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ST. GALLER ORGELFREUNDE OFSG

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Liebe St. Galler Orgelfreundinnen und Orgelfreunde<br />

<strong>ST</strong>. <strong>GALLER</strong> <strong>ORGELFREUNDE</strong><br />

<strong>OFSG</strong><br />

BULLETIN <strong>OFSG</strong> 27, NR. 4, 2009<br />

Mörschwil, Mitte September 2009<br />

Im Namen des Vorstandes möchte ich Sie herzlich einladen zum letzten Anlass in diesem Jahr:<br />

Mittwoch, 21.10.09 19:30 h<br />

Goldach, kath. Pfarrkirche St. Mauritius<br />

Die erneuerte Orgel (III/P/45) (Mathis 1962 / Späth 2008)<br />

Jürg Schmid, Goldach<br />

Wir danken Herrn Jürg Schmid für die Vorstellung "seiner" Orgel – ihm und der<br />

Kirchgemeinde auch für die Erlaubnis, Beiträge aus der Einweihungsschrift ins Bulletin zu<br />

übernehmen.<br />

Die neuere Orgelgeschichte von Goldach konfrontiert uns mit der sogenannten<br />

"Orgelbewegung" und einem ihrer wichtigen Exponenten in der Ostschweiz, dem ehemaligen<br />

Domorganisten Siegfried Hildenbrand. Zudem erfahren wir, welche Überlegungen von<br />

Orgelbauer, Experten und Orgelkommission zur Orgelerneuerung führten. Die Orgel wurde<br />

2008 von Späth weitgehend umgebaut mit Verwendung von 80% des Klangmaterials der<br />

Mathis Orgel von 1962. Wir sind gespannt auf das Resultat und laden Sie ein, mit uns einen<br />

sicherlich interessanten Orgelanlass zu erleben.<br />

Mit freundlichen Grüssen<br />

Walter Angehrn, Präsident<br />

PS: Auf Seite 76 finden Sie die Ankündigung der öffentlichen Musikvorlesungen an der<br />

Universität St. Gallen im Herbstsemester 2009. Einige von uns haben im letzten Jahr die<br />

Vorlesungen von Prof. Sackmann über die Frömmigkeit des Komponisten Bach besucht<br />

und waren begeistert. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass diese Reihe weitergeführt<br />

wird und möchten Ihnen den Besuch wärmstens empfehlen.<br />

Sekretariat und Redaktion Bulletin <strong>OFSG</strong><br />

Franz Lüthi, Rainstrasse 8, 9532 Rickenbach<br />

E-Mail: sekretariat@ofsg.org<br />

Internet: www.ofsg.org Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr. 4, 2009


Veranstaltungshinweise<br />

62<br />

Nächste Anlässe <strong>OFSG</strong>:<br />

Mittwoch, 10. März 2010 20:00 h<br />

Jahresversammlung<br />

Raum wird später bekanntgegeben<br />

Fr 02.10.09 18:30 h St. Gallen, St. Laurenzen Orgelmusik zum Feierabend<br />

Bach (Toccata E-Dur), Mendelssohn (5. Sonate), Reger (Fantasie "Wachet auf").<br />

Emanuele Jannibelli, Glarus.<br />

Fr 02.10.09 19:00 h Reformierte Kirche Wädenswil<br />

Felix Mendelssohn Bartholdy: Die Sechs Orgelsonaten op. 65.<br />

Ursula Hauser, Wädenswil<br />

So 04.10.09 17:30 h Chur, evang. Kirche St. Martin.<br />

Felix Mendelssohn Bartholdy: Die Sechs Orgelsonaten op. 65.<br />

Ursula Hauser, Wädenswil<br />

So 11.10.09 20:15 h Bad Ragaz, Evang. Kirche: Kirchenkonzert: Bach, Händel, Tartini.<br />

Sarah Christian (Violine), Hannfried Lucke (Orgel).<br />

So 18.10.09 20:00 h Rankweil /Vorarlberg, Basilika. "Von guten Mächten".<br />

Abendmusik mit Bildern und u. a. Uraufführung eines Orgelwerks "Aus der Stille"<br />

von Gerda Poppa. Herbert Walser (Trompete), Marlene Halwachs (Viola), Gerda Poppa (Orgel).<br />

