für pommersche Gesch und Altertumskunde. - Digitalisierte ...
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herausgegeben<br />
von der<br />
<strong>für</strong> <strong>pommersche</strong> <strong>Gesch</strong><br />
<strong>und</strong> Altertumsk<strong>und</strong>e.<br />
Neue Folge Band XXVl.<br />
Stettin.<br />
Leon Sauniers Vllctchandlunss.<br />
1934.
nltijsclte Mntlien.<br />
.<br />
Herausgegeben<br />
von der<br />
Gesellschaft <strong>für</strong> Hommersche <strong>Gesch</strong>ichte <strong>und</strong><br />
UlterwmsKunbe.<br />
3?eue Folge Vand XXVl.<br />
Stettin.<br />
Leon Saunlers Buchhandlung.<br />
1924.
Festgabe<br />
zur Feier des h<strong>und</strong>ertjährigen Bestehens<br />
der<br />
Gesellschaft <strong>für</strong> Pommersche <strong>Gesch</strong>ichte<br />
<strong>und</strong> Altertumsk<strong>und</strong>e zu Stettin<br />
dargebracht<br />
ihren Mitgliedern <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en.
Inhalts.Verzelchnis.<br />
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammln. Von<br />
dozent vr. F. S a li s 5 . . . . 1<br />
Die Lehr, <strong>und</strong> Predlgttiltlgkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern.<br />
Von Gymnasloldirektor Prof. Dr. 37t. Wehrmann in Stargard l. P. 157<br />
Die Siegel der Blschbfe von Kammln <strong>und</strong> ihres Domkapitels. Von Staats-<br />
archlvdlrektor l)s. O. Grote f end in Stettin 191<br />
Carl Loewe. Beitrüge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. Von<br />
Professor Dr. O. Altenburg ln Stettin 235<br />
Stettin nach der Belagerung durch den großen Kur<strong>für</strong>sten. Von Obersiudlen-<br />
direktor Professor Dr. C. Fredrich ln Stettin 283<br />
Schriftleitung:<br />
Staatsarchlvdirektor Dr. O. Grotefend<br />
ln Stettin.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte<br />
des Mstums Kammin<br />
von<br />
Privatdozent Dr. F. Salisi».
Inhaltsübersicht.<br />
Literaturverzeichnis 7<br />
Gelte<br />
Kap. I. Die Wahl Bischof Hermanns in Hildesheim<br />
(1246) <strong>und</strong> in Kammin j125!) 2)<br />
Familie von Gleichen 22<br />
Die kage in Hildesheim '. . 24<br />
Wahl Hennanns 24<br />
Wahl des Gegenbischofs Heinrich 24<br />
Verzicht Hermanns 26<br />
Die eage in Kammin 26<br />
Wahl <strong>und</strong> Weihe Hermanns 28<br />
Kap. il. Der Kampf um die Diögesllngrenze 31<br />
Westlich der Oder 31<br />
a) Havelderg 32<br />
b> Vrandenburg 35<br />
c) Schwerin 39<br />
ci) Meißen 45<br />
östlich der Oder 49<br />
Lage in der Neumark 48<br />
e> Lebus 58<br />
Entwicklung der neumärkischen Verhältnisse unter der Politik<br />
Bischof Hermanns 64<br />
f) Gnesen sOstpommern) 64<br />
Iolgen <strong>und</strong> Lehren des Streits, Einfluß der Exemtion . . . 66<br />
Kap. Ili. Die Kirchengründungen von der Mission<br />
Ottos von Bamberg bis zum Ende des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
69<br />
Die Kirchenstatisrik <strong>und</strong> ihre Ergebnisse 71'<br />
Die Anlage der Einzelkirche 39<br />
1. Die rechtliche Gr<strong>und</strong>lage der Kirchensliftung (slavische Eigenkirche)<br />
89<br />
2. Die Gründer " 91<br />
») Otto von Bamberg 91<br />
Der Bischof . . 93
Telte<br />
b) Laien 94<br />
Die Landes<strong>für</strong>sten 95<br />
Der Landadel 97<br />
Bürgerliche Gr<strong>und</strong>herrn 99<br />
Laienkorporalionen 100<br />
c) Klöster <strong>und</strong> Stifter .101<br />
Die Kirchennamen (Heilige) 105<br />
Das statistische Ergebnis . . .105<br />
Einwandern der Heiligen . . . . ' . . . . . . . ' . . 107<br />
Otto von Bamberg NO<br />
Kap. lV. Die Entstehung der <strong>für</strong>stlichen Landeshoheit 112<br />
Besonderheit der Stellung Kammins 112<br />
Bewidmungen des Bistums, Gr<strong>und</strong>herrschaften in Streulage . 117<br />
Vorbereitung der <strong>für</strong>stlichen Hoheit
-<br />
-<br />
ie folgenden Blätter bringen einen Teil der Forschungen zur<br />
älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin, die ich demnächst<br />
im Ganzen vorzulegen hoffe.*) Diese Forschungen möchten,<br />
m. W. zum ersten Male, den Versuch wagen, auf Gr<strong>und</strong> der<br />
heutigen Methoden <strong>und</strong> Fragestellungen unserer <strong>Gesch</strong>ichtswissenschaft<br />
die Gesamtentwicklung einer deutschen Diözese während des<br />
hohen Mittelalters in einer Reihe von Querschnitten darzustellen.<br />
Wegen seiner inneren <strong>und</strong> äußeren kirchlichen wie politischen <strong>Gesch</strong>ichte,<br />
zumal seiner führenden Rolle in dem Prozeß der Germanisation<br />
<strong>und</strong> Kolonisation des deutschen Ostens, bietet Kammin, das<br />
einzige eremte deutsche Bistum der Zeit, ein besonders anziehendes<br />
Feld. Allerdings: die Schwierigkeiten, die sich der wissenschaftlichen<br />
Durchdringung entgegenstellen, sind außerordentlich groß. Die ostdeutsche<br />
Kirchengeschichte ist bisher kaum in den Gesichtskreis der<br />
deutschen Forscher getreten, <strong>und</strong> gerade Pommern wird zumeist<br />
stiefmütterlich behandelt.<br />
Man wird sofort bemerken, daß deshalb unsere Untersuchungen<br />
nicht so sehr eine Darstellung in großen <strong>und</strong> ger<strong>und</strong>eten Bildern<br />
sein können als vielmehr eine quellenkritisch vorwärtsschreitende<br />
herausarbeitung der Elemente, die unter dem jeweiligen leitenden<br />
Gesichtspunkt betrachtet die objektive Zeichnung der tatsächlichen<br />
Lage ergeben. Nur so werden wir die unentbehrliche Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong><br />
den zusammenfassenden Aufbau gewinnen. Unter Feststellung dieses<br />
Endzweckes sind auch die vier in sich geschlossenen Einzeluntersuchungen<br />
— zur allgemeinen kirchlichen Lage (Kap. I). zur inneren<br />
(IV) <strong>und</strong> äußeren (II) Entwicklung der Diözese <strong>und</strong> zur Missionsgeschichte<br />
(lll) — ausgeführt worden. 3n der kritischen Bewertung<br />
<strong>und</strong> Verarbeitung der Quellen entferne ich mich recht weit von den<br />
früheren Darstellungen. Um so mehr ist es mir Bedürfnis vorauszuschicken,<br />
wie dankbar ich den Vorgängern verpflichtet bin. 3ch<br />
denke vor allem an M. Wehrmann <strong>und</strong> meine beiden verehrten<br />
Lehrer von Riehen <strong>und</strong> 5)auck.<br />
*) Diese Hoffnung wird leider nie erfüllt werden, da der Verfasser auf<br />
dem Ielde der Ehre sein Leben dem Vaterlande dahingegeben hat.<br />
Die Schriftleltung.
Zur Entlastung des Textes sind die wichtigeren Werke im<br />
Literaturverzeichnis zusammengestellt. Dort sind, so weit möglich,<br />
auch die Untersuchungen aufgenommen, mit denen ich mich auseinandersetze,<br />
ohne sie einzeln anführen zu können. Daß ich gegen<br />
meinen Willen wiederholt mich selber zitieren muß, rührt daher, daß<br />
einige frühere Studien <strong>und</strong> Referate nur als Vorarbeiten <strong>für</strong> die<br />
umfassendere Darstellung gedacht waren. Verbindlichen Dank schulde<br />
ich den 3achgenossen, die mir brieflich Auskunft gegeben <strong>und</strong><br />
Einblick in ihre noch nicht erschienenen Arbeiten gewährt haben.<br />
Ebenso den Archiven <strong>und</strong> Bibliotheken <strong>für</strong> die Ermittelung <strong>und</strong><br />
Borlage der Urk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> handschriftlichen Quellen. Neben den<br />
bei früherer Gelegenheit angeführten deutschen <strong>und</strong> außerdeutschen<br />
Archiven seien hier genannt: das Geh. Staatsarchiv <strong>und</strong> die Staatsbibliothek<br />
in Berlin, das Staats- <strong>und</strong> das Stadtarchiv in Stettin,<br />
die Bibliothek der Gesellschaft <strong>für</strong> Pommersche <strong>Gesch</strong>ichte <strong>und</strong><br />
Altertumsk<strong>und</strong>e cbendort, die Staatsarchive in Magdeburg <strong>und</strong><br />
Hannover, die Universitätsbibliotheken in Greifswald <strong>und</strong> Halle,<br />
das Kapitelsarchiv in Brandenburg, die Gymnasialbibliothek in<br />
Osnabrück, das Neichsarchiv <strong>und</strong> die Staatsbibliothek in München,<br />
die Stadtbibliothek in Leipzig, die Sächsische Landesbibliothek in<br />
Dresden, die hofbibliothek in Wien <strong>und</strong> das Vatikanische Archiv<br />
in Rom.<br />
Der leichteren Benutzung wegen zitiere ich die urk<strong>und</strong>lichen<br />
Quellen in der Regel nach den Nummern des Pommerschen Urk. V.<br />
bezw. des Codex von Hasselbach-Kosegarten, schreibe aber den Text<br />
der Origmalvorlage bezw. des besten mir zugänglichen Abdrucks.
Llteraturuberslcht<br />
(zu den vorliegenden 4 Kapiteln).<br />
Cs sind aufgenommen alle nur mit Verfassernamen oder Stichwort<br />
angeführten <strong>und</strong> die wichtigeren anderen Werke- der Raumersparnis wegen<br />
ist die benutzte Literatur über Otto von Bamberg, die allgemeine Zeitgeschichte<br />
u. ä. nur in desonderen Fällen verzeichnet.<br />
l. Darftellungen.<br />
Abb, G.. <strong>Gesch</strong>ichte des Klosters Chorin. Diss. Berlin 1911.<br />
Adler, 3.. Mittelalterliche Backstein-Bauwerke des preuß. Staates.<br />
2 Bände. Berlin 1862—98.<br />
— Der Ursprung des Backsteinbaues in den baltischen Ländern.<br />
Abraham, Die kirchlichen Verhältnisse Polens bis zur Mitte des<br />
12. Jahrh. Anz. d. Akad. d. Wissensch. z. Krakau. 1890. 280.<br />
Al ding er, P., Die Neubesetzung der deutschen Bistümer unter P. 3nnocenz<br />
IV. 1243—1254. Leipzig 1900.<br />
Apelt, 3. U., Die rechtlichen Unterschiede des geistl. <strong>und</strong> des Laien-<br />
Patronates im kanonischen Recht. Diss. Leipzig 1906.<br />
Arndt, Das Iehntenregister des Bistums Ratzeburg aus dem 13. Jahrh.<br />
Progr. Raheburg 1833.<br />
Bachmann. 3.. Die landesk<strong>und</strong>liche Literatur über die Großherzogt.<br />
Mecklenburg. Güstrom 1889.<br />
Barth, A., Das bischöfliche Beamtentum im Mittelalter. Diss. Göttingen<br />
1901.<br />
Baldow. W.. Die Ansiedelungen an der mittleren Oder. Diss. Halle 1886.<br />
Bandlow, Die Cistercienserabtei Neuenkamp <strong>und</strong> die Stadt 3ranzburg.<br />
Tribsees 1891.<br />
— <strong>Gesch</strong>ichte des Landes <strong>und</strong> der Stadt Tribsees. Tribsees 1881.<br />
arthold, I. W.. <strong>Gesch</strong>ichte von Rügen u. Pommern. 5 Bde. Hamburg<br />
1839—45.<br />
Die Baudenkmäler des Regierungs-Vezirks I Strals<strong>und</strong> bearbeitet von<br />
Haselberg. Il Stettin bearb. von Lemcke. Ili Koslin bearb. von Vöttger<br />
<strong>und</strong> Lemcke. Stettin 1881 ff.<br />
Bauch, A., Die Markgrafen Johann I. <strong>und</strong> Otto III. in ihren Beziehungen<br />
zum Reich 1220—67. Breslau 1886.<br />
Vehlau, I., Kloster Neuenkamp. Diss. Greifswald 1903.
8 3orschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammtn.<br />
Beissel, S., <strong>Gesch</strong>. d. Verehrung Marias in Deutschland während des<br />
M.A. Ireiburg 1909.<br />
— Die Verehrung U. L. 3rau in Deutschland mährend des M.A. Ireiburg<br />
1896.<br />
^ Die Verehrung der Heiligen <strong>und</strong> ihrer Reliquien in Deutschland während<br />
der 2. Hälfte des M.A. 3reiburg 1892.<br />
Velow. G. n.. Territorium <strong>und</strong> Stadt. München u. Leipzig 1900.<br />
— Die Entstehung des ausschließlichen Wahlrechts der Domkapitel. Leipzig<br />
1883.<br />
^B enno. I. E.. <strong>Gesch</strong>. der Stadt Köslin. Kästln 1840.<br />
Berchtold, 3., Die Entwickelung der Landeshoheit in Deutschland fvon<br />
Friedrich II. bis Tod Rudolfs von Habsburg) l. München 1863.<br />
^Berghaus, H. K., Landbuch des Herzogtums Pommern u. des Iürsten«<br />
^ tums Rügen. Berlin u. a. 1862—77.<br />
Bergner, H., Handb. d. Kirch!. Kunstaltertümer in Deutschland. Leipzig<br />
1905.<br />
Bertram. A.. <strong>Gesch</strong>. d. Vistums Hildesheim. I. Hildesheim 1899.<br />
l_3tin^, eclict. 5acji Zoliancliani. 2 Bde. u.<br />
1898—1W1, 1911.<br />
Boe hm er. 3., <strong>Gesch</strong>. der Stadt Rügenwalde. Stettin 1900.<br />
— Beitr. z. <strong>Gesch</strong>. d. Stadt Stargard in Pommern. I. Stargard 1902.<br />
>Bo erg er, R.. Die Belehnungen der deutschen geistl. 3ürsten. Diss.<br />
Leipzig 1900.<br />
vBornhak, K., Die Entstehung des Rittergutsbefitzes in den Ländern<br />
östl. d. Clbe. 3orsch. z. deutschen <strong>Gesch</strong>. Bd. 26. 126 ff.<br />
Bossert, G., Die Kirchenheiligen in ihrer Bedeutung <strong>für</strong> die <strong>Gesch</strong>ichtsforschung.<br />
Korr. Bl. d. Gesamtuereins 41 S. 99 f.. 143 f.. 147 f.<br />
Breckevic, U. V., Einleitung in die Sozialgeschichte des Herzogtums<br />
Slawien oder Westpommcrn. Untersuchungen zur <strong>Gesch</strong>ichte der baltischen<br />
Pommern in den ersten anderthalb Jahrh<strong>und</strong>erten nach der Annahme<br />
des Christentums (1128—1278). Dorpat 1911 (russisch).<br />
Breitenbach, O., Das Land Lebus unter den Piasten. 3ürstenwalde<br />
1890.<br />
XVrüggemann. L. W., Ausfuhr!. Beschreibung dos gegenwärtigen Zustandes<br />
des königl. preuh. Herzogtums Vor- <strong>und</strong> Hinterpommern.<br />
2 Teile in 3 Bänden u. 2 Bde. Beitr. Stettin 1779—1806.<br />
Brunn er, H., Deutsche Rechtsgeschichte, lt. Leipzig 1892.<br />
Brunn eck, W. v.. Veitr. z. <strong>Gesch</strong>. des Kirchenrechts in den deutschen<br />
Kolonisationslanden. I Kirchenpatronat in Ost« <strong>und</strong> Weslpreuszen.<br />
II Mark. Promnzialbirchenrecht (Kirchenpatronat, Pfarr»- <strong>und</strong> Kirchengut).<br />
Berlin 1902 ff.<br />
^>^— Die Verbindung des Kirchenpatronats mit dem Archidiakonat im nord-<br />
, ^ deutschen, insonderheit mecklbg.-<strong>pommersche</strong>n Kirchenrecht des M.A.<br />
(3estg. f. 3itting). Halle 1903.<br />
Vuchwald, G. v.. Bischofs- u. 3ürstemlrk<strong>und</strong>en des XII. u. XIII. Jahrh.<br />
Rostock 1882.<br />
Bu randt. R.. Die politische Stellung des Breslauer Vistums unter<br />
Thomas I. (1232—68). Diss. Breslau 1909.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 9<br />
Buschi ng, A. 3., Vollständige Topographie der Mark<br />
Berlin 5775.<br />
Canz. O. W.. Philipp 3ontana. Leipzig 1910.<br />
Brandenburg.<br />
Compari. I.. <strong>Gesch</strong>. des Kl. Doberan bis zum Jahre 1300. Rostock 1873.<br />
mer, D., Das große Pomrische Kirchen-Chronicon. Stettin 162«.<br />
E ram er, R.. <strong>Gesch</strong>. d. Lande Lauenburg <strong>und</strong> Viitow.<br />
berg 1858.<br />
2 Tle. Känigs-<br />
lb, O., Deutschlands Gaue im zehnten Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />
1908.<br />
Diss. Göttingen<br />
Curschmann, 5., Die Diözese Brandenburg. Leipzig 1906.<br />
— Die Stiftungsurk<strong>und</strong>e des Bistums Havelberg.<br />
393—434.<br />
Neues Arch. Bd. 28.<br />
— Die Landeseinteilung Pommerns im M. A. Pommersche Jahrb. 12.<br />
S. 159—337; auch S.A. Greifswald 1911.<br />
— Plan eines gesch. Atlas d. östl. Provinzen d. preuß. Staates.<br />
Viertelj. Schr. 12. S. 1—37.<br />
Hist.<br />
^ Dahlmann. (5. 5., <strong>Gesch</strong>. o. Danemark. 3 Bde. Hamburg 1340—43.<br />
>Dannenb erg. h.. Münzgeschichte Pommerns im M. A. Berlin 1893.<br />
Dauch, B.. Die Vischofsstadt als Residenz der geistl. Iürsten. Berlin 1913.<br />
Dehio. G.. handb. d. deutsch. Kunstdenkmäler. ll. Berlin 1906.<br />
Dehio u. Bezold. Die kirchl. Baukunst des Abendlandes. 2 u. 5 Bde.<br />
Stuttgart 1887—1901.<br />
) Diest. h. v.. <strong>Gesch</strong>. <strong>und</strong> Urzeit des Landes Daber. Stettin 1904.<br />
Dohme, Die Kirchen des Cistercienserordens in Deutschland. Leipzig 1869.<br />
Dopsch. A.. Die ältere Sozial« <strong>und</strong> Wirtschaftsverfassung der Alpenslaven.<br />
Weimar 1909.<br />
VDuda, 3.. Die territoriale Entwicklung des polnischen Pommern. Krakau<br />
1909 (polnisch).<br />
Dümmler u. Kövke. Kaiser Otto der Große. (Jahrb.). Leipzig 1876.<br />
Ehrenkreuz, S.» Beitr. zur sozialen <strong>Gesch</strong>. Polens im 13. Jahrh.<br />
Leipz. Diss. (Warschau) 1911.<br />
Engelienu. Henning. <strong>Gesch</strong>. der Stadt Landsberg a. d. W.<br />
berg 1857.<br />
Lands-<br />
3esi schrift <strong>für</strong> Lemcke: Beiträge zur <strong>Gesch</strong>ichte <strong>und</strong> Altertumsk<strong>und</strong>e<br />
Pommerns. Stettin 1898.<br />
er, I.. Vom Reichs<strong>für</strong>stenstande. 2 Bde. Innsbruck 1861. 1911.<br />
— Ueber das Eigentum des Reichs am Reichskirchengute. Sitz.-Ver. Wiener<br />
Akad. 1872.<br />
— Ueber einen Spiegel deutscher Leute <strong>und</strong> dessen Stellung zu Sachsen<strong>und</strong><br />
Schwabenspiegel. Desgl. 1852.<br />
3ink. E.. Siegfried lll. von Eppenstein. Dtss. Rostock 1892.<br />
3idicin. E.. Kaiser Karls lV. Landb. der Mark Brandenburg.<br />
1856.<br />
— Die Territorien der Mark Vrandenbg. Berlin 1857 f.<br />
Berlin<br />
3ix. W.. Die Territorialgeschichte des preuß. Staates. Berlin 1834'.<br />
3ock. Riigensch-<strong>pommersche</strong> <strong>Gesch</strong>ichten aus 7 Jahrh<strong>und</strong>erten. 6 Bde.<br />
Berlin 1861—72.<br />
3olz. A.. Kaiser 3rtedrlch II. u. Papst Innocenz IV. Straßburg 1905.<br />
3 ranz. A.. Die Messe im deutschen Mittelalter. 3reib. 1902.
IO Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammtn.<br />
XIreitag, H., Das Archidiakonat PomMerellen der D. Wloclamek im M. A.<br />
Altpr. Monatsschr. 41. S. 204—233.<br />
3rie, B., Die Entwicklung der Landeshoheit der Mind. Bischöfe. Diss.<br />
Münster 1909.<br />
Iriedeborn, P.. Hist. Beschreibung der Stadt Alten^Stettin. Stettin<br />
1613.<br />
Friedrichs. I., Burg <strong>und</strong> territoriale Grafschaften. Diss. Bonn 19N7.<br />
Iuchs, W., Die Besetzung der deutschen Bist, unter P. Gregor IX. u.<br />
bis zum Reg.-Antritt P. Innocenz' IV. Diss. Berlin 1911.<br />
Geffcken, H., Die Krone <strong>und</strong> das niedere deutsche Kirchengut unter<br />
Kaiser Friedrich II. Jena 1890.<br />
Ger net, A. v.. Berfassungsgesch. d. Bist. Dorpat. Dorpat 1896.<br />
Gest erding u. Pnl. Beitr. z. <strong>Gesch</strong>. d. Stadt Greifswald. 4 Bde.<br />
Greifswald 1827 ff.<br />
Gierke, O.. Das deutsche Genossenschaftsrecht I. Berlin 1868.<br />
'vGie set, recht, L., Wendische <strong>Gesch</strong>. aus den Jahren 780—1182. 3 Bde.<br />
Berlin 1843.<br />
Götze, K., <strong>Gesch</strong>. der Stadt Demmin. Demmin 1903.<br />
^ ^Grotefend, 5).. Die Grenzen des Bistums Kammin. Mecklenbg. Jahrb.<br />
66 S. 1 ff.<br />
Gumplowicz, M.. Iur <strong>Gesch</strong>ichte Polens im M. A. Innsbruck 1898.<br />
Guttmann, B., Die Germanisienlng der Slaven in der Mark. Iorsch.<br />
z. br. pr. <strong>Gesch</strong>. 9 S. 394 ff.<br />
Ha dicke, H., Die Reichsunmittelbarkeit <strong>und</strong> Landsässigkeit der Bistümer<br />
Brandenburg <strong>und</strong> Havelberg. Programm Psorta 1882.<br />
— Die Landeshoheit der Bischöfe von Brandenburg, Haoelberg <strong>und</strong> Lebus.<br />
Berlin 1882.<br />
Hahn, 3 G., Die Städte der norddeutschen Tiefebene in ihrer Beziehung<br />
zur Bodengestaltung. Stuttgart 1885.<br />
Hahn. I. C., <strong>Gesch</strong>. d. Stadt Greifswald. Greifswald 1860.<br />
Haben, Drei Beitr. zur Erläuterung der Stadtgesch. o. Stolp, hrsggb.<br />
von 3eige. Stolp 1866.<br />
Hauck, A., Kirchengeschichte Deutschlands. 5 Bde. Leipzig.<br />
— Die Entstehung der geistl. Territorien. Abhdlg. Sachs. Ges. d. Wissensch.,<br />
Phil.-Hist. Klasse Bd. 27. 646—672. Leipzig 1909.<br />
— Die Entstehung der bischöflichen Iürstenmacht. Progr. Leipzig 1891.<br />
Heberlein. B.. Beitr. z. <strong>Gesch</strong>. der Burg <strong>und</strong> Stadt Wolgast. Wolgast<br />
1892.<br />
Hechelmann, Ueber die Entwicklung der Landeshoheit der Bischöfe von<br />
Münster bis zum Ende des 13. Jahrh. Progr. Münster 1868.<br />
Hetnemann. L. v., Die welfischen Territorien. Diss. Leipzig 1882.<br />
Heinemann. O. v., Albrecht der Bär. Darmstadt 1864.<br />
Hellbach, I. C., Arch. f. die Geographie, <strong>Gesch</strong>. <strong>und</strong> Statistik der Grafschaft<br />
Gleichen <strong>und</strong> ihrer Besitzer. I. Altenburg 1805.<br />
Henner, T., Bischof Hermann I. von Lobdeburg u. die Befestigung der<br />
Landesherrlichkeit im Hochstift Würzburg. Haoil. Schrift Würzburg 1875.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 11<br />
Hinschius, P.. Das Kirchenrecht der Katholiken <strong>und</strong> Protestanten in<br />
Deutschland. 6 Bde. Berlin 1869—1897.<br />
— Der landesherrliche Patronat. Berlin 1857.<br />
— 3ur <strong>Gesch</strong>. d. Inkorporation <strong>und</strong> des Patronatrechtes (Iestgaben f.<br />
heffter). Berlin 1873.<br />
Hintze. O.. Das Königtum Wilhelms von Holland. Leipzig 1885.<br />
Hirsch, H.. Die Klosterimmunität seit dem Inoestiturstreit. Weimar 1913.<br />
Hub er, A., Die Entstehung der weltlichen Territorien der Hochstifter Trient<br />
<strong>und</strong> Brisen. Arch. f. österreichische <strong>Gesch</strong>. 63 S. 609—654.<br />
Iacobi, E., Patronate juristischer Personen. Stuttgart 1912.<br />
^Island, Z., <strong>Gesch</strong>. d. Bistums Kammin unter Konrad lll. Progr.<br />
> ^ Stettin 1896.<br />
Kaim. I.. Das Kirchenpatronatrecht. 2 Bde. Leipzig 1845—1366.<br />
) Kantzow, T.. Chronik von Pommern. Hrsggd. v. Gabel. 2 Bde. Stettin<br />
1897—98. <strong>und</strong> Böhmer. Stettin 1835.<br />
? Ka st en. A.. Beitr. z. Baugesch. des Kammwer Doms. Berlin 1883.<br />
Kehrberg. Abriß der <strong>Gesch</strong>. der Stadt Königsberg in der Neumark.<br />
Berlin 1724.<br />
Kemp f. I.. <strong>Gesch</strong>. d. deutschen Reiches mährend des großen Interregnums.<br />
Würzburg 1893.<br />
Kerl er. D. H., Die Patronate der Heiligen. Ulm 1905.<br />
) ^Ketrzynski. Die polnischen Ortsnamen der Provinzen Preußen <strong>und</strong><br />
^ Pommern. Lemberg 1879.<br />
Kiener, 3., Studien zur Verfassung des Territoriums der Bischöfe von<br />
Straßburg. I. Leipzig 1912.<br />
>vKlemvin, R., Die Exemtion des Bistums Kammin. Balt. Stud. 23.<br />
S. 195—276.<br />
Kl öden. Die Marienoerehrung in der Mark Brandenburg. Berlin 1839.<br />
Kotljarevski, A., Die Sagen über Otto von Bamberg <strong>und</strong> ihr Verhältnis<br />
zu den <strong>pommersche</strong>n Altertümern <strong>und</strong> <strong>Gesch</strong>ichte. Petersburg 1891.<br />
12 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
-<br />
Liebegott, M., Der brandend. Landvogt. Halle 1906.<br />
Lie fmann. M.. Kunst <strong>und</strong> Heilige. Jena 1912.<br />
Loening. E.. <strong>Gesch</strong>. des deutschen Kirchenrechts. 2 Vde. Straßburg 1878.<br />
^Lohmeyer. K., <strong>Gesch</strong>. von Ost- <strong>und</strong> Westpreußen. «2. Gotha 1908.<br />
Looshorn. I.. <strong>Gesch</strong>. des Vistums Bamberg. München 1836 ff.<br />
^. Lutsch. H.. Die mittelalterlichen Backsteinbauten Mittelpommerns. Berlin<br />
1890.<br />
Marre. W.. Die Entwicklung der Landeshoheit in der Grafschaft Mark<br />
bis zum Ende des 13. Jahrh. Rostock 1907.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammln. 13<br />
Otte, H., Handb. der Kirch!. KunstarchSologie des deutschen M.A.<br />
Leipzig 1884—85.<br />
Peters, A., Die Entstehung der Amtsverfassung im Hochstift Hildesheim.<br />
Ieitschr. hist. Verein f. Niedersachsen 1905. S. 215—278.<br />
Pflugk-Harttung, I. v.. Die Anfänge des Iohannlter-Oroens in<br />
Deutschland, besonders in der Mark Brandenburg <strong>und</strong> in Mecklenburg.<br />
Berlin 1899.<br />
Plinski. 3.. Die Probleme hist. Kritik in der <strong>Gesch</strong>. des ersten Preußenbischofs.<br />
Diss. Breslau 1903.<br />
Pdschl, A., Blschofsgut <strong>und</strong> menga epkcopalig, 2 Tle. Bonn 1908/9.<br />
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85. S. 489—515.<br />
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Schnell. E.. Sankt Nicolaus. 5 Hefte. Brunn 1883—85.<br />
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Stutz. U., <strong>Gesch</strong>ichte des kirchl. Benefizialwesens bis auf Alexander M. l.<br />
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Berlin 1895.<br />
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Stämme in Nord' <strong>und</strong> Mitteldeutschland während des 12. <strong>und</strong> 13. Jahr«<br />
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16 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammin.<br />
.<br />
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hist. Klasse 1886.<br />
Weber, H., Der Kampf zwischen Innocenz lV. <strong>und</strong> Friedrich ll.<br />
Berlin 1900.<br />
Wehrmann. M.. <strong>Gesch</strong>. o. Pommern. 2 Bde. Gotha 1904—06.<br />
— <strong>Gesch</strong>. der Stadt Stettin. Stettin 1911.<br />
— Aus Pommerns Vergangenheit. Stettin 1891.<br />
— Bischof Arnold zu Kammin. 1324—1330. Ieitschr. f. Kirchengesch.<br />
Bd. 19.<br />
^- Bischof Johann l. von Kammin. 1343—1370. Valt. Studien 46. S. 1—44.<br />
— Kammin <strong>und</strong> Gnesen. Itschr. d. hist. Ges. Posen Bd. 11. 138 f.<br />
Wehrmann, P., Kloster Kolbatz <strong>und</strong> die Germanisierung Pommerns, l.<br />
Progr. Pyritz 1905.<br />
Werminghoff, A.. <strong>Gesch</strong>ichte der Kirchenverfassung Deutschlands im<br />
M.A. l. Hann. u. Lpzg. 1905.<br />
— Verfassungsgesch. der deutschen Kirche im M. A. (Meisters Grunoriß).<br />
Leipzig 191^2.<br />
Wcrnedurg, R.. Gau. Grafschaft <strong>und</strong> Herrschaft in Sachsen bis zum<br />
Übergang an das Landes<strong>für</strong>stentum. Diss. Göttingen 1910.<br />
W c st p h a l. P.. Ein ehemaliges Klosterterriturium in Pommerellen<br />
(--. Pelplin). Danzig 1905.<br />
Wichmann , 3., Untersuchungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Verden.<br />
Diss. Göttingen 1905.<br />
Wieder hold, W.. Untersuchungen zur Staats«- <strong>und</strong> Verfassungsgeschichte<br />
der nordalbingischen Territorien (1234—1261). Diss. Göttingen 1897.<br />
Wiese. A.. Die Cistcrcienser in Dargun von 1172 bis 1300. Diss. Rostock<br />
1888.<br />
Wiesen er. W.. Die <strong>Gesch</strong>ichte der christlichen Kirche in Pommern zur<br />
Wendenzeit. Berlin 1889.<br />
— Die Gründung des Bistums von Pommern <strong>und</strong> die Verlegung des<br />
Bischofssitzes von Wollin nach Kammin. Itschr. f. Kirchengeschichte 10.<br />
S. 1—53.<br />
Wigger, 3-, Mecklbg. Annalen bis zum Jahre 1066. Schwerin 1860.<br />
Witte. H.. Wendische Vevolkerungsreste in Mecklenburg. Stuttgart 1905.<br />
— Mecklenburgische <strong>Gesch</strong>ichte, l. Wismar 1909.<br />
Wohlbrück. S. W., <strong>Gesch</strong>ichte des ehemaligen Bistums Lebus <strong>und</strong> des<br />
Landes dieses Namens. 3 Bde. Berlin 1829—1832.<br />
Wolters dor f. T.. Die Rechtsverhältnisse der Greifswalder Pfarrkirchen<br />
im Mittelalter. Greifswald 1888.<br />
Wörner <strong>und</strong> Denkinger. Das städtische Hospital zum Hl. Geist<br />
in Schwab. Gmünd. mit Abhandln., über die <strong>Gesch</strong>ichte der Hospitäler im<br />
Altertum <strong>und</strong> Mittelalter. Tübingen.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 17<br />
^ , P. s-- Zillg. Valent. Winter), ?Ii3wng epi3cc?patu3 (2aminen3i3.<br />
X ^udewig, script, rerum diermanicarum ll, S. 496—679.<br />
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V 3 ick ermann, 3.. Die Begründung des bländenburgisch < <strong>pommersche</strong>n<br />
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^— Das Lehnverhältnis zwischen Brandenburg <strong>und</strong> Pommern tm 13. <strong>und</strong><br />
14. Jahrh<strong>und</strong>ert. Iorschungen zur brandenbg. u. pr. <strong>Gesch</strong>. 4.
18 3olschungen zur kilteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammln.<br />
^ Dreg er, 3. v., (^oclex ^omeraniae vicinarumque re^ionum clipl. I.<br />
Berlin 1748.<br />
fabre et l)uclie8ne, l.e Über censuum cle l'6^li3e Romaine.<br />
Paris 1889 f.<br />
Ja ori cius, C. G.. Urk<strong>und</strong>en zur <strong>Gesch</strong>ichte des Fürstentums Rügen<br />
unter den eingeborenen 3ürsten. 4 Bde. Strals<strong>und</strong> 1841—69.<br />
^Ge st erding, C. G. N., Verzeichnis <strong>und</strong> Nachweisung der bisher gedruckten<br />
Pommerschen Urk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Perordnungen. Rostock 1781—1783.<br />
Hach. I. I.. Das alte kubische Recht. Lübeck 1lN9.<br />
Hasselbach-Kosegarten, s. docl. ?om. clipl.<br />
Ia f f e, P., Monumenta ßamder^engia (Libi, rerum OermZnicarurn V).<br />
Berlin 1869.<br />
Klem pin. R.. Dipl. Beitr. zur <strong>Gesch</strong>ichte Pommerns aus der Ieit Bogislafs<br />
X. Berlin 1859.<br />
Kötzschke. R., Quellen zur <strong>Gesch</strong>. d. ostdeutsch. Kolonisation im 12. bis<br />
14. Jahrh<strong>und</strong>ert. Leipzig 1912.<br />
Krabbo. H.. Regesten der Markgrafen von Brandenburg aus Askanischem<br />
Hause. Leipzig 1910 f.<br />
Das Neumarkische Land buch Markgrafs Ludwigs d. Ä.. hrsg. von<br />
Gollmert. Irankfurt a. O. 18K2.<br />
Kaiser Karls IV. Land buch der Mark Brandenburg, hrsg. von 3idicin.<br />
Berlin 1856.<br />
Lisch, G. C. 3., Urk<strong>und</strong>en des Klosters Broda. Schwerin 1838.<br />
^3lM2le 8EU Krevl3sium iuxta ritum cle Omin. Basel 15^1.<br />
Mecklenburgisches UrK<strong>und</strong>enbuch. Schwerin 1863 ff.<br />
^l352le 8ecunclum veram rubricam et orcimarium ecclesie
3orschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 19<br />
Rei tzenstein. C. C. v.. Regesten der Grafen von Orlamünde. Bayreuth<br />
1871.<br />
^) Repertorium o'ipl. reß^ni Oanici meckiaevalig, hrsg. v. Ersleo, Christenfen<br />
- u. Hude. Kopenhagen 1894 f.<br />
Riedel, A. I., doclex diplomatici^ 8l-anclerlbur3erl3i8. Berlin 1838—69.<br />
(zit. Riedel ^. Z. d. Chroniken.)<br />
^) — Magazin des Proninzial«- <strong>und</strong> statutarischen Rechts der Mark Brandenburg<br />
<strong>und</strong> des Herzogthums Pommern. 3 Bde. Berlin 1837—39.<br />
Riezler, S., Vatikanische Akten zur deutschen <strong>Gesch</strong>ichte in der Zeit<br />
K. Ludwigs des Bayern. Innsbruck 1891.<br />
Sachsenspiegel, hrsg. von Weisbe-Hildebranot. Leipzig 1905».<br />
-x äaxo Orammaticus, ^istoria Oanica (Oesta l)2norum), hrsg. von Müller<br />
^ u. Belschow. 3 Bde. Kopenhagen 1839—58, <strong>und</strong> A. Holder, Strasburg<br />
1886.<br />
Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten <strong>und</strong> Urk<strong>und</strong>en, hrsg. von Hasse.<br />
3. Bde. Hamburg <strong>und</strong> Leipzig 1886—96.<br />
VSchoettgen <strong>und</strong> Kreysig, Diplomata et gcriptores nistoriae Qer-<br />
^^ manicae meclii aevi. lll. Altenburg 1760.<br />
3criptorez rerum polonicarum. 20 Bde. Krakau 1873 ff.<br />
äcript. rer. psuzzicarum, hrsg. von Hirsch. Tappen, Strehske. 5 Bde.<br />
Leipzig 1861—74.<br />
^ Sehling, E., Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />
Leipzig 1902 ff.<br />
Thorkelin, Oiplomatarium ^rna-^a^naeanum. 2 Bde. Kopenh. u.<br />
Leipz. 1786.<br />
Th einer, A., Monumenta nifitorica polonice. 4 Bde. Rom 1860—64.<br />
UrK<strong>und</strong>enbuch der Stadt Braunschweig. hrsg. von Hänselmann <strong>und</strong> Mack.<br />
Braunschmeig 1873 ff.<br />
Urk<strong>und</strong>enbuch des Bistums Lübeck, hrsg. von Leverkus. l. Oldenburg 1856.<br />
Urk<strong>und</strong>enbuch des Hochstifts Hildesheim <strong>und</strong> seiner Bischöfe, hrsg. von<br />
Ianickc <strong>und</strong> Hoogeweg. Leipz. u. Hannover 1886 ff.<br />
UrK<strong>und</strong>enbuch der Stadt Hildesheim, hrsg. v. Doebner. 8 Bde. Hildesheim<br />
1881—1901.<br />
Nrb<strong>und</strong>enbuch des Hochftlfts Meißen, hrsg. v. Gersdorf. I. Leipzig 1864.<br />
Urk<strong>und</strong>ensammlung l)er Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Gesellschaft <strong>für</strong><br />
vaterländ. <strong>Gesch</strong>. 2 Bde. Kiel 1839—50.<br />
Die Urk<strong>und</strong>en des Stiftes Walkenried. Hannover 1832.<br />
We stphalen, E. 3. v., Monumenta ineclitg rerum Oermanic^rum<br />
precipue (Üimbri^. et ^e^apol. 4 Bde. Leipzig 1739—45.<br />
Wil'belmann, E.. ^cta imperii inedita 8ec. Xlll et XlV. 2 Bde.<br />
Innsbruck 1880—85.<br />
Ieumer, K., Quellensammlung z. <strong>Gesch</strong>. der Deutschen Reichsverfassung<br />
in M. A. u. Neuzeit. Leipzig 1904.<br />
IN. Zeitschriften <strong>und</strong> periodische Veröffentlichungen.<br />
Altpreuß. Monatsschrift, hrsg. von Reicke u. Wichert, 1864 ff.<br />
Arch f. <strong>Gesch</strong>ichtsk<strong>und</strong>e des preuh. Staats, hrsg. von o. Ledebur, 1830 f.<br />
Arch. f. kath. Kirchenrecht.<br />
Arch. f. Kulturgeschichte, hrsg. v. Steinhaufen.
20 Forschungen zur alteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
Arch. f. slavische Philologie, hrsg. v. Iagiö.<br />
Balt. Studien. Bd. 1—46 (1832 ff.). N^ 3. l. f. (1897 ff.). Stettin.<br />
Dähnert, I. C.. Pommersche Bibliothek. Greifswald 1750—56.<br />
Deutsche Zeitschrift <strong>für</strong> Kirchenrecht, hrsg. n. Friedberg <strong>und</strong> Sehling.<br />
Der Duisburgischen Gelehrten Gesellschaft Schriften. I. Duisburg <strong>und</strong><br />
Cleve 1761.<br />
Forschungen zur Brandenburgischen <strong>und</strong> Preußischen <strong>Gesch</strong>ichte. Leipzig<br />
1888 ff. (zit.: 3. br. pr. <strong>Gesch</strong>.).<br />
<strong>Gesch</strong>ichtsblätter <strong>für</strong> Stadt <strong>und</strong> Land Magdeburg.<br />
Globus (Bd. 66).<br />
Jahrbuch <strong>für</strong> Brandenburgische Kirchengeschtchte. Berlin 1904 ff.<br />
Jahrbücher <strong>und</strong> Iahregberichte des Vereins <strong>für</strong> Mecklenb. <strong>Gesch</strong>. <strong>und</strong> Altertumsk<strong>und</strong>e.<br />
Schwerin 1836 ff.<br />
Korresvondenzblatt des Gesamtnereins der Deutschen <strong>Gesch</strong>ichts- <strong>und</strong> Alter»<br />
tumsoereine. Berlin.<br />
Märkische Forschungen. Berlin 1841 ff.<br />
Mitteilungen des Vereins <strong>für</strong> die <strong>Gesch</strong>ichte <strong>und</strong> Altertumsk<strong>und</strong>e von Erfurt.<br />
Mitteilungen, hrsg. von dem Verein <strong>für</strong> die <strong>Gesch</strong>ichte der Neumark.<br />
Nr. l—13. 1891-95.<br />
Monatsblätter, hrsg. von der Ges. <strong>für</strong> <strong>pommersche</strong> <strong>Gesch</strong>ichte <strong>und</strong> Altertums«<br />
K<strong>und</strong>e. Stettin 1887 ff.<br />
Monatsblätter des Touristen-Klubs <strong>für</strong> die Mark Brandenburg (Bd. 13).<br />
Nachrichten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Gättingen.<br />
Phil.'hist. Kl.<br />
Pommersche Jahrbücher, hrsg. vom Rügisch-Pommerschen <strong>Gesch</strong>ichts-Verein<br />
zu Greifswald <strong>und</strong> Strals<strong>und</strong>. Greifswald 1900 f.<br />
^ Schöttgen, Chr.. Altes <strong>und</strong> neues Pommerland. Stargard 1721—27.<br />
Schriften des Vereins <strong>für</strong> <strong>Gesch</strong>ichte der Neumark. Landsberg 1893 f.<br />
Zeitschrift des Harzoereins <strong>für</strong> <strong>Gesch</strong>. u. Altert.<br />
Zeitschrift des hist. Vereins <strong>für</strong> Niedersachsen.<br />
Theologische Quartalschrtft.<br />
Zeitschrift der hist. Gesellschaft <strong>für</strong> die Provinz Posen. Posen 1885 f.<br />
Zeitschrift <strong>für</strong> deutsches Recht.<br />
Zeitschrift <strong>für</strong> Kirchenrecht.<br />
Zeitschrift <strong>für</strong> osteuropäische <strong>Gesch</strong>ichte.<br />
Abkürzungen.<br />
P. — Pommersches UrK<strong>und</strong>enbuch.<br />
Nr. 1— 583. die Jahre 786—1253. Bd. l.<br />
—1408 „ .. —1286 ll.<br />
—1969 .. .. —1300 lll.<br />
—2647 .. « —1310 IV.<br />
—3443 „ „ —1320 V.<br />
—4143 „ „ —1325 (Nachtr.) VI.<br />
d o ä -- (2ci6ex pomcraniae clipl., hrsg. von Hasselbach-Kosegarten.<br />
Monatsblätter --- Mbl.. hrsg. v. d. Ges. f. Pommersche <strong>Gesch</strong>ichte<br />
Altertumsk<strong>und</strong>e.<br />
Zu den andern Abkürzungen vgl. das Literaturverzeichnis.
Kap. I.<br />
Die Wahl Bischof Hermanns in Hildesheim (1246)<br />
<strong>und</strong> in Kammin (1251).<br />
Die Lebensarbeit des Mannes, der uns in den vorliegenden<br />
Untersuchungen besonders beschäftigen wird, liegt auf einem Oebiet,<br />
das erst zu seiner Zeit <strong>und</strong> zum guten Teil durch seine Tätigkeit in<br />
die deutsche <strong>Gesch</strong>ichte eingetreten ist. Trotzdem sind es gerade die<br />
inneren Stürme des alten Reichs, die ihn zu seiner Stellung emporgetragen<br />
haben. Ein paar Jahre schien er diese Kämpfe mit an<br />
leitender Stelle ausfechten zu sollen. Dann hat ihn die Kurie zum<br />
Hüter eines wichtigen Grenzpostens im fernen Osten bestellt. Im<br />
slavischen Neulande hat Bischof Hermann von Kammin eine größere<br />
<strong>und</strong> dankbarere geschichtliche Mission erfüllen sollen, als ihm nach<br />
menschlichem Ermessen in Hildesheim vergönnt gewesen wäre.<br />
Wir stehen im Jahre 1246. Der Kampf zwischen den Hohenstaufen<br />
<strong>und</strong> dem Papsttum neigt der Entscheidung zu. Innocenz IV.<br />
läßt alle Kräfte spielen, den Sieg an sich zu reißen. Jeden Sonntag<br />
soll von geweihtem Ort das Anathem gegen Friedrich II. verkündigt<br />
werden. Von Flandern bis Polen wird das Kreuz gegen den Kaiser<br />
gepredigt. Innocenz will den 3eind zu seinen 3üßen sehen, „auch<br />
wenn die Sterne vom Himmel fallen <strong>und</strong> die Ströme in Blut ver-<br />
- wandelt würden"l). An der verw<strong>und</strong>barsten Stelle, in Deutschland<br />
selbst soll das Kaisertum gefaßt werden. Die Legaten, würdige<br />
Schüler ihres Meisters, entwickeln eine rastlose Tätigkeit. Im<br />
Sommer 1245 war Philipp von Ferrara^) nach Deutschlank gegangen.<br />
Mit barem Gelde. Provisionen <strong>und</strong> Dispensen <strong>für</strong> die<br />
3re<strong>und</strong>e, mit dem Bannstrahl <strong>für</strong> die Widersacher wurde nicht gespart.<br />
Die weltlichen Fürsten zur Wahl eines neuen Königs zu<br />
zwingen, besaß man noch nicht die Macht. Um so schärfer ging man<br />
') Dobenecker. Reg. Thuringiae M. 1385.<br />
2) Vergl. Canz. Philipp Iontana. Die kurze Darstellung der Hildes«<br />
heimer Iehdc S. 27 f. folgt im wesentlichen Aldinqer.
22 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
gegen die geistlichen Herren vor. Zwei Erzbischöfe, zehn Bischöfe<br />
<strong>und</strong> fünf Neichsiibte wurden gleichzeitig erkommuniziert'). Da<br />
Wurde mancher mürbe <strong>und</strong> müde im aussichtslosen Streit <strong>und</strong> vertauschte<br />
seine Würde mit der Stille des Klosters, um fern vom<br />
Kampfgetümmel seine Tage in Ruhe zu beschließen. Iu ihnen gehörte<br />
Bischof Konrad ll. von Hildesheim?). (Hegen Ende des Iriihjahres<br />
1246 legte er sein Amt in die Hände des Legaten zurück.<br />
Gleichzeitig mit der Vollmacht, die Abdankung Konrads anzunehmen,<br />
hatte der Papst an Philipp Anweisungen <strong>für</strong> die erforderliche<br />
Neuwahl gesandt ^). OMulo precisila, ut infra certum<br />
terminum a te prefiAenöum el8
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammm. 23<br />
Klosters. Bischof Hermanns Vater. Graf Lambert l!., ist derjenige<br />
Gleichen, an dessen Grabstein im Erfurter Dom die bekannte<br />
Sage von der Doppelehe mit einer deutschen Gräfin <strong>und</strong> einer<br />
sarazenischen Prinzessin angeknüpft haN) Unter Lambert <strong>und</strong><br />
seinem Bruder Ernst III. von Velsecke gelangte das 5)aus zu hoher<br />
Blüte-). Graf Ernst IV.. der Bruder Hermanns, nahm am 22.Mai<br />
1246 in Veitshöchheim an der Erhebung Heinrich Raspes zum<br />
römischen Konig teil^). Da er bei dieser Gelegenheit mit Philipp<br />
zusammengetroffen ist <strong>und</strong> die RUcktrittsabsicht Bischof Konrads<br />
dem Legaten bereits bekannt war, so wird schon damals eine Kandidatur<br />
Hermanns auf den hildesheimer Stuhl erwogen worden<br />
sein. Mit den Grafen von Orlamiinde. Kirchberg <strong>und</strong> Eberstein<br />
waren die Gleichen eng verschwägert. Herzog Otto das Kind von<br />
Braunschweig <strong>und</strong> seine Tochter Elisabeth, die spätere Gemahlin<br />
König Wilhelms von Holland, nennen Konrad ihren con83n^imeu8<br />
And nep08^). Diese 3amilienbeziehungen sind <strong>für</strong> die <strong>Gesch</strong>ichte<br />
des Bistums Kammin <strong>und</strong> des Herzogtums Pommern sehr wichtig<br />
geworden. Zum ersten Male ist Hermann urk<strong>und</strong>lich nachweisbar<br />
in einem Kaufverträge der älteren regierenden Brüder Ernst <strong>und</strong><br />
Heinrich vom Jahre 1230 5). Seiner Verwandtschaft mit Herzog<br />
Otto wird er es verdanken, daß er in jugendlichem Alter Propst an<br />
i> Wenieburg. MM. Erfurt Bd. 6 Vergl. ihr Vorkommen in den kaiserlichen <strong>und</strong> königlichen Urk<strong>und</strong>en<br />
bei B—3.. V <strong>und</strong> Dobenecker. Reg. Thür. l—lll.<br />
2) B—3., V 4867. Auch bei Kempfs Konjektur (Interregnum S. 273).<br />
daß in der Ieugenreihe der viel umstrittenen Urk<strong>und</strong>e 16 oder 18 Namen<br />
erst später vom Kloster Korven nachgetragen seien, ist die Beteiligung des<br />
Grafen Ernst an der Wahl sicher.<br />
l) König Waldemar l. von Dänemark ist der Großvater Ottos <strong>und</strong><br />
Urgroßvater Hermanns. Vermutlich bestand durch eine Heirat eine noch<br />
nähere Verwandtschaft zwischen beiden. Vergl. auch die Braunschweigische<br />
Reimchrontk
24 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums ssammln.<br />
St. Cyriaci in Braunschweig wurde ^). Als zweite Pfründe besaß<br />
er ein Kanonikat in Hildesheim.<br />
Wie die Verhältnisse in Hildesheim lagen, war eine einmütige<br />
Wahl von vornherein ausgeschlossen. Nur der Kantor <strong>und</strong> sieben<br />
Kanoniker des Kapitels, das überdies durch Siegfried lll. von<br />
Mainz wegen Verweigerung eines erzbischöflichen Fünften erkommuniziert<br />
<strong>und</strong> suspendiert war. einigten sich auf den Grafen<br />
Hermann <strong>und</strong> postulierten ihn, da er das kanonische Alter noch<br />
nicht erreicht hatte, vom Papste zum Bischofs. Kraft seiner Vollmacht<br />
wies ihn Philipp von Ferrara sofort m das bischöfliche Amt<br />
ein. Eine Reihe niederdeutscher Fürsten <strong>und</strong> Grafen, unter ihnen<br />
Hermanns Verwandte. König Waldemar II. von Dänemark. Herzog<br />
Otto das Kind, die Markgrafen Johann l. <strong>und</strong> Otto lll. von<br />
Brandenburg u. a., wurden mit seinem Schutze beauftragt ^).<br />
Aber die Gegenpartei ließ sich die Einmischung des Legaten<br />
<strong>und</strong> die Verletzung ihres alten Rechts nicht gefallen. Vom Vanne<br />
gelöst wählten Propst. Dekan. Scholaster. Thesaurar <strong>und</strong> sechzehn<br />
Domherren ihren Mitkanoniker, den Propst Heinrich von heiligonstadt,<br />
<strong>und</strong> bäten Erzbischof Siegfried als Metropoliten um die<br />
kanonische Bestätigung. Dem Erzbischof kam dieser Anlaß, gegen<br />
die Uebergriffe des Legaten vorzugehen, höchst erwünscht, <strong>und</strong> er<br />
erfüllte gern die an ihn gerichtete Bitte. Auch Heinrich Raspe belehnte,<br />
falls wir dem Chronicon hildesheimense glauben dürfen,<br />
den Gegenkandidaten Heinrich mit den königlichen Regalien.<br />
Der weitere Verlauf des <strong>für</strong> die Beurteilung der Politik<br />
Innocenz' IV. sehr bemerkenswerten Streites interessiert uns hier<br />
in seinen Einzelheiten nichts. Mit bewaffneter Hand verdrängte<br />
1) Erste Urklmdung 1242- U.B. Stadt Braunschweig li Nr. 106 S. 41.<br />
Er ist jedoch nicht identisch, wie Aldinger, Neubesetzung S. 57. vermutet,<br />
mit dem tterm2nu8 prerio5itu3 cle Olitke. Dieser ist vielmehr Propst an<br />
St. Bartholomäi in Hildesheim <strong>und</strong> Archidiakon von Liihnke; vergl. seine<br />
Urk<strong>und</strong>ungen im U.B. Hochstift Hildesheim Bd. II.<br />
2) Reg. d'Innocent lV. Nr. 2587 gibt eine ausführliche Beschreibung<br />
der Doppelwahl.<br />
") U.B. Hochstift Hildesheim II Nr. 814 S. 412 f.<br />
4) Ich verweise auf die ausführlichen Darstellungen von Aldinger. Die<br />
Wahl Bischof Heinrichs I. von Hildesheim <strong>und</strong> dessen epistola apologetica<br />
über seine Wahl (3. H. V. Niedersachsen 1896. S. 115 f.) <strong>und</strong> Die Neubesetzung<br />
der deutschen Bistümer unter Papst Innocenz IV. S. 55 f. <strong>und</strong><br />
140 f. Trotz der sorgfältigen Untersuchungen sehen wir in den Gr<strong>und</strong>motiven<br />
der ganzen Angelegenheit nicht recht klar. Wie konnte beispielsweise Philipp<br />
<strong>für</strong> den Hildesheimer Stuhl deshalb den Grafen von Gleichen wählen, weil<br />
dieser durch seine Verwandtschaft mit den benachbarten Herrengeschlechtern die
3orschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammtn. 25<br />
Hermann binnen kurzer Zeit seilten Gegner aus dom Vwwm. Iwar<br />
nahm sich Erzbischof Siegfried seines Schützlings beim Papste nach<br />
Kräften an. Ader Hermann kümmerte sich um die päpstlichen Befehle<br />
zur Verzichtleistung auf f)ildesheim ebenso wenig wie um die<br />
erzbischöfliche Exkommunikation. Er mochte wohl wissen, daß die<br />
Erlasse aus Lyon, die dem Papste immer nur nach langen Verhandlungen<br />
abgenötigt werden konnten, nicht ernst gemeint waren.<br />
Mit doppeltem Eifer trieb er päpstlich« Politik. Auf dem Tag<br />
zu Worringen am 3. Oktober 1247 nahm er an der Wahl König<br />
Wilhelms von Holland tell^). Ob er dabei, was recht nahe liegt,<br />
die Investitur erhalten hat, lassen unsere Quellen nicht erkennen.<br />
Nach langen <strong>und</strong> heftigen Fehden, die auf der einen Seite mit dem<br />
Schwert, auf der andern mit der 3eder geführt wurden, begab sich<br />
Hermann selbst im Sommer 1249 zur Verteidigung seiner Ansprüche<br />
nach Lyon. Innocenz war in einer bösen Zwangslage. Er sollte<br />
seinen Legaten verleugnen, trotzdem dieser im Sinne seines Auftraggebers<br />
gehandelt hatte. Graf Hermann hatte sich als entschlossener<br />
päpstlicher Parteigänger bewährt <strong>und</strong> wurde doch von den Gegnern<br />
mit seinem kaiserlich gesinnten Anhang verdächtigt. Der Erzbischof<br />
von Mainz hatte sich offen der Verfügung Innocenz' über Hildesheim<br />
widersetzt <strong>und</strong> muhte andererseits notgedrungen bei guter<br />
Stimmung erhalten werden. Bischof Heinrich von Straßburg war<br />
staufenfeindliche Macht verstärken sollte? Erzbischof Siegfried <strong>und</strong> Bischof<br />
Heinrich werden schwerlich ganz Unrecht haben, wenn sie den Herzog von<br />
Braunschweig, die Grafen von Gleichen, von Kevernberg u. a. der offenen<br />
oder versteckten Parteinahme <strong>für</strong> Kaiser 3riedrich beschuldigen (Reg. d' Innocent<br />
lV.. 2587. 3584). Die zweite Möglichkeit, auf die man nach den<br />
mangelhaften <strong>und</strong> bis zur bewußten Unwahrheit parteiischen Quellen schließen<br />
könnte, wäre: Philipp hätte absichtlich einen der Gegenpartei nahestehenden<br />
Kandidaten genommen, um auf dessen Ire<strong>und</strong>e durch das unerwartete <strong>und</strong><br />
unverdiente päpstliche Entgegenkommen einen moralischen Druck auszuüben.<br />
Es sei daran erinnert, daft in genau derselben Berechnung das hildesheimer<br />
Kapitel bei der nächsten Erledigung 1260 den Bruder seines Gegners Albrecht<br />
von Braunschweig wählte. Vergl. Bertram. <strong>Gesch</strong>. d. Bist. Hildeshetm l<br />
S. 282 f. 3ür wahrscheinlicher aber halte ich. daß der Legat dem Grafen<br />
Ernst bei dem erwähnten Zusammentreffen als Dank <strong>für</strong> seine Iörderung<br />
der päpstlichen Politik die Promotion des Bruders versprochen hat. Auf<br />
eine Auseinandersetzung mit der eingehenden Darstellung Michels', keben<br />
Otto des Kindes S. 57 f.. darf ich verzichten, da Michels sich ausschließlich<br />
auf die gefälschte esitala apologetica Bischof Heinrichs stützt.<br />
!) Bemerkenswerter Weise zusammen mit Siegfried von Mainz! B.—?.<br />
V 4888. Vergl. Hinhe. Wilhelm von Holland S. 13. Die Angaben S. 6<br />
<strong>und</strong> 69. durch die hintze sich selbst widerspricht, find danach zu berichtigen.
26 Iorschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
auf Gr<strong>und</strong> päpstlicher Vollmacht hegen die Anhänger Hermanns<br />
mit Exkommunikation <strong>und</strong> Interdikt vorgegangen, <strong>und</strong> 5)erzog<br />
Otto hatte dagegen, unter Berufung auf das ausdrückliche Mandat<br />
des Papstes an Philipp, unmittelbar an Innozenz appelliert. Wie<br />
war der Knäuel, den die päpstliche Politik diesmal im eigenen Lager<br />
geschürzt, zu entwirren? Es unterliegt keinem Zweifel, daß dem<br />
Grafen Hermann, um ihn zur freiwilligen Aufgabe seiner Ansprüche<br />
auf hildesheim zu bewegen, die Verleihung des nächsten erledigten<br />
deutschen Bistums versprochen wurde l). Kurze Zeit danach wurde<br />
er von der Kurie zum Bischof von Kammin bestimmt.<br />
Gegen Ende des Jahres 125l) war Bischof Wilhelm von<br />
Kammin nach sechsjähriger ^) Regierung amtsmüde geworden.<br />
Welches die certe cause waren, die ihn zur Abdankung veranlaßten,<br />
wissen wir nicht. Der nach üblicher Gepflogenheit von ihm wahrscheinlich<br />
angeführte Gr<strong>und</strong>, die Schwäche des Alters erlaube ihm<br />
nicht mehr, der schweren Bürde seines Amtes gerecht zu werden, ist<br />
hier, wie so oft. hinfällig. Aus seinem Itinerar während der<br />
folgenden Jahre geht deutlich das Gegenteil hervor. Mit den<br />
Kämpfen im Reich hing sein Wunsch nicht zusammen, niemals wird<br />
der Kamminer Bischof in den zahlreichen päpstlichen Briefen an<br />
den deutschen Episkopat erwähnt.<br />
Dem Papste mußte die Gelegenheit, wieder ein Bistum nördlich<br />
der Alpen mit einer unbedingt ergebenen Persönlichkeit besetzen zu<br />
können, sehr willkommen sein. Sie sicherte ihm eine neue zuverlässige<br />
Stütze an der Ostsee. Allerdings war der Bischof von<br />
Kammin noch nicht Reichs<strong>für</strong>st. Er konnte es aber leicht werden,<br />
besonders wenn ein Mann den Stuhl bestieg, der selbst aus dem<br />
Reiche kam, zu den Reichs<strong>für</strong>sten enge Beziehungen unterhielt<br />
<strong>und</strong> schon an der Reichspolitik tätigen Anteil genommen hatte.<br />
Der Wirkungsbereich dieses Grenzbistums war gewiß nicht groß,<br />
aber Innocenz wußte die Politik der kleinen Mittel zu würdigen 3).<br />
Nun hatte er schon einen Kandidaten zur Hand, der sich in mehr als<br />
einer Richtung empfahl. Zunächst bot Hermann von Gleichen persönlich<br />
durch seine Vergangenheit die beste Gewähr. Innocenz rühmt<br />
Die letzte urk<strong>und</strong>liche Erwähnung Hermanns als<br />
am 11. Dezember 1249. Assevurger U.B. I. Nr. 256 S. 178.<br />
2) Von feiner Wahl ab gerechnet. Wilhelm selbst zählte in seinen Urk<strong>und</strong>en<br />
vom Tage der Weihe <strong>und</strong> deshalb zwei Jahre weniger.<br />
3) So hatte er wenig früher den Domimkanerbruoer Werner wegen<br />
seiner Verdienste um Heinrich Raspe zum Bischof im benachbarten Preußen<br />
ernannt. Reg. d'Innocent IV. 1871, 2126. 2133.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 2?<br />
seine 3o!!ic?'w6o, m
28 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
einholen. Ganz ungewöhnlich <strong>für</strong> den kurialen Stil wird diese Bestimmung<br />
am Schluß der Urk<strong>und</strong>e nach der Pönformel noch einmal<br />
aufgenommen <strong>und</strong> charakteristisch begründet. (Iuig enim imperii<br />
ne^otium precipue insiclet corcli nostro, propter quocl gct illiug<br />
plomotionem vigilantes intenciimuz, mocloz et viaz invenire «tuctenteZ,<br />
quibus pro8pere (lirici valegt et opwtum 8U3cipere incrementum.<br />
Innocenz schließt: illo^ namque in ecclegia prelato^<br />
prefici cupimU8, qui hierum ne^otium velini et valeant efiicaciter<br />
promovere. Selten hat ein Papst mit so brutaler Offenheit auszusprechen<br />
gewagt, daß ein deutscher Bischof nur ein politisches<br />
Machtinstrument in der Hand Roms sei.<br />
Der päpstliche Befehl mußte in Kammin eine weit günstigere<br />
Aufnahme finden als in Hildesheim. In dem <strong>pommersche</strong>n Bistum<br />
fehlte der politische Hader, der die hildesheimer Kämpfe entfesselt<br />
hatte. Die Eremtion räumte der Kurie erheblich weitere Machtbefugnisse<br />
em. als sie über ein im Metropolitanverband stehendes<br />
Bistum ausüben durfte. Zudem konnte in dieser Zeit, wo der<br />
Bestand der Diözese von allen Seiten angefochten wurde, ein<br />
kräftiger Herr den Kamminern selbst nur willkommen sein. Das<br />
Kapitel befolgte daher ohne weiteres die ihm gegebene Weisung <strong>und</strong><br />
wählte, nachdem es vorher wohl die Einwilligung König Wilhelms<br />
erbeten hatte, Graf Hermann zum Bischofs. Der Wahltermin<br />
fand statt nach dem 15. März <strong>und</strong> vor dem 9. Juli 1251 ?). Hermann<br />
war zum zweiten Male durch päpstliche Ernennung Bischof<br />
geworden 3).<br />
1) In dem Auftrag zur Weihe Hermanns
Forschungen zur ätteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 29<br />
Man hat bis heute die 3rage umstritten, welchen Anteil^die<br />
herzöge von Pommern, besonders^Barnim^l., an der Kandidatur<br />
W?5 i.^midebbischofs^gehabt hätten. Die verkehrte Beantwortung<br />
<strong>und</strong> die daraus weiter gezogenen Schlüsse haben Veranlassung gegeben.<br />
Bischof Hermann als Persönlichkeit. Politiker <strong>und</strong> Kirchen<strong>für</strong>st<br />
von Anfang bis zu Ende falsch zu beurteilen i). In dem verhältnismäßig<br />
recht durchsichtigen Wahlverfahren fehlt^jede^Spur<br />
von einem <strong>pommersche</strong>n Eingreifen. Wie wären überhaupt 3orm<br />
<strong>und</strong> Inhalt der Wahlanweisung verständlich, wenn der Herzog oder<br />
auf seine Anregung der scheidende Bischof Wilhelm im Einverständnis<br />
mit dem Kapitel den Grafen Hermann als Bischof erbeten<br />
hätten? Die einzige Voraussetzung, auf die eine Beteiligung<br />
Barnims fich gründen liehe, ist die Annahme, daß Barnim eine<br />
Base Hermanns, eine Tochter des bekannten dänischen Reichsver-<br />
Tvesers Albert von Orlamünde, zur Gemahlin hatte. Diese Annahme<br />
aber ist irrigò). Eine Mitwirkung Barnims, der in der Politik<br />
eines Innocenz IV. eine vollkommene Null war. ist nicht zu erkennen.<br />
Nach dem Wortlaut des päpstlichen Empfehlungsschreibens<br />
schein: Innocenz an eine zukünftige Belehnung Hermanns durch<br />
König Wilhelm gedacht zu haben. Sie hat jedoch sicherlich nicht<br />
stattgef<strong>und</strong>en. Ebenso ist ein solcher Akt von feiten des Herzogs<br />
Barnim oder eines andern Territorial<strong>für</strong>sten der Diözese bei dem<br />
herkömmlichen Wahlrecht des Kapitels ausgeschlossen. 3ür die<br />
fre<strong>und</strong>liche Aufnahme, die der neue Bifchof in Kammin fand, fpricht<br />
das Einvernehmen mit seinem Amtsvorgänger. Alle Urk<strong>und</strong>en, in<br />
denen dieser noch erwähnt wird, nennen ihn in der Begleitung Hermanns<br />
^). Am 31. Oktober 1253 ist Wilhelm gestorben <strong>und</strong> bei den<br />
Minoriten zu Prenzlau begraben worden^).<br />
Als Inhaber einer unmittelbar unter Nom stehenden Diözese<br />
hatte der Kamminer Bischof gleich den Erzbischofen die Weihe am<br />
apostolischen Ltuhl zu empfangen. Aus naheliegenden Gründen<br />
befreite die Kurie in der Regel vom persönlichen Erscheinen <strong>und</strong> trug<br />
') Man lese etwa die Auslassungen Bartholds. <strong>Gesch</strong>. v. Pommern II.<br />
489 u. ö.. der keine Gelegenheit vorübergehen läßt, ohne die volle Schale<br />
seines patriotischen Grimmes über den perfiden Abenteurer auszugießen.<br />
') Veral. meine Darlegungen Monatsblätter 22, 129 f.<br />
2>
30 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
einem Legaten oder Nachbarbischof die Vornahme der feierlichen<br />
Handlung auf. Wie schon bei Bischof Wilhelms verzögerte sich<br />
bei Hermann die Weihe ebenfalls um mehrere Jahre. Streitigkeiten<br />
mit den Nachbarbischöfen haben, wie wir sehen werden,<br />
in beiden Fällen den Aufschub veranlaßt). Nachdem Innocenz<br />
einst die Wahl so eilig betrieben, konnte er endlich am 19. Januar<br />
1254 die Weihe anordnen-^). Auf Bitten der Königin Elisabeth<br />
fiir ihren ..Neffen" sollte Hermann sie durch den Bischof vow<br />
Schwerin unter Zuziehung von zwei oder drei Nachbarbifchöfen<br />
empfangen. Doch wieder verstrich fast ein Jahr. Wo <strong>und</strong> wann<br />
Hermann schließlich geweiht ist, wissen wir nicht. 3iir die Bestimmung<br />
des Tages gewinnen wir aus den erhaltenen Pontifikatsidatierungen<br />
den 1. <strong>und</strong> 25. Dezember 1254^). Der Eid. den der<br />
Geweihte leistete, zeigt gegenüber der üblichen 3ormel die bemerkenswerte<br />
Abweichung, dah der neue Bischof nicht alle zwei<br />
Jahre, sondern jährlich die Schwellen der Apostel besuchen oder<br />
durch einen Prokurator besuchen lassen werdet. Wollte Innocenz<br />
in dieser kritischen Zeit sein eremtes Bistum noch straffer im Iügel<br />
halten?<br />
!) Am 25. Dez. 1344 beauftragt der Papst den Bischof Konrad von<br />
Meißen mit der Weihe
Kap. ll.<br />
Der Kampf um die Dlözesangrenze.<br />
Die erste Aufgabe, die den jungen Bischof Hermann im neuen<br />
Wirkungskreise erwartete, war der Abschluß des großen seit fast<br />
einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert schwebenden Kampfes um die Ausdehnung<br />
der Diözese. Man wendet neuerdings mit der wachsenden<br />
Teilnahme an der historisch-geographischen Forschung überhaupt auch<br />
den Ursachen <strong>und</strong> Bedingungen <strong>für</strong> die Circumscription der deutschen<br />
Bistümer erhöhte Aufmerksamkeit zu^). Mollen wir die Gründe<br />
<strong>und</strong> den teilweise recht verwickelten Verlauf des Kammmer Streites<br />
klar herausstellen, so müssen wir etwas weiter ausholen.<br />
Seitdem das deutsche Königtum an die Herzoge aus dem<br />
Sachsenhause gekommen war, lag das Wendenland zwischen Elbo<br />
<strong>und</strong> Oder in der unmittelbaren Interessensphäre des Reichs 2). War<br />
Sachsen vorher selbst eine Mark zum Schutze der Ostgrenze gewesen,<br />
so mußten jetzt seine Herrscher Sorge tragen, durch Schaffung eines<br />
neuen Vorlandes die Reichsgrenze unversehrt zu erhalten. Schon<br />
Heinrich l^hat wiederholt glücklich gegen die Slaven an der mecklenburgisch-<strong>pommersche</strong>n-Grenze<br />
gekämpft, ein dauernder Erfolg war<br />
') Ich verweise hier nur auf Vrackmanns programmatische Ausführungen<br />
über die Oermania 53cra auf dem Berliner Internationalen<br />
Historikerin«. 1908 <strong>und</strong>. unser Gebiet näher berührend. Curschmanns Vor- .<br />
schlage zu einem Atlas _ der. östlichen..'preußischen Provinzen (tzist. Viertel« /<br />
jahrsschr. Xll
32 Iorschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
ihm versagt'). Ebenso ohne nachhaltige Wirkung blieben die Iiige.<br />
die seinen Sohn Otto l. bis ins Peenegebiet führten?). Die Be-<br />
gründung der Missionsbistümer Havelberg <strong>und</strong> Brandenburg, beide<br />
im Jahre 948^), war wesentlich als politisches Mittel gedacht, die<br />
Beruhigung der unsicheren Nendenstcimme zu unterstützen.<br />
Die Diözese HavelberZ schob sich, wenigstens nach der uns<br />
überlieferten Iassiing der königlichen Bewidmung, vom Quellgebiet<br />
der Havel <strong>und</strong> dem Müritzlande her bis an die Ostsee vor. Sie<br />
umfaßte von dem späteren Sprengel Kammin das Gebiet zwischen<br />
Tollense. <strong>und</strong> . Ostpeene, die Landschaften auf dem Südufer der<br />
unteren Peene von Demmin bis zum Haff. die Insel Usedom, dazu<br />
links der Peenemündung Wusterhusen <strong>und</strong> Ziethen^). also die Ost-<br />
Hälfte des Kreises. Greifswald. Noch Kaiser Friedrich l. bestätigt<br />
1179 diesen Besitzstand (P. 81).<br />
Die weite Umgrenzung der Diözese bestand bekanntlich nur<br />
auf dem Pergament. Weder hat Havelberg auf <strong>pommersche</strong>m Boden<br />
jemals eine bischöfliche Hoheit ausgeübt, noch hat es dort überhaupt<br />
zu missionieren versucht. Im Jahre 983 wurde der Bischofssitz<br />
1) Nbersichtlich zusammengestellt bei Wigger. Mecklenburgische Annalen<br />
S. 24 f.- vollständiger bei Waitz, Jahrb. Heinrichs I. Eine weniger<br />
vertrauensselige Betrachtung dürfte die Lobrede Widukinds von Korven stark<br />
beschneiden. Widukind hat arq gefabelt, <strong>und</strong> die späten Nachrichten helmolds<br />
<strong>und</strong> anderer sind sagenhafte Ausschmückungen der tte3 gezt^e äaxonicae.<br />
Ihr Wert wird treffend charakterisiert mit der Angabe, daß in der Schlacht<br />
» bei Lenzen 200 000 Redarier gefallen seien (Waitz S. 132). oder dak<br />
/ Heinrich l. das Bistum Kammin gestiftet habe (Waitz I. 135). Daft die<br />
an sich wahrscheinlicher klingende Mission Bischof Adalwards von Perden<br />
im Odotritenlande ebenfalls unmöglich ist. hat Wichmann. Bistum Berden<br />
S. 35 f. nachgewiesen.<br />
e) Wigger. Annalen S. 28 f.: Kövko-Diimmler. Jahrb. Ottos l. S. 55.<br />
241, 265 (Schlacht an der Recknitz 955), 310. P. 9. 12, 15. 16.<br />
2) Iür hllvelberg P. 10 -- D. O. l. 76. <strong>für</strong> Brandenburg P. Il<br />
-- D. O. l. 105. llber beide Urk<strong>und</strong>en s. Curschmann. Die Stiftungsurk<strong>und</strong>e<br />
des Bist. Havelberg (Neues Archiv 2«. 395—434). In wichtigen Einzel-<br />
Seiten, so in bezug auf die uns zunächst angehende Sprengelanweisung <strong>für</strong><br />
Havelberg, kann ich Curschmanns Darlegungen nicht beipflichten. Iür eine<br />
erneute Untersuchung wird auch Klempins Beobachtung (P. 54) zu verfolgen<br />
sein, oah die gefälschte Stiftungsurk<strong>und</strong>e des Klo^c^s Broda Formular«<br />
Verwandtschaft geigt mit der Konfirmation König Konrads lll. <strong>für</strong> hanelberg<br />
(P. 4l). Ebenw sind P. 12. 15 <strong>und</strong> 16 zu beachten.<br />
^) Der Name pilline wird nur N50
Forschungen zur alteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 33<br />
zerstört. Erst im zweiten Viertel des Xll. Jahrh<strong>und</strong>erts hat<br />
Anselm; der bedeutendste Schiller Norberts von Magdeburg, in<br />
der alten Kathedrale wieder festen 3utz gefaßt. Kein W<strong>und</strong>er,<br />
daß man in Pommern bei der Errichtung des Landesbistums von<br />
5)avelberger^Rechten^auf. das ^Peeneland ^nichts, wußte.<br />
Die Gründungsbulle des Vistums Wollin (-- Kammin) vom<br />
Jahre N4^) enthält keine^ausdrückliche. Grenz beschreibung<br />
der neuen Diözese. Dieser Mangel ist nicht ein Ausnahmefall, wie<br />
man behauptet, sondern die Regel. Außerdem wird im Prinzip der<br />
Diözesanbezirk klar <strong>und</strong> unzweideutig festgestellt. Der Bischof erhält<br />
6e tota ?0mer3nia U8que a6 l^ebam fluvmm cle unoquoque arante /<br />
c^u23 men3urg8 annone et qumque^6en3ris>3.^ Man ist darüber^<br />
einig" daß diese Bestimmung in sich schließt: die politische <strong>und</strong> die<br />
kirchliche Grenze Pommerns fallen zusammen. Von irgend emer""<br />
havelberM Hoheit im Gebiet der Peene ist nicht die Rede. Im<br />
Gegenteil, gerade im Peeneland wird das junge Bistum besonders .<br />
reich dotiert ^).^ Unter anderm sollen die landesherrlichen Einkünfte<br />
von Demmin. Wolgast. Usedom.^ Groswin(f) <strong>und</strong>^Iiethon<br />
der WrMnn^ Kirche^ zufließen. Zahlreiche Urk<strong>und</strong>ungen" zeigen,<br />
daß Kammin hier tatsächlich die kirchliche Gewalt ausgeübt hat^).<br />
Mit Pommern in Berührung getreten ist 5>avelberg im Laufe des<br />
^2. Jahrh<strong>und</strong>erts nur dadurch, daß die Konvente der Prämonstratenser-Klüster<br />
Grobes) auf Usedom <strong>und</strong> Brodai am Tollense-See<br />
von Havelberg her ins Land gerufen sind. Die ältere <strong>Gesch</strong>ichte<br />
1) Cod 16. Iaffs 8102. Den <strong>für</strong> die vorliegende Arbeit versprochenen<br />
Nachweis der Echtheit der Bulle, insbesondere gegen Haucks beachtenswerte<br />
Ausstellungen, habe ich inzwischen schon Balt. Studien N.J. 13 <br />
S. 133—147 zu erbringen versucht. Breckevic (Itschr. f. Osteurov. <strong>Gesch</strong>. 3<br />
ji913) S. 365—385) hat dem Resultat meiner Untersuchung zugestimmt,<br />
will aber den Inhalt wesentlich anders erklären. Leider mußte ich seine<br />
Deutung als völlig mißlungen ablehnen (ebendort 4 (1913) S. 52—67). Jetzt<br />
ist hauck K. G. IV 3 S. 607 f. eingehend auf die Irage zurückgekommen<br />
<strong>und</strong> wiederholt die geäußerten Bedenken, ich vermag jedoch seinen Dar«<br />
legungen nicht zu folgen.<br />
2) Die Gründe da<strong>für</strong> s. unten im Abschnitt über das Bischofsgut.<br />
2) Die Belege stelle ich bei dem Streit mit Schwerin zusammen.<br />
4) Die erste Besetzung fällt zwischen 1148..<strong>und</strong>.. N55. (P. 48). Nach //<br />
der Bemerkung Herzog Bogislaws über die Einsetzung des zweiten Konvents<br />
Z4 Iorschungen zur alteen <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
Vrodas bis weit in das 13. Jahrh<strong>und</strong>ert hinein ist dunkel. Wir<br />
können nicht einmal mit Gewißheit sagen, zu welchem Sprengel es<br />
gehörte. Denn die Notiz der älteren Chronisten, das Kloster sei im<br />
Jahre N67 (!) vom Kamminer Bischof Konrad l. geweiht worden,<br />
ist ebenso willkürliche Kombination wie ihre übrigen Angaben.<br />
Vielmehr werden wir mit reichlicher Wahrscheinlichkeit rückwärts<br />
//schließen dürfen, daß Broda stets unter Havelberger Hoheit stand.<br />
/^ Trifft diese jetzt allgemein angenommene Vermutung zu, so haben<br />
wir hier das erste Beispiel, daß der Gr<strong>und</strong>satz des Iusammenfallens<br />
von Landes- <strong>und</strong> Bistumsgrenze durchbrochen wird. Wir<br />
werden die gleiche Erscheinung mit der gleichen Vorbedingung auf<br />
dem Schweriner Boden wiederfinden, hier wie dort hat der<br />
Kamminer Bischof aus den politischen Erwerbungen der Pommernherzoge<br />
keinen Nutzen gezogen, weil in dem eroberten Lande bereits<br />
andere geistliche Rechte wirksam sind.<br />
Im Gegensatz zu der herrschenden Anschauung über den Grenz-<br />
streit mit Havelbeigi) sei noch einmal betont, daß Kammin ein<br />
^) hier sei nur Wieseners Beweisgang
Forschungen zur alteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 35<br />
Droivierteljahrh<strong>und</strong>ert friedlich neben seinem Nachbar gearbeitet hat.<br />
Von irgend welchen Händeln hören wir nichts, sie sind aus inneren<br />
Gründen durchaus unwahrscheinlich. Da eine Durchführung jener ^,<br />
Grenzanweisung König Ottos I. ausgeschlossen war, erlosch zuletzt ><br />
die Havelberger Anwartschaft von selbst. Soweit wir sehen, hat<br />
sich diese Entwicklung ohne Kampf vollzogen. Die Linie ^Land-— ///<br />
graben—Tollense—kleine Peene bildete die natürliche Grenze zwischen / ^" '<br />
den besten Bistümern.<br />
Der Friedensstörer wurde Kammm. Als dieses seit etwa 1210 /<br />
gegen Schwerin auf der ganzen Linie vorrückte, fand es unterwegs //<br />
als willkommene^Beute das Land Schlön. Das Müritzgebiet war<br />
948 zwar zur Havelberger Diözese gelegt worden, aber Heinrich der /<br />
köwe hatte es mit dem Recht des Siegers in den Schweriner /<br />
Sprengel einbezogen. Kammin hatte dort überhaupt keine rechtmäßigen<br />
Ansprüche. Nun machte Bischof Sigwin einen gewandten<br />
Schachzug. Er trat Schlön, das er auf die Dauer schwerlich halten ^<br />
konnte, an das Havelberger Kapitel ab^). Und er hatte sich in<br />
seiner Berechnung nicht getäuscht. Denn jetzt brach der Konflikt<br />
zwischen Schwerin <strong>und</strong> yavelberg aus 2), in dem Kammin recht<br />
wacker im Trüben gefischt hat.<br />
Einige Jahrzehnte später ist es doch noch zu einer, allerdings '<br />
nur vorübergehenden, Störung des Verhältnisses zwischen Kammin<br />
<strong>und</strong> 5)avelberg gekommen. Konrad Ili. forderte bei der Kurie in<br />
einer Klage gegen mehrere Nächbarbischöfe auch die Herausgabe des<br />
Klosters Broda ^). Anscheinend hat er selbst seinen Nechtstiteln ^<br />
gegenüber 5>aoelberg kein großes Gewicht beigemessen. So scheidet ^<br />
Broda alsbald aus den Verhandlungen aus <strong>und</strong> die Diözesangrenze<br />
ble'bt dio alte.<br />
Weniger glatt geht die Auseinandersetzung Kammins mit ^<br />
Brandenburg vonstatten. König Otto l. hatte seinerzeit die <<br />
p50vmti3 Vuucn, d. i. die. Uckermark, <strong>und</strong> südlich davon das^Land /<br />
bis an die Oder zum Brandenburger Sprengel gelegt. Zusammen<br />
mit yavelberg war das Bistum nach kaum einem Menschenalter<br />
dem ungestümen Rückfluten der Slaven erlegen. Beide bestanden<br />
Jahrh<strong>und</strong>erte lang nur dem Namen nach. Auch als das Deutschtum<br />
von neuem Schritt <strong>für</strong> Schritt über die Elbe vordrang, war<br />
Meckl. U. B. 240 Anm.<br />
Rodenberg. Cpp. l Nr. 89. Meckl. U. B. 34t.<br />
Rodenberg. Epp. I Nr. 775. aa. 1240.
36 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
an eine geregelte geistliche Versorgung an der Ostgrenz? vorläufig<br />
nicht zu denken. In der Zwischenzeit 1) hatten die Pommern chre<br />
j / Herrschaft über die Uckermark <strong>und</strong> weiter bis über das Spreegebiet<br />
/ ausgedehnt, <strong>und</strong> ihr Landesbischof war ihnen gefolgt. Im Jahre<br />
' N7tt^) schenkt Konrad I. dem Kloster Grobe den Bischofszins<br />
der Kirchen zu Gramzow <strong>und</strong> Pasewalk famt dem Dorfe Bu-<br />
. dessina (f). In der Konfirmation von N88 lP. Nl) nennt»<br />
:l Klemens III. unter den Besitzungen^ Kammins auch Prenzlau.<br />
) Daß derselbe Papst drei Monate später (P. 102) die Uckermark <strong>und</strong><br />
'; das Oderland dem Bistum Brandenburg gemäß seiner Stiftungsurk<strong>und</strong>e<br />
bestätigt, ist <strong>für</strong> dieses ohne praktischen Wert. Denn<br />
Brandenburg fristete damals in einem eng umgrenzten Gebiet notdürftig<br />
sein Dasein <strong>und</strong> war von hochfliegenden Missionsplänen weit<br />
entfernt. Kammin übte, von keiner Seite angefochten, die tatsächliche<br />
Diözesangewalt aus^).<br />
Die Kanlminer Hoheit in der Uckermark <strong>und</strong> dem südlichen<br />
Vorlande wurde erst bedroht, als die Markgrafen nach jahrzehntelangem<br />
Schwanken des Kriegsglücks .im ^ Land Barnim, dauernd<br />
j festen 3ufl faßten. Bald nach der Schlacht bei Bornhöuede (1227)<br />
/ hat der <strong>pommersche</strong> Herzog das Land etwa von der Spree bis<br />
/' zur Welse an Johann"!."'<strong>und</strong> Otto lll. endgültig überlassen müssen^).<br />
Der Konflikt zwischen den beiden Nachbarbischöfen war damit gegeben.<br />
In dem großen, wenig besiedelten Waldgebiet an der Finowniederung<br />
schenkten 1231 die Markgrafen dem Priester Dietrich <strong>und</strong><br />
seinen geistlichen Brüdern das wendische Dorf Barsdyn bei Oderberg<br />
<strong>für</strong> den Ausbau eines dort bestehenden St. Marienhospitals<br />
1) Genauere Angaben, wann diese Eroberung stattfand, wie weit sie<br />
sich nach öuden erstreckte <strong>und</strong> in welchen Abschnitten die Markgrafen das<br />
^f/Land zurückgewannen, fehlen. Vergl. Passow^Okkupation <strong>und</strong> Kolonisierung<br />
f/ des Barnim (3orsch. brandenbg. preuh. <strong>Gesch</strong>. 14, S. 1 f.) <strong>und</strong>. zum Teil<br />
gegen ihn. den gleichnamigen Aufsatz von Nießens (Monatsbl. 16. 34 f).<br />
Auf die Kammincr Ansprüche bis in die Niederlausitz hinein kommen wir<br />
bei der Auseinandersetzung mit Meißen zurück.<br />
2) Das Original P. 74 liest nach Jahr <strong>und</strong> Indiktion schon 1168. doch<br />
sind Klempins Gründe <strong>für</strong> die spätere Datierung zutreffend. Das Datum<br />
ist mit blasserer Tinte <strong>und</strong> — wie ich gegen Klempin bemerke. — von<br />
anderer Hand nachgetragen. Täusche ich mich nicht, so ist die zweite<br />
Hand ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert jünger.<br />
3) P. INI aü. 1214: P. 171 20. 1216.<br />
4) Die damals festgestellte politische Grenze fällt anscheinend mit der<br />
späteren Vistumsgrenze zusammen.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 37<br />
zu einem Prämonstratenserkloster ^). Auffälligerweise wird bei der<br />
Verhandlung keiner der beiden Bischöfe als Intervenient oder Zeuge<br />
erwähnt. Der Brandenburger, den die Markgrafen in die Stellung<br />
fast eines Hofbeamten gedrängt hatten, betrachtete es als selbstnerständlich,<br />
daß ihm über eine Stiftung seiner Landesherren die<br />
bischöfliche Gewalt zustehe. Doch Konrad II. von Kammin griff<br />
nach seinen Erfahrungen in den Schweriner Händeln schnell entschlossen<br />
zu. Er schenkte dem Konvent im Sommer 1233 den<br />
Bischofszehnt von 100 Hufen im Lande Liepe zu dem ausgesprochenen<br />
Zweck: ut per cwu8trum acleo sirenotatum termini nostre terre et<br />
clvoce8i8 nostri e^iscopItuZ illeäi ^eclarentus (P. 294)2). Die<br />
Kurie bestätigte Konrad in der Konfirmationsbulle des neuen<br />
Klosters „Gottesstadt" als loci clioce33nu8 (P. 297).<br />
Die Bewidmung des Klosters beschloß die erfolgreiche Regierung<br />
des greisen Konrad ll. Wahrscheinlich im November desselben<br />
Jahres wurde sein Nachfolger gewählt in der Person des<br />
Magdeburger Domherren Konrad von Salzwedel, dessen Bruder<br />
Iaczo durch die heirat mit Herzog Barnims Schwester Dobroslawa i<br />
soeben Herr in Gutzkow geworden war. Da die Markgrafen mit<br />
der 3amilie ihrer Edelvögte von Salzwedel im besten Einvernehmen<br />
standen, hatten sie keine Veranlassung, aus 3iirsorge <strong>für</strong> ihren<br />
widersetzlichen Landesbischof sich mit Konrad zu verfeinden.<br />
Doch die einmal aufgerollte Frage konnte vor ihrer legalen<br />
Entscheidung nicht mehr zur Ruhe kommen. Je mehr das Land<br />
wirtschaftlich erschlossen wurde <strong>und</strong> je weiter Hand in Hand damit<br />
die kirchliche Tätigkeit nach Osten <strong>und</strong> Norden vorrückte, desto<br />
mehr muhte das Bistum Brandenburg auf sein verbrieftes Recht<br />
dringen. Den Anstoß zur neuen Festlegung der Sprengelgrenze<br />
hat, wenn ich recht sehe, wieder eine klösterliche Ansiedelung durch<br />
die Markgrafen gegeben 3). Im Jahre 1236 (Riedel ^ XIII S. 312)<br />
bewidmeten sie das Kloster Walkenried mit dem See Kölpin <strong>und</strong><br />
100 Hufen, östlich von Templin <strong>und</strong> unmittelbar, an der. Grenze<br />
gegen Barnims uckermärkischen Anteil. Als dritter Bewerber<br />
neben Kammin <strong>und</strong> Brandenburg erhob hier auch Havelberg An-<br />
i) Riedel ^ Xlll S. 202. Barsdnn ist nicht, wie mnn wegen des<br />
Namenanklangs annahm, identisch mit dem 1 Meile nördlich liegenden Dorf<br />
Paarstein am gleichnamigen See. Das Wendendorf lag dicht bei der Burg<br />
Odrrberg <strong>und</strong> ist vor 1335 eingegangen. Vgl. Abo, Kl. Ohorin S. 83 f., !65.<br />
') Gegen die Deutung des Satzes durch Breckevic in der Itfchr. f. Ost«<br />
europ. <strong>Gesch</strong>. 3. 379 oergl. meine Bemerkung ebenda 4, 60.<br />
3) Anders kombiniert Curschmann, Diöz. Brandenbg. S. 196 f.
I8 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammw.<br />
sprüche^). In dem darüber angestrengten kanonischen Prozeß<br />
(P. 329. 342) einigte der päpstliche Legat Wilhelm von Modena<br />
die Parteien auf ein Kompromiß 2). Der Bischof^von Kammin j<br />
trat den Strich südlich der Welse mit dem nur kümmerlich sich ent- ^<br />
- nuckelnden Kloster Barsdyn ab <strong>und</strong> beschränkte sich auf die Nord-<br />
Hälfte der Uckermark, die politisch bei..Pommern gebsieben war.<br />
Der Brandenburger entsagte da<strong>für</strong> seinem Anspruch auf diesen uckermärkischen<br />
Teil, der ihm nach seinen kaiserlichen <strong>und</strong> päpstlichen<br />
/ Bewidmungen ebenfalls zugestanden hätte. Zwar beschuldigt 1240<br />
>' eine Klage Kammins auch Brandenburg der Grenzverletzung ^), aber<br />
ivir wissen, aus dem Wortlaut des päpstlichen Mandats <strong>und</strong> anderen<br />
Quellen, daß damals die Beschwerden Kammins in erster Linie<br />
gegen Schwerin gerichtet wären.<br />
In dieser Ieit, am 28. Oktober 1237, war nach langen Kämpfen<br />
l der Iehntstreit zwischen dem Bischof von Brandenburg <strong>und</strong> den<br />
' Markgrafen beigelegt worden 4). Demütigend genug <strong>für</strong> den Bischof,<br />
mußte er doch <strong>für</strong> die nominelle Anerkennung seiner Kirchenhoheit<br />
in den neu erworbenen Teilen fast die ganzen bischöflichen Gefälle<br />
/ in ihnen herausgeben. Da<strong>für</strong> schienen ihm jetzt aber die politischen<br />
Erfolge der Markgrafen auch einen Gewinn einzutragen. Das<br />
l'? uckermarkische Kloster Gramzow, nahe dem Südrande von Barnims<br />
l- Herrschaft, wählte 1245 (P. 438) die Markgrafen^zu Schirm-<br />
'vögten. Wir glauben nicht recht an den heiligen „Eifer um die<br />
Gerechtigkeit", der die „allerchristlichsten" Fürsten auf die demütigen<br />
Bitten des Konvents zur Übernahme der Kchutzherrschaft angetrieben<br />
hat. Wenn wir sehen, wie Iohann^<strong>und</strong> Otto^die ^Klöster<br />
/, <strong>und</strong> Orden — K.?lbaH^ Zinna. Broda, die Templer^Zohanniter<br />
^ usw. — mit <strong>und</strong> wider deren Willen zum Vorspann ihrer Expan-<br />
/, sionsbestrebungen machend, so Zeucht es uns wahrscheinlich, daß sie<br />
ssch selber als die Beschützer aufgedrängt haben. Die Urk<strong>und</strong>e<br />
nennt bezeichnenderweise als Zeugen Bischof Rudger von Branden-<br />
') Nachdem Kammin ausgeschieden ist. lassen sich die vorsichtigen<br />
Mönche die Zehnten in Kölpin sowohl von dem Brandenburger wie dem<br />
Haveloerqer Bischof schenken. Riedel 4 Xlll S. 313—316.<br />
2) Nachrichten über die Entscheidung selbst fehlen, doch unterrichtet uns<br />
das reichlicher fließende anderweitige UrK<strong>und</strong>enmaterial. Riedel ^ Xlll<br />
S. 204 f.. 313 f.. P. 362. 377. Die Mutmaßung Wieseners (Valt. Stud. 43.<br />
122) gu P. 459 ist trotz Erwähnung des Schultheiß non Stettin nicht<br />
zwingend. Wiesener hat die Kälpiner Urk<strong>und</strong>en bei Riedel übersehen.<br />
2) Rodenberq. Epp. l Nr. 775.<br />
4) Riedel 4 Vili S. 151.
3orschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 39<br />
hurg mit seinen Pröpsten von Liebenwalde <strong>und</strong> Berlin. Der<br />
Kmnminer Bischof Wilhelm unterstützte die Politik Herzog Barnims. ^<br />
Wenn' jetzt die Markgrafen die^Gelegenheit benutzten, das Ucker- //<br />
land auch^kirchlich^von Pommern loszureißen, fielen ihnen dort //<br />
die^Kamminer Besitzungen <strong>und</strong> Gefälle in den Schoß. Und ihre<br />
durch die unaufhörlichen Kriege erschöpfte Kasse konnte diese erheblichen<br />
Einkünfte dringend gebrauchen. Also Gr<strong>und</strong> genug, oic Einbeziehung<br />
der Uckermark in die geistliche Hoheit des Bischofs von<br />
Brandenburg recht verlockend zu machen.<br />
Aber die Politik der Askanier war höhere Gesichtspunkte ge- //<br />
Tvöhnt. Unverwandt stand ihnen als Ziel die Eroberung des Landes /<br />
auf dem rechten Oderufer vor Augen, hier wurden sie die nächsten' /<br />
Nachbarn des Kamminer Bischofs, der damals bereits eine nicht<br />
zu verachtende Macht bedeutete. Erregten sie jetzt seinen berechtigten<br />
Groll, dann zogen sie sich notwendig einen Feind auf den hals,<br />
der nur auf die erste Gelegenheit zur Abrechnung wartete. Inzwischen<br />
hatte Kammin auch beim Papste Klage erhoben (P. 3929).<br />
So zögerten sie nicht, den großen Erfolg des Augenblicks^dem /<br />
3m LandiMr^Mde^25H der ^ /,<br />
die^Wnze^Uckermark^in Hre Gewalt^bnngt, verbürgen sie Kammin<br />
den ungestörten Besitz seiner uckermärkischen Rechte. Herzog Barnim<br />
macht zum Abtretungsprotokoll (P. 512) den Vorbehalt: Hui^quicl<br />
gutem'6ommu8 Q2mmen5i8 epi8c«pU3 in preäicw terre Vkeren8l<br />
iun8 liactenn8 nabuit, non 6lmi8imu3
40 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
darf ich mich wohl einer Erörterung der vielen Meinungsstreite, in<br />
denen oft genug beide Parteien eine kritisch unhaltbare Stellung<br />
verfochten haben, überhoben Haltens.<br />
Wir erwähnten bereits, daß nach der Gründuugsbulle des<br />
<strong>pommersche</strong>n Bistums die Landesgrenze <strong>und</strong> die Diözesangrenze sich<br />
// decken sollten. 3m Gebiesder unteren Peene werden als kamminisch<br />
>- mit Namen genannt die Orte Demnnn, Tribsees, Gutzkow. Molgast,<br />
/ das untergegangene Groswin b?i Anklam rind Iiethen. Die^politische<br />
/ Scheide zwischen Pommern <strong>und</strong> Mecklenburg folgt dem Unterlauf,<br />
der Trebel^ geht die Peene aufwärts, schneidet den Kunnnerower<br />
See^in seiner größten Ausdehnung <strong>und</strong> wendet sich südlich im Zuge<br />
der Ostpeene. Anscheinend nicht zum Herzogtum Pommern, sondern<br />
/? zum Machtbereich der rügischen Fürsten gehört das der Insel gegenüberliegende<br />
3estland. also im wesentlichen das Gebiet nördlich des<br />
Ryck <strong>und</strong> der oberen Trebel^).<br />
Bis in das 13. Jahrh<strong>und</strong>ert hinein hat der Kamminer Bischof<br />
innerhalb der bezeichneten Grenze unangefochten seine Hoheit ausgeübt,<br />
ebenso der Schweriner Amtsgenosse in Circipanien. dom<br />
/ Lande zwischen Trebel, oberer Peene, Nebel <strong>und</strong> Necknitz. Als N68<br />
, das Heidentum auf Rügen zerstört wurde, wirkte Verno ^von<br />
/ Schwerin bei der V?kehrurgsarbeit eifrig mit. Aber die Einbeziehung<br />
der Insel in seinen Sprengel konnte er nicht erreichen,<br />
sie wurde Roeskilde, dem fernen Bistum des dänischen Siegers,<br />
unterstellt. Nur . das rügische^3estland ^. wurde. der Schweriner<br />
Diözese angegliedert. Im ganzen 12. Jahrh<strong>und</strong>ert findet<br />
sich über einen Grenz st reit zwischen Schwerin <strong>und</strong><br />
Kammin keinerlei Andeutung. Gegenüber den zahlreichen<br />
Kamminer Urk<strong>und</strong>ungen <strong>und</strong> der deutlichen Angabe^Hel-^<br />
molds^), daß Kammin im <strong>pommersche</strong>n Peenegebiet die Diözesan-<br />
Hoheit ausübt, gibt es keinen einzigen Beleg <strong>für</strong> eine Tätigkeit<br />
Schwerins an dieser Stelle. Ebensowenig hat Konrad l. von<br />
Kammin die Eroberung Circipaniens^durch die^Pommernherzöge<br />
mitgemacht. Verno stand unter dem starken Schutz Heinrichs des<br />
2> Ich verweise auf meine ausführlichen Darlegungen über die Schweriner<br />
Iiilschungen im Arch. f. Nrk<strong>und</strong>enforschunq l, 273—354.<br />
2) Wenn ein Jahrh<strong>und</strong>ert später Kammin bei der Kurie auf die Rück«<br />
gäbe des Landes intcr flumen I^eba versus oi-ientem et iliimen keke?52n<br />
ver8UL occiclentem klagt (Rodenberg. Epp. l Nr. 775; dat. 1240). so folgt<br />
daraus noch nicht, daß die Recknitz einmal wirklich auch Diözesangrenze<br />
gewesen ist.<br />
3) Slavenchronik lid. ll cap. 107.<br />
.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 4t<br />
Löwen, dessen lebhaftes kirchenpolitisches Interesse im Wendenland<br />
jede Beeinträchtigung der von ihm gegründeten Bistümer von vornherein<br />
ausschloß.<br />
In welchem Jahre der Streit ausbrach, läßt sich nicht mehr<br />
erkennen. Die letzte Urk<strong>und</strong>e, die uns Schwerin im ungestörten<br />
Besitz seiner Güter zeigt, ist von N91 (P. 521). In ihr werden<br />
dem durch Bernos Tod verwaisten Domkapitel das Dorf Wotenick<br />
bei Demmm <strong>und</strong> vier Nachbardörfer bestätigt i). 18 Jahre lang<br />
erfahren wir über die kirchlichen Hoheitsverhältnisse in Circipamen<br />
nichts. Da hören wir unvermittelt im Jahre 1209^daß das 1199<br />
verlassene mecklenburgische Kloster Dargun durc^den Kammine^r<br />
BischosHigwin mit einem neuen Konvent besetzt wird (P. 149,175).<br />
Nach der politischen <strong>und</strong> kirchlichen Lage wie nach ähnlichen Fällen^)<br />
möchte ich annehmen, daß Bischof Sigwin möglichst bald das Kloster<br />
erneuert hat. nachdem er die 5)and auf Circipanien gelegt hatte.<br />
Bon einem formalen Recht <strong>für</strong> sein Vorgehen ist bei Tigwin<br />
keine Rede. Der Mann, der im Streit um die Eremtion seines<br />
Bistums jahrelang erfolgreich dem Befehl des Papstes getrotzt hat,<br />
machte sich schwerlich ein Gewissen daraus, einen Nachbar um fotte<br />
Zehnten zu schmälern. Er hat einfach die Ohnmacht des Gegners<br />
<strong>und</strong> seine eigene Interessengemeinschaft mit dem Landesherrn ausgenutzt,<br />
um die kirchliche Hoheit Kammins kurzerhand zu erklären.<br />
Unsere Urk<strong>und</strong>en lassen deutlich erkennen, wie Schwerin Iug<br />
um Iug aus Circipamen hinausgedrängt wurde ^). Auf geraden<br />
<strong>und</strong> krummen Wegen suchte es sein wohlbegründetes Recht zu verteidigen.<br />
Als von Süden her auch havelberg vorrückte <strong>und</strong> in<br />
einem kanonischen Prozeß Schwerin zu unterliegen schien, griffen<br />
die schwerbedrängten Domherren zum äußersten Mittel. Durch<br />
eine Reihe von gefälschten Urk<strong>und</strong>en sollten die echten Konfirmationen<br />
der Gegner widerlegt werden. Im Jahre 1225 ging der<br />
Schweriner Scholastiker Apollonius nach Rom <strong>und</strong> brachte von<br />
dort vier Papstbullen, angeblich aus den Jahren 1178 bis 1197.<br />
heim 4). Während die echten Urk<strong>und</strong>en Schwerins, abgesehen von<br />
5) 3ür die Feststellung der Diozesangrenze bietet die Erwähnung non<br />
Wotenick kein Material, da das Dorf ebenso wie die anderen Tafelguter<br />
Borisi, Tatenoorf <strong>und</strong> Naulih immer außerhalb des Sprengels gelegen hat.<br />
>) Vergl. beispielsweise die oben erörterte Anlage des Kloster Paarstein.<br />
2) Eine Zusammenstellung der wichtigeren Belege bis 1237 s- Arch.<br />
f. Urk. I. 335 f. Nachzutragen sind <strong>für</strong> unsern gegenwärtigen 3weck Meckl.<br />
U.B. 219 <strong>und</strong> 220.<br />
42 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
, einer allgemein gehaltenen Bemerkung in der Bestätigung Kaiser<br />
- Ottos lV. von 1309 .bezw. 1211. überhaupt keine Angabe über<br />
den Umfang des Sprengels enthalten, lesen wir in diesen Bullen<br />
eine genaue Grenzbeschreibung. Man hatte sich nicht damit begnügt,<br />
den wirklichen- Umfang der Diözese zu verteidigen, sondern ^be-^<br />
anspruchte^gleich. ein. tüchtiges Stück des Bistums Kammin^dazu.<br />
Alle Landschaften auf beiden. Ufern ^ der unteren Peene <strong>und</strong> der<br />
Tollense. wo Schwerin niemals irgendwelche Gerechtsame ausgeübt<br />
oder beansprucht hatte, sollten der Schweriner Hoheit unterworfen<br />
sein. Der Gr<strong>und</strong> dieses Uebergreifens ist deutlich. Wir wissen,<br />
daß die delegierten päpstlichen Richter solche Streitigkeiten möglichst<br />
dadurch beilegten, daß sie eine mittlere Linie zwischen den Forderungen<br />
beider Parteien zogen.<br />
Die gleichen Ansprüche trug man in die vorhandenen echten<br />
l Briefe ein. Die Dotationsurk<strong>und</strong>e Heinrichs des Löwen vom Jahre<br />
! 1171 (Meckl. U.B. 100 ä) wurde sogar zweimal überarbeitet.<br />
Einmal gegen Havelberg gerichtet, etwa gleichzeitig mit der Beschaffung<br />
der gefälschten Bullen (M.U.B. 100k). das zweite Mal,<br />
zur Verwendung gegen Kammin, Ende des Jahres 1229 (M.U.B.<br />
100(2). Zusammen mit dieser zweiten Bearbeitung interpolierte<br />
man obendrein den jüngsten der gefälschten Papstbriefe an der entj<br />
scheidenden Stelle (M.U.B. 162). Und in denselben Jahren,<br />
1225 bis 3rühjahr 1229, arbeitete man eine echte Konfirmation<br />
Kaiser Friedrichs I. zu einem großen Beweisinstrument <strong>für</strong> die<br />
Schweriner Ansprüche um (M.U.B. 91).<br />
j Alles war erfolglos. Die Bullen wurden als littere nimi^<br />
/ 8U8pecte entlarvt, <strong>und</strong> der Appell an die Landes<strong>für</strong>sten verfehlte<br />
i. seine Wirkung. Da ging zwischen August 1228 <strong>und</strong>^Iuni ^229<br />
/ Circipanien dem Herzogtum Pommern verloren. Jetzt mochte<br />
Bischof Brünwar?'hoffen, daß" die Mecklenburger Herren das von<br />
Kammin widerrechtlich besetzte Gebiet ihrem Landesbischof zurückgaben.<br />
Weit gefehlt. Auch das letzte Stück von Circipanien mit<br />
- dem erst kürzlich sogar unter Brunwards Mitwirkung errichteten<br />
" ! Kollegiatstift^Güstrow fiel an Kammin.<br />
// Glücklicher war Brunward innerhalb des Fürstentums Rügen.<br />
Zwar scheitelte sein Versuch, die Insel der Diözese Noeskilde zu<br />
entziehen, an dem Widerstand Gregors IX. Aber ^das ^Festtand^<br />
. mit Tribsees blieb unter seiner Hoheit. Auf die Herausgabe von<br />
Tribsees. bezog sich wahrscheinlich die Klage, die nun Kammin anstrengte.<br />
Der Papst beauftragte im März 1236 den Legaten<br />
Wilhelm von Modena, die Beschwerde an Ort <strong>und</strong> Stelle zu prüfen.
Forschungen zur alteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 43<br />
Aber 3ürst Wizlaw I. hielt treu zu ^Schwerin, <strong>und</strong> Stadt <strong>und</strong><br />
Land TrTsees verblieben dem mecklenburgischen Bistum ^). ^<br />
Am Abend seines Lebens, nach vierzigjähriger Negierung, schien<br />
Vas Glück Brunward noch einmal lächeln zu wollen. Alle Nachbarn<br />
Kammins, das Erzbistum Gnesen, Lebus, Brandenburg. Havelberg.<br />
Schwerin, sogar das entfernte Meißen wird genannt, fielen<br />
gemeinsam über das Bistum her. das in feiner exemten Stellung<br />
allein auf die eigene Kraft angewiesen war. Und. was <strong>für</strong> Bischof<br />
Konrad III. weit gefährlicher werden konnte, gleichzeitig wurde^die_<br />
politische Macht des herzogtums^Pommern — Demmin auf das<br />
empfuMuhste^geschwächt. Wartislaw lll. sah zuletzt keine ^andere<br />
Rettung, als im Vertrag von Kremmen am 20.^Iuni ^1236. den<br />
größten Teil seines"Lan5es als brandenburgisches Lehn aufzutragen<br />
(P. 33?). Die rügischen Herren hatten Brunward die Anerkennung !<br />
als Diözesan in dem 1235 gewonnenen kand^Wolgast..(P. 317) .<br />
bereits versprochen^). Auf einer großen Versammlung von Prälaten<br />
<strong>und</strong> weltlichen Herren zu Neukloster schloß Brunward mit<br />
den Fürsten von Mecklenburg ein Offensivbiindnis"). Nicht nur in<br />
Circipanien. sondern auch in dem ganzen von den Schweriner Fälschungen<br />
widerrechtlich beanspruchten Peeneland sollten die Mecklenburger<br />
die Diözesanhoheit ihres Landesbischofs mit Waffengewalt<br />
erzwingen <strong>und</strong> durch reiche Zehnten da<strong>für</strong> belohnt werden.<br />
Der schöne Vertrag, bei dem Erzbischof Gerhard von Bremen<br />
<strong>und</strong> seine Natzeburger <strong>und</strong> Lübecker Suffragane eifrig mitgeholfen<br />
hatten, befaß einen kleinen Fehler: man teilte das Fell, bevor man den<br />
Bären erlegt hatte. Konrad lll. wich nicht vom Fleck. Am 14. Januar<br />
1238 starb Brunward. der ganze Plan ward mit ihm begraben.<br />
Die endlosen kanonischen Prozesse, die jetzt von beiden Parteien<br />
angefangen wurden^), tragen bei aller Verworrenheit einen sehr<br />
einheitlichen Gr<strong>und</strong>zug: Schwerin hat auf seiner Seite das^Necht<br />
<strong>und</strong> Kammin die Macht. Konrad wie sein Nachfolger Wilhelm '<br />
überM^n geWsentlich die päpstlichen Entscheidungen. Was half es,<br />
daß Cölestin IV. den dänischen König mit der Exekution beauftragte.<br />
Kammin hatte <strong>und</strong> behielt die Diözesanhoheit nicht nur im Peene-<br />
1) P. 465. 466. 654. 701. 704.<br />
2) P. 325: (in) terri'5 clomini V/j^lai principis kuAiananlm et<br />
domini Larnut et terra V^ol^^t, prout clictag terrag in p033e38ione<br />
Mme nabent, in quibus nokiz tota decima 3ine ipso ce6it.<br />
2) P. 325. l23tt Aug. 5. mit Johann: P. 326. 1237 (nicht 1236)Iebr.5,<br />
mit Heinrich Bornim !ll. Beide Urk<strong>und</strong>en denke ich an anderer Stelle<br />
genauer zu untersuchen.<br />
') P. 329. 364. Rodenberg. Epp. I Nr. 775. P. 396. 456.
44 3orschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
lande, sondern auch in dem widerrechtlich angeeigneten Circipanieyl).<br />
Endlich am 28. Januar 1247 kam es zu einem Vergleichs. Ver<br />
tatsächliche Besitzstand der beiden Gegner wird festgelegt. Schwerin<br />
behält Tribsees^) <strong>und</strong> Kammin Circipanien <strong>und</strong> da^Veeneland^).<br />
"^Sö' sagen die Dinge, als Bischof Hermann nach Pommern kam.<br />
Wenig früher, zu Onde des Jahres 1249. war auch in Schwerin<br />
ein neuer Bischof. Rudolf, gewählt. Dieser Rudolf, ein sehr streitbarer<br />
Herr, hatte nichts eiligeres zu tun. als sich mit Pribislaw<br />
von Parchim in blutige Fehden über den Kirchenzehnt zu stürzen 5)<br />
<strong>und</strong> Kammin von neuem bei der Kurie zu verklagen"). Er erlangte<br />
in der Tat. daß sein Mitsuffragan Bischof Ulrich von Raheburg<br />
mit der Untersuchung betraut wurde. Wie kaum anders zu<br />
erwarten, entschied der Ratzeburger im August 1257 auf Gr<strong>und</strong><br />
der Schweriner 'Privilegien, daß das^ Peeneland usw. dem Bistum<br />
Schwerin gehöre. Er forderte Nikolaus von Werle <strong>und</strong> Borwin<br />
von Rostock zur Vollstreckung des Urteils auf. Diese aber dachten<br />
nicht daran, den Bischof, der ihren Bruder durch Bann <strong>und</strong> Reichsacht<br />
um sein väterliches Erbe gebracht, zu unterstützen. Hermann<br />
selbst appellierte nach Rom. <strong>und</strong> Alexander lV. beauftragte den<br />
Bischof von Halberstadt <strong>und</strong> den Abt von Lehnin, mit dem Ratzeburgcr<br />
gemeinsam in der Untersuchung fortzufahren. Bevor noch<br />
die auf den 7. Juli 1258 in der Kathedrale zu Havelberg angesetzte<br />
mündliche Verhandlung stattfand, hatte Schwerin im März<br />
bei der Kurie eine Entscheidung erwirkt. Der zu Ungunsten<br />
Schwerins geschlossene Vergleich von 1247 sei aufzuheben <strong>und</strong> das<br />
strittige Gebiet von Kammin herauszugeben' Gleichzeitig klagte<br />
Rudolf in einem gesonderten Prozeß gegen das Domstift Güstrow<br />
auf Anerkennung der Schweriner Hoheit.<br />
Bischof Hermann führte unbeirrt die Machtpolitik weiter, die<br />
seine Vorgänger wie er selber so erfolgreich erprobt hatten. Er<br />
pflegte das gute Einvernehmen mit den Landesherren <strong>und</strong> wirkte<br />
kirchlich wie politisch in dem von Schwerin beanspruchten Gebiet<br />
1) P. 316. 319. 320. 321. 347. 352. 353. 358. 383. 384. 387, 392. 395.<br />
-> P. 456. 671, 672.<br />
2) Vergl. P. 465. 466.<br />
4) Vergl. P. 463. 474. 490 u. a.<br />
ä) Witte. Meckl. <strong>Gesch</strong>. l. 166 f., Nische. Ieit der Hansa 6 f.<br />
«) Zum folgenden s. P. 642. 644. 648. 649, 652. 653. 3949, 3950.<br />
3952. 667
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammln. 45<br />
besonders eifrig. Namentlich die großen 3eldklöster verpflichtete<br />
er sich durch reiche Vergabungen. Im übrigen appellierte er gegen<br />
ihm ungünstige Richtersprüche nach Nom <strong>und</strong> hatte <strong>für</strong> die päpstlichen<br />
Erekutorialbullen nur taube Ohren.<br />
Nach langem hin <strong>und</strong> her, wobei Kammin zuletzt anscheinend /^<br />
ein formelles Recht auf noch weitergehende Ansprüche nachwies ^). ^' "<br />
wurde der Streit im Vertrag von Malchin am 6. März 12ft0 end-l<br />
gültig beigelegt. Nicht durch die delegierten Richter, sondern durch»<br />
ein Schiedsgericht, das aus je zwei Prälaten der beiden Parteien<br />
zusammengesetzt war. Jene frühere Grenzeimqung von ^247^<br />
zwischen Wilhelm von Kammin <strong>und</strong> Dietrich von Schwerin wurde /<br />
ratifiziert, eine Pfarre <strong>und</strong> ein Dorf auf Gr<strong>und</strong> des damaligen<br />
"Ve?irag?s dem Bistum Schwerin zugesprochen. Kammin war als l<br />
Sieger aus dem fünfzigjährigen Kampfe hervorgegangen. «<br />
Man wird es dem Bischof von Schwerin nicht verdenken, wenn<br />
er den Verlust des kirchlich blühenden Circipanien, das tief ins<br />
5)erz seiner Diözese einschneidet, nicht verschmerzen konnte. Es war<br />
doch nur ein dürftiger Trost, daß die herzöge von Sachsen seine -/<br />
Diözesangewalt im Land Tribsees ausdrücklich bekräftigten (P.7M,<br />
704). MN"Hermänn von Gleichen hat er sich nicht ausgesöhnt.<br />
Erst sein Nachfolger, Hermann von Schladen. hat alsbald nach<br />
seiner Thronbesteigung fre<strong>und</strong>lichere Beziehungen zu Kammin angeknüpft<br />
(P. 732).<br />
Dio Erschließung des Vatikanischen Archivs' hat Ans eine urk<strong>und</strong>liche<br />
Nachricht gebracht über einen früher unbekannten Orenzstreit<br />
Kammins mit einem entfernten Bistum, an das wir nach<br />
der geographischen <strong>und</strong> kirchenpolitischen Lage zunächst kaum denken<br />
würden. Es handelt sich um Meißen. Das Bistum Meißen ist<br />
bekanntlich ebenfalls eine Gründung Kaiser Ottos !.. im Jahre 968<br />
wird Burchard als erster Bischof bestellt. Sem großer Sprengel<br />
umfaßt u.a. das Land der Lausitzer, die etwa von der Schwarzen /<br />
Elster oft- <strong>und</strong> nordwärts das Spreegebiet bis zur Oder bewohnen.^<br />
Um die Aufhellung des Streites über die Kirchenhoheit in der<br />
Lausitz haben sich Sickel^). Uhlirz^). Posse ^). Curschmann^) <strong>und</strong><br />
1) Bischof Hermann <strong>und</strong> das Domkapitel erklären in dem Einigungsvertrag<br />
P. 672: renunciantez expresse omnibus litteri? liinc incle a secle<br />
impetrati super questione eaäem et processi kabitis.<br />
2) In den Anmerkungen zu den im Text genannten Diplomata.<br />
2) MIQG Erg. Bd. 1 S. 363 f. Erzbist. Magdeburg 2. 64 f.<br />
^) Markgr. v. Meißen u. Haus Wettin.<br />
') Die Diöz. Brandenburg 216 f.
46 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammw.<br />
andere eifrig bemüht. In bezug auf die Entstehung der Brandenburger<br />
Ansprüche find sie alle durch einen bösen Editionsmangel<br />
irregeführt worden. Wenige Jahre nach der Gründung Meißens<br />
überweist Otto I. dem Bischof den Zehnten des kaiserlichen Tributs<br />
in fünf Landschaften, darunter in der provincia l^uzici^D.l). l, 406ao<br />
971). Das Diplom isterie Blanquetausfertigung. daher die<br />
Nichtigkeit seines Inhalts gegebenenfalls mit Vorsicht zu betrachten.<br />
Die Möglichkeit eines Zweifels ist ausgeschlossen in der Bewidmung<br />
Ottos 111. vom Jahre 995 (D.O. lll. 186- Urschrift), die ebenfalls<br />
die Lausitz in den Meißener Sprengel einbezieht. Auch in der<br />
3olgezeit bleibt dieser Besitzstand erhalten ^). Er wird dadurch<br />
nicht berührt, daß etwa der Erzbischof von Magdeburg <strong>und</strong> der<br />
Bischof von Brandenburg hier einen kaiserlichen Honigzehnt empfangen<br />
(D.O. I. 303). Innocenz II. bemerkt 1137 (Iaffe 7854)<br />
gelegentlich einer Auseinandersetzung über diese Abgabe ausdrücklich,<br />
daß die Diözesanhoheit in der Lausitz dem Bischof von Meißen<br />
gehöre?).<br />
Nun erscheint in der Gründungsurk<strong>und</strong>e (D.O. I. 105) des<br />
Bistums Brandenburg. 948 ebenfalls die provincia Ausici. Und<br />
Kaiser Friedrich l. wie Klemens III. bestätigen sie 1161 <strong>und</strong> 1188<br />
als brandenburgischen Besitzt). Wie ist die Unmöglichkeit, daß<br />
Kaiser Otto gleichzeitig zwei Bistümern dasselbe umfangreiche<br />
Gebiet schenkt, zu erklären?<br />
Man hat angenommen, daß Bischof 3olchold von Meißen den<br />
Inhalt des Blanquets verfälscht <strong>und</strong> sich einen Teil der Nachbar-»<br />
diözese unrechtmäßig beigelegt hat. Aus verschiedenen Gründen<br />
hielt ich diese Möglichkeit <strong>für</strong> ausgeschlossen. Eine Untersuchung<br />
des kaiserlichen Diploms im Brandenburger Kapitelsarchiv brachte<br />
die unerwartete Aufklärung. In der Urschrift der Brandenburger<br />
Stiftungsurk<strong>und</strong>e ist der Name bugici interpoliert. Der zweite<br />
Gr<strong>und</strong>strich des u <strong>und</strong> sici stehen auf Rasur <strong>und</strong> sind von anderer<br />
Hand geschrieben. Es hat an der Stelle ein Name gestanden, der<br />
mit l.i (weniger wahrscheinlich mit !
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 4?<br />
Die Entstehungszeit <strong>und</strong> die Gründe <strong>für</strong> die Verfälschung<br />
können wir im Rahmen diefer Studie nicht verfolgen. Gegen<br />
welches der Nachbarbistümer die Interpolation ursprünglich gerichtet<br />
war. braucht uns hier im Kamminer Streit um fo weniger<br />
zu beschäftigen, als Brandenburg wie Meißen in ihren echten<br />
Privilegien des 12. bezw. 10. Jahrh<strong>und</strong>erts vollgültige Unterlagen<br />
ihres Anrechts vorlegen konnten. Kammin leitete, wie wir<br />
sahen (S. 36). feinen Anspruch auf das Gebiet der mittleren<br />
Spree" von der <strong>pommersche</strong>n Eroberung her. Die 3rage nach der<br />
kirchNUen 7)öheit wurde brennend, sobald durch die politische Erweiterung<br />
der Markgrafschaft Brandenburg die^Niederlausitz Kirch- /7<br />
lich'erschlossen wurde. Anfangs der dreißiger Jahre des^3/^Iahrhunk>e?ts^gewannen<br />
^ die^. Markgrafen ^ vom Herzogtum ^Pommern /<br />
endgültig den Teltow <strong>und</strong> setzten beim Abschluß des Iehntstreits<br />
1237"den" Bischof von Brandenburg förmlich als Dwzesanherrn<br />
in den neuen Landen ein. Bon Süden her drängte mit Unterstützung<br />
seines Landesherrn Heinrichs des Erlauchten der Meißener<br />
Bischof vor. von Norden her Kammin. Es ist nicht ausgeschlossen,<br />
daß schon in der Bulle Gregors IX. von 1237 (P. 342) ein<br />
Meißen-Kammmer Streit gemeint ist. Ebenso liegt durchaus im<br />
Bereich der Möglichkeit die Annahme Aldingers ^) <strong>und</strong> Wehrmanns<br />
2), daß Bischof Konrad von Meißen 1244 den päpstlichen i<br />
Auftrag zur Weihe des Kamminer Elekten Wilhelm deshalb nicht<br />
vollzogt), weil er mit ihm im Streit lag. Als dann 1246 Kammin,<br />
ermuntert durch seine Erfolge gegen Schwerin <strong>und</strong> im^Vertrauen<br />
auf die zum mindesten nicht feindselige Haltung der ^Markgrafen,,<br />
bei 'der Kurie auf den Nückerwerb des Spreelandes arbeitete, verklagte<br />
es folgerichtig beide Gegner, Brandenburg fowohl wie<br />
Meißens.<br />
2) Neubesetzung S. 27 f.<br />
2) Monatsblätter 15 S. 76. Dagegen neigt Iuchs, Besetzung der<br />
deutschen Bist. S. 154 der Ansicht Krabbos zu. daß eine Auseinandersetzung<br />
zwischen Kammin <strong>und</strong> Meißen überhaupt nicht stattgef<strong>und</strong>en habe.<br />
»> P. 3927. 392«.<br />
«) P. 3929. 1246 Dez. 23. Der Wortlaut der Bulle ist durch die<br />
Reg. Vat. so gut bezeugt <strong>und</strong> ihr Inhalt entspricht so vollkommen der<br />
Kamminer Taktik, daß die von verschiedenen Seiten gemachten Konjekturen<br />
abzulehnen sind. Krabbo. Ostdeutsche Vist. S. 38. urteilt: ...der Wortlaut<br />
der Papsturk<strong>und</strong>e erhärtet die auch sonst hinlänglich bekannte Tatsache, daß<br />
man an der Kurie von der geographischen Lage dieser Grenzgebiete der katho»<br />
lischen Christenheit nur sehr ungefähre Vorstellungen hatte". Aber das kommt<br />
hier nicht in Betracht. Denn der Erlaß geht zurück auf die Petition eines
-48 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
Entweder hat der von Innocenz IV. mit der Entscheidung beauftragte<br />
Erzbischof Albert von Preußen keinen Spruch gefällt,<br />
oder Bischof Wilhelm von Kammin ist aus taktischen Erwägungen<br />
<strong>und</strong> in der Erkenntnis der Erfolglosigkeit, seiner Ansprüche freiwillig<br />
zurückgetreten. Die zweite Möglichkeit ist wohl die wahrscheinlichere.<br />
Jedenfalls scheidet Kammin alsbald aus dem Streite<br />
aus <strong>und</strong> überläßt Brandenburg <strong>und</strong> Meißen das 3eld.<br />
Es will zunächst scheinen, als ob gegenüber den langen Kämpfen<br />
westlich des Oderstroms die Bedeutung der Auseinandersetzung auf<br />
dem Ostufer wenigstens im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert erheblich zurücktritt.<br />
In der'Tat liegt <strong>für</strong> das Bistum Kammm der Schwerpunkt der<br />
kirchlichen <strong>und</strong> politischen Tätigkeit bis zum Regierungsantritt<br />
Bischof Hermanns im Westen. Hermann ist es gewesen, der durch<br />
den inneren <strong>und</strong> äußeren Ausbau des bischöflichen Territoriums<br />
<strong>und</strong> der Landeshoheit, durch die Neuordnung der politischen Kräfte<br />
in Mittelpommern, <strong>und</strong> durch dle"planmäßige wirtschaftliche ErschilMmg<br />
des jüngeren Siedelungsfeldes den Schwerpunkt in den<br />
Osten verlegt hat. Wie in seiner ganzen Wirksamkeit ist er auch<br />
in diesem Bestreben durch das zufällige Zusammentreffen glücklicher<br />
Vorbedingungen außerordentlich begünstigt worden. 3n dasselbe<br />
Jahr, in dem er nach Kammin kommt, fällt jener welthistorisch<br />
bedeutende Augenblick: die Markgrafen von Brandenburg über-^<br />
schreiten die Oder <strong>und</strong> beginnen mit der Neumark ihren Siegeszug<br />
nach Preußen.<br />
Die Zeitgenossen Ottos von Bamberg berichten von dem ungeheuren<br />
menschenleeren Waldgürtel auf dem rechten Warthe- <strong>und</strong><br />
Netzeufer ^), der die feindlichen Brüder Polen <strong>und</strong> Pommern trennt.<br />
Es vergeht nahezu ein Jahrh<strong>und</strong>ert, bis wir ein einigermaßen deutliches<br />
Bild von der politischen Gliederung — besser gesagt: den<br />
mehr oder minder wirksam verfochtenen Hoheitsansprüchen —<br />
der Beteiligten, <strong>und</strong> dieser Pctent ist Kammin <strong>und</strong> nicht Brandenburg. Das<br />
deweist der Vergleich des Wortlauts mit den gleichartigen Mandaten <strong>und</strong> die<br />
Tatsache, daß der Auftrag an den Erzbischof Albert vom gleichen Tage datiert<br />
ist. an dem die Konsekration des Kamminer Bischofs Wilhelm durch den»<br />
selben Erzbischof Albert oom Papst bestätigt wird (P. 3928). Es handelt<br />
sich also nicht um einen Streit zwischen Brandenburg auf der einen <strong>und</strong><br />
Kammin-Meißen auf der andern Seite, wie Krabbo <strong>und</strong> Eurschmann, Diöz.<br />
Brandbg. S. 199. vorschlagen. Ebenso fehlt Curschmanns Konjektur, an<br />
stelle von Meißen den Namen einer andern Kammin benachbarten Diözese<br />
zu setzen, die Gr<strong>und</strong>lage.<br />
l) In den Quellen heißt auch die untere Watthe. von ihrem 3usammenflnfl<br />
mit der Netze bei Zantoch ab, ^iotez — Netze.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammm. 49<br />
in dem Raum zwischen Oder <strong>und</strong> Drage gewinnen. Die Herren /<br />
von Großpolen, ^.2chlesien,^Pommern, Brandenburg. Magdeburg." /<br />
von 'entfernteren zu schweigen, ringen um den Besitz des Landes.<br />
Die quellenkritische Herausarbeitung der einzelnen Verwickelungen<br />
<strong>und</strong> Entwickelungen bereitet außerordentliche öchwierigkeiten. Uns»<br />
kommt es darauf an, festzustellen, welche politischen <strong>und</strong> anderen<br />
Momente die schließliche Grenzabsetzung der Diözesen Kammin <strong>und</strong> ^<br />
Lebus herbeigeführt haben. Indem wir scheinbar über diesen eng- ^.<br />
geMgenen Nahmen gleich etwas hinausgehen, leitet uns eine doppelte<br />
Absicht. Einmal erkennen wir an der kritischen Beleuchtung des<br />
spröden Quellenmaterials <strong>und</strong> seiner bisherigen wissenschaftlichen<br />
Bearbeitung, auf wie schwierigem Boden <strong>und</strong> unzulänglicher Vor- /<br />
arbeit die Erforschung der politischen <strong>und</strong> kulturellen Entwicklung /<br />
ElavMtT^heute noch aufzubauen hat. Zum andern führen uns diese<br />
ersten Kämpfe um die Neumark mitten hinein in die Interessengegensätze,<br />
nach denen Bischof Hermann seine auswärtige Politik<br />
fast vier Jahrzehnte lang wesentlich orientieren muß. Erst dio /<br />
Entwickelung der neumärkischen Verhältnisse erklärt uns Hermanns " /<br />
brandenburgische Beziehungen, denen noch ein gewissenhafter Forscher ^<br />
wie Barthold absolut verständnislos gegenübergestanden hat.<br />
Neber eine Neihe strittiger Punkte wird eine Einigung der<br />
Forscher schwerlich je erzielt werden. Leider ist die am meisten <strong>und</strong><br />
gelegentlich mit einem scharf persönlichen Unterton verhandelt?<br />
Frage, wo die in den Urk<strong>und</strong>en genannte Burg <strong>und</strong> Land Chinz<br />
zu suchen seien, <strong>für</strong> uns die wichtigste. Kehrberg hat die alt<strong>pommersche</strong><br />
Burg finden wollen tn dem heutigen Dorf Kienitz,<br />
14 Kilometer östlich Soldin (vergl. zum folgenden meine Karte).<br />
Ledebur <strong>und</strong> die meisten anderen schließen auf das Amt Kienitz<br />
im Oderbruch unterhalb der Mietzelmündung. Kosegarten hat im<br />
Anschluß an Bugenhagens Notiz eines caztrum Kemtx prope Odergder^e<br />
die Möglichkeit erwogen, ob es sich um eine untergegangene<br />
Festung in der Gegend von Grüneberg handelt. Bezeichnend <strong>für</strong><br />
die Lage der Forschung ist die wechselnde Beurteilung, die der beste<br />
Kenner der neumärkischen <strong>Gesch</strong>ichte. Paul von Nießen, gegeben<br />
hat. In Auseinandersetzung mit Naumer. Barthold, Quandt,<br />
Kletke u. a. hat er sich früher dahin entschieden i). unser Chinz trage<br />
seinen Namen nach der ehemaligen Feste, dem heutigen Amt Kienitz<br />
im Oderbruch. Die Landschaft Chinz ^ Kienitz habe zum größten<br />
Teil auf dem rechten Ufer des (jetzigen) Hauptarmes der Oder<br />
Iorsch. br.pl. <strong>Gesch</strong>. 2 (1889) I. 351 f.
50 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
zwischen der Mietzel <strong>und</strong> dem l?andc Iehden gelegen <strong>und</strong> dazu einen<br />
Teil des Bruchs umfaßt. Nachdem Vreitenbach ') dieser Ansicht<br />
in allen wesentlichen Punkten beigepflichtet hatte, ist es darüber<br />
zu ausgedehnten Debatten gekommen ^). Auf den Nachweis. lbus<br />
verleiht den Templern Zehnten von 250 Hufen in e<br />
c) Riedel 4 XIX 5. 1 Nr. 2- 1232. 5>zg. Wladislaw Odonicz<br />
von Polen schenkt den Templern... (^vart^ne (Quartschen)<br />
villam 8uper ^4lx?la (Mietzel) iluvium 5i'tam cum mille m3N5i8.<br />
ch Riedel ä XIV S. 1 Nr. 1,- 1233. Bi. Lorenz v. Lebus verleiht<br />
den Templern gegen eine jährliche Getreideabgabe die<br />
Zehnten von 1000 Hufen in coniinio (^o/stErine (Küstrin)<br />
gpucl iluvium ^i?la m epiäcopatu l_ubucen3l.<br />
') kand eebus S. 38 f.<br />
2) Vergi, besonders Schriften d. Vereins f. <strong>Gesch</strong>. d. Neumark. Heft 10,<br />
12. 13. 14.<br />
3) Ebenda Heft 13, S. 251 f..- Neumark, häufig (s. dort das Register<br />
Sinter Chinz <strong>und</strong> Iehden).<br />
") Schriften 10 S. 83 f.<br />
5) Meine Abweichungen von den früheren Drucken ergeben sich zumeist<br />
aus dem Vergleich der handschriftlichen Vorlagen. Auf einen kritischen<br />
Apparat aufter den notwendigsten Anmerkungen darf ich deshalb wohl ver«<br />
zichten.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 51<br />
e) P. 308; 1234. Barnim l. schenkt den Templern Darrmietzel<br />
in terra dliinx iuxta aquam Ni^lg mit 200 Hufen.<br />
f) P. 309^ 1234 Dez. 28. Barnim l. entsagt zu Gunsten der<br />
Templer seinen etwaigen Rechten in terra du3terin.<br />
3) P. 310; 1235. Bi. Heinrich v. Lebus verleiht den Templern<br />
gegen eine jährliche Getreideabgabe die Zehnten von 200 Hufen<br />
in territorio caztri cie l
52 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
et terram drlintx^) cum 8UÌ8 2ttineneii8 integre<br />
ecc!e8iI Po38icier)it, czuibu8ertinericariituli<br />
I^ubueer,8i8.<br />
p) P. 455- 1247 Jan. 18. Innocenz IV. bestätigt den Templern<br />
ihren Besitz cle yua^an, cle (Is»m8 usw.<br />
q) P. 458; 124(7) März 29. Bi. Wilhelm v. Kammin verleiht<br />
dem Kl. Lehnin den Zehnten von 25l) Hufen in territorio<br />
O6enen8i um die Seen Vietnitz <strong>und</strong> Narst (wohl Nordhausen).<br />
r) P. 464- 1248 März 8. Bi. Wilhelm dotiert das NKl. ^chönbeck^<br />
bei Schönfließ.<br />
3) P. 3932- 1248 April 7. Barnim l. verleiht dem Kl. Lehnin<br />
Dorf <strong>und</strong> See Velgen 2) in terra O^ene.<br />
t) Riedel ^ XXlV S. 336 Nr. 17- 1249 April 20. Boleslaw<br />
der Kahle non Schlesien teilt mit EV. Wilbrand von Magdeburg<br />
das Land Lebus. zu dem gehören loca ca3trorum...<br />
(^livne? et terra que attinet, j
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 53<br />
x) Riedel ä XIX S. 5 Nr. 8. 6 I S. 70 Nr. 96: 1261 (!)<br />
Dez. 31. Die Templer überlassen einoppidum (wohl Küstrin),<br />
5 Dörfer an der Warthe <strong>und</strong> Hof <strong>und</strong> See Soldin mit<br />
300 Hufen zu beiden Seiten der (oberen) Mietzel den Markgrafen.<br />
Da<strong>für</strong> verzichten diese auf alle? Ansprüche an<br />
Quartschen, Iicher, Wilkersdorf. Iorndorf. Kuhdorf, l^xvik<br />
^ Klewitz?) <strong>und</strong> Kalenzig.<br />
7) Riedel ä X S. 209 Nr. 56- 1263 (!). Markgr. Otto gibt<br />
dem Kl. Lehnin das Dorf Gütergotz gegen Klosterbesitz in<br />
2) P. 817; 1266 Dez. 7. Kardinallegat Guido bestätigt die<br />
Entscheidung EB. Alberts. daß das Land Küstrin zu Lebus,<br />
dnmt2 zu Kammin gehöre.<br />
-?) P. 915; l270 Mai 4. Bi. Hermann transsumiert Nrk. q <strong>und</strong><br />
schenkt Zehnten von Iädickendorf '<strong>und</strong> Woltersdorf in 8upsa><br />
nominal territorio (8c. de6enen3i) iacentium hinzu.<br />
Ium literarischen Quellenmaterial betrachten wir geographisch<br />
das Gelände, auf dem die Ereignisse sich abspielen. Seine natürlichen<br />
Auhengrenzen sind die Warthe <strong>und</strong> die Nöhrike im Süden /<br />
<strong>und</strong> Norden, das breite Öderbruch im Westen, die Seenplatte nörd- /,<br />
lich Soldin, der Oberlauf der Mietzel <strong>und</strong> ein im Zuge der (späteren) /<br />
Diözesangrenze verlaufender Haken durch den weiträumigen Forst<br />
im Ostens. Innerhalb des so umschriebenen Gebiets bildet nur die<br />
Mietzel eine deutliche Landscheide. Auf der welligen Hochfläche<br />
zwischen Mietzel, Oder <strong>und</strong> Rährike fehlen die natürlichen Abmarkungslinien.<br />
da die Kuritz <strong>und</strong> andere Wasserläufe zu unbedeutend<br />
sind. Die Verteilung der großen, damals noch umfassenderen<br />
Maldflächen befördert ebenso wenig die Bildung augenfälliger<br />
Grenzlinien. Dagegen müssen wir die Wälder sorgfältig<br />
beachten, wenn wir eine Vorstellung von der Möglichkeit »<br />
unb der Art der Landeseinteilung gewinnen wollen.<br />
2u eine von 3all zu Fall fortschreitende Erörterung der zahlreich<br />
aufgeworfenen — berechtigten <strong>und</strong> unberechtigten — Fragen<br />
einzutreten, ist nach Lage der Dinge ausgeschlossen. Besonders bedauro<br />
ich. auf die mannigfachen Abweichungen von Nießens ausgezeichneten,<br />
<strong>für</strong> jeden späteren Forscher gr<strong>und</strong>legenden Unter-<br />
1) Die Tatsache zu bezweifeln besteht kein Anlaß, veral. P. 458 <strong>und</strong><br />
915. Danach die Anmerkung Krabbo Reg. 888 zu streichen.<br />
2) Das letzte Stück erscheint heute nicht mehr als natürliche Grenze.<br />
Damals hob es sich als ein Rodungsstreifen im Walde deutlicher ab.
54 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
suchllngen nur anmerkungsweise <strong>und</strong> auch da nur an den <strong>für</strong> unsern<br />
besonderen Zweck wichtigsten Punkten eingehen zu können. So<br />
bleibt mir. von langwierigen Untersuchungen nur in knappen Strichen<br />
die Ergebnisse zu skizzieren. Und wo wir wegen der Dürftigkeit<br />
<strong>und</strong> der schwierigen Beurteilung des Materials mit kritischer Sicherheit<br />
nicht weiter kommen, da müssen wir auch den wissenschaftlichen<br />
Mut zur Bescheidung haben. .<br />
Das Land Küstri^umfaßt das Gebiet zwischen Warthe.<br />
Oder, Mietzel <strong>und</strong> der Vistumsgrenze (Urk<strong>und</strong>e >v) i). Quartschen,<br />
Nähern <strong>und</strong> wohl l_ubno --- Liebenow ergeben sich unmittelbar aus<br />
dem Zusammenhalten der Quellen (c. cl, n) als kiistrinische Orte.<br />
Daß im Oderbruch außer dem unbewohnten nächsten Umkreis der<br />
3este ein größeres Stück zur Landschaft Küstrin gerechnet wurde,<br />
ist unwahrscheinlich 2).<br />
hinsichtlich des LandesIehden stellen wir zunächst fest,<br />
daß die urk<strong>und</strong>liche Namensform O^en, ^eckn u. ä. schlechterdings<br />
nichts mit
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 55<br />
Interpretation rütteln. Iehden ist alt<strong>pommersche</strong>r Besitz (Urk. a). !. /<br />
Es ist wohl möglich, daß die auf dem „Klosterberg" angenommenen<br />
Vefestigungswerke die Stelle des castnim bezeichnen, llber die Ausdehnung<br />
des Landes erfahren wir mancherlei. Im Norden stieß /<br />
«s an die.Rährike (3). man vermutet mit ziemlicher Wahrschein- ^<br />
lichkeit, daß auf diesen 200 Hufen die Stadt Königsberg angelegt<br />
wurde. Vom Vietnitz <strong>und</strong> Nordhausener See (q), Dorf<br />
<strong>und</strong> See Belgen (3), Iädickendorf <strong>und</strong> Woltersdorf (x?) wird aus- /<br />
drücklich bezeugt, daß sie in territorio OdenEnai liegen. Die Voc-^<br />
mehrung des Lehniner Besitzes (q, s) durch den Tausch mit Mark- //<br />
graf Otto III. (>) werden wir nach gleichartigen Beispielen ebenfalls^um<br />
Belgen <strong>und</strong> Iädickendorf zu suchen haben. Daß im Gebiet /<br />
der Röhrike die Landschaftsgrenze mit der heutigen Provinzgrenze<br />
im wesentlichen zusammenfiel, dürfen wir von der Zeit unserer<br />
genaueren Kenntnis, der zweiten Hälfte des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts, mit<br />
zureichender Gewißheit rückwärts schließen ^). Wie weit die Landschaft<br />
sich ostwärts erstreckte, lassen die älteren Quellen nicht er- ,<br />
sehen. Ist Schildberg tatsächlich eine slavische Gründung, so wird -<br />
es auch schon in unserer Zeit Vorort des nach ihm benannten<br />
Ländchens westlich des Soldmer Sees <strong>und</strong> der oberen Mietzel gewesen<br />
sein 2). Ob wir übrigens <strong>für</strong> die erste Halste des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
schon ein gesondertes Territorium Schildberg annehmen<br />
oder nicht, ist hier von nebensächlicher Bedeutung.<br />
Das übrigbleibende Stück zwischen den Landschaften Küstrin<br />
im Süden <strong>und</strong> Iehden im Norden ist das LandChinz. Es liegt<br />
auf dem nördlichen Ufer der Mietzel (e, 3), über das Flüßchen<br />
geht es nicht hinaus (p. n). Darrmietzel ist der einzige mit Namen<br />
genannte Ort darin (e). Eine feste Grenzlinie bilden nur die<br />
Mietzel <strong>und</strong> — zunächst mit Vorbehalt gesagt — die Oder. .Ost- ;<br />
wärts liegen als natürliche breite Seitendeckung die weiten Waldflächen.<br />
In bezug auf die Grenzscheide gegen die KaMlanei Iehden<br />
enthalten unsere Quellen keine unmittelbare Angabe. Halten wir<br />
ober zusammen die früher noch weitere Ausdehnung der Forsten, die<br />
geringe Besiodeluna des Bodens ^) <strong>und</strong> das durch die Diözesan-<br />
l) Vergl. die Karte bei Curschmann. Landesteiluntsen. <strong>und</strong> die Belege<br />
dazu S. 220 f. Eine geringfügige Abweichung hält Riehen, Neumark S. 15A,<br />
<strong>für</strong> wahrscheinlich.<br />
-) Pergl. Nießen. Neumark S. 111 Anm. 2. 157 Anm. 3. 165 f.<br />
6) Dah Iiirslenfelde mit dem 1252 genannten Zole^ovitx identisch<br />
sein könnte (Raumer. Landbuch S. 86 Anm. 28, danach Nießen. Neumarb<br />
S. 147). ist nicht möglich, da es ein attinencium von Drossen heißt
56 3orschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammw.<br />
grenze bezeichnete Hinübergreifen der Landschaft Iehden ins Oder»<br />
bruch. so werden wir uns die Scheide gegen Iehden als einen Grenzsaum<br />
auf dem rechten Ufer der Kuritz vorstellen. Die so umschriebene<br />
Landschaft Chinz deckt sich also, abgesehen von der<br />
Mietzellinie. im wesentlichen mit der östlichen terra Bärwalde des<br />
Lllndbuchs von 1837 ').<br />
Bis hierher sind m. E. unsere Quellen so einwandfrei zu<br />
deuten <strong>und</strong>. von den erwähnten Nebensächlichkeiten abgesehen, verhältnismäßig<br />
so reichlich überliefert, dah man die darüber gepflogenen<br />
endlosen Erörterungen kaum versteht. Es bleibt die Frage zu beantworten:<br />
gehörte das heutige Oderdorf (bezw. das Amt) Kienitz.<br />
als Vorburg zum Lande Chinz?<br />
Der Ortsname Kienitz kommt in der Gegend auffallend häufig<br />
vor. Noch heute gibt es in der von den Markgrafen seit_123O«<br />
erworbenen östlichen Hälfte der Provinz Brandenburg nicht weniger<br />
als 7 verschiedene Siedelungen des Namens. Daß in den langen<br />
Kämpfen noch das eine oder andere d^ne? oder (^limx untergegangen<br />
bezw. bei der Germanisienmg durch einen deutschen Namen<br />
ersetzt sein kann, bedarf keiner weiteren Erörterung. Die geographische<br />
Möglichkeit, daß unser urk<strong>und</strong>liches Chinz das Kienitz<br />
im Oderbruch fein kann, ist durchaus zuzugeben. Alle Einwände,<br />
die man aus der abgetrennten Lage der Burg von ihrem Bezirk<br />
hergeleitet hat. sind Konstruktionen vom Schreibtisch <strong>und</strong> nachweislich<br />
ungeschichtlich. Das c^zti-um Küstrin. um von vielen nur das<br />
nächste Beispiel anzuführen, lag von seinem Lande durch die Sümpfe<br />
<strong>und</strong> Stromverzweigungen derWarthe ebenfalls abgesondert^). Trotzdem<br />
stehe ich nicht an, die Zugehörigkeit von Kienitz zum Lande<br />
Chinz zu verneinen.<br />
Meine Gründe find folgende. Kienitz im Oderbruch heißt ur><br />
k<strong>und</strong>lich stets mit zweisilbiger Namensform (^kynetT. Ebenso regele<br />
mäßig heißt die Mietzellandschaft einsilbig
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammw. 5?<br />
Aber daß diese Regelwidrigkeit eines Schreibers zufallig in jeder<br />
der vier bezw. fünf verschiedenen Urk<strong>und</strong>en vorgekommen sein soll,<br />
ist doch kaum glaublich. Kienitz war ein durchaus unbedeutender<br />
Ort. es besaß keine Kirche, nicht einmal Acker. Von einer Befestigungsanlage<br />
wird niemals etwas erwähnt, ebenso wenig ist heute<br />
«ine Spur davon vorhanden. Ob das castrum Oliane? der Urk. t<br />
liberhaupt Kienitz im Oderbruch ist. wäre noch nachzuprüfen ').<br />
Nehmen wir diese Gleichsetzung selbst als zutreffend an. so würde<br />
sie unsere Auffassung nur bestätigen. Der 5>auptstrom der Oder<br />
<strong>und</strong> damit die eigentliche Landscheide war damals wie heute der<br />
östliche, neben ihm trat die Oän-a erheblich zurück. Wie es schon<br />
die Gliederung der Landschaft erwarten läßt, hat sich Kienitz ver«<br />
ivaltungsmäßig stets nach Westen <strong>und</strong> nicht über den Hauptstrom<br />
der Oder hinüber ostwärts angelehnt. Politisch hat es nie zur Neumark<br />
gehört. Bei Letschin war es emgepfarrt <strong>und</strong> zählte mit ihm<br />
zum Kirchenbezirk Seelow. Dazu kommt noch eine Erwägung, die<br />
mir neben dem sprachlichen Gr<strong>und</strong>e ausschlaggebend erscheint *).<br />
3m Jahre 1266 stand es seit Jahrzehnten fest, daß Kienitz mit /<br />
seinem Umland im Oderbruch zur Diözese Lebus geHärte, Jetzt<br />
konnte der Kardinallegat bei der Bestätigung des Friedensschlusses<br />
doch nicht an der entscheidenden Stelle beurk<strong>und</strong>en, daß das ganze<br />
Land Kienitz im Kamminer Sprengel liege, wenn gerade Kienitz<br />
draußen blieb. Damit hätte er doch einen baren Widersinn behauptet<br />
<strong>und</strong> neuen Kämpfen Tür <strong>und</strong> Tor geöffnet. Aus allen '<br />
Erwägungen drängt sich der Schluß auf. daß Ehinz ein untergegangener<br />
oder während der Siedelungszeit umgenannter Ort in!<br />
der oben umschriebenen Landschaft ist.<br />
Wir werden auf die vorstehenden Untersuchungen noch wiederholt<br />
zurückgreifen müssen. Haben wir. wie ich hoffe, auf die oft<br />
verhandelten Fragen eine einleuchtende Antwort gef<strong>und</strong>en, so wird<br />
uns jetzt die Erforfchung der politischen <strong>und</strong> kirchlichen Entwicklung<br />
nicht mehr lene unüberwindlichen Schwierigkeiten bereiten, mit denen<br />
die früheren Forscher zu kämpfen hatten. Ob bei der Gründung des s //<br />
<strong>pommersche</strong>n Bistums die westliche Neumark (der heutige Kreis ' ^<br />
!> Pergl. oben S. 54 meinen Einwand gegen Curschmann. Auch das<br />
von Curschmann angezogene Platkow liegt nicht im Oderbruch, sondern auf<br />
der Abdachung der mittelmärkischen Hochfläche zur Alten Oder.<br />
-) Auf die Heranziehung der Deutung
58 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammin.<br />
Königsberg <strong>und</strong> ein Streifen der Kreise Soldin <strong>und</strong> Landsberg)<br />
zum neuen Sprengel gezogen wurde, wissen wir deshalb nicht sicher,<br />
. weil wir die südliche Grenze des damaligen Herzogtums Slawien<br />
! < nicht kennen. 3ür die Ausdehnung des Sprengels bis an die<br />
Warthe haben sich Wohlbrück i). Quandi ^), Wiesener^) u. a. erklärt.<br />
Ich möchte dieser Auffassung beistimmen. Das Gegenteil<br />
vermuten Breitenbach (S. 36) <strong>und</strong>. mit unhaltbarer Begründung<br />
durch die Kammwer Stiftungsbulle, Nießen^). Sicher ist das eine,<br />
. daß bis ins zweite Viertel des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts weder Lebus noch<br />
.- Kammin in dem an sich schon dünn besiedelten <strong>und</strong> durch die un^<br />
/ aufhörlichen Kriegsstürme entvölkerten (Urk. 3, l) Lande eine kirchliche<br />
Tätigkeit entfaltet haben. Kammin fand <strong>für</strong> seine Kräfte auf<br />
dem dankbareren, unbestrittenen <strong>pommersche</strong>n Boden Arbeit in<br />
Hülle <strong>und</strong> Iülle. Vom Bistum Le bus kennen wir nicht einmal<br />
annähernd seine Stiftungszeit 5). Nur selten finden wir in einer<br />
zweifelhaften Quelle den Namen eines Bischofs genannt. In das<br />
: Licht der <strong>Gesch</strong>ichte tritt erst Bischof Lorenz (urk<strong>und</strong>lich seit 1209,<br />
/ f 1233) e). Er ist es gewesen, der zum ersten Male hoheitsrechte<br />
! nördlich der Warthe ausübt. Dor Ursprung des Grenzkampfes<br />
zwischen Kammin <strong>und</strong> Lebus kann also auf zwei gleichartige Mög-<br />
/, lichkeiten zurückgehen. Entweder war Kammin von seiner Griinl<br />
l cmng her der rechtmäßige Herr bis zur Warthe. dann ist Lebus<br />
mit dem Vorrücken der Polen <strong>und</strong> Piasten gegen Pommern ebenfalls<br />
vorgedrungen. Oder das Land unterstand nach einem uns<br />
unbekannten Anspruch dem Bistum Lebus, dann hat Kammin in<br />
der gleichen Taktik, die es gegen Schwerin angewandt hat. die<br />
<strong>pommersche</strong>n Vorstöße in die Neumark hinein mitgemacht. Wie<br />
die Auseinandersetzung mit Lebus gleichzeitig mit dem Brandenburger<br />
Streit ausbrach, so hat sie mit diesem auch denselben äußeren<br />
> Anlaß. Das Land war reif zur wirtschaftlichen Erschließung, damit<br />
erst war es <strong>für</strong> die Kirche ideell <strong>und</strong> materiell wertvoll geworden.<br />
1) Bist. Lebus I 95.<br />
2) Valt. Studien 15. I, S. 167.<br />
2) Balt. Studien 43. 123,- <strong>Gesch</strong>. S.209.<br />
4) Neumark S. 128 Anm. 4. Vergl. meine bereits erwähnten Aus»<br />
siihrungen Valt. Studien N. 3.13, 135 f.<br />
5) Vreitenbach S. 18 setzt sie unter Bolcslaw Ilt. Schiefm<strong>und</strong> (1W7<br />
bis 1I38>. weil 1133 (P.23) zum ersten Mal ein epi5cop2tu5 ^ubus<br />
genannt wird. Ich will auf die viel umstrittene <strong>und</strong> m. E. immer verkannte<br />
Bulle hier nicht näher eingehen, da ich sie in der Fortsetzung meiner Untersuchungen<br />
zum <strong>pommersche</strong>n Urk<strong>und</strong>enwesen behandle.<br />
e) Wohlbrück. Lebus l S.56f.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte dos Bistums Kammin. 59<br />
Anfangs der dreißiger Jahre des IZ.^Iahrh<strong>und</strong>erts schieben /<br />
sich die Templer von ihren älteren Besitzungen in Lebus nordwärts i<br />
über, die _Warthe vor. Wir sahen, wie unsicher hier die politischen /<br />
Hoheitsverhältnisse lagen. Wer gerade einen kriegerischen Erfolg,<br />
sei es gelegentlich auch recht bescheidener Art. zu buchen gehabt<br />
hatte, durfte sich <strong>für</strong> den Augenblick 5>err über ausgedehnte Landstriche<br />
fühlen. Die Unsicherheit <strong>und</strong> die zum guten Teil dadurch<br />
bedingte Wertlosigkeit des Bodens machen es verständlich, daß /<br />
beispielsweise Wladislaw Odonicz 1232 dem Orden im Land Küstrin.-l<br />
1000 Hufen auf einmal schenken kann (Urk. c). Bei der herrschenden<br />
Verworrenheit lassen sich die Teiypler vom <strong>pommersche</strong>n /<br />
Herzog die Rechte abtreten, die er hier an der Warthe etwa be- ^<br />
anspruchen 'möchte"(Urk. k). Der Bischof von Lebus tritt ihnen<br />
gegen eine jährliche Kornrente den Bischofszehnt aus den geschenkten<br />
Hufen ab (Urk. 6). Daß die Berechtigung des Bischofs<br />
zu dieser Verleihung fraglich gewesen sei, läßt die Urk<strong>und</strong>e nicht erkennen,<br />
das Land Küstrin gilt ohne weiteres als Lebuser Sprengel.<br />
Zwei. Jahre später gehen die Templer über die Mietzel <strong>und</strong> fassen /<br />
im Herzogtum Pommern festen Fuß (Urk. e, t, ^). Auch aus diesenl<br />
400 Hufen im Lande Chinz <strong>und</strong> an der Röhrike überträgt der neue<br />
Lebuser Bischof Heinrich dem Orden die Zehnten gegen eine Kornabgabe<br />
i). Der Bischof fugt hinzu: in diesen Bezirken bleibt aufrecht'<br />
erhalten meine bischöfliche Gewalt <strong>und</strong> die Synodalpflicht, die<br />
meiner in ihrem Sprengel ungeschmälerten Lebuser Kirche von den<br />
durch den Orden anzusiedelnden Kolonisten jeweils nach meiner Anordnung<br />
zu leisten ist -). (^um multig retroactiz temsionbu3 ecclezia<br />
prefata nullum kructum in loci8 'preclictis Kabui38et, maluit partem<br />
2pud reliAlO808 kadere, quam propter ^esertum (le tötn carere. ^,<br />
Der Zusatz beleuchtet treffend sowohl den schwachen^Besiedelungs- '/<br />
stand, wie die unsichere Diözesanhoheit. Es ist möglich <strong>und</strong> sogar<br />
wahrscheinlich, — wir sahen den gleichen 3all bei den uckermärkischen<br />
Besitzungen des Klosters Walkenried —, daß die<br />
!) Ulk. s. Der schlecht überlieferte Text ist durch Klempins Besserung^<br />
versuche noch mehr verderbt morden. Es ist wiederherzustellen exrileta<br />
libertate -- „nnch Ablauf der üblichen Ireijahre". <strong>und</strong> illibate. Die<br />
Emendalion perpetua <strong>für</strong> perpetue ist an sich grammatikalisch erforderlich.<br />
Doch kann in der Urschrift perpetue gestanden haben, da die 3orm perpetuo<br />
oder perpetue in der Korroboration geläufig ist.<br />
2) So übersetze ich sinngemäß 8Zlvo iure epizcopiili ac sinodali<br />
obäervItione, quZm ecclesie mee illibate a calnniz ei^ciem cen5ui iu8ti8<br />
temporibus exliiberi.
60 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
Templer auch vom Kamminer Bischof die Iehntenschenkung erbaten.<br />
Auf jeden 3all macht Kammin gegen das _ Übergreifen<br />
von Lebus auf das Herzogtum Pommern sofort energisch Front<br />
(Urk. k. is.<br />
In demselben Jahre 1234. in dem Herzog Barnim die 200 Hufen<br />
im Lande Chinz (<strong>und</strong> wohl auch die 200 Hufen an der Röhrike)<br />
den Templern übergab, war durch den Friedensvertrags zwischen<br />
Heinrich dem Bärtigen <strong>und</strong> Wladislaw Odonicz eine kurze Ruhe-"<br />
pause" in^ der Neumark eingetreten, hier auf dem Streitgebiet<br />
zwischen Kammin. Lebus, <strong>und</strong>, wie wir alsbald hören werden.<br />
Gnesen stießen die drei großen westslavischen Mächte, Pommern,<br />
Schlesien <strong>und</strong> Großpolen, zusammen. Die Aufteilung scheint mir<br />
damals folgende gewesen zu sein 2). Herzog Barnim beherrschteres<br />
Land im Mietzelbogen (Chinz, Iehden, Königsberg <strong>und</strong> Schildberg)^<br />
vermutlich einen Teil von Soldin. Lippchne <strong>und</strong> den Pyritzer<br />
Weizacker. Ostwärts schloß sich Großpolen an. das außer dem<br />
heute <strong>pommersche</strong>n Stück auf dem rechten Plöneufer <strong>und</strong> um die<br />
beiden Ihnaquellflüsse ^) etwa den Kreis Arnswalde besetzt hielt.<br />
Alles übrige, also das Land Küstrin. ein Teil von Soldin mit dem<br />
Oberlauf der Pläne") <strong>und</strong> die Kastellane! Iantoch, war der Siegespreis<br />
Heinrichs des Bärtigen.<br />
Sicherlich hat Bischof Heinrich von Lebus im guten Glauben<br />
gehandelt, als er sich durch die Iehntverleihung an die Templer<br />
(Urk. 3) die Diözesanhoheit zwischen Mietzel <strong>und</strong> Nöhrike vorbehielt.<br />
Er räumt offen ein, daß seine Kirche seit <strong>und</strong>enklichen<br />
Zeiten dort keinen Iins erhalten hat. Aber irgend eine wirkliche<br />
oder vermeintliche Gr<strong>und</strong>lage muß sein Rechtsanspruch gehabt haben,<br />
das geht aus der gesamten Lage hervor. Auf der anderen Seite<br />
nimmt Kammin seinen Besitz nur um so fester in die Hand <strong>und</strong><br />
kommt dem Gegner mit einer Klage bei der Kurie zuvor (Urk. li.i).<br />
Ohne die Unterstützung des Landesherrn war die Gewinnung der<br />
kirchlichen Oberhoheit von vornherein ausgeschlossen, <strong>und</strong> der junge<br />
Herzog Barnim stand mit Bischof Konrad lll. in besonders engen<br />
1) Cod. dipl. Maj. Pol. l Nr. 16« S. 144: Nr. 173. S. 149.<br />
2) Der Vertrag drilckt sich darüber sehr unklar aus.<br />
2) Es werden als polnisch genannt Warsin. Treden (->-) <strong>und</strong> Dobberphul.<br />
P. 333. 281. 28«. 339. Die mögliche Unechtheit mehrerer Kolbatzer<br />
Urk<strong>und</strong>en (uergl. Niehen. Neumark S. 65) ändert das Bild nicht. Die<br />
Lokalisierung der Namen in P. 351 dürfte einer zusammenfassenden Untersuchung<br />
des älteren Templerbesitzes gelingen. Über die früheren Dcutunggversuche<br />
vergi. 3orsch. br.-pr. <strong>Gesch</strong>. 2 (lW9) E. 363 f.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums, Kammin. 6l<br />
Beziehungen^). So klingt auch die Bitte des kebuser Bischofs an<br />
den Papst um Abstellung der alten Händel wenig selbstüberzeugt<br />
(Urk. i). Ganz anders Kammin. Wie ihm im Kampf gegen<br />
Schwerin <strong>und</strong> Brandenburg der Appetit mit dem Essen gekommen<br />
war, so auch hier. Das Land Küstrin. der am besten besiedelte Teil<br />
der Neumark, winkte doch zu verlockend. Die Templer bangten<br />
um den Bischofszehnt. den ihnen der Lebuser 1232 verliehen hatte.,<br />
<strong>und</strong> ließen ihn von Gregor IX. bestätigen (Urk. lc). In ihrer<br />
Zwangslage müssen sie auch einem älteren Iehntvertrag über das<br />
Dorf Nabern, den sein Vorbesitzer Graf Volosto mit Lebus geschlossen,<br />
ihre Zustimmung geben (Urk. n). Der Legat Wilhelm<br />
von Modena hat den wiederholten Auftrag, den Streit an Ort <strong>und</strong><br />
Stelle beizulegen, nicht ausgeführt 2). Wie fest begründet _ die ^<br />
Rechte Kammins im Mietzelbogen schienen, erhellt aus der Stolper ^<br />
Abmachung vom 24. April 1240 (Urk. l). es ist der bedeutsame<br />
Vertrag, der die landes<strong>für</strong>stliche Hoheit der Kamminer Bischöfe<br />
begründet 5).7"Als Entgelt <strong>für</strong> Vas an "Konrad lll. angetretene<br />
Land Etalgard^nlmmt Herzog Barnim unter »anderem einen Teil<br />
der^Vischöflichen Novalzehnten im territorium Iehden zu Lehn.<br />
Hätte der Herzog die Be<strong>für</strong>chtung gehegt, daß die Iehdener Abgaben<br />
der Lebuser Kirche gehörten, so hätte er sie gewiß nicht als bare<br />
Münze in Zahlung genommen. Drei Wochen später (Urk. m) ergeht<br />
die päpstliche Bulle an den Abt <strong>und</strong> Prior von Buch <strong>und</strong> den<br />
Abt von Dobrilugk, die Klage Kammins gegen Lebus an Ort <strong>und</strong><br />
Stelle zu untersuchen <strong>und</strong> die endgültige Grenze festzustellen. Der<br />
Auftrag bewegt sich wie üblich in allgemeinen Wendungen, der<br />
Gegenstand des Streits wird nicht näher umschrieben. Da jedoch<br />
Kammin im Mietzelbogen die Herrschaft besitzt, andererseits Lebus<br />
ein Stück der Kamminer Diözese wohl besetzt haben soll, so bleibt<br />
^) Die Konfirmation der Schenkung Johann Grotes (P. 327) kann<br />
bedeuten, daß Iambrisk
62 Forschungen zur alteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammin.<br />
als Streitobjekt nur das Land Küstrin übrig. Die Delegaten<br />
werden sich schwerlich mit besonderem Eifer an die verfängliche<br />
Aufgabe gemacht haben, bei der letzten Endes eine Gefährdung<br />
der Interessen ihres Ordens, der auf dem slavischen Boden von der<br />
Gunst <strong>und</strong> Ungunst der Landesbischöfe wesentlich abhängig war,<br />
/ auf dem Spiele stand. Das Schweigen unserer Quellen wird durch<br />
' den von Erzbischof Albert von Preußen herbeigeführten Vertrag<br />
' (Urk. o) erklärt: zur Abgabe einer Entscheidung sind der Abt von<br />
Buch <strong>und</strong> seine Genossen nicht gekommen.<br />
Der unermüdliche Erzbischof Albert hat neben seinen vielen<br />
Verdiensten um die norddeutsche <strong>und</strong> baltische Kirche auch den Erfolg<br />
verzeichnen dürfen, eine fre<strong>und</strong>schaftliche Einigung — s>er moclum<br />
pacjz amoto juri'8 8trepjtu — zwischen den feindlichen Nachbarn<br />
herbeigeführt zu haben. Nichi allein in seiner amtlichen Befugnis als<br />
päpstlicher Legat, sondern auch wegen seiner persönlichen Eigenschaften<br />
als der angesehene Kirchen<strong>für</strong>st hat er mancherlei Berührungen<br />
mit Kammin gehabt. Wie bei den 3ehden gegen Brandenburg<br />
<strong>und</strong> Meißen wird ihm die Kurie, der unter den obwaltenden Verhältnissen<br />
im Reich diese Händel höchst unwillkommen sein mußten,<br />
auch die Beilegung des Streits mit Lebus anvertraut Habens.<br />
Und Albert hat das in sein diplomatisches <strong>Gesch</strong>ick gesetzte Vertrauen<br />
voll gerechtfertigt. Er entscheidet, daß das Land Küstrin<br />
fortan im ungestörten Besitz von Lebus. dagegen das Land Ehinz<br />
bei Kammin bleiben soll. Von Iehden ist nicht mehr die Rede.<br />
, gegen seine Zugehörigkeit zum Kamminer Sprengel erhebt also,<br />
übereinstimmend mit der Rechtslage des Stolper Vertrags. Bischof<br />
Heinrich keinen Einspruch mehr. Albert spricht also beiden Parteien<br />
einen wertvollen Landstrich zu, auf den sie aus ihren päpstlichen<br />
<strong>und</strong> andern Konfirmationen keinen Nechtstitel besaßen. Ebenso<br />
hat er da<strong>für</strong> beiden ein Übergreifen in die tatsächlich geübte Diözesanhoheit<br />
des andern versagt. Die Abgrenzung war um so trefflicher<br />
. . gewählt, als sie mit der Landesgrenze der Herzogtümer Schlesien<br />
<strong>und</strong> Pommern zusammensiel, damit also wieder dem alten 3erri-<br />
.torialprinzip entsprach. Unter diesen glücklichen Umständen ist<br />
auch der 3nede zwischen den beiden Bistümern nicht mehr gestört<br />
worden (Urk. q, r, x, ?x).<br />
Wie wir nachwiesen, bildete die Mietzel die Grenze zwischen<br />
den Landschaften Chinz <strong>und</strong> Küstrin <strong>und</strong> somit jetzt die Scheidelinie<br />
l) Daß er von den Parteien zum Schiedsrichter gewählt sei, wie das<br />
Regest zu P. 4ft2 sagt, steht in der Urk<strong>und</strong>e nicht; immerhin wäre es möglich.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammin. 63<br />
der beiden Bistümer. Im Lande Chinz bleiben jedoch gewisse<br />
Zehnten <strong>für</strong> eine Präbende des Lebufer Kapitels vorbehalten. Die<br />
Einschränkung besagt nicht, daß die Orte, aus denen die Iinse<br />
'fließen, rechtlich Kammin entzogen werden. Wir werden noch<br />
häufig Besitzungen auswärtiger Bistümer im Kamminer Sprengel<br />
begegnen. Ich vermute, daß die an Lebus zinsenden Orte die im<br />
Templergebiet an der Miehel liegenden Darrmietzel. Nabern <strong>und</strong><br />
Fürstenfelde sind '). Außer dem naheliegenden Schluß aus den<br />
Urk<strong>und</strong>en e «<strong>und</strong> F führt mich darauf eine eigentümliche, <strong>für</strong> Kammin<br />
sonst nicht belegte Entwickelung. In späterer Zeit nämlich haben<br />
anscheinend beide Bistümer die drei Orte zu ihrem Sprengel<br />
gerechnet. Ein unmittelbares materielles Interesse an ihnen nahm<br />
Kammin nicht, weil Bischof Hermann 1285 die gesamten Kirchenzehnten<br />
der Templer in eine feste jährliche Ablösung umgewandelt<br />
hatte (P. 1352). Möglicherweise haben dann das Streben des<br />
Lebuser Kapitels nach Erweiterung seines wiederholt unrechtmäßig<br />
geschmälerten Besitzes <strong>und</strong> die mit dem Anfall der Templergüter an<br />
die Iohanniter verb<strong>und</strong>enen Umwälzungen bewirkt, daß Lebus<br />
seinen Sprengel bis jenseit der Mietzel rechnete. Nach dem Stiftsregister<br />
von 1400 zahlen die Pfarrer zu Fürstenfelde, Nabern <strong>und</strong><br />
Darrmietzel das Kathedratikum an den Lebufer Bischofs Trotzdem<br />
trage ich Bedenken, den kleinen Bezirk zur Diözese Lebus zu<br />
rechnen, wie es außer Wiesener, der aber die Lebuser Ansprüche<br />
übersehen hat, m. W. alle früheren Beurteiler tun. Das Kathedratikum<br />
ist doch wohl an die Stelle jener Präbendalzehnten getreten,<br />
<strong>und</strong> — was entscheidend ist — in den kurz vorher angelegten<br />
Kamminer Statuten ^) heißt es ausdrücklich, daß der Iohanniterkomtur<br />
zu Wildenbruch <strong>für</strong> den Klerus von Darrmietzel an Kammin<br />
zinst. Solange wir nicht einen Akt der Lebuser bischöflichen Gewalt<br />
auf dem rechten Mietzelufer nachweisen können, möchte ich den<br />
Flußlauf als Kamminer Grenze beibehalten. Noch einmal fei be-<br />
1) Dieselbe Ansicht finde ich bei Breitenbach S. 42. der sich jedoch<br />
nur auf das Stiftungsregister stützt <strong>und</strong> die Kamminer Anwartschaft nicht<br />
kennt.<br />
2) Wohlbriick l S.99.<br />
») Klempw. Dipl. Beiträge S. 3N f.. unsere Stelle S. 393 Nr.22l.<br />
Den Lesefehler der k/w83e! hat Klempin schon im Register in Oermussel<br />
verbessert. Daß auch Quartschen genannt wird, obgleich der Ort selbst außerhalb<br />
der Diözese Kammin liegt, kann nicht auffallen, es ist allgemein an den<br />
im Kamminer Sprengel liegenden Teil der Komture! gedacht. Der Komtur<br />
zu Quartschen hat auch den erwähnten Iehntvertrag P. !352 abgeschlossen.
64 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammtn.<br />
tont, daß von einem hinübergreifen des Landes Chinz <strong>und</strong> damit<br />
der Diözese Kammin über den Hauptarm der Oder jetzt oder später<br />
nie die Rede ist.<br />
Den weiteren außerordentlich erfolgreichen Ausbau der Kamminer<br />
Hoheit in der Neumark durch Bischof Hermann 'wird man<br />
nur verstehen im Rahmen seiner gesamten Politik. Hermann sieht<br />
sich vor die schärfsten Interessengegensätze gestellt. Durch keinen<br />
Fehlfchlag entmutigt kämpfen die Markgrafen um jeden Fußbreit<br />
/. Landes gegen vier Fronten, Schlesien, Pommern, Polen <strong>und</strong><br />
/ Pomerellen. Herzog Barnim seinerseits^sucht. immer, von n"euem<br />
, die slavischen Nachbarn"über die^Netzelinie^von ^Iantoch bis<br />
// Driesen zurückzudrängen. In diesen Irrungen <strong>und</strong> Wirrungen hat<br />
Hermann sein Ziel, den Kamminer Stuhl zu einer unabhängigen<br />
Fürstenmacht zu erheben, ebenso rastlos wie glücklich verfolgt. Die<br />
geschickte Ausnutzung des märkisch-<strong>pommersche</strong>n Ringens hat ihm<br />
immer neue Machtmittel zur Hand gegeben. Ein Versuch, die <strong>für</strong><br />
die <strong>pommersche</strong> Landesgefchichte mehr 'als einmal entscheidende Politik<br />
Hermanns darzustellen, ist bisher nicht gemacht worden. Da ich<br />
in der Auffassung <strong>und</strong> Beurteilung wichtiger Einzelheiten vorzüglich<br />
der neumärkischen <strong>Gesch</strong>ichte von der früheren Forschung<br />
erheblich abweiche, betrachten wir die Verschiebungen der Diözesangrenze<br />
in der Neumark besser in dem größeren politischen Zusammenhang,<br />
in dem sie sich abspielen. Als Hennann sein Amt<br />
antritt, umfaßt das Bistum in der Neumark, im.wesentlichen, den<br />
Machtbereich Herzog Barnims. Die große Kastellanei Iantoch<br />
rechnet seit der polnischen Eroberung, über deren Zeitpunkt wir<br />
' nichts wissen, zum Erzbistum G n e s e n.. Iantoch^ selbst ist Sitz<br />
eines Gnesener Propstes. Jetzt rückt Hermann durch seine Interessengemeinschaft<br />
mit den Askaniern immer weiter gegen die Drage<br />
vor, denn das Land muß auch kirchlich von Polen losgelöst werden,<br />
! wenn es politisch ein sicherer märkischer Besitz werden soll. Wie<br />
unbekümmert die Verbündeten fremde Rechte mißachten, zeigt der<br />
Gerswalder Vertrag, der das Verhältnis Kammins zur Mark<br />
nach Hermanns Tode regelt (P. 1555, 1556). Die Markgrafen<br />
'unterstellen alle zukünftigen Eroberungen der Kamminer Kirche.<br />
Wird es darüber, was ja unausbleiblich ist. mit den Nachbardiözesen<br />
zum Streit kommen, so wollen sie dem Bischof mit allen<br />
Kräften beispringen. Und so ist es auch geschehen.<br />
Werfen wir zur Abr<strong>und</strong>ung des Bildes noch einen Blick auf<br />
f,, die Ostgrenze. Für eine genaue Bestimmung der Kammin-Gnesener<br />
-" Grenze in Hinterpommern bis zur Mitte des 13. Jahr-
Forschungen zur otteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 65<br />
H<strong>und</strong>erts versagen die Quellen. Der Versuch, aus den politischen<br />
Umwälzungen auf die kirchliche Einteilung zu schließen, scheitert<br />
daran, daß wir über.diese.llmwälzungen.selber zu wenig wissen. /<br />
Wir werden also genötigt sein, hier im Osten die Nachrichten über<br />
Hermanns Tätigkeit von Fall zu 3all kartographisch festzulegen<br />
<strong>und</strong> damit die etwas besser bekannten Grenzzüge zu vergleichen.<br />
Wie weit wir dann aus dem Ergebnis allgemeinere Schlüsse ziehen<br />
dürfen, wird sich zeigen, wenn wir die Entwickelung der ost<strong>pommersche</strong>n<br />
Territorialaufteilung verfolgt haben.<br />
Als Hermann den fünfzigjährigen Grenzstreit zum Abschluß<br />
gebracht hat, umfaßt sein Sprengel die heutige Provinz Pommern /l<br />
vom Ryck <strong>und</strong> der unteren Trebel bis^zur Ostgrenze des Kreises / /<br />
EchTawe. Ein bresser Keil'schiebt" sicff nach Mecklenburg hinein<br />
Ns Güstrow vor. Der größere^Teil der Uckermark <strong>und</strong> die Neumar'k<br />
mit Ausnahme ^.des^. Landes ^Küsttin <strong>und</strong> eines Streifens<br />
mls^em linken Drageufer unterstehen ebenfalls seiner Hoheit. Die<br />
Grenze bleibt gesichert bis zur Reformation. Im Osten gewinnt<br />
Kammin gegen^Ende des 14. Jahrh<strong>und</strong>erts sogar von Gnesen die //<br />
heutigen Kreise Stolp^ Nummelsburg <strong>und</strong> Bütow.^. Damit ist das<br />
ponnnersthe Bistum, wie schon Enea Silvio Piccolomini anmerkt^),<br />
neben Mainz die^gröstte-deutsche.Diözese überhaupt. Noch war das<br />
Land von der deutschen Kulwr wenig durchtränkt. Aber in dieser<br />
Weiträumigkeit <strong>und</strong> Unerschlossenheit war es geradezu geschaffen<br />
zum Felde der Tätigkeit <strong>für</strong> einen Mann wie Bischof Hermann,<br />
den Rango treffend als rei bellica? quam eccleZiaLticae stucliosior<br />
et 6e proferenclis clioeceaioa fimbu8 imprimiz zollicituz charakterisiert.<br />
Die vorstehend in knappen Zügen <strong>und</strong> unter Ausscheidung<br />
aller nebensächlichen Momente versuchte Darstellung des Kamminer<br />
Grenzstreits ist wohl die erste derartige Zusammenfassung <strong>für</strong> eine<br />
deutsche Diözese. Vielleicht gewinnen wir aus dem Perfolg des<br />
Kamminer Streits erwünschte Anhaltspunkte <strong>und</strong> Kriterien, wie<br />
sich andere Grenzabsetzungen. die wir weniger klar erkennen können,<br />
entwickelt haben mögen. Die Aufmerksamkeit <strong>für</strong> diese Fragen<br />
ist neuerdings wieder lebhafter geworden, nachdem sie über der<br />
Unhaltbarkeit von Böttgers Theorie längere Zeit zurückgetreten<br />
war. Aber auch heute noch scheint es, als ob die Forscher dazu<br />
neigen, sich zugunsten eines einzelnen Prinzips festzulegen. In<br />
einem längeren Widerstreit werden wohl immer eine Reihe ver-<br />
') domm. cle ^U5O^2S ztatu, Kap. 23.<br />
5
66 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
schiedenartiger Momente zusammengewirkt haben, um die endgültige<br />
Abgrenzung herbeizuführen. Bei Kammin können wir sie unter<br />
, , vier maßgebenden Gesichtspunkten zusammenfassen. (1.^ Die Diöv''<br />
Hesangrenze folgt der ursprünglichen Landesgrenze uno rückt mit ihr<br />
/ i jeweilig vor <strong>und</strong> zurück, solange das Bistum keine selbständige<br />
' politische Größe ist (so Kammin im 12.^Iahrh.). (2.) Ist das<br />
Bistum zum eigenen politischen handeln erstarkt, so wahrt es<br />
gegenüber einem neuen Territorialherrn feine Gerechtsame (Uckermark)<br />
<strong>und</strong> sucht auch von einem schwächeren Nachbarn das Per-<br />
; lorene zurückzuerwerben. wenn dieses durch die allgemeine kulturelle<br />
Erschließung kirchlichen Wert gewonnen hat (Neumark. Ostpommern).<br />
(3.) Das an tatsächlicher Bedeutung neben die Landes-"<br />
surften getretene Bistum paktiert mit der Landesgewalt <strong>und</strong> geht<br />
von der Verteidigung zum Angriff über, hier entscheidet schließlich<br />
nur mehr die gleiche unbekümmerte Gewalt- <strong>und</strong> Interessenpolitik,<br />
wie sie die Landes<strong>für</strong>sten selber unter einander betätigen (Mecklenburg).<br />
(4.) Im kleineren Umfange werden überall die Forderungen<br />
der Parteien durch Richterspruch oder fre<strong>und</strong>schaftliches Schiedsgericht<br />
gemildert <strong>und</strong> ausgeglichen (allgemein links der Oder <strong>und</strong><br />
bei Lebus). Bemerkenswert <strong>und</strong> <strong>für</strong> unsere Vorstellung von der<br />
päpstlichen Autorität in der deutschen Kirche zunächst höchst auffällig<br />
bleibt die Tatsache, daß die Klagen der <strong>Gesch</strong>ädigten gegen<br />
Kammin bei der Kurie durchweg versagt haben.<br />
^ Diese Erscheinung geht zurück, <strong>und</strong> das führt uns auf den<br />
letzten Gesichtspunkt unserer Erörterung, auf die Exemtion Kammins.<br />
/ Kammtn ist das einzige deutsche exemte Bistum im hohen Mittelalters.<br />
Das nahe Verhältnis zu Rom, die mittelbare <strong>und</strong> unmittelbare<br />
Unterstützung, die es bei der zentralistischen Politik der<br />
Päpste notwendigerweise finden mußte, macht manche Perioden des<br />
Grenzstreits erst erklärlich. Es läßt sich nichts daran beschönigen.<br />
« daß Kammin zumeist gegen Recht <strong>und</strong> Gesetz seine Ansprüche durchgesetzt<br />
hat. Kaum bei einem andern Bistum ist ferner die innera<br />
/ <strong>Gesch</strong>ichte so tiefgehend durch die Gestaltung seiner äußeren Grenzen<br />
beeinflußt <strong>und</strong> bedingt worden. Der überlegene Austrag dieser<br />
Kämpfe ist die Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die kirchliche <strong>und</strong> politische Bedeutung,<br />
die Kammin unter Hermann von Gleichen gewonnen<br />
hat. Hauck hat das Streben dkr <strong>pommersche</strong>n Bischöfe nach der<br />
unmittelbaren Unterstellung unter den römischen Stuhl als „törichten<br />
l) Seine Mutterkirche Bamberg ist nur tiwlareremt. Meißen wird erst<br />
eximiert 1399 bezw.
Forschungen zur alteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 67<br />
Dünkel" hart getadelt ^). Gewiß, wäre die mittelalterliche Kirchengeschichte<br />
ein aus frommer gegenseitiger Forderung erwachsender<br />
Prozeß, den das Kamminer Kapitel im voraus abrechnen konnte,<br />
dann hätte hauck recht. Aber auch in dem rauhen Slavenlande<br />
des 12. <strong>und</strong>. 13. Jahrh<strong>und</strong>erts wurden die großen Fortschritte<br />
mit Blut <strong>und</strong> Eisen, mit sehr viel Blut <strong>und</strong> Eisen errungen. Und<br />
gerade die Eremtion hat dem Bistum eine — auch kulturgeschichtlich<br />
— weit bedeutsamere Rolle als seinen sämtlichen Nachbarn<br />
zuerteilt, wenn wir wegen der Besonderheit der Lage vom Erzbistum<br />
Gnesen absehen. Man vergesse doch nicht die unerquickliche<br />
Erscheinung, daß die Nachbarn Kammins aus ihrer Zugehörigkeit<br />
zum Verband einer Erzdiözese selten eine Förderung erfahren haben,<br />
daß sie aber durch die selbstsüchtige Staatskunst der Erzbischöfe<br />
oft genug ausgebeutet worden sind. Es sei nur an die Nächstliegenden<br />
Beispiele, an Magdeburgs Verhältnis zu seinen märkischen<br />
Suffraganen erinnert. Oder an die kümmerlichen Schicksale<br />
des in der gleichen Lage wie ursprünglich Kammin befindlichen<br />
Lebus, das zwischen seinen beiden erzbischöflichen Schirmherren<br />
Gnesen <strong>und</strong> Magdeburg aufgerieben wurde. Kammin verdankt,<br />
darüber ist kein Zweifel möglich, ein gut Teil seiner inneren <strong>und</strong><br />
äußeren Entwickelung der Exemtion. Nur auf sich selbst gestellt<br />
<strong>und</strong> 'auf die eigene Kraft angewiesen, mit einer unsicheren Stütze<br />
an den Herzogen,, die selber um ihre Unabhängigkeit ringen müssen,<br />
sind ihm im Kampfe die Schwingen gewachsen. Das zeigt auch<br />
der Verlauf des Grenzstreits^ der ohne die selbständige Stellung<br />
außerhalb eines Diözesanverbandes <strong>und</strong> ohne die Förderung durch<br />
die Kurie nicht möglich war. Diese starke <strong>und</strong> bewußte Aufwärtsbewegung<br />
führt über Bischof Hermann <strong>und</strong> seinen bedeutendsten<br />
Nachfolger Heinrich von Wachholz zum Königsberger<br />
Bertrage von 1320, durch den Pommern ein bischöfliches Lehn<br />
wird, das beim Aussterben des 5>erzogshauses an den Kamminer<br />
Stuhl fallen soll.<br />
Wie Innocenz IV. das ihm unbedingt ergebene Bistum an der<br />
Ostsee einschätzte, erhellt am besten aus seiner Absicht. Kammin<br />
zum Erzbistum zu erheben (P. 3931). Als 1247 Erzbischof Albert<br />
von Preußen das Bistum Lübeck erhalten hatte, beauftragte der<br />
Papst die Bischöfe von Schwerin <strong>und</strong> Ratzeburg mit einem Gutachten,<br />
ob es sich mehr empfehle. Lübeck oder Kammin zur Metro-<br />
Polis des deutschen Nordens <strong>und</strong> Ostens zu machen. Es handelte<br />
K.G.Deutschlands IV» S.616.
68 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
sich <strong>für</strong> Rom darum/ die unzuverlässigen <strong>und</strong> mit ihren Fürsten<br />
geheim oder offen immer noch auf Kaiser Friedrichs Seite stehenden<br />
norddeutschen Bistümer in der kräftigen 5>and eines zuverlässigen<br />
kurialen Parteigängers zusammen zu fassen. Die Gestaltung der<br />
Dinge im Reich hat dann die päpstliche Absicht vereitelt. Die<br />
Stadt Lübeck trat mit aller Macht <strong>für</strong> die Staufer ein <strong>und</strong> schied<br />
damit aus der päpstlichen Berechnung aus. Da man dem Erzbischof<br />
Albert wider seinen Willen Kammin nicht wohl zur Residenz<br />
anweisen durfte, ihm andererseits auch den Primat über den<br />
deutschen Osten zugunsten des Kammmer Bischofs nicht entziehen<br />
konnte, muhte Innocenz den Plan aufgeben.
Kap. Ili.<br />
Die Kirchen.<br />
> Ulrich Stutz hat bei der Herausgabe seiner Rede über die kirchliche<br />
Rechtsgeschichte (5. 48) auf die gr<strong>und</strong>legende Bedeutung hingewiesen,<br />
die Adolf harnacks historisch-statistischer Unterbau der<br />
Missionsgeschichte des ältesten Christentums weit über den ursprünglichen<br />
Zweck hinaus besitzt. Genau so liegt das Verhältnis auf<br />
dem slavischen Missionsboden in der uns beschäftigenden Zeit. Insbesondere<br />
der Kamminer Entwicklung werden wir bei dem Mangel<br />
an erzählenden Quellen ohne die sorgfältige <strong>und</strong> erschöpfende Herausarbeitung<br />
der urk<strong>und</strong>lich bezeugten Einzelheiten im streng wissenschaftlichen<br />
Sinne nicht nachkommen können. Iür die <strong>pommersche</strong><br />
Kirchengeschichte bleiben die Biographien Ottos von Bamberg zwei<br />
Jahrh<strong>und</strong>erte lang die letzten Darstellungen, die unmittelbar aus<br />
der Kenntnis der Beteiligten fliesten. Von der einheimischen Chronistik<br />
ist uns nichts erhalten. Außer den allzu knappen Kolbatzer<br />
Aufzeichnungen ^) ist sogar die gesamte annalistische Überlieferung<br />
der Klöster <strong>und</strong> Stifter verloren gegangen. Nur Rügen mit dem<br />
vorgelagerten Festland tritt durch die dänische Erokerlmg (1168)<br />
<strong>und</strong> durch die ostdeutsche Politik Heinrichs des Löwen <strong>für</strong> einen<br />
Augenblick in ein helleres Licht. Die gleichzeitigen reichsdeutschen.<br />
norddeutschen, preußischen <strong>und</strong> polnischen Chroniken <strong>und</strong> Annalen<br />
bringen selten eine kritisch wertvolle Notiz. Und der größte Verlust,<br />
den unsere Forschung beklagt, liegt darin, daß jede registermäßige<br />
Aufzeichnung der Kirchen der Kamminer Diözese, solange sie über-<br />
Haupt bestand, vernichtet ist. Das Verzeichnis der bischöflichen<br />
Einkünfte, das der Bistumsverweser Georg v. Puttkamer in den<br />
!) herausgegeben von Arndt. M. G. SS. XIX. 71« f.. besser, nur die<br />
Jahre 1127-1181 umfassend, von Holder«Egger ebendort. XXlX. 175
70 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
Jahren 1489—1494 geführt hat, kann dem Mangel in keiner<br />
Weise abhelfen^). So bleiben wir angewiesen auf das in den<br />
<strong>pommersche</strong>n, mecklenburgischen <strong>und</strong> brandenburgischen Urk<strong>und</strong>enbüchern<br />
<strong>und</strong> verstreut gedruckte, sowie auf das in einzelnen ungedruckten<br />
Quellen vorliegende Material. Dieses ist allerdings<br />
nicht gering. 3ür unsere Kirchenstatistik waren bei dem Versagen<br />
/, der Register über 4WN Urk<strong>und</strong>en durchzusehen. Neben ihnen<br />
' tritt der Ertrag aus helmold, Arnold von kübeck, Saxo Grammaticus,<br />
der Knytlinga Saga <strong>und</strong> anderen nordischen <strong>und</strong> polnischen<br />
Aufzeichnungen wesentlich zurück.<br />
Es darf vorweg genommen werden, daß das Ergebnis aufschlußreicher<br />
<strong>und</strong> vielseitiger ist. als zu erhoffen stand. Nicht allein<br />
in zahlreichen bestimmenden Einzelheiten erwies sich unsere frühere<br />
Anschauung als irrtümlich oder schief. Viel wichtiger ist, daß wir<br />
ein unmittelbar anschauliches Gesamtbild der kirchlichen Entwicklung<br />
<strong>und</strong> Erschließung des Landes erhalten, <strong>und</strong> dah uns ganz neue<br />
Probleme <strong>und</strong> Fragestellungen aufgezeigt werden. Wir werden im<br />
Laufe unserer Untersuchungen noch häufiger auf diese statistische<br />
Übersicht zurückgreifen müssen.<br />
llber die <strong>Gesch</strong>ichte einzelner Kirchen besitzen wir mehrere<br />
treffliche Darstellungen, so <strong>für</strong> Kreifswald das umfangreiche Werk<br />
von Pyl <strong>und</strong> <strong>für</strong> Stargard die Untersuchungen Karl Schmidts").<br />
Das Inventar der Bau- <strong>und</strong> Kunstdenkmäler liegt <strong>für</strong> Mecklenburg<br />
in der anerkannt mustergültigen Bearbeitung von Schlie abgeschlossen<br />
vor. Für Pommern ist es im Erscheinen begriffen,<br />
neben ihm sind daher die Arbeiten von Kugler. I. Mueller. Adler.<br />
Lutsch <strong>und</strong> Stiehl, sowie Dehios 5)andbuch Bd. 2 heranzuziehen.<br />
Die Inventarisierung der märkischen Diözesanteile steht noch aus,<br />
Bergaus Zusammenfassung gewährt nur ungenügenden Ersatz.<br />
Mancherlei Material bieten <strong>für</strong> unsern Zweck die Ortsgeschichten ^).<br />
Ihr kritisch bester Teil der älteren Zeit ist oft die Darstellung der<br />
l) Herausgeg. von Klemptn. Dipl. Beiträge, S. 1 ff.<br />
") Die benutzten selbständig erschienenen Arbeiten habe ich im Literatur«<br />
Verzeichnis zusammengestellt. Über die dort nicht aufgenommenen Abhandlungen<br />
(von recht ungleichem Wert) in den Balt. Studien s. die Zusammenstellung<br />
im „Inhaltsverzeichnis" S. 38 f. <strong>und</strong> 48 f. <strong>und</strong> im ..Register" unter<br />
Den einzelnen Ortsnamen; ebenso die kürzeren Aufsähe der Monatsblätter im<br />
Register dieser.<br />
") Bei dem Mangel an Arbeiten über größere Landesteile find sie<br />
aluch sonst <strong>für</strong> die kirchengcschichtliche Forschung wertvoll. Die wichtigsten,<br />
die eine Ausbeute <strong>für</strong> unsere Zwecke ergaben, sind ebenfalls in die Literaturübersicht<br />
aufgenommen.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammw. 71<br />
Kirchlichen Entwicklung, da hier<strong>für</strong> Urk<strong>und</strong>en am reichlichsten<br />
flössen. Ein zusammenfassender Überblick auch nur über einzelne<br />
der uns beschäftigenden Fragen fehlt.<br />
Unsere Statistik richtet ihr Augenmerk auf folgende Punkte.<br />
Zunächst die genaue Lokalisierung der urk<strong>und</strong>lich, genannten<br />
Ortsnamen. Die deutsche Überflutung des slavischen Bodens<br />
bedingt,>llß. der Forschung ein. weites Ield offen steht. Welche<br />
Bedeutung unter Umständen diese Kritik besitzt, zeigt die Urk<strong>und</strong>e<br />
über das Kirchenpatronat.des Klosters Uckermünde^P.^733. wo ^<br />
mit der Feststellung des Ortes die ganze Erobenmgsgeschichte eines<br />
nnMtzen Tett5 dn Nenmark stcht <strong>und</strong> Mt. Dann beachten wir<br />
die Heiligennamen <strong>und</strong> das erste Auftreten einer genannten<br />
oder ungenannten Kirche bezw. eines Pfarrers. Die<br />
Stellung als Pfarrkirche, als Mater oder Filia. Die<br />
kirchenrechtlich besonders interessanten Patronatsverhältnisse.'<br />
die seit längerer Zeit die Aufmerksamkeit der Forschung<br />
erregt haben. Die Angaben über Gründung <strong>und</strong> Weihe,<br />
über Veränderungen im Bestände, über den Charakter als Kollegiatstift.<br />
Kapelle u. ä.. über die Inkorporation in ein Kloster,<br />
über den Sitz der Propstei. des Archidiakonats usw. ^).<br />
Die Statistik soll das. <strong>und</strong> nur das. enthalten, was wir mit<br />
kritischer Zuverlässigkeit als Stand des Jahres 130l) ermitteln<br />
können. Im Verfolg der Arbeit 'hat sich deutlich gezeigt, daß,<br />
alle Rückschlüsse von der jüngeren auf die frühere Zeit <strong>und</strong> umgekehrt<br />
Fehlerquellen enthalten ^). Über das genannte Jahr war<br />
nur hinabzugehen, wenn in der nächsten Zeit eine ausdrückliche<br />
Iurückbeziehung auf das 13. Jahrh<strong>und</strong>ert stattfindet. Nur so<br />
können unsere Ergebnisse eine gesicherte Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> den seit<br />
längerer Zeit bestehenden Plan einer historisch-geographischen Bearbeitung<br />
der Diözese schaffen <strong>und</strong> die unmittelbare Anknüpfung<br />
<strong>und</strong> Weiterarbeit ermöglichen.<br />
Eine vorsichtige Kritik wird vor allem die unbegründete örtliche<br />
Tradition ausscheiden: regelmäßig beobachten wir das — gewiß<br />
ungewollte — Streben, die Gründung der Ortskirche möglichst weit<br />
l) Die Dotierung in die tabellarische Übersicht aufzunehmen, erwies<br />
sich als praktisch <strong>und</strong>urchführbar.<br />
-) Iur Verdeutlichung ein Beispiel. Dem Kloster Stolpe wird im<br />
Jahre N53 (P. 48) das Patronat über alle in Zukunft erbauten Kirchen<br />
in der Landschaft Groswin verliehen <strong>und</strong> später wiederholt bestätigt.<br />
Unsere Statistik ergibt aber, daß unter dem Einfluß des slavischen Kirchenrechts<br />
die tatsächliche Entwicklung einen anderen Verlauf genommen hat.
