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Ressourcenpolitik in Grönland - Oeko-Net

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ZUR ZEIT<br />

84<br />

zuschusses aus Dänemark, derzeit 45,6 Prozent<br />

der öffentlichen E<strong>in</strong>nahmen. Und das heißt,<br />

die Regierung – auf das kollektive Eigentum<br />

verpflichtet – muss jetzt sehen, wie sie Entwicklung<br />

und Wachstum aus diesen eigenen Mitteln<br />

f<strong>in</strong>anziert.<br />

Von Kolonie zu Autonomie<br />

<strong>Grönland</strong> ist seit Anfang des 18. Jahrhunderts<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kolonialen Verhältnis mit Dänemark<br />

verbunden und zählt heute geme<strong>in</strong>sam mit<br />

den Färöer Inseln zur Rigsfællesskabet,also der<br />

Reichsgeme<strong>in</strong>schaft mit der dänischen König<strong>in</strong><br />

als Staatsoberhaupt. Im Rahmen dieses dänischen<br />

Commonwealth hatte <strong>Grönland</strong> seit<br />

1979 e<strong>in</strong>e Selbstverwaltung. Ihr entscheidender<br />

Machtträger war die sozialdemokratisch<br />

orientierte Partei Siumut mit bekannten Namen<br />

wie Jonathan Motzfeldt, Moses Olsen und<br />

Lars Emil Johansen, auch als die Drei Eisbären<br />

bekannt. Bis 1983 regierte Siumut alle<strong>in</strong>e, danach<br />

<strong>in</strong> wechselnden Koalitionen mit der bürgerlichen<br />

Partei Atassut und auch der IA.<br />

Im Pr<strong>in</strong>zip befand sich die IA jedoch seit<br />

1979 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Systemopposition, denn sie war<br />

– obwohl entschieden für die Autonomie <strong>Grönland</strong>s<br />

– gegen die E<strong>in</strong>führung der Hjemmestyre.<br />

Der Grund: Die IA war nicht bereit, langfristig<br />

die Entscheidungsgewalt über die Rohstoffe<br />

mit der dänischen Regierung und dem dänischen<br />

Parlament Folket<strong>in</strong>get zu teilen. Sie forderte<br />

die Anerkennung der Grönländer als Volk.<br />

Damit befand sich die IA <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternationalen<br />

Kampf um die Selbstbestimmungsrechte<br />

der <strong>in</strong>digenen Völker. Johan Lund Olsen,<br />

Mitbegründer von IA, blickt zurück auf das<br />

Jahr 1979: »Wir forderten also unsere Wähler<br />

auf, gegen die Hjemmestyre zu stimmen. Und<br />

da bekamen wir als frischgebackene Partei<br />

mit 25 Prozent e<strong>in</strong>en ganz schönen Zuspruch.<br />

Danach stellten wir uns zur Wahl für das Inatsisartut<br />

(Landst<strong>in</strong>g, Landesparlament), und<br />

1983 kamen wir mit Aqqaluk Lynge und Jens<br />

Geisler erstmalig h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Seither s<strong>in</strong>d wir stetig<br />

gewachsen, und jetzt s<strong>in</strong>d wir die größte<br />

Partei.« Auch die Rechte der <strong>in</strong>digenen Völker<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen gestärkt. Seit 2007 gibt es die<br />

auch von Dänemark ratifizierte UN-Resolution<br />

61/295, die den <strong>in</strong>digenen Völkern das Selbstbestimmungsrecht<br />

über ihr Land und ihre<br />

Ressourcen zuspricht. Mit der E<strong>in</strong>führung der<br />

Selbstregierung 2009 wurden die Grönländer<br />

von Dänemark als Volk und somit ihr Recht<br />

auf die eigenen Ressourcen anerkannt.<br />

Johan Lund Olsen war 20 Jahre lang Mitglied<br />

im Landesparlament Inatsisartut. 2009<br />

hat er entschieden, nicht zu kandidieren, aber<br />

er hat noch se<strong>in</strong> Büro im Gebäude des Inatsis-<br />

artut im Parteitrakt, wo er heute als politischer<br />

Berater der IA tätig ist. Und die hat Beratung<br />

nötig, denn als sie 2009 die Regierungsmacht<br />

mit e<strong>in</strong>em Erdrutschsieg errang, wurde sie erst<br />

e<strong>in</strong>mal von e<strong>in</strong>er hausgemachten F<strong>in</strong>anzkrise<br />

überrascht. Kurz nach der Wahl bekam der neue<br />

Regierungschef Kuupik Kleist e<strong>in</strong>en bis dah<strong>in</strong><br />

geheim gehaltenen Bescheid, dass <strong>Grönland</strong>s<br />

landeseigener Konzern und größter Arbeitgeber<br />

Royal Greenland vor dem Konkurs stehe. Er<br />

musste mit 500 Millionen Kronen gestützt werden,<br />

und weil das für das grönländische Budget<br />

sehr viel Geld ist, konnte die neue Regierung<br />

mit Sparzwang und der Schließung von Fischfabriken<br />

erst e<strong>in</strong>mal nicht so recht im Licht ihrer<br />

politischen Intentionen ersche<strong>in</strong>en.<br />

E<strong>in</strong>e gerechtere Sozial- und Steuerpolitik<br />

bleibt aber auf der Tagesordnung: »Jetzt arbeiten<br />

wir gerade an e<strong>in</strong>er großen Steuerumlegung.<br />

Das ist e<strong>in</strong>er unserer größten Träume,<br />

<strong>in</strong> der gesamten Geschichte der Partei. Wir wollen<br />

das grönländische Steuersystem abschaffen.<br />

Dieses Steuersystem war immer flach, also proportional.<br />

Es gibt ke<strong>in</strong>erlei Progressivität. Ob<br />

du Millionär bist oder e<strong>in</strong> ganz normaler Sozialhilfeempfänger,<br />

