03.10.2013 Aufrufe

Kryptosporidiendurchfälle bei Kälbern Was ist wichtig zu wissen?

Kryptosporidiendurchfälle bei Kälbern Was ist wichtig zu wissen?

Kryptosporidiendurchfälle bei Kälbern Was ist wichtig zu wissen?

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Kryptosporidiendurchfälle</strong> <strong>bei</strong> <strong>Kälbern</strong><br />

<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>wichtig</strong> <strong>zu</strong> <strong>wissen</strong>?<br />

von Dr. Hans-Jürgen Kunz, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein<br />

Um die Problematik dieser Infektion<br />

und damit deren Bekämpfung besser<br />

verstehen <strong>zu</strong> können, <strong>ist</strong> es notwendig,<br />

sich die Entwicklung und Vermehrung<br />

und damit den Infektionsweg<br />

dieser Endoparasiten genauer an<strong>zu</strong>sehen.<br />

Nicht vergessen werden<br />

darf, dass es sich <strong>bei</strong> dieser Erkrankung<br />

um eine Zoonose handelt, das<br />

heißt, sie kann auch auf den Menschen<br />

übertragen werden.<br />

Wie kommt es <strong>zu</strong>m Durchfall?<br />

Kryptosporidien gehören <strong>zu</strong> den Protozoen<br />

(griech. „protozoo“ „das erste<br />

Tier“) und werden nach alter Bezeichnung<br />

damit <strong>zu</strong> den Urtierchen<br />

gezählt. Sie gehören zwar ebenso <strong>zu</strong><br />

den Einzellern, wie <strong>zu</strong>m Beispiel<br />

auch Bakterien, unterscheiden sich<br />

jedoch in vielen Punkten von ihnen.<br />

Ein wesentlicher Punkt <strong>ist</strong> das Vorhandensein<br />

eines Zellkerns. Diese<br />

Urtierchen besitzen daneben zwei Eigenschaften,<br />

die nur Tiere auszeichnen.<br />

Die erste Eigenschaft <strong>ist</strong>, dass sie<br />

sich fortbewegen können, die zweite,<br />

dass sie sich von fremdem organischem<br />

Material ernähren. Da<strong>zu</strong> nis-<br />

ten sich die Sporen (Sporozoiten), die<br />

in den vom Kalb aufgenommenen<br />

Oozysten herangewachsen sind, in<br />

die Endothelzellen (äußere Gewebezellen,<br />

in diesem Fall der Darmschleimhaut)<br />

ein. Die Verbreitung der<br />

Oozysten findet über Kotpartikel<br />

statt. Alle 48 Stunden verachtfachen<br />

sich diese Sporen durch Zellteilung<br />

und n<strong>ist</strong>en sich wiederum in die Zellen<br />

der Darmschleimhaut ein, um<br />

sich dort erneut <strong>zu</strong> teilen. Nach sieben<br />

Tage endet die ungeschlechtliche<br />

Vermehrung. Die Sporen entwickeln<br />

sich weiter und es entstehen männliche<br />

und weibliche Formen. Durch<br />

gegenseitige Befruchtung dieser Zellen<br />

entstehen neue Oozysten. Sie besitzen<br />

eine feste Hülle und werden<br />

von den Tieren wiederum über den<br />

Kot ausgeschieden und können neue<br />

Tiere infizieren oder sich auch innerhalb<br />

des Darms weiter vermehren.<br />

Ein neuer Kreislauf beginnt (siehe Abbildung).<br />

Die Oozystenausscheidung<br />

kann <strong>bei</strong> <strong>Kälbern</strong> bis <strong>zu</strong> 100 % betragen,<br />

<strong>bei</strong> Kühen liegt sie <strong>bei</strong> durchschnittlich<br />

8 %. Das heißt, die Gefahr<br />

einer Ansteckung in der Abkalbebucht<br />

<strong>ist</strong>, da selten nach jeder Kalbung<br />

ausgem<strong>ist</strong>et<br />

wird, sehr groß.<br />

Noch größer <strong>ist</strong><br />

die Ansteckungswahrscheinlichkeit<br />

von <strong>Kälbern</strong> in<br />

Gruppenbuchten,<br />

in denen sich infizierte<br />

Kälber befinden.<br />

Die eigentliche Erkrankung<br />

entsteht,<br />

da durch die Anheftung<br />

der Sporen<br />

(Sporozoiten)<br />

im Darm die<br />

Management<br />

<strong>Kryptosporidiendurchfälle</strong> haben <strong>bei</strong> <strong>Kälbern</strong> in den letzten Jahren dramatisch <strong>zu</strong>genommen. Der Durchseuchungsgrad<br />