72 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte'des Bistums Kammin.<br />
in die „Heidenzeit" hinauszusetzen. Befinden sich mehrere Kirchen<br />
an einem Ort, so wird man die Jahreszahl des ersten Erscheinens<br />
einer namenlosen Kirche oder eines Pfarrers nur mit aller Zurückhaltung<br />
zu einer der späteren benannten Kirchen ziehen; es sei<br />
nur auf das unten erwähnte Pasewalk verwiesen. Wir kennen<br />
mehrere 3älle. daß Kirchen umgeweiht sein müssen. Gleich der<br />
zweite Ort in unserem Verzeichnis, Altdamm, ist ein Beleg da<strong>für</strong>.<br />
Die wechselnde Bezeichnung nach verschiedenen Heiligen bedarf noch<br />
der Untersuchung. Das Nichtbeachten dieser Erscheinung hat gelegentlich<br />
gar dazu geführt, ein Unechtheitsmerkmal <strong>für</strong> eine der<br />
wichtigsten älteren Urk<strong>und</strong>en zur Germanisation <strong>und</strong> Kolonisation<br />
des deutschen Ostens abzugeben').<br />
In die Statistik einzureihen sind auch die Klosterkirchen.<br />
Wir kennen die Vorliebe des Volkes <strong>für</strong> die Kirchen der Vettelorden<br />
<strong>und</strong> den großen Einfluß, den diese auf die Seelsorge besonders<br />
der städtischen Bevölkerung erstrebt <strong>und</strong> gewonnen haben").<br />
Im Gegensatz zu den Verhältnissen auf dem altchristlichen Boden<br />
müssen wir die Iisterzienserkirchen ebenfalls heranziehen. Wir<br />
beobachten, wie der Orden, entgegen dem ausdrücklichen Verbot der<br />
Negel, im Missionsgebiet die Tätigkeit der Pfarrkirche übernimmt.<br />
Die Kurie hat dieser Entwicklung Rechnung getragen <strong>und</strong> den<br />
Orden von jener Bindung dispensiert. Nicht immer deutlich ist<br />
zu erkennen, ob eine schon bestehende Kirche einem Konvent inkorporiert<br />
wird, wie S. Ägidien in Kammin den Dominikanern<br />
<strong>und</strong> Nikolai in Stolp den Prämonstratenserinnen, oder ob der<br />
herbeiziehende Orden eine eigene Kirche baut. Wie die Kloster-<br />
Kirchen, so sind die 5)l. Geistspitale, die unter Bischof Hermann<br />
zuerst in der Diözese erscheinen, aufzunehmen. An den meisten<br />
ist uns nicht nur ein Pfarrer bezeugt, sondern wir erfahren aus<br />
. den Streitigkeiten mit der Parochialkirche besonders ausführlich<br />
seine Pflichten <strong>und</strong> Rechte. Auszuschließen sind dagegen die Sankt<br />
Georgsspitale. über deren Pfarrbefugnis im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert wir<br />
nichts hören, <strong>und</strong> die im Besitz der 3eldklöster stehenden Spitäler,<br />
deren Pfarrstation immer die Klosterkirche war. Ebenso fallen die<br />
Kurien der Iohanniter <strong>und</strong> Templer weg. trotzdem sie anscheinend<br />
regelmäßig mit einem Priester besetzt sind, da dessen Tätigkeit<br />
nur <strong>für</strong> die Ordensangehörigen in Betracht kommt.<br />
5) Vergl. dagegen meine Einwände. Balt. Studien N. 3. l3. 159.<br />
2) Es sei nur an den bezeichnenden Bericht erinnert, den der Bischof<br />
non Olmüh 1273 der Kurie darüber erstattet. M. G. Const. Hl Nr. 620<br />
L. 591.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 73<br />
Die Eintragungen in die statistische Morsichi müssen sich auf<br />
das Ergebnis sorgfältigster Prüfung von Iall zu 3all. im Zweifel<br />
möglichst nach den Originalurk<strong>und</strong>en, beschränken. Nur in wenigen<br />
Ausnahmen, wenn z. B. die Angabe auf einer ungedruckten Quelle<br />
fußt oder der allgemeinen Ansicht der neueren Forschung widerspricht,<br />
war ausdrücklich oder durch ein (!) darauf hinzuweisen.<br />
Eine Auseinandersetzung mit den früheren Beurteilungen ist schon<br />
des Raumes wegen unmöglich. Namentlich in den Arbeiten der<br />
älteren Zeit, als die Archive noch streng vor profanen Augen gehütet<br />
wurden, begegnet man häufig Daten <strong>und</strong> Angaben „er<br />
authenticis". die der nachschaffenden Phantasie der Verfasser ent--<br />
Iprungen sind. Besonderes Augenmerk ist auf die Urk<strong>und</strong>en g?<br />
richtet, die mit Recht oder Unrecht als Fälschungen gelten, oder die<br />
sich unter der Bearbeitung als verdächtig oder gefälscht herausgestellt<br />
Habens. 5o zeigt unser Verzeichnis der Kirchenorte gegenüber<br />
dem Register des P. U.-V. neben einem erheblichen Mehr<br />
gelegentlich starke Kürzungen. Da beispielsweise P. 1945 zweifellos<br />
gefälscht ist, waren allein l5 Namen in der Gegend von Landsberg<br />
zu streichen. Aus demselben Or<strong>und</strong>e entfallen im Patronatsverzeichnis<br />
Bd. IV 3.575 von den hierher gehörigen 36 Namen fast<br />
die Hälfte.<br />
V'<br />
A d a m s d o r f -). Soldin. 1296. Schenken die Markgrafen dem Kl.<br />
Reetz. — Altdamm. Randow. Nicolai. 1260. Kl. Kolbatz. — Alten«<br />
Hagen ^früher Heinrichshagen). Demmin. Nicolai. !AN (gegründet im<br />
lA. Ihdt.). — Ank lam. Anklam. Marie. 1296 junbenannte Kirche<br />
zuerst 1257). — A n k l a m. Nicolai. 1300. — A n k l a m. S. Spiritus.<br />
1272. Hospital. — Ankun ^untergegangen?). Mecklenbg. 1256. Kl.<br />
"wenack. — Arkona
74 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
Hagen. 1376. Schenkt Barnim l. dem Kl. Gobelenhagen. — Benz.<br />
Usedom. Petri. 1229. Schenkt Barnim I. 1254 dem Kl. Grobe. — Bergen.<br />
Rügen. Roeskilde. Marie. 1193. 3ist>N.-K!osterkirche. — B e r l i n ch e n.<br />
äoloin. 129«. Anscheinend die Markgrafen. Vgl. Soldin. — Bernstein.<br />
Soldin. 1282. P. Schenkt Markgr. Albrecht dem Kl. Bernstein. — Bernstein.<br />
Marie. 1290. Iist. - N. - Klosterkirche. — B o b b i n. Rügen.<br />
Roeskilde. 1250. Kl. Bergen. — B o d d i n. Mecklbg. Anscheinend Nicolai.<br />
128« (Altar geweiht). — Boitzenburg. Templin. 1271. Schenken die<br />
Markgrafen dem Kloster Marienpsorte (-- Boitzenburg). — Boitzenburg.<br />
Marie. 1269. Ben.-N.-Klosterkirche. —.Bork. Alt-. Kolderg.<br />
1296. Kl. Doberan. — Brands Hagen. Iranzburg. Schwerin. 1249.<br />
P. 3amilie Barante o. Borantenhagen (Stifter). — Brunn. Randow.<br />
1286. — Buchholz. Greisenhagen. 1300. Wohl Kl. Kolbatz. — B u ck o w.<br />
Schlawe. Marie. 1252. Zist.'N.'Klosterkirche. — Bucow (untergegangen).<br />
Usedom. Michaelis. 1230. Bischof von Kammin. — B ü n z o n» ^..G r o.h-.<br />
Greifswald. 1257. 3. von Iiethen. Kl. Stolpe. —
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 75<br />
von Rügen. — Garz. Usedom. 1231. — Geesow. Randow. 7295. —<br />
«Geritz. Käslin. 1300. übertragen die Herren o. Bevenhusen dem Kl.<br />
Köslin. — Geroin. Kolberg. 1291. P. — Gingst. Rügen. Roeskllde.<br />
1284. Propstei. — Glewitz. Grimmen. Schwerin. 1293. Bis 13N0 3. von<br />
Tribsees. Kl. Neuenkamp. — G n i tz. Usedom. 1229. — Gobele.nhagen<br />
(heute Hagen). Randow. Marie et crucis.- /1276 (1298 geweiht).' P.<br />
Viktoriner Klosterkirche. —,Gol lenb erg. Köslin. 1263. Kapelle. Über«<br />
trägt Bi. Hermann 1278 von der Parochie Köslin an das Nonnenkloster. —<br />
Gollnow. Naugard. 1271. Schenkt Barnim l. dem Kl. Gobelenhagen. —<br />
Gramzow. Angermünde. Marie. siiM Um 1177 von hzg. (Kasimir l.<br />
oder Bogislaw l.) dem Kl. Grobe geschenkt. — Greifenberg. Greifen»<br />
berg. 1202 (wohl gegründet). Der Herzog? — Greifenberg. 1289—91<br />
(s. P. 1522). Iranz.'Klosterklrche. — Greifenhagen. Greifenhagen.<br />
^Itcolai. Schenkt Barnim l. 1278 dem Marienkapitcl zu Stettin. —<br />
Greifenhagen. Unbenannt (s. P. 162l). 1292. Der Rat der Stadt? —<br />
Greifswald. Greifsmalo. Nicolai., 1249 (ohne Namen, doch wohl schon^<br />
oorlsänben). Kl. Eldena. — Greifswald. Marie. l249 (ohne Namens<br />
doch wohl schon vorhanden). Kl. Eldena. — Greifswald. Iacobi. 1275.<br />
Schenkt Barnim l. 1275 dem S. Spiritus-Hospital, erscheint (mit ilsecht?)<br />
1280 als Besitz des Kl. Eldena. — G re i f s w a l d. .Domin.-Ki. 1264.<br />
Dominikaner-Klosterkirche. — Greifswald. Iranz.
76 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
jammin. Joh. Bapt. s1176) (gegründet van Herzog Kasimir l. 1176<br />
oder wenig früher). Kathedrale (seit spätestens 1176). — Kam min.<br />
Egidii. >!228f. V'on' den Erben des Ietislaw den Dominikanern inkorporiert.<br />
— Karl lom. Demmin. Icch, Vapt. 1349 (geweiht). P.<br />
Schenkt Barnim l. 1264 dem ^Kl. Perchen. — s< a st o r f. Mecklbg. 1288.<br />
M. von Galenbeck <strong>und</strong> Rosenow. Kl. Ivenack. — K e m n i tz. Greifswald.<br />
1280. Kl. Eldena. — K l a tz o w. Demmin. Marie. Joh. en. et Elisabeth.<br />
1289. Propstei. auch nach Verlegung des Kl. nach Verchen. Ben.-N.«Klosterkirche.<br />
— Klaushagen. Templin. 1271. übertragen die Markgrafen<br />
dem Kl. Marienpforte. — K l e e t h. Mecklbg. 1273. M. von Tarnow.<br />
Die Ritter von Dargatz: später die Reinfelder Brüder in „Mönkhusen" bei<br />
Treptow a. T. — K l o ck o w. Mecklbg. 1256. Kl. Ivenack. —<br />
„Clodona" (Deutungen Klötkow <strong>und</strong> Zirkwih unwahrscheinlich). (Gegend<br />
von Wollin). S. crucis. 1125 (gegründet durch Otto von Bamberg). —<br />
Königsberg N.-M. Königsberg. 1274 (P. 991 ist echt). P. Schenken<br />
1282 die Markgrasen den Templern. — ^Königsberg N.-M.<br />
1289. Aug. «Eremiten-Klosterkirche. — ,Kös'l.in. Köslin. 1267. P.<br />
überträgt Bi. Hermann 12?« dem N. - Kloster. — »Köslin. Marie<br />
1278. Iist.'N.-Klostertnrche. — K o l b e r g. Kolberg. Marie. 1124<br />
(gegründet durch Otto von Bamberg). Kapitelskirche (vor 1176).<br />
— Kol berg. Joh. eoang. 1222. Schenkt die Gründerin, Herzogin Miro«<br />
slama, dem Kl. Mogilno. — Kolbcrg. Nicolai«' 1276. Maricnkavitel. —<br />
Kol berg. Ungenannt. 1803 (capella castri nunc diruta). Der Bischof —<br />
K o 1 b e r g. 6. Spiritus. 1267. Hospital, war 1277 eingegangen. —<br />
Kol berg. Altstadt. Kolberg. 1277. Ben. - N. - Klosterkirche. —<br />
„C o s c e c i c" (--- Chottschewke, Kr. Lauenburg?). sl?auenburg>. Kujaoien.<br />
1286. — Kossetend ors. Mecklbg. 1256. Kl. Ivenack. — ...Crasnich"<br />
(--- Kratzig?). >Köslin
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 7?<br />
Eldenn. — Lew in. Mecklbg. 1315 (gegründet vom Demminer. Kastellan<br />
Rochill). P. Nberträgt Vorwin.Ill. 1241 dem Kl. Dargun: Bi. Hermann<br />
verzichtet auf seinen Anspruch 1257. — L i ch o w (untera.eqana.on. im Pieper<br />
Winkel). Usedom. 124!. ^Kl. Grobe. — L i e p e. Usedom. l2ltt. Kl. Grobe.<br />
— Liepg arten, ilckermünde. 1270. 3. von ttckermünde. Schenkt<br />
Barnim l. 1270 dem Kl. Gobclenhagen. — Linde (lokalisiert nach P^ l096).<br />
Pnritz. 1299. Propstei. — L i p p e h n e. Soldin. 1290. Aug.-Erem.-Klostcrkirche.<br />
— L o i tz. Grimmen. 1^9. Der 3ürst von Rügen? — L u ck o m.<br />
Randow. 124«. Schenkt Barnim l. 1261 dem Petriknpitel. ist l299 im Besitz<br />
des Marlenkapitels zu Stettin. — L ü b ch i n. Mccklbg. 123«. Kapelle. Kl.<br />
Dargun? — Lüchow. Meckldg. 12l9. — L ü d e r sh a g e n. Mecklbq.<br />
12««. — Mandclkom. Randow. 1220 (gegründet zwischen 1191 <strong>und</strong><br />
l219>. Iakobikonvent zu Stettin. — Malchin. Mecklbg. Marie et Joh. ev.<br />
123tt (geweiht 1247). Wird 1247 M. von Basedow. — Marienbusch<br />
bei Treptow a. R. Greifenberg. Marie et Nicolai. 1235. Präm.«N.
78 3orschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
des Marienkapitels zu Stettin. — P ö l i h. Randow. 1260. M. von<br />
Iasenitz. Marienkapitel zu Stettin. —. Polchow, Alt-. Mecklbg.<br />
Martini. >1216f. P. Überträgt Bi. Sigwin dem Kl. Dargun. —<br />
Polchow. Randow. 1286. — Prenzlau. Prenzlau. Dei genitricis et<br />
virginis Marie (P. 5ll). nicht Marie Magdalena 1187. P. Von<br />
Barnim l. bezw. Johann III. den Reuerinnen verliehen. — Prenzlau.<br />
Nicolai. 1250. 3. von Marie. Von Barnim l. bezw. Johann lll. den<br />
Reuerinnen verliehen. — Prenzlau. Jacobi. 1250. 3. von Marie. Von<br />
Barnim l. bezw. Johann lll. den Reuerinnen verliehen. — Prenzlau.<br />
Sabini. 1250. Reuerinnen-Klosterkirche (P. 3379). Von Barnim l. bezw.<br />
Johann lll. den Reuerinnen verliehen. — Prenzlau. 1253 .<br />
Schenken die v. Wedel dem Kl. Reetz. — S ch l a w e. Schlawe. Alberti.<br />
!222(!) (P. 215 verfälscht?). Hat 2 ungenannte 3. Die Iohanniter. —<br />
Schlawe. Iacobi. 1273 (bestand stit vielen Jahren). Die Iohanniter. —<br />
S ch ö n f e l d. Arnswalde (!). 1284. Schenken die o. Günterslierg (bezw. das<br />
N.«Kl. Stettin) dem N.-Kl. Reetz. — Schönfeld. Demmin. 1255.<br />
Bis 1255 P.. dann 3ilialkavelle von Marie in Verchen. Schenkt Vi.<br />
Hermann dem Kl. Verchen. — Schönfeld, Groß-. Grcifenhagen.<br />
1292. — Schönfeld, Klein-. Greifenhagen. 1255. — Schön linde<br />
s. Linde. — Scholwin. Randow. 1286. — Sch wennen z. Random.<br />
1300. Überträgt Otto l. dem Kl. Gobelenhagen. — S chw i n k e no o r f.<br />
Mecklbg. 127l. P.— S e e h a u s e n. Angermünde. Marie. 1250. Iist.-<br />
N.-Klostcrkirche. — Selch ow. Hohen-. Randow. 1259. — Sellnuw.<br />
Arnswalde. 1296. Schenken die Markgrafen dem Kl. Reetz. — S o l d i n.<br />
Soldin. Petri et Pauli. 1298. Kollegiatftift gegründet 1298 von Albrecht lll.<br />
— Soldin. Unbenannt. 1298. — S o l d i n. 1289. Dom.-Klosterkirche. —<br />
Soinmersoorf. Randow. 1276. Behauptet Kl. Gobelenhagcn gegen<br />
Ritter Albert o. Inslcben. — Sophienhof. Demmm. Pancratii. 1265.<br />
Schenkt Barnim l. dem Kl. Ivenack. — „Soznitza" (untergegangen, bei
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte kes Bistums Kammin. 73<br />
Warp; vgl. P. 840. INckermilnde^. N95. Kl. Grobe. — Sparrenfel<br />
de. Randow. 1286. — St a ffe l d e. Randow. 1295. — S targa rd.<br />
30 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
Iiliae in Licpgarten <strong>und</strong> Egqcsin. Verleiht Varnim I. 1342 dem Kl. Grobe.—<br />
llck ermünde. Ungenannt (P. 405). 1242. Verleiht Barnim l. 1242 dem<br />
Kl. Grobe <strong>und</strong> vor 1267 dem Kl. (ilckermünde ^) Gobelenhagen. — Usedom.<br />
Usedom. 112« (gegründet durch Otto von Bamberg. Identisch mit<br />
Pauli? Vielleicht zeitweilig vor 1176 Kathedrale). — Usedom. Pauli.<br />
1239 (P. 366 unecht, doch destano die Kirche). 1254. Propstei 128«. Schenkt<br />
Barnim l. 1254 dem Kl. Grobe. — V e r ch e n. Demmin. Kathnrine. 124«.<br />
Schenken die Herren v. Buch dem N.-Kl. — V e r ch e n. Marie. Joh. eo.<br />
et Elisabeth. 1245. Erhält 1255 die Iilialkapelle Schönfeld. Ben.-N.-K'losterkirche.<br />
— V i l m n i tz. Rügen. Noeskildc. 1249. P. Der Edle Vorante<br />
von Borantenhagen. — V i l z. Mecklbg. Iacobi. 122« oder 1232 (s. Meckl.<br />
U.B. 11269). — Walkendorf. Mecklbg. 1273. Verkaufen oie Iürsten<br />
von Werle dem Kl. Dargun. — W a m l i tz. Randow. 1286. — Warp<br />
(Alt- oder Neu-?), ttckermünde. 1267. Schenkt Herzogin Miroslawa (->-nach<br />
1233) dem Kl. Grobe. — Warsow. Randow. 1261. Schenkt Barnim I.<br />
1261 dem Petrikapitel. 1271 dem N.-Kl. Stettin. — Wattmannshagen.<br />
Mecklng. Pauli. 1279 (ansch. gegründet). P. Herren von Ketelhot. — W e i t e n-<br />
Hagen. Greifswald. 1280. Kl. Eldena. — Weltzi-n. Demmin. 1274<br />
(erbaut). Kl. Reinfeld. — Welzin. Usedom. 1267 (P. 851 Iälschung.<br />
Inhalt betr. W. wohl echt). Kl. Grobe. — Werben. Pnrih. 1284. —<br />
Wieck (Denschemic). Greifswald. Schmerin. 1285. Von den Iiirsten von<br />
Rügen dem Kl. Eldena übertragen. — Wittow (Halbinsel, Ort unsicher).<br />
Nügen. Rocskilde. 1240. — Wo kern. Groh-. Mecklbg. 1302. (gegründet<br />
im 13. Ihdt.). — Wolfsdorf. 3ranzburg. Schwerin. 1300.<br />
Bis 1300 I. von Richtenberg. Kl. Neuenkamp. — W o l g a st. Greifswald.<br />
1128 (gegründet durch Otto von Bamberg). Vertauschen 1288 die<br />
Herzoge dem Kl. Stolpe. — W o l l i n. Wollin. Adalberti (et Winezlai<br />
oder: Georgii). 1124 (gegründet durch Otto von Bamberg). 1140 bis vor 1176<br />
Kathedrale. — W o l l i n. Michaelis (set Petri>. gegründet durch Otto von<br />
Bamberg <strong>und</strong> zur Kathedrale bestimmt). 1124. Schenkt Vogislaiv IV. 1288<br />
zur Dos des N.-Kl. — W o l l i n. Nicolai. 1288. Schenkt Bogislaw IV.<br />
1288 zur Dos des N.-Kl. — W o l l i n. Georgii. 1288. Schenkt Bogisl.nv<br />
lV. 1288 zur Dos des N.-Kl. Als 3iliae zu den 3 letzten (unne.<br />
trennt) genannt P. 1453: Kunow. Latzig. Merentin. Alt-Tonnin. Iebbin. -<br />
Woll in. Marie. 128«. Iist.-N.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 8l<br />
1278. N.-sslostcrkirche. — Iehna. Mecklbg. 1291. Schenkt Iiirst Nikolaus<br />
von Werle oem Kollegiatstift Güstrow. —^3ernin. Kolberg. 1281<br />
82 Forschungen zur otteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
die daraus beispielsweise <strong>für</strong> die Echtheit der Urk<strong>und</strong>en gezogenen<br />
Schlüsse sind durchweg irrig.<br />
Eine statistische Übersicht, wie wir sie versucht haben, gewinnt<br />
erst dann vollen historischen Wert, wenn wir ihre verhältnismäßige<br />
Genauigkeit kennen^). 3ür diese Nachprüfung bieten sich drei<br />
Maßstäbe. Einmal die unmittelbaren Quellenangaben über die<br />
Errichtung oder das Fehlen von Kirchen, dann die Stilkritik der<br />
erhaltenen Baudenkmäler <strong>und</strong> drittens die Nachrichten über die<br />
Größe der einzelnen Pfarrsprengel.<br />
1. Otto von Bamberg hat auf seinen beiden Missionsreisen<br />
an 12 Orten Kirchen gegründet. Nämlich je 2 in Mollin <strong>und</strong><br />
Stettin, die übrigen in Belgard. Kolberg. Kammin, Clodona-).<br />
Lebbin. Usedom. Pyritz. Garh a. O., Wolgast <strong>und</strong> Gutzkows.<br />
Nach allgemeiner Annahme soll dann eine längere Pause in der<br />
Stiftung von Kirchen eingetreten sein. Erst kurz vor 1153^) habe<br />
Bischof Adalbert an der Stätte des späteren Klosters Stolpe die<br />
nächste geweiht. Diese „geschichtlich feststehende Tatsache" ist ein<br />
Mißverständnis 5). Doch Ut soviel sicher, daß die Zahl der neuen<br />
Kirchen vorläufig recht gering blieb. Wie niedrig sie war, mag man<br />
aus der Urk<strong>und</strong>e Bogislaws I. über die Verlegung <strong>und</strong> neue Begabung<br />
des Klosters Krobe im Jahre 1184 entnehmen (Cod. 56<br />
-- P. 96). Trotz ihrer dankbaren Uberschwenglichkeit wissen die<br />
Mönche — denn sie. nicht der Herzog, sind die Verfasser der<br />
Arenga — nur von ..mehreren" Orten, wo der Herzog sich bisher<br />
') Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, das; wir beim Arbeiten<br />
mit Urk<strong>und</strong>en immer im gewissen Maße von dem Zufall ihrer Erhaltung<br />
abhängig bleiben. So werden etwa Naugard <strong>und</strong> Riigenwalde am Ende<br />
des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts eine Kirche besessen haben, obgleich uns jeder Anhaltspunkt<br />
da<strong>für</strong> fehlt.<br />
2) Welcher Ort unter dloäona (Herbord).' (2Io6en oder vosinen5,'8<br />
locu8 (Ebo> verstanden wird, ist nicht sicher zu entscheiden, jeden«<br />
falls lag er in der Nähe von Wollm. Man rat. ohne zureichenden Beweis,<br />
meist auf Klö'rkow oder Iirkwitz.<br />
b) Abweichende Zahlen bezw. Orte <strong>und</strong> Heiligennamen bei Wiesener<br />
I. 273 f. <strong>und</strong> Hauck K. G. lV" S. 600 <strong>und</strong> 605.<br />
4) Nicht 1137 oder bald danach.<br />
ü) Cod. 21 ---- P. 43. Liest man ohne Voreingenommenheit oen Text<br />
der Urk<strong>und</strong>e, so sieht man sofort, daß von einer „Erstlingsweihe" während<br />
Bischof Adalberts Pontifikat kein Wort darin steht. Der Ton liegt auf<br />
in eaclem provincia, <strong>und</strong> der Satz gibt die kirchenrechtliche Begründung zur<br />
folgenden Patronats» <strong>und</strong> Archidiakonatsverleihung. Vergl. dasselbe Ver-»<br />
hältnis bei der Koloatzer Ichntenschenkung Cod. 55 --- P.80. s. darüber<br />
meine Erörterungen Palt. Studien N. 3.13 S. 150.
Forschungen" zur alteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistunts Kammin. 83<br />
zu gunsten der Kirche betätigen konnte. Als König Waldemar^ /<br />
N68^Nügen. erobert, hatte, ließ er aus eigenen? Mitteln 11 oder<br />
Ì2 Kirchen erbauen^). Die 1173 (P. 61) in Dargun geweihte<br />
Kirche wird als die erste der ganzen Landschaft Circipanien bezeichnet,<br />
wozu der außerordentliche Umfang des Rocknitzer Pfarrsprenqels<br />
(P. 77) stimmt '). Bei den Grenzkämpfen Kammins<br />
mit Brandenburg <strong>und</strong> Lebus sahen wir. daß die streitigen Gebiete<br />
sehr schwach besiedelt waren, daß also im besten Falle nur vor- ^<br />
einzelte Kirchen vorhanden gewesen sein können. Je weiter wir ,<br />
nach Osten fortschreiten, desto weitmaschiger wird das Kirchennetz, i<br />
Der polnische Klerus hat der Missionierung stets wenig Interesse ?<br />
entgegengebracht. Aber auch im mittleren Pommern werden wir<br />
noch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts große unbesiedelte<br />
Flächen finden.<br />
2. Die Statistik der erhaltenen Kirchenbauten <strong>für</strong> die Aufstellung<br />
eines Kirchenverzeichnisses am Ende des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
heranzuziehen, ist. abgesehen von der Unvollständigkeit der Inventarisierung,<br />
bei dem gegenwärtigen Stand der Forschung nur mit<br />
Vorsicht zu wagen. Die Betrachtung der kirchlichen Baukunst<br />
wird ergeben, wie schwierige <strong>und</strong> tiefgreifende Probleme hier der !,<br />
Lösung harren. Mit der Datierung der typischen <strong>pommersche</strong>n /<br />
Dorfkirche im Findlingsbau gehen wir auf ganz unsicherem Boden.<br />
Nach möglichst ausgedehnten systematischen Untersuchungen der<br />
Kirchen des deutschen Ostens glaube ich sagen zu dürfen, daß die<br />
Einzelforschung noch genau in den Anfängen steht wie beispiels- ^/<br />
weise unser Wissen um die Herkunft <strong>und</strong> erste Entwicklung des<br />
norddeutschen Backsteinbaus im ganzen "). Ein erheblicher Prozent-<br />
') Der zeitlich näher stehende Helmold (II. 13) nennt 12. die Knytlinga<br />
Saga (Kap. 133). deren Quellenmert <strong>für</strong> die <strong>pommersche</strong> <strong>Gesch</strong>ichte.ich im<br />
Gegensatz zu andern Iorschern sehr gering einschätzen muh. zählt 11 Kirchen.<br />
Wo die meisten von ihnen lagen <strong>und</strong> wie viele dauernden Bestand hatten,<br />
können wir (trotz Wiesener S. 277 f) nicht feststellen.<br />
2) Die Darguner Urk<strong>und</strong>en, bei denen neben der Echtheit wichtige<br />
kirchengeschichtliche Iragen zu prüfen sind, hat Kunkel (Arch f. Urk<strong>und</strong>enforschung<br />
lll S. 23—80) behandelt. 3u meinem Bedauern mußte ich seine<br />
Aufstellungen vollständig ablehnen (Monatsblätter XXV, S. 66—74).<br />
") Zum Vergleich betrachten wir den heutigen Kreis ttckermünde, weil<br />
durch die Bodenverhältnisse bedingt seine Besiedclung bis in die neuere Zeil<br />
besonders gleichmäßig geblieben ist. Vergl. Lemcke. Bau« <strong>und</strong> Kunstdenk«<br />
mäler Bd. 1. Unsere Statistik führt bis zum Ende des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
tt Kirchen auf: Eggesin. Liepgarten. Soznitza (untergegangen). Zarow. Pase«<br />
walk, Ückermünde ^Nikolai <strong>und</strong> unbenannte) <strong>und</strong> Warv. Die vier ersten<br />
kommen <strong>für</strong> die Bearbeitung im Inventar nicht in Betracht. Hinsichtlich der
F4 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
sah der im „Nbergangsstil" — schon diese Benennung als stilkritische<br />
Bewertung ist meist recht bedenklich — gebauten Kirchen<br />
ist jünger, als man annimmt.<br />
3. Ver beste Maßstab bleibt die Untersuchung der Größe der<br />
bekannten Pfarrsprengel, da wir hier unmittelbar vergleichsfähige<br />
Zahlen bezw. Umschreibungen von 3lächen erhalten'). Außerdem<br />
fließt das Material aus allen Teilen der Diözese verhältnismäßig<br />
reichlich ").<br />
Die Prüfung unseres Kirchenregisters nach diesen drei Gesichtspunkten<br />
hat nun das — wegen der auffallenden Iahlenunterschiede<br />
durchaus unerwartete — Ergebnis geliefert, daß die Statistik in<br />
der Tat eine ausgezeichnete Vorstellung von der verhältnismäßigen<br />
vier anderen kann ich bci keiner kemckes Urteil zustimmen. Die Pase -<br />
walker Kirche ^emcke 6.277) ist nicht von Herzog Natibor
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums ssamnNn. 85<br />
Verteilung der Kirchen im Lande ergibt. Wenn wir erwägen,<br />
daß die Anzahl der uns <strong>für</strong> diese älteren Zeiten bekannt gewordenen<br />
Kirchen in gewissen Gegenden Pommerns aus bestimmten<br />
Gründen an sich reichlicher vorhanden war <strong>und</strong> besser überliefert<br />
isti), so werden wir ein treffendes Bild von der kirchlichen Versorgung<br />
der Diözese am Ende des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts vor uns haben.<br />
Darüber hinaus zeigt die Statistik zugleich die allgemeine kulturelle ,<br />
Erschließung des Landes durch die Kolonisation <strong>und</strong> Germanisation, !,z<br />
an denen das hauptverdienst der Kirche <strong>und</strong> insbesondere Bischof ';<br />
Hermann gebührt.<br />
Die zeitlich fortschreitende Eintragung des Kirchenbestandes<br />
in die Karte gibt wohl das anschaulichste Mittel an die Hand, den<br />
Gang <strong>und</strong> den jeweiligen Stand der Ausbreitung der christlichen<br />
Lehre in den verschiedenen Zeitabschnitten zu verfolgen. Was wir<br />
aus anderen Quellen <strong>und</strong> allgemeinen Erörterungen darüber erschließen<br />
konnten, finden wir wesentlich ergänzt <strong>und</strong> berichtigt. Wir<br />
beobachteten bei der Auseinandersetzung Schwerins mit Kamm in die<br />
unermüdliche Tätigkeit der <strong>pommersche</strong>n Bischöfe im Westen ihres<br />
Sprengels, wo der politische <strong>und</strong> wirtschaftliche Aufschluß des<br />
Landes am weitesten vorgerückt N. Dasselbe lehrt uns jetzt ein- .<br />
dringlicher <strong>und</strong> im einzelnen genauer die Verbreitung der Kirchen. -<br />
Circipamen <strong>und</strong> Vorpommern stehen weit voran. Im Peenegediet<br />
verhältnismäßig am wenigsten mit Kirchen versorgt sind die Kreise ><br />
Grimmen <strong>und</strong> Anklam. Das hat seinen guten Gr<strong>und</strong>. Der Kreis ' ',.<br />
Anklam fällt ziemlich genau zusammen mit der Landschaft Groswin. ^<br />
in der Kloster Stolpe seine ausgedehnten Besitzungen hatte. War<br />
Stolpe schon ohnehin wenig <strong>für</strong> den Kirchenbau interessiert, so<br />
wurde die Einrichtung von Pfarren durch Laien beeinträchtigt. Wir<br />
wiesen bereits darauf hin. daß Bischof Adalbert 1153 dem Kloster l<br />
das Patronat über alle neu zu errichtenden Kirchen übertrug. Unter<br />
dem Druck der Verhältnisse ist diese Bestimmung zwar gelegentlich<br />
durchbrochen worden. Trotzdem bleibt sie ein Hindernis bei der .<br />
Gründung <strong>und</strong> Ausstattung durch die landsässigen Laien (s. Cod. 330). .<br />
Der Kreis. Grimmen ist .der-hauptbezirk^der Hagendörfer, die >"<br />
eben im Entstehen noch keine eigenen Kirchen tragen konnten. Der<br />
waldreiche Bezirk um Nckermünde war damals wie heute am<br />
schwächsten bevölkert. Daher bleibt er auch mit der Zahl seiner<br />
Kirchen hinter der Nachbarschaft zurück. Im uckermärkischen An-<br />
l) Etwa <strong>für</strong> den Kreis Randow wegen seiner Lage um Stettin, oder ^<br />
den Kreis Iranzburg, dessen Neuenkcnnper Patronatspfarren sämtlich bekannt<br />
sind.
"86 Iorschunqen zur alteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammln.<br />
! teil, um Prenzlau <strong>und</strong> mehr noch um Templin, hat die gesteigerte<br />
l Besetzung des fruchtbaren Bodens um die Mitte des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
erfolgreich begonnen.<br />
Im ausgeprägten Gegensatz zu Vorpommern steht das Land<br />
östlich der Oder. Eine vorgeschrittene Besetzung mit Kirchen beobachten<br />
wir allein in denselben drei Jonen, die auch politisch<br />
<strong>und</strong> kulturell die Führung haben. Es wäre verkehrt, wollte man<br />
darlM^dels allgemeinen Schluß ziehen, daß die Kolonisierung des<br />
Landes erst die Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die Arbeit der Kirchen hätte schaffen<br />
müssen. An zahlreichen Punkten ist die Entwicklung umgekehrt<br />
verlaufen. Es sei nur an die Wirksamkeit der Iisterzienserklöster<br />
, erinnert. Kolbatz. Maricnwalde, Buckow <strong>und</strong> die benachbarten<br />
l pommerellischen Oliva (Tochter von Kolbatz) <strong>und</strong> Pelplin (Tochter<br />
von Voberan) l) haben im weitesten Umkreis befruchtend <strong>und</strong> segens-<br />
, reich gewirkt.<br />
Die genannten drei Ionen verteilen sich nun folgendermaßen.<br />
,. In Mittelpommern als nächstgelegenes Interessengebiet der Herzoge<br />
die Gegend um Greifenhagen. Pyritz <strong>und</strong> Stargard. Im Süden<br />
grenzt unmittelbar daran der breite ncumärkische Gürtel zwischen<br />
der <strong>pommersche</strong>n Grenze <strong>und</strong> der Warthe-Netzelinie. Trotzdem<br />
dio Neumark teilweise alt<strong>pommersche</strong>r Besitz ist. müssen wir sie<br />
gesondert Verachten. Denn erst mit der Eroberung <strong>und</strong> der<br />
< ^ Herbeiführung friedlicher, geordneter Verhältnisse durch die Mark-<br />
.l< grafen kann sie kirchlich aufblühen"). Die wichtigste Jone ist der<br />
große Querriegel"von den Odermündungen im Westen bis zur Stolpe<br />
im Osten, d. h. die heutigen Kreise Usedom-Wollin. Kammin.<br />
Greifenberg. Kolberg-Körlin, Köslin <strong>und</strong> Echlawe. hier spüren<br />
wir den persönlichen Einfluß der Kamminer Bischöfe, ihr stiftisches<br />
Territorium steht neben dem Wirkungsbereich der alten Kathedrale<br />
Wollin an erster Stelle.<br />
Man beachte wohl, daß diese Jone sich westwärts an das<br />
Peenegebiet anlehnt, nicht südlich an das vorhin genannte Mittelpommern.<br />
Zwischen letzterem <strong>und</strong> dem Küstenstrich liegen die von<br />
5 einer dünnen slavischen Bevölkerung bewohnten, teilweise überhaupt<br />
i) Beide mögen wir auch deshalb heranziehen, weil wir über ihre<br />
Bedeutung besonders gut unterrichtet sind. Nber Pclvlin vcrql. die jüngste<br />
sorgfältige Darstellung von Westphal.<br />
") Der optimistischen Anschauung von Nietens, Neumark S. 52ttf..<br />
„daß unter normalen Verhältnissen jedes Dorf seinen eigenen Pfarrer haben<br />
sollte", vermag ich allerdings nicht zu folgen. Iür unsern Zeitraum gilt<br />
das sicherlich noch nicht.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kanumn. 81<br />
unbesiedelten Landschaften Naugard. Negenwalde <strong>und</strong> Schivelbein. ^<br />
Ihren Küllurständ zeigen sofort die ungeheuren Landumsätze, hier<br />
schenkt Herzog Barnim l. 1257 (P.638) dem Krafen Gunzelm<br />
von Schwerin 4000 Hufen, das sind, die <strong>pommersche</strong> Hufe zu<br />
einem niedrigen Durchschnittswert gerechnet. 240 000 Morgen. 1200 ?'<br />
Hufen erwirbt das livländische Iisterzienserkloster Dünamünde. '<br />
wahrscheinlich mit der (später aufgegebenen) Absicht, einen Konvent ,<br />
anzusiedeln (P. 1300). Die Templer erhalten von Bischof herinann<br />
die Zehnten aus 700 Hufen gegen eine geringe Jahresabgäbe'),<br />
<strong>und</strong> 1274 überträgt Hermann seinem Oheim, dem Grafen<br />
Otto von Eberstein, die Herrschaft Naugard mit 700 Hufen als<br />
bischöfliches Lehens.<br />
Ähnlich sind die Verhältnisse in den polnischen <strong>und</strong> pomme- /^<br />
rellischen Grenzbezirken. Immer wieder heißt es bei den Vergabungen,<br />
sie liegen in aderto. So w<strong>und</strong>ern wir uns nicht, datz<br />
>auf dem <strong>pommersche</strong>n Landrücken, in den Kreisen Vublitz. Rummels- /<br />
burg <strong>und</strong> Bütow. keine einzige Kirche bis zum Ablauf des 13. Jahr- '<br />
H<strong>und</strong>erts begegnet. Vom Land Bütow wissen wir nicht einmal, zu<br />
Welcher Diözese es ursprünglich gehörte.<br />
Lehr lehrreich ist das Ergebnis, wenn wir das Anwachsen der<br />
Gesamtzahl aller Kirchen durch die einzelnen Epochen der Kamminer<br />
<strong>Gesch</strong>ichte verfolgen. Die Regierungsantritte Bischof Sigwins, der<br />
nach Circipanien hinübergriff <strong>und</strong> als erster die Eremtion seines<br />
Sprengels verfocht, <strong>und</strong> Bischof Hermanns, der die ganzen Lebensbedingungen<br />
des Bistums auf eine neue Gr<strong>und</strong>lage stellte, bezeichnen<br />
wohl die haupteinschnitte. Von der Tätigkeit Ottos von<br />
Bamberg bis zum Tode Siegfrieds (1124—1191) finden wir ^ein- ,<br />
schließlich der eingegangenen) 25 Kirchen, das ist ein Zwölftel der<br />
bis 1300 bezeugten Gesamtzahl^). Bis 1251 kommen 61 oder ein l<br />
weiteres 3ünftel hinzu. R<strong>und</strong> 220. d. h. mehr als zwei Drittel,<br />
begegnen zuerst in der etwas kürzeren Zeitspanne bis zum Ende<br />
1) P. 696 i. I.1261. Ich zitiere die wichtige, noch häufiger anzuführende<br />
Urk<strong>und</strong>e nach dem inzwischen gef<strong>und</strong>enen Original mit zahlreichen Abweichungen.<br />
Geh. Staatsarchiv Berlin: Templerorden Nr. 18. Namentlich diese<br />
Urk<strong>und</strong>e bek<strong>und</strong>et deutlich die rückständigen Verhältnisse. Im Regest des P.<br />
muß es statt Dotieren in oer Neumark heißen: Daber. Kreis Naugard.<br />
2> P.983. verbesserter Text Bd. lll S. 443.<br />
s) Die eifrigen Untersuchungen Wieseners S. 274 f. <strong>und</strong> 349 f. sind<br />
kritisch unhaltbar. Seine Theorie von der Umwandlung der Gautempel (?)<br />
in christliche Kirchen ist verfehlt, die baugeschichtliche Datierung völlig hin«<br />
fällig.
88 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
des Jahrh<strong>und</strong>erts, die zum großen Teil durch Bischof Hermanns<br />
Regierung ausgefüllt wird.<br />
Es ist eine mächtige Welle der kirchlichen wie der allgemeinen<br />
Kultur, die damals in der zweiten Hälfte des l3. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
Pommern überflutet. Die Bewegung geht so sprunghaft vor sich,<br />
das? das Land sie gelegentlich kaum tragen kann^). Es mehren sich<br />
die Fälle, zumal in den Städten, wo der Landesherr das ausdrückliche<br />
Privileg erteilt, daß keine neue Kirchengründung ohne die<br />
Zustimmung der davon Betroffenen vorgenommen werden darf.<br />
Solche Privilegien erhalten z. B. die Bürgerschaft zu Barth (P. 604)<br />
<strong>und</strong> Strals<strong>und</strong> (P. 1581). oder einzelne bestehende Kirchen, wie in<br />
Kolberg (P.803) <strong>und</strong> Wollin (P. 1453). Mag immerhin in letzteren<br />
Fällen ein neidischer Wettbewerb leise mitgewirkt haben, daß die<br />
Nnzuträglichkeit lebhaft empf<strong>und</strong>en wurde, ist unleugbar. Für die<br />
Scharen der einströmenden Geistlichen <strong>und</strong> Ordensleute waren die<br />
Städte noch zu klein <strong>und</strong> die ländlichen Siedelungen zu dünn gesät.<br />
Besah doch die größte Stadt. Stettin, auf ihre paar Tausend Einwohner<br />
9 oder 10 Kirchen, darunter das starke Marienkapitel, den<br />
Iakobikonvent <strong>und</strong> 9 Ordenskirchen. In Wollin mit seinen vermutlich<br />
nur nach 5)<strong>und</strong>erten zählenden Einwohnern lag das Mißverhältnis<br />
noch krasser.<br />
Glücklicherweise dürfen wir sagen, daß die vereinzelten Melstände<br />
dem unschätzbaren Wert der Kirchengründungen <strong>für</strong> das gesamte<br />
öffentliche <strong>und</strong> geistige Leben keinen Abtrag tun können.<br />
Wenn wir von den kläglichen Verhältnissen im Reich — es ist ja<br />
die Zeit des Interregnums — den Blick auf den Osten lenken, so<br />
wird uns das Stück deutscher Arbeit, das die Kirche auf dem<br />
slavischen Missionsboden damals geleistet, immer mit höchster Bew<strong>und</strong>erung<br />
erfüllen. Einen wesentlichen Anteil an dieser Leistung<br />
hat Bischof Hermann persönlich. Er ist derjenige Kamminer Bischof<br />
gewesen, der die meisten Kirchen geweiht l)2t. Gewiß zeigt seine<br />
politische Tätigkeit, daß er nicht der fromme Glaubensbote war,<br />
mit dem „Schild des Gebetes der Brüder <strong>und</strong> dem Schutz des<br />
Erzengels Michael" Länder zu erobern. Wäre er das gewesen,<br />
er hätte zu jener Zeit in Kammin am verkehrten Platz gestanden.<br />
Und gerade daß er in der richtigen Erkenntnis seiner durch <strong>und</strong><br />
durch von machtpolitischen Bedingungen beherrschten Lage die vorhandenen<br />
Kräfte <strong>und</strong> Interessen in den Dienst auch der Kirch-<br />
i) Schon bald im 14. Jahrh<strong>und</strong>ert läkt der Eifer um die Kirchen«<br />
stiftung nach. Dasselbe beobachten wir bei den Klostelgründungen, s. Wehrmann,<br />
<strong>Gesch</strong>. o. Pomm. I S. 163.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 89<br />
lichen Tätigkeit zu zwingen verstand, gerade das hat seiner Regie- >.<br />
rungszeit ihre bleibende innerkirchliche Bedeutung verliehen <strong>und</strong> .<br />
ihn selber nach Otto von Bamberg zum erfolgreichsten vorderer /<br />
der Christianisierung Pommerns gemacht.<br />
Die kirchliche Verfassung <strong>und</strong> Verwaltung auf dem Kolom- .<br />
sationsboden im l2. <strong>und</strong> 13. Jahrh<strong>und</strong>ert ist das unsicherste Ge- /<br />
biet, das der Kirchenhistoriker betreten kann. Die deutsche Ior- '<br />
schung hat die Probleme kaum erkannt <strong>und</strong> den geschichtlichen Bef<strong>und</strong><br />
mehr oder minder geschickt in das Schema der reichsdeutschen<br />
oder der allgemeinen kirchenrechtlichen Verhältnisse hineingepreßt.<br />
Wer nicht in der <strong>Gesch</strong>ichte der Slaven bewandert ist, dem erscheinen<br />
die sich auftürmenden Schwierigkeiten zunächst vielleicht<br />
unüberwindlich. Trotzdem muß es gelingen <strong>und</strong> gelingt es, ihrer<br />
5)err zu werden. Auch die urk<strong>und</strong>lichen Notizen über die Gründung<br />
der einzelnen Kirche bleiben ohne die Beobachtung<br />
ihrer rechtlichen Unterlagen <strong>und</strong> Voraussetzungen inhaltlose 3ormel.<br />
Nun ist «es gewiß nicht leicht, einen Gesamteindruck der eigenartigen<br />
Entwicklungsreihen zu gewinnen. Denn leider hat Missalek<br />
buchstäblich recht, wenn er noch jüngst schrieb: „was man bisher an<br />
Dilettantenstückchen dem deutschen Leser zu bieten wagte, überschreitet<br />
alle Begriffe." Bereits die deutschen Zeitgenossen des<br />
13. Jahrh<strong>und</strong>erts haben die Schwierigkeit, das vielverschlungene<br />
Recht der wendischen Nachbarn planmäßig darzustellen, beklagt.<br />
Und haben wir schon über "einzelne Lätze des Sachsenspiegels, die<br />
ihrem Verfasser klarste Selbstverständlichkeiten waren, in umfangreichen<br />
Bänden aneinander befehdet, wie muß der Widerstreit der<br />
Meinungen erst über den slavischen 3ragen auflodern! Wer die<br />
neuere Forschung verfolgt hat, weiß, daß die Anschauungen durchaus<br />
ungeklärt sind. Lange <strong>für</strong> unumstößlich gehaltene Auffassungen,<br />
die <strong>für</strong> die Beurteilung der Kirchengründungen unmittelbar entscheidend<br />
sind, haben sich bei neuerer Prüfung als unhaltbar oder<br />
höchst zweifelhaft erwiesen. Iu einer zusammenfassenden Darstellung<br />
ist selbst die eifrige polnische <strong>Gesch</strong>ichtsschreibung bisher nicht gelangt.<br />
Vorläufig werden wir anders als durch die sorgsame Ausschöpfung<br />
der Quellen des einzelnen Territoriums^) eine Vor-<br />
i) Auf die wesentlichen Unterschiede in der einzelstaatlichen Sonderentwicklung<br />
sei dabei eindringlich hingewiesen. Nichts ist verkehrter als die<br />
Gepflogenheit unserer deutschen <strong>Gesch</strong>ichtsschreibung, ..die Polen" oder gar<br />
..die Weslslauen" in dieser Hinsicht unbesehen in eins zu werben. Die Verhältnisse<br />
in Pommern liegen wesentlich anders, als sie etwa Nachfahls<br />
ausgezeichnete Untersuchungen <strong>für</strong> Schlesien festgestellt haben. An dieser Tat-
90 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
stellung nicht gewinnen. An Material fehlt es nicht, es wartet nur<br />
/ der Arbeiter, die es in wissenschaftliche 3ormen umschmelzen wollen,<br />
/ Begegnet die herausarbeitung der <strong>für</strong> die Gründung <strong>und</strong> An-<br />
/ lage von Kirchen maßgebenden slavisch-<strong>pommersche</strong>n Rechtsverhältnisse<br />
schon an sich erheblichen Schwierigkeiten, so wird die Lage<br />
, . noch verworrener durch das Eindringen des deutschen Rechts.<br />
'. Dieser Prozeß schließt nach seinen 5>auptziigen im Herzogtum<br />
Pommern ungefähr mit dem Regierungsende Bischof Hermanns<br />
ab, im Fürstentum Rügen etwas früher, in Pommerellen später.<br />
Die Kirche ist bei ihm an erster Stelle beteiligt. Wir werden oft,<br />
in der Anfangszeit sogar meistens, nicht entscheiden können, ob nach<br />
geltendem deutschen Recht eine kirchliche Gründung erfolgt, oder<br />
ob die bestehende kirchliche Anlage das Einwandern der deutschen<br />
Bewohner <strong>und</strong> ihres Rechts erst nach sich zieht. Auf die Periode<br />
des ungebrochenen slavischen Rechts folgt so eine Entwicklungsstufe,<br />
auf der das slavische <strong>und</strong> das deutsche Recht bald nebeneinander<br />
herlaufen, bald Ausgleichs- <strong>und</strong> Mischformen eingehen.<br />
Einzelne charakteristische Züge solcher Mischformen haben sich bis<br />
zur Reformation <strong>und</strong> in die evangelische Zeit hinein erhalten.<br />
Im allgemeinen jedoch ist das deutsche Recht der unzertrennliche<br />
Begleiter der fortschreitenden Kermanisierung. Die slavische Bevölkerung"<br />
konnte es nur dankbar begrüßen, da es seine Lage gegenüber<br />
der 3ürstengewalt in jeder Beziehung verbesserte. Die Landes<strong>für</strong>sten<br />
ihrerseits erkannten die überragenden Werte, die ihre Herrschaft<br />
trotz mancher augenblicklichen Schmälerung zuletzt durch die<br />
Lösung der vorhandenen <strong>und</strong> dio Heranziehung ungezählter neuer<br />
fache wild darum nichts geändert, daß man Rachfahls Ergebnisse immer<br />
wieder unzulässig verallgemeinert hat. Willkommene Dienste filr die erste<br />
Übersicht bietet KutrzHbas Gr<strong>und</strong>riß der polnischen Verfafsungsgeschichte
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammknv Yl<br />
Kräfte gewinnen mußte. Und haben einzelne Fürsten widerstrebt,<br />
so waren sie nach ihren persönlichen Eigenschaften <strong>und</strong> ihren<br />
politischen Machtmitteln nicht stark genug, um der unaufhaltsamen<br />
Entwicklung einen Damm entgegenzustellen.<br />
Diese Voraussetzungen müssen wir im Auge behalten, auch<br />
wo wir hier nur den äußeren Akt der Kirchengründungen, nicht<br />
das spätere Rechtsverhältnis des Gründers zu seiner Kirche — das<br />
Patronat <strong>und</strong> die daraus abgeleiteten, <strong>für</strong> unser Gebiet eigentümlichen<br />
kirchlichen 5)oheitsrechte — <strong>und</strong> das Recht des Klerus zu<br />
betrachten Habens.<br />
Gesondert <strong>für</strong> sich steht die Gruppe der Missioitskirchen. die<br />
Otto von Bamberg <strong>und</strong> vielleicht Bischof Berno von Schwerin<br />
2) angelegt haben. Bei ihrer Gründung kommt die Frage des<br />
(später so genannten) Patronats <strong>und</strong> der Dotierung im kirchenrechtlichen<br />
Sinne nicht in Betracht. Das ändert sich, sobald die Verhältnisse<br />
geordnete Jonnen annehmen <strong>und</strong> der Klerus nach der<br />
gesetzmäßigen Sicherung der bestehenden Kirchen strebt. Die gemein-<br />
') Die statistische Verarbeitung des ganzen Quellenstoffg fuhrt auch hier<br />
zu wesentlichen Abweichungen von den früheren Darstellungen. Da eine Auseinandersetzung<br />
mit ihnen unmöglich ist, sei wenigstens ein Vergleich mit<br />
Haucks Ergebnissen (K.G. IV" S. 615) angeführt. Von den 5 als herzogliche<br />
Gründung angesprochenen Kirchen sind mindestens 2. 9ebbin <strong>und</strong> Röcknitz, nicht<br />
non den Landesherren angelegt. Unter den 3 Kirchen unbekannten Ursprungs<br />
geht die Stargarder (die nicht Cod. 77 i. I. N86. sondern P. 475 i. I. 1248<br />
zuerst erwähnt wird) offenbar auf bischofliche Gründung <strong>und</strong> die Prenzlauer<br />
wahrscheinlich auf herzogliche Anlage zurück. Bei letzterer liegt, wenngleich<br />
entfernt, die Möglichkeit einer bischöflichen Gründung vor. Vie als einzige<br />
bischöfliche Stiftung genannte Kirche zu Alt-Polchow ist in Wirklichkeit vom<br />
Kloster Dargun erbaut.<br />
>) Sein unvergänglicher Ruhm ist die Christianisierung Mecklenburgs,<br />
die er viel weiter gefördert hat, als es Otto in Pommern möglich war. Dagegen<br />
wissen wir nicht, ob er in dem zur Schweriner Diözese gehörenden Teil<br />
Vorpommerns eine Kirche gebaut hat. Eher ist das Gegenteil zu vermuten.<br />
Wir finden keine Kirche unter bischöflichem Patronat. Die Worte ecclesia<br />
Wn6
92 Forschungen zur älteren Gesuchte des Bistums Kammin.<br />
christliche Auffassung der kirchlichen Exemtion von der weltlichen<br />
Gewalt kann sich in Slavien nicht durchsetzen. Der einheimische<br />
privatrechtliche Gr<strong>und</strong>gedanke gewinnt unverzüglich die Oberhand<br />
<strong>und</strong> führt zur Bildung der Eigenkirche ausgeprägtester Form').<br />
Schon Ottos Gründungen können sich dieser Entwicklung nicht<br />
entziehen, trotzdem Kaiser Lothar ll. sie ausdrücklich der bischöflichen<br />
Hoheit vorbehalten hat (Cod. 14; i.3.1136). Bei 10 der<br />
14 Kirchen vermögen wir in der nächsten Zeit die Patronatsgewalt<br />
festzustellen. Nur die Hälfte von ihnen — St. Malbert in Wollin.<br />
Kammin. Lebbin. Kolberg <strong>und</strong> Gutzkow — bleibt in bischöflichem<br />
Eigen. Die andere Hälfte — St. Michael in Wollin, Peter-Panl<br />
in Stettin, Gartz, Wolgast <strong>und</strong> Usedom — gerät unter das landes<strong>für</strong>stliche<br />
Regiments Eine genauere Betrachtung der einzelnen Orte<br />
ergibt, daß die Gewalt demjenigen zufällt, der <strong>für</strong> die Dotierung<br />
sorgt.<br />
Verhältnismäßig selten finden wir die Kirchenstiftung selbst<br />
beurk<strong>und</strong>et (Dramburg. Drechow. 3ritzow. Gültzow. Alt-Leese. Wusseken<br />
u. a.). Wo es geschieht, handelt es sich um die Aussetzung<br />
l> Die kirchengeschichtlichcn <strong>und</strong> kirchenrechtlichen Fragen, die sich sofort<br />
mit der Einführung des Begriffs der slavischen Eigenkirche ergeben, können<br />
uns an dieser Stelle naturgemäß nicht beschäftigen. Ihre Erörterung <strong>und</strong><br />
quellenkritische Beantwortung würde an Raum leicht das Mehrfache der<br />
vorliegenden Studie beanspruchen. Nur das eine sei betont, daß die Analogiebildung<br />
zur germanischen Eigenkirche, von der die slavische ihrer<br />
Entstehung nach völlig unabhängig ist. so zwingend erscheint,<br />
daß über die Berechtigung der Benennung kein Zweifel malten wird. Ebenso<br />
stoßen wir uns nicht an der nach Stutz' Vorgang gebräuchlich gewordeneu<br />
Bezeichnung „Eia.en"kirche. obgleich mir die Einwände gegen die geschichtlichen<br />
Unterlagen der Wortprägung, besonders von Thomas (l)roit clc propr.<br />
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte de« Bistums Kammin. 93<br />
dor Dos odor um die bischöfliche Weihe des Platzes <strong>für</strong> den Altar<br />
<strong>und</strong> de^n Kirchhof. Die ausdrücklichen Angaben zahlreicher Urk<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> der eigenkirchliche Charakter berechtigen uns, den ersten<br />
Patron in der Regel als den Gründer der Kirche zu betrachten.<br />
' Daß das Patronat als einträgliches Wertstück mehrfach seinen Besitzer<br />
gewechselt hat, ja. daß es gegen die ausdrückliche Bestimmung<br />
des Kirchenrechts verkauft worden ist. kam vor (Basepohl. Krummin.<br />
Prttzlow u. ö.). Immerhin blieb die Erscheinung selten. Iumal die<br />
Klöster, die aus der Umwandlung des Pfarramts in eine Vikarei<br />
stattliche Renten erzielten, hatten an der Weiterveräußerung der<br />
geschenkten oder gekauften Kirchen meist kein Interesse.<br />
Außer den genannten 5 Missionskirchen Ottos finden wir<br />
unter der Hoheit des Bischofs die Kirchen zu Bucow (f auf<br />
Usedom), zwei zu Demmin, Kolberg (ungenannte), 3ritzow (Kreis<br />
Kolderg). Büssow (desgl.) >). Köslin. Lassan. Schönfeld (Kreis<br />
Demmin), Walkendorf <strong>und</strong> Iiethen^). Bezeichnend <strong>für</strong> die Voraussetzung<br />
zur Anlage einer Kirche ist der Vergleich der bischöflichen<br />
Pfarren mit der Ausstattung des Bistums bei seiner Gründung<br />
NP. 30) <strong>und</strong> später. Auch der Bischof kann eine Kirche nur er-<br />
/ richten, wenn er ihr am Ort oder nahebei eine Dotation anzuweisen<br />
' vermag. Die Übertragung des Bischofszehnten allein bietet in der<br />
/ älteren Zeit zum Unterhalt des Pfarrers nicht die genügende<br />
^ Gewähr. In der Folge, als die Erträge wuchsen, find die Bischöfe<br />
aus anderen Erwägungen mit der Verleihung ihrer Zehnten immer<br />
5 sparsamer geworden. Daher liegen so viele bischöfliche Pfarren im<br />
s Peenegebiet. weil das Bistum überwiegend dort begütert ist.<br />
Es ist nur mit einem gewissen Vorbehalt richtig, wenn wir<br />
das Patronat dieser Kirchen kurz bischöflich nannten. Der Bischof<br />
als physische Person ist anscheinend in den wenigsten Fällen der<br />
Träger des Rechts gewesen. Meist teilte er es mit dem Domt<br />
Kapitel, oder ein Mitglied des Kapitels, vorzüglich der Propst.<br />
. nahm die Verleihung <strong>für</strong> sich in Anspruch (Lebbin. Gutzkow). Bei<br />
der unklaren Abgrenzung der Gerechtsame unter den Beteiligten<br />
ist es gelegentlich zum streit gekommen. In Lassan mußte die<br />
Propstei zu Gunsten des Bischofs zurückweichen (P. 1828). Das;<br />
auf den bischöflichen Tafelgütern, z. B. in Werben, das Patronat<br />
dem Bischof vorbehalten war. versteht sich von selbst. Nur sind<br />
wir über den stiftischen Gr<strong>und</strong>besitz in unserer Zeit wenig be-<br />
') Bei Vilssow ist die Überlieferung nicht sicher. P. l«55.<br />
"j Wer die Darguner Pfarren f. unten.
94 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
friedigend unterrichtet. Das erste, vermutlich unvollständige Verzeichnis<br />
der Kapitelsgüter stammt aus dem Jahre 1321 (P.35N).<br />
Borher hören wir von einer Besitzung des Bischofs meist erst in<br />
dem Augenblick, wo sie an einen anderen verkauft oder oerlehnt<br />
wird. Darin liegt die Schwierigkeit, die eigene kirchenbauliche<br />
Tätigkeit der älteren Bischöfe so genau zu verfolgen, wie es<br />
wünschenswert ist ^). Daß über die eigenen Gründungen hinaus die<br />
Bedeutung des bischöflichen Wirkungskreises <strong>für</strong> das Entstehen<br />
der Kirchen sehr erheblich ist, haben wir bei der Betrachtung der<br />
Dichtigkeit des Kirchennetzes gesehen.<br />
Iu einer Zeit, als das Mainzer Provinzialkonzil schon einfach<br />
beschließen konnte, daß jedes Patronatsrecht der Laien<br />
nichtig sei. <strong>und</strong> daß in Laienhänden befindliche Patronate fortab<br />
ohne weiteres dem Diözesanbischof bezw. dem Archidiakon gehörten<br />
2). standen auf dem ostdeutschen Siedelungsboden noch die<br />
meisten Kirchen unter weltlicher hand^). Es ist der Landesherr,<br />
zunächst nicht der Bischof, der die Erlaubnis zur Errichtung von<br />
Pfarren <strong>und</strong> zur Einsetzung von Priestern erteilt (P.573 u. ö.). Er<br />
weist der neuen Kirche den Pfarrsprengel an. erst nachträglich läßt<br />
er ihn vom Bischof bestätigen^). Daß „die päpstliche Gesetzgebung<br />
dem Gr<strong>und</strong>herrn ein Eigentumsrecht an Kirchen versagt hatte",<br />
macht dem slavischen Fürsten keine Sorge. Der Bischof muß sich<br />
„über die Vorschriften des gemeinen Kirchenrechts hinwegsetzen",<br />
<strong>und</strong> er hat es gelang. Die Ansicht, daß in den polnischen Ländern<br />
i) Eine ergiebige, allerdings mit Vorsicht zu benutzende Quelle besitzen<br />
wir in den beiden Innungen der TlaNita capitoli (^2mminei,8Ì8. Die ältere<br />
ist herausgegeben von Klempin. Dipl. Beiträge S. 303 ff. Die jüngere ist<br />
ungedruckt, vergl. in der von A. Brunck gef<strong>und</strong>enen <strong>und</strong> mir fre<strong>und</strong>lichst über«<br />
sandten Osnabrücker Handschrift (Gymnasialbibl. 5)9. B.'XI) fol. 40v—6!.<br />
-) Registres d'Urbain lV. no 20: I2N1 Non. 2. Die Kurie greift ein.<br />
um die Iohanniter vor Schaden zu bewahren.<br />
3) Nachdem die erste Begeisterung <strong>für</strong> Stutz' eigenkirchliche Theorie<br />
nachgelassen hat, scheint man geneigt, die historische Gestaltung zu stark<br />
durch die Brille des kodifizierten ssirchenrechts zu fehe.n. Die Ansprüche des<br />
lll. l_atel-2nen5e (can. 14) wie des IV. (can. bi) eilen der Entwicklung<br />
mindestens in einem guten Teile Deutschlands voraus. Das möchte ich. um<br />
kein verschobenes Bild der slavisch-deutschen Verhältnisse aufkommen zu<br />
lassen, beispielsweise zu Schindlers Untersuchungen betonen. Sch. zieht sin<br />
seine Beurteilung des germanischen Rechts mit deutscher Gründlichkeit zwar<br />
den Orient <strong>und</strong> Spanien heran, doch dürfen wir die niederdeutschen <strong>und</strong> ostdeutschen<br />
Verhältnisse seit Heinrich dem Löwen nicht übergehen.<br />
4) So bei Satow. Mocklbg. U. B. 300. i. I. 1224.<br />
j Gegen Vriinneck. Patr. u. Archidiak. S. 20.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 95<br />
überhaupt jedes Patronat dem Landes<strong>für</strong>sten gebührt, ist m. E.<br />
allerdings nicht richtig. Wir betonen erneut, daß mit dem Augenblick<br />
des Eindringens der Kirche die Abbröcklung <strong>und</strong> Auflösung<br />
des bodenständigen Rechts, zunächst zu Gunsten der Kirche, beginnt. ^<br />
Slavische <strong>und</strong> deutsche 3ormen erscheinen nebeneinander, llber die<br />
von den Kamminer Bischöfen begründeten oder, soweit es sich um<br />
die Anlagen Ottos von Bamberg handelte, von ihnen dotierten<br />
Kirchen haben die Herzoge nie eine Gewalt ausgeübt. Dasselbe<br />
werden wir alsbald bei anderen, vorwiegend kirchlichen Gründungen,<br />
besonders also bei den Klöstern finden.<br />
Ein Blick auf unser Kirchenregister zeigt, daß die Mehrzahl i/<br />
der Kirchen von den Landes surften angelegt ilt. Der Landes-^/<br />
Herr, nach slavischem Recht der Eigentümer jedes Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
Bodens, gibt die Ausstattung her. ihm fällt da<strong>für</strong> das Patronat zu. /<br />
Aus dem rechtlichen Charakter dieses Besitzes folgte, das; die mit<br />
dem übernommenen Ausdruck „Patronat" verb<strong>und</strong>enen Befugnisse<br />
erheblich weiter reichen, als das kirchliche Recht zuläßt. Wir müssen /<br />
uns wohl hüten, die Verhältnisse auf dem deutschen Mutterboden ^<br />
zu verallgemeinern <strong>und</strong> sie um jeden Preis im Kolonisations- / '<br />
land wiederfinden zu wollen. Die slavischen Fürsten, die <strong>pommersche</strong>n<br />
nicht zum wenigsten, haben gern mit der Kirche paktiert, sobald<br />
sie sich einen Nutzen davon versprachen. Nahm aber ein<br />
Herrscher die Iügel kräftig in die Hand, dann hing der Umfang<br />
der kirchlichen Rechte wesentlich von der guten oder schlechten<br />
Meinung ab, die er selber darüber hatte. Diesen 5)alb- <strong>und</strong> Ganzbarbaren<br />
den Willen zu diktieren, reichte der Arm der Kurie nicht<br />
weit genug. Der Bannstrahl war ein leerer Schall, wo jede moralische<br />
Autorität Roms fehlte. Als Herzog Barnim Indessen Frei---;<br />
gebigkeit gegen die Kirche zeitweilig wirklich "Sft" „frommen Wahn" ^<br />
grenzte, von Albertus Magnus exkommuniziert wurde, weil er<br />
den Iohannitern angeblich mehrere Güter vorenthielt, da flammte,<br />
sogar bei ihm die Entrüstung auf. Erlieft die Iratres, die in j<br />
seinem Lande die Sentenz verkündigten, einsperren, auspeitschen<br />
<strong>und</strong> ihnen ihre ganze Habe samt den schönen Bannbriefen weg- .<br />
nehmen. Fassungslos steht der große Dominikaner vor der „Schmach<br />
an der heiligen Mutterkirche", daß Barnim es sogar gewagt habe,<br />
ihm die Behandlung seiner Boten selbst anzuzeigen ^). Der Verlauf<br />
des Iohanniterstreits beleuchtet die tatsächliche kirchliche Lage besser ^'<br />
') P. 914. 3u datieren 1271 April 9., nach dem Original Geh. Staatsarchiv<br />
Verlin: Iohanniteroroen Nr. 28.
9i) Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
als alle noch so fromm klingenden Devotionsformeln der Verleihungsurknnden.<br />
Wie die Landes<strong>für</strong>sten in der Zahl der gestifteten Kirchen<br />
während unserer Periode voranstehen, so sind sie auch zeitlich<br />
die ersten einheimischen Kirchenbauer gewesen. Das gilt <strong>für</strong> die<br />
<strong>pommersche</strong>n Herzoge ebenso wie <strong>für</strong> die rügischen, mecklenburgischen<br />
<strong>und</strong> brandenburgischen Herren. 3ür die zahlreich über-<br />
! lieferten Nachrichten sei allgemein auf unsere Statistik verwiesen ^).<br />
Besonders aufmerksam wollen wir dabei einmal machen auf die<br />
/ charakteristische, in ihrer weitreichenden Bedeutung viel zu wenig<br />
// erkannte <strong>und</strong> gewürdigte Kirchenpolitik der Markgrafen vom Negie-<br />
" rungsantritt Johanns l. <strong>und</strong> Ottos lll. (1220) an"). Im Reich die<br />
unfruchtbare Ierfleischung zwischen Kurie <strong>und</strong> Kaisertum, als notwendige<br />
3olge das Interregnum, der Kampf aller gegen alle, das<br />
Brachliegen der besten Kräfte. Gegen diesen Hintergr<strong>und</strong> gehalten<br />
//»werden wir erst richtig einschätzen, was zur. gleichen ^ Zeit . im<br />
l^ Osten das Deutschtum, voran die brandenburgischen Askanier. auch<br />
<strong>für</strong> die Kirche an positiven Werten geschaffen haben. Ihre wohlbekannte<br />
persönliche Frömmigkeit hat die beiden Markgrafen nicht<br />
abgehalten, um des höheren Zwecks willen die Macht des Welt<strong>und</strong><br />
Regularklerus zu beschneiden, wo immer sie nicht in ihr System<br />
paßte. Der Rechtsstand der von ihnen gegründeten Kirchen, zumal<br />
/, in den jüngeren Landen östlich der Oder, ähnelt daher mehr dem<br />
/s pommersch-slavischen als dem gemeinkirchlichen Typus. Selbst wenn<br />
die Markgrafen durch das Verschenken des Patronats an ein<br />
Kloster oder einen Orden ihre kirchliche Hoheit scheinbar abtreten,<br />
behalten sie sich <strong>für</strong> alle ihnen ungünstigen Iuk:»nftsmöglichkeiten<br />
das Eingreifen vor").<br />
l) Westen der Wichtigkeit der Datierung möchte ich nur die Stiftung<br />
des Güstrower Doms, der bedeutendsten Kirche des Kamminer Iprengels in<br />
Mecklenburg, erwähnen. Gegen Echlie (IV, 187 f.) muh ich bei der Annahme<br />
bleiben, oaß die Kirche l23ft vom Fürsten Heinrich Vorwin II. erst<br />
gegründet wurde. Das erforosst der Text des Stiftungsbriefs (Meckl.U.B. 323).<br />
<strong>und</strong> der baugeschichtliche Bef<strong>und</strong> scheint dem kaum zu widersprechen.<br />
") Treffliche Beobachtungen über die neumärkische Lage bei u. Niesten,<br />
Neumark, a. versch. O. Riedels Ansichten (Magazin T. l Bd. l. 395 f.-<br />
Mark ll. 182. 594 f.) haben nur Wert als Materialnachweis.<br />
") Pergl. z. V. die Übergabe des Königsberger Patronats an die<br />
Templer. Riedel ä. XlX S. 174 Nr. 3. i. I. l'^82. Der landesherrliche<br />
Vorbehalt wurde wirksam, als nach der Aufhebung des Ordens Markgraf<br />
Ludwig d. Ä. das Patronat einziehen wollte <strong>und</strong> die Iohannitcr als Rechtsnachfolger<br />
der Templer Widerstand leisteten. Vergl. Brünneck. Mark.<br />
Prcw. K. R. S. 45 f.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 97<br />
Es Kann unter den geschilderten Umständen nicht W<strong>und</strong>er<br />
nehmen, daß mehr <strong>und</strong> mehr das Laienpatronat als schwerer Druck<br />
<strong>und</strong> der Heiligkeit der Kirche unwürdig betrachtet wurde. Auch<br />
bei den Landes<strong>für</strong>sten mag die gleiche Empfindung sich allmählich<br />
Bahn gebrochen haben. Einen gewissen Ausgleich fand man in<br />
der häufigen Austragung des Patronats an die kirchlichen Anstalten,<br />
besonders an die Klöster. Die landesherrliche Hoheit, die sich<br />
im allgemeinen wenig in die inneren Angelegenheiten der einzelnen<br />
Kirche einmischte, hätte man noch ertragen. In der Praxis erheblich<br />
drückender war das Patronat des gr<strong>und</strong>besitzenden Adels.<br />
Denn mit dem 3ürsten wetteifert in der Kirchengründung<br />
der Landadel. Und zwar beginnt seine Tätigkeit nicht erst mit<br />
der deutschen Einwanderung, als der Ritter sein (Nut vom Landesherren<br />
zu Lehn trägt, sondern bereits in der slavischen Zeit. Am<br />
bischöflichen Sitz Kammin gründet Ietislaw die Ägidienkirche. Der<br />
Demminer Kastellan Nochill legt die Kirche des mecklenburgischen<br />
Lewin an. In Nemitz (Kr. Schlawe) haben die Vorfahren des<br />
pommerellischen Truchseß Stephan ihre hauskirche gebaut. Auf<br />
Hohen-Mocker (Kr. Demmin) dotierte der herzogliche Kämmerer<br />
Dubislaw seine Kirche mit Liegenschaften <strong>und</strong> bischöflichen Zehnten,<br />
die er als Kamminer Lehn innehatte. Die edle 3amilie der Borante<br />
besitzt Kirchen in Brandshagen, Lanken. Vilmnitz <strong>und</strong> anscheinend<br />
noch anderen rügischen Orten. Die ausgewählten Beispiele zeigen.<br />
daß die Kirchengründung durch slavische Herren nicht auf den<br />
Westen beschränkt ist. sondern sich Wer alle Territorialhoheiten<br />
auf <strong>pommersche</strong>m Boden verteilt.<br />
Durch das Einströmen des deutschen Adels erhält die Kirchengründung<br />
einen neuen Ansporn. Von dem zugewanderten lernt<br />
der landsässige Gr<strong>und</strong>besitzer den materiellen Vorteil der Anlage<br />
einer Kirche würdigen. Denn man glaube nur nicht, daß allein der<br />
heilige Eifer um die Ausbreitung des Christentums unter dem<br />
heidnischen Volk die Hauptriebfeder gewesen sei. Gewiß hat auch<br />
einmal fromme Ehrfurcht <strong>und</strong> namentlich die Sorge des Alters um<br />
das heil im Jenseits einen rauhen Rittersmann zur reichen Stiftung<br />
veranlaßt. Aber der Normalfall lag wesentlich anders. Das<br />
lehren die Urk<strong>und</strong>en unmittelbar, trotzdem sie zum weit überwiegenden<br />
Teil von dem dankbaren Klerus ausgefertigt sind. Es<br />
sei, von den Laien ganz zu schweigen, nur daran erinnert, daß der?<br />
Neinfelder Konvent dem Kloster Verchen die Erlaubnis zum Bau:<br />
einer Kirche in einem Neinfelder Klosterdorf erst <strong>für</strong> eine hohe<br />
Geldsumme abkaufen muß (P. 1003).
98' Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
Ob NUN edle Absichten oder der wohlerwogene eigene Nutzen<br />
jeweils die Gründung veranlaßt haben, die große Bedeutung der<br />
qr<strong>und</strong>herrlichen Kirchenbauten <strong>für</strong> das Land steht mister Frage.<br />
Im mecklenburgischen Anteil der Kamminer Diözese legen Kirchen<br />
an die Herren von Ketelhodt zu Wattmannshagen, die Stove zn<br />
Basepohl, die Kröpelin zu Groft-Wokern, die Dargatz zu Kleeth<br />
<strong>und</strong> Tarnow usw. In Westpommern erscheint die Familie Buch<br />
in Verchen. die Wusseken in ihrem gleichnamigen Dorf, ein Magister<br />
Iwan in Etarkow >). Weiter nach der Oder zu bewidmet die<br />
3amilie von Thenis die Kirche zu Kunow. der Ritter Dietrich<br />
Lucht die Kirche zu Alt-Leese. <strong>und</strong> die (Yebrüder von Svarrenfelde<br />
<strong>und</strong> Bernhard von Hagen ^) vereinigen sich, um gemeinsam die<br />
Dotierung <strong>für</strong> Iasenitz aufzubringen. Im Osten") werden genannt<br />
die Namel in (Nroß-Iestin. die Bevenhusen in Kerih. Johann von<br />
Kühl d. Ä. gründet die Kirche in Persanzig. die lange Zeit die<br />
einzige im weiten Umkreis bleibt. In der Neumark bauen die<br />
Güntersberg die Kirche zu öchönfeld. die Wedel diejenige zu<br />
Schlagenthin. Und so fort. In gewisser Beziehung hierher zu<br />
rechnen ist auch die Kirche, die Barnims I. Mutter Miroslawa auf<br />
ihrem l?eibgedinge zu Warp anlegt.<br />
Der verhältnismäßige Anteil des gr<strong>und</strong>herrlichen Adels an<br />
der Besetzung des Landes mit Kirchen ist in Wirklichkeit sogar<br />
größer, als die urk<strong>und</strong>lichen Quellen unmittelbar überliefern. Wir<br />
hören häufig, daß der Landesherr etwa einem Kloster das Patronat<br />
einer gewissen Kirche schenkt (clon^vit u. ä.). Nach dem Wortlaut<br />
der Verbriefung würden wir nicht zögern, dett Herzog, dessen<br />
frommes Verdienst kräftig betont wird, als Eigentümer im deutschrechtlichen<br />
Sinne <strong>und</strong> damit als den Gründer der Kirche anzusprechen.<br />
Da erfahren wir aus einer zweiten, zufällig erhaltenen<br />
1) Cod. 315 i. I. 1242. Die Urk<strong>und</strong>e ist <strong>für</strong> unsere Kenntnis der<br />
lchnsrechtlichen Entwicklung als Gr<strong>und</strong>lage der Kirchengründung wichtig. Ob<br />
der Magistcrtitel ein geistliches oder (mir wahrscheinlicher) ein weltliches<br />
Amt anzeigt, ändert am Charakter der Kirchenhoheit als L a i e n Patronat<br />
nichts.<br />
2) P. 187«. Der Herausgeber des P. hält Bernhard von Hagen <strong>für</strong><br />
ein Mitglied der bürgerlichen Familie dieses Namens. Trotz des voran»<br />
gestellten militez habe ich aus inneren Gründen Bedenken dagegen.<br />
s) Mancherlei Aufschlüsse über die Kirchengriindungen wie über die<br />
gesamten hier in Betracht kommenden Verhältnisse auf den hinter<strong>pommersche</strong>n<br />
Gütern, die vom Bistum zu Lehn gehen, bieten die Kamminer Akten des<br />
Reichskammergerichts. Dem Staatsarchiv zu Wetzlar bin ich <strong>für</strong> die Über«<br />
sendung der umfangreichen Bestände nach Göttingen sehr zu Dank verpflichtet.
3orschunqen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 99<br />
Quelle, daß der Vorbesitzer in Wirklichkeit irgend ein anderer<br />
Gr<strong>und</strong>herr war^). Eine Ubergangsform ist z. B. die Schenkung<br />
der Kirche zu Hohen-Mocker an das Kloster Verchen (P.3N8). wo<br />
als „Schenker" der Herzog <strong>und</strong> der tatsächliche Gr<strong>und</strong>herr gleichberechtigt<br />
nebeneinander auftreten. Das landesherrliche äonare bei<br />
der Beurk<strong>und</strong>ung eines Besitzwechsels in kirchlichen wie in profanen<br />
Angelegenheiten hat seit dem Eindringen des deutschen Rechts<br />
häufig nur mehr die Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Bestätigung<br />
oder, noch weiter nach der deutschrechtlichen Seite entwickelt, der<br />
öffentlichen Publikation. Der merkwürdige Zwiespalt beruht auf<br />
dem immer wieder in die Erscheinung tretenden slavischen Rechtsbegriff<br />
vom Obereigentum des Landesherrn. Dieser Begriff ist im<br />
Bewußtsein von Fürst <strong>und</strong> Volk so lebendig, daß er mit der Auftragung<br />
zu deutschem Lehnsrecht nicht ohne weiteres verschwindet.<br />
Den Prozeß der Rechtsumbildung, so wichtig er <strong>für</strong> die wirkliche,<br />
von der Oberfläche zu den Dingen heruntergreifende Kenntnis der<br />
Kirchengründung ist. können wir hier selbstverständlich nicht verfolgen.<br />
Es liegt uns nur daran, auf die völlig übersehene Tatsache<br />
hinzuweisen. Daß die Forschung recht erhebliche Schwierigkeiten<br />
zu überwinden hat. sei nicht verhehlt. Die Zeitgenossen selber haben<br />
manchmal darüber gestritten, zu welchem Recht der Gr<strong>und</strong>herr<br />
sein Gut besitzt y.<br />
Verglichen mit dem landsässigen Adel bleiben die bürgerlichen<br />
Gr<strong>und</strong>herren in der Kirchenanlage weit zurück. Während<br />
des späteren Mittelalters, im ursächlichen Zusammenhang mit<br />
dem Zurückgehen der Naturalwirtschaft <strong>und</strong> dem Steigen der Geldwirtschaft,<br />
ist das Verhältnis etwas günstiger geworden. Zu unserer<br />
Zeit jedoch kommen Kirchengründungen durch bürgerliche Laien nur<br />
vereinzelt vor. Als erster erbaut kurz vor 1185 Beringer, Wicu8<br />
in civitate Lamder^enZi bene naw8, 8eä multo tempore m N03tro<br />
8tetin !i0ne8te convei-8atu8, die Iakobikirche <strong>und</strong> inkorporiert<br />
') Es sei nur ein Beispiel angezogen. Nach P. 1477 <strong>und</strong> 1901 unterläge<br />
es keinem Zweifel, daß Bogislaw IV. da« Patronat der Kirche zu Bulgrin<br />
dem Kloster Buckow übergeben hat. Der Herzog begründet seine Mildtätigbeit<br />
sehr schon <strong>und</strong> umständlich: rum ante iuzti et ck^tricti iucliciZ oculeribu3 prevenire volente^ et peccata nostra<br />
5ecunäum propnetae Danielis consilium elem05ini5 reclimere cusiientez.<br />
Aus P. 138» wissen wir aber, daß der eigentliche Geber der Ritter Barthus<br />
schwarz ist.<br />
2) So die genannte reich begüterte slavische 3amilie der Borante, der<br />
Kirchherren in Brandshagen. Lanken <strong>und</strong> Vilmnitz, P. 489.
100 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammln.<br />
sie dom Vamberger Michaeliskloster. Ein Jahrh<strong>und</strong>ert später logt im<br />
nahen Pritzlow ein Johann Gropeke zusammen mit der 3amilio<br />
Junge <strong>und</strong> vielleicht noch einem oder mehreren Teilhabern die<br />
Kirche an. Möglich, daß unter den als ritterbiirtig betrachteten<br />
Kirchengründern ein Angehöriger einer gleichnamigen bürgerlichen<br />
Iamilie auftritt, oder daß die eine oder andere Kirche, deren Stiftung<br />
wir nicht kennen, von einem Bürger angelegt ist, im ganzen<br />
bleibt der Anteil des Bürgertums dürftig. Die 3orm ihrer kirchlichen<br />
Betätigung fanden die bürgerlichen Familien vorzugsweise<br />
in der Anlage <strong>und</strong> reichen Dotierung von Altären oder in der Errichtung<br />
neuer Vikareien an den Ltadtkirchen. Die Bewegung ist<br />
angeregt worden durch die Einflüsse, die mit dem Handel von<br />
Westen her gekommen sind. Bald nach der Mitte des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
setzt sie ein <strong>und</strong> erreicht nach mancherlei Schwankungen<br />
gegen Ende des 15. Jahrh<strong>und</strong>erts ihre größte Blüte, wenn man<br />
die immer häufiger damit verb<strong>und</strong>enen Mißstände so nennen darf.<br />
Wie weit in den ersten beiden Jahrh<strong>und</strong>erten nach dem Beginn<br />
der Christianisierung Kirchen von Laienkorporationen angelegt<br />
sind, bedarf noch der Aufhellung ^). Der Herzog oder der<br />
Bischof oder das Kloster legt selbst bezw. durch einen Lokator als<br />
Mittelsmann eine ötadt oder ein Dorf zu deutschem Recht an<br />
<strong>und</strong> sondert die Dos <strong>für</strong> die Pfarrkirche aus. Wer erbaut die<br />
Kirche, wer trägt die Kirchenlast <strong>und</strong> wer wird Kirchonherr? Die<br />
Streitigkeiten um das Patronat, das an sich das sicherste Merkmal<br />
<strong>für</strong> den Gründer der Kirche gibt, haben das ganze Mittelalter<br />
') übersehe ich die Quellen einigermaßen, so hege ich allerdings wenig<br />
Zuversicht, daß mir <strong>für</strong> die ältere Zeit zur rechten Klarheit durchdringen<br />
werden. Hoffentlich tausche ich mich, <strong>und</strong> eine glücklichere Hand bringt<br />
Ordnung in die auseinanderstrebenden Elemente. Die vorliegenden 3orschungen.<br />
auch iiver die spätere Entwicklung, geben beachtenswerte Iingerzeige,<br />
selbst wenn der Historiker nicht immer der dogmatischen Konstruktion<br />
des Juristen folgen kann. Vie Rechtsverhältnisse der Kirchen zu Greifs»<br />
wald im Mittelalter untersuchte Woltersdorf, zu Strals<strong>und</strong> in jüngster Zeit<br />
Braun
3orschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 10l<br />
hindurch, ja bis in die Gegenwart hinein kein Ende genommen.<br />
Dah die Rechtsfrage sogar bei der Strals<strong>und</strong>er Pfarre, das heißt<br />
dei dem wichtigsten Patronat, das der 3iirst von Rügen überhaupt<br />
besitzt, völlig ungeklärt war. beleuchtet treffend die Lage '). 5o<br />
lange wir also keinen einwandfreien Weg ermittelt haben, von der<br />
bekannten jüngeren Entwicklung auf die unbekannte ältere <strong>und</strong><br />
damit auf die Gründung selbst zu schließen, wollen wir die nickt<br />
quellenmäßig bezeugten Kirchengründungen z. B. der Städte mit!<br />
der gebotenen Zurückhaltung betrachten 2). Mit befriedigender Sicherheit<br />
werden wir nur behaupten können, daß die Kapellen der 5)l.<br />
Geiftspitale immer durch die Bürgerschaft bezw. den Rat der<br />
Stadt angelegt sind, sofern uns nicht das Gegenteil bekannt ist.<br />
Ob Bischof 5>ermann über die Kolberger Spitalsgüter auf Gr<strong>und</strong><br />
der bischöflichen iuri8äictio ordinaria oder als Stadtherr verfügt,<br />
wage ich nicht zu entscheiden^).<br />
Schroff einander gegenüber stehen die Auffassungen, welche<br />
Bedeutung die Klöster <strong>für</strong> die Anlage unserer Kirchen gehabt<br />
haben. Die landesk<strong>und</strong>liche Literatur Pommerns ist fast durchweg<br />
geneigt, die kirchliche Tätigkeit der Orden sehr hoch zu veranschlagen,<br />
<strong>und</strong> weiß von der Mission, zumal der Zisterzienser, in<br />
begeisterten Lobsprüchen zu reden. Umgekehrt finden wir in den<br />
allgemeinen kirchenrechtlichen Darstellungen, die von der Beobachtung<br />
der gleichzeitigen Verhältnisse auf dem älteren Kirchenboden<br />
sowie von den Regeln <strong>und</strong> Ordensgewohnheiten ausgehen, ihre<br />
Wirksamkeit recht gering bewertet. Sieht man näher zu, so merkt<br />
man bald, woher die verschiedene Einschätzung rührt. Man hat sich<br />
eben nie der Mühe unterzogen, zunächst einmal rein sachlich festzustellen,<br />
welche Kirchen die Orden eigentlich gebaut haben.<br />
Vas Ergebnis, das der kritische Iorscher in unseren Quellen<br />
findet, bleibt von dem einen Extrem so weit entfernt wie von dem<br />
anderen. Der heilige Glaubenseifer, der die frommen Brüder in<br />
die tiefste Wildnis zum Kampf mit Ur <strong>und</strong> Bär hinaustreibt, ist<br />
eine schöne 3abel. Vom Verdienen des 5)immels durch die Ve-<br />
1) Mecklbg. U. D. 4800. 4809: i. I.<br />
2) Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß von den in Norddeutschland<br />
heimischen Kalanden. die sich eifrig im Stiften von Kapellen <strong>und</strong> Altären,<br />
betätigen, bis zum Ende des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts kein Gotteshaus angelegt ist.<br />
Die Fraternität des Klerus in den Ländern Köslin <strong>und</strong> Kolberg. die anscheinend<br />
ebenfalls eine Kalande. wenngleich mit nur geistlichen Mitgliedern<br />
ist. tagte im Kolberger H. Geistsvital (P.853).<br />
-lj P. 1068. Die besondere Lage ist aus dem landesherrlichen Vor*<br />
behalt Barnims l. P. 806 entstanden.
102 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammin.<br />
Kehrung der heidnischen Slaven haben die in den Osten wandernden<br />
j Konvente nicht viel gewußt, ihre Absicht ist vielmehr stark egoistisch<br />
/ auf den eigenen Vorteil eingestellt. Dazu kommt die weitreichende<br />
Umbildung, die besonders die Zisterzienser notgedrungen an den<br />
, Verpflichtungen ihres Ordens vollziehen. Gegen ihre obersten<br />
' Gr<strong>und</strong>sätze haben sie Pfarrkirchen versehen, den Laien gepredigt<br />
<strong>und</strong> die saldamente verwaltet. Die Generalkapitel haben ebenso<br />
wie die Kurie <strong>und</strong> die Diözesanbischöfe der Entwicklung folgen<br />
müssen 4). Mit dem Bilde also, das die
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 103<br />
fort. Mit Sicherheit ist der Orden überall dort als Stifter zu<br />
betrachten, wo die Kirchengründung zeitlich nach dem Übergang der<br />
ganzen Dorfqemarkung in seinen Besitz fällt i). Daß eine Kirche<br />
auf der Grangie. der eigentümlichen Wirtschaftsform der Zisterzienser,<br />
steht, ist m. W. nur einmal bezeugt (-f- Trampitz). Wohl<br />
möglich, daß der Ort ursprünglich ein Dorf war <strong>und</strong> erst vom<br />
Kloster Dünamünde zur Grangie umgelegt wurde.<br />
Ein lebhafter Anreiz zur Kirchenstiftung war die mehr <strong>und</strong><br />
mehr aufkommende Sitte — richtiger: Unsitte —. die den Klöstern<br />
gehörenden Pfarren durch Vikare versehen zu lassen. Benachbarte<br />
Dörfer zog man unter Umgehung der Residenzpflicht zu einem<br />
Bikanat zusammen oder versorgte sie. wenn sie vom Kloster erreichbar<br />
waren, von diesem aus. Der Vikar erhielt nur die Congrua,<br />
der Überschuß aus den Abgaben <strong>und</strong> Spenden der Gläubigen <strong>und</strong><br />
dem in älterer Zeit fast regelmäßig erlangten Bischofszehnt floß in<br />
die Klosterkasse 2). Anfangs erteilten die Bischöfe die Erlaubnis von<br />
Iall zu 3all als Gnadenerweis. Eine Ubergangsform, die sich<br />
bequem rmd vorteilhaft gegen die ursprüngliche Meinung erweitern<br />
ließ, war die Vergünstigung, daß ein Kloster die verwaiste Pfarrerstellung<br />
bis zur Neubesetzung durch einen Ordenspriester verwalten<br />
lassen durfte (P.3967). Und gar bald hatten die Klöster das Recht<br />
erlangt, alle Kirchen ihres Besitzes, sogar die etwa später zu erbauenden,<br />
durch Vikare verwalten zu lassen (Cod. 295 u. a.). Die<br />
wohlwollende Fürsorge der Bischöfe <strong>für</strong> die armen 3ratres mußte<br />
im späteren Millelalter notwendig zu schweren Schäden führen.<br />
Vielleicht in noch höherem Maße hat eine andere, <strong>für</strong> unser<br />
i) Ob dag ganze Dorf im Ordensbesitz steht, ist oft schwierig zu<br />
entscheiden. Denn in den Eigentumsverbriefungen wird meist einfach der<br />
Dorfname aufgeführt, auch wenn dem geistlichen Gr<strong>und</strong>herrn nur ein Teil<br />
daran gebührt. Auf die Wichtigkeit dieser Erscheinung <strong>für</strong> die kirchliche<br />
Wirtschaftsgeschichte wies ich an anderer Stelle hin
104 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
«Gebiet eigentümliche Erscheinung den Bau neuer Kirchen durch<br />
die Orden gefördert. Es ist ein ollgemeiner kirchenrechtlicher Kr<strong>und</strong>satz.<br />
daß die abgezweigte Tochterkirche nicht dem Recht des Patrons<br />
der Mutter verfällt. Kehrt man den Satz um, so hat man die<br />
wirkliche Lage bei uns^). Aus zwei Quellen ist die Entwicklung<br />
zusammengeflossen. Einmal aus der rechtlichen Natur der slavischen<br />
(Hr<strong>und</strong>herrschaft, zum andern aus der häufigen Auftragung des<br />
Patronats über die zukünftigen Kirchenbauten einer Stadt (P. 17l2).<br />
einer großen Parochie (P. 347). einer Landschaft bezw. eines Archidiakonats").<br />
Nachdem hinschius^) <strong>und</strong> v. Briinneck ^) die Sachlage<br />
bei mehreren <strong>pommersche</strong>n Klöstern untersucht haben, sei<br />
hier an der Hand einer jüngst bekannt gewordenen Urk<strong>und</strong>e<br />
(P.3977) auf ein gleiches Privileg <strong>für</strong> einen Ritterorden verwiesen.<br />
Bischof Hermann legt 1273 der Iakobikirche zu Schlawe, die den<br />
Iohannitern gehört, 12 Dörfer als Kirchensprengel bei. 3i vero<br />
vel capelli in gntedict^ vMi8 edificasi continent in<br />
) »6 eanclem ecclesigm et act preclicto8 iratrez zin?<br />
volumus lnvi^l^biliter pertinere. Aus unsereln<br />
Kirchenregister ergibt sich, daß eine solche Dotierung keine Ausnahme,<br />
sondern die Regel ist.<br />
Vergleichen wir abschließend die Generalkonfirmationen der<br />
Klöster untereinander <strong>und</strong> mit unserer Kirchenstatistik, so finden wir<br />
ganz verschiedenartige Entwicklungen. Dah die einzelnen Orden<br />
der Mönche wie der Ritter sich wesentlich voneinander unterscheiden,<br />
ist bekannt. Daß aber die Klöster des gleichen Ordens in der Kirch-<br />
2) In den mecklenburgischen <strong>und</strong> preußischen Diözesen stoßen wir auf<br />
ähnliche Bildungen.<br />
2) 3ür das Patronat der gr<strong>und</strong>herrlichen Laien käme der Natur der<br />
Sache nach nur die erste Voraussetzung in Betracht. Die zweite scheint<br />
jedoch mitzuspielen in der kirchlichen Tätigkeit der Markgrasen, die sich,<br />
unbekümmert um die burlale Gesetzgebung <strong>und</strong> die Ansprüche ihrer Landes»<br />
bischöfe. die weitesten Befugnisse in der Errichtung. Besetzung <strong>und</strong> Wirksam«<br />
keit der Archidiakonate kurzerhand beilegten. Auf solche Iälle wies bereits<br />
Brimneck. Patr. u. Archidiak. S. 28 f. <strong>und</strong> Mark. Provinzial K. R. l. a.<br />
versch. O.. hin. Eine zusammenfassende Untersuchung, die notwendig auf der<br />
askanischen Eroberungs- <strong>und</strong> Ansiedlungspolitik fußen mag. wird zu mancherlei<br />
neuen, von Vrünneck abweichenden Ergebnissen gelangen. — Zur Aneignung<br />
des Patronats über die Tochterkirchen durch die pommersch-mecklenburgischen<br />
Klöster vergl. Brünneck. Patr. bes. S. 42 f.<br />
6) gncorp. <strong>und</strong> Patronat (3eftg. f. Heffter) a. v. O.; K. R. II, 635.<br />
«) In der mehrfach angeführten Festschrift <strong>für</strong> Iitting: Die Verbindung<br />
des Kirchenpatronats mit dem Archidiakonat im norddeutschen, insonderheit<br />
mecklenlmrgisch-<strong>pommersche</strong>n Kirchenrecht des Mittelalters.
Forschungen zur alleren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammin. 105<br />
lichen Versorgung ihrer Grohgr<strong>und</strong>herrschaften so entgegengesetzte<br />
Wege gehen — man vergleiche Kolbatz <strong>und</strong> Neuenkamp —. wirkt<br />
überraschend, selbst wenn wir die wechselnden Strömungen in der<br />
Beurteilung der Kirchenfrage innerhalb des Ordens daneben halten.<br />
Es hat mir den Anschein, daß die neuen im Osten vorgef<strong>und</strong>enen<br />
Aufgaben die ursprünglichen Gr<strong>und</strong>sätze der Zisterzienser tiefer<br />
beeinflußt haben, als wir bisher annehmen. Entsprechende Umbildungen<br />
beobachten wir bei den Augustiner-Eremiten <strong>und</strong> anderen<br />
Orden.<br />
Erst in neuerer Zeit ist man nach dem Vorgange Bosserts^)<br />
! aufmerksam geworden auf die kirchengeschichtliche Bedeutung der<br />
! 5) eiligennamen der einzelnen Kirchen <strong>und</strong> hat ihre fystematische<br />
j Untersuchung angestrebt. Die Forschung ist jedoch bis heute über<br />
/ vereinzelte Anläufe nicht hinausgekommen?). <strong>und</strong> die Aussichten<br />
auf die Vorlage ergebnisreicher Studien sind gering. Denn die<br />
unerläßliche Sammlung der statistischen Unterlagen^) bleibt ebenso<br />
zeitraubend wie schwierig, <strong>und</strong> der kritische Wert der gedruckten<br />
Hilfsmittel ist. wenigstens <strong>für</strong> das hohe Mittelalter, wenig ermutigend.<br />
3assen wir zunächst das Ergebnis unseres Kirchenregisters<br />
zusammen. Wir finden <strong>für</strong> folgende Namen die angegebene Zahl<br />
von Kirchen: 17 Nicolai' mindestens 10^) Marie, wobei die<br />
Iisterzienserkirchen,^ die. alle ihr. geweiht werden, nicht mitgezählt<br />
sind: 5 Iacobi; 3 Petri,- 3 Pauli- 1 Petri et Pauli,- 2 Adalberti<br />
<strong>und</strong> 1 Adalberti (Titularpatron) et Winezlai- 3 Michaelis- 2 Iohan-<br />
M5 evang.' dann je eine Stanislai; Stephani.' Egidii; Martini:<br />
Sabini; Pancratii; Georgii <strong>und</strong> Georgi! (anscheinend Titel) et<br />
Adalberti: Mauritii,- Andree <strong>und</strong> Eatharine.<br />
!) Korrespondenz!»!, d. Gesamtvereins 41, 143 f.<br />
") Die verglichene Literatur zusammengestellt Dahlmann-Waitz Nr. 3891,<br />
besonders <strong>für</strong> die jüngste, nornehmlich auf die Schweiz bezügliche ..Heiligengeographie"<br />
von Stückelberg, A. f. Kulturgesch. 8, 42 f., mit zwei Kartenskizzen.<br />
lj Ich denke dabei auch an das örtlich <strong>und</strong> zeitlich umgrenzte Auftreten<br />
<strong>und</strong> die Vorliebe einzelner oft kurzer Epochen <strong>für</strong> gewisse Heilige.<br />
Der gegebene Ort <strong>für</strong> solche zusammenfassenden Übersichten wären die Inventare<br />
der Baudenkmäler, wie es Größler <strong>und</strong> Brinkmann bereits in den<br />
beiden Mansfelder Kreisen getan haben.<br />
4j Die Zahl ist deshalb wohl etwas zu niedrig, weil die häufig wiederkehrende<br />
Arenga, dah der beurk<strong>und</strong>ete Akt zugunsten einer Kirche geschehe<br />
in nonorem omnisxitentig clei et deate ^arie virami?, keinen sicheren Schluß<br />
gestattet.
