „Es geht<br />

die Leute nichts an, wenn ich<br />

schlecht drauf bin“. <strong>Das</strong> sagt <strong>Janne</strong><br />

<strong>Friederike</strong> <strong>Meyer</strong>, 27 Jahre, B2-Kader<br />

Springen. Die junge Frau aus<br />

Schenefeld bei Hamburg führt ein<br />

Leben zwischen „Arezzo und<br />

Borgstedtfelde“ wie sie es nennt.<br />

Zwischen Spitzensport am Sonntag<br />

und Springpferdeprüfung am<br />

Mittwoch danach. Sie findet das<br />

normal. Man kann nicht sagen,<br />

dass sie sich angepirscht hat, auch<br />

wenn ihre Parcourstaktik diese<br />

Vermutung nahelegt. Mit ihren<br />

beiden derzeitigen Top-Pferden<br />

Chica’s Way v. Caretino und Lambrasco,<br />

den alle im <strong>St</strong>all nur Mops<br />

nennen, kommt sie stets mit<br />

durchhängendem Zügel im Schritt<br />

in den Kurs. Nimmt sie die Zügel<br />

auf, dann wissen die beiden Holsteiner<br />

Bescheid. Jetzt geht’s los.<br />

Beide sind als schnelle Pferde bekannt.<br />

<strong>Das</strong>s Mops aber auch dickste<br />

Kurse bewältigen kann, hat er<br />

erstmals 2007 in Balve gezeigt. Ursprünglich<br />

als Speedpferd gedacht,<br />

ging der Libero-Sohn das erste<br />

Mal die richtig schwere Tour –<br />

Platz zwei im Großen Preis. Über<br />

Abmessungen, bei denen der<br />

Braune sich bei jedem Hindernis<br />

annähernd über die eigene Körperhöhe<br />

katapultiert. „Wenn ich<br />

mit Lambrasco grüße, haben wir<br />

die Oxerstangen auf Augenhöhe“.<br />

Die Oxerstangen und die Welt-<br />

elite, denn mit dem Triumph beim<br />

Turnier der Sieger in Münster<br />

avancierte Lambrasco quasi zu einem<br />

„klassischen Sieger“. <strong>Ein</strong><br />

One-Show-Wonder? Wohl kaum,<br />

mit dem von ihren Eltern gezogenen<br />

Callistro schaffte sie den<br />

Sprung vom Junioren- ins Seniorenlager.<br />

Der Schimmel, ein siegreiches<br />

Nationenpreispferd, ist vielen<br />

durch seine Derbyauftritte bekannt.<br />

<strong>Das</strong> Paar stürzte spektakulär<br />

am Wall in Klein Flottbek. <strong>Das</strong>s<br />

sie im darauffolgenden Jahr wieder<br />

ritt und wieder stürzte – Notarztwagen<br />

inklusive – ließ <strong>Janne</strong><br />

<strong>Meyer</strong> verdächtig nah ans Blondinenklischee<br />

rücken. Furchtlos<br />

oder blöd? Nichts von beidem!<br />

„Ich bin nicht furchtlos, das hätte<br />

mit Dummheit zu tun“, sagt sie.<br />

„Ich hatte trainiert: Wall runter,<br />

<strong>St</strong>ange als Absprunghilfe, ein Galoppsprung<br />

rüber. Dann hatte ich<br />

die erste Qualifikation gewonnen,<br />

uns die zweite Qualifikation geschenkt.<br />

Tja und im Derby hat’s<br />

dann nicht gepasst“. Nicht furchtlos,<br />

sondern gut vorbereitet. <strong>Das</strong><br />

gibt Selbstbewusstsein. Daran hat<br />

es ihr noch nie gemangelt. Schon<br />

als Juniorin <strong>war</strong> sie deutsche Vize-<br />

Meisterin, die sich mit dem Bundestrainer<br />

anlegte, weil der sie –<br />

wider vorherige Aussagen – nicht<br />

für die Europameisterschaften nominiert<br />

hatte. Heute schreibt sie<br />

Kolumnen, die auch nicht jeder<br />

Kollege so gelungen findet. „Aber<br />

anrufen und sich beschweren, das<br />

macht dann doch keiner.“<br />

Chica und Mops haben andere<br />

Sorgen, sie sind im milden Herbst-<br />

Vier Holsteiner Hengste hat<br />

<strong>Janne</strong> <strong>Friederike</strong> <strong>Meyer</strong> in Beritt:<br />

