EuGH-Urteil zu TV-Rechten an Sportereignissen ... - Noerr
EuGH-Urteil zu TV-Rechten an Sportereignissen ... - Noerr
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UST<br />
Trends<br />
Ein M<strong>an</strong>d<strong>an</strong>ten-Service von <strong>Noerr</strong> LLP . Ausgabe November 2011<br />
top-thema<br />
<strong>EuGH</strong>-<strong>Urteil</strong> <strong>zu</strong> <strong>TV</strong>-<strong>Rechten</strong> <strong>an</strong><br />
<strong>Sportereignissen</strong> – Revolution<br />
der medialen Verwertungspraxis?<br />
von Dr. Hendrik von Duisburg, LL.M., Büro München<br />
Der Europäische Gerichtshof (<strong>EuGH</strong>)<br />
hat in seinem vielbeachteten <strong>Urteil</strong><br />
vom 4. Oktober 2011 entschieden,<br />
dass das System der territorialen Exklusivität<br />
bei der Vermarktung von Fernsehübertragungsrechten<br />
von <strong>Sportereignissen</strong> gegen<br />
die Dienstleistungsfreiheit und das Wettbewerbsrecht<br />
verstößt.<br />
Der Hintergrund<br />
Die englische Football Association Premier<br />
League (FAPL) vermarktet die Spiele der<br />
englischen Ersten Bundesliga, der „Premier<br />
League“: Die FAPL vergibt <strong>an</strong> Fernsehsender<br />
exklusive Sendelizenzen für ihre jeweiligen<br />
Sendegebiete, welche regelmäßig den nationalen<br />
Grenzen in Europa entsprechen.<br />
Durch eine solche territoriale Aufspaltung<br />
k<strong>an</strong>n die FAPL höhere Gewinne erzielen, da<br />
JUST. November 2011<br />
die Sender bereit sind, für die Exklusivität einen<br />
Aufschlag <strong>zu</strong> zahlen. Zur Sicherung dieser<br />
Exklusivität verpflichten sich die Sender<br />
vertraglich, Maßnahmen <strong>zu</strong> ergreifen, die<br />
verhindern, dass die Sendung außerhalb ihres<br />
Sendegebiets gesehen werden k<strong>an</strong>n. Bei<br />
einer Satellitenübertragung verpflichtet sich<br />
der Sender, sein Satellitensignal verschlüsselt<br />
<strong>zu</strong> übertragen. Abonnenten benötigen d<strong>an</strong>n<br />
<strong>zu</strong>r Entschlüsselung einen entgeltpflichtigen<br />
Decoder mit einer Decoderkarte. Zudem darf<br />
der Sender diese autorisierten Decoderkarten<br />
nur innerhalb des jeweiligen Lizenzgebiets<br />
vertreiben.<br />
Die Fakten<br />
& Fakten <strong>zu</strong><br />
gewerblichem Rechtsschutz,<br />
Medien, IT und Sport<br />
Die englische Kneipenwirtin Karen Murphy<br />
umging die Exklusivität des englischen<br />
Satellintensenders BSkyB für die S. 2<br />
JUST. Statement<br />
Der America Invents Act: Die Reform<br />
des U.S. Patentrechts im Überblick<br />
Interview mit Dr. Robert Loef,<br />
Büro New York<br />
Am 16. September 2011 hat Präsident<br />
Obama den seit l<strong>an</strong>gem erwarteten<br />
„Leahy-Smith America<br />
Invents Act“ (nachfolgend “Invents<br />
Act”) unterzeichnet. Der Invents Act<br />
ist die erste größere Überarbeitung<br />
des Patent Act von 1952 und enthält<br />
entscheidende verfahrensrechtliche<br />
Änderungen, sowohl im Bereich<br />
der Erteilung als auch der gerichtlichen<br />
Durchset<strong>zu</strong>ng von Patenten.<br />
Ein Überblick.<br />
S. 3<br />
Inhalt<br />
S. 3 JUST. Statement: Der America<br />
Invents Act<br />
S. 5 JUST. Kommentar:<br />
E-Mail-Werbung in Kundenbeziehungen<br />
S. 6 JUST. Praxistipp: Europäische<br />
Lebensmittelinformationsverordnung<br />
S. 7 JUST. Blickpunkt Europa:<br />
Nizza-Klassifikation,<br />
10. Ausgabe<br />
S. 7 JUST. Focus: Produktregulierung<br />
als Risiko für Online-Händler<br />
S. 8 JUST. Letzte Meldung: Apple<br />
gegen Samsung<br />
1
JUST. TOP-THEMA<br />
FortSet<strong>zu</strong>ng von S. 1 Senderechte <strong>an</strong> der<br />
Premier League durch den Import billigerer<br />
Decoderkarten aus Griechenl<strong>an</strong>d, mit denen<br />
die verschlüsselte Satellitenübertragung eines<br />
griechischen Fernsehsenders entschlüsselt<br />
werden konnten. Somit war in ihrem<br />
Pub die Premier League als Übertragung von<br />
einem griechischen Fernsehsender <strong>zu</strong> sehen,<br />
ohne dass BSkyB hierfür ein Entgelt erhielt.<br />
Die FAPL versuchte, dies gerichtlich <strong>zu</strong> unterbinden,<br />
um eine Verminderung des Werts der<br />
von ihr erteilten exklusiven Sendelizenzen <strong>zu</strong><br />
verhindern.<br />
Das <strong>Urteil</strong><br />
Kern der Entscheidung des <strong>EuGH</strong> (C-403/08<br />
und C-429/08) ist das Sp<strong>an</strong>nungsverhältnis<br />
zwischen dem europäischen Binnenmarkt<br />
und der Durchset<strong>zu</strong>ng der territorialen<br />
Aufspaltung der Senderechte. Der <strong>EuGH</strong><br />
entschied, dass Klauseln in Verträgen über<br />
exklusive Lizenzen, die eine Zurverfügungstellung<br />
von Decodiervorrichtung außerhalb<br />
des Lizenzgebiets untersagen, eine nach Art.<br />
101 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise<br />
der Europäischen Union) verbotene Wettbewerbsbeschränkung<br />
darstellen und somit<br />
rechtswidrig sind. Das Gericht begründete<br />
dies damit, dass eine Vereinbarung, die darauf<br />
abzielt, die Abschottung nationaler Märkte<br />
wiederher<strong>zu</strong>stellen, geeignet sei, dem Ziel<br />
der Schaffung eines einheitlichen Binnenmarkts<br />
entgegen<strong>zu</strong>wirken.<br />
Darüber hinaus entschied der <strong>EuGH</strong>, dass die<br />
europäische Dienstleistungsfreiheit gem. Art.<br />
56 AEUV nationalen Gesetzen entgegen stehe,<br />
welche die Einfuhr, den Verkauf oder die<br />
Verwendung von ausländischen Decodiervorrichtungen,<br />
die den Zug<strong>an</strong>g <strong>zu</strong> einem kodierten<br />
Satellitenrundfunkdienst aus einem<br />
<strong>an</strong>deren Mitgliedstaat ermöglichen, verbieten.<br />
Eine solche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit<br />
sei nur d<strong>an</strong>n <strong>zu</strong> rechtfertigen,<br />
wenn sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses<br />
entspräche. Zwar komme als<br />
zwingender Grund der Schutz des geistigen<br />
Eigentums in Betracht, allerdings genießen<br />
Sportereignisse m<strong>an</strong>gels geistiger Schöpfungshöhe<br />
keinen urheberrechtlichen Schutz.<br />
Selbst wenn dies <strong>an</strong>ders wäre, gar<strong>an</strong>tiert nach<br />
Ansicht des <strong>EuGH</strong> das geistige Eigentum<br />
nicht, dass die höchstmögliche, sondern allenfalls<br />
eine <strong>an</strong>gemessene Vergütung bei<br />
der Verwertung erzielt wird. Der Rechteinhaber<br />
habe aber bereits eine Vergütung für die<br />
Übertragung des Sportereignisses vom entsprechenden<br />
