Hansjörg Gerig - OFSG - St. Galler Orgelfreunde
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5.1 Wiederaufnahme des Prinzips der Gegenorgel<br />
Historisch gesehen kann das Fernwerk als eine Weiterentwicklung der Gegenorgel<br />
betrachtet werden. Ausgangspunkte für das Entstehen der Gegenorgel wiederum waren<br />
einerseits das barocke Rückpositiv, andererseits symmetrisch aufgestellte Chororgeln,<br />
welche allerdings vorerst nur einzeln gespielt werden konnten (Beispiele: Muri 1743/44<br />
von Joseph und Victor Ferdinand Bossard und <strong>St</strong>. Gallen, Kathedrale 1766 von V.F. und<br />
Carl Joseph Maria Bossard). Dann kam um etwa 1750 der Gedanke auf, beide Orgelwerke<br />
durch eine lange Trakturbahn miteinander zu verbinden. Damit stand nicht nur ein<br />
grösserer Klangkörper zur Verfügung, sondern es gelang, die dynamische Ausdruckskraft<br />
der Orgel zu steigern. Durch eine Art Echowirkung wird der klangliche Unterschied der<br />
beiden Manualwerke vergrössert, es entsteht ein Effekt wie wenn immer noch zwei<br />
Organisten miteinander musizierten (8). Hauptteil der Orgel und Gegenorgel behielten in<br />
seltenen Fällen sogar noch beide Spieltische, so dass die alte Aufführungspraxis mit zwei<br />
Musikern wahlweise noch immer möglich war.<br />
Es ist interessant, dass die Entwicklung der Gegenorgel wahrscheinlich im wirtschaftlich<br />
wohlhabenden süddeutschen Bodenseeraum ihren Anfang genommen hat. Hier entstanden<br />
von der Mitte des 18. Jahrhunderts an in kurzer Zeit eine Reihe von Chororgeln, welche<br />
über eine symmetrisch aufgebaute Gegenorgel mit mechanischer Traktur verfügten (23):<br />
Weingarten (Joseph Gabler) 1739-42<br />
Ochsenhausen (Joseph Höss) 1760<br />
Neresheim (Joseph Höss) 1780-81<br />
Rot an der Rot (Joh. Nep. Holzhay) 1785-86<br />
Einsiedeln (J. und V.F. Bossard) 1754<br />
<strong>St</strong>. Gallen (Franz Anton Kiene) 1823-25<br />
Ausserhalb des süddeutschen Raumes sind folgende mechanische Gegenorgeln bekannt<br />
(10, 22):<br />
Bedheim bei Hildburghausen um 1700<br />
Peterskirche Berlin 1853<br />
Marienkirche <strong>St</strong>argard 1855<br />
51<br />
Bulletin <strong>OFSG</strong> 5, Nr. 3, 1987