<strong>ist</strong> hoch und wird je nach Quelle mit 70 bis 100 % angegeben. Ob es <strong>zu</strong> Krankheitserscheinungen kommt, hängt vom<br />

Keimdruck und von den stallhygienischen Bedingungen ab. Nicht selten finden solche Durchfälle aber auch in Beständen<br />

statt, die ihre Kälber auf einem seuchenhygienisch hohen Niveau halten. Es <strong>ist</strong> ein Zeichen dafür, dass die Bekämpfung<br />

äußerst schwierig <strong>ist</strong>.<br />

Bild 1:<br />

Bei <strong>Kryptosporidiendurchfälle</strong>n sind neben einer<br />

Behandlung Hygienemaßnahmen oberstes Gebot, da<br />

es <strong>zu</strong> keiner 100prozentigen Elemination der Erreger<br />

kommt.<br />

Mikrovilli der Epithelzellen<br />

(Ausstülpungen der Zelle, <strong>zu</strong>m<br />

Zweck der Oberflächenvergrößerung)<br />

zerstört werden. Die Nahrungsaufnahme<br />

durch die Darmzotten <strong>ist</strong> damit<br />

gehemmt. Die Natriumabsorption<br />

<strong>ist</strong> <strong>zu</strong>dem behindert und es findet eine<br />

verstärkte Chlorsekretion statt.<br />

Durch diesen Prozess wird körpereigene<br />

Flüssigkeit in das Darmlumen<br />

ausgeschieden und weniger <strong>Was</strong>ser<br />

aus dem Darmlumen resorbiert. Beides<br />

bedingt den Durchfall.<br />

Möglichkeiten der Therapie<br />

Der einzige <strong>zu</strong>r Zeit <strong>zu</strong>gelassene<br />

Wirkstoff gegen Kryptosporidieninfektionen<br />

<strong>ist</strong> Halofuginon, <strong>bei</strong> <strong>Kälbern</strong><br />