Sendeunternehmen erhalten.<br />
Der von den Sendeunternehmen gezahlte<br />
Aufschlag für die Exklusivität der Senderechte<br />
gehe, so der <strong>EuGH</strong>, über das hinaus, was erforderlich<br />
sei, um eine <strong>an</strong>gemessene Vergütung<br />
2<br />
des Rechteinhabers <strong>zu</strong> gewährleisten. Da die<br />
Verwendung von Decodiervorrichtungen<br />
aber nur die Exklusivität schützen soll, könne<br />
ihr Einsatz nicht die Einschränkung der<br />
Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen.<br />
Das Fazit<br />
Die Entscheidung des <strong>EuGH</strong> hat <strong>zu</strong>r Folge,<br />
dass es Verbrauchern in Europa frei steht,<br />
Decoderkarten von ausländischen Pay-<strong>TV</strong><br />
Anbietern <strong>zu</strong> erwerben, um deren Programm<br />
im Inl<strong>an</strong>d <strong>zu</strong> empf<strong>an</strong>gen. Dies wird für mehr<br />
Konkurrenz zwischen den Anbietern sorgen.<br />
Denn es ist <strong>zu</strong> erwarten, dass Anbieter die<br />
Entscheidung als Argument nutzen werden,<br />
um bei künftigen Lizenzerwerben eine niedrigere<br />
Vergütung aus<strong>zu</strong>h<strong>an</strong>deln.<br />
Vertragliche Verpflichtungen, technische<br />
Vorrichtungen <strong>zu</strong>m Schutz exklusiver Gebietslizenzen<br />
ein<strong>zu</strong>setzen, werden problematisch<br />
werden. Möglicherweise ist auch<br />
der verpflichtende Einsatz von Geoblocking-<br />
Maßnahmen für On-Dem<strong>an</strong>d-Angebote im<br />
Internet als un<strong>zu</strong>lässige Wettbewerbsbeschränkung<br />
<strong>an</strong><strong>zu</strong>sehen. Denn auch dabei<br />
wird eine exklusive Gebietslizenz vor einem<br />
Angebot aus einem <strong>an</strong>deren Mitgliedstaat<br />
geschützt.<br />
Der Ausblick<br />
In der Diskussion sind bereits alternative Verwertungsmodelle<br />
für Rechteinhaber, die nicht<br />
auf einer territorialen Beschränkung beruhen.<br />
So dürfte eine zeitlich gestaffelte Auswertung<br />
eines Rechts auch nach dem <strong>EuGH</strong>-<strong>Urteil</strong><br />
noch möglich sein. Diese Lösung könnte<br />
aber für den Rechteinhaber <strong>zu</strong> fin<strong>an</strong>ziellen<br />
Einbußen führen, da der Erstverwertungsmarkt<br />
häufig nicht ergiebig genug ist, um die<br />
fin<strong>an</strong>ziell weniger lukrative Zweitverwertung<br />
aus<strong>zu</strong>gleichen. Zudem leben gerade Sportereignisse<br />
von Aktualität. So k<strong>an</strong>n die nachträgliche<br />
Übertragung eines Fußballspiels<br />
nicht mit einer Live-Übertragung verglichen<br />
werden.<br />
Auch eine sprachliche Aufspaltung von Verwertungsrechten<br />
ist in Zukunft nicht ausgeschlossen.<br />
Denn die Verwerter können ihre jeweilige<br />
Sprachfassung europaweit <strong>an</strong>bieten.<br />
Allerdings wird die entsprechende Sendung<br />
regelmäßig nur in dem L<strong>an</strong>d auf gesteigertes<br />
Interesse stoßen, in dessen Sprache sie erfolgt.<br />
Da in Europa die Sprachgrenzen in aller<br />
Regel den nationalen Grenzen entsprechen,<br />
ergibt sich damit de facto eine ähnliche Beschränkung<br />
der Auswertbarkeit eines Rechts<br />
wie bei einer territorialen Rechtevergabe.<br />
Eine Ausnahme mag die Übertragung von<br />
<strong>Sportereignissen</strong> wie Fußballspielen darstellen,<br />
da hier die Sprache regelmäßig nur eine<br />
untergeordnete Rolle spielt.<br />
Der <strong>EuGH</strong> erwähnt in seinen Ausführungen<br />
<strong>zu</strong>dem, dass der Rechteinhaber durch nichts<br />
gehindert sei, die Vergütung für die Übertragungsrechte<br />
auf einen Betrag <strong>zu</strong> erhöhen,<br />
der der tatsächlichen und potenziellen Einschaltquote<br />
sowohl im Sendemitgliedstaat<br />
als auch in jedem <strong>an</strong>deren Mitgliedstaat, in<br />
dem die Sendung empf<strong>an</strong>gen werden k<strong>an</strong>n,<br />
Rechnung trägt. Gemeint ist wohl, dass der<br />
Rechteinhaber die Rechte lediglich <strong>an</strong> einen<br />
Verwerter vergeben und hierfür eine höhere<br />
Vergütung verl<strong>an</strong>gen k<strong>an</strong>n, da die Verwertung<br />
europaweit stattfindet. Eine solche<br />
Vergütung wäre aber wahrscheinlich derart<br />
hoch, dass sie sich nur wenige Sendeunternehmen<br />
leisten könnten. Ob hierdurch das<br />
Ziel, den Wettbewerb unter den Sendeunternehmen<br />
<strong>zu</strong> fördern, erreicht werden k<strong>an</strong>n, ist<br />
fraglich.<br />
Schließlich stellte der <strong>EuGH</strong> klar, dass der<br />
FAPL <strong>zu</strong>mindest für einzelne Elemente der<br />
Sendungen, wie <strong>zu</strong>m Beispiel im Hinblick<br />
auf Auftaktvideosequenzen, die Hymne der<br />
Premier League oder verwendete Grafiken,<br />
urheberrechtlicher Schutz <strong>zu</strong>kommen k<strong>an</strong>n.<br />
Selbst wenn also die FAPL bzw. die exklusiven<br />
Lizenznehmer künftig ihre Gebietsexklusivität<br />
nicht mehr gegenüber <strong>an</strong>deren Lizenznehmern<br />
durchsetzen können, bedeutet dies<br />
nicht, dass die entsprechenden Sendungen<br />
frei genutzt oder verwertet werden können.<br />
Urheberrechtlich relev<strong>an</strong>te H<strong>an</strong>dlungen setzen<br />
nach wie vor die Einwilligung des Rechteinhabers<br />
voraus.<br />
JUST. November 2011
Der America Invents Act: Die Reform des<br />
U.S. Patentrechts im Überblick<br />
Interview mit Dr. Robert Loef, Büro New York<br />
Am 16. September 2011 hat Präsident<br />
Obama den seit l<strong>an</strong>gem erwarteten<br />
„Leahy-Smith America<br />
Invents Act“ (nachfolgend “Invents Act”) unterzeichnet.<br />
Der Invents Act stellt die erste<br />
größere Überarbeitung des Patent Act von<br />
1952 dar und enthält entscheidende verfahrensrechtliche<br />
Änderungen, sowohl im Bereich<br />
der Erteilung als auch der gerichtlichen<br />
Durchset<strong>zu</strong>ng von Patenten. Ein Überblick<br />
über die wichtigsten Neuerungen und ihre<br />
Relev<strong>an</strong>z für Patentinhaber.<br />
Wie kam es <strong>zu</strong> der Reform und welche Ziele<br />
umfasst sie?<br />
„Über die Frage der Notwendigkeit einer Reform<br />
des U.S.-Patentrechts wird bereits seit vielen<br />
Jahren debattiert. Anlass gab die teilweise<br />
fragwürdige Qualität bisl<strong>an</strong>g erteilter Patente,<br />
steigende Tr<strong>an</strong>saktionskosten und die Uneinheitlichkeit<br />
des Patentschutzes im internationalen<br />
Vergleich. Neben <strong>an</strong>deren Neuerungen<br />
wurden die Einführung einer Regelung <strong>zu</strong>r<br />