196 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammln.<br />
Ferner die Gruppe der Prämonstratenserkirchen: Marie et<br />
Nicolai. Marie et crucis <strong>und</strong> Marie et Godehardi^). Die mecklenburgische<br />
Namengruppe: Marie et Iohannis evang.; Marie. Iohannis<br />
evang. et Cecilie <strong>und</strong> die anscheinend hierher zu stellende<br />
Marie. Zohannis evang. et Elisabeth. Endlich die Kirchen mit<br />
einem unpersönlichen Namen: Omnium sanctorum- S. crucis »md<br />
5. Spiritus.<br />
Es ist kein Zweifel, daß die erste mit Namen genannte Kirche<br />
Pommerns dem Patron Polens geweiht ist. Otto von Bamberg<br />
hatte die Lehrjahre <strong>für</strong> die Pommernmission am Hofe Herzog<br />
Wladislaws l. durchgemacht, er fühlte sich bewußt als Nachfolger<br />
am Werk des hl. Adalbert. Seinem Schutz hat er von den<br />
11 Kirchen der ersten Missionsreise sogar 2 gewidmet, die eine<br />
in Stettin, die andere in Wollin. Der letzteren gibt er neben dem<br />
Titularpatron den Namen des 5)l. Wenzeslaw. da beide ms^ne<br />
apucl barbaroZ opinioni er-mt -). Auch diese Tatsache sollte uns<br />
warnen. Bischof Otto germanisierende Absichten unterzulegen. Daß<br />
die Wolliner Adalbertskirche die erste Kathedrale des Bistums<br />
Pommern wurde, ist allerdings durch die Entwicklung der örtlichen<br />
Verhältnisse veranlaßt worden. Otto selber hatte die Michaeliskirche<br />
dazu ausersehen, die er nach seinem Bamberger Kloster, in<br />
dem er die letzte Ruhe fand, genannt hat. Das notwendige Bor-<br />
Handensein von Reliquien <strong>für</strong> die Weihe des Altars hat zur 3olgc,<br />
daß Otto in der Mahl der Kirchennamen an seine Vamberger<br />
heiligenschätze geb<strong>und</strong>en ist. So ergibt sich, daß die in Pommern<br />
ungewöhnlichen Namen 5. crucis (Clodona) <strong>und</strong> Omnium sanctorum<br />
(Bclgard) auf Bamberger Einfluß zurückgehen.<br />
Mit Bischof Otto hört die polnische Tradition <strong>für</strong> den größten<br />
Teil des Landes ganz <strong>und</strong> <strong>für</strong> den Osten wenigstens vorläufig<br />
auf 3). hier kehrt sie in verstärkter Form zurück, als das Erzbistum<br />
Gnesen sich bis an die Ostsee vorschiebt. In Schlawe erscheint<br />
eine neue Adalbertskirche, in Garde eine Stanislawkirche.<br />
2) Die herrschende Ansicht
Forschungen zur alleren Krschichte de^ VistumI Kammin. 10?<br />
Der Name der letzteren gibt eine genauere Datierung der Gründung,<br />
aly es der urk<strong>und</strong>liche <strong>und</strong> der bauliche Bef<strong>und</strong> ermöglichen. Da<br />
Stanislaw erst 1253 von Innocenz !V. kanonisiert wird, kann<br />
die Kirche nicht älter sein. S. Andree zu Iantoch zeigt ebenfalls<br />
die polnische Stiftung. Ob der nationalpolnische Andreas-Ioerardus^)<br />
oder der in Polen gleichfalls viel verehrte Apostel Andreas<br />
als Patron der 3ischer gemeint ist. wird kaum zu entscheiden sein.<br />
Verfehlt wäre es nun. wenn wir in Ostpommern von dem späteren<br />
Auftreten polnischer Heiliger gleich auf eine Gründung unter<br />
Gnesener Hoheit schließen würden. Es bildet sich im Lande selbst<br />
ein Stamm von Namen, dessen Herkunft <strong>und</strong> Bedeutung der Gemeinde<br />
nicht mehr bewußt sind.<br />
Schwieriger ist das Einwandern der Heiligen im Westen zu<br />
vorfolgen. Sichtlich unter Lübecker Einfluß kam Katharina nach<br />
Strals<strong>und</strong>. Neben Maria ist S. Katharina in Strals<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
Verchcn der einzige weibliche Titularpatron unseres großen Bezirks.<br />
Eine eigenartige, m. W. sonst unbekannte Erscheinung beobachten<br />
wir in Mecklenburg: die meisten Kirchen heißen Marie et Iohanms<br />
evang.. zu denen gelegentlich, wie in Güstrow. ein dritter Name<br />
tritt. Auf <strong>pommersche</strong>m Boden ist der Name der Klatzower Kirche<br />
Marie, Iohannis evang. et Elisabeth unter diesem Einfluß gebildet<br />
<strong>und</strong> die Klatzower Helligen wandern mit dem Konvent nach Verchen.<br />
Ich vermute, daß die ständige Verbindung Marie et Iohannis evang.<br />
eine bischöfliche Schweriner Tradition ist. Denn sobald Kammm<br />
die mecklenburgischen Landschaften besetzt, verschwindet sie. Mit<br />
Ausnahme von Malchin haben alle später genannten Kirchen.<br />
Boddin. Alt-Polchow. Vilz <strong>und</strong> Wattmannshagen, einen anderen<br />
Namen. Der Altar der Elisabeth in der Klatzower Kirche, 10 Jahre<br />
nach der Kanonisierung der Heiligen, erinnert an die schnelle Perbreitung,<br />
die ihr Kult in Deutschland gef<strong>und</strong>en hat-).<br />
Die Kamminer Kathedrale hat ihren Patron Johannes bapt. -<br />
nicht über die Diözese verbreitet. Nur einmal, in Kartlow, begegnen<br />
wir ihm wieder bei einer vom Demminer Herzog erbauten«<br />
Kirche. Wohl aber wird S. Michaelis in Wollin, die Otto von<br />
Bamberg zum Bischofssitz bestimmt hatte, ihren Namen vererbt<br />
haben auf die bischöfliche Patronatskirche zu Bukow. Und eine<br />
andere Michaeliskirche, diejenige in Stettin, empfing ihren Namen<br />
i) Stadler I. S. 192 Nr. 15: V S. 864.<br />
2j Darnach Wehrmanns Mitteilungen. Monatsbliitter XVlll. S. 1N3f..<br />
zu ergänzen.
Forschungen zur illteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
vom Michaelskloster bei Bamberg, der Heimat des Iakobikonvents,<br />
unter dessen Patronat sie stand. Sonst erfahren wir in unserer Zeit<br />
nichts über Namenbeziehungen zwischen Mutter- <strong>und</strong> Tochterkirchen.<br />
Klempin (P. I S. 192) will zwar eine solche darin erkennen,<br />
daß dem vom Nonnenkloster Treptow-Marienbusch (eccl.<br />
S. Marie et Nicolai) abgezweigten Konvent in Stolp die Nikolaikirche<br />
zugewiesen wird. Es liegt da jedoch offenbar ein zufälliges<br />
Zusammentreffen vor.<br />
Die charakteristischen Heiligen auf unserm Boden sind Nikolaus<br />
<strong>und</strong> Jakobus. ') Beide sind nicht erst mit dem aufblühenden Handel<br />
vom Westen her eingezogen. Schon 1124 wird in kebbin ein<br />
Kirchlein dem 5)l. Nikolaus, dem Schutzpatron der Schiffer- <strong>und</strong><br />
Iischerbeoolkerung. geweiht. Und die erste nach Ottos Gründungen<br />
genannte Kirche in Stettin verehrt den 5)l. Jakobus. Das aber ist<br />
richtig, daß die Verehrung beider als Patrone der übermächtig aufstrebenden<br />
Kauffahrtei ^) ihr Ansehen in Pommern lebhaft gefördert<br />
hat. 3ast jede Stadt, die am Außenhandel teilhatte, von Strals<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> Greifswald über Stettin <strong>und</strong> die Oderstraße (Altdamm.<br />
Greifenhagen. Gartz usw.) hinweg bis nach Kolberg <strong>und</strong> Stolp,<br />
besaß ihre Nikolaikirche. Sogar die Kirche des Zisterzienser-<br />
Klosters hiddensee heißt nicht nach der Ordensvorschrift S. Marien,<br />
sondern S. Nikolai. Nach allem, was wir darüber erfahren, haben<br />
wir dabei nicht an die Inkorporation einer vorhandenen Kirche<br />
zu denken. Sondern der von Eldena auf die kärgliche Sandinsel<br />
l) Iur Ausbreitung des Hl. Nikolaus vergl. die Monographie non<br />
Schnell, oie Quellen- <strong>und</strong> Literaturnachmeise in der Bibl. dag. Lat. ll. «90 f.<br />
u. Suppl. ^ 235 f.. die Angaben bei Stadler, in den Heiligenucrzeichnisscn.<br />
bei Bergau u. ö. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, sei die <strong>für</strong> uns wichtigste<br />
Irasic. wie Nikolaus der oerbreitetste heilige der Diözese ssammin <strong>und</strong><br />
Pommerns wird, gestreift. Denn die Ansicht, daß der heilige von den niederländischen<br />
Seefahrern nach Norddeutschland gebracht sei. ist sehr bedenklich.<br />
Die Nikolaikirchen erscheinen urk<strong>und</strong>lich in größerer Iahl auf dem norddeutschen<br />
Boden mindestens ebenso früh wie auf dem niederländischen.<br />
Dazu hat sich die Annahme von der umfangreichen niederländischen Kolonisation<br />
in Mecklenburg, den jüngeren Teilen uon Brandenburg. Pommern<br />
<strong>und</strong> weiter östlich als unhaltbar herausgestellt.<br />
'j Wie Jakobus zu diesem <strong>für</strong> ihn sonst nicht bezeugten Patronat<br />
gelangt ist. wissen wir nicht. Ob es sich wirklich aus seiner Schutzherrschaft<br />
über die Pilger entwickelt hat? Es scheint hier vielmehr eins jener Bei«<br />
spiele vorzuliegen, daß ein heiliger in einem gewissen Bezirk ohne ersichtlichen<br />
Anlast plöhltch Mode wird. So erging es Jakobus im 11. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
in Süddeutschland. Später wurde er namentlich in Niedersachsen.<br />
der Heimat eines großen Teils oer vommerschen Einwanderer, verehrt. Von<br />
hier aus ist er. wie mir scheint, ostwärts gewandert.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 109<br />
an der rügischen Westküste hinausziehende Konvent weiht sein<br />
Gotteshaus dem Patron, auf dessen besonderen Schutz es täglich<br />
angewiesen ist.<br />
Die weite Verbreitung der heiligen Nikolaus <strong>und</strong> Jakobus<br />
über den Bereich des ostdeutschen <strong>und</strong> baltischen Handels zusammen<br />
mit der im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert in ihrer ersten Hochblüte<br />
stehenden Marienverehrung bewirkt, daß wir in den Städten mit<br />
mehreren Kirchen gerade diese drei auffallend häufig zusammen antreffen.<br />
So in Greifswald, Prenzlau, Stettin <strong>und</strong> bald auch in<br />
strals<strong>und</strong>. Ob <strong>für</strong> ihr gemeinsames Auftreten noch andere, aus der<br />
Legende abgeleitete Gründe maßgebend sind, wie man vermutet hat.<br />
wird schwer festzustellen sein. Insbesondere bedarf die Marienverehrung<br />
noch sehr der Aufhellung^). Daß die immer wiederkehrende<br />
Anschauung von dem Überwiegen der Marienkirchen <strong>und</strong> ihrer<br />
Bedeutung als erste Pfarrkirchen der Stadt irrig ist. lehrt unsere<br />
Statistik.<br />
Erinnern wir uns der Beziehungen, die zwischen der heiligenlegende<br />
<strong>und</strong> dem Patrocinium der einzelnen Bistümer zu bestehen<br />
pflegen, so fällt auf. daß wir keine Kirche der hl. Barbara antreffen.<br />
Denn das Bistum Kammin soll vom Papst erinnert sein<br />
wegen des Perdienstes, das sich der Kamminer Bischof um ihre<br />
Translation nach Preußen <strong>und</strong> die Rettung des damit beauftragten<br />
päpstlichen Legaten erworben hat-). Eine bemerkenswerte<br />
Verehrung hat sie bei uns aber nie gef<strong>und</strong>en. Soweit sie überhaupt<br />
auftritt, hängt es mit ihrer Einreihung unter die Vierzehn Nothelfer<br />
zusammen.<br />
Auf die schwankende Benennung der Kirchen ^) <strong>und</strong> die Über-.<br />
tragung des Patronats an einen anderen heiligen durch Umweihung<br />
wiesen wir bereits hin. Die Verhältnisse liegen in jedem der mir «<br />
bekannten Fälle so verworren <strong>und</strong> ihre Erörterung würde uns so<br />
tief in die lokalgeschichtliche Forschung hineinführen, daß wir das<br />
gelegentliche Vorkommen der Erscheinung hier nur feststellen können.<br />
Die Verehrung der genannten <strong>und</strong> anderer <strong>für</strong> die Diözese<br />
Kammin eigentümlichen heiligen <strong>und</strong> ihrer Reliquien werden wir<br />
') Die nützliche Materialsammlung von Beitel versagt <strong>für</strong> den Osten,<br />
weil sie nicht auf Vorarbeiten aufbauen konnte. Moders Iorschungen über<br />
die Marienoerehrung in oer Mark sind veraltet.<br />
») 1>2N8l2cio et miracela 3. Zardarile, 3cr. rer. Pru55ic. ll S. 401 f.<br />
2j Ein nicht eben rühmliches aber lehrreiches Beispiel, wie noch in<br />
unseren Tagen der Hl. Nikolaus, oer Patron der früheren Kirche in Westswine.<br />
in einen von Bamberg nach Pommern verpflanzten hl. Corbinian<br />
iich verwandelte, s. Monatsblätter Vil. I. 124 f.. 169 f.
11O Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammln.<br />
als bezeichnendes Merkmal der kirchlichen Sitte <strong>und</strong> der Volksfrömmigkeit<br />
werten. Das Material aus der urk<strong>und</strong>lichen <strong>und</strong> beschreibenden<br />
Überlieferung, aus den Namen der Kirchen, einzelnen<br />
Altären <strong>und</strong> ikonographischen Resten, aus dem Kamminer Meßbuch.<br />
Brevier. Diurnale <strong>und</strong> Kalender, aus sagen <strong>und</strong> Volkssitten,<br />
aus Siegeln. Münzen usw. ist nicht leicht zu gewinnen <strong>und</strong> kritisch<br />
zu beurteilen. Schwer <strong>und</strong> massiv wie die Menschen selbst ist die<br />
3orm ihres Gotteshauses <strong>und</strong> die 3orm ihres kirchlichen Glaubens.<br />
Die „Knochen von Adams Großmutter" als kostbare Reliquie des<br />
benachbarten Doberan^) — das ist reichlich hart!<br />
Wenigstens kurz berühren müssen wir im Zusammenhang?<br />
der 5>eiligenpatronate die Verehrung, die Otto von Bamberg<br />
an der Stätte seiner Mission gef<strong>und</strong>en hat. Otto wurde 1189.<br />
obenan wegen seiner außerordentlichen Verdienste um die Bekehrung<br />
der Pommern, kanonisiert-). Seine Ruhestätte in Bamberg stand<br />
durch den Stettiner Iakobikonvent in ununterbrochener Berührung<br />
mit dem Lande, die freigebigen Herzoge, von Boqislaw l. (P.91)<br />
ab. haben sie oft mit reichen Verleihungen bedacht. Indem Beringer<br />
die Iakobikirche dem Michaelskloster überträgt, will er sie damit<br />
gleichsam dem 33nctl88ims) Ottoni epigcopo, ns>8tre pomeranice<br />
^entis 3P05WW schenken^). Trotzdem ist der Kult Ottos in Pommern<br />
nie lebendig geworden, kaum daß wir ab <strong>und</strong> an eine kurze, historisch<br />
wertlose Notiz über ihn treffen. Seinen Jahrestag feierte die Diözese<br />
Kammin als ^estum fori schon während des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />
Merkwürdigerweise beging man ihn nicht, wie die Kanonisations-<br />
1) Landesbibliothek Dresoen: Ms. H. 151 k. fol. 27.<br />
2) Die unter hagiogravhischen Gesichtspunkten gegebene Lebensbeschrei.<br />
bung bei Stadler IV, 637—651, läßt die bescheidenste historische <strong>und</strong> literarische<br />
Kritik vermissen. Ein Verzeichnis der gedruckten Nberliefcrungen<br />
5. Bibl. Hag. Lat. ll. 923 f. <strong>und</strong> Suppl. ^ S. 24l. Mit Recht beklagen<br />
die Bollanoisten die auffallend schlechte Erhaltung der Quellen. Die<br />
Münchener Handschriften brachten mir nicht die erhoffte Ausbeute. So fehlt<br />
im Cod. lat. 2610. der ins l3. Jahrh<strong>und</strong>ert zurückgeht, leider gerade ^der<br />
auf Pommern bezügliche Teil der Legende. Die Wiener hss. sind mir noch<br />
unbekannt.<br />
2) P. 108. nach jüngeren Abschriften. Die aus bekannten Gründen<br />
wichtige Datierung bedarf der Aufklärung. Die Bemerkungen darüber von<br />
Hasselbach u. a. sind irrig, frühestens kann die Urk<strong>und</strong>e 1189 angefertigt<br />
sein. Wenn die Bamberger Kanzlei ebenso wie die Reichskanzlei unterscheidet<br />
zwischen den anni re^ni <strong>und</strong> den anni imperii <strong>und</strong> wenn die Reichsjahre<br />
des Kaisers in den Abschriften richtig überliefert sind, so ist das Privileg<br />
zwischen herbst 1189 <strong>und</strong> Juni N90. also im unmittelbaren Anschlich an<br />
die Kanonisierung Ottos erlassen.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums KammM. IN<br />
bulle (Iaffe 16411) bestimmte, am 30. September, dem Tage der<br />
Erhebung in Bamberg, sondern am 1. Oktobers. Als Kirchenpatron<br />
tritt er nur ein einziges Mal auf. 5>erzog Barnim lll.<br />
hat die 1346 gestiftete Schloßkirche zu Stettin seinem Andenken<br />
geweiht. Daß Otto Ortspatron von Kammin <strong>und</strong> Landespatron<br />
von Pommern gewesen sei. wie Kerler (S.372) u. a. berichten,<br />
ist junge Sage. Erst das mit der Romantik erwachte Interesse<br />
siir das deutsche Mittelalter hat seinen Namen wirklich volkstümlich<br />
gemacht. Und der auf dem Felde der <strong>pommersche</strong>n Kirchengeschichte<br />
arbeitende Forscher ist seinem Andenken besonders verpflichtet,<br />
da die siebente Jahrh<strong>und</strong>ertfeier seiner Mission 1824 den<br />
Anlaß zur Gründung der Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>pommersche</strong> <strong>Gesch</strong>ichte<br />
gegeben hat.<br />
Kommen wir auf unseren Ausgangspunkt, die kirchengeschichtliche<br />
Bedeutung der Heiligenpatronate zurück, so hat Bossert gewiß<br />
Recht, daß bei seiner Beachtung die Mission <strong>und</strong> Christianisierung<br />
der Wenden neues Licht <strong>und</strong> bestimmtere Farben gewinnen. Soweit<br />
ich jedoch aus dem Verfolg der ostdeutschen Entwicklung bis zum<br />
Anfange des 15. Jahrh<strong>und</strong>erts ein Urteil wagen darf, sind die<br />
leitenden Gesichtspunkte <strong>für</strong> uns nicht unerheblich anders als im<br />
Westen. Sollen die auf die 5>eiligengeographie gesetzten Erwartungen<br />
erfüllt werden, so haben wir erst die Quellen in viel weiterem Maße<br />
zu erschließen <strong>und</strong> die Methode ihrer wissenschaftlichen Verarbeitung<br />
auszubauen.<br />
i) Die herkömmlichen, einander widersprechenden Angaben darüber hat<br />
Wehrmann, Monatsblätter X. S. 83 f., nach den Urk<strong>und</strong>en berichtigt.
Kap. IV.<br />
Die Entstehung der <strong>für</strong>stlichen Landeshoheit.<br />
Als Graf Hermann von Gleichen 1251 den Kamminer Stuhl<br />
bestieg, war sein Bistum staatsrechtlich in einer vollständigen Neuordnung<br />
begriffen. Der Ruhmestitel, den ihm auch die ältere <strong>pommersche</strong><br />
<strong>Gesch</strong>ichtsschreibung trotz ihrer gr<strong>und</strong>sätzlichen Gegnerschaft<br />
.. l nicht versagt hat. ist sein Ausbau der Kamminer bischöflichen Macht<br />
! zur <strong>für</strong>stlichen Landeshoheit. Nicht unbeträchtliche wenn auch zersplitterte<br />
Gr<strong>und</strong>lagen fand er bereits vor. Welche politischen Kräfte<br />
seine Vorgänger ins Feld stellen konnten, das zeigten zu einem<br />
Teil die Kämpfe um die Sicherung <strong>und</strong> Erweiterung des Sprengeln.<br />
Die Bischöfe Sigwin (1l91—l219). Konrad ll. (—1233). Konrad lll.<br />
, (—1241) <strong>und</strong> Wilhelm (1244—51) verhandelten mit den pom-<br />
. 'merschen Herzogen, den brandenburgischen Markgrafen, den polnischen<br />
<strong>und</strong> mecklenburgischen Fürsten selbständig wie mit ihres-<br />
/ gleichen. Doch mögen wir uns hüten, aus ihrer tatsächlichen Stellung<br />
übereilte Schlüsse auf den rechtlichen Charakter der bischöflichen<br />
Herrschaft zu ziehen. Ihr politisches Auftreten beruhte wesentlich<br />
auf zwei Bedingungen: auf ihren persönlichen staatsmännischen<br />
l Fähigkeiten <strong>und</strong> auf der Kampfstellung der Landes<strong>für</strong>sten unterj<br />
einander.<br />
Wenn wir die Entstehung der Kamminor Landeshoheit untersuchen<br />
wollen, müssen wir uns von vornherein frei machen von der<br />
Betrachtungsweise <strong>und</strong> den leitenden Gesichtspunkten, die <strong>für</strong> die<br />
Entwicklung auf deutschem Boden gegeben sind. Weil man das<br />
nicht beachtet hat. sind die in den geschichtlichen Darstellungen anzutreffenden<br />
Angaben darüber durchweg verkehrt. Die umfangreiche<br />
<strong>und</strong> verdienstvolle, vornehmlich aus Bolows Schule hervorgegangene<br />
Literatur bietet reiche Anregung, die Probleme zu sehen <strong>und</strong> begrifflich<br />
zu formulieren. Sie mutz aber versagen in der Erfassung <strong>und</strong><br />
Beurteilung unserer geschichtlichen Einzelheiten. Selbstverständlich<br />
zeigen das deutsche <strong>und</strong> das slavisch-polnische Reich wie auf anderen<br />
(Gebieten so in der <strong>für</strong>stlichen Landeshoheit mancherlei Ähnlichkeit.<br />
Die Übereinstimmung erscheint um so größer, als die von der Kirche<br />
! eingeführte lateinische Urk<strong>und</strong>ensprache auch die lateinische Termino-<br />
! logie des deutschrechtlichen Mutterbodens mitbringt. Aber der
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. ll3<br />
innere Aufbau ist bei beiden doch gr<strong>und</strong>sätzlich verschieden. Aus<br />
eigener Erfahrung darf ich anführen, daß der Abstand zwischen<br />
ihnen sich mit dem Eindringen in den Stoff nicht verringert,<br />
sondern erweitert. Die nach gewissen Merkmalen vermutete <strong>und</strong><br />
erwartete Übereinstimmung blieb aus. sobald die scheinbar verwandten<br />
Bildungen in ihrem entwicklungsmäßigen Zusammenhang<br />
erkannt wurden. Der deutsche Einfluß kommt zu seinem Recht<br />
in der von Bischof Hermann geschaffenen Verfassung <strong>und</strong> Verwaltung<br />
<strong>und</strong> der gesamten Organisation, nachdem voli Hermann<br />
<strong>und</strong> seinen beiden Vorgängern das Fürstentum selbst bereits durch<br />
eine Reihe von politischen Staatsverträgen gebildet ist. Daher vetmeiden<br />
wir es gr<strong>und</strong>sätzlich, alle zufälligen Parallelen aus der<br />
deutschen Entwicklung aufzuzählen <strong>und</strong> ihnen gewollt oder ungewollt<br />
<strong>für</strong> die ostdeutsche Kirchengeschichte einen Wert beizulegen,<br />
den sie tatsächlich nie besessen haben ^).<br />
Schon an der Formulierung unserer Aufgabe als der Entstehung<br />
der „<strong>für</strong>stlichen" „Landeshoheit" wird der Beobachter der reichsdeutschen<br />
Entwicklung vielleicht einen gewissen Anstoß nehmen. Bon<br />
seinem Standpunkt aus mit Recht. Im Reich sind die Entstehung<br />
des geistlichen Fürstenstandes <strong>und</strong> der geistlichen Landesherrlichkeit<br />
zwei zeitlich wie sachlich verschiedene Dinge. In seiner bekannten<br />
durch ihre treffliche quellenmäßige Begründung wie ihre klare Anschaulichkeit<br />
gleich ausgezeichneten Zusammenfassung der bisherigen<br />
Forschung hat Hauck?) das Ergebnis dahin festgestellt (S. 672):<br />
„Iu Fürsten sind die deutschen Bischöfe .... durch die Könige geworden.<br />
Das geistliche Territorium ist nicht in demselben Sinn<br />
eine Schöpfung des Königtums,- es ist durch die Kleinarbeit der<br />
geistlichen Fürsten in der Behauptung, Fortbildung <strong>und</strong> Ausdehnung<br />
der ihnen verliehenen Rechte allmählich entstanden." Beim<br />
Bistum Kammin liegt der Tatbestand vielmehr so, daß die Begründungen<br />
seiner Landeshoheit <strong>und</strong> seines Fürstenstandes innerlich<br />
') Von den benutzten Untersuchungen stelle ich im Literaturverzeichnis<br />
diejenigen zusammen, die <strong>für</strong> unsere Zwecke in irgend einer Hinsicht besondere<br />
Anregung boten. 6. außer den allgemeinen Verfassungsgeschichten <strong>und</strong> den<br />
ostdeutschen <strong>und</strong> westslaoischen Fachschriften unter v. Below, Berchtold,<br />
Boerger, Brecteviö, Vurandt, Ficker. Irie, Gernet, hiidicke, hauck. hechelmann,<br />
henner, Huber, Kiener. Kutrzeba, Lechner, Marre. Otto Müller,<br />
Peters, Riehme, Rurig, Rudolph. Schröder. Ierd. Schultz, o. Sommerfeld.<br />
Sopp, Stutz. Werneburg, Wiederhold.<br />
s) Die Entstehung der geistlichen Territorien. Abhandlung Sachs. Ges.<br />
d. Wissenschaft, phil.-hisr. Kl. Bd. 27. S. 645—672. über die wendischen<br />
Vistümer (ohne Kammin) S. 656 f.
114 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
zusammenfallen, daß eine das andere bedingt. Ebenso müssen wir<br />
von der begrifflichen Scheidung zwischen Landesherrlichkeit <strong>und</strong><br />
Landeshoheit, die Gierke l) <strong>für</strong> die deutsche Entwicklung sehr glücklich<br />
eingeführt hat, absehen. Wir brauchen die beiden Benennungen,<br />
indem wir stillschweigend den (mit der Zeit immer kleiner werdenden)<br />
slavisch-rechtlichen Koeffizienten angehängt denken.<br />
Die Stellung der <strong>pommersche</strong>n Länder zu Brandenburg <strong>und</strong><br />
zum Neich während des 12. <strong>und</strong> 13. Jahrh<strong>und</strong>erts ist in neuerer<br />
Zeit der Gegenstand einer lebhaften Erörterung gewesen, an der sich<br />
Iickermann, Rachfahl, von Sommerfeld, von Nießen^), Wehrmann,<br />
Krabbo u. a. beteiligt haben. Neben ihnen feien von früheren<br />
Forschern Barthold <strong>und</strong> Klempin genannt. Der Meinungsaustausch<br />
hat die Anschauungen keineswegs einander genähert. Indem jeder<br />
seinen Gesichtspunkt zu verteidigen bemüht war, stehen sich die<br />
Auffassungen schroffer gegenüber denn zuvor. Es geht nun nicht an,<br />
die <strong>für</strong> die Kamminer Landeshoheit — teils wirklich, teils vermeintlich<br />
— wichtige 3rage der pommerfchen Lehnsstandschaft aufzurollen.<br />
Lassen wir die Entstehung der Abhängigkeit von Brandenburg<br />
bezw. des Neichs<strong>für</strong>stenstandes beiseite <strong>und</strong> ziehen nur die<br />
<strong>für</strong> die Bildung der bischöflichen Landeshoheit unmittelbar in Betracht<br />
kommende Zeitspanne vom Kremmer Vertrag 1236 bis zum<br />
Ende des Jahrh<strong>und</strong>erts heran, so erscheint mir. auf eine knappe<br />
Iormel gebracht, die Lage folgendermaßen:<br />
De jure behaupten die Askanier eine vom Reich empfangene<br />
Lehnshoheit über das Herzogtums Pommern <strong>und</strong> zwingen die<br />
Herzoge nach einem Waffengang 1250 im Landiner Frieden zu<br />
1) Genossenschaftsrecht I. 534 f.<br />
2) Auch sein erwähnter. 1913 erschienener Aufsatz
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 115<br />
ihrer Anerkennung ^). 3ünf Jahre später, in der Prenzlauer M- //<<br />
macisung zwischen Bischof 5>ermann <strong>und</strong> den Markgrafen (P.fti?),<br />
läßt das schwierig zu deutende Vertragsdokument wenigstens so<br />
viel erkennen, daß die Brandenburger ^ nach ^ dem Erwerb, gewisser /<br />
von Hermann an Barnim verliehenen Zehnten trachten. Und mehrfach<br />
noch, wie wir sehen werden, steht im Hintergr<strong>und</strong> der Verhandlungen<br />
zwischen Kammin <strong>und</strong> den Askanieru das strittige, den<br />
Parteien selber nicht zweifelsfreie Verhältnis der letzteren zu<br />
Pommern. De facto hat Brandenburg die mit seiner Hoheit verknüpften<br />
Rechte, nicht ausüben können. Die erhaltenen Quellen<br />
wissen nichts davon, der Verlauf der pommersch-brandenburgischen<br />
Auseinandersetzung spricht dagegen. Einmal wollten die Märker /<br />
ihre ^ehnshoheit über die <strong>pommersche</strong>n <strong>und</strong> mecklenburgischen (!) /<br />
Fürsten erklären, als sie dem Kloster Dargun konfirmierten omnem<br />
.. quam i^ti 3ine cx)N8en8u s)Itn8 nostri (Ottos Ili.)<br />
non powerunt"). In der gleichartigen Bestätigung <strong>für</strong> Doberan<br />
^) traten folgerichtig sogar die Fürsten von Rügen als Lehnsmannen<br />
der Askanier auf! Beide Urk<strong>und</strong>en sind aber vor dem<br />
kanzleimäßigen Vollzug kassiert worden, <strong>und</strong> wir werden nicht lange<br />
nach dem Warum zu fragen haben. Daß Pribislaw lll. von Belgard<br />
<strong>und</strong> die Herren von 3riesack 1287 unter anderm Daber als ^<br />
märkisches Lehen nehmen^), folgt nicht aus einer <strong>pommersche</strong>n'<br />
Afterleihe, sondern aus ihrer persönlichen Stellung zu den Askaniern.<br />
Was den Kammmer Bischof anlangt, fo wird er m. E. niemals,<br />
weder unmittelbar noch mittelbar, als brandenburgischer Lehnsträger<br />
bezeichnet 5). Insbesondere fehlt eine derartige Bestimmung in den-<br />
1) P. 512, 513, 3937.<br />
2) Meckl. U. B. 1555 -- P. N91; <strong>und</strong>atiert, nach Lisch zwischen 1280<br />
<strong>und</strong> 1284 anzusetzen. Die Bemerkung steht zwar an unvermuteter Stelle,<br />
<strong>und</strong> die Regesten der Drucke erwähnen nichts von ihr. Daß sie aber von<br />
allen Beurteilern übersehen ist. spricht nicht gerade <strong>für</strong> ein Übermaß oon<br />
Sorgfalt. — In den Regesten des P. sind die Aussteller zu verbessern in:<br />
Otto V.. Albrecht lll. <strong>und</strong> Otto VI.<br />
^) Meckl. U. B. !556 ^ P. 1192.<br />
") P. 1431, vergl. 1355. Ähnlich liegt es vielleicht mit den ungenannten<br />
Borckischen Gütern. P. 1821 i. I. 1297.<br />
>) Auf die Stellen, aus denen einzelne Forscher das Gegenteil er- ,<br />
schließen wollten, z. B. den Gerswaldeu Vertrags.. 1555 <strong>und</strong> 1556. kommen /<br />
wir zurück. WehrmannI Urteil ist mir nicht klar. S. 101 meint er, „Bischof ^<br />
Hermann erkaiwte die Askanier als seine Lehnsherren an". Doch lesen wir /<br />
S. 124. daß es Hermann wohl gelungen sei, „im Widerstreite mit den welt- i !<br />
lichen Herren des Landes . . . dieselbe unabhängige Stellung <strong>und</strong> die gleiche '<br />
Landeshoheit in seinem Gebiet zu erringen, wie sie die deutschen Bischöfe !<br />
besaßen".
Il6 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kamnnn.<br />
jenigen Verträgen, in denen wir es beim Bestehen des Lehnsverhältnisses<br />
unbedingt erwarten müßten. Nach der Begründung<br />
der Landeshoheit erscheint er — das ist das entscheidende Merkmal<br />
-^ immer dm Märkern staatsrechtlich nebengeordnet.<br />
Die Irage. wie die Kamminer „Landeshoheit" in dem heute<br />
damit verb<strong>und</strong>enen Sinn entstanden ist, wurde von der älteren<br />
<strong>pommersche</strong>n <strong>Gesch</strong>ichtsforschung kaum als solche empf<strong>und</strong>en. Man<br />
datierte gutgläubig die Rechtslage am Ende der katholischen Zeit<br />
bis zur Gründung des Bistums hinauf, ohne zu bemerken, daß<br />
in dem zweih<strong>und</strong>ert<strong>und</strong>fünfzigjährigen Kampf um die Reichs<strong>für</strong>stenwürde<br />
eine starke Rückbildung der Landeshoheit eingetreten war^).<br />
Die <strong>pommersche</strong>n Herzoge haben sicherlich nicht bewußt die Unwahrheit<br />
sagen wollen, als sie auf dem Nürnberger Reichstag<br />
1542 erklärten, daß die Kamminer Bischöfe zu allen Zeiten ein<br />
<strong>pommersche</strong>r Lehnsstand gewesen seien <strong>und</strong> sich selber als solchen<br />
bekannt hatten ^). Als erster <strong>und</strong> m. W. einziger hat der Altmeister<br />
unserer Forschung, Julius Ficker. eine selbständige Lösung<br />
des Problems versucht^). Nach seiner Meinung beruht die Kamminer<br />
landes<strong>für</strong>stliche Hoheit darauf, daß durch die Eremtion des<br />
Bistums auch die Temporatten der Verfügung der <strong>pommersche</strong>n<br />
; Herzoge entzogen werden <strong>und</strong> unter das Eigentumsrecht der römischen<br />
Kirche gelangen. Die späteren Darstellungen haben teilweise<br />
3ickers Standpunkt unbesehen übernommen, teilweise haben sie in<br />
der Erkenntnis der Unhaltbarkeit seiner Ausführungen im einzelnen<br />
<strong>und</strong> im ganzen die Dinge unberührt gelassen. So ist nicht einmal<br />
der Versuch gewagt worden, auf Gr<strong>und</strong> einer systematischen Untersuchung<br />
der Lösung näher zu kommen. Man umgeht sogar schüchtern<br />
die Fragestellung, ob der Kamminer Bischof am Ende des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
überhaupt eine landes<strong>für</strong>stliche Hoheit besessen habe. Das<br />
staatsrechtliche Verhältnis des Bistums zum Herzogtum sei „unbestimmt"<br />
gewesen. Nur Breökeviö greift gelegentlich in einem<br />
anderen Zusammenhange das Problem auf. Er nimmt an. die<br />
ssamminer Bischöfe hätten auf hinterlistige Weife „einen großen <strong>und</strong><br />
wichtigen Teil . . . von ganz Pommern" an sich reißen wollen ^)<br />
!) Eine ähnliche Minderung muhten sich die Nachdardistümer Branden«<br />
bürg <strong>und</strong> Havellierg gefallen lassen. Vergl. Hädicke a. v. O.<br />
2) Staatsarchiv Stettin: Volgaster Arch. Tit. 25 Nr. 2.<br />
2) Vom Reichs<strong>für</strong>stenftande l § 205 S. 277 f. Biitow. der das Verhältnis<br />
des Bistums zum Herzogtum am Ende des Mittelalters untersucht,<br />
läßt die Iraqe in der Schwebe. Valt. Stud. N. 3. 14. 99.<br />
4) Itschr. f. Osteurop. <strong>Gesch</strong>. lll. 373 f.
Iorschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. II?<br />
<strong>und</strong> ihre politischen Gedanken dementsprechend verwirklicht l). Die<br />
unbedingte Ablehnung dieser Hypothese, die den gesamten uns bekannten<br />
Verlauf der Vistumsgeschtchte vergewaltigt-), kann ich<br />
nach der erneuten Prüfung des Materials nur wiederholen.<br />
Als das Bistum Pommern gegründet wurde, bedangen die<br />
wirtschaftliche Lage des Landes <strong>und</strong> die dringlichen Pflichten der<br />
Mifsionsbischöfe eine 3orm der materiellen Ausstattung, die sich<br />
von der Dotierung der Wendenbistümer in den Reichsmarken<br />
wesentlich unterschied. Otto I. hatte als Dotation vorzugsweise<br />
Gr<strong>und</strong>besitz ausgesetzt, dessen Erträge durch die landes<strong>für</strong>stlichen<br />
Beamten eingesammelt <strong>und</strong> an die bischöfliche Kurie abgeführt ,,<br />
wurden. Diese Ausstattung verbot sich durch die unsicheren poli- ' l<br />
tischen <strong>und</strong> Kulturverhältnisse Pommerns in der ersten Hälfte des . l<br />
12. Jahrh<strong>und</strong>erts von selbst"). Daher erhält der Bischof zur Sicherung<br />
seines Unterhalts die nach slavischem Recht erhobenen landesherrlichen<br />
Einkünfte, vorzugsweise aus den Märkten <strong>und</strong> Schenken,<br />
der bedeutendsten herzoglichen Burgen^). Versetzt man sich in die<br />
Umstände hinein, so i>t klar, dah Wartislaw l. (gest. 1133) <strong>und</strong><br />
Ratibor l. auch einigen Gr<strong>und</strong>besitz der bischöflichen Nutzung übergeben<br />
haben müssen, zum wenigsten die bischöfliche Kirche <strong>und</strong><br />
Ansiedlung in Wollin. Diese Liegenschaften sind aber so geringfügig,<br />
daß sie in der Gründungsbulle des Bistums im Jahre 1140<br />
nicht erwähnt werden ^). Da die späteren päpstlichen Konfirma-<br />
!) Ebendort S. 379 unter 4.<br />
2) Ebendort lV. 59 f. Danach darf ich wohl Vrecsrvi55 Ausführungen<br />
auf sich beruhen lassen.<br />
^ Die ähnliche Lage in den polnischen Nachbarbistümern führte zu<br />
gleichartigen Erscheinungen. Vgl. <strong>für</strong> Gnesen Cod. 24 i. I. ll.86: <strong>für</strong> Kujavien<br />
Perlbach« 2 i. I. 114«.<br />
4) Den in Cod. 16 genannten Pflugzins halte ich nicht <strong>für</strong> eine kirchliche<br />
Steuer (anders Wehrmann l, 76). Er verschwindet, nachdem Bischof<br />
Konrad l. vor 1179 von Alexander III. die Erlaubnis zur Erhebung des<br />
in der ganzen Christenheit üblichen Kirchenzehnten erhalten hat (P. 89?<br />
siehe meine Ausführungen Valt. Stud. N. 3. 13. 153). Mit der deutschen<br />
Steuer cle quolibel. aratro (l_l_. li. S. 214). die in den staufischen Kämpfen<br />
die bekannte unrühmliche Rolle gespielt hat, scheint mir unsere Abgabe<br />
6e unoquoque arance nicht rerwandt.<br />
5) Cod. 16. Man möchte mir entgegenhalten, daß die Bulle doch ausdrücklich<br />
auf sie Bezug nehme, indem sie bestätige: ciuecunque don^» oua5><br />
cunque po^e^ione? eaclem eccle5lA in riresentiarum iu3tc et legitime<br />
s>055jc!et, l on denen die mit Namen angeführten ja nur ein Teil seien<br />
(in quiliu5 kec siro^ri^ cluxi^nuz exirimen^g V022ku!i5, vicjelj.e, ....).<br />
Die Angabe ist aber zur 3estste!lung der tatsächlichen Molline V.'rhä"tn sse<br />
nicht zu verwenden, weil eZ die in allen solchen Konfirmationen<br />
kehrendc ku.iale Kanzleiformel ist.
118 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammin.<br />
tionen aus den Jahren 1188 <strong>und</strong> 1217') sich nach dem bekannten<br />
Brauch der römischen Kanzlei in der 3orm eng an die vorgelegte<br />
Gründungsbulle anlehnen, bringen sie über eine bischöfliche Gr<strong>und</strong>-<br />
Herrschaft ebensowenig eine Nachricht. Daß die Bischöfe Landbesihunqen<br />
erworben haben, dürfen wir nicht nur als Parallele zu<br />
den übrigen Stiftern <strong>und</strong> Klöstern erwarten, wir finden es in den<br />
beiden Gründungsprivilegirn der Kamminer Kathedrale von 117K<br />
unmittelbar bezeugt?). Und ebenso bestätigen uns die beiden Urk<strong>und</strong>en,<br />
daß das Stift seine Güter zu gleichem oder ähnlichem<br />
Recht wie die uns besser bekannten Klöster innegehabt hat. Wir<br />
Verweilen deshalb nicht bei Vermutungen, wo die in den ersten dreieinhalb<br />
Jahrzehnten gewonnenen Güter gelegen haben <strong>und</strong> wann<br />
<strong>und</strong> unter welcher rechtlichen 3orm sie erworben sein mögen,<br />
sondern halten uns an den erfreulich klaren Tatbestand bei der<br />
Errichtung des bischöflichen Sitzes in Kammin.<br />
Als damals Herzog Kafimir l. der damxnen3i8 ecclesia,<br />
unter der er das jüngst gestiftete Kirchengebäude wie das Bistum<br />
lelber versteht, die Besitzungen <strong>und</strong> Gerechtsame verbrieft, befaßt<br />
er sich eingehend auch mit ihrem Gr<strong>und</strong>besitz. Er bestätigt dem<br />
Stift — d. h. dem Bischof, den Kanonikern <strong>und</strong> omniku8 pei-zomg<br />
in ea (eccle8i3) Oeo miliwntibus (Cod. 41^) — den Teil des Orts<br />
Kammin, den man alsbald die „Domfreiheit" genannt hat, mit der<br />
vollen Immunität: locum cl3U3trj . . malori ecclesie . . circumigcentem<br />
cum immimitgte, cum omni clauztrali et canonica liberiate<br />
(Cod. 435). Dazu alle Güter — villa3 et sirena ceteraque bona —,<br />
die das Stift von den Herzogen (Cod. 43^), den liberi domina<br />
^Cod. 43l") bezw. den viri mobiles (Cod. 41^) empfangen hat oder<br />
! in Zukunft empfangen wird^). Und zwar sollen die Güter der<br />
Kirche gehören frei ab omni 3eculan8 domimi iu^o vel oppre^ione<br />
' ^Cod. 411«) bezw. ab omni iu3titm et exactione laicali tam r,o3tra<br />
. (der herzoglichen) quam omnium (Cod. 43^). Keine weltliche Person<br />
darf die Kirchengüter zur Erhebung von Steuern oder Vornahme<br />
' irgend einer landesherrlichen Gewalt betreten, sofern sie nicht vom<br />
1) P. 111: Rodenberg Epp. l. Nr. 19.<br />
2) Cod. 42 -- P.69. Cod. 41 --- P. 70,- beide nach Zeilen zitiert, bei<br />
Cod. 41 auf S. 101 oben beginnend. Klempins Bemerkungen zur Datierung<br />
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammln.<br />
Kapitel damit beauftragt isti). Vorzüglich unterstehen die Kirchen- <<br />
leute, d. h. die Bewohner der Stiftsgüter <strong>und</strong> der Domfreiheit. .!<br />
nicht dem herzoglichen, sondern dem bischöflichen Gerichts. Die!<br />
Kanoniker selbst haben ihren Gerichtsstand vor Propst <strong>und</strong><br />
Kapitel 3). Gegen deren Entscheidung dürfen sie nicht an den<br />
herzoglichen Hofrichter appellieren ^). Die Freiheiten <strong>und</strong> Gerechtsame<br />
gelten nicht allein <strong>für</strong> die Kirchengüter, sie beziehen sich sinngemäß<br />
auch auf die übrigen reclclitUZ <strong>und</strong> beneficia, que ecclesie -<br />
tam in cienIsiiz quam . . . comocliz temporalibUZ von den ver- ^<br />
schiedenen genannten Gebern übertragen sind^).<br />
Die Exemtion der Stiftsleute von der landesherrlichen Gewalt<br />
beschränkt fich nun durchaus nicht auf die Gerichtshoheit, die Bedeutung<br />
<strong>und</strong> der Nutzungswert dieser tritt vielmehr hinter den<br />
übrigen Auflagen erheblich zurück. Herzog Kasimir, überträgt den !<br />
Kanonikern die ihm selber bisher nach wendischem Recht — seoun^um «<br />
nnrem ^entiz no8tre — zustehenden Hoheiten (Cod. 41^): dio !<br />
Steuererhebung aller Art, die Naraz (Viehzins). das Oszep (Kornzins),<br />
die Gaztitva (Quartiergeld), das Spannrecht zu Wasser <strong>und</strong><br />
zu Lande ^), die landesherrliche Baulast <strong>und</strong> alle übrigen wendischen<br />
servicia. Wohlgemerkt, es heißt nicht, daß der Slaven<strong>für</strong>st die dem<br />
!) Villas vel curias eorum null» persona sccularis nuncia potestatis<br />
presumat intrare pro exactione aliqua vel qualidet causa molestie nominibu3<br />
ecclesie faciencla Cod. 41^'; nulli liceat alicuius exactionis causa<br />
preclia eorum intrare preter con3en8um tociuz conventug Cod. 42".<br />
^) l^ominez ip5iu3 ecclesie iuii eccleziastico, non iu6iclo subiaceant<br />
zeculari Cod. 41".<br />
2) 3i ut kit inter sratres ecclesie aliquicl questioni^ emerserit, in<br />
capitulo suo
120 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kamnnn.<br />
Bistum aufgetragenen rwmiries überhaupt abgabenfrei macht oder<br />
daß sie nun zu deutschem Recht dienen sollen. Vielmehr tritt er<br />
sie in dem Sinne ab: ita quo6 80li8 canonici nullique gerviant<br />
clommO zeculari. Vorbehalten hat sich Kasimir nur die Landwehr<br />
<strong>und</strong> eine beschränkte Verpflichtung zum Vurgbau wie zur Anlage<br />
öffentlicher Brücken (Cod. 41^,29) Allein bei derjenigen Burg<br />
dürfen die Stiftsleute herangezogen werden, in deren Bezirk sie<br />
wohnen. Sollte einmal zum Burg- <strong>und</strong> Brückenbau eine Umlage<br />
erhoben werden, so hat der Bote des Propstes, nicht der herzogliche<br />
Beamte, sie einzuziehen.<br />
Werden die landesherrlichen Rechte, von denen beide Privilegien<br />
sprechen, dem Bistum erst N76 verliehen, oder hat es solche schon<br />
früher besessen? 3ür die Zeit zwischen der Gründungsbulle <strong>und</strong><br />
diesen Stücken fehlen Urk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> andere Nachrichten, die uns<br />
von den bischöflichen Besitzoerhältnissen K<strong>und</strong>e bringen. Trotzdem<br />
werden wir die Frage unbedingt im zweiten Sinne beantworten.<br />
Dazu haben wir einen doppelten Gr<strong>und</strong>. Erstens einen Analogieschluß.<br />
Die Klöster nämlich, deren Entwicklung in dieser Zeit eine<br />
Reihe von Urk<strong>und</strong>en zu verfolgen erlaubt, erhalten die geschenkten<br />
Güter unter ganz ähnlichen Befreiungen. Anfangs sind es nur ein<br />
paar landesherrliche Jolle <strong>und</strong> Gefälle aus Märkton <strong>und</strong> Schenken.<br />
So gleich in der ältesten <strong>pommersche</strong>n Originalurk<strong>und</strong>e <strong>für</strong> das<br />
Kloster Grobe vom Jahre 1159 (Cod. 24). Bereits ein Jahrzehnt<br />
später verspricht Herzog Kasimir l. dem vom Trinitatiskloster in<br />
L<strong>und</strong> nach Belbuck entsandten Konvent: der gesamte Erwerb des<br />
Klosters ab omni exactiorie et Zervicin nostro liker git, tantum Deo<br />
et ecclesie gerviat i). Und noch ein paar Jahre darauf verfügt<br />
Vogislaw I. (Cod. 33) zugunsten der Kolbatzer Brüder, ut nullu8<br />
seculgrium iuäicum ru5tjco5 eorum in jgtiz vel in aliig eorum<br />
villi8 gä urbez edifican^Ig 8eu aliquIz geculares exactioneg compeilere<br />
presumat. Kasimir (Cod. 37) bek<strong>und</strong>et ebenso über ein<br />
Grober Klosterdorf: ab ornni me« jure et seculari potevate excerpta<br />
urdis murntione lideram emancipavi. Und so fort 2). Es ist doch,<br />
schließen wir, höchst unwahrscheinlich, daß der Bischof seine Güter<br />
zu minderem Recht als die Abte besitzen sollte.<br />
Der zweite Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> unsere Annahme liegt in der Fassung<br />
der Privilegien selbst. Der Text spricht zwar nicht davon, dab<br />
1) Cod. 29. Gegen 1170 als Jahr des actum liegt m. E. dein Bedenken<br />
vor: anders Klempin P. 84.<br />
2) Die wichtigsten 25 Stellen bis 1234 habe ich zusammengestellt Balt.<br />
Stud. N. 3. 13. 164 f.<br />
-
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 121<br />
die Bischöfe bereits landesherrliche Rechte besessen haben, das tut<br />
er auch bei den jüngeren Urk<strong>und</strong>ungen. wo die Tatsache bestimmt<br />
vorliegt, nur äußerst selten. Aber der ganze Tenor scheint nicht<br />
darauf eingestellt, das; der Herzog von Pommern mit einem Male<br />
solche umfangreichen Vergabungen gemacht haben soll. Nach allen<br />
parallelen Beispielen würde die Tertfassung wesentlich anders<br />
klingen. Wohl mag Kasimir bei der Errichtung des Kamminer ><br />
Kapitels die an den Stiftsgütern haftenden Rechte erweitert haben. /<br />
Daß er sie damals erst begründet hätte, ist kaum denkbar. /<br />
Vergebens sehen wir uns nach einer Stütze <strong>für</strong> Fickers Hypothese<br />
um. daß durch die Eremtion die Temporallen dem römischen<br />
Stuhl eingehändigt wären <strong>und</strong> durch ihren Übergang an den jeweiligen<br />
Bischof diesem landesherrliche Rechte gewährt hätten. Weder<br />
hier noch später finden wir die leiseste Andeutung darüber, ebenso<br />
wenig haben die Bischöfe in ihren Kämpfen mit den Herzogen<br />
oder der Frater Angelus in der interessanten Verteidigungsschrift<br />
der Kamminer Eremtion gegen das Erzbistum Gnesen^) etwas<br />
davon gewußt.<br />
Es bleibt zu untersuchen, welchen Einfluß die Entstehung<br />
der bischöflichen Fürstenmacht <strong>und</strong> Territorialgewalt im Reiche<br />
bisher auf die <strong>pommersche</strong> Kirche ausgeübt hat. In ein Wort<br />
gefaßt: keinen. Richtig ist. daß man in Slavien wie in Deutschland<br />
die Immunität so ausdrückt, der landesherrliche Beamte dürfe<br />
auf dem Immunitätsgebiet keine Amtshandlung vornehmen. Diese<br />
Übereinstimmung ist aber so unmittelbar durch die mittelalterliche<br />
Rechtsübung gegeben, daß sie unabhängig voneinander entsteht. An<br />
einem andern Punkte wird dagegen nicht nur auf das Reich Bezug<br />
genommen, sondern der Zustand der Reichskirche direkt als Muster<br />
entlehnt. Das ist die freie Wahl des Bischofs <strong>und</strong> aller Mitglieder<br />
des Domkapitels durch die Kanoniker 26 iridar 3Zncte et<br />
ecclegie ceterarumque cgtlieciralium ac<br />
imperii (Cod. 42^. 41^). Sie ist damals mit der<br />
Errichtung des Kapitels neu geschaffen worden, daher wird Kasimir<br />
später mit vollem Recht der funöstor ecclesie (^ammenzjz genannt^),<br />
haben wir es gleich mit einer geistlichen Maßnahme zu tun. so<br />
wollen wir uns doch den ersten prinzipiellen Anschluß an das<br />
deutsche Vorbild merken.<br />
i) Verfaßt 1345. das erhaltene Bruchstück gedruckt nach einer Abschrift<br />
Palthens Balt. Stud. 17. l. 103—140. Otto heinemann teilte mir fre<strong>und</strong>«<br />
lichst mit. daß er Palthens Vorlage in Greifswald aufgef<strong>und</strong>en hat.<br />
2j Jüngere Statuten des Bistums, Osnabrücker HS.
122 Iorfchungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammln.<br />
In dem Zeitraum von etwas über h<strong>und</strong>ert Jahren zwischen<br />
der Dotierung der Kathedrale <strong>und</strong> dem Tode Bischof Hermanns<br />
//. (1289) ist die Kamminer Gr<strong>und</strong>herrfchaft in Streulage<br />
<strong>und</strong> im geschlossenen Territoria lbefitz zu jenem<br />
i! außerordentlichen Umfang angewachsen, der das Erstaunen der<br />
l ' mittelalterlichen Schreiber erregt. Über die ganze Diözese verteilt,<br />
« vom mecklenburgischen Gnoien bis Rügenwalde im Osten <strong>und</strong><br />
Landsberg im Süden, haben die Bischöfe in unermüdlichem Eifer<br />
große <strong>und</strong> kleine Flächen erworben <strong>und</strong> das Vorhandene abger<strong>und</strong>et.<br />
Der Reichtum des Bistums an gr<strong>und</strong>herrlichem Besitz ist die Unterlage<br />
seines raschen politischen Aufstiegs geworden. Wenngleich<br />
wir wegen des Verlusts des Stiftsarchios den Zeitpunkt des Erwerbs<br />
der einzelnen Liegenschaften nur selten feststellen können <strong>und</strong><br />
im wesentlichen überhaupt auf die zufällige Erwähnung eines<br />
Kamminer Eigentums in den Urk<strong>und</strong>en der Klöster <strong>und</strong> Städte<br />
<strong>und</strong> in den Staatsverträgen mit Pommern <strong>und</strong> Brandenburg angewiesen<br />
find, so bringen die Quellen doch schon eine solche Iülle,<br />
von Material, daß wir die Gesamtlage vollkommen klar erkennen.<br />
Der in Anmerkung gegebene Überblick in zeitlicher Ordnung über<br />
das Erscheinen der Stiftsgüter mag das veranschaulichen ^).<br />
!) Cod. 41. 42 -- P. 70. 69 i. I. 1176. Dotierung der Kamminer Domkirche.<br />
— Cod. 60 -- P. 102 i. I. 1186. Lebbin <strong>und</strong> zugehörige Güter. Besitz<br />
der Propstei- s. Rodenberg Evo. I Nr. 17: P. 412. — Cod. 101 -- P. 143.<br />
^tiftsgüter bei Rügenwalde Fälschung ans echter Gr<strong>und</strong>lage). — P. 147.<br />
Scuritz. — Staatsbibliothek Berlin: Mskr. boruss. 3ol.97 Vl.85v. i. I. 1226.<br />
Gützlaffshagen. — Cod. 237 -- P. 33l. Niepölzik <strong>und</strong> KleiN'Kiissow von<br />
Kolbatz eingetauscht. — Cod. 288 -- P.377 i. I. 1240. Land Stargard u.a.—<br />
Cod. 292--P. 387. Gnementin <strong>und</strong> Ilgacis von Grobe eingetauscht.—l Cod. 397<br />
^ P. 475. Land Kolberg,- bischöfl. <strong>und</strong> Kapitelsbesitz im Lande Stargard;<br />
oergl. P. 617. — Cod. 4l?0 --- P. 549. Dörfer bei Pyritz <strong>und</strong> Kolberg. —<br />
P. 567 i. I. 1253. 400 5>ufen in der Ucker- oder Neumark. — P. 60ft.<br />
Stadt Kolberg dotiert. — P. 617. Klockow (Kreis Prenzlau; nicht Klützow).<br />
— P. 684. Klockow vertauscht gegen Menkin <strong>und</strong> Wolschow.— P. 694. Wald<br />
Sidelome. — P. 696 i. I. 1261. Land Daher.- halb dem Bischof, halb dem<br />
Kapitel; vergl. 975. 976. 1052. — Staatsbibliothek Berlin: Mskr. boruss.<br />
3ol. 97. Bl. 4. Nr. 1. vor dem Jahre 1264. Wartislaw lll. konfirmiert<br />
dem Kapitel die Iehnten im Lande Daber. Über die Deutung dieser Urk<strong>und</strong>e<br />
s. im Text. —^P. 3958. - Iritzow. — ,P. 798. Sassenburg: s. 950 opicium<br />
no8trum. — l^P.802 i. I.-1266. Bischof Herman gründet die deutsche Stadt<br />
Köslin. — P.862. -Dörfer bei Naugard. — P. 871. Ungenannte Kapitelsgüter.<br />
— P. 889 i. Z. 1269. Grenze zwischen Stargard <strong>und</strong> dem bischöflichen<br />
Land Massow. Walo 3ubmerio bei Pnritz; vgl. 890. 901. — P. 667 i. 3.<br />
1269 <br />
Der Herzog nimmt das opiclum Nckermünde von Kammin zu Lehen. —
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 123<br />
Wem die Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Kirche nicht<br />
eine Kumme von Flächen <strong>und</strong> Zahlen, sondern ein beseelter, lebensvoller<br />
Prozeß ist. der wird an der geschickten Wirtschaftspolitik<br />
der Kamminer Bischöfe seine Entdeckerfreude haben. Zweifellos<br />
sind die Kamminer durch die gegebenen Vorbedingungen <strong>und</strong> noch<br />
persönliches Glück begünstigt gewesen. Das allein aber hat sie nicht<br />
zu den klugen Hausvätern gemacht, als die sie vor uns stehen.<br />
Kein anderes Vistum des deutschen Ostens hat die glänzende Entwicklung<br />
Kammins erlebt. Mögen wir daher den Trägern dieser<br />
Politik auch die Anerkennung nicht versagen! Auf jede nur mögliche<br />
Art haben sie ihr Iiel verfolgt, nicht nur die Menge, sondern<br />
vor allem die Güte, die wirtschaftliche Erschließung <strong>und</strong> Verwertung,<br />
die finanzielle <strong>und</strong> die gesamte landesherrliche Verfassung<br />
<strong>und</strong> Verwaltung ihrer Gr<strong>und</strong>herrschaften zu vervollkommnen. Aus<br />
allen Schachziigen zwischen den feindlichen Parteien, die oft bedrohlich<br />
genug <strong>für</strong> das Bistum aussahen, haben sie zuletzt einen<br />
Gewinn eingestrichen. Allerdings von dem Standpunkt der <strong>pommersche</strong>n<br />
<strong>Gesch</strong>ichtsschreibung werden wir uns frei machen müssen,<br />
daß wir die Kamminer Politik danach beurteilen, wie eng die<br />
Bischöfe sich auf die unglückselige staatsmännische Weisheit der<br />
'.P.902. Nessin <strong>und</strong> Neurese. bei Korkln; s. 951. 996. 997 <br />
bischöfliches opiclum. vgl. P. 1l!93. — P. 995. Walkendorf <strong>und</strong> Stechom. -<br />
P..WW. Basepohl wird Kamminer kehen. — P. 1033. Iettemin. Riihen<br />
werder <strong>und</strong> Rottmannshagen bischöfl. Tafelgiiter; s. 1032. 103«. 1039. —<br />
P^1042^1043 i^.I.1276. Land kippehne, Dörfer bei Pnritz: m P. «042<br />
Pasewalk bischöfl. civitas. — .P. 1044. 1060 i. I. 1276. .Land Kolberg:<br />
Sliftsdörfer im Peenegebiet. in Mecklenburg u. a. — P. 1052 i. I. 1277.<br />
Kavltelsanteil an Land Dauer; vgl. oben zu P. 696. Vermutlich bei diesem<br />
Anlaß läht das Kapitel eine Konfirmation Wartislaws lll. über den Stiftsanteil<br />
an Daber transfumieren (Staatsbibliothek Berlin: Mskr.boruss.3ol.97.<br />
Bl. 4 Hu Nr. 1). — .P. 105?.-f Coykow bei Kolberg. — P. 10S3. Teufin.-—'<br />
7^P. 1064.^f Senin auf Usedom. — P'W68-i.I. 1277. ^Bischof Hermann<br />
"dotiert das Nonnenkloster Kolberq: vgl. 1101, 1109
124 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte de» Bistums Kammin.<br />
Herzoge festgelegt haben. Jede werdende geschichtliche Größe trägt<br />
ihren Wertmesser in sich, <strong>und</strong> das schwächliche Lavieren Barnims<br />
„des Guten" ist wahrlich der ungeeignetste Maßstab <strong>für</strong> die zielbewußte<br />
Herrscher- <strong>und</strong> Fürstennatur eines Vischof Hermann.<br />
Eine strenge Scheidung des stiftischen.Besitzes in bischöfliche<br />
Tafelgiiter <strong>und</strong> Kapitelseigentum können wir nicht vornehmen. Der<br />
Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong> liegt weniger in unsern Quellen, als in der <strong>für</strong><br />
Kammin eigentümlichen Entwicklung. Bei der großen Mehrzahl<br />
zumal der jüngeren Erwerbungen hat man jene Trennung von<br />
vornherein nicht durchgeführt. Eingebracht sind die Besitzungen<br />
zum guten Teil durch das persönliche Verdienst des Bischofs,<br />
einer Zuweisung zur meri32 eriizcoslaliz hätte an sich nichts im<br />
Wege gestanden. Der politische Charakter des bischöflichen Regiments<br />
hat jedoch bewirkt, daß die Liegeneigenschaften im gewissen<br />
Sinne „Staatseigentum" werden <strong>und</strong> der Anteil des Ertrages nach<br />
gesonderten Abmachungen zur Ausschüttung gelangt^).<br />
Der Weg. auf dem das Bistum seine Gr<strong>und</strong>herrschaften erwarb,<br />
ist nicht so einheitlich, wie wir es bei seinen Nachbaren beobachten.<br />
Die frühesten Stiftsgüter sind, nach den Bemerkungen<br />
nach dem Jahre 1281. Prettmin. —"P7I253. Watmow. — ^P» 1168 (nach<br />
Nieftens Datierung i. I. 1283). Land Kalbern.. Bernstein. — >P. 5418.<br />
Necknin. — ^P. 1422. Iclomark Käslin. — .P. 1468 i. I. 12«8. Dörfer <strong>und</strong><br />
Güter bei 'Köölin, im Peenegebiet <strong>und</strong> in Mecklenburg: vgl. P. 1474. —<br />
vP. 1551. Kapitelsdörfer Groß- <strong>und</strong> Klem«Iestin. — ^P. 1555. 1556. i. I.<br />
1290. Landesherrlicher Besitz des Bischofs beim Tode Hermanns- Löcknil^ —<br />
P. 1565. Loissin. — P. 1572. Wald Vergete bei Köslin. — ^P. 1623 i. I.<br />
1292. "Grenze des bischöflichen Territoriums gegen Pommerellen. — P. 1713.<br />
Retzin. Kunow. Ieesow. — Zusammenfassende Bestätigung des Kapitelsbesitzes<br />
zu Anfang des 14. Jahrh<strong>und</strong>erts: P. 2411 i. I. 1308. 271 l i. 1.1312.<br />
35! 1 i. I. 1321. Daneben besitzen wir eine Reihe von Urk<strong>und</strong>en, in denen<br />
wir nicht mit Sicherheit entscheiden können, ob es sich um gr<strong>und</strong>herrlichen<br />
Besitz oder andere Gerechtsame des Stifts handelt. I. B. P.3934. 969. 995.<br />
1004 (Reinfelder Iälschung. Inhalt anscheinend echt). Aus gewissen Gründen<br />
werden wir andere Liegenschaften nicht als eigentlich stiftischen Gr<strong>und</strong>besitz,<br />
sondern <strong>für</strong> sich betrachten müssen, z. B. die Errichtung <strong>und</strong> Bewidmung<br />
einer Kammlner Minorpräbende durch Bogislam IV. (P. 1806). Die 3u«<br />
sammenstellung der Kapitelsgüter von Curschmann, Landeseinteilung S.248f..<br />
der im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert insgesamt nur 4 Stiftsdörfer <strong>und</strong> als „älteste Ur-<br />
K<strong>und</strong>e, die überhaupt etwas vom Gr<strong>und</strong>besitz des Domkapitels aussagt".<br />
P. 889 findet, ist mir unfaßbar. Daß die Stelle in P. 889 auch noch verkehrt<br />
ausgelegt ist, da sie über den Gr<strong>und</strong>besitz des Kapitels nichts besagt, sei<br />
deshalb nur nebenbei erwähnt.<br />
l) Vgl. die Festsetzung P. 696. als Bischof Hermann den Templern die<br />
Zehnten von 700 Hufen (gegen 50000 Morgen) im Lande Daver verleiht.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 125<br />
darüber in späteren herzoglichen Verleihungen. Schenkungen der<br />
Landesherren gewesen, um den Unterhalt des Stifts sicher zu stellen.<br />
Diese Gaben hörten nicht auf. als das Bistum längst keine Not<br />
mehr litt. Weniger die Ergebenheit gegen die Kirche als die guten<br />
Dienste der Bischöfe boten den Anlaß dazu. Als die Askanier !<br />
die Neumark gewannen, hatten auch sie im wohlverstandenen eigenen I ' /<br />
Interesse <strong>für</strong> Kammin eine sehr freigebige 5>and '). Und bei den ^<br />
pommersch-markischen Auseinandersetzungen hat Bischof Hermann<br />
auf geraden imd krummen Wegen regelmäßig feinen Anteil an der<br />
Beute zu sichern gewußt. Wie ihm seine kluge, zwischen beiden<br />
Parteien unentwegt auf ihr Ziel zusteuernde Politik die volle <strong>für</strong>stliche<br />
Landeshoheit gebracht hat, so war sie <strong>für</strong> die Ansammlung<br />
des stiftischen Gr<strong>und</strong>vermögens ebenfalls höchst fruchtbar. Zahlreiche<br />
weitere Güter hat das Domkapitel durch Bar- oder Rentenkauf<br />
erworben, von den reichen Klöstern ebenso wie von den<br />
Landesherren <strong>und</strong> anderen Laien. Die Anlage der überschießenden<br />
baren Einkünfte, die nach der Einschätzung durch die Kurie sehr<br />
bedeutend gewesen sein müssen, in Gr<strong>und</strong>besitz war die allein mögliche<br />
3orm ihrer Aufspeicherung. Auffallend häufig werden Güter<br />
gegen freie oder lehensmäßige Übertragung des bischöflichen Kirchenzehnten<br />
eingetauscht^), während doch gleichzeitig die kanonische<br />
Gesetzgebung lebhaft dagegen eiferte ^) <strong>und</strong> man in Deutschland<br />
den Mißstand schon nach Kräften bekämpfte. Also auch an diesem<br />
Punkte sehen wir. wie das slavische Neuland unabhängig von<br />
der deutschen Mutterkirche Entwicklungsperioden durchläuft, die in<br />
Deutschland bereits überw<strong>und</strong>en sind. Der Wendenboden ist unter<br />
dem Einfluß feiner wirtschaftlichen Lage noch lange bei dieser<br />
Übung geblieben. Trotzdem Bonifaz Vlll. die kirchliche Bewegung<br />
durch das Verbot jeder neuen Veräußerung eines Kirchengehnten an<br />
Laien krönte^), hat man sich nicht im geringsten darum gekümmen.<br />
Überblicken wir unsere Zusammenstellung der erhaltenen Nachrichten,<br />
so bemerken wir. wie die Gr<strong>und</strong>herrschaften nicht wahllos<br />
zerstreut sind, sondern sich planvoll um gewisse Kristallisations-<br />
1) Die zunächst recht ansprechende Vermutung von Nießens. Neumark<br />
S. 164, daß die Markgrafen ihrem nach Kammin versetzten Verwandten<br />
Vischof Hermann durch die Darbringung einer Morgengabe von 400 Hufen<br />
!26 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
punkte gruppieren. Als die bedeutendsten 3lächen erscheinen zu-<br />
// nächst das Peenegebiet bei Demmin <strong>und</strong> Iarmen. Dann die Güter<br />
/ i um Pasewalk <strong>und</strong> Löcknitz. Über Löcknitz geht die Ausfuhr der<br />
bischöflichen Getreideerzeugung in die Mark (P. 1555). Nahe<br />
der heutigen pommersch-brandenburgischen Grenze liegen die Stifts-<br />
/l dörfer in den Kreisen Pyritz <strong>und</strong> Soldin. Ihr Vorort ist Werben<br />
am Madue-See. wo die Bischöfe häufig 5>of halten. In Mittel-<br />
, pommern gehären dem Stift die Landschaften Massow <strong>und</strong> Nau-<br />
// gard. Besonders seit der Begründung des bischöflichen Territoriums<br />
mehren sich die Güter im Stiftsland <strong>und</strong> seiner Nachbarschaft, von<br />
der Nega längs der Küste bis Rügenwalde <strong>und</strong> landeinwärts bis<br />
zur Burg Arnhausen <strong>und</strong> der Siedlungsgrenze auf dem pommer-<br />
-schen Landrücken. In dem UrK<strong>und</strong>enmaterial bis zum Ende des<br />
13. Jahrh<strong>und</strong>erts nicht bezeugt aber bestimmt vorhanden MKapitelsbositz<br />
um Kammin, die Iurückbeziehungen der jüngeren Quellen<br />
bestätigen die Vermutung, die wir bereits aus der allgemeinen<br />
Lage des Bistums erheben würden.<br />
Der maßgebende Gr<strong>und</strong>zug der Kamminer Wirtschaftspolitik<br />
ist die sorgsame Abr<strong>und</strong>ung des Streubesitzes. In den endlosen<br />
Händeln <strong>und</strong> 3ehden drängen die Bischöfe nach einer Neuerwerbung,<br />
wo immer sie eine machen können, die Politik der kleinen<br />
Mittel haben sie trefflich zu meistern gewußt. Sobald sie aber das<br />
unangefochtene Eigentum angetreten haben, stoßen sie die nicht in<br />
ihren Plan hineinpassenden Liegenschaften durch Verkauf oder Um-<br />
', tausch gegen günstigere Teile wieder ab. So veräußern sie bei«<br />
^ . : spielsweise nach <strong>und</strong> nach den umfangreichen Besitz bei Rügenwalde,<br />
i weil die Landschaft als ständiger Zankapfel zwischen den Herzogen,<br />
. den Fürsten von Rügen <strong>und</strong> Mestwin ll. nicht zur Ruhe <strong>und</strong> damit<br />
zum wirtschaftlichen Aufschwung gelangen konnte. Durch die großzügige<br />
Abr<strong>und</strong>ung sind die bischöflichen Latif<strong>und</strong>ien entstanden,<br />
die <strong>für</strong> das wirtschaftliche Gepräge des heutigen Pommern von<br />
gr<strong>und</strong>legender Bedeutung wurden.<br />
Es erhebt sich nun die 3rage: zu welchem Recht besaß der<br />
Bischof seine Gr<strong>und</strong>herrschaften, <strong>und</strong> welche Bindeglieder führen<br />
vom gr<strong>und</strong>herrllchen Besitz zur <strong>für</strong>stlichen Stellung <strong>und</strong> zur Landeshoheit?<br />
Bei ihrer Beantwortung lassen wir auf sich beruhen die<br />
hierher gehörenden zahlreichen Probleme des gegenwärtigen Standes<br />
der Forschung, die uns <strong>für</strong> die deutsche Entwicklung die Untersuchungen<br />
besonders von Meitzen <strong>und</strong> Seeliger, <strong>für</strong> die pommerschpolnische<br />
diejenigen von Koiljarewski, Spähn, von Sommerfeld,<br />
von Nießen, Duda <strong>und</strong> Vreöleviö gezeigt haben, llber die pommer-
3orschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammin. 127<br />
schen Verhältnisse sind die Meinungen noch weit weniger geklärt<br />
als über die deutschen. Das eine glaube ich mit Sicherheit behaupten<br />
zu dürfen, daß mit der vertieften Forschung unsere Vorstellungen<br />
von der <strong>pommersche</strong>n Rechts- <strong>und</strong> Wirtschaftsgeschichte<br />
in wesentlichen <strong>und</strong> entscheidenden Iügen umgestaltet werden. Uns<br />
kommt es nicht so sehr auf die Detailforschung an, obgleich wir uns<br />
von ihrer Unterschätzung weit enfernt wissen. Wir wollen vielmehr<br />
unter umfassenderen, prinzipiellen Gesichtspunkten möglichst knapp<br />
herauszustellen suchen, wie die Dinge sich gerade in der Richtung<br />
auf die landes<strong>für</strong>stliche Hoheit des Vischofs entwickelt haben.<br />
Diese Entwicklung zerfällt in zwei deutlich voneinander geschiedene<br />
Perioden. Den Einschnitt bezeichnet das Iahr^1240^ wo /<br />
das Bistum zum ersten Male ein geschlossenes Territorium, das<br />
i kand^Dtargard. gewinnt (Cod. 288). Zur klaren Erkenntnis der<br />
Kamminer Lage in der ersten Periode, die uns zunächst <strong>für</strong><br />
sich beschäftigt, bieten neben der vorsichtigen Verwertung der jüngeren<br />
stiftischen Quellen die gleichzeitigen Nachrichten der übrigen kirchlichen<br />
Einrichtungen, zumal der Klöster <strong>und</strong> Stifter, mancherlei<br />
Material; denn die Analogie zwischen dem Hochstift <strong>und</strong> den<br />
großen Feldklöstern reicht auf dem slavischen Boden an vielen<br />
Punkten erheblich weiter als in der Neichskirche.<br />
«.Als im Jahre 1140 das <strong>pommersche</strong> Bistum gegründet wurde, ^<br />
war der ^ucatu8 l^mel-anie^) ein Nirstentum aus eigenem slavi- /<br />
schen Recht. Ganz anders im Reich. „Nur derjenige war ein 3ürst,<br />
den der König selbst mit seiner Gewalt belehnte. Mangelte die Belehnung<br />
oder hörte sie auf. so war auch die Bildung eines Fürstentums<br />
unmöglich" 2). Nur durch die Beachtung dieses gr<strong>und</strong>legenden<br />
Unterschieds werden wir zum Verständnis des Prozesses gelangen,<br />
durch den eine neue <strong>pommersche</strong> 3ürstengewalt — der Bischof —<br />
neben der herzoglichen aufkommt. Das slavische <strong>und</strong> das deutsche ^<br />
Etaatswesen sind zwei ihrem Wesen nach völlig getrennte Bil- ? '<br />
düngen, <strong>und</strong> der slavische Charakter Pommerns bleibt trotz aller <<br />
deutschen Einflüsse in der von uns betrachteten ersten Zeitspanne<br />
1) Wenn im folgenden kurzweg von „Pommern" gesprochen wird, so ist<br />
das ein Notbehelf, da im 12. <strong>und</strong> 13. Jahrh<strong>und</strong>ert der Sprachgebrauch<br />
schwankt. Wir verstehen darunter im wesentlichen die beiden l264 vereinigten<br />
<strong>und</strong> bald wieder geteilten Herzogtümer Pommern»Stettin <strong>und</strong><br />
Pommern-Demmtn. Die übliche abgekürzte Bezeichnung dürfen wir um so<br />
unbedenklicher gebrauchen, als das 3ürstentum Rügen zu den Diözesen<br />
Roeskilde <strong>und</strong> Schwerin gehört <strong>und</strong> im größten Teil des pommerellischen Osten<br />
die geistliche Hoheit dem Erzbistum Gnesen <strong>und</strong> dem Bistum Kujavien gebührt.<br />
2) hauck, Territorien S. 649.
128 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammin.<br />
, bis 1240 bewahrt. Denn die Aufnahme der Pommern, in den<br />
' deutschen Neichs<strong>für</strong>stenstand 1181^durch Käiser"3riedrich l.i) war<br />
eine vorübergehende Episode, <strong>und</strong> die brandenburgische Lehns-.<br />
bchauptung hat eine innere Wirkung nicht auszuüben vermocht.<br />
,. Darum ist in Pommern eine „Landeshoheit" bereits vorhanden, als<br />
// die deutschen "Verhältnisse noch im 3luk sind 2). Der Herzog von<br />
Pommern, nicht der Kaisers, wäre also der gegebene aclvocawg<br />
ecclesiae gewesen <strong>und</strong> hätte die auf dem Reichsboden dem Kaiser<br />
zustehenden Rechte ausgeübt. Er hat jedoch 1176 in der Bewidmung<br />
des Kamminer Domstifts auf jede aus seiner Schutzherrschaft entspringende<br />
Oberhoheit ausdrücklich verzichtet. Diese Kamminer Eximierung<br />
ist bis zum Ende des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts niemals bestritten<br />
worden. Erst im 14. beginnen die Kämpfe darum, die schließlich<br />
trotz der immer wiederholten Auflehnung tatkräftiger Bischöfe<br />
/ zum Siege der herzoglichen Gewalt <strong>und</strong> zur herabdriickung des<br />
.' „Fürstentums Kammin" zum ersten pominerschen Landstand geführt<br />
haben. Dah die älteren Herzoge nicht den Versuch machten, die<br />
Muntschaft über das Bistum zurückzugewinnen, lag außer an den<br />
politischen Schwierigkeiten wesentlich daran, daß in Pommern die<br />
Kirche bei weitem nicht so wie im Reich durch die tausend 3äden<br />
einer langen geschichtlichen Entwicklung mit dem Staatsgefüge<br />
verwoben war. »<br />
Wir haben im einzelnen gesehen, wie sehr weit die Freiheit des<br />
Domstifts 1176 durch Kasimir I. gezogen wird. Abgesehen von<br />
der Landsturmpflicht <strong>und</strong> der eingeschränkten slavischen Vaulast<br />
erhält der Bischof die volle Immunität. Der Verzicht auf jede<br />
Art einer Investitur oder wenigstens eines Einspruchsrechts macht<br />
die Kamminer Kirche von der Staatsgewalt unabhängiger, als<br />
!) In den meisten Einzelheiten wie in der Gesamtauffassung kann ich<br />
Iicker. Rcichs<strong>für</strong>stenstand § 70. nicht beistimmen. Die von Iicker (S. 105<br />
Anm. 1) geforderte Untersuchung der Echtheit des kaiserlichen Privilegs non<br />
117U
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kamnnn. 129<br />
sämtliche benachbarten deutschen <strong>und</strong> slavischen Bistümer damals<br />
standen. In einer solchen Stellung war der Keim <strong>für</strong> die bischöfliche<br />
Fürstenmacht sofort gegeben. Mit dem Erwerb einer äußeren<br />
Machtfülle, die dem Ansehen des 3ürstenstandes entsprach, muhte<br />
dem Kamminer Bischof die <strong>für</strong>stliche Geltung notwendig von selbst<br />
zufallen.<br />
Der Bischof besaß seine Gr<strong>und</strong>herrschaften unter einer rechts<br />
lichen 3orm, die im Lande neu war. Eine Immunität, die den!l<br />
Boden mit seinen Bewohnern aus dem Staat heraushob, kannte<br />
das einheimische Recht nicht. Nun möchte man geneigt sein, von<br />
dem späteren Wandern des deutschen Rechts in das slavische Neuland<br />
rückwärts zu schließen <strong>und</strong> zu vermuten, daß die Kamminer ,,<br />
Gr<strong>und</strong>herrschaft deutschrechtlich organisiert war. Das ist aber //<br />
keineswegs der 3all. Es fehlen ja die deutschen Ansiedler, die das<br />
neue Recht mitbringen. Der slavische nuncius des Bischofs kann<br />
nicht nach deutscher Weise das Urteil finden, selbst wenn er es<br />
wollte, da er das deutsche Rechts- <strong>und</strong> Gerichtsverfahren nicht<br />
kennt. Sämtliche Lebensbedingungen <strong>und</strong> Lebensäußerungen der ,^<br />
Bevölkerung sind so eigentümlich slavisch geprägt, daß <strong>für</strong> sie der !lj<br />
Sachsenspiegel genau so verfagm müßte, wie wenn wir heute das ljl<br />
V.G.B, einem Nomadenstamme brächten. Lange noch bleiben die<br />
gr<strong>und</strong>herrlichen Lasten, an denen wir vorzugsweise das geltende .<br />
Recht erkennen, slavisch^). Nichts ist verkehrter als die übliche<br />
Vorstellung, daß eine Landschaft, ein bestehender slavischer Verwaltungsbezirk<br />
geschlossen zum deutschen Recht übertritt. Aus<br />
zahlreichen Quellen strömt vielmehr die germanische Befruchtung .. »<br />
ein. durchtränkt das bodenständige Element, saugt es auf, bildet es ,/<br />
mehr oder minder tief um, bis zuletzt die deutsche 3orm heraus- ><br />
kristallisiert, die doch immer noch zahlreiche slavische Iüge an sich '<br />
trägt. Wo das einheimische Recht durch einen Bruch mit der<br />
Vergangenheit vom neuen abgelöst wird, etwa bei den älteren<br />
l) Dabei möchte ich einmal'd ri ng e n d warnen, einzelne in den Nr-<br />
H<strong>und</strong>en <strong>und</strong> beschreibenden Darstellungen auftretende 3achausdrücke. — etwa<br />
<strong>für</strong> die Beamten: iuciex, aclvocaiuZ, preiectuz, master, u. ä. — zur kritischen<br />
Unterlage weitgehender verfassungsgeschichtlicher Schlüsse zu machen.<br />
Wenn der lateinisch schreibende Kleriker einen slawischen Beamten nennen<br />
wollte, wie konnte er ihn anders bezeichnen als mit einem Wo.t, das ihm<br />
aus der deutsch echtlichen Ve^eichnungsweije geläufig war? Niemand denkt<br />
heute mehr da.an, das (rechtlich sehr wichtige) slawische castrum mit dem<br />
deutschen mit dem es keinerlei Ähnlichkeit hat, gleichzusetzen. Das ist aber<br />
bei anderen Wortprägungen ebenso. Namentlich die Veze.chnung civit 2 8<br />
hat viel Unheil angerichtet.
139 Iorschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums KamnNn.<br />
Städtegriindungen <strong>und</strong> bei gewissen Bewidmungen der Klöster, da<br />
erkennen wir die Ursache stets in dem geschlossenen Auftreten der<br />
deutschen Rechtsträger. Ist die Masse der Rechtssubjekte nicht<br />
einheitlich, so nimmt die Entwicklung auch besondere Formen an.<br />
Ein bezeichnendes Beispiel da<strong>für</strong> ist die 1237 auf den Rat Bischof<br />
Konrads lll. vollzogene Umsetzung dos teils slavischen, teils deutschen<br />
Stettins zu deutschem Gericht (P. 348).<br />
Innerhalb seiner Gr<strong>und</strong>herrschaft übte der Bischof 1176 fast<br />
sämtliche landesherrlichen Befugnisse, <strong>und</strong> die wenigen noch fehlenden<br />
hat er ebenfalls recht bald erworben. Er erhob die slavischen Jolle<br />
<strong>und</strong> Abgaben aller Art. hielt Markt <strong>und</strong> besaß die Mühlen <strong>und</strong><br />
die einträglichen Schenken^). Von den Kolonen forderte e^ die<br />
zahlreichen Hand- <strong>und</strong> Spanndienste, deren Nutzungswert die unmittelbaren<br />
Abgaben möglicherweise überstieg. Unter den Handdiensten<br />
erscheint gelegentlich der Eishau-). der wohl wie heute<br />
zum 3ischereischuh vorgenommen wurde. Die Fischerei selbst wie<br />
die 3orsthoheit gehörten ihm nicht minder. Dazu das hohe <strong>und</strong><br />
das niedere Gericht, das Kriegsaufgebot <strong>und</strong> verwandte Gerechtigkeiten<br />
mehr. Von Wichtigkeit <strong>für</strong> die Herausbildung seiner Fürstenstellung<br />
ist, daß alle jene Amtshandlungen auf den Gr<strong>und</strong>herr-<br />
> schaften ausschließlich von den bischöflichen Beamten vorgenommen<br />
^ werden durften. Unter der unbeschränkten eigenen Verwaltung<br />
! wandelt sich so. langsam <strong>und</strong> den Beteiligten kaum selber klar be-<br />
,' wußt. der privatrechtliche Charakter der bischöflichen Gr<strong>und</strong>herri<br />
lichkeit in den öffentlich-rechtlichen ^). Die Kam miner <strong>für</strong>st-<br />
!? liche Hoheit ist erwachsen aus der Gr<strong>und</strong>herrschaft,<br />
darin unterscheidet sie sich prinzipiell von der Entstehung der<br />
bischöflichen Fürstcnmacht im Reich.<br />
Es ist nicht nötig anzunehmen, daß der Bischof in sämtlichen<br />
nach 1176 erlangten Gütern die genannten landesherrlichen Rechte<br />
im vollen Umfang besaß. Wir dürfen wohl wieder die Gr<strong>und</strong>herrschaften<br />
der. Klöster zum Vergleich heranziehen, deren Eximierung<br />
von der herzoglichen Gewalt recht verschieden ist. Vom Kloster<br />
Kolbatz erwirbt 1236 Konrad III. zwei Dörfer (Cod. 237). Natür-<br />
2) Daß die <strong>pommersche</strong>n Schenken eine besondere rechtliche Bedeutung<br />
hatten, wissen wir, nur fehlen uns Einzelheiten. Vielleicht übte der Krüger<br />
eine gewisse Beamtentätigkeit aus. zog die Steuern ein u. ä.<br />
2) ßlaciei sectio. P. M95. in einer herzoglichen Urk<strong>und</strong>e.<br />
2) Die der deutschen Terminologie entlehnte Bezeichnung ..privatrecht,<br />
lich" benutzen wir nur der Verdeutlichung <strong>und</strong> Kürze wegen. Dag slanische<br />
Privatrecht entfernt sich, wie nach den früheren Ausführungen klar sein<br />
dürfte, von der deutschen Auffassung sehr erheblich.
Iorschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 131<br />
lich Kann das Kloster sie nur mit den Rechten übergeben, die es<br />
selber daran besessen hat, <strong>und</strong> diese begreifen, gegen die Ordensprivilegien,<br />
nicht die völlige Immunität ^). Auch die Verhandlungen<br />
über die Vedepflicht der Kapitelsdörfer werden wir da<strong>für</strong><br />
beachten (P. 871. 2411. 2711). Namentlich die lantwere behalten<br />
sich die Herzoge oft vor. der Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong> liegt nahe genug in der<br />
Verteidigungsstellung Pommerns gegen Feinde ringsum. Wir vermuten<br />
also, daß die Kamminer gr<strong>und</strong>herrlichen Rechte ähnliche<br />
wenngleich bei weitem nicht so zahlreiche <strong>und</strong> große Gradunterschiede<br />
zeigen, wie sie bei den Reichsbistümern bekannt sind?).<br />
Neben den mit einem Gr<strong>und</strong>besitz verb<strong>und</strong>enen Gerechtsamen<br />
des Bischofs treten die landesherrlichen Rechte außerhalb<br />
der Gr<strong>und</strong>herrschaften durchaus in den Hintergr<strong>und</strong>.<br />
Bei seiner Stiftung ist das Bistum dotiert worden unter anderem<br />
mit herzoglichen Gefällen aus gewissen Märkten <strong>und</strong> Krügen <strong>und</strong><br />
dem Kolberger Zoll (Cod. 16). In den folgenden Jahrzehnten<br />
hat sich diese Dotierung kaum wesentlich verändert ^). Mit dem<br />
kulturellen Aufschwung des Landes stellte sich bei den Herzogen<br />
das Interesse ein, die Abgaben zurückzuerwerben. Den Schluß- .<br />
punkt ihres Bemühens bedeutet anscheinend derselbe Stolper Ver- /<br />
trag von 1240, der unsere erste Periode in der Entwicklung der//<br />
bischöflichen Iürstenmacht abschließt. Der Herzog^wird^ nämlich /.<br />
') Ein ähnliches Beispiel in Osterreich bei Werminghoff. <strong>Gesch</strong>. der<br />
Kirchenverfassung I. 212. Zu Werminghoffs Bemerkung S. 2N Anm. 8.<br />
über die der Aufklärung bediirftige Stellung der Iisterzienserklöster möchte<br />
ich hinzufügen, daß sie auf dem slavischen Boden besonders verschiedenartig<br />
ist. Man vergleiche etwa Oliva mit Marienwalde (beides Töchter von<br />
Kolbatz).<br />
5) Meine Auffassung würde unmittelbar bezeugt, wenn P. 148 zu dem<br />
'Zwecke verfälscht wäre, um das „<strong>für</strong>stliche Hoheitsrecht" lcum funclo et<br />
toto dominio principali) einzuschmuggeln
132 Iorfchungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Vistums Kammin.<br />
fortan statt der clenarii, quo8 ecclesia tiabuit Ommen8i5 in<br />
taberniz et clecimig, Wri3, tlieol0nei8 et m^netiz i) in V?N2M,<br />
3tetin et pirite eine Jahresrate von 26 M. Pfg. bezahlen.<br />
Ium gebräuchlichen zehnprozentigen Rentenfuß umgerechnet beläuft<br />
sich der Kapitalwert der Abgaben nur auf 260 M. Pfg. Dazul<br />
kommt, daß die genannten <strong>und</strong> andere kleinere landesherrliche<br />
Gefälle 2) nicht von den bischöflichen, sondern von den herzoglichen<br />
Beamten eingesammelt werden. Eine Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die Entstehung<br />
des bischöflichen Fürstentums itt in der Auftragung der<br />
angeführten herzoglichen Abgaben nicht zu entdecken.<br />
Nicht anders liegt es mit der Münzhoheit. Ob die Bischöfe<br />
in unserer ersten Periode überhaupt eigene Münzen geprägt haben,<br />
erscheint mir in solchem Matze zweifelhaft, daß wir Schlüsse irgend<br />
welcher Art nicht daran knüpfen können. Datz Kammin als einer<br />
der wichtigsten Orte des Landes frühzeitig eine herzogliche<br />
Prägestätte besessen hat, steht urk<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> nach den Münzf<strong>und</strong>en<br />
fest. Dannenberg^) bezieht nun einen vorzugsweise aus einem<br />
3<strong>und</strong> in Labenz (Kreis Schivelbein) bekannten Denar mit dem<br />
Namen N00V?I^V3 auf Herzog Bogislaw l. von Pommern<br />
(gest. N87) <strong>und</strong> deutet die Rückseite als Kopf des Kamminer<br />
Bischofs Konrads I. (N60—86) mit der Umschrift 8 8ä6Ik>lV3.<br />
Ist dieses Gepräge noch „halb herzoglich", so haben wir „jedenfalls<br />
die erste selbständige Prägung des Bistums" in einem Denar<br />
Bischof Siegfrieds (N86—91) vor uns^). Die unsichere Umschrift<br />
der Rückseite möchte Dannenberg nicht mit der Münzstätte Kammin.<br />
sondern mit Herzog Kasimir II. zusammenbringen. 3ast ein Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
lang (S. 72) ruht dann die bischöfliche Prägung, erst<br />
Hermann nimmt sie wieder auf.<br />
Daß die Ausführungen auf sehr schwachen 3ützen stehen^<br />
dessen war Dannenberg sich bewußt. Die Angaben über den heiligen<br />
Sabinus (S. 3l) sind alles andere als beweiskräftig 5). <strong>und</strong> mit<br />
') 3m Tertnerwandtschaft vergl. in der Gründungsbulle bei Kolberg<br />
culn tugurio 8ali5 et ttieloneo, toro, taberna et omnibus 5ui8 pertinentiiä.<br />
2> Die besprochene Fälschung P. 143 erwähnt den Lachsfang in der<br />
Wipper. Siehe auch die Bewidmung der Kamminer Propstei P. l02.<br />
2) Münzgeschichte Pommerns S. 30 Nr. 16; abgebildet Taf. I. 16.<br />
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammtn. l33<br />
dem jüngeren Denar, den holmboe als Prägung Siegfrieds von<br />
Bremen ansprach, hapert es bedenklich. Selbst wenn alle Voraussetzungen<br />
Dannenbergs richtig sind, so wäre es genau wie der<br />
frühere ein halb herzogliches, halb bischöfliches Gepräge, das offenbar<br />
der Münzstätte Kasimirs, in dessen Herrschaft Kammin lag.<br />
entstammte. Diese Vermutung wird bestätigt durch die Verwandtschaft<br />
mit dem unzweifelhaft herzoglichen Denar Nr. 18, der anstelle<br />
des Bischofs den Kopf des Kamminer Heiligen mit der Umschrift<br />
3(13 10NäNt>I^3 <strong>und</strong> (nach Dannenberg) ein ähnliches<br />
Kirchenbild wie der bischöfliche Denar trägt. Daß das Stift die<br />
Prägung einstellte, während es sich im lebhaften wirtschaftlichen<br />
Auffchwung befand <strong>und</strong> <strong>für</strong> die bare Ansammlung seiner Einkünfte<br />
eine Münze aufs beste gebrauchen konnte, dünkt wenig wahrscheinlich.<br />
Doch mag man sich entscheiden, wie man will, in jedem 3all<br />
ist die Münzhoheit <strong>für</strong> die Ausbildung des Kamminer Fürstenstandes<br />
ohne Bedeutung.<br />
Es bleibt also dabei, daß die landesherrlichen Rechte in der<br />
Hand des Bischofs geknüpft sind an seine Gr<strong>und</strong>herrschaft. .Langsam<br />
<strong>und</strong> unauffällig schreitet der Germamsierungsprozeß vorwärts. '<br />
Bei anderer Gelegenheit i) wies ich bereits darauf hin. daß wir <strong>für</strong><br />
die Verfolgung des eigentlichen Entwicklungsganges uns viel mehr,<br />
als bisher geschehen, frei machen müssen von dem Eindruck des rechtlichen<br />
Territorialprinzips, unter dem wir selbst leben <strong>und</strong> mit dem<br />
wir daher zu denken pflegen. Der llbergangszustand ist ebenso<br />
wenig ein gleichmäßiger wie ein einheitlicher Strom, vorgeschrittene<br />
<strong>und</strong> zurückgebliebene Bildungen stehen nebeneinander. Derselbe Besitzer<br />
vereinigt Güter zu wendischem <strong>und</strong> zu deutschem Recht. Innerhalb<br />
"derselben 3lur kann ein Teil des Bodens deutsch, der andere<br />
slavisch besessen sein, oder in einem slavischen Dorf wird nach<br />
deutscher Art beispielsweise eine Schenke angelegt. Die ganze<br />
Gestaltung des staatlichen Lebens wird mit deutschen Einschlägen<br />
durchsetzt. Der frische, starke Geist, den die Einwohner in das von<br />
Kriegen ermattete, wirtschaftlich ausgefogene <strong>und</strong> nationalpolitisch<br />
stockende Land hineintragen, drängt notwendig auf die deutschrechtliche<br />
Entwicklung hin. Der Einfluß auf das öffentliche Recht setzt,<br />
wir wiederholen das, ohne Frage geraume Ieit vor dem vierten<br />
Jahrzehnt des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts ein. Im Jahre 1234 war die Umformung<br />
der bischöflichen Gr<strong>und</strong>herrlichkeit vom flavischen privatrechtlichen<br />
zum deutschen öffentlichrechtlichen Charakter zweifellos<br />
») Balt. Stud. N. 3. 13, 163 f.