du hast den gleichen Steuersatz.<br />

Und das ist ja sehr unsozial, e<strong>in</strong>e schlechte<br />

Verteilung der gesellschaftlichen Mittel.« Olsen<br />

ist zuversichtlich, dass die geplante Umverteilung<br />

e<strong>in</strong>en stärkeren Mittelstand erzeugen<br />

wird. Das sei nicht unwichtig für se<strong>in</strong>e<br />

Partei, denn der Mittelstand bilde e<strong>in</strong>en großen<br />

Teil der IA-Wählerschaft. Und dann gibt<br />

es noch die vielen Ungelernten, Arbeitslosen<br />

und Arbeiter <strong>in</strong> Fisch<strong>in</strong>dustrie und Kommunalbetrieben.<br />

Sie stellen die Regierung <strong>in</strong> den<br />

Augen ihres politischen Beraters vor e<strong>in</strong>e besondere<br />

Herausforderung: »Es geht darum, die<br />

Macht auf e<strong>in</strong>e Weise zu verwalten, dass wir<br />

den Wünschen und Forderungen der<br />

Unterprivilegierten gerecht werden.<br />

Es gibt sehr große Unterschiede zwischen<br />

Arm und Reich.«<br />

An der Küste<br />

Der Parteil<strong>in</strong>ke Johan Lund Olsen<br />

kl<strong>in</strong>gt noch optimistisch, und auch<br />

Juliane Henn<strong>in</strong>gsen betont den egalitären<br />

Charakter der IA-Sozialpolitik.<br />

2009 war sie e<strong>in</strong>e der zwei Abgeordneten<br />

im dänischen Folket<strong>in</strong>get. Damals<br />

gerade e<strong>in</strong>mal 22 Jahre alt,erhielt<br />

sie die meisten persönlichen Stimmen<br />

dieser Wahl. Momentan ist sie Abgeordnete<br />

im Inatsisartut, Vorstandsmitglied<br />

der landeseigenen Kulturstiftung<br />

NunaFond, daneben beendet sie<br />

ihre Ausbildung <strong>in</strong> Ilisimatusarfik,<br />

der Universität von Nuuk.<br />

Juliane Henn<strong>in</strong>gsen hatte vor unserem<br />

Treffen im Jahr 2012 e<strong>in</strong> Jahr <strong>in</strong> Ostgrönland<br />

verbracht und ist jetzt besonders für das Dauerthema<br />

der Benachteiligung der Küstenbewohner<br />

sensibilisiert: »Es gibt viele lokale Probleme<br />

<strong>in</strong> so e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Stadt, die man unbed<strong>in</strong>gt lösen<br />

muss. Und es ist auch e<strong>in</strong> zentrales Thema<br />

der grönländischen Politik, wie man die<br />

Außenbezirke priorisiert und behandelt. Das<br />

Niveau und der Lebensstandard, Wirtschaft<br />

und Infrastruktur, da gibt es viele Fragen. Für<br />

mich war es nach der Erfahrung mit der großen<br />

Landesperspektive ganz entscheidend, mit<br />

diesen Themen zu arbeiten. Das hat me<strong>in</strong>e Sicht<br />

der D<strong>in</strong>ge völlig geändert.«<br />

Es ist nicht leicht für die politischen Nachwuchskräfte,<br />

den Stimmen von der Peripherie<br />

Gehör zu verschaffen, von »der Küste«, wie die<br />

Prov<strong>in</strong>z <strong>in</strong> Nuuk heißt. Sara Olsvig, e<strong>in</strong>e weitere<br />

Jungpolitiker<strong>in</strong> der IA, derzeit für <strong>Grönland</strong> im<br />

Folket<strong>in</strong>get <strong>in</strong> Kopenhagen, hat als studierte<br />

Anthropolog<strong>in</strong> und ehemalige Menschenrechtskoord<strong>in</strong>ator<strong>in</strong><br />

des ICC <strong>in</strong>tensive Erfahrungen<br />

mit »der Küste«. Sie kennt das wirtschaftliche<br />

Desaster aufgrund des Robbenfellboykotts sehr<br />

gut, das die Küstenbewohner besonders hart<br />

getroffen hat. Wir trafen Sara Olsvig im Mai<br />

2012 <strong>in</strong> Kopenhagen, als dort e<strong>in</strong>e Delegation<br />

von ostgrönländischen Fängern für ihre Rechte<br />

demonstrierte. Olsvig gab sich optimistisch,<br />

dass sich der Markt für die Produkte der traditionellen<br />

Gewerbe wieder öffnet: »Ich glaube<br />

<strong>in</strong> der Tat, dass die Absatzchancen für Robbenfell<br />

wieder besser werden. Ich sehe nur e<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong>zigen Biologen, der sich negativ geäußert<br />

hat. Aber wir haben vom WWF und von Greenpeace<br />

positive Zusagen bekommen, was Robbenfell<br />

betrifft, und ich me<strong>in</strong>e, das war auch<br />

Kommune 6/2012

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