EuGH-Urteil zu TV-Rechten an Sportereignissen ... - Noerr
EuGH-Urteil zu TV-Rechten an Sportereignissen ... - Noerr
EuGH-Urteil zu TV-Rechten an Sportereignissen ... - Noerr
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
JUST. TOP-THEMA<br />
FortSet<strong>zu</strong>ng von S. 1 Senderechte <strong>an</strong> der<br />
Premier League durch den Import billigerer<br />
Decoderkarten aus Griechenl<strong>an</strong>d, mit denen<br />
die verschlüsselte Satellitenübertragung eines<br />
griechischen Fernsehsenders entschlüsselt<br />
werden konnten. Somit war in ihrem<br />
Pub die Premier League als Übertragung von<br />
einem griechischen Fernsehsender <strong>zu</strong> sehen,<br />
ohne dass BSkyB hierfür ein Entgelt erhielt.<br />
Die FAPL versuchte, dies gerichtlich <strong>zu</strong> unterbinden,<br />
um eine Verminderung des Werts der<br />
von ihr erteilten exklusiven Sendelizenzen <strong>zu</strong><br />
verhindern.<br />
Das <strong>Urteil</strong><br />
Kern der Entscheidung des <strong>EuGH</strong> (C-403/08<br />
und C-429/08) ist das Sp<strong>an</strong>nungsverhältnis<br />
zwischen dem europäischen Binnenmarkt<br />
und der Durchset<strong>zu</strong>ng der territorialen<br />
Aufspaltung der Senderechte. Der <strong>EuGH</strong><br />
entschied, dass Klauseln in Verträgen über<br />
exklusive Lizenzen, die eine Zurverfügungstellung<br />
von Decodiervorrichtung außerhalb<br />
des Lizenzgebiets untersagen, eine nach Art.<br />
101 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise<br />
der Europäischen Union) verbotene Wettbewerbsbeschränkung<br />
darstellen und somit<br />
rechtswidrig sind. Das Gericht begründete<br />
dies damit, dass eine Vereinbarung, die darauf<br />
abzielt, die Abschottung nationaler Märkte<br />
wiederher<strong>zu</strong>stellen, geeignet sei, dem Ziel<br />
der Schaffung eines einheitlichen Binnenmarkts<br />
entgegen<strong>zu</strong>wirken.<br />
Darüber hinaus entschied der <strong>EuGH</strong>, dass die<br />
europäische Dienstleistungsfreiheit gem. Art.<br />
56 AEUV nationalen Gesetzen entgegen stehe,<br />
welche die Einfuhr, den Verkauf oder die<br />
Verwendung von ausländischen Decodiervorrichtungen,<br />
die den Zug<strong>an</strong>g <strong>zu</strong> einem kodierten<br />
Satellitenrundfunkdienst aus einem<br />
<strong>an</strong>deren Mitgliedstaat ermöglichen, verbieten.<br />
Eine solche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit<br />
sei nur d<strong>an</strong>n <strong>zu</strong> rechtfertigen,<br />
wenn sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses<br />
entspräche. Zwar komme als<br />
zwingender Grund der Schutz des geistigen<br />
Eigentums in Betracht, allerdings genießen<br />
Sportereignisse m<strong>an</strong>gels geistiger Schöpfungshöhe<br />
keinen urheberrechtlichen Schutz.<br />
Selbst wenn dies <strong>an</strong>ders wäre, gar<strong>an</strong>tiert nach<br />
Ansicht des <strong>EuGH</strong> das geistige Eigentum<br />
nicht, dass die höchstmögliche, sondern allenfalls<br />
eine <strong>an</strong>gemessene Vergütung bei<br />
der Verwertung erzielt wird. Der Rechteinhaber<br />
habe aber bereits eine Vergütung für die<br />
Übertragung des Sportereignisses vom entsprechenden<br />
Sendeunternehmen erhalten.<br />
Der von den Sendeunternehmen gezahlte<br />
Aufschlag für die Exklusivität der Senderechte<br />
gehe, so der <strong>EuGH</strong>, über das hinaus, was erforderlich<br />
sei, um eine <strong>an</strong>gemessene Vergütung<br />
2<br />
des Rechteinhabers <strong>zu</strong> gewährleisten. Da die<br />
Verwendung von Decodiervorrichtungen<br />
aber nur die Exklusivität schützen soll, könne<br />
ihr Einsatz nicht die Einschränkung der<br />
Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen.<br />
Das Fazit<br />
Die Entscheidung des <strong>EuGH</strong> hat <strong>zu</strong>r Folge,<br />
dass es Verbrauchern in Europa frei steht,<br />
Decoderkarten von ausländischen Pay-<strong>TV</strong><br />
Anbietern <strong>zu</strong> erwerben, um deren Programm<br />
im Inl<strong>an</strong>d <strong>zu</strong> empf<strong>an</strong>gen. Dies wird für mehr<br />
Konkurrenz zwischen den Anbietern sorgen.<br />
Denn es ist <strong>zu</strong> erwarten, dass Anbieter die<br />