Mi 21.10.09 19:30 h Goldach, kath. Pfarrkirche St. Mauritius. Veranstaltung <strong>OFSG</strong><br />

Die erneuerte Orgel (III/P/45) (Mathis 1962 / Späth 2008)<br />

Jürg Schmid, Goldach<br />

Mi 21.10.09 18:30 h Zürich, Grossmünster. Andreas Jost, Orgel.<br />

Programm noch ausstehend.<br />

Sa 24.10.09 09:15-17:30 h. Bern: Orgelfahrt des Bernischen Organistenverbandes nach<br />

Fribourg mit Annerös Hulliger und Jürg Brunner: Wenig bekannte historische Orgeln aus 4<br />

Jahrhunderten. Unkostenbeitrag: Nichtmitglieder Fr. 50.– . Anmeldung:<br />

Jürg Brunner, Herrengasse 19, 3011 Bern, 031 311 18 50 juerg.musik@bluewin.ch<br />

Mi 28.10.09 18:30 h Zürich, Grossmünster. Rudolf Scheidegger, Orgel.<br />

Programm noch ausstehend.<br />

Fortsetzung Seite 76<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


Die Orgel der Pfarrkirche St. Mauritius in Goldach<br />

Mathis (III/P/44, 1962); Umbau Späth 2008 (III/P/45)<br />

Geschichte der Kirche und der Pfarrei<br />

Goldach entstand vermutlich im 5. Jahrhundert als alemannische Siedlung an der ehemaligen<br />

Römerstrasse Arbon-Bregenz. Eine erste Erwähnung findet es gegen Ende des achten<br />

Jahrhunderts. Damals gehörte es zum Bistum Konstanz. Ausgrabungen im Bereich des<br />

Chorraums der Kirche belegen, dass bereits um das Jahr 1000 ein Gotteshaus existierte; ein<br />

schriftlicher Nachweis findet sich aber erst 1259. 1473 kam Goldach, zum Teil im Abtausch mit<br />

Gebieten des Bistums Konstanz, an die Abtei St. Gallen. 1529 trat die Pfarrei für wenige Jahre<br />

zum neuen Glauben über, blieb dann aber bis Mitte des 19. Jahrhunderts geschlossen<br />

katholisch.<br />

63<br />

Das heutige Gotteshaus blickt auf fünf<br />

Vorgängerbauten zurück. Dem ersten Bau im 11.<br />

Jahrhundert folgte eine romanische Kirche im 13.<br />

Jahrhundert. Ein Glockenturm an der Südseite und<br />

ein Chorneubau entstanden im 15. Jahrhundert.<br />

1670 erweiterte man das Kirchenschiff wegen<br />

Zunahme der Bevölkerung, so dass die Kirche im<br />

Wesentlichen ihre heutige Gestalt erhielt. Einer<br />

eingreifenden Veränderung des Innenraums 1869<br />

im Stil des Historismus fiel der barocke<br />

Wandschmuck zum Opfer. 1929 erfolgte ein Umbau<br />

in neubarocker Gestaltung durch Adolf Gaudy<br />

(1872–1956) aus Rorschach. Damals wurde das<br />

Langhaus umgestaltet, mit einem oktogonalen,<br />

nach Süden ausladenden Zentralraum versehen<br />

und nach Westen vergrössert,. Der Chorraum<br />

erhielt ein Gewölbe; neu erbaute man eine<br />

Unterkirche.<br />

Nach einer Erneuerung des Kirchturms 1973 folgte die Innenrenovation 1979/80. Der<br />

zwischenzeitlich etwas veränderte Erweiterungsbau von 1929 mit seiner Mischung von<br />

barocken Elementen und neubarocker Bausubstanz wurde tendenzmässig wieder hergestellt.<br />

Gleichzeitig bot sich eine gute Möglichkeit, im Sinne des zeitgemässen Liturgieverständnisses<br />

einen neuen Volksaltar zu schaffen. Der heutige Raum trägt Stilelemente von Barock,<br />

