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Verwertung I: Neue Formate - Neues Sehen

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<strong>Verwertung</strong> I: <strong>Neue</strong> <strong>Formate</strong> - <strong>Neue</strong>s <strong>Sehen</strong><br />

Dienstag, 20. März 2007<br />

14.00-16.30 Uhr<br />

Moderiert von Peter Menasse diskutieren:<br />

Orhan Kipcak - Mediendesigner<br />

Marc Lepetit - Phoenix Film<br />

Juliane Schulze - peacefulfish<br />

Peter Weibel - ZKM<br />

Die erste Podiumsdiskussion im Rahmen des DIAGONALE <strong>Verwertung</strong>sschwerpunktes nahm<br />

sich der Frage nach neuen <strong>Formate</strong>n sowie neuen Arten des <strong>Sehen</strong>s an. Als Ausgangsüberlegung<br />

diente dabei die allgemein geteilte Annahme eines gegenwärtigen technischen Umbruchs. So<br />

galten die Einstiegsfragen demnach einerseits den tatsächlichen Auswirkungen dieses Wandels,<br />

andererseits den veränderten Sehgewohnheiten des Publikums.<br />

Gleich zu Beginn stellte Orhan Kipcak fest, dass sich dieser Umbruch nicht in<br />

Anwendungsszenarien erschöpfen dürfe, sondern wesentlich weiter zu denken sei – bedeute<br />

derselbe schließlich mehr als nur Mobilität. Die neuen Technologien führten nicht nur zu einer<br />

Partikularisierung der Produktionsstile und der Wahrnehmungsweisen, zu einem stets<br />

weitertransformierten „community generated content“, sondern auch zu einer veränderten<br />

Funktion des „Autors“. Der „Dilettant“ habe nun ganz andere Chancen, zumal auch die<br />

dramaturgischen Formen andere, dynamischere geworden seien.<br />

Juliane Schulze sieht durch die neuen Technologien vermehrte Chancen für unabhängige<br />

FilmemacherInnen, eigenständige Produkte herzustellen. Auch der für die Wertschöpfung<br />

zentrale Direktkontakt zu den UserInnen sei durch mobile content gegeben. Alles in allem spricht<br />

Schulze von diesen Technologien als einem Riesenpotential, das leider ungenützt bleibe –<br />

einerseits aufgrund der ungeklärten Standardfrage, andererseits aufgrund einer gewissen<br />

Behäbigkeit, aus trainierten Mustern auszubrechen.


Für Marc Lepetit steht „content“ immer für eine Geschichte. Mobilfunkbetreiber hingegen hätten<br />

freilich andere Interessen; ihnen gehe es beim derart titulierten content traffic lediglich um eine<br />

Möglichkeit des Geldverdienens. Diese Mentalität der Inhaltsvermittlung habe sich bei<br />

Fernsehsendern jedoch noch nicht eingebürgert; diese wollten immer noch gesamte Rechtepakete<br />

erwerben.<br />

Peter Weibel zufolge vollziehen sich die durch die neuen Technologien hervorgerufenen<br />

Veränderungen auf einer visuellen und auf einer formalen Ebene; die nunmehrige digitale<br />

Verwertbarkeit und die damit verbundene „Selbstprogrammierung“ brächte eine<br />

„wahnsinnige Verhaltensänderung“ mit sich, verbunden mit der Chance auf mehr<br />

Auswahloptionen.<br />

Zusätzlich gebe es eine Explosion von (früher als Laien bezeichneten) KünstlerInnen, da heute<br />

schließlich jedes Kind Filme machen könne. Auch Schulze konstatiert eine „Frischzellenkur der<br />

Medienkonsumkultur“; gleich einem „universalen Rauschen der Demokratie“ werde jeder, der<br />

Inhalte produzieren wolle, zum Produzenten, die inhaltliche Programmhoheit einzelner Eliten<br />

gelte nicht mehr. Für Lepetit wiederum ist die Form entscheidend: Auch alte Filme ließen sich<br />

über youtube ansehen. Er geht von einer sich verändernden Ästhetik aus, sowie davon, dass<br />

gewissermaßen alle UserInnen ob ihres Wunschs nach Selbstrepräsentation KünstlerInnen seien.<br />