Anfechtung neu erteilter Patente nach deren<br />
Erteilung, Änderungen <strong>zu</strong>r Vereinfachung und<br />
Kostenreduzierung von Patentstreitigkeiten<br />
und die Anpassung des U.S.-Patentrechts <strong>an</strong><br />
das europäische und das jap<strong>an</strong>ische Patentrecht<br />
vorgeschlagen.“<br />
Welche Änderungen wurden von der Reform<br />
umgesetzt?<br />
„Die wichtigste Änderung im Rahmen der<br />
Reform ist der Überg<strong>an</strong>g vom Ersterfinder-<br />
System (‚first to invent‘) <strong>zu</strong>m Erst<strong>an</strong>melder-<br />
System (‚first to file‘). Dies bedeutet, dass es in<br />
den U.S.A. für die Erteilung von Patenten <strong>zu</strong>künftig<br />
– wie überall sonst auf der Welt – grundsätzlich<br />
darauf <strong>an</strong>kommen wird, wer als erstes<br />
ein Patent für eine bestimmte Technologie<br />
<strong>an</strong>meldet und nicht, wer als erster die entsprechende<br />
Techno-logie erfunden hat. Mit dieser<br />
Änderung wird das im Ersterfinder-System bei<br />
Streitigkeiten zwischen Patent<strong>an</strong>tragstellern<br />
<strong>zu</strong>r Bestimmung des tatsächlichen Erfinders<br />
<strong>zu</strong>r Anwendung kommende ‚Interference-Verfahren‘<br />
aufgehoben. Die Änderung tritt jedoch<br />
nicht sofort, sondern erst am 16. März 2013 in<br />
Kraft.“<br />
Gibt es Ausnahmen vom neuen Erst<strong>an</strong>melderprinzip?<br />
„Es gibt zwei wesentliche Ausnahmen: Der Erfinder<br />
k<strong>an</strong>n seine Rechte <strong>an</strong> einer Erfindung<br />
nunmehr durch Offenlegung gegenüber dem<br />
U.S. Patent Trademark Office (PTO) wahren;<br />
es wird also faktisch eine Neuheitsschonfrist<br />
eingeführt. Der Erfinder muss (1) die Erfindung<br />
offenlegen, bevor ein <strong>an</strong>derer die Erfindung<br />
<strong>zu</strong>m Patent <strong>an</strong>meldet und (2) das Patent innerhalb<br />
eines Jahres nach dieser Offenlegung <strong>an</strong>melden.<br />
Der Invents Act definiert den Begriff der<br />
‚Offenlegung‘ nicht, es ist jedoch davon aus<strong>zu</strong>gehen,<br />
dass der Begriff jegliche neuheitsschädliche<br />
Offenlegung umfasst. Hier ist die entsprechende<br />
U.S.-Rechtsprechung ab<strong>zu</strong>warten.<br />
Zum <strong>an</strong>deren ist im Invents Act ein so gen<strong>an</strong>ntes<br />
‚Derivation-Verfahren‘ (im deutschen Recht<br />
als Patentvindikation bek<strong>an</strong>nt) vorgesehen.<br />
JUST. STATEMENT<br />
D<strong>an</strong>ach k<strong>an</strong>n ein Erfinder von einem Dritten<br />
die Übertragung von Patentrechten verl<strong>an</strong>gen,<br />
wenn dieser ohne Erlaubnis des Erfinders<br />
dessen Erfindung im Rahmen einer früheren<br />
Patent<strong>an</strong>meldung verwendet hat. Das Derivation-Verfahren<br />
wird das bisherige Interference-<br />
Verfahren ersetzen. Um sich gegen die frühere<br />
Patent<strong>an</strong>meldung eines Dritten durch<strong>zu</strong>setzen,<br />
muss der Antragsteller nunmehr nicht nur<br />
nachweisen, dass er als Erster die Erfindung gemacht<br />
hat, sondern auch, dass er dem früheren<br />
Anmelder die Erfindung bek<strong>an</strong>ntgegeben hat.<br />
Derivation-Verfahren müssen innerhalb von<br />
zehn Jahren seit der widerrechtlichen Aneignung<br />
und innerhalb eines Jahres seit der Befassung<br />
des PTO mit dem Sachverhalt eingeleitet<br />
werden.<br />
Angesichts dessen ist es heute mehr denn je<br />
ratsam, Patente auch in den U.S.A. möglichst<br />
rasch <strong>an</strong><strong>zu</strong>melden. Außerdem sollten Patent-<br />
<strong>an</strong>träge Dritter proaktiv überwacht werden.<br />
Denn sol<strong>an</strong>ge ein Patent<strong>an</strong>trag <strong>an</strong>hängig<br />
ist, können Personen oder Unternehmen<br />
dem PTO Informationen vorlegen, um nach<strong>zu</strong>weisen,<br />
dass die Erfindung des Antrag-<br />
stellers nicht neu und somit nicht patentierbar<br />
ist.“<br />
Wird es nun einfacher, Patente Dritter <strong>an</strong><strong>zu</strong>fechten?<br />
„Im neuen Invents Act sind erweiterte Verfahren<br />
<strong>zu</strong>r Anfechtung von US-Patenten und Patent<strong>an</strong>trägen<br />
durch Dritte vorgesehen. So können<br />
Dritte dem PTO früher veröffentlichte Patente,<br />
Anträge und sonstige Publikationen vorlegen,<br />
die vom Patentprüfer im Rahmen der Prüfung<br />
des Antrags auf Patentierbarkeit <strong>zu</strong> berücksichtigen<br />
sind (so gen<strong>an</strong>nte ‚pre-issu<strong>an</strong>ce submissions‘).<br />
Des Weiteren wird ab dem 16. September<br />
2012 ein Verfahren <strong>zu</strong>r Überprüfung eines<br />
Patents nach erfolgter Erteilung (‚post-gr<strong>an</strong>t<br />
review proceedings‘) eingeführt. Dieses Ver-<br />
fahren ist mit dem europäischen Patenteinspruchsverfahren<br />
vergleichbar. Es ermöglicht<br />
Dritten, ein Patent über einen Zeitraum von<br />
neun Monaten nach Erteilung des Patents aus<br />
gesetzlich festgelegtem Grund vor dem PTO <strong>an</strong><strong>zu</strong>fechten.<br />
Schließlich wird die so gen<strong>an</strong>nte ‚inter Partes<br />
re-examination‘ (Nachprüfung inter partes)<br />
durch eine so gen<strong>an</strong>nte ‚inter partes review‘<br />
(Überprüfung inter partes) ersetzt, nach dem<br />
ein erteiltes Patent ausschließlich aus S. 4<br />
JUST. November 2011 3
JUST. STATEMENT<br />
FortSet<strong>zu</strong>ng von S. 3<br />
Gründen fehlender<br />
Neuheit oder Erfindungshöhe (‚non-obviousness‘)<br />
durch Dritte <strong>an</strong>gefochten werden k<strong>an</strong>n.<br />
Dieses Verfahren k<strong>an</strong>n nach Ablauf von neun<br />
Monaten nach Patenterteilung bzw. dem Abschluss<br />
eines Post-gr<strong>an</strong>t-review-Verfahrens<br />
eingeleitet werden.<br />
Sowohl das Post-gr<strong>an</strong>t-review-Verfahren als<br />
auch die ‚Inter Partes Review‘ dürfte <strong>zu</strong> einer<br />
Beschleunigung des Verfahrens insgesamt beitragen:<br />
Innerhalb eines Jahres nach Einleitung<br />
des Verfahrens sollte eine abschließende Entscheidung<br />
ergehen.“<br />
Was sollten unsere M<strong>an</strong>daten im Hinblick auf<br />
die Reform berücksichtigen? Gibt es aktuellen<br />
H<strong>an</strong>dlungsbedarf?<br />
„Im Invents Act wird unter <strong>an</strong>derem der Umf<strong>an</strong>g<br />
des bei der Patenterteilung <strong>zu</strong> berücksichtigenden<br />
‚St<strong>an</strong>d der Technik‘ in 35 U.S.C.<br />
§ 102 neu geregelt: Bei Veröffentlichungen wird<br />
in Zukunft nicht mehr d<strong>an</strong>ach unterschieden,<br />