Halofuginonlaktat mit dem Handelsnamen<br />

Halocur ® . Der Wirkstoff<br />

stammt aus der Wurzel einer Pflanze,<br />

die <strong>zu</strong> den Hortensiengewächsen<br />

zählt und in der traditionellen chinesischen<br />

Medizin seit langem, insbesondere<br />

<strong>bei</strong> Malaria, eingesetzt wird.<br />

Halofuginon scheint in den Stoffwechsel,<br />

insbesondere im Bereich<br />

Zuchtwahl und Besamung 2013 / 169<br />

51


Management<br />

der ungeschlechtlichen Vermehrungszyklen<br />

ein<strong>zu</strong>greifen und die Stoffwechselvorgänge<br />

<strong>zu</strong> stören. Der genaue<br />

Wirkmechanismus <strong>ist</strong> immer<br />

noch unbekannt.<br />

Aus den <strong>zu</strong>vor genannten Gründen<br />

leitet sich die Empfehlung ab, Halofuginon<br />

<strong>bei</strong> einem Bestandsproblem ab<br />

dem zweiten Tag nach der Geburt<br />

prophylaktisch ein<strong>zu</strong>setzen. Ein<br />

Großteil der Tiere scheidet 5 bis 6<br />

Tage nach der Behandlung keine Oozysten<br />

mehr aus. Der Behandlungserfolg<br />

<strong>ist</strong> jedoch nicht 100prozentig.<br />

Das heißt, nach dem Absetzen der<br />

Behandlung kann es <strong>bei</strong> einem Teil<br />

der Tiere weiterhin <strong>zu</strong> Oozystenausscheidung<br />

kommen. Reinfektionen,<br />

insbesondere nach einer anschließenden<br />

Umstallung der Tiere in Gruppenboxen,<br />

sind darum nicht unwahrscheinlich.<br />

Aus diesem Grund wird<br />

gegenwärtig darüber diskutiert, eine<br />

Erstbehandlung erst nach Ablauf einiger<br />

Tage <strong>zu</strong> beginnen, um den <strong>Kälbern</strong><br />

die Chance <strong>zu</strong> geben, eine eigene<br />

Immunantwort <strong>zu</strong> entwickeln.<br />

Neben der prophylaktischen Behandlung<br />

<strong>ist</strong> ebenso eine therapeutische<br />

Behandlung möglich, die jedoch sofort<br />

nach Beginn eines kryptosporidienbedingten<br />

Durchfalls beginnen<br />

sollte.<br />

Unabhängig davon, ob prophylaktisch<br />

oder therapeutisch behandelt<br />

wird, sind drei Dinge <strong>zu</strong> beachten:<br />

1. Kälber müssen täglich immer <strong>zu</strong>r<br />

Bild 2:<br />

Bei der Desinfektion im Fall einer Kryptosporidieninfektion müssen spezielle Mittel<br />

eingesetzt werden, die für die Bekämpfung von Endoparasiten geeignet sind.<br />

(siehe Übersicht)<br />

52 Zuchtwahl und Besamung 2013 / 169<br />

Übersicht: Auswahl antiparasitär wirkender Desinfektionsmittel (DVG-gel<strong>ist</strong>et). Stand: Oktober 2012<br />

