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Kants Metaphysik und Religionsphilosophie

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Schöpfung <strong>und</strong> Freiheit 65<br />

ist dem transzendentalen Ich darüber hinaus auch so etwas wie ›knowledge<br />

by acquaintance‹ der konkreten Situation zuzuprechen, in der der Wechsel<br />

der Maximen erfolgt. Dies entspricht zwar durchaus der Logik der e-Simultaneität,<br />

es entspricht ihr allerdings auch, daß sie sich zudem auf zukünftige<br />

Ereignisse bezieht, wiewohl deren ontologischer Status selbst – wie wir gesehen<br />

haben – am besten als der einer Art Präfiguration zu verstehen ist. Von<br />

der Schwierigkeit einmal abgesehen, dieses Konzept der Präfiguration auf das<br />

transzendentale Ich zu übertragen, wird damit zumindest bestätigt, daß mit<br />

Woods Lesart transzendentales <strong>und</strong> empirisches Ich de facto als numerisch<br />

distinkte Entitäten aufgefaßt werden müssen, denn ein solches Wissen um<br />

die Zukunft kann, anders als im Fall des Wissens um die Aktivitäten der einzelnen<br />

Gemütsvermögen innerhalb des Erkenntnisprozesses, diesem empirischen<br />

Ich nicht einmal in einem impliziten Modus zugeschrieben werden.<br />

Für Woods Ansatz ergibt sich mindestens eine weitere Schwierigkeit. Wir<br />

sehen dies, wenn wir einen von Ralph Walker gegen die Vorstellung der<br />

Charakterwahl <strong>und</strong> der damit verknüpften Idee betrachten, der einzelne sei<br />

für diesen Charakter verantwortlich. 38 Der empirische Charakter ist kausale<br />

Folge <strong>und</strong> Zeichen des intelligiblen in einem, eine Doppelbeziehung, die,<br />

wie wir oben sahen, in Schopenhauers Bild vom Petschaft <strong>und</strong> Siegel geradezu<br />

handgreiflich veranschaulicht ist. Er muß andererseits, als empirische<br />

Größe, selbst naturkausal erklärbar sein. Insofern der empirische Charakter<br />

nun seinerseits einer naturkausalen Erklärung unterworfen ist, muß mit der<br />

Wahl des intelligiblen Charakters durch das transzendentale Ich auch ein<br />

Weltverlauf gewählt werden, der – im Verein mit den entsprechenden Naturgesetzen<br />

– die gewünschte Erklärung des empirischen Charakters liefert.<br />

Dies, so Walker hat zur Folge, daß das transzendentale Ich für einen weitaus<br />

größeren Bereich von Ereignissen <strong>und</strong> Sachverhalten verantwortlich zu<br />

machen ist, als der lebensweltliche Begriff der Verantwortung nahezulegen<br />

scheint <strong>und</strong> uns lieb sein kann. 39 Da die Gegebenheiten, die den empirischen<br />

Charakter erklären, wiederum selbst einer naturkausalen Erklärung zugänglich<br />

sein müssen <strong>und</strong> zudem von einer durchgängigen kausalen Interaktion<br />

in der Erscheinungswelt auszugehen sei, heiße dies, daß letztlich der gesamte<br />

Ereignisverlauf der Erscheinungswelt von dem je einzelnen oder aber von der<br />

Gesamtheit der transzendentalen Subjekte verantwortet werden müsse.<br />

38 Walker: Kant, 149.<br />

39 Ebd.

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