Klassizismus und Jugendstil (Leuchtkörper im Schiff). Die Altäre gehen auf die Zeit zwischen<br />

1670 und 1828 zurück, die Kanzel auf die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die<br />

Deckenbilder aus den frühen 1930er Jahren stammen von Augustin Meinrad Bächtiger (Chor<br />

und Empore) und von Richard Holzner (Schiff), der auch die Fenster wesentlich mitgestaltete.<br />

– Das Geläute besitzt mit den Tönen B (grösste Glocke), Des, Es, Ges, A einen eher seltenen<br />

Akkord.<br />

F.L.<br />

Literatur<br />

• Huber, Johannes. St. Maurituskirche Goldach. Bern 1993.<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


64<br />

Orgelgeschichte<br />

Jürg Schmid 1<br />

1670 wurde das Kirchenschiff neu erstellt. Das Innere der Kirche wurde mit einer<br />

Empore, einer Kanzel, einem neuen Seitenaltar und 1705 mit der ersten Orgel<br />

bereichert.<br />

1705 Der erste nachweisbare Hinweis einer Orgel in der Pfarrei Goldach. Auf einem<br />

bemalten und geschnitzten Holzuntergrund mit dem Familienwappen von Hauptmann<br />

Martin Lindenmann steht: "Disse Orgell Gott zue ehren verehrt H. Hauptman Martin<br />

Lindenman zue under 17 Goldach 05".<br />

Das Orgelteilstück befindet sich im Kunstlager der Katholischen Kirche Goldach. Um<br />

was für eine Orgel es sich gehandelt hatte (Erbauer, Grösse, Disposition), ist leider<br />

nicht mehr überliefert. Dieses Instrument wurde zur damaligen Zeit von Kalkanten<br />

(Balgtretern) mit Luft versorgt.<br />

Hauptmann Martin Lindenmann von Untergoldach unterstützte den unternehmenden<br />

Pfarrer Martin Brendlin (1704–1731). Auf seine Kosten liess er 1705 die wohl erste<br />

Orgel erstellen, die 150 Jahre im Dienste der Mauritius-Pfarrei stand. Durch letztwillige<br />

Verfügung vermachte Lindenmann 1710 Gelder zur Unterstützung eines "tauglichen<br />

und genügsamen Organisten und Schulmeisters". Eine Funktionskopplung, die bis in<br />

die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr oft in verschiedensten Gemeinden<br />

gepflegt wurde.<br />

Unter dem damaligen Pfarrer Martin Brendlin von Tuggen wurde auch der heutige<br />

Hochaltar in Auftrag gegeben und 1705 durch Josef Franz Brägger errichtet.<br />

1867 Auf der Rückseite des 300-jährigen Holzteils steht bereits die nächste Orgel<br />

beschrieben. Mit Bleistift spontan ins Holz eingegriffelt: "1867 vom 18. Juli bis 22.<br />

September ist die Orgel erstellt worden. Von Orgelbauer Kiene in Langenargen um<br />

den Preis von Fr. 5410.- für unsern hochw. Kapelan und Mesmer Tanner". Das<br />

Instrument besass 16 Register verteilt auf 2 Manuale und Pedal. Ob das Gehäuse<br />

und/oder die Pfeifen der Lindenmann-Orgel wieder verwendet wurden, wissen wir<br />

nicht. Unter dem Lehrer Josef Anton Keel konstituierte sich 1874 der Kirchenchor als<br />

erster Pfarrei-Caecilienverein.<br />

1883/1884 Die Gebrüder Klingler der gleichnamigen Orgelbaufirma in Rorschach<br />

übernehmen den Unterhalt des Instruments in Goldach. In diesen Jahren stand eine<br />

grössere Renovation bevor, die von Max Klingler ausgeführt wurde. Für Fr. 1586.-<br />

wurde eine Gesamtrevision des Instruments vereinbart. Ein Balgtreter wurde per<br />