Limoncello v. Lorentin, Canto v. Canturo,<br />

Corrido v. Contender und Cachas v.<br />

Caretino (Bild), den ihre Eltern<br />

gezogen haben.<br />

Fotos: www.toffi-images.de


Nicht nur im Parcours ein Kraftpaket: Chica’s Way genießt die Weide sichtlich.<br />

licht in Richtung Weide unterwegs.<br />

Jetzt kann sie kaum jemand<br />

stoppen. Chica wird ungnädig, als<br />

sie noch einmal innehalten soll.<br />

Innehalten – das passt nicht zu<br />

<strong>Janne</strong> <strong>Friederike</strong> <strong>Meyer</strong>. Es geht<br />

vorwärts, nicht nur im Parcours.<br />

Nach dem Abitur hat sie auf eine<br />

Lehre verzichtet, hat sich selbstständig<br />

gemacht. Manch einer hat<br />

da den Kopf geschüttelt. <strong>Janne</strong><br />

<strong>Meyer</strong> ist in Hamburg groß geworden.<br />

Später zog die Familie<br />

aufs Land, der Pferde wegen. Pferde<br />

vor der Haustür, aber keine<br />

Halle – <strong>Janne</strong> <strong>Friederike</strong> <strong>Meyer</strong><br />

kennt das norddeutsche Wetter<br />

und das Gefühl, durchnässt in den<br />

Sattel des nächsten Pferdes zu steigen.<br />

Vielleicht kann sie deswegen<br />

einiges abwettern. Wind von vorne,<br />

damit kann sie umgehen. <strong>Das</strong><br />

muss sie auch. Ihre offene Art, ein<br />

weiteres Markenzeichen. „Man<br />

muss über Dinge offen sprechen<br />

können“. Klingt wie eine schnell<br />

daher gesagte Plattitüde. Doch die<br />

Frau, die derzeit einen <strong>St</strong>all mit 13<br />

Pferden managt, nennt Dinge<br />

beim Namen, zählt zu denjenigen,<br />

die bei Aktiventreffen auch den<br />

Mund aufmachen. „Was soll mir<br />

schon passieren, ins Team komme<br />

ich eh’ nicht“.<br />

Endlich ist die Weide erreicht!<br />

Chica rennt wie eine Wahnsinnige<br />

über das Areal, das von Baumschulen<br />

eingerahmt wird – obwohl<br />

sie vorher in der Führanlage <strong>war</strong>,<br />

zum Aufwärmen. 13 Pferde, das<br />

Pensum bewältigt <strong>Janne</strong> <strong>Meyer</strong><br />

mit einem Bereiter und einer Pflegerin.<br />

Chica bockt, <strong>Janne</strong> lacht.<br />

Natürlich. „Die Gefahr, dass sie<br />

sich auf der Weide etwas tut, ist<br />

nicht größer als im Parcours“. Chica<br />

muss die Energie rauslassen.<br />

Auf Turnieren darf sie sich morgens<br />

an der Longe ausbuckeln.<br />

Keine Frage, die <strong>St</strong>ute ist eine Persönlichkeit.<br />

„Eigenheiten kann ich<br />

gut verzeihen. Ich bin kompromissbereit.<br />

Und ich bekomme<br />

Spektakuläre Runden sind ihr Markenzeichen: Der <strong>St</strong>urz beim<br />