ob diese in den USA oder außerhalb der USA<br />
erfolgt sind. Außerdem wird durch Einführung<br />
des Zusatzes ‚otherwise making available to<br />
the public‘ der bei der Neuheitsprüfung <strong>zu</strong> berücksichtigende<br />
Maßstab <strong>an</strong> die europäische<br />
Praxis <strong>an</strong>gepasst. Es wird also in Zukunft für die<br />
Beurteilung der Neuheit und der Erfindungshöhe<br />
ein breiteres Spektrum von Referenzen<br />
her<strong>an</strong>gezogen werden können. Vor diesem<br />
Hintergrund k<strong>an</strong>n es daher ratsam sein, eine<br />
Patent<strong>an</strong>meldung noch vor dem Inkrafttreten<br />
dieser Neuerung am 16. März 2013 <strong>zu</strong> stellen,<br />
um von den milderen Bestimmungen der aktuellen<br />
Gesetzeslage <strong>zu</strong> profitieren.“<br />
Gibt es spezifische Regelungen für Patente betreffend<br />
Geschäftsmethoden?<br />
„Nach dem Invents Act sind die Patentierung<br />
von Steuerstrategien (‚tax strategies‘) sowie<br />
Erfindungen, die sich auf menschliche Org<strong>an</strong>ismen<br />
beziehen oder solche umfassen, ausdrücklich<br />
ausgeschlossen – ohne dass jedoch<br />
die Patentierbarkeit von Geschäftsmethoden<br />
im allgemeinen geregelt wird.<br />
Der Invents Act enthält <strong>zu</strong>dem Überg<strong>an</strong>gsbestimmungen<br />
hinsichtlich der Überprüfung von<br />
Patenten nach Erteilung (‚post gr<strong>an</strong>t review‘)<br />
für patentgeschützte Geschäftsmethoden im<br />
Zusammenh<strong>an</strong>g mit Fin<strong>an</strong>zprodukten und<br />
Fin<strong>an</strong>zdienstleistungen. Diese k<strong>an</strong>n von Parteien<br />
<strong>an</strong>gestoßen werden, denen die Verlet<strong>zu</strong>ng<br />
solcher Patente <strong>zu</strong>r Last gelegt wird.<br />
Schließlich wurde in Patentverlet<strong>zu</strong>ngsstreitigkeiten<br />
die Möglichkeit der Verteidigung auf der<br />
Grundlage vorheriger kommerzieller Nut<strong>zu</strong>ng<br />
(‚prior use‘) erheblich ausgeweitet. § 273 des<br />
derzeit geltenden Patent Acts sieht für frühere<br />
Anwender einer Geschäftsmethode die Mög-<br />
4<br />
lichkeit einer Verteidigung gegen Patentverlet<strong>zu</strong>ngen<br />
lediglich d<strong>an</strong>n vor, wenn derjenige<br />
ein Patent für die fragliche Methode erworben<br />
hat. Der Invents Act weitet nun das Vorbenut<strong>zu</strong>ngsrecht<br />
auf bereits früher existierende Vorbenutzer<br />
von möglichen Patentgegenständen<br />
aus. Der Patentgegenst<strong>an</strong>d muss jedoch mindestens<br />
ein Jahr vor dem Anmeldedatum der<br />
Erfindung oder dem Zeitpunkt der ersten Offenlegung<br />
der be<strong>an</strong>spruchten Erfindung kommerziell<br />
in den USA genutzt worden sein, um diese<br />
Verteidigung im Patentverlet<strong>zu</strong>ngsverfahren<br />
erfolgreich vorbringen <strong>zu</strong> können.<br />
Gibt es weitere durch den Invents Act eingeführte<br />
Änderungen, auf die Sie aufmerksam<br />
machen wollen?<br />
„Patentinhaber können vom PTO verl<strong>an</strong>gen,<br />
<strong>zu</strong>sätzliche Prüfungen bezüglich eines erteilten<br />
Patents durch<strong>zu</strong>führen. Hierdurch können<br />
Patent-inhaber potenzielle Vollstreckungshindernisse<br />
vermeiden. Außerdem wird die Nichtbek<strong>an</strong>ntgabe<br />
der besten Ausführungsart (‚best<br />
mode‘) nicht mehr automatisch als ‚unbilliges<br />
Verhalten‘ <strong>an</strong>gesehen, das <strong>zu</strong>r Unwirksamkeit<br />
eines erteilten Patents führt.<br />
Des Weiteren enthält der Invents Act Regelungen,<br />
die es Unternehmen mit großen<br />
Forschungsabteilungen ermöglichen, durch<br />
Beschränkung des vorbek<strong>an</strong>nten St<strong>an</strong>ds der<br />
Technik desselben Inhabers <strong>zu</strong> vermeiden,<br />
dass der durch sie selbst entwickelte St<strong>an</strong>d der<br />
Technik gegen sie verwendet wird.<br />
Schließlich genügt nach dem Invents Act <strong>zu</strong>r<br />
Verbindung von Patentverlet<strong>zu</strong>ngsklagen gegen<br />
mehrere Beklagte nicht mehr lediglich die<br />
Behauptung, dass jeder der Beklagten einzeln<br />
und separat gegen das streitgegenständliche<br />
Patent verstoßen habe. Hierdurch dürfte<br />
die Profitabilität so gen<strong>an</strong>nter ‚Patent Trolls‘,<br />
die versuchen, Patente durch breit <strong>an</strong>gelegte<br />
Prozesskampagnen <strong>zu</strong> Geld <strong>zu</strong> machen, beschränkt<br />
werden.“<br />
Glauben Sie, dass die Reform ihre Ziele erreicht<br />
hat?<br />
„M<strong>an</strong>ch einer hätte sich sicher gewünscht, dass<br />
die Reform einen Schritt weiter geht. Viele Lobbygruppen<br />
jedoch haben diese Pläne unterlaufen.<br />
Aus meiner Sicht ist die Reform auf jeden<br />
Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Als Beispiel<br />
sei das neue Fin<strong>an</strong>zierungssystem des PTO<br />
gen<strong>an</strong>nt: Obwohl es kritisiert wird, dürfte es<br />
da<strong>zu</strong> beitragen, den Rückst<strong>an</strong>d von ca. 700.000<br />
Patenten <strong>zu</strong> dezimieren. Damit ist etwa auch<br />
ein Anstieg der allgemeinen Gebühren um 15<br />
Prozent verbunden; dafür gibt es jedoch nun<br />
auch die Möglichkeit eines beschleunigten<br />
Verfahrens. Des Weiteren wird das PTO Programme<br />
auflegen, um kleinere Unternehmen<br />
in patentrechtlichen Fragen <strong>zu</strong> unterstützen,<br />
sowie eine neue Kategorie von so gen<strong>an</strong>nten<br />
Mikrounternehmen schaffen, die berechtigt<br />
sind, in den Genuss eines 75-prozentigen Gebührenerlasses<br />
<strong>zu</strong> kommen.<br />
Der Erfolg der Reform wird sich jedoch erst im<br />
Laufe der Zeit zeigen. In der aktuellen wirtschaftlichen<br />
Situation sind Patente Vermögenswerte,<br />
die <strong>zu</strong>nehmend genutzt werden, um<br />
Gewinne <strong>zu</strong> erzielen. Die zwischen Samsung,<br />
Google, Apple und <strong>an</strong>deren geführten Patentgefechte<br />
um Smartphones und Tablet-Computer<br />
sind lediglich die Spitze des Eisbergs.“<br />
JUST.<br />
november 2011<br />
KAlEnDER<br />
2011<br />
17./18.11 Alic<strong>an</strong>te, Sp<strong>an</strong>ien<br />
VI. Konferenz des Gemeinschaftsmarkengerichts<br />
Tagung, Rechts<strong>an</strong>waltskammer Alic<strong>an</strong>te,<br />
HABM u. a.<br />
Teilnehmer: Dr. Tobias Dolde,<br />
Michael Hawkins<br />
Sprache: Sp<strong>an</strong>isch<br />
23./24.11 Köln<br />
Fördermittel für F&E-Projekte<br />
Seminar, Euroforum<br />
Referent: Dr. Sebasti<strong>an</strong> Wündisch, LL.M.<br />
