Adelinde Cornelissen - St. Georg
Adelinde Cornelissen - St. Georg
Adelinde Cornelissen - St. Georg
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REPORTAGE<br />
ZU BESUCH BEI ADELINDE CORNELISSEN<br />
Spieglein,<br />
Spieglein …<br />
… an der Wand, wer wird die Nummer Eins im Dressurreiterland?<br />
Es gibt nicht wenige, die sagen, <strong>Adelinde</strong> <strong>Cornelissen</strong> würde<br />
schon bald von der Jägerin zur Gejagten. Jan Tönjes (Text) und<br />
Jacques Toffi (Fotos) haben die 29-jährige Niederländerin besucht<br />
und festgestellt: Alles ist irgendwie anders.<br />
Zusammengerauft<br />
haben sich <strong>Adelinde</strong> <strong>Cornelissen</strong><br />
und der zwölfjährige Parzival.<br />
12 www.st-georg.de 3/2009 3/2009 www.st-georg.de 13<br />
Foto: www.toffi-images.de
Wir sollten nicht zu viel<br />
erwarten, hatte uns<br />
<strong>Adelinde</strong> <strong>Cornelissen</strong><br />
mit auf den Weg gegeben.<br />
„Ich habe keine Halle! Es ist<br />
alles nicht so ,fancy‘“. Für mich<br />
war die Sache klar. Da gibt eine<br />
die Bescheidene. Lieber etwas tiefer<br />
stapeln. „Keine Halle“. Das will<br />
nicht wirklich passen zu drei Weltcupsiegen<br />
in 30 Tagen, jeweils mit<br />
Bewertungen um die 80 Prozent.<br />
„Keine Halle“ in einem Land, in<br />
dem <strong>Adelinde</strong>s Mannschaftskollegen<br />
ihre <strong>St</strong>älle auch gerne mal<br />
„Akademie“ nennen und man<br />
sich über Kronleuchter unterm<br />
Hallendach nicht wundern muss?<br />
Beilen an einem trüben Vormittag<br />
im Februar. 9000 Bewohner<br />
hat das <strong>St</strong>ädtchen. Plattes Land,<br />
ein paar Kanäle, eine Eisenbahnlinie.<br />
Klatering 18 heißt unser Ziel.<br />
Wir fahren erst einmal vorbei an<br />
dem kleinen rot geklinkerten<br />
Haus. Zu unscheinbar duckt es<br />
sich an der <strong>St</strong>raßenecke unter sein<br />
Reetdach. Wie eine Katze, die sich<br />
vorm wärmenden Ofen zusam-<br />
Dafür gab es auch schon eine 10 –<br />
in der Piaffe und in den Übergängen zur<br />
Passage ist Parzival schwer zu schlagen.<br />
14 www.st-georg.de 3/2009<br />
»Nervös? Warum?<br />
Das Viereck ist überall 20 mal<br />
60 Meter, und die Buchstaben<br />
stehen immer<br />
an derselben <strong>St</strong>elle.«<br />
<strong>Adelinde</strong> <strong>Cornelissen</strong> über nicht vorhandenes Lampenfieber<br />
menrollt. Eine Zipfelmütze aus<br />
grünem Moos überzieht die<br />
Schilfhalme auf dem Dach und<br />
den Weg aus mürbem Klinker<br />
hinter der Gartenpforte. Eine abgesägte<br />
Regenrinne als Briefkasten,<br />
Nummer 18. Wir sind da! Der<br />
Weg führt am Haus und einem<br />
Paddock vorbei. Zwei Wallache<br />
gucken uns hinterher. Wir<br />
passieren eine Remise, ein<br />
niedriges <strong>St</strong>allgebäude<br />
und einen Misthaufen.<br />
Vor uns: Das Trainingszentrum,<br />
in dem <strong>Adelinde</strong><br />
<strong>Cornelissen</strong> das Pferd<br />
trainiert, das 2008 beim dritten<br />
Auslandstart seiner Karriere sensationell<br />
Zweiter im Grand Prix<br />
von Aachen hinter Isabell Werth<br />
und Satchmo wurde. Der Ort der<br />
täglichen gemeinsamen Exerzitien<br />
hat wenig Glamouröses: grünes<br />
Wellblech, eine weiße Schiebetür.<br />
„Talentschuppen“, durchzuckt es<br />
mich. Endlich weiß ich, wie so etwas<br />
aussieht. Der Weg hat<br />
sich schon jetzt gelohnt,<br />