Name viruzid bakterizid antiparasitär*<br />

ALDECOC CMK - - ja<br />

Ascarosteril AB ja ja ja<br />

BERGODES komplett begrenzt** ja*** ja<br />

calgonit sterizid Kokzi DES - - ja<br />

DESINTEC FL-coc garant - - ja<br />

DESINTEC ® FL-des ALLROUND ja ja ja<br />

ENDOSAN FORTE S NEU begrenzt** ja*** ja<br />

GERMICIDAN ® KOK - - ja****<br />

IGAVET ® PARA-DES N - - ja<br />

hygifarm deseptin pro - - ja<br />

INTERKOKASK ®<br />

- - ja<br />

KC 5000 - - ja****<br />

Kokzi Des - - ja<br />

NEOPREDISAN 135-1 begrenzt** ja*** ja<br />

ROTIE-KOK total N - - ja<br />

* Wurmeier und Kokzidien<br />

** begrenzt viruzid, nur wirksam gegen behüllte Viren (Corona)<br />

*** <strong>zu</strong>r vorbeugenden Desinfektion<br />

**** nur Kokzidien<br />

gleichen Zeit über einen Zeitraum<br />

von sieben Tagen mit Halofuginon<br />

per os (über das Maul) behandelt<br />

werden.<br />

2. Die <strong>zu</strong> verabreichende Menge<br />

richtet sich streng nach dem Gewicht<br />

des <strong>zu</strong> behandelnden Kalbes.<br />

Die therapeutische Bandbreite<br />

<strong>ist</strong> sehr gering. Das heißt, eine<br />

Überdosierung kann das Kalb<br />

schädigen und sehr schnell <strong>zu</strong><br />

starken Durchfällen führen.<br />

3. Halofuginon sollte niemals auf<br />

nüchternen Magen gegeben und<br />

möglichst mit Milch verdünnt werden.<br />

Die Tagesdosis<br />

darf nicht<br />

auf mehrere Gaben<br />

pro Tag aufgeteilt<br />

werden, das<br />

heißt, das Mittel<br />

muss einmal täglich<br />

jeweils <strong>zu</strong>r<br />

gleichen Uhrzeit<br />

verabreicht werden.<br />

Möglichkeiten der<br />

Prophylaxe<br />

Eine Behandlung<br />

mit Halofuginon<br />

ohne begleitende<br />

hygienische Maßnahmen<br />

bringt in<br />

der Regel nicht den gewünschten Erfolg.<br />

Das bedeutet, Kälber sollten<br />

nach der Geburt immer in gewaschene<br />

und desinfizierte Einzelbuchten<br />

bzw. Iglus eingestallt werden.<br />

Wichtig <strong>ist</strong>, dass mit den Iglus oder<br />

Buchten gleichzeitig auch die<br />

Standflächen gereinigt und desinfiziert<br />

werden.<br />

Schwieriger wird die Reinigung und<br />

Desinfektion von Gruppenboxen in<br />

Milchviehbetrieben, da hier die Kälber<br />

über einen bestimmten Zeitraum<br />

in der Regel kontinuierlich eingestallt<br />

werden. Treten in diesen Buchten<br />

nach vier bis acht Tagen auch trotz<br />

prophylaktischer Halocur-<br />

Behandlung Durchfälle auf, muss auf<br />

Kryptosporidien untersucht werden.<br />

Die Wahrscheinlichkeit <strong>ist</strong> groß, dass<br />

es sich um Reinfektionen handelt. Es<br />

bleibt in einem solchen Fall nur die<br />

Möglichkeit, die Buchten in einem so<br />

lang wie möglich bemessenen Zeitraum<br />

leer stehen <strong>zu</strong> lassen, <strong>zu</strong> reinigen<br />

und <strong>zu</strong> desinfizieren, um den<br />

Kryptosporidiendruck <strong>zu</strong> senken.<br />

Wünschenswert wäre es, wenn die<br />

Kälberabteile im Rein-Raus Verfahren<br />

belegt werden würden. Bei Neubauten<br />

kann ein solches Verfahren ab einer<br />

bestimmten Tierzahl umgesetzt<br />

werden. Probleme <strong>bei</strong> der Reinigung<br />

und Desinfektion gibt es insbesonde-


e in den Wintermonaten in Außenklimaställen,<br />

da eine Nassreinigung<br />

<strong>bei</strong> Frost nicht möglich <strong>ist</strong> und<br />

die Wirksamkeit vieler Desinfektionsmittel<br />

<strong>bei</strong> niedrigeren Temperaturen<br />

nicht mehr optimal <strong>ist</strong>. Ebenfalls darf<br />

nicht vergessen werden, dass Oozysten<br />

erst <strong>bei</strong> Temperaturen unter<br />

-17 °C und über +65 °C absterben<br />

und <strong>bei</strong> einer Temperatur von<br />

<strong>bei</strong>spielsweise +4 °C sowie ausreichender<br />

Feuchtigkeit bis <strong>zu</strong> 6 Monate<br />

überleben können.<br />

Bei der Reinigung <strong>ist</strong> es <strong>wichtig</strong>, dass<br />

vor dem Einsatz des Hochdruckreinigers<br />

ein Schaumreiniger, der auch<br />

den Eiweiß- und Fettfilm löst, eingesetzt<br />

wird. Als Desinfektionsmittel<br />

muss ein Mittel eingesetzt werden,<br />

dass nachgewiesenermaßen gegen<br />

Endoparasiten wirkt. Empfohlen werden<br />

Mittel, die von der Deutschen<br />

Veterinärmedizinischen Gesellschaft<br />

(DVG) geprüft sind (siehe Übersicht).<br />

Diese L<strong>ist</strong>e kann jederzeit kostenlos<br />

im Internet unter www.dvg.net eingesehen<br />

werden.<br />

Fazit<br />

Kryptospriediendurchfälle können <strong>bei</strong><br />

<strong>Kälbern</strong> in der Regel im Zeitraum von<br />

4 bis 35 Tagen auftreten. Die Infektion<br />

erfolgt über Oozysten aus dem<br />

Kot infizierter Tiere. Das können sowohl<br />

ältere Rinder, Kühe oder Kälber<br />

sein. Der Vermehrungszyklus im<br />

Darm der Tiere durchläuft mehrere<br />

Zyklen, an dessen Ende wieder die<br />

Ausscheidung von ansteckungsfähigen<br />

Oozysten steht. Sowohl eine prophylaktische<br />

als auch eine therapeutische<br />

Behandlung <strong>ist</strong> mit dem Wirkstoff<br />

Halofuginon (Handelsname Halocur<br />

® ) möglich. Da nicht von einer<br />

hundertprozentigen Unterbrechung<br />

des Vermehrungszykluses der Kryptosporidien<br />

<strong>bei</strong> allen behandelten<br />

Tieren ausgegangen werden kann,<br />

sind begleitende stallhygienische<br />

Maßnahmen unumgänglich. Dafür<br />

wird der Einsatz von endoparasitär<br />

wirkenden Desinfektionsmitteln empfohlen.<br />

Management<br />

Zuchtwahl und Besamung 2013 / 169<br />

53

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!