Sprache: Deutsch<br />
Dezember 2011<br />
8.12. Dublin, Irl<strong>an</strong>d<br />
Europe<strong>an</strong> Trademark Reforms<br />
Conference<br />
Konferenz, INTA<br />
Teilnehmer: Michael Hawkins<br />
Sprache: Englisch<br />
8./9.12. Dresden<br />
Fördermittel für F&E-Projekte<br />
Seminar, Euroforum<br />
Referent: Dr. Sebasti<strong>an</strong> Wündisch, LL.M.<br />
Sprache: Deutsch<br />
9.12. München<br />
Arbeitssit<strong>zu</strong>ng des Instituts für<br />
Urheber- und Medienrecht<br />
„Der Fall Karen Murphy – ist der <strong>EuGH</strong> der<br />
Totengräber der Exklusivlizenz?“<br />
Vortrag, Institut für Urheber- und<br />
Medienrecht<br />
Referent: Prof. Dr. Joh<strong>an</strong>nes Kreile<br />
Sprache: Deutsch<br />
Vorschau Februar 2012<br />
13.2. Berlin<br />
<strong>Noerr</strong> auf der Berlinale<br />
Podiumsdiskussion im Rahmen des<br />
Filmfestivals, <strong>Noerr</strong> LLP<br />
Teilnehmer: Prof. Dr. Joh<strong>an</strong>nes Kreile,<br />
Dr. Martin Diesbach u. a.<br />
Sprache: Deutsch<br />
JUST. November 2011
JUST. KOMMENTAR<br />
E-Mail-Werbung in bestehenden Kundenbeziehungen –<br />
Werbung ohne ausdrückliche Einwilligung?<br />
von Philipp Schröler, Büro Düsseldorf<br />
Das Wettbewerbsrecht erlaubt Werbung<br />
unter Einsatz von E-Mails<br />
nur mit vorheriger ausdrücklicher<br />
Einwilligung des Adressaten – unabhängig<br />
davon, ob ein Gewerbetreibender oder eine<br />
Privatperson <strong>an</strong>geschrieben wird, § 7 Abs. 2<br />
Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren<br />
Wettbewerb (UWG). Ausnahmen sieht das<br />
Gesetz in § 7 Abs. 3 UWG für Werbung innerhalb<br />
bestehender Kundenbeziehungen vor.<br />
Die Ausnahme des § 7 Abs. 3 UWG soll dem<br />
Unternehmer die Möglichkeit geben, eine bereits<br />
bestehende Kundenbeziehung <strong>zu</strong> pflegen.<br />
Dabei wird die Norm als gesetzlich geregelter<br />
Fall der mutmaßlichen Einwilligung des<br />
Adressaten <strong>an</strong>gesehen. Unter folgenden kumulativen<br />
Vorausset<strong>zu</strong>ngen ist die Werbung<br />
per E-Mail ohne ausdrückliche Einwilligung<br />
des Adressaten erlaubt:<br />
Erhalt der E-Mail-Adresse im Zusammenh<strong>an</strong>g<br />
mit dem Verkauf<br />
einer Ware oder Dienstleistung<br />
Der Unternehmer muss die Adresse im Rahmen<br />
eines Vertragsschlusses unmittelbar<br />
vom Kunden erl<strong>an</strong>gt haben. Grundsätzlich<br />
ist jede Art von Vertragsverhältnis geeignet,<br />
auch Dauerschuldverhältnisse. Eine bloße<br />
Anfrage oder eine Vertrags<strong>an</strong>bahnung reicht<br />
nicht aus. Ob nachträgliche Ereignisse wie<br />
Anfechtung oder Rücktritt Auswirkungen auf<br />
die Zulässigkeit der Werbung haben, ist durch<br />
die Rechtsprechung noch nicht geklärt. Zur<br />
Sicherheit sollte daher in Fällen, in denen das<br />
Vertragsverhältnis „rückabgewickelt“ wurde,<br />
auf E-Mail-Werbung ohne ausdrückliche Einwilligung<br />
verzichtet werden.<br />
Eigene ähnliche Waren oder<br />
Dienstleistungen<br />
Die erhaltene Adresse darf der Werbende nur<br />
für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen<br />
verwenden. Werbender in diesem Sinne<br />
ist nur die natürliche oder juristische Person,<br />
die die Adresse vom Betroffenen im Rahmen<br />
des Vertragsschlusses erhalten hat. Bei juristischen<br />
Personen darf die Adresse weder<br />
<strong>zu</strong>r Werbung durch die Gesellschafter noch<br />
durch konzern<strong>zu</strong>gehörige Gesellschaften<br />
verwendet werden. Ähnlichkeit der Waren<br />
oder Dienstleistungen ist gegeben, wenn die<br />
beworbenen Produkte dem gleichen Bedarf<br />
oder Verwendungszweck dienen wie die bereits<br />
gekauften Waren. Die Produkte müssen<br />
aus Verbrauchersicht austauschbar sein. In<br />
diesem Zusammenh<strong>an</strong>g ist noch nicht vollständig<br />
geklärt, wie weit das Kriterium der<br />
Austauschbarkeit reicht. Es spricht jedoch<br />
einiges dafür, dass die Vorschrift als Ausnahmetatbest<strong>an</strong>d<br />
eng aus<strong>zu</strong>legen ist. Daher ist<br />
fraglich, ob die Vorschrift auch Werbung für<br />
lediglich verw<strong>an</strong>dte Produkte, deren Eigenschaften<br />
nicht vollständig mit den bereits<br />
erworbenen Waren oder Dienstleistungen<br />
identisch sind – insbesondere Zubehör – erfasst.<br />
Gesicherte Rechtsprechung hier<strong>zu</strong> gibt<br />
es bisl<strong>an</strong>g nicht. Daher sollten Werbe-E-Mails<br />
in der Praxis, soweit diese auf der Ausnahme<br />
des § 7 Abs. 3 UWG beruhen, <strong>zu</strong>r Vermeidung<br />
von Abmahnungen vorsorglich auf tatsächlich<br />
austauschbare/identische Produkte beschränkt<br />
werden.<br />
Belehrung über Widerspruchsrecht<br />
und kein Widerspruch<br />
Gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3 und 4 UWG ist der Kunde<br />
bei der Erhebung der E-Mail-Adresse sowie<br />
bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf<br />
hin<strong>zu</strong>weisen, dass er der Verwendung jederzeit<br />
widersprechen k<strong>an</strong>n, ohne dass dafür<br />
über die Basistarife hinausgehende Kosten<br />
entstehen. Damit der Adressat sein Widerspruchsrecht<br />
effektiv ausüben k<strong>an</strong>n, muss<br />
der Werbende eine gültige Adresse <strong>an</strong>geben,<br />
unter der die Werbung abbestellt werden<br />
k<strong>an</strong>n. Zusätzliche Kosten, die über die Übermittlungskosten<br />
nach den bloßen Basistarifen<br />
hinausgehen, dürfen nicht erhoben werden.<br />
Hat der Vertragspartner ausdrücklich oder<br />
konkludent widersprochen, ist jede weitere<br />
Werbung (ohne ausdrückliche Einwilligungserklärung)<br />
un<strong>zu</strong>lässig.<br />
JUST. November 2011 5<br />
Fazit<br />
Die gesetzliche Ausnahme bietet Unternehmen<br />
zwar die Möglichkeit, E-Mail-Werbung<br />
ohne ausdrückliche Einwilligung des Adressaten<br />
vor<strong>zu</strong>nehmen. Interessierte sollten jedoch<br />
sorgfältig prüfen, ob sie von dieser Regelung<br />
Gebrauch machen wollen. Denn der Werbende<br />
trägt die Beweislast für die Einwilligung<br />
und/oder Ausnahme nach § 7 Abs. 3 UWG.<br />
Einzelne Fragen <strong>zu</strong>r Reichweite der Ausnahmeregelung<br />
sind <strong>zu</strong>dem durch die Rechtsprechung<br />
noch nicht geklärt. Wer wirklich abgesichert<br />
sein will, sollte deshalb im Rahmen<br />
von Vertragsschlüssen die ausdrückliche Einwilligung<br />
des Vertragspartners einholen, die<br />
E-Mail-Adresse <strong>zu</strong> Werbezwecken verwenden<br />
<strong>zu</strong> dürfen.