Vertrag während der Revision von der Pfarrgemeinde gestellt.<br />

1901 Starker Holzwurmbefall, dem ganze Register zum Opfer fallen und durch Klingler<br />

ersetzt werden mussten.<br />

1910 Erste Gutachten und Berichte über die Planung einer neuen Orgel in der St.-<br />

Mauritius-Kirche Goldach. Als Firmen zur Ausführung wurden auch die Gebrüder<br />

Späth aus Rapperswil genannt. Der offenbar immer noch wütende Holzwurm und die<br />

1 Jürg Schmid ist Musiker und Organist an der Pfarrkirche Goldach. Abdruck dieses Aufsatzes aus der<br />

Broschüre zur Einweihung der neuen Orgel vom April 2008 mit freundlicher Erlaubnis des Autors.<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


Planung der Vergrösserung der Kirche lösten erste Überlegungen für einen<br />

Orgelneubau aus.<br />

Das Instrument sollte sich an der Orgel der Kirche Untereggen orientieren und nach<br />

einem Vergrösserungsbau der Kirche mit zusätzlichen Registern noch ausbaufähig<br />

sein.<br />

1915 Die Firma Kuhn in Männedorf liefert den ersten elektrischen Gebläsemotor für<br />

Fr. 850.- für die Orgel in der Pfarrkirche in Goldach.<br />

1918 Eine neue Orgel wird geplant. Nach verschiedenen Offerten der Firmen Goll<br />

(Luzern), Kuhn (Männedorf), Späth (Rapperswil), Behmann (Schwarzach) und Mayer<br />

(Feldkirch) über eine Disposition von 20 bis 24 Registern erhält die Firma Goll den<br />

Zuschlag. Die Orgelbaufirma Behmann schlägt übrigens ein Orgelgehäuse vor, das<br />

dem neuen Späth-Gehäuse von 2008 überraschend ähnlich ist, passend zur Kirche<br />

und zum Hochaltar.<br />

1921 wird die Goll-Orgel gebaut mit 21 klingenden Registern für Fr. 20'800.- Das<br />

Instrument wurde der damaligen Zeit entsprechend rein pneumatisch gebaut. Die<br />

Orgel wird so gebaut, dass sie ohne Zusatzkosten beim geplanten Kirchenumbau<br />

1929 bequem abgebrochen und versetzt<br />

werden kann. Bereits wurde eine<br />

nachträgliche Erweiterung des<br />

Instruments mit zusätzlichen Registern mit<br />

eingeplant. Die 21 Register waren auf<br />

zwei Manuale und Pedal verteilt. Die<br />

Bewilligung für den Neubau der Orgel und<br />

die Aufstellung der Finanzbeschaffung<br />

musste damals noch dem Katholischen<br />

Administrationsrat des Kantons St.Gallen<br />

vorgelegt und von ihm genehmigt werden.<br />

Die Goll-Orgel von 1929<br />

65<br />

Ein Stimmvertrag der Firma Goll für einen<br />

Stimmservice pro Jahr für den Stimmer,<br />

der mit dem eigenen Motorrad anreiste,<br />

kostete damals (1927) Fr. 40.-.<br />

1929 wird die Orgel abgetragen und 1930, durch 11 Register vergrössert, von der<br />

Firma Goll und Cie aus Luzern wieder aufgebaut. Die Orgel wurde beim grossen<br />

Erweiterungsbau 1929 eingelagert. Durch die enorme Volumenzunahme des<br />

Kirchenschiffs musste die Orgel klanglich vergrössert werden, um der Kirchenmusik<br />

weiter dienen zu können.<br />

1934 erhält die Firma Späth den Stimm- und Regulierungsauftrag. Offenbar war die<br />

Kirchgemeinde mit der Orgel von Goll und dessen Service nicht ganz zufrieden. Bei<br />

diesem Firmenwechsel beanstandete die Firma Späth als Erste den Luftansaug des<br />

Orgelgebläses von ausserhalb des Kirchenraumes! In einer Offerte von Fr. 278.-<br />

wurde eine entscheidende Verbesserung für die Luftzirkulation der Orgel<br />

vorgeschlagen.<br />

1942 Starker Holzwurmbefall auf der Empore, in den Sitzbänken, dem Boden und der<br />

Orgel. Das Windansaugproblem wurde aus unerfindlichen Gründen auf die lange Bank<br />

geschoben, trotz Interventionen und Vorschlägen der Firmen Goll, Späth und<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


zugezogener Experten. Da in der Zeit des 2. Weltkrieges ganz andere Sorgen auf den<br />