134 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammm.<br />
längst vollzogene Tatsache. Von allen unmittelbaren <strong>und</strong> mittelbaren<br />
Nachrichten abgesehen wissen wir es daher, daß kurz daraus<br />
im Stolper Vertrag der Herzog auf eine Reihe von Hufenzehnten<br />
Bezug nimmt, die schon früher vom Bischof zu deutschem Lehnsrecht<br />
gingen i).<br />
Zum Besitz der landesherrlichen Rechte gesellt sich als zweiter,<br />
außerordentlich bedeutsamer 3aktor <strong>für</strong> die Begründung der <strong>für</strong>stlichen<br />
Stellung die politische Bedeutung, die unsere Bischöfe<br />
durch ihre Persönlichkeit ausgeübt haben. Daß es Adalbert 1147<br />
gelang, den durch Bernhard von Clairvaur angestifteten Wenden-<br />
Kreuzzug vor den Toren Stettins. aufzuhalten, mußte auf Herzog<br />
Ratibor <strong>und</strong> das <strong>pommersche</strong> Volk tiefen Eindruck machen. Iu<br />
allen wichtigen Verhandlungen werden die Bischöfe zugezogen, auf<br />
der allgemeinen Landesversammlung spielen sie schon im 12. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
eine führende Rolle. Mit den <strong>pommersche</strong>n Fürstenhäusern<br />
sind sie durch verwandtschaftliche Bande verknüpft. Konrad l. entstammt<br />
der 3amilie von Salzwedel, die später die Grafschaft<br />
Gutzkow erhält, der jüngere Konrad ist als Mitglied des herzoglichen<br />
Hauses geboren, <strong>und</strong> der dritte Träger des Namens ist ein<br />
angeheirateter Schwager Herzog Barnims I. Mit diesem ist auch<br />
Hermann von Gleichen verwandt, <strong>und</strong> sein Nachfolger Iaromar<br />
wiederum ist ein rügischer Prinz. Mohrfach haben sie während<br />
der Regentschaft der verwitweten Herzoginnen <strong>für</strong> unerwachsene<br />
Landeserben die <strong>Gesch</strong>icke Pommerns bestimmt. Als Zeugen erscheinen<br />
sie urk<strong>und</strong>lich vor den weltlichen prmciri^. Iu ihrem persönlichen<br />
Ansehen haben sie in den Kämpfen um den Bestand <strong>und</strong><br />
die Erweiterung des Sprengels eine beträchtliche Macht gewonnen.<br />
Die exemte Stellung unmittelbar unter Rom, die sie hartnäckig<br />
gegen Gnesen, Magdeburg <strong>und</strong> die Kurie selber verteidigten, hat ihr<br />
Bewußtsein <strong>für</strong>stlicher Unabhängigkeit nicht minder gesteigert. Kurz:<br />
am Schluß unserer ersten Periode, im Jahre 1240,<br />
besitzt der Kamminer Bischof die vollen landesherrlichen<br />
Rechte über ausgedehnte Gr<strong>und</strong>herrschaften<br />
<strong>und</strong> das persönliche Ansehen, wie die <strong>für</strong> stlichen<br />
Bischöfe im Reich.<br />
Es wäre unfruchtbare Arbeit, aus den einzelnen Wendungen<br />
<strong>für</strong> <strong>und</strong> wider in den Quellen herauspressen zu wollen, wie weit<br />
!) Cod. 2«« i. I. 1240. Herzog Barnim erklärt: den Iehnt öe 8mxuli3<br />
M2N3l5 villarum..., 82lvj3 per omnig cjeciml3... omnium eorum, qui<br />
8unt insegati ab ecclesia et ad escorio (^aminensi, eciam<br />
moclo
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammtn. !35<br />
der Bischof, als er zum Stolper Vertrage schritt, als 3ürst rechtlich<br />
anerkannt war. Fehlte ihm bisher eine solche formelle Anerkennung,<br />
so wurde sie durch den Vertrag selbst gegeben. Am<br />
24. April 1240, genau h<strong>und</strong>ert Jahre nach der Gründung des Vis- ^<br />
tums, trafen sich zu Stolpe an der Peene, dem ältesten <strong>pommersche</strong>n<br />
Kloster, die beiden Herzoge <strong>und</strong> Bischof Konrad III. in Begleitung<br />
eines stattlichen Gefolges von Prälaten <strong>und</strong> deutschen<br />
Rittern, um die Beziehungen zwischen dem Herzogtum Pommern-<br />
Stettin <strong>und</strong> dem Bistum neu zu gestalten ^). An diesem Tage /<br />
wurde die <strong>für</strong>stliche Landeshoheit des Kamminer Bischofs be- j<br />
gründet. l<br />
Vom Altar der Stolper Iohanniskirche, die Hände auf den<br />
Neliquienschrein gelegt, nimmt Herzog Barnim den Bischofszehnt<br />
aus 1860 Hufen 2) in genannten Dörfern <strong>und</strong> einen Anteil des <<br />
Zehnten in den neu zu besiedelnden Orten der Landschaften Prenz^- ><br />
lau, Penkun, Stettin. Pyrit; <strong>und</strong> Iehden vom Bischof zu deutschem jl<br />
Lehen. Er übergibt ihm da<strong>für</strong> das Land Stargar d zum vollen ^!<br />
landesherrlichen Eigen, mit allen landes<strong>für</strong>stlichen Rechten, dem<br />
Ioll, der Vogtei <strong>und</strong> der Münzgerechtigkeit, frei von irgend welchen<br />
Ansprüchen Dritter, so wie er es bis dahin selbst besessen hatte ^). /<br />
Eine Lehnsabhängigkeit des Bischofs, eine herzogliche Schirmvogtei<br />
oder wie wir es immer nennen wollen, ist ausgeschlossen. Bischof /'<br />
Konrad wurde über Stargard eben so Landes<strong>für</strong>st, wie Barnim es f<br />
vorher gewesen war.<br />
Die Grenze des erhaltenen Gebiets s) folgt im Westen dem /<br />
Lauf der Pläne von der Quelle bis zur Mündung, geht vom<br />
1) P.377 ---- Cod. 288. Ich zittere nach S. (617. 618) <strong>und</strong> Icile im<br />
Cod. <strong>und</strong> schreibe den Wortlaut des Originaltranssumts von 1321.<br />
2) Nicht 1800. wie der Eingang der Disvositio m. E. durch elnen<br />
Schreib- oder Rechenfehler liest: anders Island, Konrad III. S. 19.<br />
2) 6.618". Eitlem eccole et epl3cop0 8M5que 8ucce38oribu3 terram<br />
ätaro^rä cum omnibug 8M3 pertinenti^ (folgt Grenzangabe <strong>und</strong> Zustimmung<br />
Herzog Wartislaws lll. von Pommern-Demmin) libere et likeraliter et cum<br />
omrii iure, tneoloneo viclelicet, aävocacia et moneta, ab omnium impeticiane<br />
liberam et liberan^am, et quicquicl in ea kabuimU3 vel viclekamur<br />
kadere (ausgenommen das Dorf Barnimskunow) perpetuum c«ntulimu5 in<br />
re8taurum. .<br />
4) S.6I8". Cod. 397 (Beschreibung der Nordgrenze), P.667. 689. Dazu<br />
Wichtige zerstreute Notizen wie Cod. 898' (Kloster Marienfließ), nur teilweise<br />
im Register P. lll S. 667 verzeichnet. Die Festlegung der Grenzlinie versuchten<br />
u. a. Quandt in den Balt. Stud. 10, ll, S. 163 f., 15 S. 185f..<br />
22 S. 132f.- Boehmer. Beiträge H. I mit Katte; Curschmann, Landesein«
136 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammw.<br />
Dammschcn See südlich der Ihnamiindung (P. 418) bis an oder in<br />
die Nähe der Drage <strong>und</strong> kehrt längs der nicht sicher zu bestimmenden<br />
polnischen^) Grenze an die Plönequelle zurück. Die Erwerbung<br />
hat eine Größe von über 1500 Quadratkilometern! Die Dörfer<br />
zwischen der Plüne <strong>und</strong> der Faulen Ihna tragen fast ausschließlich<br />
slavische Namen, die zwischen den beiden Ihnaquellflüssen (innerhalb<br />
der heutigen Provinzgrenze) <strong>und</strong> in der Umgebung von Stargard<br />
ebenfalls überwiegen. Der beste Beweis, daß das Land nicht<br />
so wüst <strong>und</strong> öde gewesen sein kann, wie man ohne Angabe von<br />
Gründen versichert hat. 3ür die Kultur gewonnen werden mußte<br />
der heute noch als Heide bestehende Iipfel am Dammschen See<br />
<strong>und</strong> der breite Grenzgürtel gegen Labes <strong>und</strong> die Neumark.<br />
Man hat oft gefragt, welches der Anlaß <strong>und</strong> der Zweck des<br />
Vertrages gewesen sein mögen. Zunächst ist das eine sicher, daß<br />
die Stolper Abmachung kein „Friedensvertrag wegen vorangegangener<br />
Iwistigkeiten" war 2). Wenn nicht alles täuscht, so gab<br />
es in dieser Übereinkunft keinen Sieger <strong>und</strong> keinen Besiegten, sondern<br />
beide Parteien haben offenk<strong>und</strong>igen Nutzen aus ihr gezogen.<br />
5>erzog Barnim erhielt das sichere Jahreseinkommen des bedeutenden<br />
Bischofszehnten, das ihm auch ohne eine Erschöpfung seiner Kasse<br />
durch Kriegsnot 3) sehr erwünscht sein mußte. Und Konrad hat<br />
ein geschlossenes Territorium gewonnen, dessen Besitz <strong>für</strong> die Entwicklung<br />
der bischöflichen Stellung eine innere Notwendigkeit<br />
tellung S. 198f.. 315 f., mit Karte. In bezug auf die genauere Abgrenzung<br />
des Landes Stargard wie der später umgesetzten Gebiete darf ich vorweg<br />
bemerken, daß uns hier die schwierig zu erfassenden Einzelheiten der Lokalisierung<br />
nicht beschäftigen können. Daher muß ich auf eine quellenmäßige Begründung<br />
meiner von den früheren Beurteilungen abweichenden Auffassung<br />
verzichten, was ich namentlich gegenüber den jüngsten Untersuchungen Curschmanns<br />
bedauere. Denn seine gr<strong>und</strong>legende Auffassung (5. 198 f., 201 f.)<br />
von der systematischen Einteilung Pommerns in große Landschaften, die ihrerseits<br />
wieder in Unterbezirke (Vurgwarde u. ä.) zerfallen, kann ich nicht<br />
<strong>für</strong> richtig halten. Sie widerspricht m. E. den offenbaren Aussagen der<br />
Quellen.<br />
1) Die schwankenden Hoheitsverhältnisse im Quellgebiet von Plöne <strong>und</strong><br />
Zhna sahen wir oben S. 60.<br />
2) Das hatte Kosegarten, Cod. S. 619 u. 622, aus dem Worte campo-<br />
Llcio
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammw. 13?<br />
war^). Der Anlaß des Vertrags ist also schwerlich in eimr Jubelfeier<br />
des Bistums zu suchen, sondern er entsprang den beiderseitig<br />
gefühlten Wünschen <strong>und</strong> Bedürfnissen. Bei der Gelegenheit<br />
hat dann Barnim, wie bereits erwähnt, die unbequem gewordenen<br />
Kamminer Rechte auf mehrere herzogliche Gefälle durch eine feste<br />
Rente abgelöst <strong>und</strong> die Schenkungen seiner Ahnen sowie die Abgabenfrelheit<br />
der Kirchengiiter feierlich bestätigt.<br />
Nur acht 3ahre ist das Land Stargard bischöflicher Besitz<br />
geblieben 2). Der Herzog konnte es aus politischen Gründen nicht<br />
entbehren. Er brauchte es unbedingt als Gr<strong>und</strong>mauer <strong>für</strong> den Aufmarsch<br />
gegen Polen. Dazu war wenige Monate nach dem Stolper<br />
Vertrag Konrad Ill^ gestorben, <strong>und</strong> das Bistum blieb vier Zahro<br />
lang verwaist. Die Landschaft reichte mit ihrer Westecke bis eins<br />
Meile vor die Tore Stettins, <strong>und</strong> die Stiftsregierung im fernen<br />
Kammin war schwerlich in der Lage, dem ewig unruhigen Polen<br />
ein festes Bollwerk entgegen zu setzen. So hat Barnim sich 1248<br />
entschlossen, Stargard um jeden Preis zurück zu erwerben^). Die<br />
Opfer, die er da<strong>für</strong> bringen mußte, waren nicht gering. Er über-'<br />
nahm die Landschaft nicht zur vollen Landeshoheit, sondern als<br />
bischöfliches Lehen. Als Gegenwert erhielt Bischof..Nilhelm, das.<br />
Land Kolberg, soweit es Erbbesitz Barnims war, mit dem<br />
gleichen uneingeschränkten Hoheitsrecht, zu dem er vorher Stargard<br />
besessen hatte. Eine brandenburgische Lehnshoheit ist auch bei Kol-<br />
!) So auch Wehrmann l, 102. — Die Unterschätzung des bischöflichen<br />
Erwerbs bei Barthold ll. 441 (oergl. dagegen S. 427), Kosegarten. Cod.<br />
S. 619 <strong>und</strong> von Sommerfeld, Germanisierung 6. 185, beruht auf einem<br />
Mißverständnis. Es handelt sich gr<strong>und</strong>sätzlich nicht um das clominium utile<br />
an einer mehr oder minder großen Zahl bis letzt herzoglicher Güter, sondern<br />
durch einen Staatsoertrag geht die <strong>für</strong>stliche Landeshoheit, unter die auch<br />
die Liegenschaften des Klosters Kolbatz <strong>und</strong> der Iohanniter fallen, an einen<br />
neuen Inhaber über. Ebenso wenig steht in der Urk<strong>und</strong>e etwas davon,<br />
daß der Ort Stargard dem Herzog Barnim oder den Iohannitern vorbehalten<br />
blieb (Varthold II. 441- Kosegartcn Cod. S. 619: Island. Konrad lll..<br />
S. 19). Aus Cod. 397 folgert vielmehr deutlich das Gegenteil.<br />
2) Ein Zweifel daran, daß der Vertrag in Kraft trat (Wehrmann I,<br />
103). ist schwerlich angängig. Die Abtretung Cod. 397 setzt den geschehenen<br />
Vollzug voraus. Wehrmanns Vermutung stützt sich wohl auf die Vewidmung<br />
de-» Ortes Stargard mit Magdeburger Recht (Cod. 331 «- P. 572). die er<br />
(S. 113) in das Jahr 1243 verlegt. 3ür unecht möchte ich die Urk<strong>und</strong>e<br />
in der vorliegenden Iorm nicht halten, von Nießens Gründe da<strong>für</strong> (Neumark<br />
S. 77) sind nicht durchschlagend. Dagegen scheint mir das Datum 1243<br />
zu früh <strong>und</strong> die Anfetzung von Quandi, Kratz <strong>und</strong> Klemvin auf 1253 beachtenswert.<br />
2) Cod. 397 -- P. 475. dat. Usedom. 1248 Okt. 7. Ich folge nach<br />
Möglichkeit dem Text des Transsumts von 1308.
138 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammtn.<br />
berg ausgeschlossen 2). An der Nordgrenze des Landes Stargard,<br />
gegen Gollnow <strong>und</strong> Massow, empfing das Kapitel zwei Schläge<br />
von je 100 Hufen zur Kolonisierung, während der Bischof in der<br />
ftuchtbaren <strong>und</strong> wirtschaftlich entwickelten Ackerflur zwischen Maduesee<br />
<strong>und</strong> Zhna einen geschlossenen Besitz von 10 Dörfern <strong>für</strong> sich<br />
herausschälte. Das wichtige Patronat der Stargarder Pfarrkirche<br />
blieb ebenfalls zu seiner Verfügung 2).<br />
Das neue Besitztum war erheblich kleiner als das Land Stargard.<br />
Es umfaßte im wesentlichen den Teil des heutigen Kreises<br />
Kolberg östlich der Persante <strong>und</strong> den Kreis Köslin. Daß es auf<br />
das linke Ufer der Persante (um Klaptow <strong>und</strong> Kerstin) bezw.<br />
der Radue (im Kautel-Bogen) hinübergriff, ist möglich. Über die<br />
Lage der 6i8t.-ictu8 pockt-ol et Oincrine, die als attmentia der<br />
terra (Ikoi bergli e aufgeführt werden, fehlt uns jeglicher Anhaltspunkt.<br />
Mit der Herrfchaft Barnims grenzte das Stiftsland nicht<br />
mehr, da westlich der Persante Herzog Wartislaw Ili. regierte,<br />
zu dessen Erbland auch der Bischofssitz Kammin gehörte.<br />
Im Jahre 1255 sahen die Markgrafen, die mit den Pommern<br />
wieder einmal in 3ehde lagen ^), sich veranlaßt, zu den Verträgen<br />
über Stargard <strong>und</strong> Kolberg Stellung zu nehmen. Sie bestätigen<br />
Bischof Hermann unter anderm den Besitz von Stargard <strong>und</strong> halb<br />
Kolberg mit der Bedingung, quocl ee
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammm.<br />
Kirchen zehnten frei werden <strong>und</strong> an die Markgrafen zurückfallen?<br />
Stargard gehört damals nicht dem Bischof, sondern dem<br />
Herzog. Die Devotionsformel fohlt. Die Korroboration zielig<br />
NO8tn3 cum te3tium 8ud8crjpcjone fecimu8 wdorari ist verdächtig<br />
<strong>und</strong> fachlich verkehrt, da keine Zeugen vorkommen. Daß wir es<br />
mit einer Fälschung oder Ltilübung zu tun haben, halte ich aus<br />
inneren Gründen <strong>und</strong> wegen des Orts der Überlieferung <strong>für</strong> unwahrscheinlich.<br />
Der 3ert kann verstummelt sein^). Wegen der bezeichnenden<br />
formellen Mängel <strong>und</strong> der stilistischen Fassung der<br />
Dispositio glaube ich jedoch, daß wir den ersten auf der Reise in<br />
Prenzlau niedergeschriebenen <strong>und</strong> nie durch Siegelung <strong>und</strong> Zeugen.<br />
vollzogenen Entwurf des bischoflichen Schreibers vor uns haben.<br />
Ii: keinem Fall bedeutet das einfache appropriare eine markgräfliche / '<br />
Lehnshoheit über den Kirchenzehnt oder über die Person des<br />
Bischofs. Ebenso wenig sagt die Urk<strong>und</strong>e, daß die Markgrafen die .'/<br />
Lehnshoheit des Bischofs über Stargard bestätigen.<br />
Der Austausch von 1248 ist der Gr<strong>und</strong>stock des Kamminev '<br />
landes<strong>für</strong>stlichen Territoriums geworden, um den alle solgenden<br />
Erwerbungen sich herumlegten. Das ist die entscheidende Bedeutung<br />
des Vertrags. Unter dem Gesichtspunkt der politischen Auseinandersetzungen<br />
betrachtet, die Pommern, ob es wollte oder nicht, mit ^<br />
seinen Gegnern ringsum ausfechten mußte, lag es <strong>für</strong> den Bischof //<br />
unverhältnismäßig günstiger als Stargard. Mag gleich Herzog.<br />
Mestwin li. auf dem nahen Velgard kein angenehmer Nachbar gewesen<br />
sein, wenigstens bot sein Land indirekten Schutz gegen die<br />
blutigen Fehden in Pommerellen. Daß bis zum Ende des Jahr- i/<br />
H<strong>und</strong>erts das Stiftsland verhältnismäßig wenig unter den Kriegs- //<br />
stürmen der askanischen Erpansion von Küstrin bis Danzig <strong>und</strong> ^<br />
der Kämpfe um das pommerellische Erbe zu leiden hatte, bestätigt i ?<br />
am besten seine glückliche Lage.<br />
Man könnte den Eintausch Kolbergs mit dem bekannten Erwerb<br />
ganzer Grafschaften durch die Reichsbischöfe vergleichen. Doch<br />
sollte man damit recht vorsichtig sein. Der wesentliche Unterschied<br />
bleibt: im Reich geht ein vorhandenes Immunitätsgebiet mit einer<br />
gewissen Summe landesherrlicher Rechte von einem Inhaber, dem<br />
Laiengrafen, auf einen andern, den Bischof, über, das Gebiet selbst<br />
steht nach wie vor im Verband des Reichs. In unserm Fall tritt -<br />
der Herzog dem Bischof einen Landesteil mit allen hoheitsrechten<br />
ab. Er entsagt seiner Herrschaft vollständig, wie wenn er dem sieg-<br />
1) Daß die wichtigsten Staatsverträge nicht davor bewahrt sind, zeigt<br />
P. 3937.
140 3orschungen zur alteren <strong>Gesch</strong>ichte de« Bistums Kammin.<br />
//reichen 3eind ein Gebiet überläßt. Der neue Besitzer ist dem Herzog<br />
// staatsrechtlich nebengeordnet.<br />
/ Wie dieser übt er sämtliche landesherrlichen hoheitsrechte innerhalb<br />
seines Fürstentums <strong>und</strong> nach außen aus. Wir werden uns. da<br />
die herrschende Meinung unserer Auffassung widerspricht, durch<br />
einen Nberblick zu vergewissern haben, daß die Kamminer Bischöfe<br />
w der zweiten Hälfte des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts tatsächlich die <strong>für</strong>stliche<br />
Landeshoheit besaßen. Vorher wird es zweckdienlich sein, das<br />
l. Anwachsen der stiftischen Territorien in "Kürze zu verfolgen. Die<br />
^ historisch-genetische Betrachtung dieses Prozesses würde die Ge-"<br />
^ schichte der. gleichzeitigen politischen. Beziehungen Pommerns zu^<br />
' ! den auswärtigen Mächten in sich schließen. Denn das Vordringen<br />
/ der Askanier durch die Neumark nach Osten, der Kampf um die<br />
/ Auflösung Pommerns <strong>und</strong> die innerpolitischen Verhältnisse der<br />
pcmmerschen Herzogtümer haben die Vorbedingungen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagen<br />
<strong>für</strong> den Ausbau der bischöflichen Territorialherrschaft geschaffen.<br />
Den verschlungenen <strong>und</strong> verworrenen Wegen, auf denen<br />
das Bistum die einzelnen Stiftsgebiete an sich gebracht hat. gehen<br />
wir hier nicht nach, sondern beobachten die Beziehungen der erworbenen<br />
Teile zur landes<strong>für</strong>stlichen Hoheit. So gefehen gliedert<br />
sich der Kamminer Besitz in vier Gruppen: das eigentliche bischöf-'<br />
liche Fürstentum um Kolberg <strong>und</strong> Köslin. die mittel<strong>pommersche</strong>n<br />
Herrschaften Naugard <strong>und</strong> Massow. die Lande an der pommerschbrandenburgischen<br />
Grenze um Lippehne <strong>und</strong> Kerkow <strong>und</strong> schließlich<br />
die kleineren vor<strong>pommersche</strong>n Exklaven.<br />
Bischof Wilhelm, der den Vertrag von 1248 schloß, hat wenig<br />
von dem starken politischen Betätigungsdrang seines Vorgängers<br />
gespürt. Das änderte sich sofort mit dem Regierungsantritt Graf<br />
Hermanns von Gleichen. Der alte Bischofssitz Kammin, in dem er<br />
nur über die Domfreiheit gebot, war nicht die <strong>für</strong>stliche Residenz<br />
.^ nach seinem Wunsch. Gar bald tat er sich mit seinem Nachbar<br />
Herzog Wartislaw Ili. zusammen <strong>und</strong> gründete mit ihm gemeinsam<br />
die deutsche Stadt Kolberg i). 3n sie verlegte er seine ständige<br />
Hofhaltung. Mochte er damals bereits den Erwerb des ganzen<br />
, Landes Kolberg im Auge haben, so mußte er die Verwirklichung<br />
! des Planes sich noch lange versagen. 3m Gegensatz zu seinem<br />
Vetter Barnim hielt Herzog Wartislaw den Landbesitz zusammen.<br />
Er erkannte richtig, daß ein zersplittertes Pommern wehrlos den<br />
1) P. 606 i. 1.1255. Stadt <strong>und</strong> Feldmark liegen im Anteil des Bischofs.<br />
Wartlslaw schenkt Wiesen <strong>und</strong> Wald, beide gemeinsam die Iischerei <strong>und</strong><br />
Mühlengerechtigkeit auf der Persante <strong>und</strong> Radue.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 141<br />
Märkern ausgeliefert war. Als Wartislaw 1264 starb <strong>und</strong> Barnim ,,<br />
ganz Pommern wieder in einer Hand vereinigte, war ihm Hermanns //<br />
Macht schon zu sehr gewachsen <strong>und</strong> das fre<strong>und</strong>schaftliche Vor- '<br />
hältnis zwischen Kammin <strong>und</strong> den Markgrafen schien ihm zu ge- /<br />
fährlich, um seinerseits noch die bischöfliche Territorialgewalt zu<br />
verstärken. Die vielfältigen Interessenverbindungen zwischen dem<br />
Herzog <strong>und</strong> Bischof Hermann, der in den Auseinandersetzungen -<br />
mit Brandenburg die Nolle des ehrlichen Maklers übernahm,<br />
haben schließlich doch zum Übergang von ganz Kolberg an das<br />
Bistum geführt.<br />
3m Jahre 1276 schloß Bischof Hermann mit Herzog Barnim I. j ^<br />
<strong>und</strong> dessen Sohn <strong>und</strong> Mitregenten Vogislaw IV. in voller Fre<strong>und</strong>- -/<br />
schaft, 8me omni coactione, motu proprio et libero, ein Abkommen ! i<br />
über den Erwerb Kolbergs^). Er kaufte den herzoglichen Anteil -<br />
in seinem bestehenden Umfang mit allen landesherrlichen Rechten<br />
<strong>für</strong> 3500 Mark Silber. Die Urk<strong>und</strong>e P. 1044 stellt einen Vorvertrag<br />
dar, der damals, wie heute die Paraphierung, bei wichtigen<br />
Staatsverträgen üblich war 2). Die Regelung der Einzelheiten,<br />
z. B. der Zahlungsfristen, der Grenzeinweisung u. ä., erfolgte erst<br />
später. Das Geld nahm Hermann zum größten Teil aus seinem ,<br />
gleichzeitigen Verkauf des Landes Lippehne an die Markgrafen^). .<br />
Derselbe Gr<strong>und</strong>satz der Zusammenlegung <strong>und</strong> Abr<strong>und</strong>ung desLtiftsbesitzes.<br />
den er im kleinen <strong>für</strong> die Güter in Streulage durchführte,<br />
leitete ihn hier im großen. Kaum war die Abmachung getroffen,<br />
als Barnim einsah, welche Gefahr er blindlings heraufbeschworen<br />
hatte. Denn das politische Gleichgewicht wurde auf das empfindlichste<br />
dadurch gestört, daß die^Markgrafen nach Lippehne auch das<br />
Land Schlawe.mit dem Ostseehafen Nügenwalde zu kaufen suchten<br />
<strong>und</strong> es in den ersten Tagen des Jahres 1277 wirklich erlangten^<br />
(P. 1045). Jetzt waren sie die unmittelbaren Nachbarn des Stifts<br />
geworden. Da mußte sich selbst ein so wenig weitschauender Politiker<br />
wie Herzog Barnim sagen, daß 'das nächste Iiel ihres<br />
Länderhungers leicht Kolberg sein durfte. Er knüpfte Verhandlungen<br />
mit Hermann an <strong>und</strong> hatte wenigstens einen bescheidenen<br />
!) P. 1044. Ohne Tagesdatum, wohl vor dem 18. August (P. 1042).<br />
l) Das zeitlich, örtlich <strong>und</strong> inhaltlich Nächstliegende Beispiel: die Markgrafen<br />
tauschen vom Bistum Brandenburg das Land Königsberg ein. Krabvo<br />
Reg. 948. 986.<br />
») P. 1042, 1276 Aug. 18. Dle von Bischof <strong>und</strong> Kapitel gesiegelte Schluß.<br />
Urk<strong>und</strong>e P. 1043 zwölf Tage später.
142 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
Erfolgs). Man einigte sich (con(x>rclgvimu3) dahin, daß Barnim<br />
vorläufig das abgetrennte Land zu Lehen übernahm bezw. einem<br />
andern vom Bischof bestimmten Lehnsträger übergeben sollte. .Nur<br />
an Brandenburg dürfe es auf keinerlei Weise gelangen, solange<br />
nicht der Bischof durch offenbare Schäden, die ihm Barnim oder<br />
seine Nachfolger vielleicht zufügen könnten, dazu gezwungen würde.<br />
Gelegentlich des Abkommens über die Verleihung von Zehnten<br />
<strong>und</strong> den Austausch verschiedener Dörfer am 30. April des nächsten<br />
Jahres wurden vom Herzog <strong>und</strong> Bischof gemeinsam vier Vertrauensmänner<br />
zur Grenzfeststellung ernannt, <strong>und</strong> Barnim versprach,<br />
daß die Einwohner von Ltadt <strong>und</strong> Land Kolberg dieselben<br />
Gerechtsamen wie bisher im Herzogtum genießen sollten (P. 1060).<br />
Ein Jahr darauf starb Barnim, damit erlosch die herzogliche Lehnshoheit,<br />
<strong>und</strong> Bischof Hermann besaß das ganze Gebiet als freies<br />
landesherrliches Eigenh.<br />
Wann <strong>und</strong> wie das Land Lippehne, dessen Veräußerung<br />
den Kauf von Kolberg ermöglichte, an das Stift gekommen ist,<br />
wissen wir nicht. Alle Aufstellungen darüber, die man aus den<br />
erhaltenen Urk<strong>und</strong>en herauslesen wollte, sind hinfällig. Die herrschende<br />
Anschauung, daß es bereits 1233 stiftisch gewesen sei, geht<br />
auf einen Irrtum von Quandi) zurück, denn die in P. 294 genannte<br />
terra Lip2N2 ist. wie wir sahen (S. 37). zweifellos die<br />
Landschaft Liepe bei Oderberg. Im benachbarten Land Bernstein<br />
tauschte der Bischof 1236 das Dorf Niepölzig an der Plöne<br />
vom Kloster Kolbatz ein (P. 331), <strong>und</strong> vielleicht ist in den nächsten<br />
Jahren noch das eine oder andere Dorf hinzugekommen. Es ist<br />
ferner nicht ausgeschlossen, daß die 400 Hufen, die dem Stift<br />
1253 als Ersatz <strong>für</strong> entfremdete Güter von den Markgrafen<br />
!) Staatsbibliothek Verlin, Ms. boruss. Jol. 97 (ssammmer Urk<strong>und</strong>en«<br />
repertorium vom Jahre 1640). Bl. 101 Nr. 1:1>2N52ctio inter Larnimum,<br />
clucem ^lavorum, et episcopum 0Immi'nen8em 8Uper civitate et terra<br />
(^olberss, quae episcopo 8olventi 3000 /^. ardenti et 50 M2rc28 auri a<br />
principe appropriantur, et terra ^older^ iure feucli po85i6en62 prin»<br />
cipi rezervatur. 4nno 127h. Zur Herstellung des Textes s. P. 1060. Die<br />
50 Mark Gold entsprechen r<strong>und</strong> 500 Mark Silber, vergl. P. 1045.<br />
^) Den politischen Hintergr<strong>und</strong> der Erwerbung hat von Nietzen. Neumark<br />
S. 246f., 262, 264 f. ausführlich erörtert. Seine Anschauungen bann<br />
ich mir im ganzen wie in entscheidenden Einzelheiten nicht zu eigen machen.<br />
S. Wehrmann ll, 103.<br />
2) Balt. Stud. 15 I. S. 183. Das im Jahre 1296 (Riedel ä XVlll<br />
Nr. 6 S. 7) zuerst genannte Conradesdorff-Chursdorf heißt aus verschiedenen<br />
Gründen schwerlich nach Bischof Konrad IN. sNießen, Neumarll S. 207).
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 143<br />
übertragen werden, im heutigen Kreis Soldin gelegen Habens.<br />
Wieder ist es Bischof Hermann, dem es gelang, vom <strong>pommersche</strong>n /, .<br />
Herzog das Land Lippehne zur vollen Hoheit zu erwerben. Am<br />
16. Leptember 1269^) ernennen er <strong>und</strong> Herzog Barnim eine Kommission<br />
von vier Klerikern <strong>und</strong> zwölf Rittern, die einige Wochen<br />
später zur Feststellung der Grenze zwischen Lippehne <strong>und</strong> dem<br />
herzoglich gebliebenen Pyritz zusammentreten sollen. ', <<br />
Nicht lange mehr hat Hermann das Land behalten. Das Än-^. //.<br />
gebot der Askanier konnte ihm nur willkommen sein, <strong>und</strong> er griff<br />
mit MMn^händen zu. Die märkischen Herren hatten ihn in seiner<br />
Stadt Pasewalk aufgesucht, <strong>und</strong> hier kam^am^18^August 1276 /<br />
der^Vorvertrag.zustande^ (P. 1042). Für die an Epiphanias"<br />
<strong>und</strong> Pfingsten 1277 zahlbaren 3000 Mark Silber übergab Hermann<br />
das hinsichtlich der Grenze nicht näher bezeichnete Land mit<br />
1) P. 567. von Nießen, Neumark 164 f., findet sie im Ländchen Schiltberg.<br />
Mir scheinen doch die Gründe, die gegen diese Ansetzung sprechen, zu<br />
überwiegen. Wir kommen alsbald darauf zurück.<br />
») So datiere ich P. 667. Wegen der Wichtigkeit des Datums sei kurz<br />
darauf eingegangen. Die Überlieferung führt zurück auf ein Transsumt Herzog<br />
Wartijlaws «V. (P.3462: i. I. 1321) mit der Jahreszahl 1249. Da sie<br />
zweifellos falsch ist, setzte Quandt auf Gr<strong>und</strong> des ihm zugänglichen Vergleichs-<br />
Materials statt des überlieferten quacira^eöimo die Lesung quinquagesimo<br />
ein, die allgemein angenommen ist. Es muh aber heißen zexa^egima, mög«<br />
licherweise stand der Iehler X^ statt l.X schon in der Urschrift. Meine Gründe<br />
sind folgende: 1. Es wird Bezug genommen auf die bereits vorhandenen'<br />
Urk<strong>und</strong>en über die Grenzfeststellung zwischen Massow <strong>und</strong> Stargard. die offenbar<br />
kurz vorher geschehen ist. Die herzogliche Ausfertigung des Grenz«<br />
abkommens ist erhalten. Es ist P. 889 vom 12. Juli 1269. 2. S. 60 " ist<br />
hinter privilegia zu ergänzen cle öecimis. 3u diesen Zehntvertriigen über<br />
kultiviertes Land <strong>und</strong> Wüstungen gehört wohl der in P. 975 <strong>und</strong> 976 angezogene<br />
frühere Vertrag, der seinerseits wegen des Vorbehalts von Daver nach<br />
1261
144 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
Ausnahme der südlich von Pyritz liegenden Lettnin <strong>und</strong> halb<br />
Köselitz. Bei seiner Rückkehr nach Kammin, am 30. desselben<br />
Monats, fertigte er das eigentliche Ubertragungsinstrument mit<br />
seinem <strong>und</strong> des Kapitels Siegel aus, wie er in üblicher Weise<br />
im Vorvertrag versprochen hatte ^).<br />
Wir nannten bereits im benachbarten Land Bernstein das<br />
Dorf Niepölzig als bischöflichen Besitz. Hat das Stift dort noch<br />
andere Liegenschaften erworben, so sind sie vereinzelt geblieben.<br />
Ebenso wenig ist es zu einer Landeshoheit gleich der über Lippehne<br />
gelangt. Beides wird uns durch eine Bemerkung des Stargardev<br />
Vertrages (P. N68) bezeugt. 3ür den 3all nämlich, daß die eroberte<br />
Landschaft beim Friedensschluß von Pommern an die Askanier<br />
übergeben würde, sollte Bischof Hermann letzteren überlassen,<br />
quicquici ipse ve! ecclezjg iuri8 liabet. Bliebe Bernstein jedoch im<br />
clominium Herzog Barnims, so würde nichts geändert. Bei der so<br />
allgemein gehaltenen Ausdrucksweise ist es nicht unmöglich, daß ein<br />
Gr<strong>und</strong>besitz überhaupt nicht in 3rage kommt.<br />
Wie mir scheint, ganz auf Vermutungen angewiesen sind wir<br />
hinsichtlich des Stiftbesitzes an Schloß <strong>und</strong> Land Kerk ow. Alsbald<br />
nach seiner Thronbesteigung schloß Iaromar, der jugendliche<br />
Nachfolger Bischof Hermanns, mit den ihm verwandten Markgrafen<br />
einen Staatsvertrag über die Anerkennung des gesamten'<br />
Stiftsbesitzes <strong>und</strong> sämtlicher geistlichen <strong>und</strong> weltlichen Gerechtsame<br />
<strong>und</strong> Freiheiten des Bistums ^). Bestand tatsächlich eine Lehnshoheit<br />
der Mark über Pommern, so hatten die Märkgrafen, an<br />
das Land Kolberg ^), das Herzog Barnim ohne lehnsherrliche Ein- ^<br />
willigung dem Stift verkauft hatte, das Recht der Ansprache<br />
(impetro). Sollte binnen Jahr <strong>und</strong> Tag der regierende Herzog<br />
Bogislaw IV. die Markgrafen zum freiwilligen Verzicht auf ihr<br />
wirkliches oder vermeintliches iu8 proprietatis am Stiftsbesitz nicht<br />
1) Die doppelte Ausfertigung war gang <strong>und</strong> gäbe, der Konsens des<br />
Kapitels, der durch die Siegelung ausgedrückt wird, kirchenrechtlich erfordere<br />
lich. Um wieder nur das nächste Beispiel anzuführen, sei auf P. 684 verwiesen,<br />
Hermanns Abtretung von Klockow an die Markgrafen. Die aus der zwei»<br />
fachen Verbriefung gezogenen Schlüsse auf die Politik Hermanns, die unsere<br />
ältere <strong>pommersche</strong> <strong>Gesch</strong>ichtsschreibung kurzweg als „Landesverrat" auffaßte,<br />
sind also nicht aufrecht zu erhalten. Merkwürdig überseht Schillmann S.80<br />
den klaren Text.<br />
2) P. 1555. 1556. 1290 Oktober 35. Auf die Beurteilung des wichtigen<br />
Vertrages, in der ich van allen früheren Beurteilern abweiche, komme ich zurück.<br />
2) Nur dieses, nicht auch der übrige landesherrliche Besitz des Bischofs,<br />
wird bei der Vollziehung des Vertrages P. 1623 genannt.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 145<br />
bewegen, so sollte der Bischof selber zur Entschädigung Schloß<br />
Kerkow ausliefern. Viel mehr als die Dorfmark wird die Abtretung<br />
nach den Umschreibungen von P. 1555 <strong>und</strong> 1556 nicht<br />
umfaßt Habens. Wg ^g Kerkow?<br />
Die Forschung hat m. W. immer es <strong>für</strong> selbstverständlich<br />
gehalten, daß das heutige Dorf Kerkow in der Nordwestecke des<br />
Kreises Soldin gemeint ist. Nur Prümers sah bei der Herausgabe<br />
des P., daß die andern urk<strong>und</strong>lichen Nachrichten nicht mit der<br />
Abtretung von 1290 zusammenreimen, <strong>und</strong> nimmt daher zwei verschiedene<br />
Orte an 2). 2m Jahre 1254 erwirbt das Kloster Kolbatz<br />
von den Gebrüdern Kleist das Dorf Lukow Iedelitz (P. 590). das<br />
vor 1283 in Kerkow umgenannt wird^). Dieses Kerkow bei<br />
Soldin wird als Besitz des Klosters 1255 (P.608). 1283 (P. 1268).<br />
1295 (P. 1712) <strong>und</strong> 1313 (P. 2816. zweite Ausfertigung) aufgeführt,<br />
nicht genannt ist es in einer markgräflichen Konfirmation<br />
aus dem Jahre 1282 (P. 1232) <strong>und</strong> in der ersten Ausfertigung<br />
der Konfirmation Herzog Wartislaws IV. (P. 2816). Nun sollen<br />
aber nach Niehens Meinung die Urk<strong>und</strong>en 608 <strong>und</strong> 1217 Fälschungen<br />
aus dem Beginn des 14. Jahrh<strong>und</strong>erts sein^), <strong>und</strong><br />
P. 1268 dünkt ihm ebenfalls nicht zweifelsfrei b). Bei der „Rettung"<br />
des wichtigen Privilegs Bischof Konrads I. P. 80 wies ich<br />
auf die Schwierigkeiten einer diplomatischen Beurteilung der Kolbatzer<br />
Urk<strong>und</strong>en hin«) <strong>und</strong> will nicht verhehlen, daß sie mir nckh<br />
wiederholter Durchsicht des umfangreichen Matertals nicht geringer,<br />
sondern eher größer erscheinen. Hoffentlich nimmt sich doch noch<br />
ein Forscher, der allerdings in der Diplomatik des Zisterziensern<br />
ordens wie in der <strong>pommersche</strong>n <strong>Gesch</strong>ichte des 12. bis 14. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
gleich gut zu Hause sein muß, des mühseligen aber sicherlich<br />
reich lohnenden Themas an. Ich mutz mich hier darauf beschränken<br />
zu erwähnen, daß die genannten Urk<strong>und</strong>en sachliche<br />
Schwierigkeiten <strong>und</strong> vielleicht „leere Prätensionen" enthalten, der<br />
Beweis ihrer Unechtheit scheint mir aber vorläufig nicht schlüssig?).<br />
1) P. 1555, 1556; casirum Kerko>v cum omnibuz M3N3i3 et terminis,<br />
qui act illucl c28trum zecunclum iusticiam clebent »ttinere; (^erko^v cum<br />
omnibu8 8ui5 attinencjjz. P. 1623: terra Kirkowe.<br />
2) Register Bd. lll, S.634.<br />
2) P. 1268. P. 1712 l.uko>v (5e6elix, que nunc lv ckcitur.<br />
4) Monatsblätter II. 108 f., 121 f.<br />
b) Neumark S. 274 Anm. 5.<br />
e) Balt. Stud. N. 5. XIII. 148 f.<br />
') Es sei ganz kurz nur die uns am nächsten angehende P. 1712 herangezogen.<br />
Von den 8 Gründen von Nießens (S. 123 f.) wäre <strong>für</strong> die Un-
146 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
3n vorbildlicher Weise hat von Nießen aus den erhaltenen<br />
dürftigen Notizen die Besitzverhältnisse im heutigen Kreis Loldin<br />
<strong>und</strong> seinen allmählichen Erwerb durch die Markgrafen erschlossen.<br />
Daß hier sehr vieles hypothetisch bleiben mufzte. daß dabei dem<br />
Forscher besonders leicht die Konjektur zur Erkenntnis sich wandeln<br />
konnte l), war ihm klar. Wir kommen nicht um die Tatsache<br />
herum, daß wir im Land Schiltberg ein bischöfliches Gebiet nicht<br />
feststellen können (L. 138 Anm. 5). Wir wissen überhaupt nicht,<br />
daß ein Stück davon jemals bischöflich gewesen ist. <strong>und</strong> die<br />
offenbaren Widersprüche der Quellen bei der Annahme einer<br />
Kamminer Herrschaft erscheinen mir nicht ausgleichbar. Wie wir<br />
uns über die Lokalisierung des bischöflichen Kerkow entscheiden<br />
mögen, einen größeren Besitz oder eine Kamminer landesherrliche<br />
Hoheit in Schiltberg halte ich <strong>für</strong> unmöglich. Damit entfällt zugleich<br />
der Hauptgr<strong>und</strong>, der <strong>für</strong> die Gleichsetzung des Kolbatzer<br />
mit dem Kamminer Kerkow sprechen möchte.<br />
Es ist nicht ausgeschlossen, daß Schloß Kerkow das Schicksal<br />
von Cinnenburg geteilt hat <strong>und</strong> bald untergegangen ist. Doch möchte<br />
ich eine andere Läsung zur Erörterung stellen. Ich vermute, daß,<br />
das gesuchte Kerkow das uckermärkische Dorf diefes Namens bei<br />
Angermünde ist. Ohne in eine ausführliche Begründung eintreten<br />
zu können, darf ich folgendes hervorheben. Die im Jahre 1253<br />
(P. 567) von den Markgrafen überwiesenen 400 Hufen suche ich<br />
nicht im Lande Schiltberg, sondern in der Uckermark ^). Daß die<br />
Hufen geschlossen gelegen haben, ist wenig wahrscheinlich^). Nichts<br />
hindert uns, sie um Kerkow, Klockow^) <strong>und</strong> bei einem dritten<br />
echtheit sehr beachtenswert Nr. 3 <strong>und</strong> entscheidend Nr. 4. Ob Nr. 3 durch<br />
einen Datierungsfehler (s. meine angeführten Bemerkungen), durch eine der<br />
bekannten Nachlässigkeiten der Kolbatzer Schreiber oder als tatsächliche Anmaßung<br />
zu erklären ist. bleibe dahingestellt. Das einzige entscheidende Merkmal<br />
<strong>für</strong> die Unechtheit, Nr. 4> ist ein Irrtum von Nießens. Die Urk<strong>und</strong>e<br />
nimmt nicht auf eine ..ungedruckte, unzweifelhaft unechte Urk<strong>und</strong>e Herzog<br />
Kasimirs vom Jahre 1275" Bezug, sondern auf P. 1000.<br />
1) Neumark. Vorwort S.V.<br />
2) Letztere Möglichkeit erwägt bereits von Nießen. Äeumark S. 165<br />
Anm. Vgl. zur Schwierigkeit — oder, wie mir scheint. Unmöglichkeit —, die<br />
Hufen in Schiltberg zu suchen, besonders S. 166 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 <strong>und</strong> Anm.<br />
2) S. den gleichartigen Vertrag mit kebus, Riedel 4 XX S. 185. Wenn<br />
von Nießen diesen nicht übersehen hätte, würde er vermutlich auch den Ver«<br />
trag mit Kammin anders gedeutet haben.<br />
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 147<br />
<strong>und</strong> vierten Ort zu suchen. Daß Kerkow bereits in den Brandenburger<br />
Sprengel fällt, ist kein 5)inderungsgr<strong>und</strong>, die bischöflichbrandenburgische<br />
Herrschaft Königsberg lag ebenso in der Diözese<br />
Kammin^). Das Dorf ist im 14. Jahrh<strong>und</strong>ert markgräfliches<br />
Eigentum, der falsche Waldemar hat es der Stadt Angermündo<br />
verliehen 2). Und sehr bezeichnend ist, daß beide Male, 1290 <strong>und</strong><br />
1292. die Verhandlungen über Kerkow in den benachbarten Gerswalde<br />
<strong>und</strong> Angermünde stattfinden. Herzog Bogislaw hat den im<br />
Gerswalder Vertrag vorgesehenen Verzicht der Markgrafen auf die<br />
impeticio an Kolberg nicht erwirkt, demzufolge wird das Abkommen<br />
über den heimfall Kerkows ratifiziert (P. 1623). Ist unsery<br />
Gleichsetzung von Kerkow richtig, so wird damit erneut die Frage<br />
der genaueren Datierung des <strong>für</strong> die brandenburgisch-preußische<br />
<strong>Gesch</strong>ichte entscheidenden Augenblickes aufgeworfen, wann die Markgrafen<br />
zum ersten Male die untere Oder überschreiten <strong>und</strong> an<br />
der pommersch-neumärkischen Grenze festen 3uß gewinnen.<br />
Im herzen des Landes liegt der große geschlossene Stiftsbesitz<br />
um Naugard, Massow <strong>und</strong> Sassenburg. Es ist ein<br />
50 Kilometer langer <strong>und</strong> bis 20 Kilometer breiter Streifen von<br />
der Nordspitze des Kreises Naugard bis in die Gegend von Kloster<br />
Marienfließ im Südens. Über die Zeit <strong>und</strong> die näheren Um-«<br />
stände des Erwerbs wissen wir wegen des Verlustes des Kapitelarchivs<br />
nichts. Wir können nur feststellen, wann die verschiedenen<br />
Teile zum erstenmal im bischöflichen Besitz erscheinen. Die Grenze<br />
zwischen dem Land Massow <strong>und</strong> dem herzoglichen Stargard wird<br />
1269 abgesteckt 4). Iu Massow rechnet der Stiftsanteil des Kreises<br />
Saatzig, in dem auch jene 100 Hufen liegen, die 1248 bei der<br />
Rückgabe des Landes Stargard dem Kapitel vorbehalten werden.<br />
Daß Schloß <strong>und</strong> Land Naugard dem Stift gehören, erfahren wir<br />
Kulturland ein jüngerer Siedwngsboden eingesprengt liegt: Schenkenberg,<br />
Schönfeld. Neuenfeld. Iahrenwalde.<br />
i Geh. Staatsarch. Berlin: Repos. 57. 14b. fol. 1 --- Krabbo Neg.948;<br />
Riedel /V VII S. 243 Nr. 2 --- Krabbo Reg. 986. Erstere wird Hans Schulze<br />
in dem Jahrbuch <strong>für</strong> Brandenburgische Kirchengeschichte zur Fortsetzung<br />
seiner Untersuchungen über den Gr<strong>und</strong>besitz des Bistums Brandenburg abdrucken.<br />
Vgl. die dort gegebene Darstellung, die ich durch die Liebenswürdigkeit<br />
des Verfassers im Iahnenabzug benutzen konnte.<br />
2) Riedel 4 Xlll. S. 179 Nr. 2.<br />
s) Treffliche Dienste <strong>für</strong> die Ermittlung des Grenzzugs leistet Curschmanns<br />
Karte der Verwaltunggeinteilung im Regierungsbezirk Stettin östlich<br />
der Oder vor der Kreisefnteilung von 1724.<br />
148 3orschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
erst in dem Augenblick, als Bischof Hermann sie bereits seinem<br />
Verwandten, dem Grafen Otto von Eberstein, zu Lehen gibt^).<br />
Um die Wende, des Jahrh<strong>und</strong>erts ist die nähere Umgebung von<br />
Quarkenburg (heute 3riedrichsberg) an das Stift gelangt 2). Ob<br />
die Hauptmasse des Besitzes von Bischof Hermann auf einmal<br />
oder durch verschiedene Abkommen erworben ist. darüber lassen<br />
sich nur unsichere Vermutungen aufstellen. Ebenso werden wir<br />
schwerlich Klarheit gewinnen, ob im benachbarten^Land Daber<br />
das Stift größere Liegenschaften erworben hat. Hier sind die Besitzverhiiltnisse<br />
in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts im<br />
lebhaften 3luß^). Graf Gunzelin von Schwerin, Kloster Dünnmünde,<br />
die Templer, die Herren von Behr <strong>und</strong> andere <strong>Gesch</strong>lechter<br />
suchen umfangreiche Landstriche zu kolonisieren, vorübergehend hat<br />
es Vogislaw lV. im Jahre 1284 sogar den Askaniern als Faustpfand<br />
überlassen (P. 1312). Es ist möglich, daß die bedeutenden<br />
Iinsverleihungen Bischof Hermanns ^) nur die kirchlichen Abgaben<br />
meinen. Nachdem ich jetzt aber eine Iehntenschenkung Warttslaws<br />
NI. an das Stiftskapitel gef<strong>und</strong>en habe^). möchte ich die<br />
schon früher gehegte Vermutung aussprechen, daß z. B. in P. 1052<br />
auch an stiftischen Gr<strong>und</strong>besitz gedacht sein kann.<br />
Iu Kolberg. Naugard-Massow, den abgetretenen Lippehne<br />
<strong>und</strong> Kerkow tritt als letzte Herrschaft, die der Bischof am Ende<br />
des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts zu voller Landeshoheit besitzt, das Ländchen<br />
Iarmen an der Peene. Im Jahre 1277 ist es zuerst als bischöflicher<br />
Besitz bezeugt. Hermann tauschte damals mit Herzog Barnim<br />
nach seiner uns bereits bekannten Abr<strong>und</strong>ungspolitik zwei Dörfer<br />
in Streulage bei Demmin gegen zwei andere um Iarmen (P. 1060).<br />
An die bischöfliche Kurie zu Iarmen liefert das Klostor Eldena<br />
eine Iahreslast von 7 Pf<strong>und</strong> Salz ab. Mehrfach haben die Bischöfe<br />
in ihrem opi6um Wohnung genommen, <strong>und</strong> schon 1270 hat Hermann<br />
2) P. 983. Bd. Ili S. 443.<br />
2) Das ergibt ein Vergleich von P. 862 <strong>und</strong> 957 mit 3158.<br />
2) S. die Zusammenstellung bei Lurschmann, Landeseinteilung S. 125f.<br />
3orschungen zur alteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 149<br />
hier den Besuch Bischof Ottos von Minden empfangen ^). Unter<br />
allen Stiftsterritorien kennen wir die Abgrenzung Iarmens am<br />
besten. Es ist die nordöstliche Ecke des Kreises Demmm mit den<br />
Gemarkungen Iarmen. Bentzin, Iarrenthin, Iemmin. Müssenthin,<br />
Kroß- <strong>und</strong> Klein-Toitin 2). Herzog Otto I. nimmt es 1305 gegen /^<br />
Zahlung von 3000 Mark bezw. eine Anweisung von 300 Hufen<br />
zwischen Ihna <strong>und</strong> Plöne vom Bistum zu Lehen, die Landeshoheit<br />
bleibt jedoch dem Bischof vorbehalten.<br />
Es gibt wohl kaum ein deutsches Bistum, das im Laufe eines<br />
halben Jahrh<strong>und</strong>erts ^o umfangreiche landesherrliche Territorien<br />
erworben hat. Was Konrad Ili. klug eingeleitet <strong>und</strong> Hermann<br />
mit außerordentlichem politischen <strong>Gesch</strong>ick durchgeführt hat. haben<br />
die'tatkräftigen Bischöfe bis zur Mitte des 14. Jahrh<strong>und</strong>erts erweitert<br />
<strong>und</strong> ausgebaut. Der Umfang des „Fürstentums" um Kol- --,<br />
berg hat sich verdoppelt: die Bischöfe gewinnen 1308 das Land^^ <<br />
am Nestbach. 1317 Schiv elbein, 1339 Bublitz. um 1353<br />
Pollnow <strong>und</strong> Ianow. 1304 erwirbt Heinrich von Wacholz<br />
die Burg Gülzow südwestlich von Kammin, bald schon dehnt<br />
sich das Amt Gülzow so weit aus. daß es mit dem Stiftslank<br />
Naugard zusammenwächst. Stadt <strong>und</strong> Land Kammin haben<br />
die Bischöfe, trotz aller Anstrengungen darum, nur mehrere Jahrzehnte<br />
in Besitz halten können. Schon 1313 hat Markgraf Waldemar<br />
seine s>s0pl-iet38 an der Stadt Kammin dem Bischof Heinrich<br />
verliehen 3). Die Vergabung bedeutet m. E., daß der Markgraf<br />
auf seine Oberlehnshoheit verzichtet <strong>für</strong> den 3all, daß Heinrich das<br />
Lan3 vom Herzogtum Pommern erwirbt. Die Beziehungen der<br />
Bischöfe Heinrich (1302—17) <strong>und</strong> Konrad lV. (—1324) zu den<br />
Herzogen waren da<strong>für</strong> denkbar günstig. Nachdem die Herzoge 1320<br />
ihre gesamten Länder als Kamminer Lehen aufgetragen hatten<br />
(P. 3391, 3392). verkauften sie dem Stift im nächsten Jahre<br />
Stadt <strong>und</strong> Land Kammin, doch unter Vorbehalt des Rückkaufs- , f<br />
rechts. Mehrmals wurde die gestellte Frist verlängert, bis 1355 li<br />
Bogislaw V., Barnim lV. <strong>und</strong> Wartislaw V. den Nückerwerb voll- / //<br />
zogen haben. Seitdem ist Kammin stets beim Herzogtum geblieben. > ^'<br />
Was den landesherrlichen Besitz Kammins so wertvoll machte,<br />
war der Umstand, daß er in drei bezw. seit 1305 in zwei großen<br />
1) P. 1171. 1034. 1540. 912.<br />
«) P. 2206. Statt Ueutin lies Lencin.<br />
b) Aus inhaltlichen <strong>und</strong> formellen Gründen kann ich gegen die Urk<strong>und</strong>e<br />
einen gewissen Verdacht nicht loswerden. Ich kenne aber die Kanzlei des letzten<br />
Askamers zu wenig, um mir ein Urteil erlauben zu dürfen.
150 Forschungen zur alteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
abger<strong>und</strong>eten Territorien zusammenlag. Auch das ist ein gr<strong>und</strong>legender<br />
Unterschied gegenüber den zersplitterten landes<strong>für</strong>stlichen<br />
Herrschaften der Reichsbischöfe. Es leuchtet ein, daß eine solche<br />
<strong>Gesch</strong>lossenheit politisch wie wirtschaftlich ganz andere Möglichkeiten<br />
bot. Iur Einschätzung des bischöflichen Jahreseinkommens<br />
sei vergleichsweise erwähnt, daß Kammin als gervitium commune<br />
das Vielfache desjenigen seiner Nachbarn <strong>und</strong> beinahe so viel wie<br />
das Erzbistum Magdeburg zahlte. Daß auf die Dauer das Herzogtum<br />
eine so starke landesherrliche Macht im eigenen Fleische nicht<br />
tragen konnte, daß eine Auseinandersetzung kommen mußte, war<br />
unausbleiblich. Der Rückkauf von Kammin ist. das erste Anzeichen<br />
der entschlossenen Umkehr der herzoglichen Politik. Gleichzeitig<br />
hat Bogislaw V. dem eben in bedrängter Lage schwebenden<br />
Bischof Johann den Verzicht auf die freie Bischofs- <strong>und</strong> Prälatenwahl,<br />
jenes Gr<strong>und</strong>privileg Herzog Kasimirs vom Jahre N76, abgepreßt<br />
<strong>und</strong> ihm eine Schirmoogtei über die Stiftsgüter aufgedrängt').<br />
Ein paar Jahre vorher, am 12. Juni 1348,^hatte_<br />
Karl IV. die Eigenschaft der Herzoge'als Neichs<strong>für</strong>sten endgiltig<br />
festgestellt. Damit war der Einfluß Brandenburgs, das gewollt <strong>und</strong> ^<br />
ungewollt die Stärkung der Kamminer Landeshoheit im weitesten<br />
Maße gefördert hatte, gebrochen. Waren in der Zeit der Bildung<br />
der Kamminer Hoheit die Bifchöfe den Herzogen an politischer<br />
Befähigung weit überlegen gewesen, so kehrte sich jetzt das Verhältnis<br />
um. Trotz immer erneuter Gegenstöße einzelner tüchtiger<br />
Bischöfe war der Rückgang der staatsrechtlichen Bedeutung Kammins<br />
nicht aufzuhalten, das Stift wird zum ersten „Stand" des<br />
Herzogtums.<br />
Doch wir haben die zeitliche Grenze unserer Untersuchung erheblich<br />
überschritten <strong>und</strong> kommen noch einmal auf die von der<br />
früheren Forschung in der Schwebe gelassene 3rage zurück, ob<br />
Bischof Hermann die volle <strong>für</strong>stliche Landeshoheit besessen<br />
hat oder nicht. Ich darf wohl annehmen, daß die Frage <strong>für</strong><br />
uns nicht mehr besteht. Der Bischof erwirbt von den Landesherren<br />
ausgedehnte Territorien zum vollen uneingeschränkten Eigen, er<br />
soll, wie die Urk<strong>und</strong>en ausdrücklich feststellen, über seinen Erwerb<br />
genau dieselben Rechte <strong>und</strong> Freiheiten wie die <strong>für</strong>stlichen Vorbesitzer<br />
haben. In seinem landesherrlichen Besitz übt er allein <strong>und</strong> kein<br />
anderer Landes<strong>für</strong>st sämtliche Befugnisse des deutschen <strong>und</strong>, so weit<br />
es in Kraft ist, des slavischen Rechts aus. Er erhebt die Jolle<br />
l> Klempin. Diplom. Veitr. S. 431 f.
Forschungen zur alteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. 151<br />
<strong>und</strong> Steuern, die persönlichen <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>lasten aller Art. Er<br />
hat das hohe <strong>und</strong> niedere Gericht, den Heerbann, das Befestigungsrecht,<br />
den Wege-. Brücken-, Burg- <strong>und</strong> Stadtbau, den 3orst- <strong>und</strong><br />
Wildbann, die Fischerei, die Mühlen- <strong>und</strong> Münzgerechtigkeit. Er lf<br />
gründet <strong>und</strong> bewidmet die deutschrechtlichen Städte <strong>und</strong> betätigt sich !'><br />
als ihr landeshoheitlicher Stadtherr. Ihm unterliegt die gesamte ^<br />
Verfassung <strong>und</strong> Verwaltung. Er regiert wie jeder Landesherr, hält<br />
das Landding ab <strong>und</strong> ernennt seine eigenen Beamten. Mit anderen<br />
Landesherren schließt er Staatsverträge über rein politische Fragen,<br />
ebenso wie über Jolle <strong>und</strong> ähnliche <strong>für</strong>stliche Gerechtsamen, ohne<br />
daß die <strong>pommersche</strong>n Herzoge ihm hineinzureden haben. Wie<br />
er ein Territorium erworben hat. so kann er es wieder veräußern. ,<br />
Er ist Lehnsherr über den Herzog in Stargard. halb Kolberg <strong>und</strong> //<br />
Iarmen <strong>und</strong> begründet das gräflich Ebersteinsche LeHen zu Naugard.<br />
Kurz, unsere Urk<strong>und</strong>en zeigen ihn im Besitz der gleichen<br />
Und in einer Reihe von Punkten höheren Gewalt, als die domini<br />
terre des Neichs im 3tawtum in tavorem principum erhalten. Jede<br />
beschränkende Hoheit, die bei den Reichs<strong>für</strong>stentümern durch die<br />
gebotene Rücksichtnahme auf andere Rechtsinhaber <strong>und</strong> auf den<br />
Lehnsverband des Reichs gegeben ist. fehlt bei Kammin. Die Kam- ,,<br />
miner Stiftsterritorien rechnen am Ende.des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts //<br />
überhaupt nicht zum Herzogtum Pommern, in der Landesteilung M<br />
von. 1295^) werden ^ie darum gar nicht erwähnt.<br />
Nirgendwo finden wir alfo eine Andeutung, daß die <strong>pommersche</strong>n<br />
Herzoge am Ende des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts über die Kamminer<br />
landes<strong>für</strong>stlichen Territorien irgend eine Hoheit, heiße sie Lehen.<br />
Vogtei oder sonstwie, besitzen. Nun nimmt die neuere Forschung .<br />
m. W. einstimmig an,.daß Bischof Hermann die Askanier als seine ///<br />
Lehnsherren anerkannt habe 2). Es liegt auf der Hand, daß die<br />
Auffassung von Hermanns staatsrechtlicher Stellung zur Mark nicht<br />
nur <strong>für</strong> die Beurteilung seiner Politik <strong>und</strong> der Kamminer Kirchengeschichte,<br />
sondern auch <strong>für</strong> die äußerst schwierig zu gewinnende<br />
klare Erkenntnis der gleichzeitigen Beziehungen zwischen dem her- )<br />
zogtmn Pommern <strong>und</strong> den^Märkern von ^ ausschlaggebender. Be- ?<br />
deutung lsf. '^TroMem "die Lehnshoheit allgemein als feststehend<br />
gilt, ist mir nicht der geringste Zweifel geblieben, daß diese Annahme<br />
irrt. Keine Nachricht der Quellen kennt die Kamminer Lehnsabhängigkeit,<br />
im Gegenteil wird sie mit nackten eindeutigen Worten<br />
gerade zurückgewiesen. Auf zwei Gründe stützt sich die gegenteilige<br />
1) P. 1729—1731. > . <<br />
2) Wehrmann l. 101. von Nießen Neumark 6.244. usw.
152 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
Annahme: Bischof Hermann wählt die Markgrafen zu seinen<br />
/ wtoi-eZ (P. 1168),^Iind die Markgrafen "bestätigen mehrmals die<br />
/' pl-oprietgZ des Bischofs an seinen Territorien. Die Miche Deutung<br />
der ersten Tatsache ist ein geschichtlicher Irrtum, die Beurteilung<br />
der siroprietaz ein Übersetzungsfehler.<br />
Daß eine Abtei oder ein Hochstift benachbarte Fürsten zu<br />
Schützern nimmt, ist eine alltägliche Erscheinung <strong>und</strong> schafft keine<br />
neue staatsrechtliche Beziehung zwischen Schützer <strong>und</strong> Schützling.<br />
/'/2m Jahre 1245 wählt Kloster. Gramzow die Markgrafen zu<br />
? seinen avvocati ecologie, <strong>und</strong> Kloster Kolbatz erscheint urk<strong>und</strong>lich<br />
unter der besonderen Obhut der Herzoge wie der Markgrafen i).<br />
3ür Hermann selber sind ja bei seiner Wahl in Hildesheim eine<br />
ganze Reihe von 3ürsten. darunter zufällig auch die Markgrafen<br />
von Brandenburg, zu tutores bestimmt worden. An der rechtlichen<br />
Stellung der genannten Klöster, Hildesheims <strong>und</strong> anderer Neichsbistümer<br />
wird durch die tuicio Zpecialis nicht das geringste geändert,<br />
von einer „Unterwerfung" unter den Beschützer ist keine<br />
/ Rede. Kenau so steht es bei Bischof Hermann. In Kammin wie<br />
i sonst schläft das Schutzverhältnis von selbst ein, was bei einer Auftragung<br />
zu Lehnsrecht doch nicht gut möglich ist.<br />
hinsichtlich des Worts proprietà haben die Forscher nicht<br />
beachtet, welche eigentümliche <strong>und</strong> genau bekannte rechtliche Bedeutung<br />
es hat 2). Statt aller theoretischen Erörterungen will ich<br />
nur ein schlagendes <strong>und</strong> den Kamminer landes<strong>für</strong>stlichen Besitz unmittelbar<br />
betreffendes Beispiel anführen. Herzog Otto l. kauft im<br />
Jahre 1305 (P. 2206) das Land Iarmen. das bis dahin unter<br />
der vollen landes<strong>für</strong>stlichen Hoheit des Stifts gestanden hat. mit<br />
sämtlichen Freiheiten <strong>und</strong> Rechten, prout iöem episcopug et capi-<br />
< tulum eam liactenuz rnz^erunt, ^raprietate tgmen eiuscl<br />
e m terre eis
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Bammln. 153<br />
Iarmen, bleibt sie eben vorenthalten. Wenn also die Markgrafen ,<br />
1255 dem Bischof Hermann bestätigen, daß er die proprietà der //<br />
Stiftsländer Kolberg <strong>und</strong> Klockow hat (P. 617). dann bedeutet ^<br />
das doch nicht, daß Hermann ihre Lehnshoheit anerkennt, sondern<br />
genau umgekehrt: daß er lehnsfrei ist. Wegen seiner Gegenüberstellung<br />
von clommium <strong>und</strong> proprietà greifbar' deutlich liegt das<br />
Verhältnis im Stargarder Vertrag (P. 1168). Das Gebiet, über<br />
das man ein Abkommen trifft, besteht <strong>für</strong> die Vertragschließenden<br />
aus zwei Teilen, der Burg Arnhausen mit Zubehör (S. 428 1.1)<br />
<strong>und</strong> dem Anteil des Landes Kolberg (I. 3). Arnhausen liegt nach<br />
der Behauptung der Markgrafen in ihrem Land Cinnenburg <strong>und</strong><br />
bleibt deshalb auch als bischöflicher Besitz unter ihrem cwminium<br />
(I. 7). Der Anteil von Kolberg dagegen gehärt als proprietà, nls<br />
volles landesherrliches Eigen ohne Lehnscharakter, dem Bischof<br />
(I. 3). 3ür die Anerkennung dieser bischöflichen Hoheit will Hermann<br />
dem Markgrafen Albrecht die (vermutlich geringen) bischöflichen<br />
Besitzungen in dem soeben von den Brandenburgern besetzten<br />
Land Bernstein überlassen, falls Bernstein durch den Friedensschluß<br />
an die Mark gelangt (I. 20). Bleibt es aber bei Pommern,<br />
so fällt auch diese Gegenleistung <strong>für</strong> die Anerkennung weg (I.22).<br />
Selbst wenn man unter Verkennung der Sachlage (s. auch I. 24 f.)<br />
<strong>und</strong> des Kanzleistils die Formel damuZ et confirmamug (I. 4) so<br />
deuten wollte, daß die Markgrafen früher die Lehnshoheit über<br />
halb Kolberg besessen hätten <strong>und</strong> sie jetzt dem Stift übertrügen.<br />
so würde daraus folgen, daß der Bischof mindestens von nun an. ^<br />
nicht mehr Lehnsmann der Askanier sei >). Aber auch vorher hören<br />
wir in den Verträgen, wo wir eine Bezugnahme auf das Lehnsverhältnis<br />
erwarten müßten, kein Wort davon. Umgekehrt wird<br />
uns vielmehr unsere Deutung des Prenzlauer Vertrags bestätigt<br />
durch die Weiterveräußerung Klockows. In P. 617 erkennen die<br />
Markgrafen die bischöfliche propnetag über Klockow an. Ewige<br />
Jahre später tauschen sie es gegen Menkin <strong>und</strong> Wolschow ein<br />
154 Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin.<br />
das Anspruchsrecht an Kolberg, das aus der behaupteten Lehns-<br />
Hoheit der Askanier über Herzog Bogislaw IV. hergeleitet werden<br />
könnte, durch die Überlassung der Burg Kerkow beigelegt ^). Die<br />
Askanier haben eine Lehnshoheit über das Stift Kammin niemals<br />
besessen.<br />
Wir fassen das Ergebnis zusammen. Der geistliche Fürst im<br />
Reich wurde Landesherr über größere oder kleinere Bezirke, in<br />
denen er hoheitsrechte erlangte, unbekümmert ob er in ihnen<br />
Gr<strong>und</strong>herr war oder nicht: <strong>für</strong> die Entstehung der Territorien hat<br />
der Gr<strong>und</strong>besitz nur untergeordnete Bedeutung ^). Dagegen beruht<br />
die Entstehung der landes<strong>für</strong>stlichen Hoheit unserer Kamminer<br />
Bischöfe auf dem Erwerb von großen Gr<strong>und</strong>herrschaften in ötreulage,<br />
dann von geschlossenen Territorien. Untrennbar mit der Entwicklung<br />
verknüpft ist die persönliche politische Bedeutung der<br />
Träger der bischöflichen Gewalt. Ohne das staatsmannische <strong>Gesch</strong>ick<br />
eines Konrad lll. <strong>und</strong> Hermann von Gleichen wäre Kammin unter<br />
dem Kampfgetümmel der Zeit vermutlich zu einer noch bescheideneren<br />
Rolle als seine Nachbarn ringsum verurteilt gewesen. Das<br />
bewußte hinarbeiten vornehmlich dieser beiden Bischöfe auf einen<br />
<strong>für</strong>stlichen Territorialerwerb hat dem Kamminer Stuhl auch äußerlich<br />
den 3ürstenstand verschafft, den seine Inhaber als Rang <strong>für</strong><br />
ihre Person offenbar schon etwas früher besessen haben. Die Bedeutung<br />
der Eromtion des Bistums <strong>für</strong> die Begründung des<br />
Landes<strong>für</strong>stenstandes bestand nicht in einer rechtlichen Eximierung<br />
seiner Gründungsausstattung, sondern lag auf einem andern 5elde.<br />
2n seiner unabhängigen, nur auf die eigene Kraft angewiesenen<br />
Stellung mußte es die Schwingen zum 3luge entfalten, wollte es<br />
nicht erdrückt werden. War der Anschlich an ein Erzbistum wirklich<br />
so wertvoll, wie man neuerdings eingeworfen hat, die Kamminer<br />
hätten sich schwerlich auf Tod <strong>und</strong> Leben dagegen gesträubt. Sondern<br />
sie werden aus unmittelbarer Anschauung gewußt haben, was<br />
wir rückblickend <strong>und</strong> am Erfolg die Mittel wertend heute noch<br />
sehen, daß ihnen die Einordnung in den Verband einer Erzdiözese»<br />
nicht förderlich, sondern hinderlich war. Daß auf diesem Wege<br />
Kammin nahe daran war, durch Innocenz IV. zum Erzbistum erhoben<br />
zu werden, kann unser Urteil nur bestärken. In derselben<br />
Richtung wie die Befreiung von der erzbifchöflichen Bevorm<strong>und</strong>ung<br />
hat Herzog Kasimirs I. Verzicht auf die Ausübung des Einflusses<br />
der Landesherren gewirkt. Mit Absicht haben wir betont, wie<br />
>) P. 1555. 1556, 1623.<br />
2) Hauck. Territorien S. 670 f.
Forschungen zur älteren <strong>Gesch</strong>ichte des Bistums Kammin. l55<br />
Kammin daneben von äußeren zufälligen Zusammentreffen begünstigt<br />
wurde, daß besonders den staatsmännisch geschulten <strong>und</strong> ihres<br />
Zieles bennrßten Bischöfen schwache <strong>und</strong> planlose Herzoge gegenüberstanden.<br />
Alle Momente haben schließlich zusammengewirkt,<br />
daß Kammin als einziges Bistum der jüngeren deutschen Kolonisationszeit<br />
im Slavenland eine <strong>für</strong>stliche Landeshoheit im Sinne<br />
einer geschlossenen Territorialmacht begründet hat.<br />
Die hohe Gerichtsbarkeit, deren Wert <strong>für</strong> die Entstehung der<br />
bischoflichen Iürstenmacht im Reich man seit Belows Vorgang so<br />
lebhaft in den Vordergr<strong>und</strong> rückt, hat in der Kamminer Entwicklung<br />
eine untergeordnete Rolle gespielt. Die bekannten Usurpierungen<br />
des Hochgerichts außerhalb der Stiftsgüter sind bei uns<br />
überhaupt nicht vorgekommen. Wo einmal der Bischof außerhalb<br />
seiner Or<strong>und</strong>herrschaft Gerichtsherr ist. da liegt es in besonderen<br />
örtlichen Verhältnissen begründet ^). Die Bindung landesherrlicher<br />
Rechte an den Gr<strong>und</strong>besitz in einem Umfang, wie er dem Reich<br />
durchaus fremd ist. ist ein charakteristischer aus dem slavischen<br />
Boden erwachsener Iug. Es ist höchst bezeichnend, wie wenig er<br />
durch die deutsche Welle gebrochen wird: das Schwergewicht des<br />
bodenständigen Staatslebens war kräftiger als alle mitgebrachten<br />
Theorien. Wenn ich einleitend bemerkte, daß wir gr<strong>und</strong>sätzlich auf<br />
die Sammlung der deutschen Parallelerschemungen verzichten wollen,<br />
so wird diese Zurückhaltung jetzt keiner Erörterung mehr bedürfen.<br />
Aus ähnlichen Erwägungen habe ich auch, sehr wider meinen Willen,<br />
das heranziehen verwandter Erscheinungen in den schlosisch-polnischen<br />
Bistümern unterlassen müssen. Nur das eine möchte ich zum<br />
Abschluß bemerken. Die Kamminer Kirchengeschichte verläuft nicht<br />
so <strong>für</strong> sich gesondert, wie es nach unseren Ausführungen dem Beobachter<br />
der gleichzeitigen Verhältnisse auf dem alten Neichsboden<br />
vielleicht scheinen möchte. Zahlreiche Probleme der früheren deutschen<br />
Mission im Slavenland, vorzüglich also der von Otto l. gestifteten<br />
Bistümer, empfangen von der quellenmäßig besser bezeugten<br />
<strong>und</strong> unverhältnismäßig deutlicher erkennbaren Entwicklung Kammins<br />
willkommenes Licht. Wenn wir erst die unglückliche Theorie<br />
der Elavenausrottung überw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> da<strong>für</strong> eine bessere Kenntnis<br />
der wirklichen slavischen Verfassungsverhältnisse erworben haben<br />
werden, dann verspreche ich mir aus der vergleichenden Betrachtung<br />
der jüngeren <strong>und</strong> der älteren Missionsperiode noch wesentliche Aufhellungen<br />
<strong>für</strong> beide.<br />
1) P. 945. Bischof Hermann behält sich das Hochgericht über das der<br />
Kirche geschenkte Dorf Wusterhusen vor.
Die Lehr- <strong>und</strong> Predigttätigkeit<br />
des Bischofs Otto von Bamberg<br />
in Pommern.<br />
Von<br />
Prof. Nr. N7. Wehrmann,<br />
Gymnaswldirekior in Slargard i. Pom.<br />
qui voluerit; invitum et<br />
nemo ledere compellit.<br />
III. l.
3n das helle Licht der <strong>Gesch</strong>ichte tritt Pommern erst sehr<br />
spät. (1124. 1128)<br />
waren es, die das Land am Meere bekannter machten <strong>und</strong> die<br />
lebhafteste Aufmerksamkeit der Zeitgenossen dorthin lenkten. Was<br />
aus der früheren Jett von den unaufhörlichen Kämpfen der <strong>pommersche</strong>n<br />
Wenden mit den Dänen, Polen oder Deutschen berichtet<br />
wird, besteht in der Hauptsache aus einzelnen kaum zusammenhängenden<br />
Nachrichten. Aus ihnen läßt sich kein klares Bild von<br />
den dortigen Vorgängen entwerfen. Pommern war im Anfange<br />
des 12. Jahrh<strong>und</strong>erts ein den Deutschen fast unbekanntes Land,<br />
von dem man allenfalls wußte, daß dort heidnische Slaven wohnten,<br />
die dem Christentum die feindlichste Gesinnung entgegenbrachten.<br />
Iwar bestanden wohl Handelsbeziehungen Deutschlands, besonders<br />
Sachsens, zu dem Ostseegebiete, <strong>und</strong> es waren auch bereits christlicher<br />
Glaube <strong>und</strong> christliche Sitte dorthin vorgedrungen, aber in so j<br />
geringem Umfange, daß Pommern immer noch als Heidenland )<br />
angesehen wurde, während die Nachbarländer fast alle <strong>für</strong> das /<br />
Christentum gewonnen oder ihm wenigstens erschlossen worden '<br />
waren.<br />
Das wurde anders, als der Bischof Otto l. von Bamberg<br />
auf Veranlassung des Polcnherzogs Boleslaw den Entschluß<br />
faßte, den Pommern das Evangelium zu verkündigen. Was er alsdann<br />
bei ihnen erreichte, die Erfolge, die er erzielte, erweckten die<br />
lebhafteste Teilnahme der Deutschen, so daß König Lothar es <strong>für</strong><br />
<strong>für</strong> seine Aufgabe ansah, den Bischof bei seiner zweiten 3ahrt nachdrücklich<br />
zu unterstützen, <strong>und</strong> der Markgraf Albrecht das ganze<br />
Unternehmen mit großer Aufmerksamkeit verfolgte. Verehrer des<br />
Bischofs. Geistliche <strong>und</strong> Mönche aus Bamberger oder zu semer<br />
Diözese gehörigen Klöstern, ließen es sich angelegen sein, seine<br />
Taten zumeist nach Erzählungen von Männern, die. ihn auf seinen ,<br />
^Fahrten,begleitet hatten, aufzuzeichnen <strong>und</strong> zu seinem Ruhme der<br />
Nachwelt zu berichten.<br />
sprechung trug dazu bei. daß die. Erinnerung an den „Pommernapostel"<br />
nicht so bald wieder erloscht).<br />
Über diese Quellenschriften vgl. unten Anhang l.
160 Die Lehr- <strong>und</strong> Predigttätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern.<br />
In Pommern selbst, dem Lande seiner Missionstätigkeit, blieb<br />
bei dem fast vollständigen Wechsel der Bevölkerung, der allmählich<br />
eintrat, das Andenken Ottos zunächst nicht so lebendig, wie man<br />
erwarten sollte. Wohl gedachte man in einzelnen Urk<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />
Aufzeichnungen seiner als des großen Wohltäters des Landes,man<br />
errichtete <strong>und</strong>' unterhielt auch hier <strong>und</strong> da Stiftungen zu<br />
seiner Ehre, aber bis gegen das Ende des 15. <strong>und</strong> den Anfang des<br />
16. Jahrh<strong>und</strong>erts finden wir im allgemeinen nur wenige Spuren<br />
der Erinnerung an den Bischof. Allerdings mag es zum Teil seinen<br />
Gr<strong>und</strong> haben in der überaus dürftigen Erhaltung geschichtlicher<br />
Aufzeichnungen. Dann aber, als die <strong>Gesch</strong>ichtsschreibung in Pommern<br />
erblühte <strong>und</strong> die Teilnahme an der Vergangenheit des Landes<br />
erwachte, trat natürlich die Person Ottos deutlich hervor, <strong>und</strong> von<br />
Johannes Bugenhagen <strong>und</strong> Thomas Kantzow an hat man nicht<br />
aufgehört, seine Person <strong>und</strong> seine Taten immer wieder zu schildern.<br />
Das geschah nicht nur in den mannigfachen Darstellungen der <strong>Gesch</strong>ichte<br />
Pommerns oder einzelner <strong>pommersche</strong>r Gebiete <strong>und</strong> Orte,<br />
sondern man erkannte auch bald die Bedeutung seiner Wirksamkeit<br />
<strong>für</strong> die allgemeine deutsche <strong>Gesch</strong>ichte, insbesondere <strong>für</strong> die<br />
Kirche. So ist die Literatur über den Bischof Otto recht umfangreich<br />
>). Man hat ihn als Kirchen<strong>für</strong>sten, als Staatsmann, als<br />
Missionar dargestellt <strong>und</strong> ist namentlich auch in einzelnen Untersuchungen<br />
lokalgeschichtlicher oder chronologischer Art den Spuren<br />
seines Wirkens in Pommern nachgegangen. Ebensowenig sind die<br />
Folgen, die seine Erschließung des Landes <strong>für</strong> dessen Germanisierung<br />
gehabt hat. unbeachtet geblieben. Der volkstümlichen oder<br />
erbaulichen Darstellung ist die wissenschaftliche Arbeit an die Seite<br />
getreten, die auf einer sorgfältigen Untersuchung <strong>und</strong> Beurteilung<br />
der Quellenschriften beruht. Ist auch dabei sehr Vieles noch nicht<br />
klargestellt <strong>und</strong> sind auch zahlreiche Fragen noch nicht gelöst, so<br />
läßt sich, wie es scheint, zur Zeit kaum viel Neues gewinnen, bevor<br />
nicht eine kritische Neuausgabe der Otto-Biographien hergestellt<br />
ist. die doch die Haupt-, ja fast einzige Quelle unserer Kenntnis<br />
bilden.<br />
Wenig <strong>und</strong> nur nebenbei ist die wichtigste Tätigkeit des Bischofs<br />
in Pommern, sein Wirken als Verkündiger. Prediger<br />
<strong>und</strong> Lehrer in Pommern behandelt worden. Man hat die<br />
Zeitfolge seiner Fahrten, den Weg. den er nahm, immer wieder<br />
untersucht, aber die Fragen, wie er als Missionar wirkte, was er<br />
lehrte <strong>und</strong> predigte, nur in geringem Maße beachtet <strong>und</strong> zu be-<br />
i) Vgl. die Iusammenstellung der Literatur im Anhange l.
Die Lehr- <strong>und</strong> Predigttötigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern. I6l<br />
antworten versucht. Und doch ist dies wohl die Hauptsache, um<br />
sein Wesen <strong>und</strong> Wirken zu verstehen. Nicht die äußeren Vorgänge<br />
bei seiner Tätigkeit, sondern die geistige oder geistliche Arbeit, die<br />
er leistete, scheinen besonderer Beachtung wert zu sein. Der Versuch,<br />
eine solche Untersuchung anzustellen, ist berechtigt besonders<br />
in dem Jahre, in dem in Pommern das Andenken an den Bischof<br />
mehr als sonst belebt wird, da man der vor ttl)0 Jahren unter-nommenen<br />
ersten Reise allgemein gedenkt.<br />
Natürlich kann <strong>und</strong> muß eine Darstellung der Lehr<strong>und</strong><br />
Predigttätigkeit, die Otto in Pommern ausübte,<br />
ganz auf den Quellen beruhen. Es liegen drei Lebensbeschreibungen<br />
vor, die im 12. Jahrh<strong>und</strong>ert aufgezeichnet wurden. Erst nach ganz<br />
eigenartigen Schicksalen sind sie in ihrer ursprünglichen Gestalt<br />
zutage getreten^). Aus Bearbeitungen herausgeschält, wurden zwei<br />
von ihnen richtig wieder hergestellt, wie es später gef<strong>und</strong>ene Handschriften<br />
bestätigten. Die dritte Biographie wurde vor etwa h<strong>und</strong>ert<br />
Jahren aufgef<strong>und</strong>en. Der Mönch des Michaelsklosters in Bamberg<br />
Ebo igest, den 16. Älai ?163). der sicherlich den ^Bischof Otto '<br />
wohl gekannt hat, ist der Verfasser der einen Lebensbeschreibung^<br />
die vor 1159 verfaßt worden zu sein<br />
— ob früher oder später, ist nicht sicher — beschrieb der Michaelsberger<br />
Mönch 5> erbord (gest. den 27.^September 1168) in der<br />
kunstvollen 3orm eines Dialoges das Leben des Bischofs, den er<br />
wohl nicht mehr persönlich gesehen hat, da er erst sechs Jahre nach<br />
dessen^ Tode in den Bamberger Konvent eintrat^)./ Unbekannt ist<br />
der'Vlrfasser^d'es dritten Werkes, das man^früher^als^die.5)eiligenkreutzer<br />
Biographie, jetzt als die^Arbeit des P r ü f e n i n g e r<br />
Mönche ^(n^n2cliu3^Nlin^en3i3) bezeichnet H. über das Verhältnis<br />
der drei Biogryphen zueinander, ob <strong>und</strong> wie etwa einer<br />
den andern benutzt hat. ist ebensoviel gestritten worden, wie über<br />
die Frage, wer von ihnen am meisten Glauben verdient. Das<br />
Urteil darüber hat sehr gewechselt, jeder von den drei Verfassern<br />
i) Vgl. R. Klem pin. Die Biographien des Bischof Otto <strong>und</strong> deren<br />
Verfasser. Balt. Stut». IX. S. 1—245. W. Wattenbach. Deutschlands<br />
<strong>Gesch</strong>ichtsquellen im Mittelalter ll^ S. 141—144. H. Vild haut. Handbuch<br />
der Quellenk<strong>und</strong>e zur deutschen <strong>Gesch</strong>ichte l. S. 257—260.<br />
>/2) ^ o i^ 5 5 xll, 822 ff. Iaff^, Lidliotneca rerum Qermanicssttm<br />
V, 588 ff.<br />
X/) w. Q. ». 3.3. XII. 679 ff. XX. 704. 3 a f f e . Libi. s. 0. V, 705 ff.<br />
v^4) Vierter Jahresbericht der Gesellschaft <strong>für</strong> pomm. <strong>Gesch</strong>ichte <strong>und</strong> Altertumsk<strong>und</strong>e<br />
162 Die kehr- <strong>und</strong> Prediqttiitigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern.<br />
hat einmal den Preis davongetragen ^). Es ist hier nicht der Ort,<br />
auf diese Streitfrage einzugehen, da sie <strong>für</strong> die nachfolgende Untersuchung<br />
nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist, aber es muß<br />
sogleich hervorgehoben werden, daß die Benutzung der Biographien<br />
einem nicht geringen Bedenken unterliegt. Ganz abgesehen davon,<br />
daß alle die Tendenz haben, die Taten ihres Helden in ein möglichst<br />
Helles Licht zu setzen, <strong>und</strong> deshalb vor offenbaren Übertreibungen,<br />
nicht zurückschrecken, müssen wir bedenken, daß diesen Mönchen,<br />
die ihre Nachrichten im besten 3alle von Teilnehmern an den<br />
Missionsfahrten erhielten, sicherlich wenig Verständnis <strong>für</strong> die Zustände<br />
des weit entlegenen Heidenlandes hatten. Deshalb haben sie,<br />
vorausgesetzt, daß ihnen immer Richtiges erzählt worden ist, doch<br />
wohl nicht wenige Irrtümer, falsche Auffassungen <strong>und</strong> Anschauungen<br />
in ihre Beschreibungen hineingebracht. Das ist ohne Zweifel<br />
auch geschehen bei den Berichten über die Predigten, die Lehre<br />
<strong>und</strong> die eigentliche Missionstätigkeit des Bischofs. Die Reden <strong>und</strong><br />
Worte, die sie von ihm überliefern, haben sie wohl fast ausschließlich<br />
selbst verfaßt <strong>und</strong> ihm nach ihrer eigenen Auffassung der Lage<br />
in den M<strong>und</strong> gelegt, ganz nach der Art der <strong>Gesch</strong>ichtsschreiber des<br />
Altertums. Aber trotzdem dürfen wir sie <strong>für</strong> eine Charakteristik<br />
Ottos im ganzen gebrauchen, ohne ihren Inhalt oder den Tert<br />
geradezu zu pressen, denn die Verfasser kannten entweder noch selbst<br />
seine Art oder hörten von Augen- <strong>und</strong> Ohrenzeugen soviel von<br />
ihm, daß sie imstande sein konnten, in seinem Sinn <strong>und</strong> Geiste zu<br />
sprechen. Wenn wir das nicht glaubten, würden wir ja überhaupt<br />
nicht wagen können, uns ein Bild von der Persönlichkeit Ottos<br />
zu machen, denn die wenigen Briefe oder anderen Schriftstücke,<br />
die von ihm verfaßt oder erhalten worden sind, bieten kaum etwas,<br />
was da<strong>für</strong> zu verwenden wäre. . .<br />
Als besonders wichtige Quelle steht uns indessen zumal <strong>für</strong><br />
unsere 3ragen zur Verfügung die sogenannte „Denkschrift<br />
Ottos", die in den Biographien des Ebo <strong>und</strong> des Prüfcningerl<br />
sowie^n Ekkehards Chronik enthalten ist^sT^Ie Abweichungen'der"<br />
drei llberlieferü^e^ sln^ <strong>und</strong> beschränken<br />
siäz^fast^nur auf einzelne Worte. Diefe^Denkschrift wurde wohl<br />
im Auftrage des Bischofs nach seiner ersten Reise aufgezeichnet.'<br />
l) R. Klempin.R. Köpbe.PH. Iaffs.G. Haag.W. Wie»<br />
sener, H. v. Iittmitz seien hier genannt. Die genauen Titel finden sich<br />
im Literaturverzeichnisse.<br />
/2) Cbo II. 12 ^onacli. prüf, li, 12. Ekkehardt ^ksonicon ^. Q. N.<br />
8.3. VI, V«. 263. Vgl. den Abdruck der Denkschrift im Anhange II.
Die Lehr- <strong>und</strong> Predigttätigkeit des Vìschofs Otto von Bamberg in Pommern. 163<br />
Sie ist frei von jedem Rühmen <strong>und</strong> Preisen der Person Ottos,<br />
berichtet nur die Tatsache der Reise <strong>und</strong> d^wichtsgsten Lehren, die<br />
er den <strong>pommersche</strong>n Heiden verkündigt hat. In Bamberg niedergelegt,<br />
konnte sie den Monden, die sich "mit der <strong>Gesch</strong>ichte des<br />
Bischofs beschäftigten, zugänglich sein. Auch auswärts ist sie be-^<br />
nutzt worden, wie ihre Aufnahme nicht nur in die Chronik des<br />
Ekkehard von Aura (gest.nach<br />
eingeweiht worden war. sondern auch in den zweiten Teil der<br />
Äistumsgeschichte von Mägdeburg (1024—N42) beweist ^).^Für^<br />
die bekehrten Pommern war das^Schriftstück natürlich^nicht be-^<br />
stimmt, <strong>und</strong> deshalb hat man es mit Unrecht einen „Hirtenbrief"<br />
genannt 2) - es ist ^iclmehr^eine Trt von Rechenschaftsbericht über<br />
die Missionstätiqkeit. Vielleicht hat es noch mehr solcher kurzen<br />
Berichte^Zegeben, die von den Biographen benutzt wurden, aber<br />
<strong>für</strong> uns nicht mehr so zu erkennen sind, wie diese Denkschrift oder<br />
die relatio cie pii8 operibu8 Ottomg ^), die <strong>für</strong> unsere Frage nichts ^<br />
bietet.<br />
Bischof Otto wird uns als ein nicht gerade gelehrter,<br />
aber wohl gebildeter <strong>und</strong> unterrichteter Mann geschildert, der die<br />
Gabe einer klaren <strong>und</strong> natürlichen Beredsamkeit besah; seine volks-»<br />
tümliche Redeweise <strong>und</strong> seine Begabung zum Lehren <strong>und</strong> Unterrichten<br />
werden gerühmt. ..Obgleich er in den Wissenschaften", sagt<br />
herbord^). „weder philosophisch noch überhaupt tief gebildet war.<br />
so übertraf doch in volkstümlicher Rede, um die Menschen über<br />
göttliche <strong>und</strong> kirchliche Dinge zu belehren, nichts seine Beredsamkeit,<br />
wie das die Bew<strong>und</strong>erung der Hörer <strong>und</strong> die Erbauung der Zerknirschten<br />
<strong>und</strong> der ihre Sünden Beklagenden oft bewiesen hat.<br />
Denn von keinem Bischöfe seiner Zeit
164 Die Lehr« <strong>und</strong> Predigttätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern.<br />
milde Fre<strong>und</strong>lichkeit, verb<strong>und</strong>en mit sittlichem Ernste, gewann ihm'<br />
viel leichter die herzen auch der Heiden, die ihm anfänglich oft<br />
stumpf <strong>und</strong> verständnislos gegenüberstanden, als seinen Vorgängern<br />
auf dem Missionsgebiete, die mit übertriebenem Eifer dem Baume<br />
die Axt an die Wurzel legten.<br />
Durch seine eifrige Tätigkeit im Erneuern <strong>und</strong> Erbauen von<br />
Kirchen <strong>und</strong> Klöstern in seiner Diözese hatte der Bischof gelernt, nicht<br />
nur auf diesem Gebiete praktisch zu schaffen, sondern auch die Bedeutung<br />
der kirchlichen Einrichtungen <strong>und</strong> des Gottesdienstes in<br />
allen seinen Teilen richtig zu schätzen. Gepredigt hatte er daheim<br />
oft genug <strong>und</strong> erkannt, welche Wirkung auf die Gemüter der Hörer<br />
die äußere Ausstattung, der Prunk <strong>und</strong> die Pracht ausübten, wie<br />
aber auch die Bescheidenheit <strong>und</strong> Uneigennützigkeit der Geistlichen<br />
den Boden <strong>für</strong> das Evangelium empfänglich machten. Seine Kenntnis<br />
der heiligen Schrift ließen ihn die richtigen Worte fmden <strong>und</strong><br />
anwenden. Mögen auch seine Biographen manches Wort aus<br />
der Bibel ihm in den M<strong>und</strong> gelegt <strong>und</strong> eingefügt haben, es bleibt<br />
doch sicher, daß er sie gründlich kannte <strong>und</strong> es verstand, von ihr<br />
den rechten Gebrauch zu machen. So war Otto zu der Aufgabe,<br />
die er übernahm, vor anderen befähigt <strong>und</strong> scheint auch seine Gehilfen<br />
<strong>und</strong> Mitarbeiter mit <strong>Gesch</strong>ick <strong>und</strong> Menschenkenntnis ausgewählt<br />
zu haben ^).<br />
Als Lehrer bewies er eben solches <strong>Gesch</strong>ick. Wenn es wahr<br />
ist, daß er^äls Kapellan in Polen junge Leute unterrichtetes, so<br />
hat er dadurch eine Erfahrung <strong>und</strong> Übung gewonnen, die ihm<br />
später von großem Nutzen war. Er wußte wohl, daß er den<br />
Heiden nicht die schwierigsten Fragen des Christentums zumuten<br />
durfte. Deshalb begnügte er sich damit, ihnen die gr<strong>und</strong>legenden<br />
Gebote des christlichen Glaubens nahezubringen <strong>und</strong> zugleich die<br />
Vorschriften <strong>für</strong> das neue Leben zu geben, das sie beginnen sollten,<br />
sowie die Einrichtungen der Kirche nach Möglichkeit zu erklären,<br />
hierbei zeigte er ein hervorragendes Verständnis <strong>für</strong> das, was zunächst<br />
notwendig war. <strong>und</strong> überließ die Vertiefung seiner Lehren<br />
der allmählich wirkenden Zeit. Otto wollte nur die ersten Samenkörner<br />
in die herzen der Heiden streuen <strong>und</strong> sie von ihrem<br />
falschen Wege auf den richtigen verweisen- die weitere Pflege <strong>und</strong><br />
Hut der jungen Pflanzen sollten die von ihm im Lande zurück-<br />
2) Iur Charakteristik Ottos vgl. u. a. W. Wiesener, <strong>Gesch</strong>ichte der<br />
christlichen Kirche in Pommern zur Wendenzeit S. 57 f. A. hnuck a. a. O. IV,.<br />
6. 572.<br />
2) Herb. III. 32. Prüf. l. 2.
Die kehr- <strong>und</strong> Predigttätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern. 165<br />
gelassenen Geistlichen übernehmen <strong>und</strong> die jungen Christen in das<br />
tiefere Verständnis des Evangeliums führen. So gibt er selbst<br />
in der Denkschrift als seine Absicht an. die Heiden von ihrem Irrtum '<br />
zurückzuführen <strong>und</strong> auf den Weg der Wahrheit <strong>und</strong> zur Erkenntnis<br />
des Gottessohnes zu führen^). !<br />
Die eigentliche Misslonstätigkeit Ottos wird von den<br />
Biographen mit verschiedenen Ausdrücken bezeichnet, wobei sie<br />
nicht jeden einzelnen in einem ganz bestimmten, feststehenden Sinne<br />
gebrauchen, sondern hin <strong>und</strong> wieder wechseln. Die allgemeinst«<br />
Bedeutung hat. wohl das Wort evan^eli^re (-- das Evangelium<br />
verkünden), das Herbord ganz besonders liebt 2), während es bei<br />
Ebo nur selten 2) <strong>und</strong> beim Prüfeninger Mönche gar nicht vorkommt.<br />
Dieser scheint das Wort praeckcare (predigen) mit seinen<br />
Ableitungen vorzuziehen ^). doch wird dies natürlich auch von den<br />
anderen häufig genug angewendet ^). Daneben finden wir <strong>für</strong> das<br />
Predigen auch noch andere Wortverbindungen, die schon der Abwechslung<br />
<strong>und</strong> des Nedeschmuckes wegen nötig waren, z. B. apu8<br />
evIn^elii a^recli, zemen evangeli! zpgr^ere "). Neben das Predigen<br />
tritt das Lehren, das im einzelnen von jenem gar nicht zu trennen<br />
ist. Denn bei der Verkündigung des Wortes Gottes unter den<br />
Heiden handelte es sich stets auch darum, ihnen die Wahrheiten<br />
nahezubringen, einzuprägen <strong>und</strong> neue Kenntnisse beizubringen. Deshalb<br />
sprechen die Biographen sehr oft von clocere oder M3truer^)><br />
wo wir nach unserer Auffassung an eine Predigt denken können.<br />
Sie haben da<strong>für</strong> auch den Ausdruck cateclii^are (cate^i^are), der<br />
wieder bei Herbord am häufigsten vorkommt s). Schließlich findet<br />
sich noch das Wort infirmare, d. h. das Befestigen des Glaubens").<br />
Selbstverständlich wird vom Taufen ( dgpti^re) sehr viel gesprochen.<br />
1) ^kkekarä (M. 0. N. 8.3. Vl. 263): ut eo3 2b errore 5uo<br />
revocaret et 2a viam v^ritatiz et acl Issnitianem kilii Oei perciuceret.<br />
2) Herb. ll. 7. 15. 16. 17. 23. 27. 28. 34. lll. 3. 5. 11. l7.<br />
») Ebo ll. 2. 4. lll. 15.<br />
Ebo ll. 3. Herb. lll. 2. 6. u. a. a. O.<br />
7> herb. ll. 20. 22. 28. 34. 36. 38. lll. 19. — Prüf. l. 1. ll. 15.<br />
III. 9. 11. — Ebo ll. 11.<br />
s) Herb. ll. 13. 15. 20. 21. 28. 29. 36. 38. lll. 3. — Ebo II. 5.<br />
2) Ebo ll. 6. 18. lll. 20. 24. — Prüf, ll, 14. — Herb. ll. 39. 40. —<br />
. Vgl. Helmold (Hran. 3l2vo^um l, 40, d?r die Tätigkeit Ottos in Pommern<br />
mit praeclicare bezeichnet.