JUST. PRAxIS TIPP<br />
6<br />
Europäische lebensmittelinformationsverordnung –<br />
Kennzeichnungsrecht auf neuen Füßen<br />
von Bärbel Milsch, Büro Dresden<br />
Bei der Gestaltung von Lebensmitteletiketten<br />
spielen neben Marketing-<br />
Überlegungen kennzeichnungsrechtliche<br />
Aspekte eine immer gewichtigere<br />
Rolle: Sie beeinflussen die Gestaltung der<br />
Verpackungen und die Vermarktung der<br />
Produkte immer stärker. Die neue europäische<br />
Lebensmittelinformationsverordnung<br />
stellt das Lebensmittelkennzeichnungsrecht<br />
nunmehr auf neue Füße – und die Lebensmittelunternehmen<br />
vor neue Herausforderungen.<br />
Am 29. September 2011 haben die EU-Mitgliedsstaaten<br />
die neue Lebensmittelinformationsverordnung<br />
(LMIV) verabschiedet.<br />
Nach der Veröffentlichung der Verordnung<br />
im Amtsblatt beginnen die Überg<strong>an</strong>gsfristen<br />
der Verordnung <strong>zu</strong> laufen: Die neuen<br />
Informationspflichten <strong>zu</strong> Lebensmitteln<br />
werden drei Jahre nach Inkrafttreten (voraussichtlich<br />
ab November 2014) verbindlich,<br />
die Vorgaben <strong>zu</strong>r Nährwertdeklaration nach<br />
fünf Jahren (voraussichtlich ab November<br />
2016).<br />
Jedoch sollten diese – scheinbar – l<strong>an</strong>gen<br />
Überg<strong>an</strong>gsfristen Lebensmittelunternehmen<br />
nicht da<strong>zu</strong> verleiten, die Überprüfung<br />
der Etikettierung ihrer Produkte auf die l<strong>an</strong>ge<br />
B<strong>an</strong>k <strong>zu</strong> schieben: Die enge Verzahnung von<br />
Marketingfragen mit den strengen rechtlichen<br />
Vorgaben erfordert eine umfassende<br />
Abstimmung eines neuen Etikettendesigns,<br />
das allen Aspekten gerecht wird. Eine solche<br />
Erarbeitung ist zeitintensiv, <strong>zu</strong>mal die Vorgaben<br />
der neuen Verordnung mit ihren 59<br />
Begründungserwägungen, 55 Artikeln und<br />
15 Anhängen sehr komplex sind. Hier können<br />
Einzelfragen eine umf<strong>an</strong>greiche rechtliche<br />
Prüfung erforderlich machen. Ein kurzer<br />
Überblick soll die wichtigsten Änderungen<br />
durch die neue LMIV sowie den <strong>zu</strong> erwartenden<br />
Anpassungsbedarf abbilden:<br />
Nährwertkennzeichnung<br />
Die nunmehr verpflichtend ausgestaltete<br />
Nährwertdeklaration ist einer der Eckpfeiler<br />
der neuen Verordnung. Nach fünfjähriger<br />
Überg<strong>an</strong>gsfrist (also ab etwa November<br />
2016) sind Lebensmittelunternehmen<br />
da<strong>zu</strong> verpflichtet, mindestens Angaben<br />
<strong>zu</strong>m Brennwert sowie <strong>zu</strong> den enthaltenen<br />
Mengen <strong>an</strong> Fett, gesättigten Fettsäuren,<br />
Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz <strong>zu</strong><br />
machen. Werden entsprechende Angaben<br />
bereits vorher auf freiwilliger Basis gemacht,<br />
so sind diese Angaben bereits drei Jahre<br />
nach dem Inkrafttreten der Verordnung<br />
(voraussichtlich ab November 2014) <strong>an</strong> den<br />
Vorgaben der Verordnung <strong>zu</strong> messen. Neben<br />
dem verbindlichen Mindestinhalt darf<br />
die Nährwertdeklaration noch Angaben <strong>zu</strong><br />
einfach ungesättigten Fettsäuren, mehrfach<br />
ungesättigten Fettsäuren, mehrwertigen<br />
Alkoholen, Stärke, Ballaststoffen sowie <strong>zu</strong><br />
bestimmten in signifik<strong>an</strong>ten Mengen vorh<strong>an</strong>denen<br />
Vitaminen oder Mineralstoffen<br />
enthalten. Zu <strong>an</strong>deren Nährstoffen (<strong>zu</strong>m<br />
Beispiel Cholesterin und Tr<strong>an</strong>sfettsäuren)<br />
dürfen keine Angaben gemacht werden.<br />
Die Nährwerte sind stets bezogen auf 100 g/<br />
100 ml <strong>an</strong><strong>zu</strong>geben. Zusätzlich sind freiwillige<br />
Angaben bezogen auf die Portion sowie<br />
<strong>zu</strong> Richtwerten für die Tages<strong>zu</strong>fuhr möglich.<br />
Herkunftskennzeichnungen<br />
Die Verordnung enthält eine neue Verpflichtung<br />
<strong>zu</strong>r Herkunftskennzeichnung von<br />
Schweine-, Schafs-, Ziegen- und Geflügelfleisch.<br />
Für den Fall, dass Angaben <strong>zu</strong>m Herkunftsort<br />
eines Lebensmittels gemacht werden,<br />
enthält die Verordnung darüber hinaus<br />
eine neue Verpflichtung <strong>zu</strong>r Angabe des<br />
Herkunftsorts der Haupt<strong>zu</strong>tat, wenn dieser<br />
sich vom Herkunftsort des fertigen Lebensmittels<br />
unterscheidet. Allerdings stehen beide<br />
Verpflichtungen unter dem Vorbehalt der<br />
Durchführung so gen<strong>an</strong>nter „Folgenabschät<strong>zu</strong>ngen“:<br />
Es muss vorab geklärt werden, mit<br />
welchem Aufw<strong>an</strong>d und welchen Kosten die<br />
Verpflichtung <strong>zu</strong> solchen Herkunfts<strong>an</strong>gaben<br />
verbunden ist. Nach der Durchführung der<br />
Folgenabschät<strong>zu</strong>ngen erlässt die Kommission<br />
gegebenenfalls Durchführungsrechtsakte,<br />
mit denen die Modalitäten der neuen<br />
Informationspflichten festgelegt werden.<br />
Zurzeit ist noch nicht klar, ob – und wenn ja,<br />
w<strong>an</strong>n – es diese neuen Herkunftskennzeichnungsverpflichtungen<br />
geben wird.<br />
Die Akteure der Lebensmittelwirtschaft<br />
sollten ihre Interessen daher insbesondere<br />
durch aktive Beteiligung <strong>an</strong> den <strong>an</strong>stehenden<br />
Folgenabschät<strong>zu</strong>ngen wahrnehmen:<br />
Voraussehbare negative Effekte der Herkunftskennzeichnungsverpflichtungensollten<br />
der Kommission möglichst frühzeitig<br />
aufgezeigt werden, damit diese bei der Erarbeitung,<br />
Bewertung und Überprüfung des<br />
Lebensmittelinformationsrechts <strong>an</strong>gemessen<br />
berücksichtigt werden können.<br />
Sonstige Neuerungen<br />
Mindestschriftgröße: Die LMIV verpflichtet<br />
da<strong>zu</strong>, für Pflicht<strong>an</strong>gaben bei der Etikettierung<br />
eine Mindestschriftgröße von 1,2 Millimetern<br />
ein<strong>zu</strong>halten. Bei Lebensmitteln in<br />
Fertigpackungen, deren größte Oberfläche<br />
weniger als 80 Kubikzentimeter ausmacht,<br />
müssen es 0,9 Millimeter sein. Be<strong>zu</strong>gspunkt<br />
dieser Vorgabe ist die Größe des kleinen<br />
„x“. Darüber hinaus enthält die LMIV eine<br />
eigenständige Verpflichtung, die Angaben<br />
„so auf<strong>zu</strong>drucken, dass eine gute Lesbarkeit<br />
sichergestellt ist“.<br />
Lebensmittelimitate: Bei so gen<strong>an</strong>nten Lebensmittelimitaten<br />
muss unter <strong>an</strong>derem die<br />
Ersatz<strong>zu</strong>tat in unmittelbarer Nähe der Produktbezeichnung<br />
gen<strong>an</strong>nt werden – und<br />
zwar mindestens in einer Schriftgröße, die<br />
75 Prozent der Schriftgröße der Produktbezeichnung<br />
ausmacht und nicht kleiner als<br />
1,2 Millimeter ist.<br />
Allergene Zutaten: Die Verordnung enthält<br />
die Verpflichtung, dass diese durch eine<br />
Schriftdarstellung hervor<strong>zu</strong>heben sind, die<br />
sie vom Rest des Zutatenverzeichnisses<br />
abhebt, entweder durch die Schriftart, den<br />
Schriftstil oder die Hintergrundfarbe.<br />
JUST. November 2011
Produktregulierung als Risiko für Online-Händler<br />
von Martin A. Ahlhaus, Büro München<br />
Die Stärkung von Verbraucherinformationsrechten<br />