Behörden lasteten, konnte diesem Problem wohl einfach zuwenig Beachtung<br />

geschenkt werden.<br />

1957 Erste Gedanken über eine Generalrevision der Goll-Orgel in der<br />

Kirchenbehörde. Unter Einbezug von Domorganist Siegfried Hildenbrand als Experte<br />

wurde die Planung für eine Totalrevision und auf lange Sicht (auf Empfehlung des<br />

Experten) eines Neubaus an die Hand genommen.<br />

1959 Erste Offerten für einen Neubau der Firmen Kuhn, Orgelbau Genf, Späth,<br />

Metzler. Die Kostenzusammenstellung rechnet mit Ausgaben von Fr. 100'000.- und<br />

muss dem Administrationsrat vorgelegt werden. Der Kirchenverwaltungsrat bereitet<br />

die Geschäfte für die Kirchbürgerversammlung und den Antrag für einen Neubau der<br />

Orgel vor.<br />

1960 Im November erhält die junge Orgelbaufirma Mathis den Zuschlag für Fr.<br />

128'400.-, (exklusiv das Gehäuse) eine neue Orgel zu bauen. Die<br />

Kirchbürgerversammlung stimmt dem Vorschlag des KVR am 12. März 1961<br />

einstimmig zu.<br />

1962 Orgelneubau durch die Firma<br />

Mathis in Näfels. Die 44 klingenden<br />

Register wurden in einem, dem<br />

damaligen Zeitgeist entsprechenden,<br />

auffallend eckigen Prospekt<br />

und Orgelgehäuse gefasst.<br />

Gestaffelt hintereinander in<br />

Hauptwerk, Schwellwerk und<br />

Pedalwerk. Darüber unter der<br />

Decke das Kronpositiv.<br />

Orgelexperte war Domorganist<br />

Siegfried Hildenbrand aus<br />

St.Gallen. Die alte Goll-Orgel<br />

wurde nach dem Abbruch gereinigt,<br />

neu zusammengestellt und<br />

umgebaut, tropisiert und an die<br />

Missionsstation Mindoro auf den<br />

Philippinen verschifft.<br />

66<br />

Mathis-Orgel von 1962<br />

2008 Orgelerneuerungsbau durch die Firma Späth aus Rapperswil. Die<br />

verschiedensten Kinderkrankheiten des 1962 erstellten Prototypen, der immer wieder<br />

Anlass zu Beanstandungen und grösseren Reparaturen gab, konnten durch einen<br />

kompletten Umbau beseitigt werden. Da man ca. 80 % des Pfeifenmaterials der<br />

Mathis-Orgel wieder verwendete, konnte die Orgelgrösse erhalten werden. Die<br />

Werksverteilung wurde nun in einem neuen, neobarocken Gehäuse ineinander<br />

verschachtelt gefasst. Der Abstimmung des Gehäuses auf das Kircheninterieur konnte<br />

nun endlich Rechnung getragen werden.<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


Orgel im Bau (Bild aus der Einweihungsbroschüre)<br />

67<br />

Bereits in den Renovationsjahren<br />

1979/1980 wurde über eine<br />

Neugestaltung des Orgelgehäuses<br />

diskutiert. Aufgrund der<br />

Kostenlage der Renovationsarbeiten<br />

verzichtete man damals<br />

auf eine Umgestaltung des<br />

Orgelprospekts.<br />

Durch die kompakte Bauweise<br />

konnte rund um die Orgel Platz<br />

gewonnen werden. Das<br />

Pedalwerk tönt nun viel griffiger,<br />

da es in der Front auf der linken<br />

und rechten Seite integriert ist und<br />

5 Meter weiter vorne steht. Das<br />

Kronpositiv wurde 1.3 Meter tiefer<br />

gelegt. Das schon 1962 gross angelegte Schwellwerk erhielt einen neuen, massiven<br />