Derby mit Callistro (links) und die Kämpferin Chica’s Way in voller<br />

Fahrt bei den Deutschen Meisterschaften in Gera 2007 (rechts).<br />

Pferde motiviert“. Reiten kann sie<br />

nahezu jedes Sorte Pferd: Den<br />

quirligen Mops genauso wie den<br />

hünenhaften Corofino-Sohn Cantor.<br />

Auch jeder der vier Hengste,<br />

die der Holsteiner Verband <strong>Janne</strong><br />

<strong>Meyer</strong> in Beritt gegeben hat, ist<br />

anders. Ihr Ziel: „Junge Pferde ausbilden<br />

und später Große Preise gewinnen.“<br />

Klingt einfach, klingt<br />

nach Selfmade-Girl, das die Frau<br />

mit den braunen Augen zweifelsohne<br />

ist. Selbstkritisch sei sie, aber<br />

auch Profi genug, um zu wissen,<br />

dass man nicht ohne ein kritisches<br />

Auge auskommt. Lässt die Zeit es<br />

zu, trainiert sie mit Axel Wöckener.<br />

„Weil der selbst nicht mehr<br />

reitet, aber als Händler zu fast jedem<br />

Pferd einen Rat parat hat“.<br />

Nur eitel Sonnenschein herrscht<br />

nicht auf dieser Welt. <strong>Meyer</strong> kann<br />

auch nachdenklich sein. Dann<br />

zupft sie mit Daumen und Zeigefinger<br />

an der Unterlippe. Etwa bei<br />

dem Gedanken an die aktuelle<br />

Dopingsituation. „<strong>Das</strong> ist ein<br />

schmaler Grat“, der Satz kommt<br />

häufiger, wenn die Diskussion ans<br />

»Wirksame Dopingproben<br />

müssen sein wie fest<br />

installierte Ampelblitzer.«<br />

<strong>Ein</strong>gemachte geht. Zum Doping<br />

bezieht sie deutlich <strong>St</strong>ellung. <strong>Das</strong>s<br />

Sportler sich über die unangemeldeten<br />

Dopingproben der NADA<br />

(Nationale Anti-Doping Agentur)<br />

aufregen, kann sie nicht einsehen.<br />

Auch wenn sie aus eigener Erfahrung<br />

weiß, wie unangenehm es ist,<br />

vor fremden Menschen die Hosen<br />

herunter lassen zu müssen.<br />

„<strong>Das</strong> sind die Spielregeln, da muss<br />

man sich dran halten“. Natürlich<br />

weiß sie, dass sie noch relativ komfortable<br />

72 <strong>St</strong>unden abwesend sein<br />

darf, im Gegensatz zu den Reitern<br />

im Championatskader, für die die<br />

24 <strong>St</strong>unden-Regelung gilt. Lächerlich<br />

findet sie, dass noch nie jemand<br />

auf die Idee gekommen ist,<br />

Pferde einer spontanen Dopingprobe<br />

im Training zu unterziehen.<br />

Thermografie begrüßt sie. „<strong>Das</strong><br />

<strong>Janne</strong> <strong>Friederike</strong> <strong>Meyer</strong><br />

Sieg in Münster – Lambrasco legt den<br />

Turbo ein und sichert den 40.000 Euro-Scheck<br />

ist wie ein fest installierter Blitzer,<br />

der hält Leute vom Rasen ab.“<br />

Und über die Inkonsequenz der<br />

Vordenker im Sport kann sie nur<br />

den Kopf schütteln. „In der Thermografiekontrolle<br />

<strong>war</strong> ich in Donaueschingen,<br />

aber in den Springen,<br />

in denen es um Weltranglistenpunkte<br />

ging, <strong>war</strong> ich zweimal<br />

Zweite. <strong>Ein</strong>e Dopingprobe bei<br />

meinen Pferden ist aber nicht gezogen<br />

worden.“ Ihr <strong>Ein</strong>satz für<br />

den sauberen Sport, für klare Entscheidungen<br />

bei der Nominierung<br />

der Championatsteams hat einen<br />

praktischen Hintergrund. <strong>Janne</strong><br />

<strong>Friederike</strong> <strong>Meyer</strong> lebt davon. „Ich<br />

weiß nicht, ob es mein Traumjob<br />

ist, aber es ist auf jeden Fall mein<br />

Traumleben.“ Kein Mangel an<br />

Selbstbewusstsein …<br />

Jan Tönjes<br />

Ganz oben ist die Luft dünn!<br />

Cantor ist deutlich über 1,85 Meter groß,<br />

seine Reiterin nicht …<br />

Fotos: www.toffi-images.de

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