stellt Online-Händler<br />
vor neue Herausforderungen: Aktuell<br />
gibt es verstärkt Verbraucher<strong>an</strong>fragen auf Basis<br />
des Europäischen Chemikalienrechts, die<br />
nahe<strong>zu</strong> alle Produkte betreffen können. Deutsche<br />
Behörden wollen die Anforderungen<br />
jetzt weiter verschärfen.<br />
Hintergrund<br />
Verbraucher haben Anspruch darauf, dass<br />
ihnen der Liefer<strong>an</strong>t eines Produkts auf Verl<strong>an</strong>gen<br />
binnen 45 Tagen mitteilt, ob in dem<br />
gelieferten Produkt ein besonders besorgniserregender<br />
Stoff in einer Konzentration von<br />
mehr als 0,1 Masseprozent enthalten ist. Dieses<br />
Recht folgt aus Art. 33 (2) der so gen<strong>an</strong>nten<br />
REACH-Verordnung. Der Liefer<strong>an</strong>t hat auch<br />
die für eine sichere Verwendung des Produkts<br />
ausreichenden Informationen <strong>zu</strong>r Verfügung<br />
<strong>zu</strong> stellen, mindestens aber den Namen des<br />
betreffenden Stoffs. Eine Liste der besonders<br />
besorgniserregenden Stoffe ist abrufbar bei<br />
der Europäischen Chemikalienagentur ECHA<br />
(unter http://echa.europa.eu/chem_data/<br />
authorisation_process/c<strong>an</strong>didate_list_table_en.asp).<br />
Das Informationsrecht kennt grundsätzlich<br />
keine Einschränkungen. Erfasst wird jedes<br />
Erzeugnis, das heißt unter <strong>an</strong>derem auch IT-<br />
Equipment, Bekleidung, Schmuck, Möbel,<br />
Spielzeug, Bücher, CDs/DVDs. Ferner betrifft<br />
die Regelung neue Produkte ebenso wie gebrauchte<br />
Waren und sogar Antiquitäten. Be-<br />
troffen sind allerdings nur gewerbliche Anbieter;<br />
der Privatverkauf ist nicht erfasst.<br />
Jedes einzelne Bauteil<br />
Bisl<strong>an</strong>g galt, dass sich die Information stets auf<br />
das Erzeugnis „wie geliefert“ <strong>zu</strong> beziehen hatte.<br />
In Deutschl<strong>an</strong>d sollen nun abweichend auch<br />
bei komplexen Produkten, <strong>zu</strong>m Beispiel einer<br />
Spielekonsole, Informationen <strong>zu</strong> jedem einzelnen<br />
Bauteil geliefert werden. Für jedes Bauteil<br />
wäre d<strong>an</strong>n <strong>zu</strong> bestimmen, ob die Konzentration<br />
von mehr als 0,1 Masseprozent überschritten<br />
wird.<br />
Die Fülle der nach dieser Auffassung künftig<br />
<strong>zu</strong> verwaltenden Informationen ist kaum abschätzbar.<br />
Gerade Online-Händler mit breiter<br />
Produktpalette und wechselnden Angeboten<br />
werden ein umfassendes Informationsm<strong>an</strong>agement<br />
kaum leisten können. Denn der Informations<strong>an</strong>spruch<br />
ist zeitlich nicht befristet und k<strong>an</strong>n<br />
auch noch l<strong>an</strong>ge nach dem Kauf der Ware geltend<br />
gemacht werden, selbst wenn das Produkt<br />
längst nicht mehr im Sortiment geführt wird.<br />
Ein Weiteres kommt hin<strong>zu</strong>: Bei Warengeschäften<br />
die „business-to-business“ abgewickelt werden,<br />
müssen die entsprechenden Informationen<br />
stets automatisch geliefert werden. Auf ein<br />
Verl<strong>an</strong>gen des Kunden kommt es nicht <strong>an</strong>. Im<br />
Online-H<strong>an</strong>del wird aber nur selten zwischen<br />
gewerblichen und privaten Kunden unterschieden.<br />
Das macht den Online-H<strong>an</strong>del für Verstöße<br />
gegen die Informationspflichten besonders<br />
<strong>an</strong>fällig.<br />
JUST. FOCUS<br />
Verwerfungen im EU-Binnenmarkt<br />
Für Unternehmen, die mit Online-Shops aus<br />
dem Ausl<strong>an</strong>d Waren nach Deutschl<strong>an</strong>d vertreiben,<br />
stellt sich ein <strong>zu</strong>sätzliches Problem. Selbst<br />
wenn die Informationspflichten nach der bisherigen<br />
– und in vielen EU-Mitgliedsstaaten<br />
weiterhin gültigen – Interpretation des Art. 33<br />
REACH geliefert werden, drohen weitergehende<br />
Anforderungen der deutschen Verbraucher<br />
und Behörden. Damit drohen Verwerfungen<br />
im EU-Binnenmarkt. Schon deshalb sind nahe<strong>zu</strong><br />
alle Industrie- und H<strong>an</strong>delsverbände<br />
derzeit darum bemüht, die deutschen Behörden<br />
von einer derartigen Interpretation ab<strong>zu</strong>bringen<br />
und haben sich bereits <strong>an</strong> die Politik<br />
gew<strong>an</strong>dt. Eine Klärung ist aber noch nicht in<br />
Sicht, auch wenn die EU-Kommission erst<br />
jüngst mit Schreiben vom 14. Oktober 2011<br />
nochmals einen einheitlichen Voll<strong>zu</strong>g in allen<br />
Mitgliedsstaaten <strong>an</strong>gemahnt hat.<br />
Doch nicht nur der EU-Binnenmarkt spricht<br />
gegen die abweichende Auffassung Deutschl<strong>an</strong>ds.<br />
Auch der Juristische Dienst der EU-Kommission<br />
hat die Auffassung der <strong>zu</strong>ständigen<br />
ECHA und zahlreicher <strong>an</strong>derer EU-Mitgliedsstaaten<br />
bestätigt. Voraussichtlich wird aber<br />
erst eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs<br />
den Streit um die Anwendung des<br />
Informationsrechts verbindlich klären. Das<br />
hält insbesondere Verbraucherschützer und<br />
Verbände aber nicht davon ab, die Umset<strong>zu</strong>ng<br />
der neuen Interpretation schon jetzt ein<strong>zu</strong>fordern.<br />
nizza-Klassifikation für Marken – 10. Ausgabe<br />
von Michael Hawkins, Büro Alic<strong>an</strong>te<br />
Am 1. J<strong>an</strong>uar 2012 tritt die 10. Ausgabe<br />
der „Nizza-Klassifikation” in<br />
Kraft. Diese Klassifikation, die über<br />
10.000 Waren in 34 Warenklassen und 1.500<br />
Dienstleistungen in elf Dienstleistungsklassen<br />
umfasst, wird international für die Eintragung<br />
von Marken <strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dt.<br />
Eine Neuausgabe der Nizza-Klassifikation<br />
wird von der Weltorg<strong>an</strong>isation für Geistiges<br />
Eigentum, der World Intellectual Property<br />
Org<strong>an</strong>isation (WIPO), nur einmal alle fünf<br />
Jahre auf Anweisung eines Expertenausschusses<br />
veröffentlicht, in dem alle Vertragsstaaten<br />
des Vertrags von Nizza vertreten<br />
sind.<br />
Zu den wesentlichen Änderungen der<br />
10. Ausgabe der Nizza-Klassifikation ge-<br />
hören die Hin<strong>zu</strong>fügung von Begriffen bei<br />
den Klassenüberschriften (<strong>zu</strong>m Beispiel<br />
erstmals „Computer Software” in Klasse 9),<br />
die Einführung neuer (in der Regel technischer)<br />
Waren und Dienstleistungen und die<br />
Löschung alter Waren und Dienstleistungen<br />
sowie die Neu<strong>zu</strong>ordnung einiger Waren innerhalb<br />
der Klassen.<br />
Die 10. Ausgabe geht jedoch nicht so weit,<br />
neue Waren- oder Dienstleistungsklassen<br />
ein<strong>zu</strong>führen. Angesichts der unüberschaubaren<br />
Größe insbesondere der Klasse 9 und<br />
der Tatsache, dass diese Klasse verschiedens-<br />
te Produkte umfasst, hatten die U.S.A. die<br />
Einführung neuer Klassen vorgeschlagen,<br />
um bestimmte Waren aus der Klasse 9 in die<br />
neuen Klassen <strong>zu</strong> übertragen. Der Expertenausschuss<br />
konnte sich in diesem Punkt<br />
jedoch nicht einigen, sodass die derzeitige<br />
Klassenstruktur mindestens noch für die<br />
nächsten fünf Jahre erhalten bleiben wird.<br />
Die Markenämter werden diese 10. Ausgabe<br />
weltweit ab dem 1. J<strong>an</strong>uar 2012 <strong>an</strong>wenden.<br />
