Kants Metaphysik und Religionsphilosophie
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Schöpfung <strong>und</strong> Freiheit 75<br />
werden müssen, unter denen das PAM gilt: i) Die libertarianische Intuition<br />
besteht darauf, daß das PAM nur unter der Voraussetzung gelten kann, daß<br />
es kein lückenloses Netz spezieller Kausalgesetze gibt, weil sie zu diesen<br />
Antezedensbedingungen zählen müßten. ii) Die hart deterministische Intuition<br />
will dagegen nur mit denjenigen möglichen Welten operieren, in denen<br />
dieselben Gesetze gelten wie in der aktualen, <strong>und</strong> zwar weil diese Gesetze<br />
zu den Antezedensbedingungen des PAM zählen. Daß damit auf eine Weise<br />
›Druck‹ auf das PAM ausgeübt wird, der seine Geltung letztlich sprengt, zeigt<br />
die Struktur des van Inwagenschen Arguments für den Inkompatibilismus.<br />
iii) Die Lewis-Lösung selbst umfaßt mögliche Welten mit unterschiedlichen<br />
Mengen von speziellen Kausalgesetzen <strong>und</strong> nimmt diese von daher in toto<br />
aus den Antezedensbedingungen für das PAM heraus. Wie oben bereits angedeutet,<br />
kann diese Ausblendung genau der Preis der Klärung eines möglicherweise<br />
unscharfen Vorverständnisses sein, aus dem i) <strong>und</strong> ii) ihre Plausibilität<br />
beziehen.<br />
Der Rekurs auf die Ewigkeitslösung in Verbindung mit der Funktion Gottes<br />
als Garant der Vernunfteinheit kann nun in einem bestimmten Sinn allen<br />
Vorgaben aus i) bis iii) gerecht zu werden. ad i) In bezug auf das indefinit<br />
ausdehnbare Etwas der Erscheinungswelt, die aber nicht als Ganze gegeben<br />
ist, läßt sich in der Tat behaupten, daß insofern keine speziellen Naturgesetze<br />
vorliegen, als es für sie kein extramentales Korrelat gibt. ad ii) Die Gesetze<br />
der aktualen Welt wurden ausgewählt, weil die einzelnen Handelnden zu den<br />
einzelnen Zeitpunkten so oder anders haben handeln können <strong>und</strong> dann in der<br />
Tat auf eine bestimmte Weise handeln. Aufgr<strong>und</strong> seiner Ewigkeit kann Gott<br />
erkennen, auf welche Weise die Handelnden von ihrer Freiheit Gebrauch machen.<br />
ad iii) Die unterschiedlichen Mengen spezieller Naturgesetze beziehen<br />
sich ebenfalls auf die Perspektive sub ratione aeternitatis. Hätten die einzelnen<br />
Handelnden auf andere Weise von ihrer Freiheit Gebrauch gemacht, so<br />
wären im göttlichen Erkenntnisvermögen andere spezielle Kausalgesetze für<br />
die aktuale Welt.<br />
Die in diesem Beitrag entwickelte Interpretation <strong>Kants</strong> mag überraschend<br />
›metaphysisch‹ oder gar ›theologisch‹ sein, präsentiert sie doch Kant als<br />
›altered law‹-Kompatibilist im Rekurs auf die Schöpfungsidee. Daß dies tief<br />
verwurzelten Rezeptionsmustern zuwiderläuft, bedarf kaum der Erwähnung,<br />
was angesichts der Berufung auf eine Vorlesungsnachschrift zur Stützung<br />
dieser These Bedenken nie ganz ausräumen können wird, hier doch nicht den