Handout - German Grammar Group FU Berlin
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2. Entstehung von Grammatik als "growth of linguistic complexity"<br />
2.1. Grammatik und Komplexität<br />
(Givón 1995, Givón/Shibatani eds. 2009, Jacob 2003 (a/b), Culicover i. Vorb.)<br />
(11) Givón (1995, 401): "The grammar of human language is a much more abstract and<br />
complex device than the sensory-‐motor codes of the lexicon"<br />
(8) "The identification of grammar as an automated, streamlined, speeded-‐up language<br />
processing system" Givón (1995:403)<br />
Lehmann ([1982]1995): Grammatikalisierungsparameter<br />
integrity, paradigmaticity, paradigm. variability, scope, bondedness, syntagmat. var.<br />
Systematizität (Organisationsgrad) und Abstraktheit<br />
Teleologie vs. invisible hand: Grammatik als WERKZEUG (cf. Auto, Förderband) oder<br />
als emergente soziale Institution (cf. Transportsystem, Arbeitsteilung)?<br />
2.2. Von der "Grammatikalisierung" zur "Grammatikogenese"<br />
Meillet 1912/1948:131):<br />
"le passage d'un mot autonome au rôle d'élément grammatical",<br />
Was unterliegt der Grammatikalisierung?<br />
• Morpheme/Syntagmen (z.B. TMA-‐Periphrasen)<br />
• Paradigmen (z.B. Klikita > Personalaffixen)<br />
• Eigenschaften von Morphemen (z.B. Position, Kongruenz, ...)<br />
• Abstrakte Kategorien (z.B. FEMININ, PLURAL, KASUS, TOPIC > SUBJEKT)<br />
• Regeln (zB. Wortstellung, Zeitenfolge,<br />
Konjunktivgebrauch , ...)<br />
2.3. Ebenen steigender Grammatizität: ein Phasenmodell<br />
a. Primäre Funktion: unmittelbare Beziehung zwischen einem sprachlichen Objekt<br />
und seiner kommunikativen Aufgabe (z.B.: direkte Bed. einer Präposition, informa-‐<br />
tionsstruktureller Effekt der Wortstellung im Lat., Span., Ital.; Genus im Engl.),<br />
b. Indirekte, distinktive Funktion innerhalb eines komplexen Systems, das mit<br />
abstrakten Kategorien operiert (z.B. Aktantenmarkierung über Kasus und 'Syntakt.<br />
Funktionen, in Abhängigkeit von der Verbvalenz)<br />
Höhere Effizienz: Bsp. grammatisches Subjekt: hohe Eindeutigkeit der<br />
Satzsstruktur und der semant. Rollen, ökonomische Kodierung anaphor.<br />
Relationen (control, accessibility, Reflexivität, Kongruenz)<br />
Hoher struktureller Aufwand: Apparat der Verbvalenz<br />
Einschränkungen für den Sprecher: Obligatorik (> Passiv, Unpersönl. Konstr..,<br />
Reflexivität, ...)<br />
c. Abstrakte, formale Funktion im Dienst der Funktion des Systems als solchem: (z.B.<br />
Flexionsklassen, Kongruenz, Grammatisches Genus)<br />
d. Völlige De-‐Funktionalisierung: servitude grammaticale (z.B. consecutio temporum,<br />
manche Konjunktiv-‐Regeln im Frz., Adj.-‐Stellung im Frz.)<br />
e. Obsoletwerden und Zerfall (lat. Kasus im Romanischen, Neutrum im Roman.)<br />
"Degrammatikalisierung"?<br />
3. Grammatik zwischen Funktion und Selbst-‐Referenz<br />
Grammatik zwischen Funktion (kognitiv, semiotisch, pragmatisch) und Autonomie:<br />
(12) Grammatik ist essentiell autonom, aber notwendig funktionell<br />
Dualer Charakter und Prototypikalität.<br />
3.1. Autopoiesis, Selbstreferenzialität und strukturelle Geschlossenheit<br />
(13) Luhmann (1984:604ff., fett DJ):<br />
"Eine wichtige Konsequenz dieser Überlegungen ist, daß die bei aller Autopoiesis be-‐<br />
nötigte Selbstreferenz immer nur mitlaufende Selbstreferenz ist. Reine Selbstre-‐<br />
ferenz im Sinne eines «nur ausschließlich auf sich selbst Beziehens» ist un-‐<br />
möglich. (...). Faktisch kommt daher Selbstreferenz nur als ein Verweisungsmoment<br />
unter anderen vor. Das Selbstreferieren ist ein Moment am operativen Verhal-‐<br />
ten der Elemente, Prozesse, Systeme; es macht nie ihre Totalität aus. (...) es<br />
muß Zusatzsinn aufgenommen werden, um den Übergang von Ereignis zu Ereignis,<br />
von Handlung zu Handlung zu ermöglichen. (...) Die Selbstreferenz wird durch re-‐<br />
kursive, zirkelhafte Geschlossenheit hergestellt. Aber Geschlossenheit dient<br />
nicht als Selbstzweck, auch nicht als alleiniger Erhaltungsmechanismus oder als Si-‐<br />
cherheitsprinzip. Sie ist vielmehr Bedingung der Möglichkeit für Offenheit. Alle Of-‐<br />
fenheit stützt sich auf Geschlossenheit, und dies ist nur möglich, weil selbstreferen-‐<br />
tielle Operationen nicht den Gesamtsinn absorbieren, nicht totalisierend wirken,<br />
sondern nur mitlaufen (...).