166 Die kehr- <strong>und</strong> Preoiattätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern.<br />
Einmal wird das gesamte Wirken des Bischofs nach vier Nichtungen<br />
gut bezeichnet als ^s)ce^,cate?i?3re,s)l-3eclic2l-eetb3s)tj?3rel).<br />
Als Gegenstand seiner Lehre geben die Biographen u. a. an:<br />
Omina, quae csli-jztiariae religioni (nnvemetiant oder<br />
fiäeä cksl8tlanl8mi, ficles atque gAnitio ciei. ^cictri<br />
timor 6ei, ressnum c^ej, ev2n^elmm, ficlos cgtliolicg. verbum<br />
6f)m!ni. kiclez dlirizti, le^ez cririgtiange, verbum iiciei,<br />
clii-i3ti3N3, via ventatjzs). Auf die einzelnen Lehren, die<br />
Otto vortrug, kommen wir nachher.<br />
Eine vollständige Predigt teilt von den Biographen nur Herbord<br />
^) mit, doch ist es sicher, daß diese ganz erf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ein<br />
Werk des Verfassers ist. Wer sollte auch ihm eine solche haben<br />
mitteilen können? Deshalb lassen wir diese ganz beiseite <strong>und</strong> halten<br />
uns nur an die kurzen Angaben über einzelne Worte oder über<br />
den allgemeinen Inhalt der Neden. Können wir selbstverständlich<br />
auch hier nicht eine wörtliche <strong>und</strong> genaue Wiedergabe des von dem<br />
Bischöfe Gesprochenen annehmen, so ist es doch möglich, daß solche<br />
im Gedächtnis der Ohrenzeugen haften blieben, vielleicht auch hier<br />
<strong>und</strong> da aufgezeichnet <strong>und</strong> dann den Mönchen mitgeteilt wurden,<br />
die es sich zur Aufgabe machten, das Leben <strong>und</strong> die Taten Ottos<br />
zu erzählen. Eie bemühten sich sicherlich in seinem Sinn zu<br />
schreiben <strong>und</strong> konnten als Zeitgenossen <strong>und</strong> Geistliche ja auch wohl<br />
sehr gut gerade diese Tätigkeit des Mannes verstehen <strong>und</strong> lebendig<br />
darstellen. Man mag ihnen in dieser Beziehung sogar mehr glauben<br />
als bei der Erzählung der äußeren Vorgänge oder der Zustände im<br />
Wendenlande.<br />
^ischo^^tto^hat^iche^lich die er besuchte <strong>und</strong><br />
an denen er Zuhörer fand, Predigten gehalten. Es sind^verhältnismäßiq<br />
nur sehr wenige, die von den Biographen mit Namen<br />
^ Gärh a. Ö.. Libin suielleickt ein Ort an der^Oder bei Schömngon).<br />
Clodona (Iirkwitz?). Kolbera. Belqald^Demmin. Usedom. Giitz^<br />
^ . Wolaait^. Daß er auf seinen 3ahrten auch"'andere Nohn-<br />
') Herb. li. 20.<br />
2) herli. II. 15. 25. 26. 28. 29. 36. lll. 6. 7. 12. 30. — Prüf. II. 8. 15.<br />
') Herb. II. 18.<br />
III. 11. — Ebo li. 15. 18. lll. 13. 15. —' Vgl. iiber die Predigtart des<br />
12. Jahrh<strong>und</strong>erts A. Linsenmayer. <strong>Gesch</strong>ichte der Predigt in Deutschland<br />
non Karl dem Groften bis zum Ausgange des 14. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
München 1886). S. 137 ff.<br />
^j Gart; <strong>und</strong> Libin werden nur non dem Priifeninger <strong>und</strong> Herbord,<br />
Belgard von Herbord <strong>und</strong> Ebo. 3itarigroda nur von Ebo.
Die Lehr« <strong>und</strong> Prediattätiakeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern, l 67<br />
statten besucht <strong>und</strong> dort tätig gewesen ist. mutz an sich angenommen<br />
werden <strong>und</strong> wird auch durch gelegentliche Bemerkungen bestätigt.<br />
Ausdrücklich erzählt wird, daß er in Pyritz. Kammin. Wollin.<br />
Stettin. Clodona. Kolberg. GMKow das Evangelium gepredigt<br />
habe; daß es an den anderen Orton.^wenn auch nicht "immer in<br />
der strengen Form einer Predigt geschah, ist selbstverständlich.<br />
Solange es keine geweihten Kirchen gab, <strong>und</strong> das war doch zunächst<br />
überall der Fall, wird er mehr die Form einer Ansprache<br />
gewählt haben, in der er in einer <strong>für</strong> die Heiden verständlichen<br />
Weise das Wort Gottes verkündigen konnte. Die Versammlung j<br />
fand dann wohl zumeist auf einem freien Platze, etwa dem Markte /<br />
der wendischen Wohnplätze statt, vielleicht auch in Versammlungs-!<br />
räumen, wie sie die Kontinen in Stettin oder die Tabernen boten. '<br />
Die heidnischen Tempel zu benutzen, ging nach der Anschauung<br />
der 3eit nicht an, da sie als Stätten der teuflischen Dämonen<br />
galten.<br />
Wie Otto dort auftrat <strong>und</strong> zum Volke sprach, davon gibt<br />
uns ein anschauliches Bild die Erzählung von einer Predigt in<br />
Stef^P auf seiner zweiten Fahrt^). „Es begab sich der Bischof in<br />
Begleitung seiner Diener in die dicht gedrängten Scharen der<br />
Heiden mitten auf den Markt. Es waren dort aber hölzerne<br />
Stufen 2). von denen die Herolde <strong>und</strong> die Obrigkeit zum Volke zu<br />
sprechen pflegten. Auf ihnen stehend begann der Diener des Evangeliums<br />
seine Rede." Er sprach Hort, wie Ebo berichtet, mit<br />
Hilfe seines Dolmetschers Adalbert <strong>und</strong> begann den Irrenden den<br />
Weg der Wahrheit zu zeigen <strong>und</strong>. wenn sie nicht von ihren Irrtümern<br />
abließen, das ewige Verderben zu drohen. Daß Otto, der<br />
die polnische Sprache verstand, sich nicht den wendischen Pommern<br />
verständlich machen konnte, sondern sich Dolmetscher bediente, wird<br />
wiederholt berichtet. Ahnlich, wie in Stettin, hat er auch an anderen'<br />
Orten geredet. Gleich im Anfange feiner Missionstätigkeit sprach '<br />
er in Pyrih. angetan mit den priesterlichen Gewändern, von einem<br />
höher gelegenen Platze aus zu dem begierigen Volke durch den<br />
M<strong>und</strong> eines Dolmetschers ^). Es wurde wohl auch eine Kanzel<br />
alle andern mit manchen Verschiedenheiten des Namens von allen drei<br />
erwähnt.<br />
^i) Herb. III. 17.<br />
)
168 Die kehr- <strong>und</strong> Predla.ttatta.beit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern.<br />
aufgestellt i). die der Bischof bestieg. Mit dem ganzen Prunke der<br />
bischöflichen Gewänder angetan <strong>und</strong> von feinen Geistlichen begleitet,<br />
pflegte er bei solchen Gelegenheiten aufzutreten, da er wohl wußte,<br />
welchen Eindruck dieser ungewohnte Anblick auf das einfache Volk<br />
machte 2). Deshalb suchte er^es in^H^ttM auch dadurch zu gewinnen<br />
oder wenigftens seine Aufmerksamkeit zu erregen, daß er<br />
an den^Markttagen. wo das^Volk^aus der ganzen Provinz zusammenkam,<br />
das Kreuz mitten über den Markt tragen ließ <strong>und</strong><br />
^mit^seinem Gefolge sn ^riesterlichen^Gewcindern Umzüge hielt ^).<br />
Ebenso diente ihm das feierliche Singen von Psalmen <strong>und</strong> Hymnen<br />
dazu, die Aufmerksamkeit zu erregen^). Bevor in dem kande der<br />
Gr<strong>und</strong> zu Kirchen gelegt <strong>und</strong> Altäre geweiht worden waren,<br />
konnten die deutschen Geistlichen gottesdienstliche 3eiern. vor allem<br />
Messen, nur an etwa mitgebrachten Reise- oder Tragaltären 5)<br />
! halten. Davon sprechen die Biographen nicht, aber wohl erzählt<br />
5>erbord") z. B. von einer Messe, die vor der Zerstörung der<br />
Stettiner Tempel gefeiert wurde, oder von Metten der Geistlichen.<br />
Später, als geweihte Altäre in den angefangenen einfachen Holz-<br />
Kirchen vorhanden waren, konnte dort regelrechter Gottesdienst<br />
.gehalten werden?). Dazu ließ dann die Glocke s) ihren Nuf in<br />
. das i^and hinauserklingen. Auch Reliquien hatte Otto mitgebracht").<br />
Was er <strong>und</strong> seine Begleiter im einzelnen von der christlichen<br />
Glaubens- <strong>und</strong> Sittenlehre lehrten, läßt sich einerseits nach den Angaben<br />
der Biographen, andrerseits nach seiner eigenen Denkschrift<br />
angeben. Jene bewegen sich dabei zumeist in allgemeinen, wenig<br />
besagenden Worten, <strong>und</strong> es ist nicht immer klar, ob der Bischof<br />
bei seinen Reden <strong>und</strong> Predigten wirklich jeden der angeführten<br />
Punkte berührt hat. Er trat gewöhnlich an die Heiden zunächst<br />
mit der dringenden Forderung heran, sich loszusagen von dem<br />
falschen Glauben, den wahren Gott zu erkennen <strong>und</strong> des zum<br />
Zeichen sich taufen zu lassen. „Kommt, meine Lieben, zum wahren<br />
<strong>und</strong> allgemeinen Glauben, erkennt unsern <strong>und</strong> aller Schöpfer, auf<br />
1) herb. li. 30.<br />
X 2) Prüf. Ili. 7. — Vgl. Herb. III, 20.<br />
») Herb. II. 26.<br />
Die kehr« <strong>und</strong> Predigttätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern. l69<br />
daß ihr vor den Augen dessen, der euch geschaffen hat. Gnade <strong>und</strong><br />
Erbarmen finden könnt" ^). Bei der kehre vor <strong>und</strong> nach der Taufe<br />
in Pyritz soll er neben der Einheit des Glaubens, die durch das<br />
Band des Friedens zu bewahren ist. die neuen Gläubigen besonders ,<br />
über die 3este <strong>und</strong> Gebräuche der christlichen Religion unterrichtet<br />
haben-). Das ist nach allem, was wir sonst über Ottos kehre /<br />
hören, durchaus glaublich. Daß er aber wirklich, wie Herbord<br />
berichtet, damals sogleich den jungen Christen die kehren über<br />
die 3asten in den Pierzeiten, über die einzelnen 3este der Geburt.<br />
Beschneidung. Erscheinung. Darstellung, Taufe <strong>und</strong> Verklärung,<br />
über die Leiden, Auferstehung. Himmelfahrt des Herrn, die Ausgießung<br />
des heiligen Geistes, die Vigilien <strong>und</strong> Geburtstage der<br />
Apostel <strong>und</strong> der anderen heiligen, über den Sonntag, den Freitag,<br />
die Einteilung der Monate <strong>und</strong> des ganzen Jahres nach christlichem<br />
Gebrauch zugemutet habe, ist ganz unglaublich <strong>und</strong> entspricht<br />
nicht dem praktischen Verstande des Bischofs. Da ist es<br />
natürlicher <strong>und</strong> wohl verständlich, wenn er den Heiden vor der<br />
Taufe Reinigung der Leiber. Anlegung von reingewaschenen Kleidern<br />
befiehlt <strong>und</strong> dies zugleich als Zeichen da<strong>für</strong> erklärt, daß nun<br />
auch ihre herzen rein sein sollen^). Ebenso wollen wir glauben,<br />
daß Otto zu jungen Leuten in Stettm „von der Reinheit <strong>und</strong> Ehr- l<br />
lichkeit des Christentums, von der Unsterblichkeit der Seelen, der j<br />
Auferstehung der Leiber, von der Hoffnung <strong>und</strong> dem Ruhme des!<br />
ewigen Lebens" spracht). Das sind Lehren,'die den Heiden in'<br />
einfachen Worten einigermaßen nahegebracht werden konnten. Sie<br />
waren dann auch wohl imstande, wie Herbord nach eigener Erdichtung<br />
erzählt, ihren Landsleuten von dem höchsten Gotte, der<br />
zu ihnen einen Diener zu ihrem heile gesandt habe, <strong>und</strong> von der<br />
Unsterblichkeit der Seele, der Auferstehung des Leibes <strong>und</strong> dem<br />
Ruhme des ewigen Lebens zu berichten <strong>und</strong> die 3rage zu stellen:<br />
Warum soll man ihm nicht glauben?5). Sicherlich hat Otto, der»<br />
seine geliebten Söhne zu sich rief, sie die Gottesfurcht zu lehren. ^ /<br />
ihnen das Evangelium, d. h. die frohe Botschaft vom Heilande.'<br />
verkündet, den Gott, des Lichtes Urheber <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>, <strong>für</strong> die,! '<br />
die ihn lieben, gesandt hat. <strong>und</strong> dann mitgeteilt, was Christen'<br />
') Prüf. II. 9. — Herb. II. 2tt: iicleg et<br />
"> herb. II. 17.<br />
3) herb. ll. 15.<br />
') herb. II. 27. - Vgl. Prüf. II. 9.<br />
a) Herb. ll. 29.
170 Die Lehr- <strong>und</strong> Pt-edigttStigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern.<br />
meiden <strong>und</strong> was sie erstreben müssen^), ^ate^mag^er^dann am<br />
^Pfingsttage^1.128^in MiHM vor den Großen <strong>und</strong> Pornehmen des<br />
Landes, unter denen sich Christen befanden, von ber Ausgiessunss<br />
des heiligen Geistes ausgegangen sein <strong>und</strong> von der Vergebung der<br />
Sünden, den verschiedenen Gnadengaben, von der göttlichen Güte<br />
<strong>und</strong> Milde <strong>und</strong> von Jesus Christus geredet Habens. Es erscheint<br />
durchaus als erlaubt, ohne den Bericht der Biographen irgendwie<br />
zu pressen <strong>und</strong> als sichere Unterlagen zu benutzen, doch das. was<br />
der Bischof <strong>und</strong> seine Begleiter verkündeten, mit den Worten Herbords<br />
wiederzugeben, die er ihm in den M<strong>und</strong> legt, als durch ein<br />
W<strong>und</strong>er die Allmacht <strong>und</strong> Gerechtigkeit offenbar geworden sein<br />
sollten 3). „Seht, wenn ihr bis jetzt nicht habt hören wollen, rührt<br />
euch jetzt <strong>und</strong> überzeugt euch durch eure eigenen Sinne, wie groß,<br />
die Barmherzigkeit unseres Gottes, wie groß die Wahrheit des<br />
Glaubens ist. die wir euch predigen." Er sprach dann weiter über<br />
das Urteil <strong>und</strong> die Barmherzigkeit Gottes, die Ungewißheit dieses<br />
Lebens <strong>und</strong> die Dauer des Ewigen. Aus diesen Angaben können<br />
wir wohl erkennen, daß die Biographen einen Begriff hatten<br />
von dem angeborenen Verständnis, das Otto <strong>für</strong> das Predigen <strong>und</strong><br />
Lehren unter den Heiden besaß. Sie legen ihm nur an verhältnismäßig<br />
seltenen Stellen Worte <strong>und</strong> Gedanken unter, die ganz ungeeignet<br />
bei seiner Missionstätigkeit erscheinen ^).<br />
Doch wollen wir auch alle Angaben, die wir in dieser Beziehung<br />
den Lebensbeschreibungen entnehmen, als zweifelhaft ansehen<br />
oder als Zeugnisse ganz verwerfen, so bleibt immer noch die<br />
Denkschrift Ottos übrig, in der er selbst die Hauptpunkte<br />
seiner Lehre aufstellt. Sie müssen wir zur Gr<strong>und</strong>lage nehmen,<br />
wenn wir Ottos Predigt <strong>und</strong> Lehre erkennen <strong>und</strong> darstellen wollen,<br />
<strong>und</strong> dann mit ihr das. was die Biographen berichten, vergleichen,<br />
ob <strong>und</strong> wie beides zueinander stimmt.<br />
Wenn, wie bereits erwähnt ist. der Bischof in der Denkschrift<br />
als die Absicht bei seiner 3ahrt angibt, die Heiden zum Wege der<br />
Wahrheit zu rufen <strong>und</strong> zur Erkenntnis des Gottessohnes zu<br />
bringen, so wird das durch mancherlei Ausdrücke der Biographen<br />
bekräftigt. Von dem Wege der Wahrheit <strong>und</strong> der Erkenntnis<br />
Gottes lassen sie ihren Helden wiederholt redens.<br />
i> Herb. ll. 36.<br />
^2) Herb. lll. 3.<br />
2) Herb. lll. 18.<br />
Vie kehr« <strong>und</strong> Predigttätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern. l?1<br />
Die Aufzeichnung enthält, wie jeder sieht, weiter nichts als eine<br />
Zahl von Geboten <strong>und</strong> Verboten <strong>für</strong> die neu gewonnenen Christen,<br />
Regeln, nach denen sie ihr neues Leben einrichten sollen. Es sind<br />
keine Glaubenssätze, die hier zusammengestellt werden, sondern<br />
.ganz klare <strong>und</strong> bestimmte Vorschriften über im wesentlichen äußerliche<br />
Dinge. Otto wollte vor allem zunächst eine scharfe Absage<br />
der Getauften von ihren bisherigen Lebensgewohnheiten herbeiführen,<br />
einen Vruch mit allem, was sie geglaubt, getan <strong>und</strong> getrieben<br />
hatten, eine Trennung von dem Heidentum <strong>und</strong> dessen<br />
Anhängern. Dies konnte nach seiner Meinung nicht streng <strong>und</strong><br />
nachdrücklich genug gefordert werden. Das Christentum muhte<br />
zunächst äußerlich in die Erscheinung treten durch das ganze Leben<br />
<strong>und</strong> Auftreten der Neugewonnenen, die innere Vertiefung, so war<br />
es seine Meinung, konnte <strong>und</strong> sollte erst allmählich erfolgen. Deshalb<br />
sah er selbst die von ihm begründete Kirche in Pommern als<br />
roh (rudi«;) <strong>und</strong> einfach, erst als den Gr<strong>und</strong>stein an. auf dem der<br />
Bau nach <strong>und</strong> nach sich erheben sollte^).<br />
Wir können in der Denkschrift etwa 14 Gebote <strong>und</strong> 12 Verbote<br />
zählen: manche von ihnen hängen eng zusammen, wie es ganz<br />
natürlich ist. Sie nach den 10 Geboten des ersten Hauptstückes<br />
einzuteilen, geht nicht recht an: einzelne beziehen sich auf rein<br />
äußerliche Einrichtungen des Gottesdienstes oder des Lebens. Wir<br />
müssen versuchen, sie nach ihrem Inhalte zusammenzustellen.<br />
Das allgemeinste Gebot lautet: Sie sollen in der ganzen christlichen<br />
Religion <strong>und</strong> Sitte sich gehorsam erweisen. Das ist natürlich<br />
<strong>und</strong>. wie auch in den Biographien berichtet wird, von den<br />
Gloubonsboten immer wieder betont worden. Die Sitte (m«5)<br />
der Christen wird in den Geboten <strong>und</strong> Verboten oft als Richtschnur<br />
bezeichnet, <strong>und</strong> das war besonders nötig, denn die wendischen<br />
Heiden waren durch ihre ganzen Gewohnheiten. Gebräuche.<br />
Lebensart <strong>und</strong> Anschauungen weit von den Christen getrennt.<br />
Daher wurde es als zweckmäßig angesehen, das Verhalten der<br />
neuen Gläubigen zu diesen Heiden möglichst genau zu regeln.<br />
Vor allem sollen sie jeden heidnischen Ritus <strong>und</strong> die ganze heidniscke<br />
Verkehrtheit ablegen^ „Ist es nicht besser, dem lebendigen<br />
Gotte <strong>und</strong> meinem wahrhaftigen Befreier zu dienen, als hölzern<br />
<strong>und</strong> Steinen ohne Leben <strong>und</strong> Sinn?", so läßt Ebo^) den Bischof<br />
fragen. Darum mußten die Großen des Landes, die in<br />
1) herb. li. 28. 3«. III. 22. — Ebo II. !3. 1«. III. 13.<br />
2) Ebo III. 16.
172 Die kehr- <strong>und</strong> Prediqttätigtzeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern,<br />
den.<br />
Götzen^dargebracht wurden, durch einen^allgemeinen Befehl zu<br />
' verbieten <strong>und</strong> den^Dienst„desIÄriglaw gänzlich aufzugeben '). Sie^<br />
sollen Häuser <strong>für</strong> Götzen nicht bauen. Immerfort Hat Otto gegen^knese<br />
.^ geeifert, zum Zerstören der Tempel aufgefordert <strong>und</strong> selbst mit<br />
Hand daran gelegt. Sicherlich ist die Predigt, die Herbord ^) ihm<br />
in den M<strong>und</strong> legt, eine Erfindung, aber er kann ähnlich gesprochen<br />
haben: „Entsagt so schnell wie möglich den Betrügern, euren tauben<br />
<strong>und</strong> stummen Göttern, den künstlich gemachten, <strong>und</strong> den unreinen.<br />
Geistern^die in ihnen sind, bewaffnet mit den Zeichen des Kreuzes<br />
zerstöret die Tempel, vernichtet die Bilder!" Auch daß er mit<br />
seinem scharfen Vorgehen gegen die Tempel, wenn er <strong>und</strong> seine<br />
Gefährten sie zu vernichten wagten, großen Eindruck auf die zuschauenden<br />
Pommern machte, ist durchaus glaublich^). Darum<br />
war der Mann, der sonst zur Nachgiebigkeit <strong>und</strong> Milde neigte,<br />
in dieser 3rage unerbittlich. Den Tempel in t?Ml^n, ^zu^erhalten<br />
<strong>und</strong> in eine Kirche umzuwandeln, lehnte er ab <strong>und</strong> bestand<br />
auf seiner Zerstörung^).<br />
f Weissagerinnen. Zauberinnen zu besuchen <strong>und</strong> Wahrsagerel<br />
; zu treiben verbot er. denn Christen dürfen sich weder der Vogel-<br />
.' schau bedienen noch das Los werfen ^). M allem solchen heidnischen<br />
Wesen nahm er Anstoß <strong>und</strong> sah darin mit Recht eine Quelle<br />
unchristlichen Lebens. Er befahl, das zu törichter Weissagung gebrauchte<br />
Roß des Triglaw zu verkaufen, <strong>und</strong> lehrte, allen Aberglauben<br />
abzulegen"). Das verborgene Haupt des Standbildes jenes<br />
Götzen aufzufinden <strong>und</strong> zu vernichten, ließ er sich angelegen sein,<br />
um zu verhindern, daß damit Unfug getrieben werde«).<br />
Die neuen Christen sollen nichts Unreines. Verrecktes, Ersticktes,<br />
Abgöttisches <strong>und</strong> kein Tierblut genießen. Bei diesem Verbote<br />
liegt eine Erinnerung zugr<strong>und</strong>e an die Abmachung in Jerusalem<br />
zwischen den Heiden- <strong>und</strong> Juden-Christen ^).<br />
>') Ebo lll. 13. 18. — Herb. ll. 82.<br />
5) herb, ll, 30.<br />
2) Herb.ll. 31.<br />
/^) Herb. III, 7. In
<strong>und</strong> Prediflttätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern. l?I<br />
Auch der Verkehr mit den Heiden oder das gemeinsame Essen<br />
<strong>und</strong> Trinken, selbst die Benutzung ihrer Gefäße wird verboten.<br />
Eo gebot der Bischof den getauften Kindern, sich von den ungläubigen<br />
Spielgenossen fern zu halten. „Wenn ihr Christen sein<br />
<strong>und</strong> den B<strong>und</strong> der Taufe halten wollt, so dürft ihr jene ungetansten<br />
<strong>und</strong> ungläubigen Knaben zu euren Spielen nicht zulassen" ^).<br />
Die Gewohnheiten des Heidentums sollen sie nicht wieder aufnehmen,<br />
so faßt Otto alle diese Verbote zusammen, durch die er<br />
eine starke Scheidewand zwischen den Christen <strong>und</strong> Heiden aufzurichten<br />
<strong>für</strong> nötig hält.<br />
Dagegen werden sie ermahnt, die christlichen Sitten anzunehmen<br />
<strong>und</strong> vor allem die kirchlichen Bräuche zu beachten. Den Gottesdienst<br />
mit allem, was mam zu seiner Zeit damit verband, zu begründen<br />
<strong>und</strong> dem ganzen Leben einen dementsprechend^ Charakter<br />
aufzuprägen, das lag ihm vor allem am herzen. Die neuen Christen<br />
mußten in ständiger Verbindung mit der Kirche <strong>und</strong> in Abhänigkeit<br />
von ihr gehalten werden, damit sie allmählich tiefer in die<br />
Wahrheit hineingeführt würden. Darum befahl der Bischof ihnen,<br />
am Freitage, sich nach der Sitte der Christen des Fleisches <strong>und</strong> der<br />
Milch zu enthalten, am Sonntage von jedem üblen Werke abzulassen,<br />
zum hören des Gottesdienstes zu kommen <strong>und</strong> eifrig<br />
zu beten, die Feiertage der heiligen mit ihren Vorabenden (Vigrlien).<br />
so wie es ihnen k<strong>und</strong>getan werde, mit Fleiß zu beachten,<br />
die heiligen vierzig Tage (vor Ostern) mit Fasten. Pigilien. Almosen<br />
<strong>und</strong> Gebeten sorgfältig zu begehen. Von feinen Mahnungen<br />
zum Einhalten der Sonntagsruhe <strong>und</strong> zur Feier der Festtage<br />
wissen die Biographen mancherlei zu erzählen <strong>und</strong> lassen sie durch<br />
Strafen oder Heilungsw<strong>und</strong>er bekräftigt werden. „Den Sonntag<br />
<strong>und</strong> andere Feste begann man ehrfurchtsvoller zu beobachten" ").<br />
Die Taufe war <strong>für</strong> den Bischof einerseits das Zeichen der<br />
Abkehr der Täuflinge vom Heidentum, andererseits das feste Band,<br />
das diese mit der Kirche vereinte. Deshalb stellte er unmittelbar<br />
die Frage, ob sie sich ihr unterziehen wollten, <strong>und</strong> vollzog sie. wenn<br />
er Bereitwilligkeit fand, nach vorangegangener kurzer Belehrung.<br />
Stieß er auf Widerstand, so versuchte er solchen zu brechen entweder<br />
durch Reden <strong>und</strong> Predigten oder durch Drohungen mit<br />
den polnischen <strong>und</strong> <strong>pommersche</strong>n Fürsten, die sein Werk unterstützten.<br />
Mit Hilfe der weltlichen Macht eine Annahme der ver-<br />
') PrUf. lll. 9. — Herb. III. 19.<br />
2) Herd. ll. 23. — Ebo ll. 6. lll. 22. — Vgl. Herb. ll. 17. Vgl.<br />
A. Irantz. Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 12ff.
174 Die 9ehr- <strong>und</strong> Predigttätisikeit des Bischofs Otto von Bamberq in Pommern.<br />
kündeten kehre zu erzwingen, mußte eigentlich, so sollte man<br />
meinen, dem milden Bischöfe fern liegen, aber wir dürfen uns doch<br />
nicht darüber w<strong>und</strong>ern, daß er sich bei hartnäckigem Trotze auch<br />
dieses Mittels bediente. Die Anschauung, daß die weltliche Obrigkeit<br />
in Forderungen auf geistigem (Gebiete unbedingten Gehorsam<br />
verlangen könne <strong>und</strong> müsse, war ja in jener Zeit ganz allgemein,<br />
<strong>und</strong> sie bei Otto zu finden, kann nichts Anstößiges haben,<br />
auch wenn er von „freiwilligem Gottesdienst" mit Vorliebe gesprochen<br />
haben soll. Bisweilen verhandelte er mit den Großen des<br />
Landes, um durch sie das Volk Zu gewinnen, <strong>und</strong> bemühte sich,<br />
angesehene Leute zur Taufe zu bewegen, damit dann die anderen<br />
ihrem Beispiele folgten ^). Er wollte zuerst eine <strong>pommersche</strong> Kirche<br />
schaffen <strong>und</strong> organisieren, dann würde, so meinte er, die Ausbildung<br />
<strong>und</strong> Entwicklung mit der Zeit bei der weiteren Tätigkeit der Geistlichen<br />
vor sich gehen. Wie er im einzelnen bei der Taufe verfuhr,<br />
berichten die Biographen umständlich <strong>und</strong> N ihnen oft nacherzählt<br />
worden"). Die Zahl der Getauften genau anzugeben, lassen sie<br />
sich angelegen sein, um eine Vorstellung von Ottos Erfolgen bei<br />
seinem großen 3ischzuge zu geben. Daß diese Angaben keinen geschichtlichen<br />
Wert haben, bedarf ebensowenig einer eingehenden Erörterung,<br />
wie die sichere Annahme, daß unter diesen getauften<br />
Christen natürlich viele sich befanden, die nur äußerlich, etwa der<br />
dabei gespendeten <strong>Gesch</strong>enke wegen, sich taufen ließen <strong>und</strong> nur dem<br />
Namen nach als Glieder der christlichen Kirche gerechnet wurden.<br />
Aber es lag dem Bischöfe daran, daß der Taufgebrauch, dem er<br />
natürlich den Schein einer Iauberhandlung nehmen mußte, auch<br />
in Zukunft erhalten <strong>und</strong> an den Kindern geübt werde. Deshalb gebot<br />
er. wie es altchristliche Litte war3). sie sollten ihre Kinder<br />
am Oster- <strong>und</strong> Pfingstsonnabend mit Kerzen, einem weißen Kleide<br />
<strong>und</strong> in Begleitung von Paten zur Taufe tragen <strong>und</strong> dann angetan<br />
mit dem Gewande der Unschuld eine Woche lang bis zum achten»<br />
Tage des Sonnabends täglich zur Kirche bringen <strong>und</strong> am Gottesdienste<br />
teilnehmen, auch sich Paten suchen <strong>und</strong> diesen Treue <strong>und</strong><br />
Fre<strong>und</strong>schaft wie den leiblichen Eltern halten. Er verbot ferner,<br />
daß sie ihre Söhne <strong>und</strong> Töchter allein über die Taufe hielten.<br />
') Vgl. A. hauck. Kirchenqeschichte Deutschlands IV. S. 575 f. Vgl.<br />
Herb. ll. 34.<br />
2) Vgl. z. B. W. Wiesener, <strong>Gesch</strong>ichte der christlichen Kirche in<br />
Pommern zur Wendenzeit. S. 59.<br />
2) I. (5. W. Augusti, Denkwürdigkeiten aus der christlichen Archäologie<br />
Vll, ö. 167. 174. 307. 310—815. 334 f.
Die Lehr- <strong>und</strong> Predissttätigkeit des Bischofs Otto uon Bamberg in Pommern. 175<br />
Es erzählt auch Herbord, daß er vor der Tauft in Pyritz ein dreitägiges<br />
Fasten anordnete <strong>und</strong> befahl, die Körper durch Bäder zu<br />
reinigen <strong>und</strong> nach Anlegung frisch gewaschener weißer Gewänder<br />
mit reinem herzen <strong>und</strong> l?eib zur heiligen Taufe zu kommen ').<br />
Um die Ehe <strong>und</strong> damit das Familienleben in christlichem<br />
Sinne zu gestalten, gebot er. ein jeder solle sich mit einer Gattin<br />
begnügen. Ein Vorbild darin gab auf dringendes Verlangen Ottos<br />
der <strong>pommersche</strong> Herzog Wartislaw. Er entlieh 24 Nebenfrauen,<br />
<strong>und</strong> mehrere seines Volkes versprachen dasselbe zu tun?). Auch<br />
bestimmte Eheverbote, wie sie in der Kirche üblich waren, gab der<br />
Bischof: Niemand solle eine Mitpatin oder eine Verwandte bis<br />
ins 6. <strong>und</strong> 7. Glied heiraten.<br />
Emen^esonders zu verabscheuenden Brauch h^ d^ heidnischen<br />
Pommern^fanden^die deutschen Geistlichen mit Recht darin, daß<br />
jene^sehr oft neugeborene Mädchen töteten. Diese Unsitte auszurotten,<br />
gab der Bischof sich große Mühe. Wie er in seiner Denkschrift<br />
das Verbot aussprach, sie sollten ihre Töchter nicht töten,<br />
so trat er bereits im Anfange seiner Reise in Kammin dagegen<br />
auf <strong>und</strong> legte denen, die sich dieser Grausamkeit schuldig machten,<br />
eine besondere Buße auf. Auch in U^tsn soll er den Frauen das<br />
Gelübde abgenommen haben, von solchem Morde abzulassen->).<br />
zur Kirche ^kommen<strong>und</strong> sich vom<br />
Priester segnen lassen, wie es Sitte sei.<br />
Notwendig erschien es dem Bischöfe, besonders die Beichtverpflichtung<br />
den <strong>pommersche</strong>n Christen aufzuerlegen, damit dadurch<br />
die Priester ihren Einfluß auf die Gläubigen wirklich ausüben<br />
<strong>und</strong> christlichen Glauben <strong>und</strong> Sitte pflegen <strong>und</strong> mehr <strong>und</strong> mehr<br />
befestigen könnten. Deshalb gebot er. sie sollten, solange sie ges<strong>und</strong><br />
seien, zu den Priestern kommen <strong>und</strong> ihre Sünden beichten, sowie<br />
<strong>für</strong> alle Freveltaten, Ehebruch. Mord u. a. m. Buße tun. Bei<br />
Krankheit sollten sie die Priester zu sich rufen <strong>und</strong> nach aufrichtiger<br />
Beichte den Leib des Herrn empfangen. Auf ein Bekenntnis<br />
der Sünden <strong>und</strong> Vergehen drängte Otto immerfort. Was <strong>für</strong> eine<br />
rührende <strong>Gesch</strong>ichte' weiß "Herbord zu erzählen^^wle der Bischof<br />
den Stettiyer Miälaw dazu brachte, offen zuzugestehen^ daß er Gefangene<br />
in seinem ^iäuse habe. DaVel ermahnte er lhn^„Du'mußt<br />
den Glauben "burH" Werke der Frömmigkeit zieren. Gottlosigkeit,<br />
Gewalttat, Grausamkeit. Unterdrückung. Raub, Mord <strong>und</strong> Betrug<br />
X l) herb. li. 15.<br />
2) Herb, ll. 22. 34.<br />
2) Evo II. 5. — Herb. II. 33.
176 Die Lehr« <strong>und</strong> Predigttättqkeit des Bischofs Otto von Vamberg in Pommern.<br />
meide gänzlich; kurz, tue niemand etwas an, was du von keinem<br />
andern erleiden möchtest ^)". Solche Warnungen vor groben Vergehen<br />
finden sich in den Biographien wiederholt: „Sie sollten alle<br />
Christen wie ihre Brüder ansehn, sie weder verkaufen, noch töten,<br />
noch durch Gefangenschaft quälen, noch ihre Grenzen beunruhigen<br />
<strong>und</strong> Leute von ihnen wegführen, sondern sich brüderlich <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>lich<br />
zu allen verhalten <strong>und</strong> von ihnen dasselbe als Vergeltung erwarten"<br />
2). Andere ähnliche Mahnungen, die ihn die Biographen<br />
aussprechen lassen, sind durchaus glaublich <strong>und</strong> der ganzen Art<br />
<strong>und</strong> Weise des Bischofs entsprechend, der stets ein werktätiges<br />
Christentum forderte. Seine neuen Glieder der Kirche sollten durch<br />
ihre Werke zeigen, daß sie wirklich dem Heidentum entsagt hatten.<br />
Doch nicht Zwang <strong>und</strong> Strafe waren <strong>für</strong> ihn das einzige oder das<br />
wichtigste Mittel, sie dazu zu bringen; nur einmal bei hartnäckigem<br />
Widerstände soll er mit dem Bann gedroht Habens. Freiwilliger<br />
Gehorsam galt ihm höher. Das schöne Wort, das Ebo^) von ihm<br />
überliefert: Gott will nicht erzwungene Dienste, sondern freiwillige<br />
(n
Die 2ehr- <strong>und</strong> PredlqttiiNgkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern. 177<br />
mern in ihrem Leben richten konnten. In diesem Sinne hat er<br />
seine Missionsarbeit getrieben, wie wir, wenn den Biographen auch<br />
nur im allgemeinen voller Glauben geschenkt wird, noch jetzt erkennen<br />
können. Daß sie das Heidentum verwürfen <strong>und</strong> nach christlicher<br />
Sitte lebten ^). das war sein Wunsch, da<strong>für</strong> arbeitete er. Nie<br />
schwer es zu erreichen war. das zeigt der ganze Verlauf der Fahrten.<br />
Weniger waren es äußere Gefahren, die ihn bedrohten. — nicht<br />
einmal die Bamberger Mönche wissen ernstliche Lebensgefahren<br />
ihres Helden zu berichten, <strong>und</strong> suchen einzelne Bedrohungen oder<br />
Angriffe zu übertreiben —, aber wohl boten der hartnäckige Trotz<br />
oder die dumpfe <strong>und</strong> stumpfe Verständnislosigkeit eines großen<br />
Teiles des Volkes erhebliche Schwierigkeiten. Dazu kam der verzweifelte<br />
Kampf der heidnischen Priesterschaft, die um ihr Sein<br />
oder Nichtsein kämpfte.<br />
Freilich ganz unbestellt war das Feld nicht, wo der Bischof<br />
den heidnisch, <strong>und</strong> zwar<br />
fanatisch dem Heidentum ergeben das Volk zu sein schien^es^war<br />
doch vielfach vom christlichen Wesen berührt worden. Boten des<br />
Evangeliums waren dorthin bereits gekommen <strong>und</strong> hatten, wenn sie<br />
auch, wie der Vorläufer Ottos. Bernhard, im großen nichts auslichteten,<br />
doch hier <strong>und</strong> dort Spuren ihrer Tätigkeit hinterlassen/<br />
Die Nachbarvölker waren fast sämtlich dem christlichen Glauben<br />
gewonnen. Mit ihnen bestand reger Verkehr. Dänen. Polen. Deutsche<br />
kamen in das Land, <strong>und</strong> nicht weniger Pommern zogen auch zu<br />
ihnen <strong>und</strong> lernten dort das Christentum kennen. Ganz ohne Einfluß<br />
auf ihr Denken können folche Berührungen unmöglich gewesen<br />
sein, <strong>und</strong> bei den Biographen finden wir genügend Andeutungen,<br />
daß unter den heidnischen Bewohnern auch Christen wohnten,<br />
die freilich zumeist ihren Glauben nicht offen zu bekennen<br />
wagten. Der Herzog Wartislaw selbst war ein solcher- in MerseburZ_Hatte^er<br />
als junger Mann" die Taufe empfän'gen^)"Seme<br />
Gläubige 2).<br />
Auch in den einzelnen Orten treten uns solche Bürger entgegen,<br />
die sich zum Christentum'bekannten oder bekannt hatten, m Wol^<br />
llNs all diesem wird es klar, daß<br />
in dem heidnischen "Volke bereits im Verborgenen christliche An-<br />
') prmecto paxanizmo ritu cliristiano vivere herb. II. 29.<br />
^2) Prüf. II. 3. - Ebo II. 7. Ili. 6. III. 13. — Herb. ll. ll. 21. —<br />
Vgl, A. Hauck a. a. O. lV. S. 567 f.<br />
^ 2) Herb. ll. 19. — Prüf. II. 3. — Herb. II. 21.<br />
^ ) Ebo ll. 8. 9. — Herb. ll. 26. 27. 28. III. !. — Prüf. ll. 9.<br />
12
178 Die Lehr- <strong>und</strong> PredjgttiMgkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern.<br />
scinge vorhanden waren, an die anzuknüpfen möglich sein mußte.<br />
Eine feste Burg des Heidentums war Pommern sicherlich nicht<br />
mehr, <strong>und</strong> die religiöse Überzeugung der Bewohner war durchaus<br />
nicht so unerschüttert, wie man es häufig annehmen wollte. Diese<br />
Christen, die Otto im Lande vorfand, bekannten sich jetzt zumeist<br />
wieder zu ihrem Glauben, den sie entweder aufgegeben oder nur im<br />
geheimen festgehalten hatten. Sie wurden ihm eine nicht unwichtige<br />
hülfe <strong>und</strong> Stütze bei seinem Werke. Doch er verlangte von ihnen<br />
Buße <strong>und</strong> Reue <strong>für</strong> ihren Abfall oder das Perleugnen des Glaubens.<br />
„Viele, die früher Christen gewefen waren, aber im Zusammenleben<br />
mit den Ungläubigen die Schranken des Christentums<br />
überschritten hatten, wurden durch die Beichte <strong>und</strong> Buße wieder in<br />
die Kirche aufgenommen, wobei sie versprachen, daß sie in Iukunft<br />
alles dem Christennamen Feindliche vermeiden, alles ihm<br />
Geziemende erstreben wollten"'). „Einige, welche schon lange Christen<br />
waren, sich aber von neuem durch heidnischen Irrtum besudelt<br />
hatten, erweichte er durch seine Nede zur Neue <strong>und</strong> tiefen Zerknirschung<br />
<strong>und</strong> nahm sie zur Erbauung der Anwesenden durch<br />
Handauflegung wieder in die Kirche auf" ^).<br />
Auch die, welche bei der ersten 3ahrt getauft, aber dann infolge<br />
der eingetretenen heidnischen Gegenwirkung abgefallen waren,<br />
forderte der Bischof bei seiner zweiten Anwesenheit zur reuigen<br />
Umkehr <strong>und</strong> zur Buße auf. Er warf ihnen vor, sie hätten den<br />
lebendigen <strong>und</strong> wahren Gott verlassen <strong>und</strong> die heidnischen Bildwerke,<br />
die nicht sehen, hören oder reden, mit unziemlicher Ehrfurcht<br />
verehrt 3). Auch hierbei bewies er die Milde <strong>und</strong> Vorsicht, die<br />
ihn überall auszeichneten <strong>und</strong> zu seinem Werke befähigten.<br />
3ür ordnungsmäßigen Gottesdienst war natürlich die Errichtung<br />
von Gotteshäusern notwendig, die auch zugleich<br />
den Mittelpunkt der neuen Gemeinden bilden mußten. Die Bamberger<br />
konnten bei dem kurzen Aufenthalt, den sie beide Male<br />
im Lande nahmen^), sich nicht auf große Kirchenbauten einlassen,<br />
sondern mußten sich damit begnügen, kleine Holzbauten (etwa aus<br />
Baumzweigen) 5) aufzurichten oder, was wohl am häufigsten geschah,<br />
nur einen Altar unter einem Schutzdache zu weihen <strong>und</strong><br />
i) Herb. li. 21.<br />
2> Herb. Ili. 3.<br />
3) Priif.Ill. 8.<br />
") Die erste Reise wahrte nach den Angaben der Biographen etwa IM/2,<br />
die zweite 8 Monate.<br />
->) Eoo II. 5.
Me
180 Die kehr- <strong>und</strong> Prediqttätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern.<br />
Wollin'), die Aposteln Petrus Und Paulus in
Die Lehr- <strong>und</strong> Predigttätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern. 181<br />
wirkliches Bistum im Lande am Meere zu begründen. Er hat es<br />
nicht erlebt, dah es ins Leben trat. Wie das geschah, gehört nicht<br />
mehr in diese Darstellung der Misswnstätigkeit des Bamberger<br />
Kirchen<strong>für</strong>sten.<br />
Mag das Bild, das davon entworfen wurde, auch in<br />
manchen Einzelheiten nicht ganz klar erscheinen, mögen die Nachrichten<br />
<strong>und</strong> Angaben der Biographen auch oft erdichtet <strong>und</strong> gefärbt<br />
sein, so ist doch zu erkennen, daß Bischof Otto mit<br />
klarer Überlegung an das Werk ging <strong>und</strong> mit <strong>Gesch</strong>ick <strong>und</strong><br />
Verständnis es ausführte, soweit es überhaupt <strong>für</strong> ihn möglich war.<br />
Ganz gewiß hat er nicht Pommern zu einem christlichen oder<br />
gar deutschen Lande gemacht. Es blühte dort das Heidentum noch<br />
lange offen <strong>und</strong> im Verborgenen, <strong>und</strong> die wendische Bevölkerung<br />
behielt noch Jahrzehnte hindurch die herrschende Stellung. Aber<br />
Otto hat dem Christentum den Eingang in das Land glücklich<br />
verschafft, hat den Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die neue Religion gelegt, so dah<br />
es in Pommern wohl ab <strong>und</strong> zu erschüttert <strong>und</strong> bedroht, aber<br />
nicht wieder getilgt <strong>und</strong> vernichtet werden konnte, lind wenn der<br />
deutsche Gott, wie die Wenden sagten, über ihre Götzen triumphierte,<br />
dann war es nur eine 3rage der Ieit, ob <strong>und</strong> wann<br />
die Deutschen in das ihrer Kultur erschlossene Land kommen, dort<br />
in den Wettbewerb mit den bisherigen Bewohnern treten <strong>und</strong> altgermanisches<br />
Gebiet deutschem Glauben, deutscher Gesittung wieder<br />
gewinnen würden. Daß dies geschehen konnte, ist das unvergängliche<br />
Verdienst, das sich Bischof Otto von Bamberg durch seine<br />
Predigt- <strong>und</strong> Lehrtätigkeit in Pommern um dies Land erwarb.<br />
Er wird deshalb schon sehr früh der Pommern-Apostel<br />
genannt.
Anhang l.<br />
Literatur<br />
über Bischof Otto von Bamberg').<br />
1. Darstellungen des Lebens <strong>und</strong> der Taten Ottos.<br />
2) Einzeldarstellungen.<br />
I. Volschovius, ^era O. Otlioniz episcopi 6abenbel'^erl8i8, pomeranorum,<br />
ut »uclit, apostoli. 8eu liiztorica en2rs2tio 6e occazione conver8ioni5<br />
pomesgnorum 2(1 dslri8tl2ni3mum ante anno3 5lX) per Ottonem<br />
epizcopum l52mber^en8em a vole^lno polonice resse voc^wm in^titutae.<br />
Pal. IaIchiu 5 . lDtt«, epl3copu8 Lambesssen3i3, pomeranorum apovit2m<br />
prolixe, zecl 3tvlo il!iu3 tempoiiZ bardaro, nonnemo<br />
ante INN08 quinssent03 cze8crip8it, in tlieatsum eccle3l3ft<br />
amore p2tri2e atque l-ellssioni3 se6l«ctu5. (^older^ae 1H76.<br />
Chr. Iickermann, Historische Nachricht von den alten Einwohnern in<br />
Pommern, auch von der Religion <strong>und</strong> Bekehrung, insonderheit aber von<br />
der St. Petri. <strong>und</strong> Pauli-Kirche in Alten-Stettin, welche Bischof Otto<br />
von Bamberg anno 1124 bauen lassen Stettin 1724.<br />
Chr. Schöttgen, Das Andenken der <strong>pommersche</strong>n Bekehrung durch<br />
Bischof Otto von Bamberg anno 1124 verrichtet. Stargard 1734.
Die Lehr» <strong>und</strong> Predigttiltigkeit des Bischofs Otto non Bamberg in Pommern. 183<br />
I. 3r. Sulzbach. Leben des heil. Otto, Vischofs von Bamberg <strong>und</strong><br />
Apostels der Pommern. Regensburg 1866.<br />
Th. Wangemann, Das neue Ottobüchlein. Berlin 1871.<br />
Otto, der heil^ Bischof non Bamberg <strong>und</strong> Apostel der Pommern. Ireiburg<br />
i. Br. l875.<br />
I. A. Zimmermann, der hl. Otto. Bischof von Bamberg <strong>und</strong> Apostel<br />
der Pommern. Ireiburg i. Br. 1875.<br />
A. 3inzow. Bischof Otto von Bamberg. Progr. Gnmn. Pyritz 1875.<br />
Kasten, Bischof Otto von Bamberg. Warnecks Allgem. Missions-Ieitschrift<br />
1877. S.;333ff.. 395 ff. — 1879. S. 356 55-, 405 ff.. 507 ff.<br />
h. Lehmann. Pommern zur 3eir Ottos von Bamberg. Berlin 1878.<br />
H. Salchow. Otto von Bamberg. Ein Beitrag zur <strong>Gesch</strong>ichte Pommerns.<br />
Grenzboten. XXXVII. 1. Leipzig 1878. S. 114—119.<br />
A. 3inzom. Bischof Otto von Bamberg, der Pommern Apostel. Teil l.<br />
Progr. Gnmn. Pnritz 1879.<br />
3. Looshorn. Der heil. Bischof Otto. Nach den Quellen bearbeitet. Festschrift.<br />
München 1880.<br />
W. Bernhardt, Otto. Bischof von Bamberg. Allgem. Deutsche Biographie.<br />
Bd. XXIV. Leipzig 1887. S. 654—657.<br />
A. Kolbe — A. Haurk, Otto «von Bamberg. Herzogs Realencnklvpädie<br />
<strong>für</strong> protestant. Theologie. 2. Aufl. Bd. XIV. S. 530—533.<br />
55. Looshorn. Der heil. Otto, achter Bischof von Bamberg. Auszug<br />
aus der Iestschrift. München 1888.<br />
K. Markus, Bischof Otto l. von Bamberg als Bischof. Reichsfiirst <strong>und</strong><br />
Missionar. Dissert. Breslau 1889.<br />
G.. Iu ritsch. <strong>Gesch</strong>ichte des Bischofs Otto l. von Bamberg, des Pommernapostels.<br />
Gotha 1889.<br />
Weber, Otto d. hl.. Blschof von Bamberg. Wctzcr <strong>und</strong> Weltes Kirchenlexikon.<br />
2. Aufl. Bd. IX. Irriburg i. Br. 1895. S. 1175—1183.<br />
M. Wehrmann. Bischof Otto von Bamberg, der Pommernapostel. Pomm.<br />
Heimatkalender 1924. S. l7—27.<br />
M. Wehrmann, Bischof Otto von Bamberg in Pommern. Pomm.<br />
Heimatk<strong>und</strong>e Band 8, Greifswald 1924.<br />
d) Ausführlichere Darstellungen in größeren Werkens.<br />
184 Die Lehr« <strong>und</strong> Predigttätigkeit des Vischofs Otto von Bamberg in Pommern.<br />
3. W. Vart hold, <strong>Gesch</strong>ichte von Rügen <strong>und</strong> Pommern. Vd. II. Hamburg<br />
1840. S.3—103.<br />
L. Giesebrecht, Wendische <strong>Gesch</strong>ichten aus den Jahren 780 bis N82.<br />
Bd. li. Berlin 1843. S. 221—330.<br />
W. v. Giesebrecht, <strong>Gesch</strong>ichte der deutschen Kaiserzelt. Bd. lll„<br />
S. 954—973. lV, S. 159—167.<br />
W. Bernhardt. Lothar von Supplinburg. Leipzig 1879. S. 153—184.<br />
W. Wies ener. Die <strong>Gesch</strong>ichte der christlichen Kirche in Pommern zur<br />
Wendenzeit. Berlin 1889. S. 50-117.<br />
W. v. Sommerfeld, <strong>Gesch</strong>ichte der Germanisierung des Herzogtums<br />
Pommern oder Slawien bis zum Ablauf des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts. Leipzig<br />
1896. S.24—36.<br />
L. Nottrott, Aus der Wendenmission. Halle 1897. S. 389—442.<br />
M. Wehrmann. Aus Pommerns <strong>Gesch</strong>ichte. Stettin 1902. S. 1—17.'<br />
R. Roepell. <strong>Gesch</strong>ichte Polens. Vd. I. S. 140—144.<br />
Ad. Hauck. KirchenqesckichteDeutschlandsBo.lv. Leipzig 1903. 6.564—593.<br />
M. Wehrmann, <strong>Gesch</strong>ichte von Pommern. Bd. I. Gotha 1919. S. 60—75.<br />
2. Abhandlungen über Einzelheiten lm Leben Ottos.<br />
^ Gg. Rothe, problema litterarium, qui6 pronideat Otto,<br />
es)i3copu5, Pomel-Inorum, ut clicitur, apo3t
Die Lehr- <strong>und</strong> Predigltätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern. 185<br />
H. Lehmann, Chronologisches zu den Missionsreisen Bischofs Otto von<br />
/ Bamberg. Balt. Stud. XXX (1880). S. 159—168.<br />
Bossert, Die Herkunft Ottos d. Heil, von Bamberg. Württemberg.<br />
Vierteljahrshefte. Jahrg. 1883. II. S. 93—102. 297—304.<br />
-)H. Friedrich, Die politische Thätigkeit des Bischofs OM l. von Bamberg.<br />
Dissert. Königsberg 1881.<br />
9P. Schneider, Das Ottograb zu Bamberg im Volksglauben. 75. Bericht<br />
<strong>und</strong> Jahrbuch 1917 des Historischen Vereins zu Bamberg. Bamberg<br />
1918. S. 69—80.<br />
A. Haas. Bischof Otto von Bamberg in der vommerschen Volkssage.<br />
Stettin 1922.<br />
3. Abhandlungen über die Quellenschriften zur<br />
<strong>Gesch</strong>ichte Ottos.<br />
^ M. Hoffmann, ^nnales epl3cosiatu5 VabenderFen^i«;. 16l)l>.<br />
^Canisius. äntiquae lectionez. I'om. II. 1602. S. 325—482: l_idri tres<br />
cle vita b. Ottoni».<br />
^ I . Gretser. Divi 8amberxen8e8. Ingolstadt 1611. S. 145—363. auch<br />
Opera X, S. 570—669.<br />
t^Surius, Vitae 3anotQrum. 2. )ul. 1M8. 2. 31.<br />
("Val. 3 aschius, ^ncireae, abbati Lamder^en3i3, cle vita 3. Ottoni»<br />
Vabensserssen8i8 (!) ecclesiae epi3copi ac ^omeranorum ^entiz /Xpc)-<br />
8toli, likri qu2tuul nunc primum ex ^embranis Leneclicto sanctae<br />
pontifici in8cripti e6ltt, cum librl8 quatuor<br />
lii5que. cc>mit»5 cuiu36am 3. Ottonis, quem<br />
3ifrieclum e3«e putant, qui in compenclium etiam re^acti<br />
collati ac corrupte!^ vinciicati et appenctice trium ciisilamatum<br />
»c qvasunciam olizervatianum, ut et inclice serum vocumque ot)5curarum,<br />
barbararum et barbare 8cris)tarum illuZtrati. (üolber^ae 1(>81.<br />
3. P. o. l? u d e w i g . I^Invum volumen 8crjptorum rerum Oerm. vol. l.<br />
complecten3 zcriptorez rerum Lamberss. Irankfurt <strong>und</strong> Leipzig 1718.<br />
S. ^94 bis 727. 739—785.<br />
I. B. S o l e r i u s . (^ommentgrill« praeviu8 6e 3. Ottone, ^cta 3gnctorum.<br />
^ulii tom. I. Venedig 1746. S. 378—425:<br />
^cta 3anctorum. )ulii tomuz I. Venedig 1746. S. 378 bis 425:<br />
Vita Ottonl8 auctore 8vncnrono, qui 3eiriclum prae oculi8 nabuit et<br />
tiinc ina'e contraxit, ex eclitione (^ani3l'i correcta et emendata. — S. 435<br />
bis 449: Vita altera auctore, 8i non tallimur, rldkone monacno. ^x<br />
^3. dibliotkecae paulinae l_ip3iae numquam antekac eclita. — S. 449<br />
bis 455: I_ider IV. Abboni 8Uperac!cljw8: S. 456 bis 465: 3upplementum<br />
alt r>s3emi8523 vita» ex Andrea, a direnerò eciito.<br />
Langebeck. 3criptole8 rerum Qanicarum. IV, 217—224. Ottoni eriisc.<br />
Namberssen3i3 lessgtio ex pomerania in Daniam.<br />
St. L. Endlicher. Vita Ottoni8, Labenl)ersen5i8 epkcopi, ex8cris»ta<br />
e r>a38ioliali
186 Die kehr« <strong>und</strong> Predigttätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg m Pommern.<br />
Bielowski, Klon, polon. borica. N. S.32—144.<br />
R. Klem pin, Die Biographien des Bischofs Otto <strong>und</strong> deren Verfasser.<br />
Valt. Stud. IX. 1
Die kehr- <strong>und</strong> PredigNätiakeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern.<br />
Sieniawsbi. Die zwei schönsten Reisebeschreibungen des Mittelalters.<br />
<strong>und</strong> zwar die Missionsreisen des Bischofs Otto von Bamberg nach dem<br />
Lande der heidnischen Pommern in den Jahren 1125 <strong>und</strong> 112? (1128) auf<br />
Gr<strong>und</strong> lateinischer Quellen dargestellt. Glatz (1907).<br />
A. Weine it. Die Quellen über den Aufenthalt Ottos von Bamberg in<br />
Demmin. Festschrift zur 50 jähr. Jubelfeier des Kgl. Gymn. zu Demmin<br />
1907. ll. S.45—55.<br />
O. hetnemann, Die eclitio princep3 der Biographien des Bischofs Otto<br />
von Bamberg. Centralo!, <strong>für</strong> Biblioth. XVl. S. 495—498.<br />
3rz. Wilhelm. Zur Überlieferung des herbordschen Dialogs über das<br />
Leben des Pammernapostels Otto von Bamberg. Mitteil, d. Instituts<br />
<strong>für</strong> österr. <strong>Gesch</strong>ichtsforschung. Ergiinzungsb. Vl. S. 185—196.<br />
Anhang II.<br />
Denkschrift des Bischofs Otto von Bamberg<br />
über seine Lehrtätigkeit in Pommern.<br />
clominicae mc2rn2tiam8 1124 mclictione 8ecun6a l
188 Die kehr- <strong>und</strong> Predigttäligkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern.<br />
8UO3 in ^bkato 82nctoi) ?23cliae et Pentkeco8te8 cum<br />
cancleliz et cappa, quae clicitur ve3ti8 can^icla, et p2trin»8 comit2ntinu8<br />
26 bapti8mum cleferant eo8que veste innocentiae incluto3 per 8in^ulo3<br />
6ie3 U3que in cliem octavum eiu8mm2trcm 8U2m ciucgt?) in uxarem neque propriam<br />
coAN2t2M 3U2M U3que in 8extam et 8es>timam ssenel-Htinnem,<br />
et Uliu3qul8que contentu3 zit una uxore,<br />
ne 3epeli2nt ni0rtuo3 (^nsÌ8tl3N03 inter p2^2N08 in 8ilvi8 aut in<br />
campii, 8ecl in cimiterii3^ 8icut M03 e8t omnium<br />
ne tu3te3 26 8ez>ulcnr2 eorum ponant,<br />
nmnem 5»tum et pl-2vit2te bi<br />
clomu8 ^olorum non con8tru2nt.<br />
non 8int,<br />
ne quia s) immun^um come63ni, non marticinum, non 8uffoc2tum<br />
neque ^clnlotitum neque 82Nssuinem animalium,<br />
ne commumcent s>I^3ni3,<br />
ne cinurn gut potum cum eis 2Ut in vaäculis eorum zumant,<br />
ne in n»5 omniliuz conzuetuclincm pa^anam ^^) repetant.<br />
lniunxit eti«m ei8,<br />
ut, 6um 82ni 8imt^^), veniant 2cl 3acercl0te3 Ieccle3iae, ut ^^) contite2ntur<br />
pecc2t» 3U2,<br />
in infirmit2te 2utem 8ua") vocent pl-e3bitel-o8 26") 8e„ ut ^) ^onfite2ntur<br />
peccata 8U2 et corpU8 Domini accipiant ^°).<br />
Ebo.<br />
etiam cllLtricta reäarssutione s>ronibuit. Ebo.<br />
2) filigZ 8U38 Edo. Prüf.<br />
4) nam noe nepna8. Ebo.<br />
b) filin«; 5UO8 et fehlt bei Prüf.<br />
«) eti2m ei8 Prüf.<br />
7) äucar commatrem 3U3m Priif.<br />
s) pnitoni832m Prüf,<br />
v) quia etiam Ebo. Prüf.<br />
^o) P2ss2ni3mi. Cbo.<br />
") 3int. Ebo. Prüf.<br />
") et. Ebo. Prüf.<br />
i3) 3U2 fehlt bei Ebo. Priif.<br />
1*) 2(1 8e pre3t)lter03. Ebo.<br />
") et. Prüf.<br />
^6) ut contiteantur peccata 8ua fehlt bei Eoo. ac purg confe?3ione<br />
expl2ti corpu3 Domini accipiant. Ebo.
Die Lehr- <strong>und</strong> Prediqttätigkeit des Bischofs Otto von Bamberg in Pommern. 189<br />
Iniunxit etiam '),<br />
ut cle periurijz, cie aclulteriiz, 6e liomicickk et 6e caeten^ cr>imin2libu8<br />
»ecunclum canonum 2) M8titut2 poenitentiam 2A2nt et in omni ^nrj
Die Siegel<br />
derMschöfe VonKammin <strong>und</strong> ihres<br />
Domkapitels.<br />
Von<br />
Dr. O. Grotefend<br />
StaatsarGlvdlrektor zu Stettin.
.<br />
Nenn ich auch dieser Veröffentlichung die Überschrift «Die<br />
Siegel der Bischöfe von Kammin <strong>und</strong> ihres Domkapitels" gegeben<br />
habe, so bin ich mir doch sehr wobl bewußt, daß ich vielleicht<br />
allen Erwartungen mit der Arbeit nicht genügen werde; ich halte<br />
es <strong>für</strong> sehr möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß. mir das eine<br />
oder andere Kamminer Siegel trotz eifriger Nachforschungen doch<br />
noch entgangen ist. Für die im Pommerschen Urk<strong>und</strong>enbuch bearbeitete<br />
Zeit, also bis zum Jahre 1325, habe ich allerdings wohl<br />
alle bekannt gewordenen Urk<strong>und</strong>en mit Siegeln der Kammlner<br />
Bischöfe oder ihres Kapitels erfaßt; auch bis zum Jahre 1400,<br />
bis zum Schlußjahr des Mecklenburgischen Urk<strong>und</strong>enbuchs herab,<br />
glaube ich, mich <strong>für</strong> ziemliche Vollständigkeit verbürgen zu können.<br />
Aber <strong>für</strong> die Zeit nach 1400 wird die Frage schon kritischer,<br />
namentlich, da ja etwa in Betracht kommende Urk<strong>und</strong>enbücher,<br />
wie z. N. Riedels doäex diplomaticuZ Zr3nc3enbus^en8l3, so gut<br />
wie niemals angeben, ob die in ihnen abgedruckten Urk<strong>und</strong>en noch<br />
ein Siegel tragen. Ich sah mich deshalb hinsichtlich der systematischen<br />
Siegelermittlung <strong>für</strong> diese Zeit nach 1400 ganz<br />
auf die Bestände des Stettlner Staatsarchivs angewiesen, das<br />
mir übrigens auch <strong>für</strong> die Siegeln? iedergabe aus der Zeit<br />
vor 1400 fast alle Stücke liefern mußte, da durch allzuviele Postsendungen<br />
Kosten entstanden waren, deren Tragung unsere Gesellschaft<br />
in jener schlimmen Inflationszeit nicht übernehmen konnte.<br />
Bei dieser Gelegenheit mochte ich nicht verfehlen, den Verwaltungen<br />
des Mecklenburgischen Geh. <strong>und</strong> Hauptarchivs zu Schwerin i. NI.,<br />
des Preußischen Staatsarchivs zu Breslau <strong>und</strong> des Stadtarchivs<br />
zu Königsberg lNm.) <strong>für</strong> die bereitwillige Übersendung wertvoller<br />
Siegel meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.<br />
Daß auch in anderen Archiven ganz sicherlich noch Kamminer<br />
Bischofssiegel ruhen, die hier nicht bekannt sind, glaube ich aus<br />
13
194 Die Siegel der Vlsch5fe von Kammin <strong>und</strong> ihres Domkapitels-<br />
dem schönen Siegel Abb. 47 des Bischofs Marinus de Fregeno<br />
schließen zu dürfen, das ich als ein mir bisher gänzlich unbekanntes<br />
zufällig im Stadtarchiv zu Königsberg (Nm.) entdeckte. Jede<br />
Mitteilung eines mir entgangenen Kamminer Bischof- oder Kapitelsiegels<br />
würde ich mit freudigem Danke begrüßen.<br />
Die Reihe der Abbildungen beginnt erst mit einem Siegel<br />
Bischof Sigwlns (1191—1219). Von den drei ersten Bischöfen,<br />
Adalbert (1140- etwa 1160), Konrad l. (etwa 1160-1186)<br />
<strong>und</strong> Siegfried (1186—1191) sind meines Wissens keine Siegel<br />
erhalten. Die von Kosegarten im Ooäex ?omei-amae ckpwmaticuZ<br />
Seite 984 unter Nr. 21 erwähnte Zeichnung eines Siegels Bischof<br />
Adalberts im Putbusser Abschriftenbande Nr. 21 (vergl. auch<br />
Baltische Studien Alte Folge Band 31 Seite 27) konnte ich nicht<br />
einsehen. Diese Zeichnung wäre immerhin ein Ersatz, wenn auch<br />
vielleicht nur ein schwacher, <strong>für</strong> das um 1700 noch vorhanden<br />
gewesene, jetzt aber anscheinend verloren gegangene Siegel gewesen.<br />
Von Bischof Sigwin etwa aber bis hinunter zum letzten katholischen<br />
Kamminer Bischof Erasmus v. Manteuffel (1521—1544)<br />
ist jeder Bischof (Ausnahmen: siehe unten! durch ein oder mehrere<br />
Siegel vertreten; ich habe sogar noch die beiden nachreformatorlschen<br />
Bischöfe Bartolomcius Swave <strong>und</strong> Martin v. Weyher herangezogen,<br />
dagegen von den nachfolgenden Bischöfen aus dem <strong>pommersche</strong>n<br />
Herzogshause Abstand genommen, da diese stets nur ihr <strong>für</strong>stliches<br />
Siegel gebrauchten <strong>und</strong> somit <strong>für</strong> die vorliegende Veröffentlichung<br />
' nichts besonderes boten. Den Schluß bilden 5 verschiedene Domkapitelsiegel<br />
des 13., 14. <strong>und</strong> 15. Jahrh<strong>und</strong>erts; namentlich von<br />
dieser Abteilung bin ich überzeugt, daß sich noch manches bisher<br />
unbekannte Siegel hierzu wird feststellen lassen. Ferner möchte<br />
ich noch hinweisen auf Abb. 26, die ein Siegel des Domvikars<br />
darstellt, da von Bischof Johannes Nrunonis ein Siegel mir<br />
nicht bekannt geworden ist. Endlich mache ich aufmerksam auf<br />
Abb. 40. die das Siegel des Generalossizlalats vorführt, wie es<br />
sich an zahlreichen Urk<strong>und</strong>en des Domstifts Kammin findet.<br />
Noch einige Nischofnamen außer dem oben genannten<br />
Johannes Brunonis, sind in der langen Reihe der Siegel"<br />
abbildungen nicht vertreten. Zunächst fehlen die Namen Ludwig<br />
von Henneberg, der von den Widersachern Bischof Arnolds
Die Siegel der Vlschsfe von Kammln <strong>und</strong> lhre« Domkapltels- 195<br />
aus dem Hause der Grafen von Eltz als Gegenbischof aufgestellt<br />
wurde, <strong>und</strong> Heinrich von Babenberg. den Papst Nikolaus V.<br />
am 27. Januar 1329 mit dem Bistum providierte (vgl. M. Wehrmann,<br />
Zur Chronologie der Caminer Bischöfe, Korrespondenzblatt<br />
des Gesamtverelns der deutschen <strong>Gesch</strong>ichte- <strong>und</strong> Altertumsvereine.<br />
1898, Seite 115 ff) Von beiden Männern scheinen aber Siegel<br />
nicht erhalten zu sein, wenn sie überhaupt je ein solches als<br />
Kamminer Kirchen<strong>für</strong>st geführt haben. Ferner ist in der Liste<br />
nicht vertreten Johannes Willetinl. vorher Propst des Kösliner<br />
Nonnenklosters, dann. 1385—1386, bis zu seinem durch Vergiftung<br />
erfolgten gewaltsamen Tode. Erwählter des Stifts. Auch von<br />
ihm ist uns anscheinend kein Siegel überliefert. Weiterhin konnte<br />
kein Kamminer Siegel des Bischofs Johann III. von Schleswig<br />
beigebracht werden, dem vom Papste Gregor XII. nach dem Tode<br />
des Bischofs Nikolaus Bock aus Schlppenbeil im Jahre 1411<br />
das Kamminer Bistum übertragen worden war, der aber niemals<br />
darauf Anspruch gemacht zu haben scheint; seine Translation wurde<br />
am 20. April 1420 vom Papste Martin V. aufgehoben. (Vgl.<br />
M. Wehrmann, Vatikanische Nachrichten zur <strong>Gesch</strong>ichte der<br />
Kamminer Bischöfe im 14. Jahrh<strong>und</strong>ert. Baltische Studien N. F.<br />
Bd. 8 Seite 144.) Schließlich kamen <strong>für</strong> die vorliegende Arbeit<br />
nicht in Betracht Henning Kossebade (1469) <strong>und</strong> Nikolaus<br />
v. Tüngen (1471—78). die Gegenblschöfe des Postulaten Ludwig<br />
Don Oberste in, von dem mir übrigens gleichfalls kein Siegel<br />
bekannt geworden ist. der vielmehr nur mit dem bekannten Vikariats-<br />
Ilegel (Abb. 45) siegelte, wenn er nicht das Offizialatsiegel (Abb. 40)<br />
gebrauchte, sowie Angelus, Bischof von Seffa (3ue883nu8> in<br />
llnteritalien, der niemals seine ihm vom Papste verliehene Kammlner<br />
Diözese betreten hat <strong>und</strong> im Jahre 1485 auf das nordische Bistum<br />
verzichtete.<br />
Da ich von jedem Siegel ein Lichtbild gebe, so erübrigt sich<br />
eine bis ins Elnzelste gehende Erläuterung; außer einer allgemeiner<br />
gehaltenen Beschreibung ist nur die Umschrift jedesmal, soweit es<br />
möglich ist, angegeben worden, da diese in der Abbildung oft nicht<br />
so klar hervortritt. Hierbei sind allerdings aus technischen <strong>und</strong><br />
finanziellen Gründen bei den Majuskelumschrifien stets gleichmäßige<br />
Antiqua-Buchstaben, bei den Minuskelumschriften eine gleichmäßige
196<br />
Die Siegel der Bischöfe von Kammln <strong>und</strong> ihres Domkapitels.<br />
gotische Minuskel zur Anwendung gelangt; die Formen der auf<br />
den Siegeln befindlichen Buchstaben sind auf den Abbildungen<br />
zu ersehen. Die Photographien, von Herrn W. v. Seellg 8on. in<br />
Stettin aufgenommen, bringen übrigens alle Siegel genau in der<br />
Größe des Originals.<br />
Nber die Verfertiger der Siegelstempel <strong>und</strong> ihre Heimat ist<br />
m. W. leider nichts bekannt. Daß sie nicht immer Pommern gewesen<br />
sind, steht wohl fest. Ganz besonders klar tritt das z. B.<br />
bei den Siegeln des Italieners Marinus de Fregeno (Abb. 46<br />
<strong>und</strong> namentlich Abb. 47) hervor, die m. E. in ihrem Renaissancetyp<br />
offensichtlich das Gepräge italienischer Arbeit tragen. Auch<br />
die Siegel Abb. 49 <strong>und</strong> 50 lassen in der Darstellung <strong>und</strong> besonders<br />
den Fehlern der Umschrift auf fremde Herkunft schließen.<br />
.
^. Die Siegel der Bischöfe.<br />
Sigwin.<br />
1 UN —1219.<br />
Von Viskos S i ^ u> i n sind zwei einander seln' ä'<br />
eitifj nebel,eil,ander ^ebranchte Sieqeltupen bekainit:<br />
Eine altere llrl'lmde<br />
i^leli Siegel, N'üln'sl'l<br />
ili^ im ^m^lisän'ü H<br />
1. 1214 September 29:<br />
Staatsarchiv Breslau.<br />
Kloster Trebnilz.<br />
Ab<br />
Koseczartcn.<br />
Tafel Q 3.<br />
Sitzender Bischof, in<br />
der Rechten den Bischofstab.<br />
in der Linken ein<br />
Nllch haltend. Umschrift:<br />
! . INll .<br />
2. Etwas kleiner als Nr. 1. 1216<br />
November 20: Geb. nnd Hanptarchiv<br />
Sänverin i. N7.. Kloster<br />
Dargnn. Eine nli.a.elina.ende Abbildnna.<br />
bietet Hasselbach Koseqarten.<br />
(Ic>c!ex ?5)lii^7^ni
198 D'l) Siegel der Vischöfl? von Kammm l»»d<br />
Konrad II.<br />
1219-1233.<br />
Von Bischof Kon rad ll.<br />
ist lnlr eill Sicgeltyp bekannt.<br />
. 12322lpril4:Geh.nndHanpt-<br />
Archiv Schwerin i.M., Kloster<br />
Der Bischof, mlf einem ,nit<br />
Tierköpfen gezierten Sessel,<br />
sitzend, die Rechte segnend erhoben,<br />
in der Linken den Vischofstab<br />
haltend. Umschrift:<br />
i<br />
il l'I<br />
Konrad III.<br />
Edler Herr von Salzwedel.<br />
Auch von Konrad lll. kennen<br />
wir nnr einen Siegeltup. der sehr<br />
dem Siegel Abb. 1 ähnelt.<br />
4. 1239 Februar 14: Geh. <strong>und</strong><br />
Hanptarchiv Schwerin i. M..<br />
Kloster Dargnn.<br />
Sitzender Bischof, in !<br />
ten den Bischofstab. in der<br />
ken ein Bnch Haltelid.<br />
(lill
f^' l.'!.>li Klimm'li <strong>und</strong> iluc'ii' Domklipitelo.<br />
Wilhelm.<br />
1244—1251.<br />
Hermann<br />
von Gleichen.<br />
1251—1288.<br />
Auch von Bischof Wilhelm<br />
ist nur ein Sieqeltl.)p bekannt.<br />
1249 März 12: Geh. mid<br />
Hauptarchiv Schwerin i. M..<br />
Kloster Darssun.<br />
Der Bischof, ailf einem nnt<br />
Tierköpfen gezierten Sessel<br />
sitzend, in der Rechten ein<br />
Buch, in der Linken den<br />
Bischofstab haltend. Umschrift.<br />
^ ""l I.<br />
IX!! . ^<br />
Von Bischof Hermann kennen wir<br />
drei Siegeltypen.<br />
6. 1252 März 10: Geh. <strong>und</strong> Hauptarchiv<br />
Schwerin i. M., Kloster Dargun.<br />
Der Bischof l?) zlvischen zwei Säulen<br />
unter einem dreifachen Bogen stehend.<br />
einen Palmenzweia.<br />
wütend. Umschrift:<br />
in der Rechten<br />
Es ist also das Siegel des Erwählten lelectu3j, bevor Hernunin<br />
als Bischof bestätigt U'ar.
7. 1^5)/ ^illli !!.->! Gel^. lind HlNlpl<br />
nrchiv Schlverin l. ^I., .sN^st^'l<br />
Sessel sil<br />
dor Rechten ein Blick, in<br />
sinken deli Vischofsmb w<br />
Ulnschrift: ^ ll< l zll l ! n l/<br />
Also d^^ Siegel<br />
ischofü. älterer T<br />
archiv Stettin. Kloster<br />
5roc>lin Nr. 2.<br />
Der ji'llissere ^r,p Z,<br />
neben dein nber Siegel<br />
Nr. 7 rllhig lveiterqe^<br />
branchi wird, wie eine<br />
Urknnde von lVtts^'<br />
tober 1^ iln (^el). nnd<br />
i.M., Kloster<br />
beloeist.<br />
einem reich<br />
Sessel si hend, rechtc<br />
<strong>und</strong> link5 von Sternen nnd Halbmonden lii'.un'ben, die .^ee<br />
segnend erhoben, in der ^'niken den )>
10.<br />
Iaromar,<br />
des piksten Wizlaw ll. von Nü^en.<br />
wir M>ei . ^ ,<br />
. einaiider. seln' al.ni-<br />
."): Staatsarchiv<br />
Stettin. Deposltllln der Stadt<br />
Kolberq Nr. 11.<br />
6 der Täufer lder<br />
des Domstiftes) mit<br />
Nimbus. dor verziertem<br />
Hintergründe stehend, die<br />
Rechte ans der Brust, in<br />
der Linken das Lamm in<br />
Aureole Haltelid. Umschrift:<br />
10. 1Wi Ianuar25: Staatsarchiv<br />
Stettin.Depositum<br />
der Stadt Köslin Nr. 5.<br />
Dasselbe Siegelbild<br />
wie Abb. l), lnlr etlvas<br />
sora,fä'ltia.er llnd feiner<br />
g e sch n itten. N in sch rift:
202<br />
der<br />
Wizlaw.<br />
1294-1296.<br />
Bischof (Elekt) W i z l a lv<br />
(oder Wizlalls) ist mir 1 Siegeltyp<br />
bekannt.<br />
11 1295 Februar 15v. Staatsarchiv<br />
Stettin. Kloster Köslin Nr. 12.<br />
Der Bischof (?) zwischen zwei<br />
Säulen unter einen! Spitzbogen<br />
stehend, mit beiden Händen ein<br />
Buch (?) vor derBrust haltend. Um<br />
schrift: 5>."^! "IMl .jl l< lll jl^l l.^li l.<br />
Wizlaw nnrd stets nnr als Ern>ä'hlter<br />
(Elekt), nie als Bischof<br />
bezeichnet.<br />
ll'l l)il>dm'ch<br />
Peter.<br />
(1300), VonBischofPeter<br />
ist gleichfalls nnr !<br />
Siegeltyp bekannt,<br />
der allerdings von<br />
deli bisher üblichen<br />
Formen abweicht<br />
<strong>und</strong> in der ganzen<br />
Nei he der Kam<br />
miner Bischofsiegel<br />
seinesgleichen nicht<br />
hat.<br />
12. 1298 Februar l):<br />
Staatsarchiv Stettin.<br />
Depositum der<br />
Stadt Kö'slinNr.tt.<br />
4 kleine Kreise um<br />
schl i esze n ei n eNIa n<br />
dorla (Spitzoval)<br />
(5bristns am Kreuze. Im oberen Kreise Maria mit den, Kinde.<br />
(heraldisch) rechten Kreise Johannes der Täufer mit dem ^amme.<br />
linken Kreise Petrus mit dem Schlüssel. Im unteren Kreis<br />
betende Bischof mit dem Bischofstab. Zwischen den 4 Kreisen
Dir ^il,' <strong>und</strong><br />
die (^nmbole der 4 Evaligelisten (Adler. Engel, ^chse lllid ^ölv<br />
auck diese beidei^ geslngelt). Umschrift: > - l . I^I^lll . l)lll<br />
'! -<br />
Heinrich<br />
von Wachholtz.<br />
schl^fH eiliri ä^ kennen<br />
lvir lnlr einen (Zie^ellup, nber<br />
zloei verschiedene Niicksie^el.,<br />
die lner znni ersten Mal an<br />
Ka m m inerBi sch ofssi eq el n an ftanchen.<br />
<strong>und</strong> zlvar das jüngere<br />
(Abb. 13) als ausgesprochenes<br />
Sekretsiegel.<br />
1304 September 7: Staatsarchiv<br />
Stettin. Depositum der<br />
Stadt Kolberg Nr. 20. <strong>und</strong><br />
1315 Februar 23: ebenda.<br />
Kloster Köslin Nr. U).<br />
Der Bischof auf einem Sessel<br />
sitzend, die Rechte segnend erhoben,<br />
im linken Arm den<br />
Nischofstab haltend. Uinschrift:<br />
Das ältere Rücksiegel. das<br />
aber anscheinend bald schon<br />
durch das Siegel Abb. 15 verdrängtworden<br />
ist; der Ausdruck<br />
Sekretsiegel ist bei diesem ili der<br />
Umschrift noch nicht gebraucht.<br />
1303 November 4: Gel), <strong>und</strong><br />
Hauptarchiv Schwerin i. M..<br />
Kloster Dargnn.<br />
Antike Gemme (behelmter
Konrad IV.<br />
I,N7—1324,<br />
D n ^ e l st e all c' g e s p r l.>^) l.' l 1 c<br />
^ l.' k r l.' t sl l,' l.^' l in i)<br />
Sieqel Abb. !.^ ,^'<br />
. 1304 S^'pt^inbl'l' 7- StmN5<br />
archiv (^tettili, Depositlliu<br />
der Stlidt .^olberq Nr. A).<br />
lV.<br />
Ninschrist^<br />
tin. Deposituln der<br />
Stadt Kolberg Nr.<br />
die Rechte segnend<br />
erhoben, in der<br />
sinken den Bischof<br />
stlib bultend, llber<br />
«bin .nlls gotischen<br />
6pil^bogen rechts<br />
Nl'nrin nlit dein<br />
.^,'nde. linkc> Io<br />
blinnec' der<br />
l'lit dein<br />
Dlirilber eiln' stili<br />
sierte Stadt (das binin^lische Ier^lein).Anschrift '
Arnold,<br />
Graf von Eltz.<br />
0<br />
Visck^s Arn ol<br />
kenn n.>iv nur 1 Sn'^r<br />
nnd ! Sekretsiegel.<br />
tt. .N-.<br />
Stettin.<br />
der Stadt Kol^<br />
berg Tllr. .^!.<br />
Der Bischof anf reich<br />
ausgestattetem. in.Vid<br />
derkopfen versehenen<br />
Sessel vor verziertem<br />
Hintergründe sitzend,<br />
die blechte segnend er<br />
hooen. ili der hinken dell<br />
Nischofstab haltelld.<br />
Ilder seinem Hanpte eili<br />
Telnpelbild. Nlnschrift'.<br />
Das al^ Rncksiegel<br />
verwandteSekretsiegel.<br />
ill roteln Vachs ill dac><br />
gri'lne Wachs des gro^<br />
stell Siegels (Mb. !7)<br />
eillgelassell. Dasselbe<br />
Sekretsiegel findet sich<br />
anch ill grilliem Wachs<br />
oblle das grosze Siegel.<br />
Abb. 17 als selbst<br />
ständiges Siegel ali Nrk<strong>und</strong>en<br />
z.V.'iZZOIa,<br />
nuar 19'. Staatsarchiv<br />
Stettin. Kloster Pu<br />
dagla Nr. 9l)- l.^l)<br />
Mä'rz 3: ebenda. De<br />
posituln der Stadt Nil<br />
geinvalde .^r.
). 1327 Oktober 31: Staatsarchiv (Stettin. Depositllm der Stadt<br />
Kolber.q Nr. 31.<br />
Halbsirzur des Nischvss<br />
Rechte sc^l^'lid orh>.>boli, ili i>^'r ^ilikol, dl.'li Nischofswb<br />
il)ln dl^r Schild mit semeni Fl-llnil<br />
iin olx'rcn Felde, das<br />
l.)iervl.ni<br />
Friedrich<br />
von Eickstedt.<br />
1Z30—^34.^.<br />
„ BischofF ri.>dri ä<br />
ist lnll.' 1 (Ziegel lliid ! (?^'<br />
kretsie^el bekmml.<br />
U). I3ZZ April 1^!StlilN<br />
NI li ri e li stifte Nr. ^5).<br />
Der Vischof. in ».'in^r (^pil><br />
bo^l)l>iiischl.' mis rilirin l^'l.<br />
^iertrn Sessel, sil^end, die<br />
Nechte se^lielld erl.)l.>l.x'n. in<br />
der ^mken den ^isän^sc-.<br />
stcib l)al,telid. Filter seinen<br />
^l'lszen der Schild in ir sein ein<br />
Anmilienwappen (Ü ^nel><br />
der l.>l.>ere nur ^<br />
der llntere mit !<br />
Rl.>se belebt), i'lber ilnn eine<br />
stilisierte Stadt. Umschrift:<br />
IX!,! .<br />
a^» Sekretsieqel, aber nnr al.c> selbst^<br />
Siegel, nicht alo Rncksie^el<br />
l'W) Dezember ^! Staatsarchiv Slettin,<br />
Visum! Kainmili. Nachträge !)Ir. -2.<br />
Das Haupt Il.>hannl's des Tansers ans<br />
einer Schüssel. Un^rist'. .^l llllll^'^I/ .<br />
i'lll'lU lNdl - ill'l -
21.<br />
hann<br />
dem<br />
mit<br />
<<br />
dor von .Kammm<br />
Johann<br />
von Sachsen-Lauenburg.<br />
Bischof Johann<br />
wir mir 1 Siegel, aber 2 Sekretsiegel<br />
(lieimlike inäi^el), die sowohl<br />
als Rücksiegel als mich als selbstställdige<br />
Siegel gebraucht wurden.<br />
21. 1354 Oktober 19: Staatsarchiv<br />
Stettill. Bistum Kaminill, Nachträge<br />
Nr. 27. Auch schou 1347<br />
Nov. 11' ebenda, Depositum des<br />
Mariellstifts Nr. 59.<br />
2er Bischof, in eiller gotischen<br />
Nische stehend, die Rechte segnend<br />
erhoben, in der Linken dell Bischof<br />
stab haltend. All dem Pfeiler<br />
rechts voll ihm hängt der sächsische<br />
Rautenschild. all dem linken Pfeiler<br />
der <strong>pommersche</strong> (Hreifenschild l.
2Z. i 221<br />
der<br />
Philipp<br />
von Rehberg.<br />
^tettili.<br />
22: eoeüi)ll,<br />
I.lllisl.in!sl!<br />
l III, oic> 1W.^ De.^einoer l!<br />
(ebenda, Kloster Köslin Nr. 72) llachlvei^oar. llni so ei^elllnti^e!<br />
klingt die Bemerkung in eil^er llrknnde deo Nisä)oft' voli 1Z7.'<br />
Juli 2,<br />
24.<br />
Nr. 2N)), er sieqele<br />
„INl't l<br />
went? w^ nocli<br />
lloeil lvir lio^) kein<br />
qrö'jzeres l.)nl'e>n.<br />
Diese llrkllnde ist<br />
oesie^elt qelvesen,<br />
sie lonr lnlr Rein<br />
tin. Kloster Ko^lm<br />
?>Ir. 72.<br />
^li reiä) ml5qe<br />
stnrteter qotisän'r<br />
Nische steht Io<br />
der Tnllser
20!)<br />
mit dem Lamm (Lottes ili der linkeli Halid. ans das er mit der<br />
Rechten weist, Über ibm in ebensolcher tische Maria init dein<br />
,^inde. llliter ibm der r'ineende llnd betende Bischof. Rechts von<br />
diesem der (Schild mit dem Wappen des Bistnms Kaluinin Krcll^j,<br />
der bier ^nm erstell Mnl erscheint, links von ibm der Schild nut<br />
de^ ^ischoss ^nmilielNvnppen «ein schreitendes Neb). Umschrift:<br />
l l i llill Ill,( l,<br />
25. !Z71 MärzNii Stliatsarchiv Stettin.<br />
Nistllln Knlnmili Nr. 200. Sekretsie.qel.<br />
aber nnr nls selbständiges<br />
Siegel verlvendet.<br />
In reichgeschnitzter gotischer Nische<br />
Halbfignr Iohnnlns des Tmifers,<br />
der in der Linken das Lamm Gottes<br />
trägt, ans das er mit der Rechten<br />
binweist. Nnter ihm der Schild mit<br />
des Bischofs Fa in il ielNvappen (schreitendes<br />
Reb). Umschrift: .^<br />
der Rechten bmweist.<br />
des Bistllms .^<br />
Johannes<br />
Nrunonis.<br />
Von Bischof Johannes konnte ich<br />
kein Siegel ermitteln. (3r ließ seine<br />
Diözese dnrch einen Generalvikar verwalten<br />
(Wehrlnanli. Korrespondenzblatt<br />
1898. S. litt Nr. 20). Ich gebe<br />
desbalb in Abb. 2l) das Siegel des<br />
K a m mlner D o m p r o p st e s ll li d<br />
G e li e r alvi k a r s Philipp.<br />
2l). 1Z92 Oktober 20: Staatsarchiv Stettin.<br />
Depositum Stadt Oemmin Nr. 99.<br />
Ili gotischer Nische Johannes der<br />
Ganser, stebelid. ili der Linken das<br />
Lmnm Gottes baltend. ans das er mit<br />
Uliler ibm der Schild mit dem Vappeii<br />
(.^renz). Umschrift:'^ > - "II l il li I l1^">
210 Dir ^iol^'l drr Vischosl' von Kammili lllid idrro<br />
27.<br />
Johann,<br />
Sohn des Herzogs Volto lll. von Oppeln.<br />
1394-13W.<br />
Von Bischof Johann ist nnr 1 Siegel bekannt.<br />
27. 1395 Mai 17: Staatsarchiv Stettin, Kloster Köslin Nr. 92.<br />
In überaus reich geschmückter gotischer Nische stelu<br />
Johannes der Täufer. i:i der Linken das Lannn Gottes Haltelid,<br />
auf das er mit der Rechten hinweist, ilber ihm in gleicher<br />
Nische die Halbfigur der Maria mit dem Kinde, Unter ihm<br />
der stehende Bischof, die Hände vor der Vrnst zum Gebet<br />
gefaltet. Rechts vom Bischof der Kamminer Wappenschild<br />
(Kreuz), zu seiner Linken der Schild mit des Bischofs Familienwappen<br />
(Adler). Umschrift: ^ S ' Iohamiis - dei<br />
cpis - calniticl, - cr - ducis - opolic - crc -
Bischöfe von Kammm llnd ihrl.'«><br />
Nikolaus<br />
Vock aus Schippenbeil.<br />
1398-l 410.<br />
Von Bischof Nikolaus ist 1 Siegel <strong>und</strong> 1 neben diesem als<br />
selbständiges Siegel gebranchtes Sekretsiegel bekannt.<br />
2tt. 1400 April 20: Staats<br />
archiv Stettin, Kloster<br />
Köslin Nr. 101.<br />
In der mm mehr üblich<br />
gewordenen reichgeschnitzten<br />
gotischen Nische steht<br />
der Bischof, in der linken<br />
den Bischofstab haltend.<br />
Aber ihm il, kleinerer<br />
Nische die Halbfignr der<br />
Maria mit dem Kinde,<br />
llnter dem Bischof rechts<br />
das Kamminer Nappen<br />
(Krenz). links ein Schild,<br />
der wohl des Bischofs<br />
Familienwappen (Adler)<br />
zeigeil soll, falls dieser<br />
nicht etwa nur den Fami<<br />
lienschild seilies Vorgängers<br />
(Abb.27) einfach übernommen<br />
hat. Umschrift:<br />
29. 1400 November 6: Staatsarchiv<br />
Stettin. Kloster Kö'slin<br />
Nr. 103.<br />
In gotischer, überdachter<br />
Nische die Halbfignr der<br />
Maria mit dem Kinde. Unter<br />
ihr der Schild mit dem Adler<br />
(s. o. bei Abb. 28)^ Umft^hrift:<br />
sccrcnl Nicolai - cpl - s<br />
cccc -
l>l'l ^ls^os^' non >imi»mm ll,Nl.'L><br />
iMagnus,<br />
Sohlt Herzog Orichs lV. von Sachsen . La ur u b u r a..<br />
1410—1424.<br />
Von Vischos Nlagnns ko,,nte ich nnr I Siegel., aber .) ver<br />
s^nedene Sekretsiegel feststellen, ivobei die zeitliche Iieibenfol.^e i)er<br />
Siegel von der bischöflichen .^^l^^lei incht iln^eqeblilten würde- so lningt<br />
dac> Sekretslegel (Abb. Z.^). ans de,n er alc> ,,))ischof" bezeichnet<br />
loird. an einer Urknnde dec> Jahren 1417 (St. A. Stettin. Kloster<br />
Pndaglc, Nr. 164). wäbrend da
Di«.' Sil'lil.'l der >tnmmm ibreo Doilikapitelo.<br />
Mainz 7i Staatsarchiv<br />
Stettili. VistlllliKalnminNr.2W.<br />
Das lïlterc Sekretsie.^cl.<br />
Iln Vierplift steht Iohmmeo der<br />
Tlïnfer luit dein Lmmn Gottes<br />
ili der ^ii^keli. mlf das er «int der<br />
Rechten hinweist. lauter dein<br />
Tällfer der sächsische Rcultcnschild.<br />
Nlnschrift: sccrctllln<br />
Z2. 1420 Oktober 17: Staatsarchiv<br />
Stettin, Kloster Köslin Nr. 127.<br />
Das jüngere Sekretsiegel,<br />
ähnlich dem Siegel Abb. 31. mit<br />
kleinen Abweichungen in der Hal<<br />
tnng des Täufers' auch ist der sackfische<br />
Rautenschild ili einen Ring<br />
eingeschlossen. Umschrift: sccrcmm<br />
33. 1422 November 9:<br />
Staatsarchiv Stettili.<br />
Depositum StadtKös<br />
lin Rr. 65'.<br />
Sächsischer Rauten<br />
schild. mitHelm.Helm<br />
zier <strong>und</strong> Helmderkc.<br />
Umschrift: sccrctum
'l' Bischöfe<br />
Siegfried<br />
von Bllch.<br />
1424 1440.<br />
Voii Bischof S i e g fried . der. wie sich alls seinem <strong>Gesch</strong>lechts<br />
Wappen ergibt, der nradligen altliiärkischen ^amilie voli Blich aligehörte,<br />
kennen wir nnr 1 Siegel, dagegen 4 Sekretsiegel', anszerdem<br />
ist sein Vikariatsslegel mehrfach erhalten, das er schon, damals<br />
noch Archidiakon voli Puritz nlid Gelieralvikar des Bischofs,<br />
zn Lebzeiteli seilies Vorgäligers fährte (1419 April 5, St. A.<br />
Stettin, Kloster Köslin Nr. 123). das aber anch an Urknnden<br />
seiner Bischofszeit hängt (Abb. 39). Schließlich erscheint nnter ihm znm<br />
ersten Mal das Siegel des Generalofsizialats (Abb. 40). der<br />
höchsten bischöflichen Gerichtsbehörde.<br />
34. 1435 November tt:<br />
Staatsarchiv Stettin.<br />
Bl'stnm Kammin Nr.<br />
344. (Das Siegel<br />
wird aber schon voli<br />
!424 ab gefi'chrt: St.<br />
A. Stettin. Depositi!lil<br />
Stadt Kolberg Nr.<br />
103.<br />
Il, gotischer Ni sän'<br />
steht Johannes der<br />
Waliser, mit dem Lamm<br />
Gottes ili der Rechten,<br />
all f das er mit der<br />
Linken hinweist, ^jn<br />
seiiieli Fnszen rechts<br />
llnter dem Lamm der<br />
kllieende. anbetende<br />
Bischof. l'lber deli,<br />
Ganser ili gleicher<br />
Nische die Halbfignr der Maria mit dem Kinde, Unter delii<br />
Tällfer nlid deni Bischof rechts der Schild mit des Bischofs<br />
Amiiilielilvappeii (schreitender Löwe), links der Kamminer Wappei,<br />
schild (Krellz). jDem Stempelschneider hat gaiiz offellsichtlich<br />
das Siegel Abb. 30 als Vorlage gedient.! Umschrift:<br />
domini . cpi . ccclcjic
Siegel t>l'r .Kmnmm<br />
35). Das älteste Sekretsiegel. das<br />
bis zum Jahre 1434 überwiegend<br />
gebraucht wurde, sowohl<br />
als selbständiges Siegel<br />
als auch als Rücksiegel,<br />
während voli Elide 1434 ab<br />
das Sel'retsiegel Abb. 3tt überwiegt,<br />
<strong>und</strong> zwar als selbstständiges<br />
Siegel.<br />
1424 Juli 14: Staatsarchiv<br />
Stettin.KlosterKöslinNr.137.<br />
Unter einem lwhen gotischen<br />
Baldachin lind Schnihwerk<br />
Johannes der Täufer, in der Linken das Lamm Gottes Haltelid.<br />
auf das er mit der Rechten hinweist. Unter dem Täufer des<br />
Bischofs Schild mit dem Familienwappen (streitender Löwe).<br />
Umschrift: sccrcmm - sifridi cp« '<br />
36. 1425 April 3:<br />
Staatsarchiv Stettin.<br />
Kloster Pn^<br />
dagla Nr. 2!f).<br />
In einer init<br />
Arabeskeli verzierten<br />
Fläche Johannes<br />
der Täufer<br />
mit dem Lamm<br />
Gottes in der Linken,<br />
auf das er mit<br />
der Rechten hin<br />
weist. Sinter ihm<br />
in einem Ring der<br />
Schild mit des<br />
Bischofs Familien-<br />
(schreitender Löwe). Umschrift: sccrcrmn - sjfridi -
<strong>und</strong> il<br />
Stortili. Klostor5rö5'linNr.14.^.<br />
^in vorziortom ^oldo Knio<br />
si^llr ^olninniö dos Tl'nlforo<br />
mit dom ^amm Gotto5> in dor<br />
koll. «.Ulf dlis or mit dor<br />
Rochton lmill.'0l'st. Rochto lmton<br />
vor ihm do^)^ischofFli!niliol^<br />
schild(schroitondor^öloo). !.lm<br />
schrift: ^ - j'isrldi - cpl5^0l<br />
Dozombor<br />
Stottin.<br />
lin I^r. 91.<br />
Dli5 soit lHndo 14.^<br />
^ond in<br />
qonoinmolio<br />
Sokrotsio.^ol.<br />
^n qotischor Nischo<br />
stoht Iolninl^o^ dor<br />
3mlsor lnit dom ^nnlin<br />
(Hott05 il^ dor ^ili<br />
kon. lNlf dn or mit<br />
dor Rochton hinwoist.<br />
Illttor ihm der Schild mit dos Vischofö Fnn,iliolNvnpp0li (schroitolider<br />
Vlmschrifti ^ - jifrldi - cplscc»pi - c.nllinclijl^<br />
oor^iorton ^oldo stol.)t ^ohanlio^ dor<br />
r Bistnlnschild (Kronz). ili dor ^inkon<br />
1424 Illli I7i Stlun^nräuo<br />
Stottin. Dopositllln Stlidt Kööli,i<br />
Nr. 07.<br />
Dlic> orn.'l'-il)ltto V i k n rint c><br />
sioqol, dnc> voli dor .^'nn^loi<br />
soltsnmor 2.i3oiso nn dioso voin<br />
Nischof lillörzostollto Urknndo<br />
qohn'nrlt lvordon ist: os hoiszt iln<br />
Tort:<br />
nns doin
Kaltend, ans da^ er niil der Rechten Einweist. Nlnschrift'.<br />
Henning<br />
Iwen.<br />
1427 Oktober 27 : Staatsarchiv<br />
Stettin.Depositnm Stadt Kös°<br />
lin Nr. 74.<br />
Das zam ersten Male erscheinende<br />
Siegel des Gener<br />
a l o ffi zi a l a t s. das l)ier<br />
deshalbseineStättefinden<br />
Das lam'chä'rtia.e lind<br />
Hanpt Iohannis des Tänfers<br />
auf rnlider Schnssel. l^lnischrift:<br />
Visch^f He», g keiinell wir gleichfalls nnr 1 Siegel,<br />
aber Z verschiedclie<br />
Sekretsiegel. Allch bei<br />
ihm ist ein Vikariatsiegel<br />
zn verzeichnen (Abb. 45).<br />
das in der Folge fast<br />
allein mir noch gebraucht<br />
wird, so z. B. ständig<br />
voll Henlnngs Nachfolger.<br />
Bischof Ludwig.<br />
Grafemi von Eberstein.<br />
41. 1445) Iannar20: Staats<br />
archiv Stettin, Deposltnm<br />
Stadt Kolberg<br />
Nr. 129.<br />
Ili gotischer Nische<br />
steht Johannes der Tanfcr,<br />
ili der Rechten das<br />
^amm Gottes haltend,<br />
ans das er mit der linken<br />
hinweist, llber ikm in<br />
gleicher Nische die Halbfignr<br />
der Maria nnt dein
v>N!l!!l!ll<br />
Kinde, ^u ^ilszell des Tä'llfers. rechts unter doni ^ der<br />
knieende <strong>und</strong> alibetelide Bischof. Unter deni ^ällfl.'r d<br />
nut dem Kl.ili!i!liln'r Vic>tlllnsl0lippl.'n (Krl.'n^). ^Dein<br />
dieses Si^.ql)lstolnpelö l.nql)n offensichtliä) die Siegel 2ll'b. 3<br />
<strong>und</strong> 34 als Muster vor.!<br />
epi - ecclcj'lc<br />
Umschrift: jn-sillmn<br />
ni2^: Staatsarchiv Stettin,<br />
Deposltllln Stadt Kvlberq Nr. 13^.<br />
Nis zum Ial)re ^460 lvar dieses<br />
Sekretsiea.el qallz l"lberlviea,end ili<br />
Gebrauch, seit 1460 wurde es l)ierili<br />
von dem Sekretsie.a.el Abb. 44<br />
abgelöst.<br />
Il, a.otisä)er Nische Johannes<br />
der Täufer mit dem ^amm (Lottes<br />
ill der ^!inr'en, alls das er lnit der<br />
Rechten hinweist, i^iliks voli ihm<br />
zn seilten ^üszen der Schild mit<br />
dem Kamminer Bistllmslvappeli (Kreuz). Umschrift (rechts unteli<br />
beginnend): s' bclmigl - cpi - '<br />
43. 1451 Dezelnberl): Staats«<br />
archiv Stetti,,. Kloster<br />
Köslin Nr. 173.<br />
Ähnlich wie Abb. 42.<br />
nur hält Johannes das<br />
mehr vor die ))rust.<br />
der Kam min er Schild<br />
befindet sich rechts<br />
zu /5l"lsn'n des Tällsers.<br />
Umschrift: S' - h
<strong>und</strong> ilnl''.><br />
Staatsarchiv Stettin,<br />
Depositum Stadt Kö'slin<br />
Nr. 109.<br />
Das seit 14W überlo<br />
legend gebrauchte Sekretsiegel.<br />
Oa<br />
dem Siegel Abb. 4.^.<br />
ist der Kam min er N<br />
pen schild (Krell^) schräger<br />
gelegt. Umschrift: ^' -<br />
hcnmgi - cpi -<br />
4').<br />
45. 144/ Fl)brllar^-. Staate<br />
archioStettin,Depositllln<br />
Stadt Köslin Nr ^)7.<br />
Das seit dieser Heit gebräuchliche<br />
Vikariat 5<br />
si egel. Johannen der<br />
Tänfer mit dem ^alNln<br />
Gottes mlf deni linken<br />
Arni, ans das er mit der<br />
Rechten hinweist. ^n<br />
Ans^en des Tänfers. lillks<br />
vor ilnn. der Schild mit<br />
demKamminerBistnms-<br />
)vappen (Krenz).<br />
schrift (rechts unteli ans dem Sprnchbande begillneild) : S' ^i^<br />
cccc -<br />
llm-<br />
Ludwig,<br />
von Eberstein.<br />
Vergleiche vorlie in der Einleitung!
