ANNA VIEBROCK Das Vorgefundene erfinden - Verlag Theater der ...
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VORWORT<br />
Anna Viebrock gehört zu den wichtigsten Künstlerinnen des<br />
postdramatischen <strong>Theater</strong>s. Ihre Bühnenbil<strong>der</strong> sind komplexe<br />
Raumlösungen voll anziehen<strong>der</strong> Kraft und Poesie, die aus <strong>der</strong><br />
intensiven Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem <strong>Theater</strong>raum und den<br />
noch spürbaren Atmosphären vergangener Gesellschaften<br />
hervorgegangen sind. Ihr Material sei das gesamte 20. Jahrhun<strong>der</strong>t,<br />
beschreibt sie einmal ihre Herangehensweise, weil<br />
man heute noch sehen könne, wie ein Jahrzehnt auf das an<strong>der</strong>e<br />
reagiere. Und in <strong>der</strong> Tat werden ihre Bühnen und <strong>Theater</strong>collagen<br />
einhellig von <strong>Theater</strong>kritik und Publikum als einprägsame<br />
Kunst <strong>der</strong> Erinnerung empfunden. Anna Viebrocks<br />
Arbeiten machen Geschichte auf <strong>der</strong> Bühne lebendig über<br />
<strong>Vorgefundene</strong>s, Details aus hinterlassenen Raumeinrichtungen<br />
und aus verschiedenen Epochen zusammengestellten Architekturelementen.<br />
Sie erhalten wie nie zuvor im <strong>Theater</strong> eine<br />
unbedingte Aufmerksamkeit und erzeugen jene rätselhafte<br />
Aura und traumatische Präsenz historischer Gegenwart, für<br />
die Anna Viebrocks <strong>Theater</strong>räume berühmt geworden sind.<br />
Geboren 1951 in Köln, wächst Anna Viebrock in Frankfurt am<br />
Main auf. Nach ihrem Studium an <strong>der</strong> Kunstakademie in Düsseldorf<br />
in <strong>der</strong> Bühnenbildklasse von Karl Kneidl hatte sie ihr<br />
erstes Engagement als Bühnenbild- und Kostümbildassistentin<br />
am Schauspiel Frankfurt. Ende <strong>der</strong> achtziger, Anfang <strong>der</strong><br />
neunziger Jahre entwickelte sie in <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit<br />
den Schweizer Regisseuren Christoph Marthaler und Jossi<br />
Wieler ihre eigene, sehr persönliche Handschrift: Anna Viebrocks<br />
Arbeiten zeichnet ein feinnerviger, subversiver Realismus<br />
aus, eine atmosphärische Verdichtung durch täuschend<br />
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echte Oberflächen und eine fast metaphysische Raumauffassung.<br />
Diesen Realismus, dem sie in ihrer Zürcher Zeit <strong>der</strong> frühen<br />
nuller Jahre und in ihren Regiearbeiten für das Sprechund<br />
Musiktheater treu geblieben ist, hat <strong>der</strong> Ausstellungskurator<br />
Hubertus Adam als „antiillusionistischen Illusionismus“<br />
beschrieben. Viebrock lässt ihre <strong>Theater</strong>räume meist wie reale<br />
Architektur wirken und stellt eine „Ästhetik des Eintauchens“<br />
her, auch in ihren neueren offenen Raumarbeiten. Sie operiert<br />
mit befremdlich wirkenden Proportionen von Dingen und Bühnenelementen<br />
sowie unklaren Raumbeziehungen, die Innenund<br />
Außenwelt verkehren. Ihre Bühnenbil<strong>der</strong> sind überreale,<br />
fast monumentale Rauminstallationen, hybride Architekturkonstruktionen,<br />
die den szenischen Zusammenhang von dramatischem<br />
Stoff und Ort <strong>der</strong> Handlung nicht nur organisieren,<br />
son<strong>der</strong>n gleichsam <strong>erfinden</strong> und entwickeln. Ihre fantastischrealen<br />
Wartezimmer, Flugzeugkabinen, Schalterhallen o<strong>der</strong><br />
Kirchenräume stecken voll surrealer Logik und überraschen<strong>der</strong><br />
Mechanik, die jedem Anschein von Alltäglichkeit zuwi<strong>der</strong>laufen.<br />
Ihre vieldeutig-verschlüsselten Bildaussagen, in denen<br />
sich eigene Seherlebnisse und allgemeine Geschichtserfahrungen<br />
durchdringen, bleibt in <strong>der</strong> zeitgenössischen <strong>Theater</strong>kunst<br />
bis heute unerreicht.<br />
Der vorliegende Band „<strong>Das</strong> <strong>Vorgefundene</strong> <strong>erfinden</strong>“ ist eine<br />
das gesamte Werk umfassende Monografie <strong>der</strong> Bühnenbildnerin<br />
und Regisseurin Anna Viebrock. Die großen, farbigen<br />
Bil<strong>der</strong>tableaus von über dreißig beispielhaften Inszenierungen<br />
aus fast dreißig Jahren werden ergänzt durch Modell- und Entwurfsfotos,<br />
Recherchebil<strong>der</strong> und Abbildungen, welche dem<br />
Betrachter die Entwicklung ihrer Raum- und Regiekonzeption<br />
vor Augen führen. Anna Viebrock kommentiert selbst im Gespräch<br />
mit ihrem Dramaturgen Malte Ubenauf, das die beiden<br />
für dieses Buch im Frühjahr 2011 geführt haben, die jeweilige