ich atme auf. Das anschließende<br />
Einatmen bereue<br />
ich prompt. Süßlicher<br />
Geruch von Silo liegt in der<br />
feuchten Luft. „Määäh!“ Pferde sehen<br />
wir noch nicht, dafür hören<br />
wir Schafe. Neben dem Eingang<br />
zur Reithalle parkt ein weißer Pferdeanhänger<br />
mit Aufdruck „<strong>St</strong>al<br />
Arcadia“ – wir sind richtig. Ich<br />
schiebe das Tor zur Seite und betrete<br />
festen Schrittes den Vorraum<br />
der Halle. Die ersten Meter sind<br />
gepflastert, zur Rechten ist ein Kabuff.<br />
Eine Abstellkammer mit<br />
Nutzwert, die ein Klavier und ein<br />
Reiherskelett beherbergt. Und da<br />
ist sie: <strong>Adelinde</strong> <strong>Cornelissen</strong>. Und<br />
da ist er: Parzival. Ich sehe ihn. Er<br />
sieht mich. Und bremst. <strong>Adelinde</strong><br />
lacht: „Hi!“. Bevor ich antworten<br />
kann, hat <strong>Adelinde</strong> das Wort:<br />
„Brav, braaaaav!“ Lernfortschritt<br />
Nummero zwei: Zentrale Begriffe<br />
klingen überall gleich.<br />
40 Meter lang, 20 Meter breit, auf<br />
dem Boden Textilhäcksel und<br />
Sand, zwei schmale Spiegel – das<br />
Reich eines der erfolgreichsten<br />
Dressurkombinationen der Gegenwart.<br />
Das Winterreich, korrigiert<br />
mich <strong>Adelinde</strong>. „Im Sommer<br />
reite ich nur draußen“. Dann ent-<br />
Fotos: www.toffi-images.de<br />
Heute ein Musterschüler, hier in der Pirouette. Die ersten Turniere<br />
endeten aber vorm ersten Gruß mit fluchtartigem Verlassen des Vierecks.<br />
fällt das lästige Hin- und Herfahren.<br />
Parzival steht bei Henk<br />
Koers, wenige Kilometer von <strong>Adelinde</strong>s<br />
Elternhaus entfernt. Paddock,<br />
Wiese und Dressurviereck<br />
sind da, aber keine Halle. Koers<br />
hatte den Fuchs, damals noch<br />
Hengst, von der Züchterin Ria<br />
Beijer aus Puiflyk gekauft und<br />
fünfjährig für ihn einen Reiter gesucht.<br />
„Eigentlich brauchte er nur<br />
jemand zum Vorreiten beim Verkauf.“<br />
So kamen <strong>Adelinde</strong> und<br />
Parzival zusammen.<br />
Es war Liebe auf den ersten Blick,<br />
sagt sie. Was sie erzählt, klingt anders.<br />
„Ich habe noch nie auf einem<br />
Pferd gesessen, das beide<br />
Vorderhufe über die Ohren bekommt.<br />
Und schnell ist Parzival<br />
auch …“ Ja, denke ich mir, Liebe<br />
auf den ersten Blick ist, wenn einem<br />
Hören und Sehen vergeht.<br />
13 Schrauben<br />
Nach einigen Wochen gemeinsamen<br />
Trainings fand sich <strong>Adelinde</strong><br />
im Krankenhaus wieder. Zwei<br />
Platten und 13 Schrauben im<br />
Oberarm. Das hatte auch für Parzival<br />
Konsequenzen. Er wurde<br />
kastriert. Wenig später erwarb<br />
<strong>Adelinde</strong>s Vater Wim die Hälfte<br />
an Parzival. „Weil <strong>Adelinde</strong> sich<br />
sicher war, dass er ein ganz be-<br />
Auf der Flucht – in Amsterdam erinnerte sich Parzival an seine Jugendsünden.<br />
<strong>Adelinde</strong> <strong>Cornelissen</strong> musste aufgeben.<br />
sonderes Pferd ist.“ Die Worte<br />
kommen langsam und wohl überlegt.<br />
Hysterische Effekthascherei<br />
kommt für diesen Mann nicht in<br />
Frage. Blauer Jogginganzug, Wanderschuhe,<br />
an denen der Zahn der<br />
Zeit genagt hat – Wim <strong>Cornelissen</strong><br />
ist die Sorte Mensch, die einem<br />
Spatz den gebrochenen Flügel<br />
schient und ihn aufpäppelt. 46 Jahre<br />
war er Lehrer. Sport und Englisch<br />