Die klassische Trennung zwischen narrativen Künsten (wie dem Theater) und nicht-narrativen<br />

(etwa Bildende Kunst) sieht Weibel derzeit in Auflösung begriffen, da Narrative nunmehr auch<br />

nicht-narrativ erzählt werden könnten. Auch Kipcak plädiert für einen weiteren Begriff des<br />

Narrativums, das nicht zwangsläufig traditionell von A nach B verlaufe, was impliziere, dass das<br />

<strong>Neue</strong> (mit eigenem dramaturgischen Instrumentarium) nicht einfach so in eine alte Ästhetik<br />

umgemünzt werden könne – eine Auffassung, der sich auch Lepetit anschließt: „Frische“ in Form<br />

zu bringen sei immer problematisch.<br />

In Hinblick auf die Generationenfrage hinsichtlich der neuen Medien macht Weibel die Ängste<br />

der älteren Generationen vor neuen Geräten für deren Technikskepsis verantwortlich; technische<br />

Defizite „erzeugen Kastrationsängste“. Schulze stellt bei den Jüngeren dabei eine Ermüdung<br />

bezüglich traditioneller Medien fest, die durch eine völlig andere Ebene der<br />

Informationsgewinnung ersetzt würden. „User generated context“ bedeute auch den Versuch, die


Welt aus eigenen Augen zu sehen – die Plattformen hierfür sind durch die neuen Technologien<br />

jedenfalls erweitert worden, wie auch Weibel festhält.<br />

Auf den sozialen Aspekt der Medien angesprochen, unterstreicht Kipcak den allgemein<br />

veränderten Charakter der Medienkonsumation. Schulze ist zuversichtlich, dass auch innerhalb<br />

von „communities auf Zeit“ der soziale Aspekt nach wie vor vorhanden sei, wobei sie bei diesen<br />

communities die Chance der Unmittelbarkeit und Authentizität als „neuem Wert“ gegeben sieht.<br />

In Hinblick auf veränderte Filmformen unterstreichen Weibel und Kipcak die Medien als<br />

Kulturtechniken, die immer erst erlernt werden müssten. Während Kipcak etwa die Fähigkeit,<br />

sich langatmige Filme ansehen zu können, einer durchaus realistischen Gefahr ausgesetzt sieht,<br />

unterstreicht Weibel den Sozialisierungsaspekt der Kunst; technische Kompetenz, techné allein<br />

genüge nicht.<br />

Sehr optimistisch hingegen beurteilen Lepetit und Schulze die Lage. Für Lepetit steigen mit den<br />

neuen Technologien auch die Möglichkeiten, alte Filme zu zeigen; Schulze ist überzeugt, dass es<br />

immer klassische Typusfilme geben werde, wenngleich auch in digitalisierter Form.<br />

Auch was die Frage nach der nunmehrigen Umverteilung finanzieller Mittel betrifft, ist man sich<br />

uneins. Kipcak ist überzeugt, dass die Wertschöpfung eine relativierte, die Erwartungshaltungen<br />

geringere seien; Schulze hingegen gibt sich optimistischer und betont die Chancen im privaten<br />

Sponsoringbereich.<br />

Abschließend fiel das Resümee recht zuversichtlich aus. Für Kipcak implizieren die<br />

„unkontrollierbaren neuen Technologien“ eine politische Botschaft; Weibel wiederum sieht<br />

Möglichkeiten im künstlerischen Bereich und setzt daher große Hoffnungen in mobile<br />

Telephonie –allerdings nur, wenn die „klassischen Formen“ von den neuen erobert würden.<br />

Lepetit meint dass am Ende doch nur immer „content“, also eine Geschichte dranhängt, und<br />

Schulze meinte kurz und bündig: „Nütze die Möglichkeiten!“


Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen des Schwerpunktes Filmverwertung der DIAGONALE<br />

08 statt. Der Schwerpunkt <strong>Verwertung</strong> wurde gefördert durch den Zukunfsfonds Steiermark, den<br />

Filmfonds Wien, RTR (Rundfunk- und Telekom RegulierungsgmbH) und AVL.

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