.Nlillüiiin<br />
iMarinus<br />
von Fregeno.<br />
r. wir l.'5 ili der Siea.ellllilsänift Ml5i)rl''lcklich l)eißt. allo<br />
dr )iisl.in>f .^ li r i n ll c' brlN'lU».' l,'ilil)ii cMiz lll,'lll.'ll (3il.'^ol<br />
lnit. Die Gotik ist verschwmitX'l,, l)ier herrscht die imliemsche<br />
ce lllid fremdertiss llillten lllig l)l^)er diesee» )^is^)of^<br />
Siegel ali.<br />
4(). 14tt() Mai ^li: Staatsarchiv Stetti,l. Depositimi Stadt .ftöc'lill<br />
Nr. 124.<br />
Ili der Mitte des Siegelfeldes steltt aliter eilieln ^lltalie<br />
(^^ristllö. ill der linken eili .ssrellz tragend. lilit deiii ^eia.efili^er<br />
der Rechte«! allfwä'rt^ loeiseiid. lvo i'lber iluil die Hall.>sia.llr der<br />
Maria mit dem Kilide allf deiii Altane erscheilit. Rechte von<br />
l5> steht Petras lliir delii Säüi'lssel.. lmks Paalll^. beide
dl»r Visch^sr<br />
mit den typischen Gesichtern, die sie anck ans dell päpstlichen<br />
Bleibllllen zeigen. Darnnter in eiller Nische der knieellde nnd<br />
f. vor sich (zur Rechtell) deil Wappellschild des<br />
(Krenz). hillter slck l)- (-3l'^l'llnm<br />
clomini) U/i7Ivli/l IX! - l'lNl(^lllN> -<br />
r einmal kolnite ich dieseo<br />
kleine Siegel des Bischofs<br />
NIa ri n ns feststell eli.<br />
47. 1480 lohne Monat): Stadt<<br />
archiv Kölii^oberq (Nellmark)<br />
Nr. 2?l).<br />
Benedikt<br />
vo». Waldstci».<br />
,485><br />
Schild mit dem Familieli-<br />
Wappen des Bischofs (wach-<br />
sendes Roß), gehalten von zwei<br />
Engeln. Umschrift: (rechts<br />
nnten beginnend): ^-UMl>l l/l-<br />
Von Bischof Beliedikt<br />
sind lnir Z Siegel. ! Se-<br />
kretslegel nnd. ^llln erstell<br />
Mal. 1 Ringsiegel be-<br />
kannt geworden. Die drei<br />
größeren Siegel scheinen<br />
sich zeitlich einander ab-<br />
gelöst zu haben.<br />
1486Dezember 7: Staatsarchiv<br />
Stettin, Bistnm<br />
Kam min Nr. 524.<br />
Die Gotik ist fnr dies-<br />
mal wieder znrnckgekehrt.
'l )>ischösl' l.'MI Aliili!!!!!! ll!,l> >l<br />
^n reich geschlUtzter Nische die Halbfi.qnr<br />
(in der Tracht lmd dl^r ^l.)nsil.>^lioluil? jl.'nl.'i. ^oit!) init t>rlii<br />
ili dor ^iliken. lilif dli5 l.'r init der Rl,'ä)tl.'l, zeiqr.<br />
eil, Schildi mi Schildeslnnlpt dli^ .^rell^ de^<br />
n. I.l in schrift:<br />
49. I4tt9 Mlii 1tt: StlnUölirchiv Stetti,^ Depositlnn St^dt Kolber.q<br />
Nr. 17^.<br />
Dli5 Siegel Gieter<br />
Schild: iin Schildl)mipt daö (lie^eilde) .Nrell.^<br />
s l ^ der Herren oo»l Valdsteiil. Nlnschrift (rechte in<br />
der Mitte beginnend llnd sprachlich falsch): S
50.<br />
>, V^mmin <strong>und</strong> ilneo Dl>l>lkapitelo>.<br />
slein 'Löwe). Umschrift! ^ N< l l,lll>l(l1"<br />
Schon wieder cm<br />
neller Typ!<br />
50. 1492 Januar 25:<br />
Staatsarchiv Stettin.Deposita<br />
mStadt<br />
Gollnow Nr. U).<br />
In einer Nenaissancenische<br />
nnt<br />
Sterne!ihinterr;rnlid<br />
steht Johannes der<br />
Tä'nfer mit dem<br />
Lamm Gottes ili der<br />
Linken, ans das er<br />
mit der Nechten zn<br />
zeigen schellet. Vor<br />
ihln kniet anbetend<br />
der Bischof. Darllnter<br />
nnter der<br />
Nlschofsmnfte der<br />
Schild mit dem<br />
Stammwappen der<br />
Herren voli Wald-<br />
51. 14^ Inli 21<br />
Staatsarchiv Stet<br />
tin, Kloster Köslin<br />
Mr. 214.<br />
Allch dieses Sek<br />
r e t si ea. ellveichtvo li<br />
den bisher a.ebränchlichelivollständig<br />
ab.<br />
Einfacher Schild,<br />
im Schildeshanpt<br />
das Krenz des<br />
Kannnilier BistllNlSN.'appellS'.darllnter<br />
der alisprin-<br />
Löwe des
Naldsteinschen ^'aniilielnoappenö. llmschrift llNlf dein<br />
ccclcj'ic<br />
52.<br />
Kannniner<br />
Die loftto Nclll)eit. die Bisäwf<br />
Benedikt eii^fi'lhrte, da<br />
d^ö seitdoln auf<br />
5ö natürlich bei Papiernd<br />
Briefen erscheint.<br />
2. 1^)2 Nooeinber U)i Staate<br />
archiv Stettin. Bistllln<br />
Nr. 5tt4.<br />
Schild lnit dein Krenz<br />
. Olme Umschrift.<br />
Martin<br />
Karith.<br />
Von Bischof Martin sind mir 2 Siegel nnd 2 Sekretsie,qel<br />
bekannt sseloorden. Auch wendete er das RnnM'gel (2lbb. 52) an.
K' Sien«.'! drr ^ .Kmnmin ll,,d ibleo D^inkapitels. 225<br />
I^W Dezember !l): StaatSlirchiv Stettin, Depositum Stadt<br />
K^lm Nr. U^.<br />
Auf einer Niese zlvischen lwhen Nllllnen stel.)t ^ol)a<br />
der Tmlfer mit de,n Llim,n Gottes in der Linken. auf<br />
das er mit der Rechten lnlNveist. Rechte unten neben dem Täufer<br />
der Schild mit dem Kmnminer Viötumswappen (Kreuz).<br />
Umschrift: ^ Sittillllin z r ^ p ^ dolnitn ^ lnarriln ^. epi ^<br />
Dezember !l)-. StmU5archw Stettin. Depositllln Stadt<br />
Kö^lili Nr. 1tt5).<br />
^n reich gezierter gotischer Nische, une bei deli früheren<br />
Siegeln, stebt I^banne'5 der Tiinfer nnt dem Lannn Gottes
^!^6 ?>ll,' Sichel der Nischöfl' vmi >vlNlilNl>> !>>,>> ll)reo Doinkapll^lc'.<br />
in der binten, allf das er mit der Rechten binlveist. Unter<br />
il)ln der Schild init dem Wippen des )^istliil>s .s^alllmin (Kren.;).<br />
Ulnschrift: ^lt^'Il/l^.^I/ - ll - l' lXNl/ll/l U/lllllll/I (so'-lll'll -<br />
Dieses Sekretsiegel luïli^t aber<br />
^llch schon an einer l.lrklmde<br />
ln>li 1499 Analst A) (<br />
archio Stettin. Kloster<br />
Nr. 2.)()j- e^' wird mit dein<br />
Sekretsieqel 'Abb. 5)lj gleichzeitig<br />
alü selbstälidirzeo Siegel<br />
Ili gotischer Nische steht Iol)mmes der Tänfer lnit dem<br />
Gottes in der Linken, mif das er lnit der Rechten<br />
hinweist. Rechts neben dein Tä'nfer der Schild mit dem<br />
Noppen des ^istnms Kcilnniin lKren.^. Nmschrist- >> l> l^ l)<br />
5)0. N99 Oktober ! 1<br />
archiv Stettin, ^is<br />
lllin Nr. 668.<br />
In der Dm'stelllln.q qan.^<br />
ählilich delll gleichzeitig ge<br />
branchtell Setretsiegel Abb.<br />
55). nilr etlvas kleilier l,nd in<br />
geringen Reinigkeiten, in der<br />
Nmschrift aber erbebliä) ab<br />
U'eichelid. Umschrift: >ll,<br />
' li l' l) - (lMl/Il
l' non >vinumili<br />
Grasmus<br />
! 5)2! -1.^44.<br />
Vo,^ El.'li5m 115, denl lel^eli k^tl.iolisän'n<br />
sind mir l Sil'.qcl. > ql^i<br />
!522 Ilili 2.^-.<br />
Nr. 2l)5).<br />
^li rciä<br />
init dl.'ln ^<br />
^ lütter d^r<br />
iilit<br />
ili. Depositum Stadt Kolber.q<br />
strltt<br />
en, mif<br />
."l'l'l ilrli. >nlf die l^krell^rcli Bischofs<br />
lütter dein NImtteilsfel.sä)e!i Helln (Hrlln.^ier! 2 )ldll.'rflil,qcl).<br />
Ulnsänifl tteäU^' "„tei, b^iimend): .^l li l' l) - liliali II<br />
sU lll^I
»nd<br />
1522 Inni .^' Stlnitsarchiv Stettin,<br />
Bistnm Kalnmin Nr.
.Kmnmin <strong>und</strong><br />
l)!. !5).W April l)' Staatsarchiv Stettin,<br />
Vistimi Kammin. Nachträge Nr. UN.<br />
Riligsiegel. das. gleichlvertig den übrigen<br />
Sekretsiegelli. als selbstälidiges Siegel<br />
gebraucht wlirde. Gevierter Schild, auf<br />
2 gekreuzte Bischofsstäbe gelegt, im 1.<br />
<strong>und</strong> 4. Felde das Kreuz des Kammiuer<br />
Vappelis, llu 2. <strong>und</strong> ^. Felde der<br />
Mauteusselsche Querbalken, ^lllf dein Schild rechts die Mitra,<br />
liuks der Mauteuffelsche Hellu luit deu Ildlerflügelli. Liuks<br />
uud rechts sonne .^oischeli Nlitra llud Helin die Buchstaben<br />
ist die Reibe der katholischen Bischöfe von Kammin<br />
geschlossen, .hinzugefügt seien noch die Siegel der zwei ersten<br />
evangelisten Bischöfe Bartolomä'us Slvave <strong>und</strong> NIartin voli<br />
Veuberi von jedem dieser beiden ist mir nur 1 Siegel bekannt<br />
geworden.<br />
Nartolomäus<br />
Swave.<br />
N2. 1545>Oktober 12: Bistum<br />
Kam min Nr. 95^.<br />
In einer Renaissance^<br />
nische, über der ali der<br />
Mauer die Jahreszahl<br />
!545 (das Jahr der Anfertigung<br />
des Petschaftes)<br />
angebracht ist. steht Johannes<br />
der Täufer, in der<br />
Linken das Lamm Gottes<br />
Haltelid, auf das er mit<br />
der Rechten hindeutet.<br />
Rechts von dem Täufer<br />
ill einer gleichen Nische der Wappenschild des Bistums Kammin<br />
(Kreuz), aufgelegt auf zwei gekreuzte Bischofstäbe, darüber die<br />
Mitra', links von dem Tänser, gleichfalls in einer Nische, der<br />
Swavesche Wappenschild
Bisckösc vol, .^<br />
Martin<br />
^540—155t'.<br />
63. 1552 Oktober 28: Staatsarchiv Stettin, Depositum<br />
Köslin Nr. 222.<br />
a^ Lamm<br />
er mit der Rechten l.)inl^eist.<br />
Rechts vm, i)em<br />
Tällfer in gleicher<br />
Nische l>er ^^appeli<br />
schilt) 5e5 x^ic'tlim^<br />
.^ am min (.^rell^», allf<br />
a,ele.a,t aas 2 a^ekrell.^te<br />
N i sch o fst ä l.' e. l> a r i'l b e r<br />
die Mitra, links vm,<br />
dein Tä'nfer. gleichfalls<br />
ili einer Nische, der Weuhersche Schild 2 ^llerbalken. an ilner<br />
linieren Seite mit NIolfszähnen beseht, über dem oberen ^alrVn<br />
^ Rosen), darüber der Helm mit Z Stranhfedern. llnischrist!<br />
Der e l> a n a, elis ch e . aber l.wm ^apsn' bestätign<br />
setzte als erster der Aamminer Vischöfe diese .^,citll.'irkilna.<br />
ili die Sierzellllnschrift hmem!
n ,^>immiü<br />
15. Die Siegel des Domkapitels.<br />
Voli deli Siegeln des D o lil k a p j t e l s sind lnir .^ oor<br />
sänedeiie Tvpen bekaiilit gelvordeii. die sich znm Teil zeitlich ein-<br />
Elider ablösten, .^llin Teil ^leiä^^eitiq ili Gebrauch waren. Typ<br />
Abb. l)4. der älteste, ist m,5 deli Jahren 12U) bis 1248 nachweisbar.<br />
Ihn, folgte Tnp )lbb. li!'), nachweisbar 1272 bis 1.W4. doch<br />
kommt dieses (3iea.el >lnr an wenigen Urk<strong>und</strong>en vor. Noch seltener<br />
ersä)emt der dritte T^p 'Abb. l)lx deli ich mir i>l deli Jahren<br />
!.>!.) lind l/»!.') ermitteln konnte. Während diese .^ Typen zeitlich<br />
auseinander folgten, iverdeli die (3iea.el Abb. l>7 nlid W ssl^eichzeitiq<br />
iiebelieinalider liebrallcht. nnd zlvar kolinte ich Siegel Abb. 67<br />
in deli Jabren 1.^1 bis il)22 etlva bei einem Drittel aller Dom«<br />
kapitelbenrknlidniigen feststellen, besonders bei deli größeren Privilegien.<br />
Siegel Abb. l)tt hingegen, das sogenannte Siegel 36 cIU333,<br />
das mebr bei 1.lrknlide,i rein restlichen Inhalts aligeivandt!vird. ili<br />
deli Jabren l.^N bis !:")52 bei zlvei Dritteln der Domkapitel<br />
bemklindüngen. Das lel>tgelianlite Siegel ist also das bei weitem<br />
gebrand!ichste des I?onikapitels gelvesen.<br />
!2.^> Febrnar !4-. Geh.<br />
lllld.^anptarchivSchiverili<br />
i. NI.. Kloster Dargnn.<br />
Das Siegel hängt aber<br />
anch saloli ali einer llr<br />
kllnde voii !2Il) Nov. 10<br />
(ebeiida. Kloster Dargnn)es<br />
befindet sich nock ali<br />
einer Uiklinde von
232 drr Bi<br />
^arz 29 «Geheimes Staatsarchiv Berlin, .^l^ster ^ehnin)<br />
ig bei H a ss e l b a ch .^' o s e z<br />
Tafel U 13.<br />
Die Taufe Christi im Jordan durch Johannes deli Tä<br />
Ulnschrift: ^ >!('!!,1^ -
!'on ,^limmm nnd iiul's Doinkapitolo.<br />
nrchiv Stettin. Depositum<br />
Stndt Köslili<br />
Mr. 12.<br />
Die Darstellung ist<br />
qlil^^ ähnlich der von<br />
Abb. l)5. nnr mcht sich<br />
Iol^aln^es hier von<br />
l>or sinken ber< nllchbesi<br />
li dl.'ii sili) l)er Bischof<br />
lllid i?il.' ^ Veter in<br />
Nischen. Ilmschrift:<br />
l)7. 1.^4 An.qnst l
der Tällfer lnnft dell il!<br />
ciliql' G^'ist in Gestalt oil^er<br />
».'MI >Ill!!>!>>>!> lliil) ,l>t.'_' ^>^!!>tnpill!<br />
!>lmschl'ifti<br />
iv Stetti,i. Bistum .^l-lnilnil, Tll'<br />
Gottes in der ^inkeii. lNlf !>li^ er lüil i)er<br />
Rechten Anweist. Rechte lini) link^ l.wn il^ln je ein knieender<br />
Neter. Unischrisl: >' ' O/.l'li-^^i < i /l l/^>!>
Carl Loewe.<br />
Beiträge zur Kenntnis seines Lebens<br />
<strong>und</strong> Schaffens.<br />
Von<br />
Professor Dr. Otto Altenburg<br />
Stettin.
«Mir ist. als ob ein Rauschen<br />
im Wald von alten Zeiten spricht."<br />
Unter den geistig hervorragenden Männern, die in Pommern<br />
gelebt <strong>und</strong> gewirkt haben, aber mit ihrer gesamten Lebensarbeit<br />
die engen Provinzgrenzen überschritten <strong>und</strong> bleibende Werte <strong>für</strong> das<br />
ganze deutsche Volk, auch noch darüber hinaus geschaffen haben, steht<br />
der Stettiner Tonmeister Carl Loewe in der vordersten Reihe.<br />
Was ihm den Stempel einer einzigartigen, wahrhaft großen Persönlichkeit<br />
aufdrückte, war der reine Gleichklang, in dem feinstes<br />
künstlerisches Empfinden verb<strong>und</strong>en mit einer vielseitigen schöpferischen<br />
Gestaltungskraft, <strong>und</strong> vornehme, edle Gesinnung zusammenstimmten,<br />
hatte die Natur seinem Geist wie seinem Herzen eine<br />
Iülle hoher Gaben verliehen, so packte doch auch ihn das rauhe<br />
Schicksal so manches Mal gewaltig an. Und doch wußte Loewe<br />
die Schwere des Erdenleids abzustreifen <strong>und</strong> im Reich der reinen'<br />
Formen zu den höhen eines veredelten Menschentums emporzusteigen.<br />
Das macht uns Carl Loewe als Künstler <strong>und</strong> Menschen<br />
so wertvoll, so vorbildlich, so wahrhaft groß, zumal in einer Stadt,<br />
in der wie heute, so vor 100 Jahren <strong>und</strong> weit länger die führenden<br />
Kreise auf den Erwerb <strong>und</strong> den Güter- <strong>und</strong> Geldgewinn eingestellt<br />
waren. Gewiß stand Loewe in den ersten Jahrzehnten seines<br />
Wirköns in Stettin nicht allein- auch andre Kräfte strebten auf<br />
seinem Gebiet, in der Musik, wie auf andren Geistesgebieten nach<br />
einer wahren, allseitigen Kultur. Aber an Umfang <strong>und</strong> Tiefe des<br />
Wirkens blieben sie alle weit hinter ihm zurück- in geradezu kühnem<br />
künstlerischen Aufstieg überflügelte er die übrigen' kaum 15 Jahre<br />
nach seinem Übergang nach Stettin, um 1835. war der Stettiner<br />
Tonschöpfer bereits eine europäische Berühmtheit.<br />
Sind wir Stettiner <strong>und</strong> Pommern auch dieser Tatsache gerecht<br />
geworden? Mag manches <strong>für</strong> die Anerkennung Carl Loewes an<br />
dem Hauptort seines Lebenswerks geschehen fein, an der Betätigung<br />
wahrer Pietät hat es doch manches Mal gefehlt, ja. die Hauptaufgabe<br />
haben gerade die Pommern, denen er soviel geschenkt hat, am<br />
wenigsten erfaßt: Entwicklung <strong>und</strong> Schaffen des großen Künstlers,<br />
seine Wirkungen <strong>und</strong> Erfolge bei seinen Zeitgenossen <strong>und</strong> Nachfahren<br />
restlos aus den Quellen zu erforschen <strong>und</strong> so das Gesamtbild<br />
seiner Persönlichkeit in aller Vollständigkeit zu gewinnen. Von
238 Carl koewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
den Quellen zur Lebensgeschichte Carl Loewes sind immer noch nicht<br />
alle erschlossen, vor allem nicht die Briefe, die er in seiner fast<br />
50jährigen Tätigkeit als ausübender <strong>und</strong> schaffender Künstler geschrieben,<br />
ebensowenig die, welche hervorragende Persönlichkeiten<br />
seines Kreises verfaßt haben. Ich verwerte hier eine Anzahl bisher<br />
unbekannter Briefe <strong>und</strong> anderer originaler Schriftstücke, die sowohl<br />
über die äußeren Lebensschicksale des Künstlers wie über sein<br />
geistiges Schaffen neuen' Aufschluß geben.<br />
Als Loewe im Oktober 1820 dem ehrenvollen Rufe nach Stettin<br />
folgte, trat er zunächst, nachdem er seine pädagogische Befähigung<br />
in einer Prüfung vor dem Direktor des Vereinigten Kgl. <strong>und</strong> Stadtgymnasiums.<br />
Schulrat Dr. Koch, nachgewiesen hatte, in das 1805<br />
gegründete, mit dem Gymnasium verb<strong>und</strong>ene „Seminar <strong>für</strong> gelehrte<br />
Schulen" als bescheidener Schulamtskandidat ein. Nber seine Tätigkeit<br />
daselbst geben die Konduitenliften der Anstalt i) Aufschluß, die<br />
von dem genannten Direktor verfaßt sind. Schon der Bericht <strong>für</strong><br />
das 3ahr 1820 bringt über Carl Loewe, mit dem gleichzeitig<br />
drei andre junge Pädagogen das Seminar bilden, folgende Angaben.<br />
„Carl Gottfried Loewe aus Löbejün, Seminarist, wurde als<br />
Kantor berufen <strong>und</strong> mit hoher Genehmigung ihm eine Stelle im<br />
Seminar eingeräumt. Lebensjahre 24. Amtsjahre V2. Universität<br />
Halle 3 Jahre, unterrichtet in den Elementen der Sprachen <strong>und</strong><br />
Wissenschaften mit Nutzen, mit vorzüglichem Erfolge aber in der<br />
Gesanglehre. Amtsführung: sehr eifrig <strong>und</strong> tätig. Lebenswandel:<br />
ohne allen Tadel. Bemerkungen: die ausgezeichneten Fortschritte,<br />
welche das durch ihn errichtete Singechor, welches vorzugsweise<br />
zur Unterstützung <strong>und</strong> Veredelung des Kirchengesanges bestimmt<br />
ist, seit kurzem gemacht hat. sind seiner <strong>Gesch</strong>icklichkeit <strong>und</strong> seinem<br />
rühmlichen <strong>und</strong> christlich frommen Eifer zuzuschreiben. Er ist von<br />
dem hiesigen Magistrat zum Musikdirektor ernannt worden." Als<br />
solchen führt ihn. den 25 jährigen. der Bericht <strong>für</strong> das nächste<br />
Jahr (1821) auf. Er gibt im Gymnasium 2 St<strong>und</strong>en in Serta<br />
<strong>und</strong> 2 in Leptima, außerdem 2 im Gesangverein, der „aus den<br />
Mitgliedern der sämtlichen Klassen gebildet, welche bereits Fertigkeit<br />
im Gesänge gewonnen haben." Von Loewes pädagogischer<br />
Tätigkeit heißt es: „Er ist gewissenhaft in Abwartung seines<br />
Amtes, welches er mit Liebe <strong>und</strong> segensreichem Erfolge verwaltet:<br />
i) Im Archiv der Regierung Stettin fand ich unter ungeordneten Akten<br />
der 'Abteilung <strong>für</strong> Kirchen <strong>und</strong> Schulen einen Band „Atta der <strong>pommersche</strong>n<br />
Negierung betreffend die Conduiten-Listen über die Lehrer an den GcielMen-<br />
Schulen <strong>und</strong> Seminarien" !811—1N34.
Carl Loewe. Beitrage zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
er besitzt ausgezeichnete Lehrgaben <strong>und</strong> weiß seine Schüler <strong>für</strong><br />
seinen Unterricht zu gewinnen, <strong>und</strong> handhabt die Disziplin mit<br />
mildem Ernst; alle Schüler sind ihm mit Liebe zugetan; sein sittliches<br />
Betragen ist ohne allen Tadel. Er studiert eifrig nicht nur<br />
die Theorie seiner Kunst, sondern ist auch bemüht, in den mit derselben<br />
in Verbindung stehenden wissenschaftlichen Gebieten fortzuschreiten.<br />
Er ist bis jetzt nicht Schriftsteller, hat sich aber durch<br />
mehrere mit Beifall aufgenommene Kompositionen bekannt gemacht<br />
<strong>und</strong> ist jetzt mit einer <strong>für</strong> den Druck bestimmten musikalischen Arbeit<br />
beschäftigt."<br />
Der Bericht des folgenden Jahres 1822 ist ähnlich, aber kürzer,-<br />
Loewes Unterricht am Gymnasium umfaßt jetzt 8 St<strong>und</strong>en. Schon<br />
jetzt hat er seine pädagogische Schrift vollendet, unter dem Titel<br />
„Anleitung zum Unterricht im Gesänge. Berlin 1821." Es ist<br />
also die erste literarische Arbeit Loewes aus seiner Stettrner Zeit.<br />
Bisher ist sie unbekannt geblieben; denn I. Espagne nennt in<br />
seinem Verzeichnis sämtlicher Werke Dr. C. Loewes (Berlin 1870.<br />
im Anhang zu Loewes Selbstbiographie, hrsg. von C. 5>. Bitter,<br />
S. 28) nur seine „Gesanglehre" von 1826. Diese Erstlingsschrift<br />
hat Loewe offenbar wiederholt neugestaltet,- denn 1825 führt sie<br />
den Titel „3<strong>und</strong>amentalien der Tonkunst (Berlin bei Christiani)"<br />
<strong>und</strong> erst im nächsten Jahr „Gesanglehre (Berlin bei Logier)" ^).<br />
Nach Direktor Dr. Kochs Konduitenliste <strong>für</strong> 1823 ist der<br />
Musikdirektor Loewe nunmehr zum „dritten Schulkollegen" aufgerückt<br />
<strong>und</strong> hat „3 Balladen von Goethe. Herder <strong>und</strong> Uhland<br />
komponiert <strong>und</strong> bei Schlesinger in Berlin herausgegeben". Sie<br />
bilden das bekannte Opus 1 des Stettiner Tonmeisters, der erste<br />
große Wurf, mit dem er seinen Künstlerruf begründete. 3ür dasselbe<br />
2ahr liegt auch die Konduitenliste des „Seminars <strong>für</strong> Stadt<strong>und</strong><br />
Landschulen in Stettin" vor. von seinem Direktor Schulrat<br />
3.5>. G. Graßmann. Diese Anstalt war mit der Ministerialschule<br />
verb<strong>und</strong>en. Mönchenstraße. Ecke Papenstraße (heute Deutsche Bank),<br />
wo Loewe bei seiner Ankunft in Stettin im herbst 1820 zuerst<br />
abstieg 2). 1829 erhielt das Lehrerseminar seine eigene Behausung<br />
in dem ehemaligen Gouvernements- oder Kommandantenhause,<br />
Kleine Domstraße Nr. 682 (heute Nr. 21).. Schulrat Grahmann<br />
bezeichnet Loewe als Musiklehrer am Seminar. Musikdirektor <strong>und</strong><br />
Organisten: er unterrichtet im „Gesang <strong>und</strong> Orgelspiel, jetzt wöchent-<br />
1) Vgl. Programm des Stettiner Gymnasiums 1825 S. 33 <strong>und</strong> 1826<br />
S. 4l.<br />
2) Vgl. seine Selbstbiographie (von nun an abgekürzt Sb> S. 79.
240 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Gebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
lich 6 St<strong>und</strong>en, künftig 8 St<strong>und</strong>en; ist pünktlich in Abwartung der<br />
Lehrst<strong>und</strong>en, unterrichtet mit Anwendung einer guten Methode <strong>und</strong><br />
mit sichtbar glücklichem Erfolge, genießt die Achtung <strong>und</strong> Liebe<br />
seiner Zöglinge <strong>und</strong> handhabt eine ernste <strong>und</strong> feste Disziplin". Sein<br />
sittliches Betragen ist „durchaus anständig <strong>und</strong> unbescholten. Hat<br />
kürzlich drei Balladen von eigener Komposition herausgegeben.<br />
Durch die von einem hohen Minister der G. U. u. M. A. ihm geiwährte<br />
Teilnahme am Unterrichte in der Logierschen Methode hat<br />
er im verflossenen Jahre <strong>für</strong> seine musikalische Ausbildung noch beträchtlich<br />
gewonnen". Für den Musikunterricht am Lehrerseminar<br />
bezog Loewe ein Iahresgehalt von 250 Tal., das offenbar einen<br />
Teil seines Gcsamtgehalts von 850 Tal. bildete. An dieser Anstalt<br />
wirkte er von 1821 bis 1862, bis sie von Stettin nach Pölit;<br />
verlegt wurde.<br />
In den ersten Jahren seiner Stettiner Tätigkeit war Loewe<br />
mit seinem Studiengenossen Vocke fre<strong>und</strong>schaftlich verb<strong>und</strong>en. Nach<br />
dem frühen Tode seiner ersten Gattin Julie L., geb. von Jakob<br />
(7. März 1823), zog L. „um dem Druck der gespenstischen Einsamkeit<br />
in seinem eben noch so heiter belebten Hause zu entfliehen,<br />
mit einem Studienfre<strong>und</strong>e Vocke zusammen, der mit ihm den<br />
Text zu seiner Oper „Rudolf" entwarf" ^). Wer war dieser Fre<strong>und</strong><br />
Vocke? Auch M. Runze erwähnt ihn einige Male^). macht über<br />
ihn dieselben Angaben, nennt ihn Rechtskandidaten (bezw. c<strong>und</strong>.<br />
iur.), über den aber nichts Näheres bekannt sei. In der Tat läßt<br />
sich um jene Zeit ein Rechtskandidat Vocke in Stettin nicht nachweisen,<br />
wohl aber ein junger Pädagoge. Nach den oben benutzten<br />
Konduitenlisten trat im Juli 1823 Adolph Vocke in das<br />
„Seminar <strong>für</strong> gelehrte Schulen" (am Gymnasium) em. Daß dieser<br />
nun mit C. Loewe eng befre<strong>und</strong>et war, geht aus der Tatsache<br />
hervor, daß er mit ihm zugleich im Hause der Geheimrätin Tile -<br />
bein in Iüllchow verkehrte. Aus einigen ihrer bisher unbekannten<br />
<strong>und</strong> unbenutzten Briefe geht hervor, daß er im Jahre 1824 wiederholt<br />
bei dieser kunstsinnigen Frau zu Gast war, ja sogar bei ihr<br />
in gutem Ansehen stand. Freilich wurde ihm die Gesellschafterin<br />
Frl. Franziska Wülsten, Tochter eines Stettiner Iustizrats<br />
(bezw. Hofrats), die von Frau Tilebein selbst als „auffallend,<br />
oft blendend schön" geschildert wird, zum Verhängnis. Voll Teil-<br />
!) So berichtet H. Bulthaupt, Carl Loewe. Deutschlands Balladen-<br />
Komponist. Berlin 1898, S. 57, vgl. S. 94.<br />
2) koewes Werke, Gesamtausgabe (von nun an abgekürzt G.A) Vd. 16<br />
S. XXVII <strong>und</strong> Xl.. sowie Bd. 2 S. XVI.
Carl l?oewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 241<br />
nähme <strong>und</strong> offenbaren Wohlwollens berichtet die Iüllchower Beschützerin<br />
der Künste am 10. X. 1824 einer 3re<strong>und</strong>in über Vocke:<br />
„Dieser arme Mensch hat seiner Raserei nun die Krone aufgesetzt,<br />
von einem 3re<strong>und</strong>e, dem er früher die Dissertation zum Doktor<br />
gemacht. 200 Tal. geborgt, von welchen er 100 Tal. Strafe ans<br />
Gymnasium zahlt i), weil er es vor der Jett verlaßt, 75 Tal. zur<br />
Tilgung kleiner Schulden bestimmt <strong>und</strong> dann mit 25 Tal. ohne<br />
Aussicht, ohne Vermögen, ohne Anhalt ins Blaue gehen wird.<br />
Liebe, wäre er nicht liebestoll, das wäre ein Lehrer <strong>für</strong> Wilhelm ^)<br />
<strong>und</strong> ein angenehmer Hausgenosse <strong>für</strong> mich gewesen." In der Tat<br />
trat dieser junge Pädagoge trotz des durchaus günstigen Zeugnisses,<br />
das ihm Direktor Dr. Koch in der Konduitenliste hinsichtlich<br />
seiner amtlichen Tätigkeit sowohl wie seines Lebenswandels ausstellte,<br />
Michaelis 1824 aus dem Seminar <strong>für</strong> gelehrte Schulen<br />
aus 3). Für Loewe folgt aus diesen Tatsachen, daß von seiner Oper<br />
„Rudolf, der deutsche 5)err" auf jeden Iall der Text im Herbst<br />
1824 vollendet sein muß.<br />
Wo wohnten nun diese beiden Fre<strong>und</strong>e Carl Loewe <strong>und</strong><br />
Adolph Vocke? Nach M. Wehrmann a. a. O. S. 155 hatten die<br />
Mitglieder des „Seminars <strong>für</strong> gelehrte Schulen" freie Wohnung,<br />
anfangs in zwei dem Seminar zugewiesenen Häusern, später in<br />
dem Marienstiftshause Königsplatz Nr. 821. heute Nr. 7; die nicht<br />
mit freier Wohnung versorgten Mitglieder erhielten eine Miets.-<br />
^entschädigung. Gibt Wehrmann auch kein Jahr <strong>für</strong> diese Veränderung<br />
an. so ist doch wahrscheinlich, daß 1820 schon das Haus<br />
Königsplatz Nr. 7 in Benutzung war^). Da nun das Seminar<br />
damals, auch noch 1823, nur 4 Mitglieder hatte (nach den Konduitenlisten),<br />
so ist wahrscheinlich, dah C. Loewe bei seinem Eintritt<br />
ins Seminar im hause Königsplatz.7 seine Wohnung erhielt,<br />
jedenfalls auch 1823/4 noch, als er nach dem Tode seiner Gattin<br />
zu seinem Fre<strong>und</strong>e Adolph Vocke zog.<br />
Loewe übernahm zugleich mit dem Musikunterricht im Stettiner<br />
Lehrerseminar „die Leitung des Gesangunterrichts in den Parochialschulen"^).<br />
Über diese seine Tätigkeit kann ich einiges nach den von<br />
1) Nber die Verpflichtung dazu vgl. Programm des Stettiner Gymnasiums<br />
1822 E. 36/7.<br />
2) Wilhelm kiidke. ein von 3rau Tilebein angenommener Pflegesohn.<br />
2) Nach M. Wehrmann. Iestschrift zum 350 jährigen Jubiläum des<br />
Kgl. Marienstiftsgymnasiums zu Stettin, Stettin 1894, S. 169.<br />
") Vgl. Programm des Stettiner Gymnasiums 1822 S. 37. „Mit den<br />
vier ersten Stellen ist eine freie Wohnung im Seminarienhause verb<strong>und</strong>en."<br />
5) Siehe ebenda S. 18 Anm.<br />
,6
242 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
mir gef<strong>und</strong>enen Akten mitteilen ^). Wie zielbewußt der junge<br />
Musikdirektor schon in den ersten Jahren seiner Tätigkeit auf<br />
diesem Gebiet arbeitete, beweist sein Bericht vom 7. III. 1824 an<br />
die Stadtschuldeputation. Er stellt zu seiner großen Freude fest,<br />
daß „der Gesang in unsern Schulen, soweit er nämlich die Verbesserung<br />
des Kirchengesanges beabsichtigt, auf einem recht vorzüglichen<br />
Wege ist". Er vergleicht sie mit der Anlage eines großen,<br />
noch nicht urbar gemachten Gartens, in dem er sogleich den Spaten<br />
kräftig einsetzt. Die Lehrer verpflichtet er, wöchentlich drei St<strong>und</strong>en<br />
seinem Unterricht beizuwohnen,- am Mittwochabend erteilt er ihnen<br />
zwei St<strong>und</strong>en Unterricht, alle 14 Tage am Dienstagabend versammelt<br />
er sie zu einem Gesangverein. Dieser besteht aus den<br />
Lehrern <strong>und</strong> Seminaristen (Tenor <strong>und</strong> Baß) <strong>und</strong> den besten Schulkindern<br />
(Diskant <strong>und</strong> Alt). „Dieser Verein beabsichtigt eine harmonische<br />
Ausübung des Gesanges, da diese in den einzelnen Klassen<br />
doch nur immer recht mangelhaft ausgebildet werden kann. Im<br />
ganzen macht dieses starke <strong>und</strong> im Choralgesange wirklich in Stettin<br />
unvergleichliche Singechor gute Fortschritte, <strong>und</strong> es wird einmal<br />
den gemischten Kirchenchor ausmachen, an welchen sich auch in der<br />
Folge die anschließen (wie dies zum Teil jetzt schon geschieht),<br />
welche bereits die Schulen verlassen haben."<br />
In einem zweiten Gutachten von 1824 erkennt Löewe besonders<br />
an. daß die Lehrer sich nun ganz <strong>und</strong> gar seine Methode!<br />
angeeignet hätten, <strong>und</strong> ihnen das, was ihnen in den ersten Jahren<br />
noch Schwierigkeiten machte, nach treuer Anwendung zur andern<br />
Natur geworden sei. Aus ..der ersten Klasse der Knaben im<br />
Kloster" wird die Kurrende von 24 Sängern der Iakobigemeinde<br />
gebildet, denen der Musikdirektor ein besonderes Lob spendet. Die<br />
Schule auf der Lastadie hat noch ihre alte Verfassung, mithin gar<br />
keinen Unterricht im Gesang. Loewe schlägt auch hier die Neu»einführung<br />
vor <strong>und</strong> schlicht sein Gutachten: „Gott gebe ferner<br />
sein Gedeihen einer Saat, die zu seiner Zeit in unsern Tempeln<br />
herrlich erblühen wird!" Im Bericht des Jahres 1825 lesen wir.<br />
daß Loewe nunmehr seine ..Gesanglehre" nach der Umarbeitung auch<br />
an den Bürger- <strong>und</strong> Volksschulen Stettins einzuführen beabsichtigt<br />
<strong>und</strong> von der gleichmäßig durchgeführten Unterrichtsmethode weitere<br />
Fortschritte im geistlichen <strong>und</strong> weltlichen Gesang erwartet.<br />
') 3m Archiv der Regierung Stettin in ungeordneten Beständen „Berichte<br />
der Superintendenten betreffend die Verbesserung des Gesanges in den<br />
Schulen" vol. II.
Carl Loewe. Beitrage zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 243<br />
Freilich mußte Loewe es auch erleben, daß sein Werk ausgeschrieben<br />
bezw. entstellt <strong>und</strong> gleichzeitig eine Anzahl seiner ungedruckten<br />
Vertonungen von Chorälen <strong>und</strong> anderen Textliedern von<br />
einem semer Schüler herausgegeben wurde: Priem jun. ..Geistliches<br />
Liederbuch". Stettin 1847 l). In dem ihm von der Regierung<br />
aufgetragenen ausführlichen Gutachten weist Loewe dem Herausgeber<br />
grobe musikalische Unkenntnis, völlige Unselbständigkeit <strong>und</strong><br />
gewissenlose Verwertung seiner eigenen Kompositionsarbeiten, die<br />
er z. T. noch gar nicht zum Druck bestimmt <strong>und</strong> abgeschlossen hatte,<br />
nach. Dabei erfahren wir. daß Loewe eine größere Anzahl Lieder<br />
<strong>für</strong> den Gesang der Kurrende der Iakobikirche gesetzt hatte. Besonders<br />
oberflächlich hatte Priem den Satz zweistimmiger Lieder<br />
gearbeitet. ..Gute zweistimmige Choräle sind so selten wie Taciteische<br />
Kürze im Stil oder Plutarchische Vergleiche zweier Feldherren",<br />
erklärt der Musikdirektor. Nach dieser vernichtenden Kritik<br />
einer Sudlerarbeit, wie Martin Luther sie genannt haben würden<br />
sah die Regierung Stettin, Abteilung <strong>für</strong> Kirchen- <strong>und</strong> Schulverwaltung,<br />
von jeder Empfehlung des Priemschen ..Geistlichen<br />
Liederbuches" ab.<br />
Am 12. Dezember 1850 überreicht Loewe der Stettiner Negierung<br />
sein Werk „Musikalischer Gottesdienst", das er. um es möglichst<br />
billig — 13 Bogen <strong>für</strong> 1 Tal. — liefern zu können, auf<br />
dem Wege des „Umdrucks" (Lithographie) auf eigene Kosten hat<br />
herstellen lassen. In dem Begleitschreiben sagt er u. a.i „Um meine<br />
Vorträge möglichst abzukürzen <strong>und</strong> das Reden in ein sofortiges<br />
Anwenden zu verwandeln, wage ich den Wunsch auszusprechen,<br />
danach im Seminar unterrichten zu dürfen." Diesem Gesuch entsprach<br />
die Behörde auf Gr<strong>und</strong> eines vom Bischof Ritschl abgegebenen<br />
Gutachtens- den übrigen Seminaren der Provinz sollte der „Musikalische<br />
Gottesdienst" empfohlen werden.<br />
Seine reichen Erfahrungen im Musikunterricht legte Loewe<br />
wiederholt in Beurteilungen neuer pädagogischer Werke nieder, die<br />
er im amtlichen Auftrage verfaßte. Sie haben sich- in den angeführten<br />
Akten erhalten. 1857 äußert er sich einmal: „Die Hauptsache<br />
bleibt immer, daß der Lehrer ein richtiges musikalisches Gehör<br />
habe, wie denn überhaupt in der Musik die Empirie, beim Künstler<br />
Intuition genannt, ein entschiedenes Übergewicht über alle Verstandes-Operationen<br />
hat. Ebenso ist es in einer Klasse. Der geübte<br />
Lehrer weiß schon in der ersten St<strong>und</strong>e, wo seine Lieblinge sitzen,<br />
vol. VI.<br />
den oben erwähnten Akten im Archiv der Regierung Stettin,
244 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
das sind auch solche, die der liebe Gott mit einem feinen Gehör<br />
begabt hat."<br />
Sein Gutachten über Serings „Anleitung zum Gesangunterricht<br />
in der Volksschule" schließt Loewe mit den drastischen Worten:<br />
„Wo sollte da die Zeit herkommen, wenn in irgend einer Klasse<br />
dieser Schwamm ausgedrückt werden sollte, der sich ganz von überflüssiger<br />
Methode vollgesogen hat?"<br />
Unter allen geistesverwandten Persönlichkeiten Stettins, die<br />
dem Künstler Loewe nahe standen <strong>und</strong> durch liebevolle Würdigung<br />
sein Schaffen förderten <strong>und</strong> anregten, nimmt bei weitem die erste<br />
Stelle 3rau Auguste Tilebein. geb. Pepin. Witwe des 1820<br />
verstorbenen Geheimen Kommerzienrats Carl Gotthilf Tilebein,<br />
in Iüllchow bei Stettin ein. Einem Kreise wie dem Tilebeinschen<br />
empfahl sich der jugendlich schöne Loewe schon durch sein vornehm<br />
liebenswürdiges Wesen. Sagt doch Paul Wendt in seinen<br />
Erinnerungen l) an den verehrten Lehrer einmal von ihm: „Laowe<br />
war ein Meister der gesellschaftlichen Umgangsformen." Eingeführt<br />
wurde Loewe bei der kunstsinnigen 3rau Tilebein ein Jahr nach<br />
seiner Vermählung mit Julie von Jacob durch deren Vater,<br />
Staatsrat <strong>und</strong> Professor der Staatswissenschaften, am 28. September<br />
1822 2). Von Anfang an wirkt der junge Künstler durch<br />
sein überragendes musikalisches Können so gewinnend auf die feinsinnige<br />
3rau ein. daß sie ihn mit der ganzen überschwenglichen<br />
Kraft ihrer Seele an sich fesselt <strong>und</strong> in dem idealen Verkehr >mit<br />
dem gottbegnadeten Musiker <strong>und</strong> seiner Familie den reinsten <strong>und</strong><br />
erhabensten Genuß findet. Zwischen 3rau Tilebein <strong>und</strong> Loowo.<br />
ihrem Iüllchower Hofkapellmeister, wie er sich gern nennt, spinnt<br />
sich sehr bald ein ganz inniger Geistesb<strong>und</strong> an. der volle 32 Jahre,<br />
bis zum Tode der Geheimrätin 1854 besteht <strong>und</strong> von toewe sowohl<br />
wie von seiner Gattin <strong>und</strong> Töchtern mit Pietät <strong>und</strong> Trcne<br />
weit über das Grab hinaus im Geiste weiter gepflegt wird. Seine Verehrung<br />
<strong>und</strong> seinen Dank hat der Meister seiner edlen Gännerin<br />
nicht nur durch seine Kunst, die er so oft <strong>und</strong> so gern in ihrem Hause<br />
ausübte, <strong>und</strong> durch manche Tonschöpfungen, die er ihr widmete,<br />
bewiesen, er hat ihr auch in seiner Selbstbiographie ein unvergleichliches<br />
Denkmal gesetzt. Was er dort zu ihrer Würdigung<br />
sagt, zeugt von ebenso feinem Verständnis wie von aufrichtiger<br />
Liebe,- es ist das Wertvollste, was uns die Zeitgenossen über die<br />
seltene Frau berichtet haben.<br />
1) Neue Etettlner Zeitung lft96 Nr^ 216 ff.<br />
2) Nach Tagebuch der Irau Tilebein Bd. 2.
' Carl l?oewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 245<br />
Eine entsprechende literarische Würdigung Loewes aus Frau<br />
Tilebeins Feder besitzen wir leider nicht, hätte sie sich zu einer<br />
solchen Arbeit entschlossen, sie hätte sicherlich ein Meisterwerk geschaffen.<br />
Aber eingegriffen hat Loewes Persönlichkeit <strong>und</strong> sein<br />
künstlerisches Schaffen doch so stark in das geistige Leben dieser<br />
tief innerlichen Frau, daft sie in ihren Briefen diesen Wirkungen<br />
unmittelbar Ausdruck gibt. Dadurch erhalten diese Mitteilungen<br />
einen noch größeren Wert, als ihn vielleicht eine zusammenfassende<br />
Darstellung haben konnte.<br />
Von Frau Tilebeins Briefen kommen hier zwei Sammlungen<br />
in Betracht: die an den Geheimen Regierungsrat G. Friedrich<br />
Konrad Ludwig Müller von Ger stendergli in Weimar<br />
<strong>und</strong> die an die Landrätin Caroline von Stülpnagel in<br />
Lübbenow i. Uckermark gerichteten.<br />
Mit Müller von Gerst«.nbergk^) wurde Frau Tilebein<br />
im herbst 1821 in Weimar auf einer Erholungsreise bekannt, die<br />
sie damals mit ihrer Stettiner Fre<strong>und</strong>in Caroline Velthusen<br />
machte. Der Briefwechsel beider begann Anfang 1823. führte zu<br />
einem Besuch Gerstenberghs in Iüllchow im September desselben<br />
Jahres, bei dem er um die Hand der Witw5 anhielt, aber eine Absage<br />
erhielt. Trotzdem setzten beide den brieflichen Verkehr fort<br />
bis 1836; zwei Jahre später starb der inzwischen zum Vizekanzler<br />
bezw. Kanzler von Weimar beförderte von Gerstenbergk.' 1825<br />
hatte er sich mit Gräfin A malie Hasel er vermählt"). Seiner Bestimmung<br />
gemäß sandte seine Witwe die von Frau Tilobein an ihn<br />
gerichteten Briefe nach seinem Tode an sie zurück; in ihrem Nachlaß<br />
sind sie bis heute erhalten. Die in diese Schriftstücke eingestreuten<br />
Mitteilungen Frau Tilebeins über C. Loewe umfassen<br />
die Jahre 1823 bis 1831 <strong>und</strong> sind <strong>für</strong> die Kenntnis seiner Persönlichkeit<br />
von höchstem Wert, beleuchten aber das Verhältnis der<br />
beiden doch nur von einer Seiles. Bei meiner Durchforschung<br />
des Tilebeinschen Handschriften-Nachlasses habe ich aber auch die<br />
Briefe von Gerstenbergks an Frau Tilebein gef<strong>und</strong>en. Er hat<br />
i) Er hieß eigentlich Müller (1780—1838). wurde aber von seinem<br />
Oheim, dem Dichter Wilhelm r, n"n Gerstenbergk, adoptiert. Wie<br />
dieser schrieb er seinen Namen mit gk. Bisher ist der Name, wo man ihn<br />
einmal erwähnt hat. falsch geschrieben.,<br />
s> l'lber Müller von Gerstenbergks Leben, seine Dichtungen <strong>und</strong> seine Beziehungen<br />
zu 3rau Tilebein werde ich an anderer Stelle ausführlich handeln.<br />
5) Nach einer Abschrift mitgeteilt von M. Wehrmann, Monatsblätter<br />
d. G. f. p. G. u. A. 1915. 39. Jahrg. S. 69/71. )wei dort fohlende kürzere<br />
Stellen füge ich hinzu.
246 Carl koewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
zwar Loewe nicht persönlich gekannt, nimmt aber um seiner edlen<br />
Fre<strong>und</strong>in willen doch so lebhaften Anteil an seiner Persönlichkeit,<br />
daß auch seine Mitteilungen über ihn <strong>für</strong> uns wertvoll sind,<br />
zumal die Ausführungen 3rau Tilebeins durch sie wesentlich ergänzt,<br />
z. T. erst verständlich werden. Ich gebe daher die Mitteilungen<br />
der beiden Briefschreiber hier in zeitlichem Zusammenhange<br />
<strong>und</strong> vollständig wieder.<br />
von Gerstenbergk: 37. November 1823.<br />
„Ich wurde durch Zelter aus Berlin unterbrochen. Kennen<br />
Sie ihn? Er ist ein ausgezeichneter Kopf. Alles, was er weih,<br />
mußte er aus der dritten Hand lernen. In Berlin gilt er <strong>für</strong> derb;<br />
ich habe nie ein unartiges Wort gehört. Mir verfliegt die Zeit<br />
mit ihm. Das „den andern gewähren lassen" haben sich wenige<br />
Menschen so zu eigen gemacht. Er erzählte mir eben sein Zusammensein<br />
mit Ihrem Stettiner Musikdirektor, was mich sehr<br />
freute. Sie sollten einmal Goethe <strong>und</strong> Zelter, die sich sehr lieb<br />
haben <strong>und</strong> auch verstehen, zusammen hören. Ich werfe dann immer<br />
mit einzelnen Worten Z<strong>und</strong>er in ihre Redeflammen, höre dann<br />
zu <strong>und</strong> nehme mir heraus, was zu mir gehärt."<br />
3rau Ti leb e in: 6. Dezember 1823.<br />
„Zeltern kenne ich nur von Ansehen als Dirigent der Singakademie,<br />
aber die Wahl der von ihm komponierten Sachen verrät,<br />
daß viel in ihm sein müsse Was erzählte Ihnen Zelter<br />
von seiner Zusammenkunft mit Loewe? Dieser hat drei meisterhaft<br />
komponierte Balladen herausgegeben' sie müssen denen, die<br />
nicht Gesang, sondern in der Musik vorzugsweise das Plastische<br />
lieben — wenn man sich so ausdrücken kann — außerordentlich<br />
gefallen."<br />
Es sind Herders „Edward", Uhlands „Der Wirtin<br />
Töchterlein" <strong>und</strong> Goethes „Erlkönig", die bekanntlich das<br />
Opus 1 des Meisters bilden. 3rau Tilebeins kurzes, aber treffendes<br />
Urteil über ihn beweist, wie scharf sie das Wesen dieser neuen<br />
Kunst zu erfassen vermochte.<br />
von Gerstenbergk: 16. Dezember 1823.<br />
„Zelter ist ein sehr ausgezeichneter Mensch an Geist. Es war<br />
ihm befohlen, Loewe in Berlin zu prüfen: er konnte nicht sogleich, da<br />
äußerte Loewe, er könne sich nicht so lange in dem teuren Berlin.<br />
aufhalten, worauf Zelter ihm sein 5)aus anbot. Hier gefiel ihm<br />
Loewe immer mehr, er hörte ihn spielen, über Musik sprechen, <strong>und</strong><br />
als Loewe endlich fragte, wann er zum Eramen kommen sollte,<br />
sagte Zelter: „Gehen Sie mit Gott. Sie sind examiniert!" Zelter
Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 247<br />
sagt, Loewe könne sehr gut werden, wenn er seinem Rate folgte,<br />
sich nach dem alten Guten bildete. So erzählte Zelter, es interessiert<br />
mich, weil Sie mir von dem Manne erzählt hatten. Zelters<br />
Kinder leben in Ihrer Nähe, wenn er wieder einmal dorthin reiset<br />
oder Stettin passiert, wird er vielleicht Sie sehen. Er war viele<br />
Abende Gast bei dem Abendessen, was ich mit den Damen<br />
Schopenhauer zusammen hatte."<br />
Persönliche Beziehungen zwischen Zelter <strong>und</strong> 5rau Tilebein<br />
haben sich, soviel ich feststellen kann, nicht angesponnen.<br />
von Gerstenbergk: 30. Jänner 1824.<br />
„Loewe ist mir interessant geworden dadurch, wie er sich gegen<br />
Sie nimmt. Ich finde das ganz in der Ordnung <strong>und</strong> neide ihn<br />
um die Nähe, die es ihm gestattet. Ganz Stettin kommt mir immer<br />
vor wie ein haus voll Pagen <strong>und</strong> Diener, denen eine Ehre geschieht,<br />
wenn sie ihm die Schleppe tragen. Ich meine das sehr ernst, denn<br />
wem der Geist wurde, der soll herrschen. — Sagen Sie Loewe,<br />
daß ich wünsche ihn kennen zu lernen."<br />
Iu dieser Bekanntschaft ist es freilich nicht gekommen.<br />
3rau Tilebein: 6. März 1824.<br />
„Ihr Lied aus der Gabriele „Noch einmal" hat Loewe schon<br />
früher komponiert — doch 'nicht ganz nach meinem Sinn."<br />
Dieses Gedicht (wie auch einige andere) von Gerftenbergks hat<br />
Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen Arthur<br />
Sch.» bei der jener in Weimar wohnte, <strong>und</strong> mit der er befre<strong>und</strong>et<br />
war. in ihren Roman „Gabriele" 1819/20 aufgenommen. Loewe<br />
hat es schon 1819, also noch in 5>alle, vertont^).<br />
Ebenda:<br />
„Loewe hat mir wieder ein paar genußreiche Abende verschafft.<br />
Er hat fünf der hebräischen Lieder Byrons sehr schön komponiert<br />
<strong>und</strong> singt die 30 neu herausgekommenen schottischen Lieder von<br />
Beethoven mit einem Entzücken, das ansteckend ist. Nie sah ich<br />
solch ein Kind wie Loewe ungeachtet seiner massiven Gestalt <strong>und</strong><br />
nie eine <strong>für</strong> seine Kunst so poetische Einbildungskraft. Jede<br />
Weise, jede Komposition gestaltet sich in ihm zu einem in allen<br />
seinen Teilen vollendeten Gedicht. Noten sind ihm Gedanken. Töne<br />
sind ihm Worte, die Musik ist ihm eine Egeria, mit welcher er<br />
in geheimem <strong>und</strong> geheimnisvollem Verkehr lebt. Ich wollte. Sie<br />
hörten ihn mit nur sehr mäßiger Fertigkeit eine Beethovensche<br />
Sonate spielen, hörten dabei die leisen Worte, die er unwillkürlich<br />
i) Es steht jetzt in l?oewes Werken G. A. Bd. 17.
248 Carl Loewe. Beitrage zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
spricht, die Laute, die Klänge, die Seufzer, den Jubel, die ihm<br />
sämtlich unwillkürlich entschlüpfen, ohne Übertreibung, leise, innig,<br />
dem stillen Charakter seines ganzen Wesens getreu. Noch ergötze<br />
ich mich an ihm, nicht lange! Denn sobald er wieder heiratet, ist<br />
er <strong>für</strong> die wahre Kunst <strong>und</strong> <strong>für</strong> seine Fre<strong>und</strong>e verloren. Ein<br />
Musiker sollte nie heiraten. Um seine Bestimmung ganz zu' erreichen,<br />
müßte sein Leben ein ununterbrochener Tantalismus sein,<br />
aus (unbefriedigter) Sehnsucht <strong>und</strong> (getäuschter) Hoffnung zusammengesetzt.<br />
Sagen Sie nicht, daß das ein schreckliches Los<br />
wäre, denn alles, was dem Menschen genommen, würde dem<br />
Künstler tausendfach gegeben."<br />
Frau Ti leb e in: 24. April 1824.<br />
„Gestern kam Loewe <strong>und</strong> spielte <strong>und</strong> sang den ganzen Abend."<br />
3rau Tilebein: 24. Januar 1825.<br />
„Was Sie mir von Zeltern über Loewe sagen, hat mich sehr<br />
interessiert <strong>und</strong> das mit Recht- denn während allgemein über<br />
sein barockes, oft ungefälliges, ja unhöfliches Wesen geklagt wird,<br />
ist er bei mir ein frommes Kind, das alles tut, was er mir, wie<br />
die Redensart es ausdrückt, an den Augen absieht. Tausend Einladungen<br />
lehnt er ohne Entschuldigung ab. nirgends will er singen,<br />
dem kleinsten wie dem größten. Dilettantenzirkel entzieht er sich<br />
mit Eigensinn, <strong>und</strong> zu mir kommt er, wenn ich winke, ja noch<br />
öfter von selbst, <strong>und</strong> spielt <strong>und</strong> singt unaufgefordert st<strong>und</strong>enlang.<br />
So sang er vorgestern bis Vs^2 Uhr nachts alle 30 schottische<br />
Lieder von Ve ethoven. die ihm zum Weihnachtsgeschenk aus Berlin<br />
geschickt wurden, <strong>und</strong> von denen er entzückt ist. Schade, daß er<br />
seine süße Stimme verliert'), aber auch ohne Ton wird man ihn<br />
noch hören <strong>und</strong> gern hören, denn diese poetische Auffassung jedes<br />
Musikstückes ist mir neu. ich fand sie noch bei keinem. Er hat<br />
Gründlichkeit. Begeisterung <strong>und</strong> Venie, aber keine Virtuosität;<br />
so leitet denn die Notwendigkeit selbst ihn auf die rechte Bahn."<br />
von Ger stendergli: 18. November 1825.<br />
„Ich spiele <strong>und</strong> singe jetzt oft ein Lied, was der Mann komponierte,<br />
der in Stettin lebt, <strong>und</strong> dessen 3rau. eine Jacob, starb.<br />
Ich dachte dabei, wie sehr Ihnen dessen Kompositionen gefielen,<br />
<strong>und</strong> nie singe ich es. ohne Ihrer mit der tiefsten Anhänglichkeit<br />
zu denken."<br />
Aus dieser persönlichen Beziehung ergibt sich, daß es sich um<br />
ein von Gerstenbergk selbst verfaßtes Gedicht handelt. Dies ist<br />
') Das kann nur vorübergehend der Iall qewesen sein? seine Kunstreisen,<br />
auf denen er selbst oft meisterhaft sang, machte er ja erst später^
. Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 249<br />
aber das fchon oben^) erwähnte „Noch einmal muh ich vor Dir<br />
stehn". Danach ist die Frage nach dem Verfasser dieses Loeweliedes<br />
endgiltig gelöst?). Loewes Vertonung muh damals (1825)<br />
also schon gedruckt gewesen sein, oder Gerstenbergk hatte sich eine Abschrift<br />
verschafft. Bisher wußte man aus Espagnes <strong>und</strong> Runzes<br />
Angaben nur. daß es im Opus 9 5>eft 4 1828 erschienen fei. Die<br />
übrigen von Gerstenbergk verfaßten Gedichte wurden erst später,<br />
nach des Dichters Tode (183«), als sie Frau Tilebein gesammelt<br />
<strong>und</strong> koewe übergeben hatte, von diesem vertont- sie kommen also<br />
<strong>für</strong> die Zeit dieses Briefes (1825) noch gar nicht in Betracht.<br />
Frau Tilebein: 14. Dezember 1825.<br />
„Gestern kam Loewe. mir ein vollendetes Terzett mitzuteilen.<br />
neten gehören. Sagen Sie mir, wie ist es möglich zu machen, daß<br />
sie auf irgend einem bedeutenden Theater Deutschlands gegeben<br />
werde. In Berlin, wissen Sie, herrscht der Italiener Spontini,<br />
lmd Mozart selbst vermöchte nichts, wäre er nicht zu seinem Glück<br />
<strong>und</strong> Ruhm tot. Doch wäre es ein wahrer Verlust, wenn koeweis<br />
reiches <strong>und</strong> jugendlich frisches <strong>und</strong> schöpferisches Genie unerkannt<br />
verkümmern sollte. Schenken Sie uns Ihren Nat <strong>und</strong> Beistand."<br />
Die Oper Loewes. von der Frau Tilebein spricht, ist „Rudolf.,<br />
der deutsche Herr", die er 1825 vollendete nach dem von ihm <strong>und</strong><br />
seinem Fre<strong>und</strong>e Adolph Vocke gemeinsam verfaßten Text^). Diese<br />
große historische Oper ist ungedruckt geblieben. Der Weimarer<br />
Fre<strong>und</strong> Frau Tilebeins ging sofort auf ihre Bitte ein, wie folgender<br />
Brief beweist.<br />
von Gerstenberg: 26. Dezember 1825.<br />
„Ich habe es eigentlich verredet, mich in etwas zu mischen, was<br />
das Theater betrifft. Indessen ist es mir ein zu seltenes, ein zu<br />
großes Glück, einen Wunsch von Ihnen erfüllen zu können, <strong>und</strong><br />
so will ich gern nach meinen Kräften wirken. Loewe sende mir<br />
seine Partitur <strong>und</strong> ich will zuerst versuchen, daß es hier aufgeführt<br />
werde, kann aber nicht da<strong>für</strong> stehen, weil seit Goethes ^)<br />
<strong>und</strong> Graf Edlings Abgange vom Direktorium ich allen Einfluß<br />
') S. 247 Anm. 1.<br />
2) Vgl. C. Loewes Werke G. A. Bd. 17 S. Xll. M. Runze. dem her«<br />
ausgeber, war das auf Gr<strong>und</strong> seines Materials noch nicht möglich.<br />
2) Vgl. 3. Espagne a. a. O. E. 29. — H. Bulthaupt. Carl Loewe.<br />
Berlin 1898. S. 57 u. 94 ff. — K. Anton, Beiträge zur Biographie -<br />
C. eoewes. Halle 1912. S. 64.<br />
t) 1817.
250 Carl koewe. Beitrage zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
verlor, weil ferner seitdem 3rau von 5) e y gen do rf'), die Fre<strong>und</strong>in<br />
des Herzogs, souverän herrscht auf unserm Theater <strong>und</strong> ich sehr<br />
schlecht bei ihr stehe, da ich ihr nicht aufwarte. Indessen kenne<br />
ich den braven Kondirektor soder Chordirektor?1 haeser. einen<br />
Bruder der großen Sängerin, sehr nahe <strong>und</strong> will suchen, durch<br />
ihn zu wirken. Geht es da nicht, will ich mich an Maria Weber<br />
wenden. Er ist der geistreichste <strong>und</strong> anspruchsloseste Komponist,<br />
den ich kenne, er hat mich lieb, vielleicht (ich sage vielleicht) tut<br />
er etwas. Sie haben keinen Begriff, was es heißt <strong>und</strong> kostet, bei<br />
dem üblen Willen der Wortführer eine Oper, eine Tragödie in<br />
Szene zu setzen. Loewe soll klüger sein wie ich. Ohne diese<br />
Widerwärtigkeiten wär' ich jetzt ein Tragöd- aber sie verkümmerten<br />
mir die 3reude durch Niederträchtigkeit aller Art. so daß ich meine<br />
Manuskripte bei Seite legte."<br />
Trotz dieses lebhaften Interesses <strong>für</strong> Loewes neues Werk<br />
konnte von Gerstenbergk nichts von Erfolgen seiner Bemühungen<br />
berichten- die Widerstände waren offenbar unüberwindlich. Es<br />
läßt sich auch nicht erweisen, ob Loewe ihm die Partitur seiner<br />
Oper gesandt hat.<br />
Frau Til eb e in: 27. Juni 1826.<br />
„Webers Tod hat eine allgemeine Trauer erregt. Loewe spielte<br />
m diesen Tagen zwei von den vier Sonaten, die Weber geschrieben<br />
hat <strong>und</strong> die leben werden, solange Töne leben hienieden. Der<br />
Deutsche ahnt nicht, welch einen Schatz er in seinen Sonaten besitzt;<br />
keine Nation kann sich ihm darin gleichstellen. Es ist etwas herrliches<br />
um eine echte Sonate; in ihr verkehrt der Komponist mit<br />
einer andern Welt, mit Geistern, denen Töne Sprache sind, hier<br />
darf er seine ganze Seele austauschen in Schmerz <strong>und</strong> 3reude,<br />
ohne sein armes herz zu verraten an die ihn umgebende kalte<br />
Wirklichkeit, er kann in Augenblicken höherer Weihe einstimmen<br />
in mächtigen halleluja verklärter Engelchöre, ohne daß die herzlose<br />
Menge seine Seligkeit ahnt. Könnten Sie doch die 3. Sonate<br />
von Beethoven von Loewe vorgetragen hören — eine große Tragödie!<br />
— <strong>und</strong> Webers geistreiche, geschmackvolle, zarte <strong>und</strong> innige<br />
Seelensprache, deren schöne Motive oft durch eine einzige meisterhaft<br />
betonte Schlußnote in uns st<strong>und</strong>enlang fortvibrieren.<br />
Kürzlich gab Loewe uns einen musikalischen Abend: erstens<br />
Beethovens Trio, dem Erzherzog Rudolf gewidmet, eine Mondnacht<br />
am Meeresufer, wo der Mensch wandelt, zerstört von wilder<br />
!) Caroline Iagemann s1777—l848). Schauspielerin, durch Adelsdekret<br />
des Herzogs zur Irau von Heyssendorf erhoben.
Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 251<br />
Leidenschaft <strong>und</strong> tiefem Gram: dann ein zweites von Beethoven,<br />
der Gräfin Crdödy gewidmet, mit einem Adagio voll Andacht <strong>und</strong><br />
Erhebung- zuletzt nach einem kleinen ambigu. Abendbrot genannt, ein<br />
Quartett vom PrinzLouisFerdlinand. dessen bis zi«r Krankheit<br />
liebliches Schlußrondo schon manchem jungen herzen so wohl <strong>und</strong><br />
wehe getan haben mag. Des Prinzen einziges <strong>und</strong> mit seltener<br />
Meisterschaft errungenes Ziel war Schönheit. Ich besitze zwei Trios,<br />
die er mir selbst, von einem Briefe begleitet i). geschenkt hat. <strong>und</strong><br />
die mich an viele mit ihm in Pyrmont verlebte Tage <strong>und</strong> in Berlin<br />
mit ihm zugebrachte musikalische Abende 2) auf das angenehmste<br />
erinnern. Wie nun Loewe das alles so ganz eigen vorträgt, kann<br />
ich Ihnen nicht schildern. Es gibt weit größere Klavinicisten, meint<br />
er doch, er könne gar nicht spielen, aber diese Auffassung des<br />
Ganzen zu einem vollendeten Bilde, diese Begeisterung fand ich<br />
zuerst bei diesem kindlich gesinnten, wissenschaftlich gebildeten, harmlosen<br />
<strong>und</strong> zugleich höchst poetischen Menschen, der eine ganz eigene<br />
Erscheinung ist. Zur Lebensgefährtin wählte er sich ein zartes,<br />
sinniges Wiesenblümchen, voll Lieblichkeit, das ihn wahrhaft beglückt<br />
2). Dürfte ich Ihnen doch Loewes Komposition der Vyronschen<br />
hebräischen Lieder —von Theremin übersetzt —mitteilen^).<br />
„Du in der Schönheit strahlendem Schein Entschw<strong>und</strong>ene"^) läßt<br />
kein Auge trocken in seiner süßen, heiligen Einfalt."<br />
3rau Ti leb ein: 24. Dezember 1826. .<br />
„Loewes seltener Genialität verdankten wir unvergeßlich schöne<br />
musikalische Sommerabende,' Oberons Elfenchöre, Beethovens<br />
Meeresstille — bei offenen Fenstern <strong>und</strong> mondbeleuchteter Land-<br />
1) Den Brief konnte ich bisher im Tilebeinschen Nachlaß nicht finden:<br />
er wird, wie vieles andere, verloren (geraubt) sein.<br />
2) Mit ihrem Gatten Carl Gotthilf Tilebein war sie im Iebruar 1805<br />
bei dem Prinzen in Berlin wiederholt zu Gast (Auguste Tileoeins Tagebücher.<br />
Bd. 1).<br />
2) Auguste Lange, Loewes zweite Gattin. Tochter eines'Stettiner Großkaufmanns,<br />
der unter den Drangsalen der 3ranzosenzeit den größten Teil<br />
seines Vermögens verlor. Sie stammte aus der Iamilie des bekannten<br />
Bauern Hans Lange in Lanzig bei Rügenwalde. Nach der Iamilienüberlieferung<br />
ging das Iamilienwappen mit einem zerbrochenen Kreuz auf Herzog<br />
Bogislaw X. zurück. Es wurde noch zuletzt von dem Stolper Zweig der<br />
Iamilie Lange geführt. Iu diesem gehörten auch Bernsteinfischer <strong>und</strong><br />
-drechsler.- von ihnen soll u. a. die Ilöte Friedrichs des Großen stammen,<br />
die im Kunstgewerbemuseum in Berlin aufbewahrt wird (nach hinterlassenen<br />
Aufzeichnungen Julie von Bothwells. Loewes Tochter).<br />
4) heft 1—3. erschienen !825/6: Opus 4. 5. 13.<br />
ö) Opus 4 Nr. 5.
252 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis feines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
schaft, im Angesicht des weitausgedehnten Sees mit Nfchernachen<br />
bedeckt, während hochbemastete Schiffe mit vollen Segeln gleich<br />
Traumschiffen über den schillernden Strom dahingleiteten zur fernen<br />
Ostsee. Das wirkte begeisternd auf jeden Zuhörer, wieviel mehr<br />
auf Loewens ganz poetisches Gemüt. Seine Komposition der hebräischen<br />
Lieder Vyrons nach Theremins Übersetzung ließ kein Auge<br />
trocken- hier erscheint er so einfach rührend, wie er in einigen<br />
seiner Balladen wildstürmend <strong>und</strong> überreich ist."<br />
Frau Tilebein: 20. April 1829.<br />
„Oft entzückte uns Loewe durch seinen seelenvollen Gesang."<br />
Frau Ti lebe in: 20. Februar 1831.<br />
„Es wird viel Musik getrieben, gute mit Loewe, schlechte<br />
ohne ihn."<br />
Außer dem von Gerstenbergkschen Briefwechsel kommt als<br />
Quelle <strong>für</strong> Loewes Leben <strong>und</strong> Schaffen ein zweiter in Betracht:<br />
der von Frau Tilebein mit ihrer Fre<strong>und</strong>in Caroline von Stülpnagel<br />
geführte. Von ihm ist im Tilebeinschen Nachlaß nichts vorhanden;<br />
doch fand ich einen Brief des Herrn von Stülpnagel von<br />
1849, gleich nach dem Tode seiner Gattin. In diesem bittet er<br />
die von ihm hochverehrte Frau Geheimrätin. von ihrer Bestimmung,<br />
ihre Briefe nach dem Tode der Empfängerin zu verbrennen, abzusehen,<br />
<strong>und</strong> erklärt: „Nein, verehrte Frau! Dazu kann ich mich<br />
nicht entschließen, vielmehr erbitte ich von Ihnen die Erlaubnis,<br />
diese Briefe behalten zu dürfen. Sie rufen zu viel angenehme Erinnerungen<br />
zurück, sie sind zu schöne GeistesproÄlkte, um vernichtet<br />
zu werden. Ich wünsche sie einheften zu lassen, um sie<br />
neben die lettre8 6e 3evi^ne^) in meinen Bücherschrank zu stellen."<br />
Dieser F<strong>und</strong> veranlaßte mich, nach den Briefen selbst bei der<br />
Familie von Stülpnagel zu suchen, wo sie allerdings nicht bekannt<br />
waren. Auf meine wiederholten Anregungen jedoch wurden sie<br />
schließlich an entfernter Stelle entdeckt^). Sie umfassen die Jahre<br />
1813—1849 <strong>und</strong> sind in der Tat zu einem umfangreichen heft ver-<br />
» ^) Marquise von S6vigne 1627—1696. geb. rn Paris, berühmt durch<br />
ihren 25 jährigen Briefwechsel mit ihrer Tochter. Ihre Briefe. 10 Bde.. Paris<br />
1818/20. gelten als Muster des Briefstils/ Auch 3rau Tilebcin hatte sie,<br />
wie so viele andere Werke der franzosischen Literatur gelesen- das geht aus<br />
brieflichen Bemerkungen <strong>und</strong> aus ihrem Tagebuch hervor.<br />
2> Meinen Bitten <strong>und</strong> Angaben brachte in liebenswürdigster Weise ihr<br />
Interesse entgegen 3rau von Stiilpnagel-Dargitz auf Lüobenow; sie stellte<br />
mir die Briefe auch bereitwilligst zwecks Benutzung zur Verfügung. 3ür diese<br />
gütige Iörderung meiner Iorschungen auch an dieser Stelle verbindlichst zu<br />
danken, ist mir aufrichtiges Bedürfnis.
. Carl koeivt. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 253<br />
einigt sind mit der Aufschrift „Briefe der 3rau Geheimrätin<br />
Tilebein". Die Empfängerin ist Caroline von hübner. Tochter des<br />
Kaufmanns <strong>und</strong> russischen Konsuls h. in Stettin. Da Karolines<br />
Mutter wenige Tage nach deren Geburt starb, nahm sich die den<br />
Eltern befre<strong>und</strong>ete 3rau Tilebein des mutterlosen Kindes mit hingebender<br />
Liebe an <strong>und</strong> blieb ihr in mütterlicher Fre<strong>und</strong>schaft bis<br />
zu ihrem Tode 1849 verb<strong>und</strong>en. Caroline von 5>iibner vermählte<br />
sich 1817 (oder 18) mit dem 5>errn von Stülpnagel-Dargitz auf<br />
Lübbenow. Bei ihren häufigen Besuchen im Hause Tilebein wurde<br />
das von Stülpnagelsche Ehepaar bald mit Loewe bekannt; besonders<br />
Caroline v. St. interessierte sich aufs lebhafteste <strong>für</strong> ihn, da sie<br />
selbst hohe musikalische Begabung besaß <strong>und</strong> wiederholt in/Konzerten<br />
(Prenzlau) wirkte. Loewe war auch in Lübbenow zu Gast, wahrscheinlich<br />
gelegentlich seiner Reise nach, 3riedland i. Meckl. zu<br />
seinem Fre<strong>und</strong>e, dem Apotheker Mayers. Er widmete daher<br />
sein Opus 68. drei Balladen (Schwalbenmärchen, Der Edelfalke,<br />
Der Blumen Rache) der 3rau Landrätin Caroline von Ltülpnagel-<br />
Dargitz auf Lilbbenow^).<br />
Von den jedenfalls zahlreichen Briefen der 3rau von Stülpnagel<br />
an 3rau Tilebein habe ich bisher keine Spur gef<strong>und</strong>en- auch<br />
sie sind, wie es scheint, verloren (geraubt).<br />
3rau Tilebeins Briefe<br />
an Caroline von Vtülpnagel<br />
über C. Loewe.<br />
13. II. 1824. „Loewe hat letzthin das Maienlied <strong>und</strong> das<br />
Zägerlied aus der Euryanthe mit dem herrlichen Accomp. gesungen'<br />
das nenne ich einen Iägerchor."<br />
3. V. 1824. „Sonntag waren sie sMiezlows) hier, auch Dein<br />
Schwager <strong>und</strong> Loewe; beide wurden von Mama sWiezlow^ sehr<br />
artig zu gestern, als Montag, 1. Markttage, zu Mittag gebeten.<br />
<strong>und</strong> Loewe war wieder die Gefälligkeit selbst." „Mein<br />
3ortepiano, d. 23. Sept. 1823 zuletzt gestimmt, hat sich so w<strong>und</strong>ervoll<br />
in der Stimmung erhalten, daß Loewe am 1. April 2 St<strong>und</strong>en<br />
darauf gespielt hat."<br />
20. -VII. 1824. Loewe, Vocke <strong>und</strong> Niezlows „waren nicht aus<br />
1) Vgl. die von mir herausgegebenen Briefe C. koemes (bisher unveröffentlicht)<br />
In: Ostseezeitung. Stettin, drei Beilagen (Stettiner Blätter) vom<br />
24. Vll. 192Z ff. Vgl. auch Loewes Werke G. A. Bd. 9 S. XXX/l.<br />
2) Espagne a. a. O. schreibt falsch Landgräfin <strong>für</strong> Landrätin <strong>und</strong><br />
Liittenau <strong>für</strong> Liibvenow
254 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Gebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
der Schlafstube fortzubringen, weil sie sich an der kleinen 5amilienwirtschaft<br />
seiner h<strong>und</strong>emutterj nicht satt sehen konnten."<br />
19. VIl. 1824. „Loewes Braut ^) kenne ich auch noch nicht;<br />
er läßt sich gar nicht mehr blicken; quelle moucde l'a piqué' mag Kott<br />
wissen! Diese aus der kuft gegriffenen Brouillerien <strong>und</strong> Tracasserien<br />
habe ich nun satt <strong>und</strong> nachdem ich ihm gestern 2 Pf<strong>und</strong><br />
Tee geschickt, als petit cacleZu, betrachte ich mich als quitt <strong>und</strong><br />
werde ihn laufen lassen."<br />
17. II. 1825. „Am vergangenen Dienstag, heute vor 8 Tagen,<br />
gab Loewe ein Konzert; es begann mit der Ouverture aus Iidelio<br />
<strong>und</strong> schloß mit einer großen Sinfonie von Beethoven, die beide<br />
ganz meisterhaft executiert wurden. Vom übrigen möchte ich<br />
schweigen. Loewe hatte seine Charmes de Berlin von Kalkbr.<br />
nicht gehörig eingeübt, welches der grüßte Klavinicist nicht versäumen<br />
darf; <strong>und</strong> seine Stimme war in der Sentinelle mit Variationen<br />
von Hummel <strong>und</strong> Mosch e les kaum hörbar. Herr<br />
Lieber 2) wlltete ein Violinkonzert ab, <strong>und</strong> damit Punktum.<br />
Ein allerliebster neunjähriger Knabe, Carl Schillings), ein<br />
wahrer Johannes, wird morgen ein Klavierkonzert vortrommeln,<br />
denn weiter kann's doch nichts sein; mein Geld hat er, aber meine<br />
Ohren bekommt er nicht."<br />
Das Konzert Loewes <strong>und</strong> Lieberts fand am 8. ll. 1835 im<br />
Saale des Lchüßenhauses statt, koewe spielte außer anderen Konzertstücken<br />
Beethovens A-dur-Symphonie. So geben die beiden<br />
Veranstalter des Konzerts selbst an in der Kgl. Preuß. Stettiner<br />
Zeitung 4. ll. 1825. Einen Bericht oder eine Beurteilung des<br />
Konzerts bringt die Zeitung freilich nicht. Daraus darf man<br />
schließen, daß 3rau Tilebcin mit ihren Angaben recht hat.<br />
Frau Tilebein: 29. XII. 1825. „Noch gestern überraschte<br />
uns Loewe zu Mittag <strong>und</strong> sang <strong>und</strong> spielte köstlich bis 9 Uhr<br />
abends." „Wegen eines Musikstückes mit Violine habe<br />
ich mich vergeblich bemüht. Dein Schwager kennt keins. ich auch<br />
nicht. Loewe sagt, es werde keins mehr komponiert, weil bei dem<br />
Verein dieser beiden Instrumente das eine schreie <strong>und</strong> das andere<br />
1) Auguste l?ange.<br />
2) Liebett sso zu schreiben) war Kantor an St. Iakodi in Stettin.<br />
^) Über ihn berichtet die Kgl. Preuh. Stettiner Zeitung ifortan ab«<br />
gekürzt St. I.j 7. ll. 1825. Danach stammte er aus Magdeburg <strong>und</strong> hieß<br />
Albert Schilling. Nach Stettin kam er aus Stargard. Sein Konzertprogramm<br />
von Stettin ebenda 14. u. 21. ll. 1825- er spielte Mozart.<br />
Hummel. Moscheles <strong>und</strong> Kuhlau. Nach Albert Schilling trug ein Herr<br />
Deuantier ein Adagio <strong>und</strong> Rondo von Weber vor.
Karl Loewe. Veitraqe zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens/ 255<br />
hämmere <strong>und</strong> beide verlieren. Indessen sehe ich doch bei 3. S.<br />
Lischke unter der Stechbahn in Berlin angezeigt" (folgen einige<br />
Musikstücke <strong>für</strong> Klavier <strong>und</strong> Violine).<br />
26. II. 1826. „Die Loewe hat ein kleines Mädchen."<br />
2. IX. 1826. „Alles schreibt <strong>und</strong> singt seine Verse').- Loewe<br />
will sie komponieren. Brauser?) schwärmt von ewiger Fre<strong>und</strong>schaft."<br />
.<br />
13. III. 1827. „Des Sonntags versammle ich. wie gewöhnlich,<br />
eine kleine Gesellschaft, <strong>und</strong> namentlich war der vorgestrige sehr<br />
angenehm. Lutzens. Loewens, Wiehlow. Vumke, 3r. Jacob usw.<br />
waren hier- wir machten Haydens Jahreszeiten, <strong>und</strong> Du glaubst<br />
nicht, wie schön der seit 10 Jahren todkranke Bumke die beiden<br />
darin vorkommenden Baßarien gesungen hat. Seit er seinen Abschied<br />
genommen <strong>und</strong> aus der Hölle der Iahlen-3rone sich erlöst<br />
hat, lebt er ganz auf. — Loewens hebräische Lieder von Byron<br />
nach der Thereminschen Übersetzung'^) sind nun heraus, ich<br />
finde sie alle <strong>und</strong> vorzüglich die Totenklage sublim. — 3elir<br />
Mendelssohn-Bartholdy ist von Berlin gekommen. Loewe<br />
zu besuchen <strong>und</strong> dessen Konzert ^) zu verherrlichen: es hat mit<br />
einer äußerst lieblichen Ouverture von dem jungen Komponisten<br />
selbst angefangen,- dann nach einem Violinkonzert haben Loewe<br />
<strong>und</strong> Mendelssohn ein Doppelkonzert auf zwei Pianofortes (auch<br />
von Mendelssohn) hinreißend gespielt. — Der zweite Teil hat mit<br />
einem Konzertstück von Weber angefangen, das Mendelssohn<br />
ohne Begleitung gespielt <strong>und</strong> das den Leuten vor Erstaunen <strong>und</strong><br />
Entzücken den Atem benommen hat- den Schluß hat die letzte<br />
mit Chören durchwebte Symphonie von Beethoven gemacht, die<br />
so gegangen ist, daß Mendelssohn feinen Ohren nicht hat trauem<br />
wollen, nachdem er sie von lauter Virtuosen unter Mosers Leitung<br />
schwankend, matt <strong>und</strong> schleppend in Berlin gehört, hier war jede<br />
einzelne Stimme von Lieber den Mitspielenden einstudiert worden,<br />
daher das schöne Ensemble. Man versichert, noch kein solches<br />
Konzert in Stettin gehört zu haben- ich — hörte es nicht!"<br />
1) Ein ungenannter Verehrer Caroline Velthusens. der Fre<strong>und</strong>in 3rau<br />
Tilebews. „Phaon".<br />
2) I. 3. Brauser. Hauslehrer bei Iran Tilebein.<br />
3) heft 4. erschienen 1827: Opus 14.<br />
4) Es fand statt 20. Iebruar 1827. Gespielt wurde außer dem Doppelkonzert<br />
die Ouverture zum Sommernachtstraum. Beethovens Symphonie in<br />
D-moll. Vgl. K. Anton a. a. O. S. 1«. Maximilian Runze. Carl Loewe<br />
(Reclam) S.90/1 <strong>und</strong> St. ). 16. II. 1827.
256 Carl Loewe. Beitrage zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
22. XI. 1827. „Abends wird gelesen <strong>und</strong> viel, sehr viel<br />
musiziert Letzthin ward ein Beethoven auf den beiden<br />
Flügeln gespielt. Gestern abend kam Loewe mit Wiezlow. blieben<br />
bis halb 11 Loewe studiert Olympia <strong>und</strong> Cortez. Wenn<br />
Du kommst, gibt's große Oper."<br />
11. Xll. 1829. „Loewe leidet an aufgebrochener Halsdrüse."<br />
8. l. 1832. „Wir hatten am Neujahrstage <strong>und</strong> gestern durch<br />
Loewe herrliche Kunstgenüsse. Die hebräischen Lieder sind in ihrer<br />
hohen, gleichsam alttestamentlichen Auffassung wahrhaft zerreißend!<br />
— Auch eine neue originelle, gelehrte <strong>und</strong> doch brillante Abendphantasie<br />
ist vom Stapel gelaufen. — Ich freue mich, daß es<br />
Bemmann so gut geht. Grüße ihn fre<strong>und</strong>lichst. Hier würde<br />
Loewe unwillkürlich ihn unterdrücken, <strong>und</strong> so fügt sich denn alles<br />
von selbst am besten."<br />
10. Vl. 1832. „Loewes 3ieber hat sich wieder gemeldet, vorher<br />
sang <strong>und</strong> flüsterte er hier ä la Sonntag ein Duett aus der<br />
Bajadere mit seiner 3rau. das alle entzückte; es ist aber schale<br />
Musik <strong>und</strong> an Robert le diable soll auch nichts sein, die widrigste<br />
Obscönität abgerechnet; also behalte ja Dein Geld." „Gern<br />
fügte ich eine treffliche Beurteilung des Loeweschen Oratoriums<br />
aus Nr. 103 <strong>und</strong> 104 dos Berliner 3reimütigen bei,- aber das<br />
Blatt gehört mir nicht."<br />
3rau Tilebein meint Loewes erstes Oratorium „Die Zerstörung<br />
von Jerusalem", Text von G. Nicolai, das er 1829 schuf<br />
<strong>und</strong> 1832 herausgab. Er hatte es zuerst am 5. Juli 1830 bei<br />
einer Gesellschaft in seinem Hause (Tee <strong>und</strong> Souper) seinen Gästen,<br />
unter denen auch 3rau Geheimrätin Tilebeln war. vorgetragen<br />
(Til. Tagebuch Bd. 3).<br />
Die öffentliche Aufführung dieses seines ersten Oratoriums<br />
gestaltete sich <strong>für</strong> Loewe <strong>und</strong> ganz Settin zu einem künstlerischen<br />
Ereignis. Ich stelle es dar nach den Berichten <strong>und</strong> Angaben, die<br />
ich in der Stettiner Zeitung fand^). Loewe <strong>und</strong> Liebert, wie sonst<br />
zu öffentlichem Wirken, so auch diesmal einmütig vereinigt, veranstalteten<br />
zweitägige Aufführungen, die sie selbst bei der Ankündigung<br />
als Musikfest bezeichneten. Die Zahl der ausführenden Kräfte<br />
belief sich auf 2—300; alle musikalischen Kräfte der Stadt wirkten<br />
zusammen. Dazu waren Solisten aus Halle, Berlin <strong>und</strong> Strals<strong>und</strong><br />
herangezogen, <strong>und</strong> zwar Nauenburg aus 5>., der im Oratorium<br />
den Gessius 3lorus, Bariton, <strong>und</strong> den Iosephus, Bariton, sang,<br />
Neichardt aus B., der den Hohenpriester Phannias, Baß, <strong>und</strong> ein<br />
l) St. I. 6.. 10., 1?.. 27. IX. 1830.
Carl koewe. Betträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 257<br />
Dilettant (ungenannt) aus Str.. der die Partien des Agrippa <strong>und</strong><br />
Titus, Tenor, sang. Andere Solostimmen wurden vom Musikdirektor<br />
C. Loewe selbst <strong>und</strong> seiner Gattin übernommen. Das Musikfest<br />
fand am 14. <strong>und</strong> 15. September 1830 in Stettin statt. 3ür die<br />
Aufführung des Oratoriums Loewes am ersten Tage wählte man<br />
die Zakobikirche, die, wie ausdrücklich angekündigt wurde, erleuchtet<br />
war- <strong>für</strong> die zweite den Saal des Schützenhauses in der heiliggeiststrahe.<br />
An diesem Tage spielte man die Ouverture zur Vestalin<br />
von Spontini, Nauenburg sang den Judas aus dem Oratorium<br />
„Das Ende des Gerechten" von Schicht^),- auch Reichardt <strong>und</strong><br />
de? Strals<strong>und</strong>er Dilettant trugen Soli vor. Dann folgte Beethovens<br />
Symphonie in C-moll. Den Ertrag des ersten Tages<br />
des Musikfestes spendeten die Veranstalter <strong>für</strong> die Armen der<br />
Stadt. Über alle Maßen unerwartet war der Erfolg der großartigen<br />
Veranstaltung. Selbst die Stettiner Zeitung, die bis dahin,<br />
soweit ich sehe, keine Rezensionen der Loewekonzerte gebracht<br />
hatte, berichtete am 27. IX. außerordentlich anerkennend <strong>und</strong> würdigte<br />
das Verdienst des Stettiner Tonmeisters gebührend. Loewe<br />
<strong>und</strong> Stebert dankten schließlich allen, die mitgewirkt hatten,<br />
öffentlich.<br />
Von Loewes Oratorium „Die Zerstörung von Jerusalem" liegt<br />
mir auch das Textbuch von 1830 vor^).<br />
Schon im nächsten Jahre ging Loewe zu einer Bachaufführung<br />
über,- er gab die „Große Passionsmusik von Johann Sebastian<br />
Bach. Nach dem Evangelisten Matthaeus". Die Erstaufführung<br />
fand jedoch nicht erst am Karfreitag statt, wie K. Antons angibt,<br />
sondern schon am Palmsonntag, 27. März, in der Jakobikirche.<br />
Am 1. April, Karfreitag, wurde sie dort wiederholt ^).<br />
Bei der Aufführung wirkten zwei Chöre <strong>und</strong> ein doppeltes Orchester.<br />
Den Ertrag des Konzertes spendeten Loewe <strong>und</strong> Ltebert <strong>für</strong> die<br />
Nitwenkasse des Vereinigten Kgl. <strong>und</strong> Stadtgymnasiums.<br />
Gleichzeitig mit der Konzertanzeige brachte die Stettiner Iei-<br />
1) Schicht ein späterer Nachfolger I. S. Bachs an der Thomasschule in<br />
Leipzig.<br />
2) Auf meine Veranlassung wurde es vor einigen Jahren aus Privatbesitz<br />
<strong>für</strong> unsere Bibliothek erworben- auherdem die Textbücher folgender<br />
Loewescher Oratorien: 1. Die sieben Schläfer, o. I. 2. Die eherne Schlange,<br />
1836. 3. Johann Huß. 1840 (mit Vorwort des Dichters Jeune). 4. Palestrina,<br />
1842 (mit Einleitung, wahrscheinlich vom Dichter Giesebrecht). 5. Der<br />
Meister von Avis. 1844 (mit Einleitung wie bei Nr. 4). 6. Die Iestzeiten,<br />
1845. 7. Hiob. 1849.<br />
») A. a. O. S. 18.<br />
258 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
tung vom 25. III. 1831 einen ausführlichen Aufsatz über Johann<br />
Sebastian Bach, in dem der Verfasser eine gründliche Würdigung<br />
der Gesamtleistung des Leipziger Musikdirektors gab. Er verrät<br />
dabei, daß er ..eine Passion im Manuskript nach einer allgemeinen<br />
Dichtung über die Leidenszeit besitzt" (von I. S. Vach). Jeder<br />
der beiden Chore, die in der Kirchs sangen, war über 80 Personen<br />
stark. Die Übungen dauerten fast ein Vierteljahr. Der Verfasser des<br />
Aufsatzes ist ohne Zweifel C. Loewe.<br />
In welche peinliche Verlegenheit der Komponist mitten in<br />
seiner äußerst fruchtbaren schöpferischen Tätigkeit geriet, vermutlich,<br />
als er die Herausgabe seines großen Werkes in Angriff nahm»<br />
beweist feine „Bitte" in der Zeitung 25. III. 1831: ..Mein Klavierauszug<br />
von dem Oratorio „Die Zerstörung Jerusalems" fehlt mir;<br />
wer ihn mir nachweisen kann, wird mich verbinden. Loewe." Nun,<br />
die Bitte wird Erfolg gehabt haben: denn das Werk erschien 1832.<br />
Ähnliches erlebte L. auch später, wie sein Brief aus Kiel. 17. VIII.<br />
1867 zeigt (vgl. meine Loewebriefe. Ostseezeitung Stettin. 24. Vll.<br />
1923 ff.).<br />
Auch von I. S. Bachs „Großer Passionsmusik. Nach dem<br />
Evang. Matthaeus" liegt das Stettiner Textbuch vor in zwei<br />
Stücken, ebenso seine „Große Passionsmusik. Nach dem Evangelium<br />
Iohannis", Stettin 1844'). Das erstere enthält eine Einführung<br />
(Vorwort), offenbar von Loewe.<br />
Am 29. November 1831 gaben Loewe <strong>und</strong> Liebert trotz der<br />
damals furchtbar wütenden Cholera im Schützenhause wieder ew<br />
Konzert, wie auch schon vorher fast immer, als Abonnementskonzert<br />
?). Sie führten auf: 1. Große Ouverture in C-dur von<br />
Beethoven. Opus 24. zur Einweihung des Pesther Theaters<br />
komponiert: 2. Violinkonzert von Kalliwoda- 3. Ouverture<br />
<strong>und</strong> 8 Musikstück? <strong>und</strong> Gesänge zu Goethes Egmont. mit verbindender<br />
Deklamation von 5). G. R. von Mosengell (Wien).<br />
Wie vielseitig Loewes Konzerttätigkeit in Stettin im übrigen<br />
war, beweisen die ebenfalls hier erschienenen Textbücher ^) folgender<br />
Musikwerke: 1. Paulus, Oratorium von 3. Mendelssohn-<br />
Bartholdy, 1839. 2. Der Herbst <strong>und</strong> der Winter, aus den<br />
„Jahreszeiten" 4) von I. 5>aydn. o. 3. 3. Requiem von<br />
1) Gleichzeitig mit den Texten der koeweschen Oratorien <strong>für</strong> unsere<br />
Bibliothek erworben.<br />
2) St. I. 25. VI. 1831. Ein Bericht erschien in der Zeitung nicht.<br />
s) Ebenso wie die oben genannten Textbücher im Besitz unserer Bibliothek.<br />
Carl koewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 259<br />
Mozart. 1840 (10. Juli zur Gedächtnisfeier Sr. Majestät des<br />
hochseligen Königs Friedrich Wilhelm III.). 4. Des Heilands<br />
letzte St<strong>und</strong>en. Oratorium von Spohr. o. I. 5. Der Tod Jesu,<br />
Kantate von K. h. Graun. 1841. 6. Die Schöpfung. Oratorium<br />
von I. haydn, 1842. 7. Cäcilin. die heilige. Oratorium von<br />
Nungenhagen, 1842. 8. Christoph Columbus, Symphonie-Ode<br />
von 3. David, o. I.<br />
Aus der Zeit vor Loewe stammt das Textbuch zu „Lazarus<br />
oder die Ieier der Auferstehung". Oratorium von 2. h. Rolle,<br />
ehemal. Musikdirektor in Magdeburg. Es wurde in der Schloßkirche<br />
zu Stettin am 30. April 1794 zum besten der Armen aufgeführt.<br />
Fortsetzung aus den Briefen Frau Tilebeins<br />
an Frau C. von Stülpnagel.<br />
6. VII. 1832. „Am Sonntag sang Loewe mit seiner Frau das<br />
Duett aus der Bajadere <strong>und</strong> flötete <strong>und</strong> flüsterte wie eine Nachtigall<br />
— ganz a la äontscwna. der Schelm! — Auch gab er uns<br />
herrliche 4stimmige Lieder- Sarpmes wollte gar nicht darauf<br />
m<strong>und</strong>en. Sein Malek-Adel^) ist fertig <strong>und</strong> nächstens wird er bei<br />
ihm am Klavier gegeben werden. Stettin ist voll von der letzten<br />
Vesper, die er am Sonnabend in der Kirche gab."<br />
26. IX. 1832. „Daß Lübbenow <strong>und</strong> seinen Besitzern ein pernamentes<br />
Tedeum in unsern Herzen erklingt, daß Loewes nicht<br />
minder als wir davon entzückt sind das weißt Du."<br />
26. IX. 1832. „Bemmanns Empfindungen bei Loewes<br />
Leistungen fühle ich ihm nach; ich kenne das wehmütige Streben<br />
nach einem unerreichbaren, stets ferner von uns zurückweichenden<br />
<strong>und</strong> endlich in Hoffnungslosigkeit verschwebenden Iiel! — Schade,<br />
daß Loewe Clärchen von holtzendorffs Stimme nicht horte."<br />
11. VIl. 1833. „Loewe sor ever! — hat uns die Fortsetzungen<br />
des Faust vorgelesen^). wie nur Er(!) liefet — wie ein Engel?<br />
nein, wie Er(!): c'est Wut cjire. Seinen kleinen, grauen, fingerlangen<br />
Wurm, den seine Frau ihm statt eines Sohnes geboren<br />
hat, findet er süß. lieblich, vollkommen schön, hinreißend <strong>und</strong> vor<br />
allem rührend! Nachts, wenn es schreit <strong>und</strong> kalt ist. nimmt er<br />
es in sein Bett <strong>und</strong> wärmt es <strong>und</strong> haucht es an. bis es still wild<br />
<strong>und</strong> schläft — <strong>und</strong> so trieb er es schon damit 6 St<strong>und</strong>en nach<br />
seiner Geburt."<br />
1) Große tragische Oper. Text von Caroline Pichler, in 3 Aufzügen:<br />
nicht gedruckt.<br />
2) 1834 gab er seinen Kommentar zu Goethes Jaust Teil 2 heraus.