Entscheidung als Argument nutzen werden,<br />
um bei künftigen Lizenzerwerben eine niedrigere<br />
Vergütung aus<strong>zu</strong>h<strong>an</strong>deln.<br />
Vertragliche Verpflichtungen, technische<br />
Vorrichtungen <strong>zu</strong>m Schutz exklusiver Gebietslizenzen<br />
ein<strong>zu</strong>setzen, werden problematisch<br />
werden. Möglicherweise ist auch<br />
der verpflichtende Einsatz von Geoblocking-<br />
Maßnahmen für On-Dem<strong>an</strong>d-Angebote im<br />
Internet als un<strong>zu</strong>lässige Wettbewerbsbeschränkung<br />
<strong>an</strong><strong>zu</strong>sehen. Denn auch dabei<br />
wird eine exklusive Gebietslizenz vor einem<br />
Angebot aus einem <strong>an</strong>deren Mitgliedstaat<br />
geschützt.<br />
Der Ausblick<br />
In der Diskussion sind bereits alternative Verwertungsmodelle<br />
für Rechteinhaber, die nicht<br />
auf einer territorialen Beschränkung beruhen.<br />
So dürfte eine zeitlich gestaffelte Auswertung<br />
eines Rechts auch nach dem <strong>EuGH</strong>-<strong>Urteil</strong><br />
noch möglich sein. Diese Lösung könnte<br />
aber für den Rechteinhaber <strong>zu</strong> fin<strong>an</strong>ziellen<br />
Einbußen führen, da der Erstverwertungsmarkt<br />
häufig nicht ergiebig genug ist, um die<br />
fin<strong>an</strong>ziell weniger lukrative Zweitverwertung<br />
aus<strong>zu</strong>gleichen. Zudem leben gerade Sportereignisse<br />
von Aktualität. So k<strong>an</strong>n die nachträgliche<br />
Übertragung eines Fußballspiels<br />
nicht mit einer Live-Übertragung verglichen<br />
werden.<br />
Auch eine sprachliche Aufspaltung von Verwertungsrechten<br />
ist in Zukunft nicht ausgeschlossen.<br />
Denn die Verwerter können ihre jeweilige<br />
Sprachfassung europaweit <strong>an</strong>bieten.<br />
Allerdings wird die entsprechende Sendung<br />
regelmäßig nur in dem L<strong>an</strong>d auf gesteigertes<br />
Interesse stoßen, in dessen Sprache sie erfolgt.<br />
Da in Europa die Sprachgrenzen in aller<br />
Regel den nationalen Grenzen entsprechen,<br />
ergibt sich damit de facto eine ähnliche Beschränkung<br />
der Auswertbarkeit eines Rechts<br />
wie bei einer territorialen Rechtevergabe.<br />
Eine Ausnahme mag die Übertragung von<br />
<strong>Sportereignissen</strong> wie Fußballspielen darstellen,<br />
da hier die Sprache regelmäßig nur eine<br />
untergeordnete Rolle spielt.<br />
Der <strong>EuGH</strong> erwähnt in seinen Ausführungen<br />
<strong>zu</strong>dem, dass der Rechteinhaber durch nichts<br />
gehindert sei, die Vergütung für die Übertragungsrechte<br />
auf einen Betrag <strong>zu</strong> erhöhen,<br />
der der tatsächlichen und potenziellen Einschaltquote<br />
sowohl im Sendemitgliedstaat<br />
als auch in jedem <strong>an</strong>deren Mitgliedstaat, in<br />
dem die Sendung empf<strong>an</strong>gen werden k<strong>an</strong>n,<br />
Rechnung trägt. Gemeint ist wohl, dass der<br />
Rechteinhaber die Rechte lediglich <strong>an</strong> einen<br />
Verwerter vergeben und hierfür eine höhere<br />
Vergütung verl<strong>an</strong>gen k<strong>an</strong>n, da die Verwertung<br />
europaweit stattfindet. Eine solche<br />
Vergütung wäre aber wahrscheinlich derart<br />
hoch, dass sie sich nur wenige Sendeunternehmen<br />
leisten könnten. Ob hierdurch das<br />
Ziel, den Wettbewerb unter den Sendeunternehmen<br />
<strong>zu</strong> fördern, erreicht werden k<strong>an</strong>n, ist<br />
fraglich.<br />
Schließlich stellte der <strong>EuGH</strong> klar, dass der<br />
FAPL <strong>zu</strong>mindest für einzelne Elemente der<br />
Sendungen, wie <strong>zu</strong>m Beispiel im Hinblick<br />
auf Auftaktvideosequenzen, die Hymne der<br />
Premier League oder verwendete Grafiken,<br />
urheberrechtlicher Schutz <strong>zu</strong>kommen k<strong>an</strong>n.<br />
Selbst wenn also die FAPL bzw. die exklusiven<br />
Lizenznehmer künftig ihre Gebietsexklusivität<br />
nicht mehr gegenüber <strong>an</strong>deren Lizenznehmern<br />
durchsetzen können, bedeutet dies<br />
nicht, dass die entsprechenden Sendungen<br />
frei genutzt oder verwertet werden können.<br />
Urheberrechtlich relev<strong>an</strong>te H<strong>an</strong>dlungen setzen<br />
nach wie vor die Einwilligung des Rechteinhabers<br />
voraus.<br />
JUST. November 2011