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Die Bundeswehr im Strukturwandel<br />
Ludwig Jacob, Hamburg<br />
Braucht die Bundeswehr eine neue Struktur? Diese Frage beschäftigt die Öffentlichkeit<br />
in zunehmendem Maße seit Auflösung des Warschauer Paktes und der Sowjetunion im<br />
Jahre 1991. Obwohl die Regierung bereits 1994 festgestellt hat, daß „die grundlegend<br />
geänderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen und die gewachsene Verantwortung<br />
Deutschlands ... Auswirkungen auf die Rolle, den Auftrag, die Struktur und<br />
Ausrüstung der Bundeswehr haben" 1 , sind bisher von regierungsamtlicher Seite keine<br />
überzeugenden Antworten erfolgt; vielmehr gilt bis jetzt das Motto: An Bewährtem<br />
festhalten — keine Experimente; Anpassungen ja, aber keine durchgreifenden Reformen<br />
und vor allem: keine Diskussionen.<br />
Bei allen unseren wichtigen Verbündeten finden weitgehende Militärreformen statt, die<br />
auch auf die Bundeswehr ausstrahlen werden. Daher ist eine Diskussion über Fragen,<br />
wie die zukünftige Bundeswehr aussehen soll, welche Elemente es zu bewahren gilt und<br />
welche Neuerungen erforderlich sind, heute dringend erforderlich.<br />
I. Die veränderte politische Lage<br />
Der mit Ende des Zweiten Weltkrieges entstandene Ost-West-Gegensatz war über Jahrzehnte<br />
der bestimmende Faktor der weltpolitischen Lage. Herausforderung und Bedrohung<br />
des Westens durch eine auf Überlegenheit und Offensivfähigkeit angelegte Rüstung<br />
und Strategie des Warschauer Paktes bildeten die entscheidende legitimatorische<br />
Grundlage für die Gründung der Bundeswehr, ihre Integration in das westliche Bündnis<br />
sowie für ihren Umfang, ihre Struktur und die Wehrform der Allgemeinen Wehrpflicht.<br />
Seit nunmehr fast 10 Jahren nach dem zeithistorischen Umbruch in Europa, befinden<br />
wir uns noch mitten in einem tiefgreifenden Wandel mit globalen Auswirkungen. Die zu<br />
Beginn der 90er Jahren im Zusammenhang mit der Auflösung des Sowjet-Imperiums in<br />
Europa geführten Kriege sind gegenwärtig zwar abgeklungen, die Arbeit an einer friedenspolitischen<br />
Ordnung in Europa wird jedoch noch lange andauern. Dies gilt sowohl<br />
für die Herausbildung stabiler demokratischer Strukturen und einer sicheren ökonomischen<br />
Basis in den mittel- und osteuropäischen Staaten und den Nachfolge-Staaten der<br />
Sowjetunion, wie auch für die Einbeziehung aller dieser Staaten in eine übergreifende<br />
S icherheitsstruktur.<br />
Für das Bild des „neuen" Europa gibt es keinen politischen oder sicherheitspolitischen<br />
„Masterplan", nach dem Entwicklungen planvoll gestaltet und aufeinander abgestimmt<br />
werden könnten. Fortschreibung, Ausformung und Abgrenzung der Aufgabenstellungen<br />
der bestehenden Bündnisse und Organisationen wie NATO, EU/WEU, OSZE und der<br />
1 Vgl. Konzeptionelle Leitlinie zur Weiterentwicklung der Bundeswehr, 12. Juli 1994, BMVg, Ziff. 1.<br />
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