260 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
25. X. 1833. Loewe. L'Oeillot <strong>und</strong> der Assessor Giinz aus<br />
Dresden (ein schöner Bariton) waren am Sonntag so wohl gelaunt<br />
<strong>und</strong> rein gestimmt, daß wir den ganzen Abend einen schönen<br />
musikalischen Genuß hatten."<br />
3. IV. 1834. „Vorgestern.'2. Festtag, trug koewe seine neue<br />
große Legende „Gregor auf dem Ztein"') vor. Jeder war tief,<br />
tief ergriffen oon Stoff, Gedicht <strong>und</strong> Komposition."<br />
22. IV. 1834. „heute stürmt <strong>und</strong> regnet es. Darum trinke<br />
ich Tee bei Loewes <strong>und</strong> hoffe den ganzen Abend den süßesten<br />
Sänger der Christenheit zu hören' gestern war er wieder hinreißend.<br />
Denke Dir, Spontini hat Luft, ihn zu besuchen <strong>und</strong><br />
mit Mo es er zu kommen (der auch 3ürstenau mitbringt).<br />
Die arme kleine 3rau ängstigt sich schon, wie sie den Opernftirft<br />
würdig begrüßen soll. Auch an häuslichem Kummer fehlt es nicht,<br />
denn das schönste ihrer Kinder, Helene, hat seit dem Stickhusten<br />
ein wahrhaft grausenhaftes Schielen <strong>und</strong> Schlagen mit dem Kopfe<br />
behalten — ich kann es nicht ohne Tränen ansehen! — Dagegen<br />
blüht sein Weizen mehr <strong>und</strong> mehr. Die Russen haben seine sämtlichen<br />
Kompositionen in Massen gekauft^), so daß vor einigen<br />
Wochen kein Blatt in Berlin zu haben gewesen ist <strong>und</strong> neue,<br />
Ersatzmannschaften haben gestellt werden müssen. Die beiden ältesten<br />
Musikhandlungen Deutschlands. Simrock in Bonn <strong>und</strong> Schott in<br />
Mainz haben sich direkt an ihn gewandt <strong>und</strong> Kompositionen zum<br />
Stich verlangt, <strong>und</strong> Ger stendergli, der Kanzler <strong>und</strong> Dichter^!<br />
läßt ihm durch mich Lieder anbieten, worüber Loewe erfreut ist.<br />
weil dessen „Schneeglöckchen" <strong>und</strong> „Nur einmal laß mich vor Dir<br />
stehn" zu seinen Lieblingsliederdichtungen ^) gehören."<br />
31. X. 1834. „Daß Loewe so liebenswürdig in Liibbenow ge-<br />
') Opus 38. erschien 1836 vvn2,<br />
2) Es ist der oben dehandelte Iriedrich Müller oon Gerftenbergk,<br />
Kanzler non Weimar. Ein Brief von ihm an Irau Tilebein aus dieser<br />
Zeit ist nicht erhalten.<br />
l) Das erste Gedicht „Das Mädchen an das erste Schneeglöckchen" ist<br />
aus Gerstenbergks Gedichtsammlung ..Phalänen". Leipzig 1817. S. 1. Es<br />
wurde von Weber vettont. wie der verdienstvolle Loeweforscher M. Runze<br />
angibt; C. Loewes Werke. G. A. Vd. 17 S. Xlll. Aus 3rau Tilebeins Mitteilung<br />
konnte man schlicken, dak es auch oon Loewe komponiert ist: doch<br />
ist, soweit ich sehe, diese Vertonung nicht bekannt. Das zweite Lieo Gersten«<br />
bergks ..Noch einmal muß ich vor Dir stehn", komponierte Loewe, wie<br />
oben nachgewiesen, schon 1819.
Carl koewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 26t<br />
wesen. war ganz in der Ordnung. Er hat seitdem an einem gastrischen<br />
3ieber gelitten, ist jetzt aber ziemlich hergestellt- ich sah ihn<br />
noch nicht." „Weiht Du. daß Loewe <strong>für</strong> die Dedikation<br />
ewer Sinfonie elegique eine sehr schöne goldene Dose von der<br />
Großherzogin von Weimar bekommen hat? 3ch kenne die Sinf. nicht."<br />
27. Xl. 1834. „Viele Empfehlungen soll ich Dir von dem<br />
treuergebenen, aber reumütigen Loewe bestellen, der alle Tage<br />
schreiben will, um Dir <strong>und</strong> Deinem lieben Mann <strong>für</strong> die gütige<br />
Aufnahme in Liibbenow zu danken <strong>und</strong> nicht dazu kommen kann<br />
der vielen Arbeit wegen- so habe ich es denn an seiner Statt übernommen<br />
<strong>und</strong> bitte mit mir, als Stellvertreterin des genialen <strong>und</strong><br />
fleißigen Mannes, der sich hier tot quält, vorliebzunehmen. Wohl<br />
wäre ihm eine seiner würdige Anstellung zu gönnen. Er spielte<br />
den Abend die,.ö!s^ique" <strong>und</strong> eine andere „brillante", neu herausgekommene.<br />
Suche Dir seinen „Bergmann" l) zu verschaffen, der<br />
in einer neu veranstalteten Gesangssammlung erschienen ist. Das<br />
erste Heft hat koewe. das zweite Marschner, <strong>und</strong> so weiternichts<br />
als Originalkompositionen. „Bergmann" ist von Giosebrecht<br />
gedichtet. Alle Buchhändler Deutschlands, das heißt musikalische,<br />
verlangen jetzt koewesche Lachen — <strong>und</strong> er hat nichts mehr.<br />
Nun dah er zum Durchbruch gekommen ist, werden die Rezensenten<br />
doppelt scharf über ihn herfallen, ^n attsnöant komponiert<br />
er jetzt Sinfonien."<br />
26. II. 1835. ..Vielleicht gibt es während Deines Hierseins<br />
wenigstens noch einen Militärball <strong>für</strong> Deinen teuren Mann <strong>und</strong><br />
ein koewesches Konzert <strong>für</strong> Dich. Das letztere ist vortrefflich gewesen<br />
— ich schickte Minna Rauchs) hin. Loewe hat ein Konzert<br />
von Beethoven w<strong>und</strong>ervoll gespielt. Dann folgten zwei<br />
Teile der Jahreszeiten 3) ; er. der Einzige, sang die Kewitterarie.<br />
<strong>und</strong> kein Atemzug im weiten Saal war vernehmbar. Das<br />
Rezitativ war hinreißend — Schwüle drückt jede Brust; aber beim<br />
Fermate, ein Triumph des Portamento, lauschte in höchster Bew<strong>und</strong>erung<br />
ein Auditorium von 400 Personen einem einzigen<br />
süßen Laut, vom sanftesten Piano ausgehend, zum höchsten Crescendo<br />
anschwellend <strong>und</strong> dann im meisterhaften Decrescendo, endlich wie<br />
ein nachtönender Äther verhallend — noch hörbar, als er verschw<strong>und</strong>en.<br />
Minna versichert, dieser Fermateton habe volle zwei<br />
1) Opus 39. erschienen 1834.<br />
2) Minna Rauche, etwa seit 1832 die letzte Gesellschafterin Irau<br />
Tilebeins.<br />
s) Nach dem erhaltenen Textbuch «Der herbst <strong>und</strong> der Winter".
262 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
Minuten gedauert. — Ich habe den Sänger lange nicht gesehen,<br />
seine 4 Kinder hatten die Masern — jetzt sind sie hergestellt, aber<br />
Loewe <strong>für</strong>chtet mir dennoch die Ansteckung zu bringen, <strong>und</strong> die<br />
<strong>für</strong>chte ich auch wegen des kleinen Julius Lipsky, denn mein<br />
altes Epiderm wird sie hoffentlich nicht mehr heimsuchen. — Am<br />
Dienstag gab Herr La font ein Konzert,- er soll trefflich gespielt<br />
haben. Loewe sang eine seiner (Lafonts) Romanzen, die Lafont<br />
begleitete. Wir erfuhren erst nachmittags von diesem Konzert,<br />
sonst hätte ich Minna hingeschickt. Herrn Lafont ist viel Artigkeit<br />
erzeigt worden, <strong>und</strong> er wird mit Stettin zufrieden sein. 3n der<br />
Cäcilia steht Loewes <strong>Gesch</strong>ichte von Karl Stein'). Sollst sie<br />
hier lesen."<br />
10. XII. 1835. „Loewe hat wieder eine goldene Dose vom<br />
Kronprinzen erhalten: nun hat er drei <strong>und</strong> eine große Medaille-<br />
5t)s) Taler Zulage wären besser." „Marien werde ich<br />
die reizenden Lieder des jungen Triest") schicken."<br />
2«. II. 1N36. ..Der kleine, jetzt 14 jährige Willmers gab am<br />
Donnerstag ein Konzert <strong>und</strong> raste recht virtuosismi auf dem 3lügel<br />
herum. Schade, daß der Zauberer Loewe einem allen <strong>Gesch</strong>mack<br />
an sinnlosen Klangcharlatanerien verdorben hat. heute hoffe ich<br />
seine seelenvollen Töne zu hören."<br />
3. IV. 1836. „Der Radziwillsche 3aust N in zwei Loeweschen<br />
Konzerten aufgeführt <strong>und</strong> das Unmögliche geleistet worden:<br />
dem ersten wohnte ich bei — <strong>für</strong> das zweite, das ich des Sturmes<br />
<strong>und</strong> Negens wegen versäumte, entschädigten Loewes mich am vergangenen<br />
Sonntag <strong>und</strong> führten am Flügel ihre Partien so entzückend<br />
aus. daß alle behaupteten, noch mehr Genuß als im<br />
Konzert selbst gehabt zu haben. Es sind w<strong>und</strong>erschöne Sachen<br />
darin, großartige Augenblicke- Genie. Gefühl. Gesang — ein Juwel!<br />
Und dennoch trägt das Ganze ein aphoristisches Dilettantengepräge.<br />
Die vielen gesprochenen Zwischensätze, die im Takt rezitiert werden<br />
müssen, sind bei aller Schönheit der Dichtung magere Nebengerichte;<br />
sie müßten genial, parlando gesungen werden, wie es in<br />
Mailand in der Komischen Oper geschieht, wo nie anders gesprochen<br />
wird. — Ein w<strong>und</strong>ervolles Musikstück ist Spohrs neue Sinfonie<br />
„Die Macht der Töne"; der erste Satz ist nebst Loewes Introduktion<br />
zu den „Siebenschläfern" das Erhabenste, was ich an<br />
!) Gemeint ist der biographische Roman ..König Mns von Iidibus".<br />
von Loewes Studienfre<strong>und</strong> Prediger Keferstein in Jena, der 1838 auch als<br />
Buch erschien. Vgl. C. l?ocwe Sv. S. 75 <strong>und</strong> K. Anton a. a. O. E. 1-4.<br />
^) Heinrich Triest. Loewes Schüler.
Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 263<br />
Instrumentalmusik kenne. — Die arme kleine Loewe hat einen<br />
heftigen Anfall an Bräune gehabt, ich <strong>für</strong>chte ernstlich <strong>für</strong> ihre<br />
Stimme. Triest hat ein leeres Konzert gehabt, desgleichen Mad.<br />
Ianzel, wo ich Lipsky als Gentleman hingeschickt hatte." . . .<br />
«Herr von Kotze machte seinen Besuch zur guten St<strong>und</strong>e, denn<br />
er traf hier Loewes mit dem Professor der Ästhetik <strong>und</strong> Literatur<br />
aus Jena, dem früher bekannten Improvisator Wolff^). Er war<br />
äußerst gefällig <strong>und</strong> improvisierte auf jedes gegebene Thema, wozu<br />
koewe ein flüsterndes Accompagnement improvisierte. Sonetts,<br />
Lieder, alles floß. Ein schönes Talent, das aber nimmer einen<br />
Dichter macht. Frau von Kotze, der es nicht an ..Selbstgefühl"<br />
zu fehlen scheint, mochte sich w<strong>und</strong>ern,- sie war wie verdutzt über<br />
diese Erscheinungen, die sie in Köslin, bei ihren 5>erzschen Quatremains,<br />
wohl nicht geahnt haben mochte. Wolff?) ist, schwarze<br />
Jahne abgerechnet, ein großer, ganz hübscher, blonder Mann, <strong>und</strong><br />
dennoch, wenn meine asiatische Witterung mich nicht trügt, ein<br />
Iüd. — Er besuchte Loewe. um eine Oper mit ihm zu schaffen, <strong>und</strong><br />
fast möchte ich glauben, ein Teilchen daran zu haben- denn Morin^)<br />
ist mit ihm in der Schnellpost gekommen, hat zufällig mich genannt,<br />
<strong>und</strong> sogleich zog Wolff einen beschriebenen Bogen aus der<br />
Tasche, <strong>und</strong> Morin erkannte meine Hand. Nun kann derselbe nichts<br />
enthalten haben als einen flüchtigen Auszug aus Iorab von Morier,<br />
den ich Loewe mit dem Bedeuten gab. daß darin Stoff zu drei <strong>und</strong><br />
vier Opern enthalten sei. Das geschah vor 2V2 Jahren, <strong>und</strong> nun<br />
kommt die Arbeit vielleicht zur Hebung"^).<br />
14. Vll. 1836. 5>err von Klützow hat sein Examen überstanden<br />
<strong>und</strong> am Sonntag bei mir gegessen." „Übrigens<br />
schien er von Loewes Musik sehr entzückt, welches ich eigentlich<br />
nicht erwartet hätte." „Loewe hat den Paria von Goethe<br />
komponiert, die Wasserszene ist herrlich <strong>und</strong> das Gebet erhaben schön"-').<br />
1) Es war am 20. Ili. 1836 (5rau Tilebeins Tagebuch Bd. 4). Am<br />
folgenden Tage waren dieselben Herrschaften bei Loewes zum Tee zusammen.<br />
Loewe selbst berichtet wiederholt über seine Beziehungen zu Wolff: So. S. 213.<br />
221. 223, 272/3, 383/4. von Gerstenbergk war schon viel früher Zeuge<br />
der Wolffschen Improvisationen (Brief an Irau Tilebein 28. ll. 1826).<br />
urteilte aber als Dichter nicht gerade günstig über dessen Kunst.<br />
-) Er lebte 1799—1851.<br />
2) Morin. Inhaber einer Stettiner Buchhandlung, lieferte 3rau Tilebein<br />
ihre Bllcher, Zeitschriften uno Noten, verkehrte auch persönlich bei ihr.<br />
1836 übernahm Leon Saunier die Buchhandlung: sie ist noch heute im<br />
Besitz der Iamilie.<br />
264 Carl koewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
1. VIII. 1836. „3reitag» sind Loewes, 3rau von Schmeling.<br />
Goethes. Succos usw. per Dampf nach Putbus gefahren- ich<br />
freue mich, daß die guten Jünglinge, die von unserer Gegend entzückt<br />
sind, diese ruhige, fröhliche Episode in ihrsm gequälten<br />
Leben haben- auch der niedlichen Loewe war endlich eine Zerstreuung<br />
zu gönnen. Wie sehr fehlte uns aber gestern das treffliche<br />
Paar! Iettchen Trieft <strong>und</strong> Minna Rauche spielten zwar<br />
Be ethovenmit Lisiez Ky's schöner Violinbegleitung, aber ohne sie<br />
tout ne bät que cl'une alle. X propos clu et cl«8 fran^3i8!"<br />
Goethes sind des Dichters beide Enkel; der ältere. Walter<br />
von Goethe, bildete sich bei Loewe in der Musik aus. Die Brüder<br />
hielten sich wiederholt in Stettin bei ihrer Kusine, der verwitweten<br />
3rau Major von Schmeling, oft auch auf deren Gut Nässen-<br />
Heide auf. Walter von Goethe blieb seinem Meister <strong>und</strong> dessen<br />
3amilie bis zu dessen Tode fre<strong>und</strong>schaftlich verb<strong>und</strong>en ^). Succo.<br />
Prediger an der Peter-Paulskirche in Stettin, war mit 3rau<br />
Tilebein <strong>und</strong> Loewe befre<strong>und</strong>et.<br />
15. Vlll. 1836. „Loewes, Succos, 3rau von Schmeling. beide<br />
Goethes. Mures <strong>und</strong> ein Rudel junger Leute waren hier. Erst belebte<br />
das herbstliche Luftgas des Appetit <strong>für</strong> Speis <strong>und</strong> Trank,<br />
dann machten wir einen Gang nach 3rauendorf. wo wir den Berg^)<br />
<strong>und</strong> den Gr<strong>und</strong> von Menschen überfüllt fanden, selbst Wiezlows<br />
hatten noch einigen Lebensmut aus der Polterkammer zusammengerafft<br />
<strong>und</strong> waren dort. Heimgekehrt, fielen die langbeinigen, buntjackigen<br />
jungen Raben über das Teesouper her. <strong>und</strong> dann gab's<br />
Gesang; erst Esthers, dann Goldschmieds Töchterlein^), endlich<br />
das nutzbraune Mädchens, dessen Nachklang dieser Lesebrief eröffnet."<br />
Am Anfang des Briefes heißt es nämlich: „Sei heiter, ges<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> froh, wie Loewes nußbraunes Mädchen — trotz Deiner weihen<br />
Haut!"<br />
28. Vlll. 1836. „Die Loewe ist mit ihren drei Töchtern auf<br />
sechs Wochen noch nach Swinemünde gegangen <strong>und</strong> 3rau<br />
von Schmeling nebst dem ältesten Goethe <strong>und</strong> 3rau von Eichstedt<br />
desgleichen." „Heute wird in der Iakobikirche Loewes<br />
„Eherne Schlange" ^) gegeben- ich habe aber wenig Lust, hinzugehen.<br />
Ich bin gar nicht wohl."<br />
1) Nber die Beziehungen der Iamilie Goethe zu Stettin svon Schme«<br />
ling. Tilebein. Loewe) gedenke ich an anderer Stelle ausführlich zu handeln.<br />
2) Gemeint ist der Weinberg, später Elisenhöhe genannt.<br />
») Kompositionen Loewes: Opus 52. 8, 1 <strong>und</strong> 43. 3.<br />
4) Opus 40, erschienen 1834- Oratorium, Dichtung von L. Giesebrecht.<br />
Textbuch in der oben erwähnten Sammlung, Stettin 1836.
' Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis feines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 265<br />
30. IX. 1836. „Die arme Loewe ist erst seit Sonntag von<br />
Swinemilnde zurück, wo sie ihr Kindchens täglich den Wellen<br />
übergeben hat; es kann aber noch immer weder gehen noch stehen,<br />
schielt nach wie vor <strong>und</strong> hat nur der See Kraft genug abgewonnen,<br />
sich an den Sofakissen aufzurichten, aber statt auf den Sohlen,<br />
auf den Knöcheln einen Augenblick zu stehen!"<br />
30. IX. 1836. „Der alte Kugler 2) hat reizende, von Loewe<br />
komponierte Sachen zu dem Polterabend gedichtet. L'Oeillot<br />
den erzürnten, von der Geliebten verlassenen See <strong>und</strong> der dicke<br />
Hegewald den von den empfindsam-unglücklichen Liebhabern<br />
gelangweilten <strong>und</strong> gebleichten Mond dargestellt." „Loewe<br />
hat der Braut 3) ein 5>eft reizender Lieder <strong>für</strong> die Altstimme <strong>und</strong><br />
seine 3rau derselben ihr Bild verehrt."<br />
13. IV. 1837. „Die Aufführung der „Siebenschläfer"^) mittelst<br />
zweier Fortepianos hat mich ordentlich gerührt- ich küsse<br />
Deine dabei tätig gewesenen 3ingerlein. Das nenne ich Lust zur<br />
Sache. — Dienstag war die Beethovenfeier; so habe ich in vier<br />
Wochen 10 Tal. Konzertbillets bezahlt, ohne da<strong>für</strong> einen Ton gehört<br />
zu haben. — Obgleich am 3reitag Handels Messias teilweise<br />
morgens, dem Herkommen gemäß, während des Gottesdienstes<br />
von den Seminaristen <strong>und</strong> Gymnasiasten gequietscht <strong>und</strong> die Gemeinde<br />
dadurch in ihrer Andacht gestört worden war, so lief nichts<br />
desto weniger ein frommes Verbot ein. abends die Graunsche<br />
Passion,in der Kirche — <strong>für</strong> die Armen — zu geben. Die Stettiner,<br />
welche diese Abendfeier schmerzlich vermißten, klagten sehr. Da<strong>für</strong><br />
sang Loewe hier den ganzen Abend hebräische Gesänge."<br />
„Der Eremit führt mich zum Mitternachtsblatt. dessen von Dir<br />
mir angegebene Nummer ich nun doppelt gern läse- weil nicht nur<br />
von dem Anbau meines Hauses in so schlechter Gegend, sondern auch<br />
von Loewes Genie, „das es verherrlicht", mit einer versteckten<br />
Ironie darin, soll erwähnt worden sein. — Ich halte keine Journale."<br />
Im Anschluß an eine Skizze von dem „nordischen Sänger"<br />
Egersdorff, der in Stettin gesungen hat. „Ach hätte ich seine<br />
1) Helene. Loewes dritte Tochter.<br />
2) Johann Kugler, Kaufmann <strong>und</strong> Stadtrat in Stettin. Vater des<br />
mit Loewe defre<strong>und</strong>eten Kunsthistorikers <strong>und</strong> Dichters 3ranz Kugler.<br />
2) Louise Gepoert, Tochter eines Stettiner Iustizrats, bildete mit den<br />
Schwestern L. <strong>und</strong> E. Kugler einen Terzettzirkel. Vgl. (5. Loewes Werke.<br />
G.A. Bd. 16 S.XXlV/V.<br />
4) Loewes bekanntes Oratorium, erschienen 1835.
266 Carl Loewe. Beiträsse zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
Stimme <strong>für</strong> Loewe erkaufen können, ich hätte meinen letzten Rock<br />
verkauft- er war mein Landsmann."<br />
28. Vl. 1837. „Loewe verreiset auf sieben Wochen nach Hamburg<br />
usw.. sie geht nach Swinemünde. wo der Umgang mit Mad.<br />
Bauer ihr nicht vorteilhaft ist."<br />
10. Vlll. 1837. „Loewe hat einen förmlichen Triumphzug gefeiert.<br />
Aus Greifswald, wo er eine musikalische Unterhaltung gab,<br />
sind ihm seine Verehrer in Mehrzahl nachgezogen bis Strals<strong>und</strong>,<br />
wo er bei Hellem Tage, ohne Orchester <strong>und</strong> mit 5 Tal. Kosten!,<br />
einen mit 3 bis 400 Menschen voll gestopften Saal <strong>und</strong> eine<br />
Einnahme hatte, die großenteils seine Reisekosten ins Blaue deckt.<br />
Er schreibt nicht, aber William <strong>und</strong> Voigts, der bildhübsche 23jährige<br />
Ehemann, der in Strals<strong>und</strong> wohnt <strong>und</strong> Loewe auch fötiert<br />
hat, erzählte es mir. Ich wollte. Rococo bekäme noch einmal<br />
so viele Schläge, wie er schon sich aufzählen lieft, <strong>und</strong> das waren<br />
nicht wenige."<br />
26. X. 1837. „Der Kronprinz hat Loewe ein sehr karlistisches<br />
ssedicht auf Zumala carregni mit ellenlangen spanischen Nomenklaturen<br />
zur Komposition gesandt: so etwas, wie unmusikalisch<br />
es auch sei, weist man nicht zurück: wir aber sehen daraus, woher<br />
der Wind bläst. Ich w<strong>und</strong>ere mich nebenher, daß die Zensur den<br />
Abriß der spanischen <strong>Gesch</strong>ichte in so vielen Nummern der Vossischen<br />
Zeitung zugelassen hat. Loewe brachte seine Komposition am<br />
Tage meines schwersten Leidens, daher ich sie nicht horte. Er versichert,<br />
alle österreichischen Unteroffiziere in Mainz trügen, wie<br />
hier vor 1806, den dicken Stock am Knopfloch."<br />
5. XI. 1837. „Seitdem war ich zweimal in der Stadt: einmal<br />
bei Loewes. den Amerikanern l) zu Ehren."<br />
6. Xll. 1837. „Du siehst, wie Wasser gehen italienische <strong>und</strong><br />
lateinische Brocken aus meiner 3eder- habe daher einigen Respekt,<br />
wenn ich. auch nicht, wie Therese Robinson, eine übrigens herrliche<br />
3rau. ein Buch über die affreusen slavischen Sprachen geschrieben<br />
habe. — „Knochen!" ruft mit gar komischer Miene der superästhetische<br />
Loewe aus. Sein Gutenberg 2) ist gegeben, aber nicht<br />
von mir (wegen Schnupfen, husten <strong>und</strong> Zahnweh, tiorl-ibile clictu)<br />
1) Professor Robinson <strong>und</strong> feine Gattin Therese, geb. von Jacob,<br />
Schwester der ersten Gattin Loewes. Unter dem Namen Talvy «erfaßte<br />
sie Romane <strong>und</strong> übersetzte die Volkslieder der Serben ins Deutsche, von<br />
denen Loewe sechs vertonte: Opus l5. erschienen 1825. Vgl. auch C. Loewe<br />
Sb. S.64ff.<br />
2) Oratorium. Opus 55. erschienen 1836.
Carl Loeme. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 26?<br />
gehört worden. Der dritte Teil soll erhaben, die ersteren etwas<br />
matter sein, welches sich aus der Abwesenheit aller Gesangsmittel<br />
wohl erklären läht. Sie hat sehr gut gesungen- aber 5tettm verlangt<br />
Backfische. Iitelmanns Tenor hat eine Virtuosität im<br />
Überschnappen an den Tag gelegt, die der Bassist nicht zu übertragen<br />
vermochte. Im dritten Akt endlich öffnet Orpheus das<br />
klangreiche, feingelippte <strong>und</strong> perlengeschmückte Mäulchen, alle <strong>pommersche</strong>n<br />
Marsiasse spitzen die wachsenden Ohren, <strong>und</strong> die Schlußfuge,<br />
von der Weber gesagt, „so etwas existiere noch nicht", verschlingt<br />
sie <strong>und</strong> ihr Gequäk in ihren gewaltigen Massen, noch ehe<br />
der rächende Gott ihnen das Iell über die Ohren (d. h. schinden!)<br />
zieht. — Da<strong>für</strong> hast Du die Loewe gehört! sagst aber kein Wort<br />
von der Faßmann." .Loewe hat hier die C-dur- Symphonie<br />
von Beethoven (57 oder 58) göttlich gespielt."<br />
17. III. 1838. „Kuglers wohnten auch einer morgenmusikalischen<br />
Versammlung bei der Heuser), wo die Loewe, Decker u.a.<br />
waren, bei, versicherten aber, daß trotz der meisterhaften Rouladen der<br />
ersteren <strong>und</strong> dem, dem Lachen homerischer Götter gleichen unauslöschlichen<br />
Triller der Decker. No v el l. ette^) alles tot gemacht habe."<br />
19. «V. 1838. „Das hiesige Dilettantenkonzert <strong>für</strong> die Überschwemmten<br />
hat rein über 3W Tal. eingebracht. Mad. Grunow<br />
spielte Hummels großes A-moll-Konzert vortrefflich, <strong>und</strong> Lisc.<br />
dito eins von Kalliwoda. Der Gesang war nicht en beau;<br />
die Stimme der L.^) empfiehlt sich, außer in der Kirche."<br />
„3rau von Gerstenbergk hat mich durch einen vier Quartseiten<br />
langen Briefs) überrascht, der mir wohlgefällt. Er muß,<br />
schrecklich gelitten haben. Loewe komponiert jetzt einige Gedichte<br />
von ihm''), die mir wahrscheinlich zum Dank <strong>für</strong> Tilebeins Stock<br />
mit goldenem Knopf, worauf ich C. L. gravieren ließ, gewidmet<br />
werden sollen. Loewe freute sich wie ein Kind zur Puppe." ....<br />
„y. von Blankensee, Loewes Amanuensis "), der die<br />
2) Wahrscheinlich in Berlin.<br />
2) Madame Novello.<br />
2) Od Iran Loewe gemeint ist. ergibt sich nicht sicher aus dem Zusammenhang.<br />
^) Friedrich Müller von Gerstenbergk. Kanzler im Grokherzogtum<br />
Weimar, starb 1838. Der Brief ist im Tilebeinschen Nachlaß nicht erhalten.<br />
5) Opus 69. erschienen 1843. — Tilebeins Stock wurde nach Loewes<br />
Tod von seiner Familie dem hochverdienten Loeweforscher Dr. M. Nunze<br />
verehrt, der diese Reliquie noch heute besitzt.<br />
6) Carl von Plankenfee lebte um 1835 in Stettin <strong>und</strong> war mit Loewe<br />
befre<strong>und</strong>et. El übersetzte u. a. die Balladen von Mickiewicz. Vgl. C. Loewes<br />
Werke G. A. Bd. l6 S. XXVl/VIl.
268 Carl Loewe. Beitrage zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
polnischen <strong>und</strong> griechischen Lieder <strong>für</strong> ihn übersetzte, soll nunmehr<br />
in der Charite an Ketten liegen. Gott gebe, dah es übertrieben sei!"<br />
30. Vil. I848. „Loewe ist nun bei Dir gewesen- war er Dir<br />
willkommen? hat er Dich erfreut? Gäbe es doch Gott! Grüße<br />
ihn herzlichst!"<br />
20. XI. 1848. „Ach gäbe es doch keine Politik! Wie sehne<br />
ich mich inmitten dieses tollen Zeitungsfiebers nach einem guten<br />
Buche, nach Musik <strong>und</strong> Poesie! — Der böse Loewe droht nicht<br />
mehr singen zu wollen, „weil er nicht mehr könne <strong>und</strong> mir lange<br />
genug lästig gewesen sei." Klingt das nicht wie Hochverrat an<br />
der Muse <strong>und</strong> unserer Fre<strong>und</strong>schaft? Er ist etwas empfindlich,<br />
dah ich drei Bruchstücke aus Davids Columbus l) nicht schön<br />
<strong>und</strong> zu monoton fand- nichts desto weniger werde ich, auf die Gefahr<br />
meinen Flügel zu verderben, ihn V4 Ton herunterstimmen<br />
lassen, Loewes <strong>und</strong> Ade les 2) Kehlen sind mir werter als mein<br />
Flügel. Als Geheimnis verrate ich Dir. daß Loewe eine Kantate<br />
zu des Königs Silberhochzeit komponiert- mir gefällt das- der<br />
Künstler hat mit der Politik nichts zu schaffen, <strong>und</strong> das 5>erz behält<br />
seine Rechte, quancl möme. — ^ propos von Columbus —<br />
ich ließ mir das bekommende 5>eft der Grenzboten kommen, um<br />
es Dir schicken zu können; alle darin enthaltenen Aufsätze haben<br />
Wert; aber der erste, den ich in allen seinen Phasen selbst durchlebt<br />
habe, ist so wahr, so geistreich, so allerliebst, daß er hier viermal<br />
vorgelesen worden ist. Unser trefflicher Werder wird mit<br />
heiterer Satire darin mitgenommen,- aber lachen muß man. so sehr<br />
man ihn liebt."<br />
21. III. 1849. „Trotz des unfahrbaren Weges, der sogar die<br />
gute Minna um Loewes „5>iob" brachte, schickte ich sie doch am<br />
folgenden Morgen zu Frau von W." ,.3n Loewes „Hiob"<br />
Haber Tippelskirch <strong>und</strong> Adele „w<strong>und</strong>erschön" gesungen. Du<br />
kennst diese üblichen Superlative. Auch ein Quartett a Capella,<br />
Chöre usw. haben sehr gefallen, nicht aber das Ganze,- doch sind<br />
das nur einseitige Urteile. Adele hat sieben Triller gemacht.- ich<br />
aber habe Loewe seit 12 Tagen nicht gesehen. Mich dünkt, es<br />
seien der Oratorien zu viele <strong>und</strong> über <strong>und</strong> über genug davon. Das<br />
1) „Christoph Columbus oder die Entdeckung der neuen Welt". Snmphonie°Ode<br />
in vier Abteilungen von I^licien David. Das Textbuch befindet<br />
sich in der oben erwähnten Sammlung.<br />
2) Adele. Loewes zweite Tochter, eine bedeutende Sängerin. Sie war<br />
verlobt mit dem musikalisch ebenso hochbefähigten Premierleutnant Gotthold<br />
von Tippelskirch, starb aber 1851. kurz vor ihrer Vermählung.
Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 269<br />
Dramatische im „Hiob"^) bietet Momente <strong>für</strong> die Musik,'aber<br />
der ewige Dialog mit vielen Spitzfindigkeiten <strong>und</strong> Sophismen?! —<br />
Loewe wünscht seinen Ernst2) hei F.» v. 5>. zu wissen- aber wird<br />
es möglich sein?"<br />
14. IV. 1849. „Möchte Ernst Loewe nur länger bei 3. v. 5>.<br />
verweilen können!"<br />
Wie innig <strong>und</strong> fte<strong>und</strong>schaftlich die Beziehungen der 3rau Geheimrätin<br />
Tilebein zu C. Loewe <strong>und</strong> seiner Familie waren, beweisen<br />
die beiden bisher unbekannten Briefe, die sie an Loewes<br />
3rau gerichtet hat^).<br />
1. „Frau Direktorin Loewe.<br />
Wohlgeboren Stettin.<br />
Teuerste Frau!<br />
Ganz ergebenst frage ich hiermit an, ob aus der kleinen Vorstellung<br />
heute etwas wird, um danach bestimmen zu können, in<br />
welchem Iinnner gegessen werden soll. Jedenfalls hoffe ich durch<br />
Ihre <strong>und</strong> des lieben Direktors Güte auf einen musikalischen Genuh<br />
<strong>und</strong> bitte herzlich darum.<br />
3r. Rath mann schreibt mir, daß Sie zusammen herausfahren<br />
werden. Mein Wagen wird aber auch zu Befehl stehen,<br />
<strong>und</strong> wünsche ich nur zu erfahren, wie früh derselbe dort sein muß,<br />
um auch 3r. O. Lgr. Ludolff abzuholen.<br />
Sie beiderseits mit tausend Freuden (wie Werthers Lotte!)<br />
erwartend, verbleibe ich<br />
Ihre ergebenste A. Tilebein.<br />
Iüllchow, 1. Sept. 1833."<br />
2. „An 3rau Direktorin Loewe, Wohlgeboren Stettin.<br />
Teure, liebenswerte Frau!<br />
Wieviel haben wir durch unsere kalte <strong>und</strong> nasse Waldpartie<br />
versäumt — verloren! — <strong>und</strong> eben das, was wir so lange entbehrten<br />
<strong>und</strong> vergeblich ersehnten, nämlich einen stillen, ungestört<br />
1) Oratorium in drei Abteilungen, Text von Telschow, komponiert<br />
1848. Das Textbuch von l848 befindet sich in der oben genannten öammlung.<br />
Dies Oratorium wird von sachk<strong>und</strong>igen Kennern unserer Ieit, wie<br />
Heinrich Diehl <strong>und</strong> Karl Anton, gerade <strong>für</strong> die bedeutendste Schöpfung<br />
l?oewes erklärt' vgl. des letzteren Beiträge zur Biographie C. Locwes,<br />
Halle 19l2. S. N9ff. <strong>und</strong> 149 ff.- dort kündigt er auch die Herausgabe<br />
dieses gewaltigen, bisher ungedruckten Werkes an.<br />
2) Ein Neffe C. l?oewes. später Pfarrer.<br />
") Ihre Kenntnis verdanke ich der Güte der koeweschen Nachkommen:<br />
Irau Hauptmann 3ara Mebes <strong>und</strong> Irl. Elln <strong>und</strong> Irida Ulffers.
270 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Gebens <strong>und</strong> Schaffens. '<br />
genossenen Tag mit Ihnen <strong>und</strong> dem süßesten aller Sänger! Wie<br />
werde ich nun das Nachtigallenpaar nach Iilllchow zaubern, während<br />
3rau von Stülpnagels Anwesenheit, die ich heute erwarte, da die<br />
Schleichsche Brücke abgebrochen ist? Vielleicht erlaubt das Wetter<br />
eine Wasserfahrt; jedenfalls bringt heute Nachmittag Danjels<br />
Ihnen Bescheid von<br />
Ihrer treuen Fre<strong>und</strong>in<br />
A. Tilebein.<br />
Dienstag. 27. Mai 1834."<br />
Wie C. Loewe um 1835 im Mittelpunkt des Stettiner Musiklebens<br />
stand, beweist u. a. eine Mitteilung seines Amtsgenossen<br />
am Vereinigten Kgl. <strong>und</strong> Stadtgymnasium Dr. Karl Stahr.<br />
Er schreibt an seinen Bruder Adolf 11. Xll. 1835'). kurz nachdem<br />
er in das Lehrerkollegium eingetreten war: „Ich habe mich in<br />
Acht genommen, jemals in Begeisterung zu geraten ^er meint, in<br />
Gesellschaften^. Ich meine zum Exempel so: als ich bei einer der<br />
hier angesehensten 3amrlien, dem Bankdirektor Numschettel,<br />
eingeführt war <strong>und</strong> nun auch ohne weiteres öfter dort Besuche<br />
machte, kam eines Abends, als musiziert wurde, die Rede uuf<br />
Loewes Kompositionen. Man fragte mich, ob nicht in Sachsen<br />
Loewes Sachen auch vorzugsweise traktiert würden (hier ist er das<br />
musikalische Faktotum). Ich sagte, es herrsche dort eine sehr ausgebreitete<br />
musikalische Kultur, <strong>und</strong> man habe in der Tat daselbst<br />
so viel vortreffliche musikalische Leistungen, daß man ausschließlich<br />
auf diesen Komponisten nicht ebensoviel Aufmerksamkeit verwenden<br />
konnte. Doch wäre das Beste auch dort wohl gekannt."<br />
K. Stahr wurde mit C. Loewe bald befre<strong>und</strong>et <strong>und</strong> pflegte in<br />
dessen engerem Kreise eifrig die Musik. Im Briefe an seinen<br />
Bruder Adolf vom Dezember 1843 rühmt er Loewes vortrefflich<br />
feines Ohr. An seinem neuen, in Berlin gekauften Flügel mit<br />
„silbernem, entzückendem Ton" bemerkte K. Stahr eines Tages<br />
nach der Intonation ein kleines, unmerkliches Dröhnen. ..An<br />
meinem Ohre lag die Schuld nicht", so berichtet er. „obgleich hier<br />
außer mir es niemand hörte, was mich plagte, <strong>und</strong> alle vor Entzücken<br />
verhimmelten, nur Loewe hörte es <strong>und</strong> gab mir recht."<br />
In demselben Briefe spricht er von einer künstlerischen Veranstaltung<br />
im Gymnasium. „Ich habe an einer Aufführung der<br />
Antigone teilgenommen. Der herrliche Loewe leitete die Musik.<br />
!) Die Urschriften dieser Vriefe (unDeräffentlicht) find z. It. in meinen<br />
Händen.
Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 27l<br />
hatte die Chöre eingeübt: ich leitete die Lesung Professor<br />
Giesebrecht übernahm den Tiresias, ich hatte die angreifendste <strong>und</strong><br />
wegen der zahlreichen melodramatischen Einflechtungen schwerste<br />
Partie des Kreon...... Was soll ich Dir nun aber von der<br />
Musik sagen? Es ist das Größte. Bedeutendste, was ich erlebt,<br />
seitdem ich Dir nicht geschrieben, ein großes, herrliches Kunstwerk.<br />
Vieles einzelne, wie der Chor „Vieles Gewaltige lebt, doch"<br />
<strong>und</strong> „Strahl der Sonne" werde ich nie vergessen." ^)<br />
Adolf Stahr. Professor in Oldenburg, berichtet?) uns<br />
einen treffenden Ausspruch Heinrich Heines über Loewe; er<br />
hörte ihn selbst aus dem M<strong>und</strong>e „des sterbenden Aristophanes".<br />
als er ihn zusammen mit Fanny Lewald <strong>und</strong> Moritz hartmann<br />
in Paris besuchte. „Wir sprachen ihm sheine^ von den Mendelssohnschen<br />
<strong>und</strong> Triestschen. von Loewes <strong>und</strong> Schuberts Kompositionen<br />
seiner Lieder. Er kannte davon nur das wenigste <strong>und</strong> sagte,<br />
daß ihm die Loeweschen die liebsten seien, daß ihn diese ganz entzückt<br />
hätten, <strong>und</strong> daß er gern ein Instrument haben <strong>und</strong> bei dem<br />
Spiel <strong>und</strong> Gesang dieser Melodien seiner Lieder sterben möchte."<br />
Als Carl Loewe auf der höhe seines künstlerischen Schaffens<br />
<strong>und</strong> Wirkens war, als seine Werke, wie ich oben nachgewiesen<br />
habe, in kurzer Zeit vergriffen waren, konnte es nicht ausbleiben,<br />
daß viele von den zahlreichen Fremden, die in die neuentstandenen<br />
<strong>und</strong> schnell aufblühenden <strong>pommersche</strong>n Badeorte wie Putbus. Swinemünde<br />
u. a. reisten <strong>und</strong> gerade die Wasser- bezw. Seefahrt von<br />
Stettin wählten, dabei auch dieser Stadt <strong>und</strong> ihren Sehenswürdigkeiten,<br />
vor allem dem Tonmeister Loewe, ihre Aufmerksamkeit<br />
schenkten. Das zeigen uns deutlich die Reisebeschreibungen jener<br />
Zeit um 1835. Als Beispiel teile ich die höchst eigenartige <strong>und</strong><br />
fesselnde Schilderung mit, die uns Heinrich Laube von seinen<br />
Erlebnissen <strong>und</strong> Eindrücken gibt 3). Nach seiner Darstellung werden<br />
dem Reisenden, wenn er w Stettin das Dampfschiff bestiegen<br />
hat, in der Regel drei 3ragen vorgelegt, in denen sich die<br />
Kultur des damaligen Stettin zusammenfassen läßt. 1. „haben<br />
5) Die Programme des Stettiner Gymnasiums enthalten, soviel ich sehe,<br />
keinen Bericht über diese Veranstaltung. Die Komposition ist von 1841.<br />
2) A. Stahr. Zwei Monate in Paris. Oldenburg l85l. Bd. 2. S. 329.<br />
M. Runze. C. Loewes Werke, G. A. Bd. 17. S. lll führt den Ausspruch<br />
ungenau, weil nicht nach der Quelle, an.<br />
») H. Laube. Neue Retsenovellen. Mannheim 1837. Bd. 1 S. 21 ff. In<br />
der Literatur ist diese Beurteilung C. Loewes bisher unbekannt.
272 Carl Loewe. Beitrage zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
Sie die neue Börse gesehen? 2. Sind Sie in 3rauendorf gewesen?<br />
3. haben Sie Loewe gehört?" Nachdem Laube der Iüllchower Sehenswürdigkeit,<br />
des Hauses Tilebein, mit recht verständigem Urteil<br />
gedacht hat, fährt er fort: „Der bekannte Komponist Loewe ist<br />
öfters in der Woche hier anzutreffen: seine Stellung in Stettin<br />
ist die eines Organisten an der Iakobiktrche, seine Stellung in der<br />
musikalischen Welt eine fast einzige- der Übergang vom Poeten,<br />
welcher mit Worten <strong>und</strong> Gedanken den bewußten Menschen bewegen<br />
will, zum Musiker, der mit Ausdrücken wirkt, welche Empfindungskriifte<br />
berühren. Empfindungskräfte, deren die Geistesoperation<br />
nicht habhaft werden kann, mit Tönen. Loewe steht<br />
mitten inne: seine Kompositionen haben noch so viel Geistesoperation<br />
des Poeten, daß die Musik nur ein Begleitendes, Untergeordnetes<br />
wird, <strong>und</strong> doch soviel des Eindrucks aus der geheimnisvollen<br />
Tonwelt, daß der bewußte Weg des Poeten umschleiert ist.<br />
Man sollte ihn vorzugsweise statt Musiker — Komponist nennener<br />
stellt zwei große Welten zusammen <strong>und</strong> ist mehr ein Talent<br />
als ein Genie. Das hier vermißte musikalische Genie ist freilich<br />
bei den meisten Musikern nur ein Instinkt, der nur im musikalischen<br />
Elemente eine Existenz hat <strong>und</strong> sein Verhältnis zur übrigen<br />
Welt nicht versteht, wer will aber etwas sagen gegen solche<br />
Kapricen der Gottheit, man nimmt sie hin wie eins der vielen<br />
Mysterien, in denen wir leben, <strong>und</strong> vergißt es gern, daß der unser<br />
Innerstes bewegende Musiker außer seiner Kunst ein Dummkopf<br />
sein könnte.<br />
Die überwiegende Richtung nach Goethescher Poesie bei Loewe<br />
ist aus Obigem erklärt) <strong>und</strong> daß er die Musik nur als eine Hilfs-<br />
Kunst betrachtet, eben daher. Diesem Rationalismus der Kunst<br />
steht als barer Gegensatz Mendelssohn-Bartholdy gegenüber, welcher<br />
die musikalische Welt als eine vollkommen selbständige geltend<br />
machen will <strong>und</strong> Lieder ohne Worte schreiben will. Dies gilt bei<br />
Loewe <strong>für</strong> baren Unsinn- ein solcher Vorwurf müßte aber dann<br />
freilich alle bloße Instrumentalmusik treffen. Ich glaube, wir<br />
werden wohl daran tun, uns beider Weisen zu erfreuen, bis<br />
einmal ein großer Geist die Geheimnisse der musikalischen Kunst<br />
definiert, <strong>und</strong> wir dann paragraphenweise dartun können, was<br />
unser herz bewegen soll, was nicht.<br />
Loewe selbst soll ein einfacher, bedeutender Mensch sein, der<br />
sich wie die meisten derartigen Figuren mehr in kleine Kreise <strong>und</strong><br />
wenig Menschen zurückzieht. In der Tat gibt es wenige Anlagen<br />
zu innerlich bedeutender Wirksamkeit, welche nicht eine Konzen-
Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 273<br />
trierung auf einzelne Menschen nötig machten Gesellige<br />
Genies werden selten historische."<br />
Ms Organist der Stettiner Hauptkirche St. Iakobi, zu derenw<strong>und</strong>ervoller<br />
Orgel er „eine heilige Liebe empfand, wie man eine<br />
menschliche schöne Seele liebt" (M. Runze. Biographie C. Loewes).<br />
hatte sich Loewe nicht nur eine Meisterschaft im Orgelsptel erworben,<br />
sondern auch eine so gründliche Kenntnis in der Technik des Orgelbaus,<br />
daß er bald als Autorität galt <strong>und</strong> mit der Besichtigung <strong>und</strong><br />
Begutachtung von Orgelwerken besonders in Pommern beauftragt<br />
wurde. Wenn ich im folgenden von seiner gutachtlichen Tätigkeit in<br />
Nügenwalde handle, so greife ich nur ein Beispiel heraus. Sicherlich<br />
aber ruht in den Kirchen- bezw. Stadtakten noch mancher<br />
anderen <strong>pommersche</strong>n Stadt ähnliches Quellenmaterial, dessen<br />
Sammlung ich mir <strong>für</strong> eine' spätere Zeit vorbehalten muß. 1853<br />
wurde die Orgel der St. Marienkirche in Rügenwalde vollständig<br />
neu von dem Orgelbaumeister 3. 3. Schulze aus Paulinzelle<br />
i. Thüringen erbaut. Loewe unterzog im Auftrage des dortigen<br />
Magistrats das neue Werk einer sehr sorgfältigen Prüfung <strong>und</strong><br />
faßte darüber einen umfangreichen (acht Folioseiten) Bericht ab,<br />
in dem er alle Einzelteile mit großer Sachkenntnis beurteilte^<br />
Ich verweise darüber auf den vom Bürgermeister Dr. An klam<br />
verfaßten kleinen Aufsatz „Karl Loewe <strong>und</strong> die Orgel von St. Marien<br />
in Rügenwalde" i), bringe aber den ersten Brief Loewes an den<br />
Magistrat in R. wörtlich zum Abdruck 2) :<br />
„Einem Wohllöblichen Magistrate zu Rügenwalde<br />
beehre ich mich ganz ergebenst zu bemerken, daß mir Ihre Aufforderung,<br />
die daselbst von Schultze neu gebaute Orgel zu revidieren<br />
<strong>und</strong> resp. abzunehmen zugegangen ist.<br />
Ich bin gern bereit, dem Wunsche eines Wohllöblichen Magistrats<br />
entgegen- <strong>und</strong> nachzukommen, da ich die Arbeiten des trefflichen<br />
Orgelbaumeisters immer mit neuem Vergnügen revidiert habe.<br />
Ein Wohllöblicher Magistrat wolle mir gefälligst noch andeuten.<br />
1. ob H. Schultze bereits dort arbeitet, 2. ob Ihr Herr<br />
oberster Geistlicher wünscht, daß ich am 19. (am Tage der Weihe)<br />
daselbst das Orgelspiel übernehmen soll, <strong>und</strong> 3. ob Sie intendieren,<br />
daß ich am Sonntage nach beendigtem Gottesdienste noch ein<br />
1) In der Beilage zur Riigenwalder Zeitung „Aus der Heimat" 1922<br />
Nr. 2.<br />
2) Original im Heimatmuseum zu Rügenwalde. Herr Konrektor Rosenow,<br />
Rügenwalde, hatte die Güte, auf meine Bitt« den Brief abzuschreiben.
274 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
Orgelkonzert (gegen Abend) <strong>für</strong> die von Ihnen oder dem 5>. Prediger<br />
zu bestimmenden milden Zwecke geben soll, <strong>und</strong> 4. welche<br />
Gesangsmittel bei dieser Gelegenheit in Anregung gebracht werden<br />
könnten.<br />
Bei Beantwortung dieser vier 3ragen wollen Sie gefälligst<br />
nicht verfehlen mit dem 5>. Pastor prim. genaue Rücksprache zu<br />
nehmen, damit ich mich mit den notwendigen Musikalien gehörig<br />
versehen «<strong>und</strong> einrichten kann.<br />
Ich würde demnach von hier Freitag mittag mit der Post abreisen<br />
<strong>und</strong> den Sonnabend früh in Rügenwalde eintreffen: vormittags<br />
die Revision vornehmen <strong>und</strong> nachmittags <strong>für</strong> den Gottesdienst<br />
usw. die nötigen Proben abhalten. Lieb wäre es mir, wenn<br />
ich Montag abends spät wieder hier sein könnte. Sie wollen mir<br />
noch gefälligst den Abgang der Post von Rügenwaldö nach hier<br />
von Sonntagabend an mitteilen, damit ich danach noch meine<br />
anderweitigen <strong>Gesch</strong>äfte einrichten kann.<br />
Mit der Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung <strong>und</strong><br />
Ergebenheit habe ich die Ehre zu verharren:<br />
Eines Wohllöblichen Magistrats<br />
Stettin, den 28. Mai<br />
1853. « gehorsamster Diener Dr. Loowe,<br />
Musikdirektor."<br />
Wie aus dem von Dr. Anklam nach den übrigen Briefen<br />
Loewes an den Rügenwalder Magistrat verfaßten kleinen Aufsatz<br />
hervorgeht, stellte der große Kirchenmusiker einen von ihm komponierten<br />
Psalm, Partitur <strong>und</strong> Stimmen <strong>für</strong> die Einweihungsfeier<br />
zur Verfügung <strong>und</strong> erbot sich, die Heiden Arien aus Handels<br />
Messias „Schau hin <strong>und</strong> sieh" <strong>und</strong> „Doch du ließest ihn im<br />
Grabe nicht" selbst im Kirchenkonzert zu singen.<br />
Seinen eigenhändig geschriebenen, sehr gründlichen „Nevisions<strong>und</strong><br />
Abnahmebericht" schließt Loewe mit folgenden Sätzen: „Ich<br />
wünsche der Kirche Glück, ein so schönes, reich <strong>und</strong> mannigfaltig<br />
intoniertes Werk, <strong>und</strong> zwar von Schultze aquiriert zu haben.<br />
Noch erlaube ich mir die Bemerkung, daß es gut, ja notwendig ist<br />
wenn das Werk alle 10 Jahre abgetragen, vom Staube gereinigt<br />
<strong>und</strong> neu intoniert (Ausgleich der einzelnen Stimmen im Register<br />
<strong>und</strong> im Werk) <strong>und</strong> eingestimmt wird. Während dies vielleicht<br />
50 Taler kosten dürfte, wird aber eine Reparatur vermieden, <strong>und</strong><br />
eine Orgel kann 100 Jahre <strong>und</strong> länger wie neu erhalten werden."
Carl l?oewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 2?5<br />
3i!r die Ausführung feiner großen Chorwerke schuf sich<br />
C. Loewe schon in den 20er Jahren einen eigenen gemischten<br />
Chor, der etwa 100 Mitglieder zählte^), <strong>und</strong> den er mit dem<br />
von ihm geleiteten Stadtorchester vereinigte. Mer die Einrichtung<br />
dieses Gesangvereins ist bisher nichts Genaueres bekannt. Zwar<br />
bringt C. Prost über ihn die kurze Mitteilung 2) : „Der Meister<br />
der Ballade, der von 1821 bis 1866 die musikalischen <strong>Gesch</strong>icke<br />
Stettins lenkte, hatte auch einen gemischten Chor dirigiert. Dieser<br />
war aber gewissermaßen fein persönliches Eigentum gewesen? er<br />
besah keinen Vorstand, keine Statuten, <strong>und</strong> bei Aufstellung seiner<br />
Programme war Loewe niemandem Rechenschaft schuldig." Indessen<br />
sind diese Angaben teilweise unrichtig. Wir können uns<br />
jetzt aber eine klare Vorstellung von diesem Loeweschen Musikinstrument<br />
machen, nachdem ich gef<strong>und</strong>en habe die ..Statuten des<br />
von C. Löewe geleiteten Gesang-Vereins zu Stettin" ^). Zwar- hat<br />
er sie erst im September 1843 als kleines Druckheft herausgegeben,<br />
doch waren sie vermutlich auch schon vorher handschriftlich<br />
vorhanden oder im andern Falle, auch ungeschrieben, doch in<br />
Geltung. Nach diesen Satzungen bestand der Verein aus 1. aktiven<br />
bezw. inaktiven Mitgliedern. 2. den Vorstehern, nämlich 2) dem<br />
Dirigenten, b) dem vom Dirigenten zu wählenden Rendanten. Die<br />
Vereinigung trug durchaus den Charakter einer geschlossenen Gesellschaft,<br />
so daß die Beurteilung seiner Tätigkeit in öffentlichen<br />
Blättern völlig ausgeschlossen war. Von den Beiträgen der Mitglieder<br />
(zwei Tal. jährlich) wurden die Kosten <strong>für</strong> die Aufführungen<br />
bestritten, außerdem eine Sammlung von Musikalien erhalten.<br />
Die Akten über die gesamte Tätigkeit der Vereinigung, besonders<br />
über ihre Aufführungen führte der Nendant. Die Arbeitszeit reichte<br />
vom Oktober bis Karfreitag <strong>und</strong> brachte jedesmal drei Aufführungen,<br />
die letzte immer am Karfreitag.<br />
Carl August Dohrn, dor vielgereiste Stettiner Kaufmann,<br />
der ein ebenso gründlicher Literatur- <strong>und</strong> Musikkenner wie feinsinniger<br />
Ästhet war. hat einmal den Ausspruchs) getan: „In<br />
Stettin herrscht der gediegenste <strong>Gesch</strong>mack <strong>für</strong> Musik in ganz<br />
Europa." Ob dieses <strong>für</strong> Stettin so schmeichelhafte Urteil ganz be-<br />
1) Vgl. K. Anton a. a. O. S. 17.<br />
2) Stettiner Musiknerein von 18tt6 bis 1916, Festschrift S. 3.<br />
n) Zusammen mit den oben erwähnten Textbüchern Loewescher u. a.<br />
Oratorien, die auf meine Veranlassung <strong>für</strong> unsere Bibliothek erworben wurden.<br />
4) Ich fand ihn angeführt von 5rau Geheimrätin Tilebein im Brief<br />
an Caroline von Stülpnagel vom 18. IV. 1837.
276 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
rechtigt ist. bleibe dahingestellt. Auf jeden 3all aber ist der Ausspruch<br />
<strong>für</strong> Loewes Wirken bezeichnend- fällt er doch in die Zeit<br />
seiner größten <strong>und</strong> durchschlagendsten Leistungen, als seine schaffende<br />
<strong>und</strong> ausübende Kunst ihre größten Erfolge erreichte. Iu der<br />
Tätigkeit Loewes, die — im Sinne des Dohrnschen Ausspruches<br />
— auf die musikalische Erziehung größerer Volkskreise<br />
abzielte <strong>und</strong> die Pflege der Musik zum Gemeingut des<br />
gebildeten Volkes zu machen bestrebt war, gehörten seine Kompositionen<br />
<strong>für</strong> den mehrstimmigen A-Capellagesang, ein Iweig<br />
seines Kunstschaffens, der leider noch nicht genügend bekannt ist.<br />
In einem feinsinnigen Aufsaht) weist 3ranz Kugler, der<br />
Berliner Kunsthistoriker <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong> C. Loewes, nach, wie gerade<br />
die Stettiner Bürger in den 30er Jahren des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
zugleich mit einer lebhaft betätigten Naturliebe eine starke Vorliebe<br />
<strong>für</strong> den mehrstimmigen Gesang ohne Instrumentalbegleitung<br />
entwickelten. Die Stettiner jener Zeit erfreuten sich an einer ganz<br />
eigenartigen, bodenständigen 3orm des geselligen Naturgenusses,<br />
das waren ihre Wasserfahrten auf Nuder- bezw. Segelkähnen.<br />
Da wurden nach alter Stettiner Überlieferung mit trefflichen Genüssen<br />
an Speisen <strong>und</strong> Getränken die Tafelfreuden weidlich gepflegt,<br />
nicht minder aber der vierstimmige, gesellschaftliche Gesang.<br />
Darum waren nach 3. Kuglers Darstellung „ein Hauptrequisit <strong>für</strong><br />
diese Wasserfahrten die Liederbücher, die nur in wenigen Kreisen<br />
fehlen dürfen. Auf der 3läche des Wassers fortgetragen, klingt<br />
der Gesang doppelt schön' durch ihn gewinnt das Gefühl, das in<br />
unserm Innern wach geworden ist, seine Sprache- durch ihn erst<br />
wird uns die Wechselwirkung, in der wir mit dem Leben der Natur<br />
stehen, klar <strong>und</strong> deutlich bewußt." Im Gegensatz zu dem an vielen<br />
Orten gepflegten vierstimmigen Männergesang, der besonders durch<br />
die Gründung der Liedertafeln in Aufnahme kam, der aber immer<br />
nur den einen Teil der Gesellschaft zum Träger hatte <strong>und</strong> darum<br />
einseitig blieb, umfaßte das Stettiner Gesellschaftslied auch die<br />
höheren Stimmen Sopran <strong>und</strong> Alt. „Der vierstimmige Gesang,<br />
wie er in Stettin vorzüglich geübt wirb, ist als der eigentlich gesellschaftliche<br />
zu bezeichnen. Es sind reine <strong>und</strong> vollständige Vokalquartette,<br />
in denen die verschiedenen menschlichen Stimmen sich<br />
charakteristisch sondern <strong>und</strong> harmonisch zu einem Ganzen verschmelzen,-<br />
<strong>und</strong> nicht von gemieteten Musikern ausgeführt — aus<br />
i) Stettin <strong>und</strong> der dortige gesellig musikalische Verkehr, in: Morgen«<br />
blatt <strong>für</strong> gebildete Leser. 32. Jahrg. 1838. Stuttgart <strong>und</strong> Tübingen. Verlag<br />
I. G. Cotta. Nr. 298/9.
' Carl toewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 277<br />
dem Innern der Gesellschaft tönen sie hervor, so daß sich die Stimmung<br />
<strong>und</strong> der Gedanke des geselligen Beisammenseins in ihnen<br />
zu konzentrieren <strong>und</strong> auszusprechen scheint. Sie wechseln in ernst<br />
getragenen <strong>und</strong> fröhlich bewegten Klängen, je nachdem diese Stimmung<br />
selbst in wechselnder Richtung waltet- mit dem frischen<br />
Winde, der die Düfte des Frühlings von» Ufer herüberträgt,<br />
scheinen sie in die Segel des Schiffleins zu hauchen' sie jauchzen<br />
tn den Gläserklang, wenn die flackernden Wmdlichter datz heitere<br />
Mahl beleuchten: mit dem Schein des Mondes ziehen sie sehnsüchtig<br />
in die Weite hinaus, von den aufblinkenden Wellen getragen.<br />
Aber nicht' allein auf dem Wasser, auch im Walde, wo<br />
der Schall von den umgehenden Laubrändern zusammengehalten<br />
wird, auch im Saale an der geselligen Tafel klingen sie gut <strong>und</strong><br />
schön; es dürfte — wenigstens in denjenigen Kreisen der Gesellschaft<br />
Stettins, von denen ich spreche — selten ein festliches Mahl<br />
vorkommen, das nicht durch diese Lieder seinen freieren Schwung,<br />
seine hellere, frischere Stimmung erhielte." (Franz Kugler a. a. O.)<br />
Die beiden hervorragenden Komponisten dieses in Stettin entstandenen<br />
vierstimmigen Gesellschaftsliedes waren Ferdinand<br />
Oelschläger^) <strong>und</strong> Carl Loewe. Von ersterem führt F. Kugler<br />
zwei Hefte solcher Lieder mit sieben bezw. sechs Gesängen an 2).<br />
„Auch.C. Loewe hat eine Anzahl ähnlicher Quartette komponiert,<br />
deren Herausgabe man entgegensehen darf, <strong>und</strong> in denen die<br />
Fre<strong>und</strong>e seiner geistreichen Kompositionen neue Beweise seiner<br />
Meisterschaft finden werden." (3. Kugler.) In der Tat gab er<br />
in den nächsten Jahren, 1841/2, mehrere derartige Kompositionen<br />
heraus: Opus 79. 80. 81.<br />
Doch ist dies nur ein kleinerer Teil seiner vierstimmigen A-<br />
Capellagesänge. Denn ich fand eine Sammlung von Quartetten,<br />
die in vier Stimmen („Voce 1—4") äußerst sorgfältig geschrieben<br />
sind? jeder der vier Bände ist mit schönem Titelbild von Luise<br />
Kugler, der Schwester des Kunsthistorikers <strong>und</strong> Dichters Franz<br />
Kugler. verziert^). Diese Sammlung enthält 59 Gesänge, von denew<br />
einer von Geppert^) vertont ist, während sich in die übrigen<br />
etwa gleichmäßig F. Oelschläger <strong>und</strong> C. Loewe teilen.<br />
Während diese Stimmen offenbar von den Sängern durch Ab-<br />
2) 3. Oelschläger war Musikdirektor an der Schloßkirche in Stettin.<br />
') Verlag Trautwein, Berlin.<br />
») Die Sammlung befindet sich in Stettin in Privatbesitz.<br />
4) Über Theodor Geppert vgl. M. Runze in: C. Loemes Werke G. A.<br />
Bd. 16 S. VI u. XXV.
278 . Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
schreiben vervielfältigt sind, fand ich von einer anderen Komposition<br />
Loewes die Urschrift: Kantate <strong>für</strong> zwei Solostimmen <strong>und</strong> Männerchor<br />
auf den Text „Still ruhet die Stadt! Auf dem spiegelnden<br />
3luß leicht hauchet der Wind um die Wimpel am Mast." Sechs<br />
Seiten fol. quer. Sie ist enthalten im „Buch des Andenkens den<br />
3. April 1854 Direktor Karl hasselbach gewidmet" i). Seiner<br />
selbstgeschriebenen Komposition hat C. Loewe die Schluhbemerkung<br />
hinzugefügt: „Möchten diese von unserm Giesebrecht poetisch geprägten<br />
<strong>und</strong> von mir in das Tongebiet übertragenen Wünsche an<br />
Ihnen, hochverehrter Herr Direktor, alle in Erfüllung gehen! Möge<br />
Ihr Lebensabend, wie einer aus dem schönsten Sommersolstitium.<br />
sanft herabscheinen <strong>und</strong> spät in das Morgenrot übergehen!<br />
Dr. Loewe. Musikdirektor.<br />
Stettin. 27 ten März 1854."<br />
Auch zur Vertonung von „Marschliedern" ist C. Loewe einmal<br />
aufgefordert worden, <strong>und</strong> zwar von Dr. C. G. Scheibert,<br />
Direktor der Friedrich Wilhelmschule in Stettin. Dieser hatte den<br />
befre<strong>und</strong>eten Direktor der Siegener Realschule C. W. L. Suffrian<br />
um Marschlieder <strong>für</strong> pädagogische Zwecke gebeten <strong>und</strong> schreibt<br />
darüber u): ,. Vonwegen der Marschlieder meinte ich eigentliche<br />
Kompositionen <strong>für</strong> den Zweck des Marschierer, sie fehlen uns in<br />
der Tat, was wir haben, ist entweder zu harmonisch <strong>und</strong> zu wenig<br />
melodisch, oder es ist wiederum auch zu melodisch, so daß der große<br />
Umfang der Melodie das Marschieren danach erschwert. Ich habe<br />
Hoffnung, unsern Oelschläger <strong>und</strong> vielleicht auch Loewe da<strong>für</strong> zu<br />
gewinnen." Ob Scheibert dieser Versuch bei Loewe gelungen ist,<br />
läßt sich zunächst nicht erweisen. In seinen ungedruckten Iugenderinnerungen<br />
") erzählt er von ihm. den er aus dem musikliebenden<br />
Hause seines Schwiegervaters Graßmann kannte: „Der Musikdirektor<br />
Loewe mit seiner naiven <strong>und</strong> kindlichen Auffassung aller<br />
Verhältnisse erhöhte durch Gesang <strong>und</strong> Spiel den Reiz des innigen<br />
Verkehrs solcher Familien."<br />
1) Das Album befindet sich in der Bibliothek des Marienstiftsgymnasiums<br />
Stettin: eine zweite Niederschrift in C. Loewes Hdschr.-Nachlaß<br />
in der Staatsbibliothek zu Berlin; vgl. 3. Espagne a. a. O. S.30. Vgl.<br />
auch Programm des Vereinigten Kgl. <strong>und</strong> Stadtgnmnasiums Stettin lN53/4<br />
S. 36.<br />
2) Briefe eines alten Schulmanns, aus dem Nachlasse Dr. C. G.<br />
Scheiberts. hrsg. von F. Schulze, Leipzig 1906. S. 35.<br />
") Ebenda Anm.
Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 279<br />
Ium Schluß mögen hier persönliche Erinnerungen an den<br />
großen Tonmeister von einem Manne mitgeteilt werden, der zu<br />
seinen Schülern des echten Stettiner Jahrzehnts gehörte: es ist<br />
Gustav Lenz, der später Pfarrer wurde (1808—1891). Seine<br />
Erwnerungen sind zwar veröffentlicht, aber, als Manuskript gedruckt,<br />
nur wenigen zugänglich ^). Lenz wurde vom koeweverein in Berlin<br />
zum Ehrenmitglied ernannt, <strong>und</strong> diese Auszeichnung veranlaßte ihn,<br />
seine Erinnerungen an den Meister in Versform niederzuschreiben<br />
<strong>und</strong> sie als „eine Loewesche Ballade" zu bezeichnen.<br />
„An den Loeweverein in Berlin."<br />
Doch um nun denn nur ein'germaßen<br />
des Ehrenamtes wert zu sein,<br />
bin ich dabei, jetzt zu verfassen<br />
ein Loewe-Album zart <strong>und</strong> fein<br />
mit etlichen Erinnerungen<br />
aus meinen lenzesfrdhen jungen<br />
Stettiner GtMnasiastenjahren<br />
von dem. was damals ich erfahren,<br />
<strong>und</strong> was mein Loewenanteil war.<br />
bring' ich dem koeweb<strong>und</strong> nun dar.<br />
Bin ich doch auch sein Schüler gewesen<br />
<strong>und</strong> lernte bei ihm Noten lesen<br />
nach Logiers schrecklicher Methode,<br />
die damals war die neuste Mode..<br />
Um 6 Uhr mußt' ich da aufstehen,<br />
zum Petriplatz2) hinübergehen,<br />
wo dann der gute, dicke Loewe<br />
noch halb im Schlaf, wie eine Möwe,<br />
an acht Klavieren auf- <strong>und</strong> niederflog<br />
<strong>und</strong> zu den Lämmern sich herniederbog,<br />
<strong>und</strong> in messing'ne Daumenschrauben —<br />
man sollt' es heute kaum noch glauben —<br />
uns arme Jungen fest einzwängte<br />
<strong>und</strong> Arm' <strong>und</strong> Finger straff beschränkte.<br />
1) Gustav Frühling (d. i. G. Lenz). Lenzesblüten. Als Manuskript<br />
gedruckt. Berlin 1895. S. 343 ff.
380 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis feines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
Dann ging's im Takte. Schlag auf Schlag.<br />
unisono, zugleich achtfach<br />
c, d, e. f. g mit Weh <strong>und</strong> Äch! — ?<br />
Um 7 Uhr war's dann wieder aus.<br />
dann ging man herzensfroh nach haus. —<br />
Darnach ging's ins Gymnasium.<br />
Da war der Loewe auch nicht stumm,<br />
er brüllte nicht, er sang so fein<br />
ganz allerliebste Melodei'n<br />
uns vor aus seiner „Sangeslehre".<br />
' Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens. 28l<br />
In St. Iakobi sang dann Loewes Schülerchor<br />
„Laut durch die Wellen tönt" der Kirchgemeinde vor,<br />
<strong>und</strong> an der w<strong>und</strong>ervollen Orgel saß<br />
der Meister Loewe dann <strong>und</strong> spielte Kontrabaß.<br />
Und in der Graunschen Passion wie herrlich klang<br />
im „Weinet nicht, es hat überw<strong>und</strong>en der Löwe" sein Gesang!<br />
Ich war dann Mitglied auch im Loeweschen Verein,<br />
da übten wir die „Siebenschläfer" ein.<br />
auch gab Konzerte er im großen Schützensaal<br />
mit Schlachtmusik <strong>und</strong> mit Kanonenschall! —<br />
Und alle Donnerstage abends ging's zum Tee<br />
in Bischof Ritschls musikalische Soiree,<br />
da sangen wir die Bachsche Passion,<br />
<strong>und</strong> Meister Loewe sang dabei im schönsten Ton,<br />
<strong>und</strong> dann spät abends noch in sewem schönsten Grinnne<br />
„Die nächtliche Heerschau" mit seiner Geisterstimme.<br />
Er gab auch meiner lieben Braut Marie<br />
großmütiglich — <strong>und</strong> das vergeh' ich nie! —<br />
Gesangesunterricht nach seiner Theorie. —<br />
Am liebsten sang er bei 5rau Tilebein<br />
in Iüllchow. die lud ihn wohl alle Sonntag ein.<br />
Da Härten wir entzückt dann „Goldschmieds Tochterlein"<br />
<strong>und</strong> „Erlkönig", wobei einst Oelschlägern graulich ward,<br />
den „Bergmann", „Elvershöh" <strong>und</strong> „3ridolin" so zart<br />
<strong>und</strong> alle seine köstlichen Balladen,<br />
womit er selbst beim König stand in Gnaden.<br />
Sein Dichter war der edle Giesebrecht,<br />
der machte ihm die Oratorien zurecht,<br />
doch Bischof Ritschl warnte weislich da<br />
vor dem Salonstil der modernen Musika.<br />
Einst fragte meine Schwester unsern Loewe frei,<br />
wie doch in seinen Werken viel Religiöses sei.<br />
Er gab zur Antwort in bescheidenem Ton,<br />
das sei bei ihm mehr Kunst als die Religiondoch<br />
Giesebrecht schreibt selbst auf Seite 91.<br />
daß all sein Streben ideal gewesen sei ganz einzig.<br />
Doch war einst in Stettin ein kleiner Literat,<br />
der unsern Loewe mal recht schwer geärgert hat.<br />
Das war der naseweise Robert Prutz.<br />
der ihn bewarf mit seinem krit'schen Schmutz.
282 Carl Loewe. Beiträge zur Kenntnis seines Lebens <strong>und</strong> Schaffens.<br />
als Meister Loewe — wie man sonst wohl tut —<br />
mit einer Goetheschrift einst seinen Doktorhut<br />
verdienen wollte, schlicht <strong>und</strong> recht <strong>und</strong> bieder.<br />
Eins aber muß ich noch zu Loewes Ruhm berühren,<br />
er tät sogar von mir ein Liedlein komponieren;<br />
es steht gedruckt in meinen „Lenzesblüten" ^) zwar,<br />
doch ist die Melodie verloren ganz <strong>und</strong> gar;<br />
es wurden „die fünf Sinne" da besungen,<br />
<strong>und</strong> das war allen Hörern recht ins herz gedrungen."<br />
^) S. 97/8. Die Komposition ist von dem hochverdienten Loeweforscher<br />
Dr. M. Runze veröffentlicht in: C. Loewes Werke G. A. Bd. 2 S. 102 ff.<br />
-<br />
-
Stettin nach der Belagerung<br />
durch den großen Kur<strong>für</strong>sten<br />
von<br />
Prof. Dr. C. Fredrlch<br />
Obcrstudiendlrektor in Stettin.
.<br />
.<br />
Die Belagerung von Stettin vom 4. Juli bis zum 26. Dezember<br />
1677 hat dem Lieger wie dem Besiegten unvergänglichen Ruhm<br />
gebracht. Flugblätter <strong>und</strong> Gelegenheitsschriften, Tagebücher <strong>und</strong><br />
<strong>Gesch</strong>ichtswerke, so manches Lied kündeten ihn. <strong>und</strong> Pläne <strong>und</strong><br />
Bilder zeugten von ihm. Daß der große Kur<strong>für</strong>st selbst, stolz auf<br />
diese Waffentat. Gedenkmünzen auf fie prägen <strong>und</strong> die Übergabe<br />
auf einem Gobelin darstellen ließ, ist bekannt ^); er hat die Erinnerung<br />
auch in einem Plane <strong>und</strong> in Zeichnungen festhalten lassen.<br />
Der große farbige Plan (160 X 135 cm) ist ein Meisterwerk<br />
des Zeichners 5>. Steutner, über den ich nichts in Erfahrung<br />
bringen konnte, <strong>und</strong> des Kupferstechers Georg Bartsch aus Schweidnitz.<br />
der von 1674—1684 Hofkupferstecher zu Berlin war-). Aus<br />
der Kunstkammer wurde der Plan in das hohenzollernnmseum<br />
überführt. Prächtig ist die Ornamentik, die das ganze Blatt umgibt<br />
<strong>und</strong> die einzelnen Teile, der Darstellung scheidet: die Überschrift<br />
oben, den eigentlichen Plan in der Mitte (118 X 86 cm),<br />
die beiden Ansichten von Stettin darunter (63 x 18 <strong>und</strong> 6N/Z<br />
X 18 cm), die Erklärungen der Buchstaben <strong>und</strong> Zahlen des Planes<br />
!) Die Literatur bei: Seidel. Die Wandteppiche mit den Darstellungen<br />
der Siege des Gr. Kur<strong>für</strong>sten über die Schweden. Hohenzollernjahrbuch I,<br />
1897. 4«. Müsebeck. Die 3eldziige des Gr. Kur<strong>für</strong>sten in Pommern. Valt-<br />
Stud.N. I. l. 187. Dazu
286 Stettin nach der Belagerung durch den großen Kurfllrsten.<br />
an den Seiten <strong>und</strong> die Heiden symbolischen Bilder im Oval darunter<br />
neben den Stadtansichten. Beigefügt ist eine Skala von<br />
100 rheinländischen Ruten.<br />
Die Überschrift, aus der rechts <strong>und</strong> links Fahnenbündel hervorwachsen,<br />
lautet: „Abbildung der Stadt <strong>und</strong> 5>aubt-Vestung Alten<br />
Stettin, wie dieselbe von Snr. Chur<strong>für</strong>stl. Durchl. zu Brandenburg<br />
beneben denen hoher Allirten Königl. dänischen <strong>und</strong> Fürstl. liineburg.<br />
Truppen im Jahre Ml)(^XXVIl den XXIV (8ic!) Iunr, belagert<br />
<strong>und</strong> den XVI. Dezember mit Accord erobert worden." Der<br />
Plan umfaßt das ganze Angriffsgebiet von Altdamm bis Nemitz.<br />
von jenseits Güstow bis Grabow. Das Terrain ist naturgetreu<br />
<strong>und</strong> eindrucksvoll wiedergegeben <strong>und</strong> in ihm sind historisch richtig<br />
eingezeichnet die Lagerorte der Truppen <strong>und</strong> ihre Angriffslinien,<br />
der Umriß <strong>und</strong> die Berteidigungswerke der Stadt- dazu kommen<br />
die genauen Erklärungen am Rande. Bei einer neuen Darstellung<br />
der Belagerung ist der Plan als wichtige Quelle heranzuziehen,<br />
wenn auch die Angriffslinien des Kur<strong>für</strong>sten selbst in der Nähe<br />
der Stadt sehr engmaschig <strong>und</strong> wenig übersichtlich sind. Auch der<br />
Angriff des Generals von Schwerin auf das Blockhaus <strong>und</strong> die<br />
Iollschanze ist hier richtiger dargestellt als auf den Flugblättern.<br />
Die linke Ansicht von Stettin gibt, von Scheune her genommen, in<br />
weitem Ausschnitt, der auch den Äammschen See mit umfaßt, den<br />
Angriff des großen Kur<strong>für</strong>sten wieder: im Vordergr<strong>und</strong>e das<br />
Lagerdorf <strong>und</strong> die Sternschanze, dann die Ciroumvalationslinie<br />
mit den Rauten, die Angriffswerke. Reiterkämpfe, die Stadt.<br />
Die Silhouette der Stadt ist im ganzen getreu, aber an einigen<br />
Stellen ist eine Vorlage (das waren nicht die hier veröffentlichten<br />
Zeichnungen) mißverstanden worden. Die Iakobikirche hat kein<br />
Schiff: aus dem stehengebliebenen Dachreiter der Marienkirche<br />
mit den beiden Seitentürmchen (Abbildung 1 <strong>und</strong> 4) ist eine besondere<br />
Fassade geworden. Schiffbaulastadie <strong>und</strong> Lastadie sind nicht<br />
von Süden her verkürzt gegeben, sondern, als ob sie von Westen<br />
gesehen seien, langgestreckt. Links neben dieser Ansicht streben auf<br />
einem ovalen Bilde angreifende Truppen einen befestigten Berg<br />
empor, über den eine Krone gehalten wird: lakor omnw vmcit<br />
ist als Motto darüber geschrieben. Im entsprechenden Bilde rechts<br />
sitzt auf einem Berge in Flammen ein Adler,- po3t incenda vivet.<br />
Diese Worte sin) bezeichnend <strong>für</strong> das Bild daneben, das den Angriff<br />
der Lüneburger von Norden her auf die brennende Stadt<br />
wiedergibt. Auch hier ist bei der Unterstadt <strong>und</strong> der Lastadie die<br />
Ansicht von Norden mit der von Westen vereinigt: die Lastadie
Stettin nach der Belaflerunss durch den großen Kur<strong>für</strong>sten 28?<br />
liegt zu hoch. Wenn aber im einzelnen 3ehler vorliegen, so gewinnt<br />
man im ganzen doch ein gutes Bild von der Stadt <strong>und</strong><br />
ihrer Lage. Die Zeichnung ist kleinlich <strong>und</strong> hart.<br />
Bedeutend wertvoller als diese Bilder sind die fünf getuschten<br />
Federzeichnungen, die auf Tafel 1—5 veröffentlicht werden <strong>und</strong><br />
dem Kupferstichkabinett in Berlin gehören. Ursprünglich waren<br />
es nach der Numerierung 6 Blätter,- verloren wird Nummer fünf<br />
sein, denn die Hauptansicht (Abbildung 5) wird die Nummer 1<br />
getragen haben- diese ist freilich mit dem' rechten Stück der Zeichnung<br />
von etwa 25 cm > Länge verloren gegangen. Drei Blätter<br />
gelten dem Lüneburgifchen Angriff von Norden: Nummer 1 (--- alte<br />
Nummer 2) Abb. 1 (162 X 44 cm. ohne den Rand)- Nummer 2<br />
(--- alte Nummer 3) Abb. 2 (49 X 34 cm); Nummer 3 (- alte«<br />
Nummer 6) Abb. 3 («5 X I8V2 cm). Ein Blatt gibt den Angriff<br />
von Osten 'her auf die Lastadis wieder: Nummer 4 --- alte<br />
Nummer 4) Abb. 4 (72 x 31VZ cm) <strong>und</strong> eines den Angriff von<br />
Süden: Nummer 5 (-- alte Nummer 1?) Abb. 5 (113 -^- 25<br />
X. 351/2 cm). Diesem hauptangriff hat vermutlich auch das verlorene<br />
Blatt gegolten, vielleicht auch noch andere Blätter, Daß<br />
die nicht angegriffene Westfront auch gezeichnet wurde, ist unwahrscheinlich.<br />
Der Zeichner mag sich unmittelbar nach der Übergabe<br />
am 26. Dezember an die Arbeit gemacht haben. Wenn der<br />
Kur<strong>für</strong>st mit seiner Gemahlin, die an der Belagerung teilnahm,<br />
auf der Petribastion gewesen ist (Abb. 2), so kann es nur in der<br />
Zeit vom 27. Dezember 1677 bis zum 7/ Januar 1678 gewesen<br />
sein. Bald darauf begann auch die Einebnung der Annäherungsgräben<br />
i).<br />
„^3l3 leg 0uvrass68 cw la ville et la ville msme zont 6s53me3<br />
3prö5 nature" (Abb. 1)- sie ist mit allen Schäden der Belagerung<br />
in einer damals selten erstrebten Genauigkeit wiedergegeben. Freilich<br />
die umfassenden Bilder (Abb. 1, 4, 5). die aus größerer Entfernung<br />
gesehen <strong>und</strong> stärker verkleinert sind, sind weniger genau,<br />
wie ein Vergleich mit den anderen lehrt, <strong>und</strong> weniger durchgearbeitet<br />
im Stadtbilde. Man vergleiche in Abb. 5 den Giebel der Iohanniskirche,<br />
den Dachreiter der Marienkirche, der zu einem besonderen<br />
Bau geworden ist, <strong>und</strong> beachte, daß die Stadtmauer hier völlig<br />
fehlt, wohl um den Blick auf die Stadt freizugeben.<br />
Besonders genau lernen wir die Nordfront kennen, deren<br />
jüngere Befestigungen auch auf Befehl Gustav Adolfs von Portlug<br />
Dep. Stadt Stettin X ä 8ect. 4 Nr. 25.
288 Stettin nach der Belagerung durch den großen Kur<strong>für</strong>sten.<br />
angelegt <strong>und</strong> später etwas verstärkt worden waren') : links am 3luß<br />
die Irauen-Vastion. höher die Kaggen-Vastion. ein Ravelin. Petri<strong>und</strong><br />
Mühlen-Bastion <strong>und</strong> auf der Ecke die Kavalier-Bastion. Über<br />
die Kaggen-Bastion blickt der Turm der Nikolaikirche herüber <strong>und</strong><br />
Spitzen, die ich mir nicht erklären kann, denn Masten von schiffen,<br />
die schon wieder im Hafen liegen (Abb. 5). können es nicht sein,<br />
ebensowenig Palisaden, <strong>und</strong> das Nonnenkloster hatte keinen Turm.<br />
Die Werke der Lastadie Mbb. 4) sind von der Oder (r.) bis<br />
zum Einfluß des Grünen Grabens in die Parnih dargestellt..<br />
Der am 23. September erstürmte Brückenkopf vor der damals<br />
abgebrannten Parnitzbrücke wird von den Angreifern benutzt.<br />
hinter diesen neuen Werken sind die Palisaden, der äußere<br />
Graben, der alte Hauptwall, der innere Graben <strong>und</strong> die Stadtmauer<br />
auf Abb. 2 wiedergegeben. Daß die Stadtmauer vom Schloß bis zur<br />
Kavalier-Bastion mit allen Einzelheiten zu sehen ist. ist besonders<br />
erfreulich. Die Zahl der Wiekhäufer (8) <strong>und</strong> Türme (3). deren<br />
verschiedene Bedachung. 3enster. Aborte. Strebepfeiler zu beachten<br />
sind, stimmt genau zu den Verzeichnissen des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts?).<br />
Der achteckige Turm hinter dem Pädagogium ist des Rates<br />
Gefangenen- oder Torturturm, zuletzt Pulverturm,' er wurde 1734<br />
oder gleich darauf abgerissen. Der r<strong>und</strong>e Turm jenseits des Mühlentores<br />
ist der Kronenturm, weil er oben mit einem Zinnenkranz<br />
wie mit einer Krone abgeschlossen ist. Der Anbau an ihm hat<br />
wegen seiner 3orm jener Gegend zwischen Mühlen- (Luisen-) Straße<br />
<strong>und</strong> der Großen Wollweberstraße vielleicht den Namen „im Salzfaß"<br />
gegeben. Der Turm jenseits des Kronenturmes mit der<br />
spitzen Haube heißt am Ende des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts der Neue<br />
Turm oder auch der Pulverturm.<br />
Vor dem Schloß steht ein 3achwerkhäuschen. das durch eine<br />
von der Bürgerschaft stark bekämpfte Pforte in der Stadtmauer<br />
erreichbar gewesen sein wird. Der Raum zwischen ihm <strong>und</strong> der<br />
Mauer ist im Osten <strong>und</strong> Westen durch Palisaden geschützt. Die<br />
Lage der Wiekhäuser <strong>und</strong> Türme zu den Straßen ist auf Abb. 3<br />
angegeben. Das innere Mühlentor 'stellt sich hier mit seiner gotischen<br />
Architektur <strong>und</strong> seinem seitlichen Eingang natürlich sehr<br />
viel richtiger dar, als bei Braun <strong>und</strong> Hogenberg <strong>und</strong> bei Kohte.<br />
Von der südlichen Stadtmauer sind auf Abb. 4 der Hohe Turm<br />
beim Abtshause, zwei Wiekhäuser <strong>und</strong> das Passauer Tor zu sehen.<br />
2) C. 3. Meyer, Stettin zur Schwedenzeit. 3u vergleichen sind die<br />
Pläne von 1693 ftei Meyer) <strong>und</strong> l?2l (bei Wehrmann, <strong>Gesch</strong>. der Stadt<br />
Stettin 6.342).<br />
2) Dep. Stadt Stettin l sect. 3 Nr. 33; dazu die Stadtmatrikeln.
. - Stettin nach der Belagerung durch den großen Kur<strong>für</strong>sten. 289<br />
Das Schloß lehren uns alle fünf Abbildungen kennen. Der<br />
südliche Bau ist auf Abb. 2 <strong>und</strong> 3 vorgezogen, um ihn sichtbar<br />
zu machen. Der Glockenturm der Ottenkirche hat vier Nebentürmchen<br />
auf den Ecken, der Uhrturm eine Laterne; von den beiden<br />
anderen, die in 5>öhe <strong>und</strong> Breite etwas übertrieben gezeichnet sind,<br />
ist der höhere der Fanger-Turm, der niedrigere der Treppen-Turm<br />
des Mittelbaues. Zwischen ihnen ragen die Spitzen der Giebel<br />
<strong>und</strong> Schornsteine auf. Den Bogislawbau mit seinen Ziergiebeln<br />
bietet Abb. 5 recht gut- über den anderen Teilen ist auch die Attica<br />
mit den liegenden Voluten angegeben.<br />
Von den Kirchen ist St. Peter <strong>und</strong> Paul auf Abb. 1—2 nicht<br />
zu sehen, aber auf Abb. 4 ist rechts vom Schlöffe sogar der Turm<br />
angegeben, obwohl er sicher zerstört war. 3ür die Marienkirche<br />
sind die Bilder besonders ertragreich <strong>und</strong> liefern uns ihr erstes<br />
zuverlässiges Bild aus so alter Ieit^). Das nördliche Seitenschiff<br />
hat fünf verschieden gestaltete Fenster <strong>und</strong> darüber ein<br />
Pultdach- es wurde später angebaut, <strong>und</strong> über dem Pultdache<br />
erhebt sich erst auf der alten Außenmauer die Dachgalerie. Rechts<br />
sind an <strong>und</strong> neben dem Turm Reste der Giebel des Baues zwischen<br />
den beiden Türmen <strong>und</strong> des unvollendeten SUdturmes zu sehen.<br />
Von den drei großen Fenstern des Chores gehört das östlichste<br />
schon zu der Apsis,- die Dachgalerie ist mit allen Einzelheiten auch<br />
hier wiedergegeben. Zwischen Chor <strong>und</strong> Langhaus steht zur Verstärkung<br />
ein Türmchen, das auf der Südseite eine Treppe enthielt,<br />
darüber erhebt sich ein schlankeres Türmchen auf jeder Seite <strong>und</strong><br />
hoch strebt der gotische Dachreiter empor?). Der Turm ist durch<br />
hohe Blenden in zwei Teile geteilt, von denen der obere häufiger<br />
von Fenstern durchbrochen ist als der untere- von den vier Ecktürmchen<br />
stehen nur Reste, die Spitze fehlt ganz. Der Turm von<br />
St. Nikolai ist mit der vortretenden Galerie richtig gezeichnet^).<br />
Für St. Jakobs) <strong>und</strong> St. Johannes ergibt sich nichts Besonderes:<br />
dagegen ist das Bild von St. Gertrud beachtenswert mit den zwei<br />
Satteldächern, den Treppengiebeln <strong>und</strong> dem oben durchbrochenen<br />
Turm auf dem Westbau.<br />
1) Vgl. Iredrich. Die ehemalige Marienkirche zu Stettin <strong>und</strong> ihr Besitz.<br />
Balt. Stud. XXl. 1918. 143. XXlll. 1920. 1.<br />
') Der a. a. O. XXl. 171 abgebildete Entwurf eines barocken Dachreiters<br />
von Itili wurde also nicht ausgeführt.<br />
2) Vgl. Iredrich. Die ehemalige Nikolaikirche zu Stettin. Balt. Stud.<br />
XXIV-XXV. 1922. 65.<br />
4) Vgl. Iredrich, Die Kapellen <strong>und</strong> Altäre von St. Il'hobi in Stettin.<br />
Iestschrift <strong>für</strong> H. Lemcke 1923.
290 Stettin nach der Belagerung durch den großen. Kur<strong>für</strong>sten.<br />
Von den Profangebäuden sind die schönen Giebel des Rathauses<br />
natürlich vernichtet. Das Abtshaus am Rosengarten, ist<br />
hinter dem hohen Turm zu erkennen (Abb. 4). Die Baulichkeiten<br />
zwischen der Marienkirche <strong>und</strong> der Stadtmauer sind so zerstört,<br />
wie man es nach der schriftlichen Überlieferung vermuten mußtet:<br />
ihr entspricht es auch, daß die Ökonomie auf der Ecke der Kleinen<br />
Domstraße <strong>und</strong> des Künigsplatzes fast unbeschädigt ist, <strong>und</strong> ebenso<br />
die Ecke ver Großen Domstraße. Im Häusermeere ist manche<br />
mittelalterliche Mauer <strong>und</strong> manch mittelalterlicher Giebel erhalten<br />
geblieben. Karten sind am Rosengarten oberhalb der Grünen<br />
Schanze zu sehen (Abb. 5).<br />
Nber der Oder liegen die Vaumbrücke (Abb. 1) <strong>und</strong> die Langebrücke<br />
(Abb. 5). An den Ravelin, die „Wassernuß" genannt, legt<br />
sich der Oberbaum (Abb. 5). Im Norden führt vor dem Iiegentore<br />
eine Brücke über einen nicht mehr vorhandenen Wasserarm.<br />
Speicher steht dann an Speicher (Abb. 1 <strong>und</strong> 5, wo leider rechts<br />
ein Stück der Zeichnung verloren gegangen ist). An der Baumbrücke<br />
liegt das Schlachthaus.<br />
Von den Arbeiten der Belagerer sagt der Zeichner (Abb. 1):<br />
„ce8 3pprocti63 et ce8 0uvr3^e8 äoivent stre ckanss68 parce qu'il non<br />
PI8 ete ettectivement poli8". Die Angriffe richten sich deutlich<br />
gegen die Kaggenbastion (Abb. 1) <strong>und</strong> die Südfront von der Oder<br />
bis zur Grünen Schanze (Abb. 5). Diese <strong>und</strong> der Knapkäse (auf<br />
dem oben besprochenen Plan steht Keesenap), der natürlich nicht<br />
zu sehen ist, sind schon genommen,'.es ist der Zustand kurz vor<br />
der Übergabe. Die Zeichnung stimmt aufs Beste zu dem Plane<br />
im zweiten <strong>pommersche</strong>n Kriegspostillon (Leipzig 1678), den<br />
C. F. Meyer in „Stettin, zur Schwedenzeit" Leite 78. wiedergegeben<br />
hat: vorn die Hauptbatterie, etwa an der Stelle des Kirchplatzes,<br />
nur vierh<strong>und</strong>ert Meter von der Grünen Schanze entfernt,<br />
davor eine Mörserbatterte <strong>und</strong> drei kleine Batterien, deren östlichste<br />
etwa am Nordende der Mauerstraße über dem Abhang liegt.<br />
Die „Wassernuß" unten ist natürlich im brandenburgischen Besitz<br />
<strong>und</strong> ebenso die Spitze des halben Navelins am Wasser (14. Dezember),<br />
unten die Brücke der Brandenburger über den Graben,<br />
oben ihre Batterie vor dem Abschnitt, den die Belagerten schnell<br />
hergestellt hatten. Rechts <strong>und</strong> links von der Grünen Schanze<br />
sind die Palisaden gezeichnet <strong>und</strong> links die Bastion vor dem<br />
Passauer Tor, die nicht angegriffen wurde.<br />
') Balt. Stud. XXlll. 1930, 35 ff.
Stettin nach der Belagerung durch den großen Kur<strong>für</strong>sten. 29l<br />
Die Zeichnung ist in allem Gegenständlichen gut <strong>und</strong> flüssig,<br />
im Figürlichen dagegen pedantisch <strong>und</strong> steif. Um zu erkennen,<br />
wie unbeholfen die stehenden <strong>und</strong> bewegten Figuren sind, braucht<br />
man nur die flott gezeichneten <strong>und</strong> lebhaft bewegten, fast zu<br />
dramatisch gestalteten Personen <strong>und</strong> Kampfszenen von Romain<br />
de hooghe auf seiner Radierung der Belagerung von Stettins zu<br />
vergleichen. Wie langweilig sind die Truppen in den Gräben<br />
(Abb. 1 <strong>und</strong> 5). Die langen Wischer fallen ebenso auf dem Wandteppich<br />
von Mercier auf (Seidel a. a. O. S. 44); dazu kommen<br />
hier die Lanzen. Die Farben sind auf einigen Zeichnungen ein<br />
schwärzliches Grau, auf anderen bläulich im Übergang zu einem<br />
bläulichen Grau. Korrekturen mit Tinte enthält Abb. 1 z. V. in<br />
den <strong>Gesch</strong>ützen auf den Werken <strong>und</strong> in der Brücke rechts, auch an<br />
den Belagerern, weit zahlreicher noch Abb. 5, wo das Feuer <strong>und</strong><br />
der Nauch über der Ruine der Marienkirche, die in Wahrheit am<br />
16. August 1677 in Brand geschossen wurde, die Giebel des<br />
Schlosses, die. Aufgänge zum hauptwall, Palisaden <strong>und</strong> viele<br />
Einzelheiten so eingetragen sind. In der Farbengebung möchte<br />
Herr Dr. Kuhrt vom Kupferstichkabinett in Berlin flämische Art<br />
erkennen. Aus der Zahl der von Nicolai (S. 285) aufgeführten,<br />
<strong>für</strong> den großen Kur<strong>für</strong>sten tätigen Zeichner <strong>und</strong> Maler konnte<br />
also in Betracht kommen: Jakob Baillant, der in Flandern geboren<br />
war, vielleicht auch Johann Jakob Rollos, dessen Bater (?).<br />
Kupferstecher des Kur<strong>für</strong>sten Georg Wilhelm, die Stettiner Stadtansicht<br />
von Kohte 1625 stach. Aber nur ein Vergleich mit anderen<br />
Werken dieser Männer könnte zu einem sicheren Resultat über<br />
den Meister 'der hier veröffentlichten Blätter führen. Er war<br />
kein Großer, eher ein Kleiner, der mehr naturgetreu als großzügig<br />
<strong>und</strong> eindrucksvoll arbeitete,- <strong>für</strong> den Forscher ein Vorteil,<br />
weil es ihm aus zuverlässige Bilder ankommt. Die Zeichnungen<br />
waren vielleicht als Vorlage <strong>für</strong> ein Gemälde oder einen<br />
Teppich gedacht, aber jener Plan <strong>und</strong> der Gobelin von Mercier<br />
sind nicht von ihnen beeinflußt. Für die Stadtgeschichte sind<br />
sie äußerst wertvoll- sie geben ein gutes Bild des alten Stettin<br />
mit bedeutenden Resten der mittelalterlichen Stadt, den ältesten<br />
moderneren Befestigungen <strong>und</strong> den ehrenvollen Narben aus dem<br />
militärisch allein bedeutenden Lebensabschnitte der Stadt.<br />
i) Abgebildet von Seidel a. a. O.. S. 40. Eine Originalradierung<br />
defindet sich auch im Stettiner Kupferstichkabinett.
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