Schwellkasten. Die ganze Orgel wurde auf einem 32' Untersatzregister abgestützt und<br />

disponiert. Die Grundregister haben dadurch ein neues Fundament. Durch eine<br />

geschickte künstlerische Intonation<br />

und Neuabstimmung der<br />

Register erhält die Orgel ein ganz<br />

neues Klanggewand, ohne die<br />

alten Spezifitäten zu verlieren.<br />

Der Orgelprospekt ist in der Höhe<br />

durch die kompakte Bauweise<br />

gewachsen, die klangliche<br />

Abstrahlung, mitunter gar auch<br />

der Nachhall im Rundumgehäuse,<br />

hörbar verbessert. Die<br />

Orgel erfüllt in den kleinsten<br />

Nuancen den akustisch<br />

hervorragenden Kirchenraum mit<br />

wohlklingendem und ruhigem<br />

Klang. Orgelberater ist Rudolf<br />

Meyer, 1976–2001 Stadtorganist<br />

an der Stadtkirche Winterthur.<br />

Quellen<br />

Orgel im Bau (Bild aus der Einweihungsbroschüre)<br />

• Archiv der Katholischen Pfarrei Goldach<br />

• Schweizerischer Kunstführer GSK "St. Mauritiuskirche Goldach" von Johannes Huber<br />

• "700 Jahre St. Mauritiuspfarrei Goldach" von Josef Reck<br />

• "Renovation 1979/1980" St. Mauritius Goldach<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


68<br />

Zum Orgelumbau 2008<br />

Gedanken des Orgelbauers<br />

Hans Späth 2<br />

Bereits bei der ersten Besichtigung und Anhörung der Goldacher Orgel wurde mir klar,<br />

dass dieses Instrument aus der Zeit der sogenannten "Orgelbewegung" stammte und<br />

zu jenen Werken gehörte, welche in Zukunft weder klanglich noch gestalterisch<br />

befriedigen würden. Die im Gegensatz zur Architektur des Raumes stehende<br />

Gestaltung verkörperte eine damals bewusste Abkehr vom "Althergebrachten" und<br />

verstand sich als sichtbares Zeichen einer neuen Epoche, dem Kubismus. Diese<br />

Entwicklung bezog sich ebenfalls auf die als neobarock bezeichnete Disposition mit<br />

der dazugehörigen Intonationsart, einem aufgehellten, spitzigen und obertönigen<br />

Klangbild. Dabei wurden die tragenden und warmen Basstöne, damals als zu<br />

romantisch empfunden, vernachlässigt.<br />

Die in den 60er Jahren angestrebte Intonationsart wurde mittels enger Kernspalten<br />

und niedriger Aufschnitte im Bereich des Labiums (Lippe), sowie durch offene<br />

Pfeifenfüsse erreicht. Dies führte jedoch dazu, dass minimalste Veränderungen durch<br />

Ablagerungen von Staub oder am Material selbst, die Klangentwicklung negativ<br />

beeinflussten.<br />

Mit der Wiederentdeckung der romantischen Orgelliteratur, wobei auch Rudolf Meyer<br />

wesentlich dazu beigetragen hatte, begann der Absolutismus des neobarocken Stils<br />

zu wanken. Durch den Neubau der romantischen Orgel in Weinfelden, bei welchem<br />