hat er unterrichtet. Das Haar<br />
wird schütter, ein hellgrauer Bart<br />
umschließt das Gesicht. Die blauen<br />
Augen leuchten gütig. So einen<br />
Lehrer hätte ich auch gern gehabt.<br />
Er zählt bestimmt zu denen, die<br />
nach einem Wandertag alle auch<br />
Foto: Lafrentz<br />
mal zu einem Bier einlädt. Zumindest<br />
sieht er so aus.<br />
Wir sind in einem Familienunternehmen,<br />
das sich seit knapp<br />
zwei Jahren auf die Karriere von<br />
Parzival und <strong>Adelinde</strong> konzentriert.<br />
Auch seine Frau Geesina,<br />
eine Biologielehrerin, und <strong>Adelinde</strong>s<br />
Bruder Ron, der ein Taxiunternehmen<br />
mit schickem Chrysler<br />
hat, sind zur <strong>St</strong>elle, fahren auch<br />
mal als Pfleger mit aufs Turnier.<br />
Anfangs, das gibt Wim freimütig<br />
zu, war er wenig begeistert, dass<br />
seine Tochter ihre Tätigkeit als<br />
Lehrerin aufgab. Englisch hat sie<br />
unterrichtet. Sie ist allerdings eher<br />
ins Klassenzimmer gestolpert.<br />
3/2009 www.st-georg.de 15
Auf dem Paddock hinterm Elternhaus: Vater Wim <strong>Cornelissen</strong> mit drei eigenen „Zuchtprodukten“.<br />
Nach ein paar Tagen Englisch-<strong>St</strong>udium<br />
wusste sie nur eines: Das ist<br />
es nicht. Drei <strong>St</strong>unden Vorlesung<br />
über den ungerundeten halbgeschlossenen<br />
Vorderzungenvokal?<br />
Nein! Dann lieber Kanada. Importierte<br />
Pferde reiten, ausbilden<br />
und verkaufen. Ein Jahr Sprachpraxis,<br />
dann nach Hause zum Vor-<br />
„Sie wollte mich kennenlernen“<br />
Nach dem missglückten Grand Prix bat<br />
Königin Beatrix <strong>Adelinde</strong> bei der Kür zum<br />
gemeinsamen Fachsimpeln in ihre Loge.<br />
Foto: Lafrentz<br />
stellungsgespräch. Von dort direkt<br />
in eine wartende Klasse. „Good<br />
morning, Miss <strong>Cornelissen</strong>!“ Sechs<br />
Jahre hat sie den Job gemacht und<br />
parallel geritten.<br />
Johan Hamminga war damals ihr<br />
Trainer. Zu diesem Zeitpunkt war<br />
sie schon wer in den Niederlanden,<br />
hatte als Ponyreiterin zwei<br />
nationale Titel gewonnen.<br />
Hamminga ist ein Mann, ohne<br />
den in Holland pferdetechnisch<br />
kaum etwas geht, der<br />
aber gern im Hintergrund agiert.<br />
Er sichtet Nachwuchsreiter, arbeitet<br />
als Richter für den niederländischen<br />
Warmblutzuchtverband<br />
KWPN und hat unter anderem<br />
Cocktail, Parzivals Großvater, als<br />
junges Pferd geritten. Er legt viel<br />
Wert auf Losgelassenheit und half,<br />
den ungestümen Parzival zu einem<br />
Dressurpferd zu formen.<br />
„Mach’ mal ein bisschen so und<br />
ein bisschen so. Und wie fühlt sich<br />
das an? Gut!“ So soll es sich ange-<br />
Ulissa ist acht Jahre alt, bis Klasse S ausgebildet und begleitet Parzival als Siegerehrungspferd auf Turniere.<br />
Entspannung findet <strong>Adelinde</strong> <strong>Cornelissen</strong> beim Training zuhause wichtiger als Lektionen zu üben.<br />
hört haben bei <strong>Adelinde</strong>s und Parzivals<br />
erster Piaffe. Übrigens für<br />
beide das erste Mal.<br />
<strong>Adelinde</strong> denkt gern an Hamminga.<br />
Jetzt trainiert sie beim Bundestrainer<br />
der Niederländer, bei Anky<br />
van Grunsvens Ehemann Sjef Janssen.<br />
Ich schlucke. Wim <strong>Cornelissen</strong><br />
sieht das und grinst mich<br />
freundlich an. „Aber mit der Rollkür<br />