Zu diesem Zeitpunkt bestehende Marken<br />
werden in der Regel nicht von Amts wegen<br />
neu klassifiziert; einige Markenämter könnten<br />
bei Verlängerungen jedoch eine Neuklassifizierung<br />
verl<strong>an</strong>gen.<br />
JUST. November 2011 7
JUST. LETZTE MELDUNG<br />
Kein Galaxy Tab 10.1 <strong>zu</strong> Weihnachten<br />
von Valentina Schulte-Braucks, LL.M., Büro München<br />
Mit <strong>Urteil</strong> vom 9. September 2011 (14c<br />
O 194/11) hat das L<strong>an</strong>dgericht (LG)<br />
Düsseldorf seine einstweilige Verfügung<br />
vom 9. August 2011 bestätigt. Es bleibt<br />
<strong>zu</strong>nächst dabei: Samsung darf seinen neuen<br />
Tablet-Computer, das Galaxy Tab 10.1, nicht auf<br />
dem deutschen Markt vertreiben. Damit wird<br />
Samsung das Weihnachtsgeschäft ordentlich<br />
vermasselt: Die mündliche Verh<strong>an</strong>dlung der<br />
Berufung ist auf den 20. Dezember 2011 terminiert.<br />
Der Sachverhalt<br />
Bereits im Jahr 2004 hatte Apple die Design-<br />
Elemente eines Tablet-Computers, die in etwa<br />
denen eines iPads entsprechen, als so gen<strong>an</strong>ntes<br />
Gemeinschaftsgeschmacksmuster beim<br />
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt<br />
(HABM) in Alic<strong>an</strong>te eintragen lassen. Auf der internationalen<br />
Mobilfunkmesse „Mobile World<br />
Congress“ in Barcelona (Sp<strong>an</strong>ien) präsentierte<br />
Samsung im Februar 2011 erstmals sein Galaxy<br />
Tab 10.1. Am 18. Juli 2011 berichtete d<strong>an</strong>n die<br />
Zeitschrift „Chip“ über das ihr von Samsung<br />
<strong>zu</strong>r Verfügung gestellte Galaxy Tab 10.1. Nur<br />
wenige Tage später be<strong>an</strong>tragte Apple beim LG<br />
Düsseldorf eine einstweilige Verfügung gegen<br />
Samsung und stütze sich dabei auf die Verlet<strong>zu</strong>ng<br />
seines Geschmacksmusters, hilfsweise auf<br />
einen Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche<br />
Vorschriften. Das tendenziell klägerfreundliche<br />
LG Düsseldorf erließ die einstweilige Verfügung<br />
– trotz seitens Samsung eingereichter Schutzschrift<br />
– im Beschlusswege ohne mündliche<br />
Verh<strong>an</strong>dlung.<br />
Die Entscheidung des<br />
LG Düsseldorf<br />
Die Kammer ging <strong>zu</strong>nächst von einem rechtsgültigen<br />
und schutzfähigen Geschmacksmuster<br />
der Verfügungsklägerin (Apple) aus. Schutzfähig<br />
sind nur solche Geschmacksmuster, die<br />
im Vergleich <strong>zu</strong> allen bereits existenten Mustern<br />
„neu“ und von „Eigenart“ sind, wobei diese beiden<br />
Schutzvorausset<strong>zu</strong>ngen vor der Eintragung<br />
des Rechts vom HABM nicht geprüft werden. Es<br />
h<strong>an</strong>delt sich bei einem Geschmacksmuster daher<br />
um ein so gen<strong>an</strong>ntes „ungeprüftes Recht“,<br />
dessen Rechtsgültigkeit im Verlet<strong>zu</strong>ngsverfahren<br />
selbst widerlegt werden k<strong>an</strong>n.<br />
Nach Auffassung der Kammer war das Design<br />
des iPads im Zeitpunkt der Anmeldung des Geschmacksmusters<br />
„neu“ und „eigenartig“, da es<br />
im bisherigen so gen<strong>an</strong>nten Formenschatz im<br />
Anmeldezeitpunkt noch keine vergleichbaren<br />
8<br />
Designs gab. Zur Begründung verglich die Kammer<br />
das geschützte Design mit allen denkbaren<br />
älteren Mustern – selbst dem Design von Tablets<br />
aus den Science-Fiction Filmen „2001: Odyssee<br />
im Weltraum“ und „The Tomorrow People“.<br />
Weiterhin entschied die Kammer, dass die Designelemente<br />
des iPads nicht lediglich technisch<br />
bedingt und daher schutzfähig seien. Samsung<br />
hatte argumentiert, dass die Minimalisierung<br />
des Designs sowie die flache Form und konkrete<br />
Gestaltung des Tablets technisch vorgegeben<br />
seien und daher nicht durch Apple monopolisiert<br />
werden könnten. Dem erteilte die<br />
Kammer allerdings unter Hinweis auf <strong>an</strong>dere<br />
Konkurrenzprodukte eine Absage und erklärte<br />
sogar, Apples Design habe aufgrund der geringen<br />
Musterdichte <strong>an</strong> vergleichbaren Formgebungen<br />
einen „weiten Schut<strong>zu</strong>mf<strong>an</strong>g“. Nur die<br />
Gestaltung der Anschlüsse sei nicht durch das<br />
Geschmacksmuster geschützt.<br />
Schließlich erweckt das Galaxy Tab 10.1 nach<br />
Ansicht der Kammer beim informierten Benutzer<br />
den gleichen Gesamteindruck wie das<br />
Geschmacksmuster von Apple: Insbesondere<br />
wiesen beide Designs schmale Gehäuseränder,<br />
gleich breite Bildschirmrahmen, eine „geringe<br />
Dicke“, abgerundete Ecken und glatte Oberflächen<br />
auf. Die unterschiedliche Proportionen<br />
(4:3 bzw. 16:10) seien nur minimal und nicht<br />
prägend.<br />
Soweit in der Widerspruchsverh<strong>an</strong>dlung am<br />
25. August 2011 noch offen geblieben war, ob<br />
die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung<br />
erforderliche Dringlichkeit vorlag, bejahte das<br />
Gericht nun diese Vorausset<strong>zu</strong>ng, weil für Apple<br />
erst nach Erscheinen des Artikels in der Fachzeitschrift<br />
„Chip“ hinreichend sicher erkennbar<br />
gewesen sei, wie die endgültige Version des<br />
für den deutschen Markt bestimmten Produkts<br />
aussehen sollte. D<strong>an</strong>ach hab Apple jedoch unverzüglich<br />
geh<strong>an</strong>delt und die einstweilige Verfügung<br />
be<strong>an</strong>tragt.<br />
Ein Galaxy Tab 10.1 <strong>zu</strong> Ostern?<br />
Samsung wird es wohl auch in seiner Berufung<br />
vor dem OLG Düsseldorf schwer haben,<br />
die Unterschiede zwischen ihrem Galaxy Tab<br />
und Apples Geschmacksmuster auf<strong>zu</strong>zeigen.<br />
Sol<strong>an</strong>ge das Geschmacksmuster Best<strong>an</strong>d hat<br />
– wofür <strong>zu</strong>gunsten des eingetragenen Rechts<br />
eine Vermutung gilt – muss mit der Aufrechterhaltung<br />
des Verkaufsverbots für die Galaxy<br />
Tabs gerechnet werden. Samsung versucht daher<br />
der Entscheidung den Grund <strong>zu</strong> entziehen,<br />
indem gegen das Geschmacksmuster selbst<br />
vorgeg<strong>an</strong>gen wird: Nach Berichten der „Kore<strong>an</strong><br />
Times“ hat Samsung bereits am 9. August 2011<br />
beim HABM die Löschung des Geschmacksmusters<br />
wegen Nichtigkeit be<strong>an</strong>tragt. Nun<br />
muss also das HABM entscheiden, ob u. a. die<br />
Science-Fiction-Tablets das Design des iPads<br />
vorwegnehmen. Für den Fall, dass es das Geschmacksmuster<br />
für von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> (ex tunc)<br />
nichtig erklärt, bleiben Apple als Rettungs<strong>an</strong>ker<br />
immer noch die hilfsweise geltend gemachten<br />
wettbewerbsrechtlichen Ansprüche. Nur wenn<br />
auch diese verworfen werden, muss sich Apple<br />
l<strong>an</strong>gsam Sorgen wegen der Samsung möglicherweise<br />
<strong>zu</strong>stehenden Schadenersatz<strong>an</strong>sprüche<br />
machen.<br />
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Verlag und Redaktion:<br />
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Ver<strong>an</strong>twortliche Redakteure:<br />
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Dr. Alex<strong>an</strong>der Birnstiel, LL.M.<br />
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