wir die bestehenden und teilweise noch<br />

originalen Pfeifen wiederverwendeten,<br />

wurde ein neuer Meilenstein gesetzt.<br />

Inzwischen hat die romantische<br />

Orgelmusik, die lange Zeit als dekadent<br />

galt, eine gleichberechtigte Stellung<br />

neben der barocken Literatur gefunden.<br />

Die Pfeifen des neuen Registers<br />

Untersatz 32' an der Rückwand der Orgel.<br />

2 Abdruck aus der Broschüre zur Einweihung der neuen Orgel vom April 2008.<br />

Unser Jahrhundert blickt auf mehr als<br />

300 Jahre Musikgeschichte zurück. So<br />

wird, wenn eine grössere Orgel gebaut<br />

oder umgebaut wird, von ihr erwartet,<br />

dass diese möglichst vielseitig<br />

einsetzbar ist. Dies setzt einen gewissen<br />

Schwerpunkt voraus, damit das Werk,<br />

auch wenn man es zeitlich und stilistisch<br />

erweitert, in sich geschlossen bleibt.<br />

Auch die Intonation wird heute so<br />

angelegt, dass bei bestimmten<br />

Registern Stile und Epochen kombiniert<br />

werden können, was eine weitgehend<br />

authentische Interpretation des<br />

umfassenden Kulturerbes erlaubt.<br />

Unsere langjährige Erfahrung hat uns zu<br />

Verfechtern der mechanischen Spiel-<br />

und Registertraktur gemacht. Trotzdem<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


wollten wir uns der modernen Technik und Elektronik nicht ganz verschliessen, denn<br />

diese bietet dem Organisten die Möglichkeit, seine Auswahl der Register<br />

vorzubereiten und abzuspeichern, was bei grösseren Werken bereits zum Standard<br />

gehört. Der Einsatz der Doppelregistratur, wie sie auch hier in Goldach Verwendung<br />

findet, erlaubt diesen Komfort, ohne auf die Vorteile der traditionellen, mechanischen<br />

Traktur verzichten zu müssen.<br />

Wir sind dankbar und es freut uns, dass wir mit dem Umbau der Orgel eine neue<br />

Herausforderung in grossem Ausmass annehmen und verwirklichen durften.<br />

Die Orgel ist zu einem Schmuckstück geworden und passt sich nun stilistisch, wie<br />

auch klanglich dem Kirchenraum an. Unser Auftrag bestand darin, das ganze<br />

Innenleben zu überarbeiten, die Technik zu erneuern, die Disposition zu erweitern und<br />

das Ganze zu einer neuen Einheit zu verschmelzen. Die Orgel wurde mit neuen<br />

Windladen für das Schwellwerk ergänzt und besitzt nun rund 3000 Pfeifen, welche alle<br />

einzeln mit einem Arbeitsaufwand von mehr als 1000 Stunden nachintoniert wurden.<br />

Das Instrument hat nun den gewünschten grundtönigen und weichen Klang mit<br />

grosser Gravität, welcher durch vielseitig einsetzbare und verschmelzungsfähige<br />

Solostimmen mit unverwechselbarem Charakter ergänzt wird.<br />

Auch im Namen meiner Mitarbeiter danke ich für das in uns gesetzte Vertrauen und<br />

wünsche allen viel Freude mit der neu gestalteten und umgebauten Orgel.<br />

69<br />

Konzert zur Orgelweihe<br />

in der Pfarrkirche St. Mauritius in Goldach<br />

Sonntag, 20. April 2008, 18:00 Uhr<br />

RUDOLF MEYER (Orgel) und JÜRG SCHMID (Akkordeon)<br />

Charles-Marie Widor Allegro aus Symphonie Nr. 6 g-moll op. 42<br />

1844–1937<br />

Franz Liszt Legende Nr. 1 "Die Vogelpredigt des heiligen<br />

1811–1886 Franziskus". Orgelfassung von Rudolf Meyer.<br />

Rudolf Meyer "Tangenziale"<br />

* 1943 Paraphrase über das Loblied "Mein ganzes Herz<br />

erhebet dich" für Akkordeon und Orgel. Den<br />

Goldacherinnen, Goldachern und dem Organisten<br />

Jürg Schmid herzlich zugeeignet (Uraufführung)<br />

Olivier Messiaen L'apparition de l'Eglise Eternelle (1932)<br />

1908–1992<br />

Johann Sebastian Bach Praeludium C-Dur BW 547.1<br />

1685–1750<br />

Georg Böhm Choralvariationen "Herr Jesus Christ, dich zu uns<br />

1661–1733 wend"<br />

Johann Sebastian Bach Fuga C-Dur, BWV 547.2<br />

1685–1750<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


70<br />

Die neue Orgel<br />

Die neue Orgel besitzt 45 Register, von denen 36 nach klanglicher Überarbeitung aus<br />

dem Vorgängerinstrument übernommen wurden. Die Windlade des ergänzten<br />

Schwellwerkes ist neu, ebenso die gesamte Mechanik. Das ebenfalls neu gestaltete<br />