haben wir nichts am Hut“. Reiten<br />
soll Spaß machen, findet der<br />
Sportlehrer und seine Tochter<br />
stimmt ihm zu. Vor Turnieren<br />
fährt sie zweieinhalb <strong>St</strong>unden gen<br />
Süden zum „Bonds Coach“.<br />
Keine Roll„kür“<br />
Nachmittags wird trainiert, dann<br />
einmal übernachtet und morgens<br />
steht dann die zweite Trainingseinheit<br />
auf dem Programm. „Sjef<br />
achtet ganz genau auf korrektes<br />
Reiten, er lässt mich zehnmal einreiten,<br />
bis ich wirklich ganz genau<br />
bei X halte, keinen Meter davor,<br />
dahinter oder daneben.“ Halten<br />
üben – ich kann mir gut vorstellen,<br />
dass das trainiert wird im<br />
Hause Janssen, denke ich. Und<br />
sonst? Muss sie nicht vielleicht<br />
doch so reiten, wie das die anderen<br />
Topreiter der Niederlande gerne<br />
praktizieren? <strong>Adelinde</strong> sagt nein.<br />
Beim Training mit Janssen ginge<br />
es vor allem um Konzentration<br />
und Kontrolle. „Ich habe ein Pferd,<br />
das alles kann und das keine<br />
Schwächen hat, da ist es wichtig,<br />
alles rauszuholen. Ich muss keine<br />
Lektion besonders üben. Wenn<br />
Parzival piaffiert, sagen andere gut.<br />
Sjef sagt, das ist eine Neun, streng<br />
dich an, du willst doch die Zehn.“<br />
Lernfortschritt Nummero drei:<br />
Auch viel Selbstbewusstsein kann<br />
sympathisch sein!<br />
Das Training ist vorbei. Die Abschwitzdecke<br />
wartet, die Siegerdecke<br />
vom Weltcuperfolg in London.<br />
Parzival schüttelt sich, tänzelt,<br />
schnappt in die Luft. Es gibt<br />
Dinge, die mag er nicht. Trotzdem<br />
ist er ein mustergültiges Turnierpferd.<br />
Im Anhänger hört man ihn<br />
gar nicht, sagt Pfleger-Besitzer-<br />
Chauffeur Wim. Selbst nach Skandinavien<br />
reiste er im Anhänger.<br />
„Wir können uns keinen LKW<br />
leisten.“ Und „<strong>St</strong>al Arcadia“? Der<br />
weiße Anhänger? Ein ehrgeiziges<br />
Projekt, ein Arkadien für Pferde:<br />
Boxen, große Reithalle und Spitzenpferde<br />
für <strong>Adelinde</strong>. Doch das<br />
goldene Zeitalter muss warten. Die<br />
Finanzkrise hat vorerst die geplante<br />
Zusammenarbeit schrumpfen<br />
lassen: ein Anhänger, ein Sattelschrank.<br />
<strong>Adelinde</strong> ist dennoch<br />
optimistisch. Für Neid scheint kein<br />
Platz in ihrem Leben – „Reiten<br />
soll doch Spaß machen“. Dressurreiten<br />
ist die Welt des großen Geldes,<br />
das weiß sie natürlich. Dass<br />
sie nicht in die gängigen Schemata<br />
passt, wohl auch. Kein reiches<br />
Töchterlein, keine Erbin, kein Immobilienhai<br />
im Hintergrund, der<br />
gerne mal eine Weltserie sponsort,<br />
und damit den Reitern der eigenen<br />
Pferde die Türchen öffnet.<br />
„Wir können nur durch Leistung<br />
überzeugen. Ich glaube nicht, dass<br />
Parzival weiß, wie teuer er ist. Ein<br />
Pferd muss doch Pferd bleiben!“<br />
Deswegen geht er auch jeden Tag<br />
auf die Weide oder aufs Paddock.<br />
Frequent Traveller – Parzival geht auf den Anhänger. Vorne Arbeitsgamaschen,<br />
hinten gänzlich ungeschützt.<br />
Fotos: www.toffi-images.de
ADELINDE<br />
CORNELISSEN<br />
Geboren am 8. Juli 1979, nach<br />
sechs Jahren als Englischlehrerin<br />
kündigte sie 2007, um<br />
sich auf ihre Reitkarriere zu<br />
konzentrieren. Sie lebt mit ihrem<br />
Freund Alex Goelema in<br />
Beilen südlich von Groningen.<br />
KARRIERE Erster Pferdekontakt<br />
mit zwei Jahren, erstes<br />
Pony mit sechs, Brigitte. Mit<br />
der selbstgezogenen Ponystute<br />
Ayesha zweimal niederländische<br />
Meisterin. Seit 2002 im<br />
Sattel von Parzival, ab 2004 nationale<br />
Erfolge auf S-Niveau,<br />
2006 erster Grand Prix, 2007<br />
internationales Debüt und niederländische<br />
Hallenmeisterin,<br />
2008 niederländische Meisterin,<br />
Zweite in allen Prüfungen<br />
beim CHIO Aachen hinter<br />
Satchmo und Isabell Werth,<br />
Olympia-Reservistin, derzeit<br />
auf Platz drei in der Westeuropaliga<br />
des Dressur-Weltcups.<br />
Homepage: www.adelinde.nl<br />
Mir schießt sofort das Bild der<br />
nackten Hinterbeine des Fuchses<br />
auf der Anhängerrampe durch<br />
den Kopf. Was mag ein solches<br />
Bein wert sein? Eine Million,<br />
500.000 Euro?<br />
„Ein Pferd muss Pferd bleiben.“<br />
Bei <strong>Cornelissen</strong>s wird dieses Prinzip<br />
gelebt. In verschiedenen Holzschuppen<br />
stehen die drei Zuchtstuten<br />
der Familie hinter dem kleinen<br />
Häuschen. Eine davon, Zillertal,<br />
ist eine „Nichte“ von<br />
Parzival. Ihre Mutter ist seine<br />
Schwester. Es weht mehr als nur<br />
ein Hauch von „meine kleine<br />
Farm“ über dem Durcheinander<br />
aus Schubkarren, Sommerreifen<br />
und Eimern. Hier kann man als<br />
Kind bestimmt klasse Verstecken<br />
18 www.st-georg.de 3/2009<br />
Training im Kinderparadies –<br />
wo einst die Ponys standen, sind<br />
jetzt die Großpferde zuhause.<br />
spielen, denke ich. Ulissa guckt<br />
aus ihrer Box, über ihr liegen viele<br />
Latten. Sie wohnt unter Wims<br />
Holzlager und ist <strong>Adelinde</strong>s Siegerehrungspferd.<br />
So etwas sollte<br />
man schon haben, will man international<br />
mitreiten. Bei der Ehrenrunde<br />
als niederländischer Meister<br />
ist Parzival schon mal richtig<br />
durchgegangen. Sonst aber genieße<br />
er Turniere, sagt <strong>Adelinde</strong>. Er<br />
schläft sofort und mag die Atmosphäre.<br />
Nur beim ersten internationalen<br />
Turnierstart, da haben<br />
beide sparsam aus der Wäsche geguckt:<br />
„Das war für mich unglaublich,<br />
was die da alles gemacht<br />
haben: Bandagen im <strong>St</strong>all, Magnetfelddecken<br />
und mindestens<br />
zehnmal am Tag rausholen“. <strong>Adelinde</strong><br />
lacht herzhaft.<br />
Hoffentlich hat sie auch in Las Vegas<br />
was zu lachen. Das Weltcupfinale<br />
ist vor der Europameisterschaft<br />
erst einmal das erklärte Saisonziel.<br />
Bis dahin wird an der neuen<br />
Kür gefeilt. Verantwortlich auch<br />
hier kein Klaviervirtuose und kein<br />
millionenschwerer Medienstar.<br />
Das OOT-Team kennt <strong>Adelinde</strong><br />
von ländlichen Turnieren. „Wir<br />
müssen etwas Neues machen, weil<br />
die Passage jetzt getragener ist, da<br />
muss neue Musik her, der Takt war<br />
zu schnell.“<br />
Es beginnt zu dämmern. Wir<br />
müssen los. Das kleine Häuschen<br />
lässt seinen Schornstein heftiger<br />
qualmen. Der Nebel wird dichter.<br />
Auf dem Klinkerweg mit seinen<br />
Moospolstern drehe ich mich<br />
noch einmal um: „Viva, Las Vegas“,<br />
rufe ich <strong>Adelinde</strong> zu. Sie<br />
lacht. Und Wim schmunzelt.<br />
Seltener Moment<br />
Zurück blickt <strong>Adelinde</strong> selten,<br />
eigentlich lautet ihre Devise:<br />
Nach vorne schauen und das<br />
Beste geben.<br />
Fotos: www.toffi-images.de