Orgelgehäuse aus massivem Eichenholz mit einer Höhe von über sieben Metern passt<br />

sich dem Stil des neobarocken Raumes an.<br />

Disposition der Orgel von 2008 3<br />

I. Hauptwerk C–g3 II. Schwellwerk C–g3<br />

* Praestant 16' ** Bourdon 16'<br />

* Principal 8' * Principal 8'<br />

Nachthorn 8' Holzflöte 8'<br />

Spitzgambe 8' * Gedackt 8'<br />

Octave 4' Salicional 8'<br />

* Rohrflöte 4' Unda maris 8'<br />

Quinte 2 2/3' Octave 4'<br />

Octave 2' Dulciana 4'<br />

** Terz 1 3/5' Spitzflöte 4'<br />

Mixtur 5 f 2' Blockflöte 2'<br />

Cornet 5 f ab g° 8' ** Mixtur 4 f 2 2/3'<br />

* Trompete 8' ** Fagott 16'<br />

Trompette [harm.] 8'<br />

* Cor anglais 8'<br />

Schalmey 4'<br />

Tremulant<br />

III. Oberwerk C–g3 Pedal C–f'<br />

Pommer 8' * Untersatz 32'<br />

Holzgedackt 4' * Principal 16'<br />

Sesquialter 2 f 2 2/3' Subbass 16'<br />

* Principal 2' Octave 8'<br />

Larigot 1 1/3' ** Gedackt 8'<br />

Scharf 3–4 f 2/3' Spillpfeife 8'<br />

** Vox humana 8' Octave 4'<br />

Tremulant Hintersatz 3f 2 2/3'<br />

* Posaune 16'<br />

Trompete 8'<br />

** Clarine 4'<br />

* = teilweise oder komplett neuer Pfeifenbestand<br />

** = umgearbeiteter oder versetzter Pfeifenbestand<br />

3 Registerbezeichnung anhand der Beschriftung auf den Registerzügen.<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


5 Koppeln: III–I II–I III–P II–P I–P (als Züge oder Tritte)<br />

Mechanische Spiel- und Registertraktur<br />

Zuschaltbare elektronische Speicheranlage<br />

Sequenzer vorwärts/rückwärts als Tritt oder Druckknopf<br />

8 neue, resp. ersetzte Register<br />

3134 Pfeifen<br />

Orgelbau Hans Späth AG, Rapperswil.<br />

Projekt und neues Gehäuse: Hans Späth und Andreas Heinzle unter Mitberatung der<br />

Kant. Denkmalpflege St.Gallen.<br />

Konzeptberatung Rudolf Meyer und Jürg Schmid<br />

Projektgestaltung in Zusammenarbeit<br />

Architekturbüro Fontana Rudolf und Partner<br />

Gioni Signorell, Architekten<br />

Andreas Heinzle<br />

Die aus Nussbaum gestaltete Spielkonsole, teilweise mit Intarsien.<br />

71<br />

Linke Seite: Oben die Registerzüge für das Oberwerk, unten für das Schwellwerk, ganz unten<br />

die Züge für die beiden Manualkoppeln.<br />

Rechte Seite: Oben die Registerzüge für das Hauptwerk, unten für das Pedalwerk, ganz unten<br />

die Züge für die 3 Pedalkoppeln<br />

Fusstritte: Links für die 5 Koppeln (Wechselwirkung mit Zügen), in der Mitte der Schwelltritt,<br />

rechts Sequenzer vorwärts und rückwärts<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


72<br />

Die Orgel von 2008<br />

Zur Erneuerung<br />

Rudolf Meyer 4<br />

Es gibt nur gute oder schlechte Orgelneubauten, es gibt nur gute und schlechte<br />

Orgelerneuerungen. Die Zukunft wird über unser Vorhaben urteilen.<br />

Warum erneuerten wir Bestehendes und wählten nicht eine von zwei "radikalen"<br />

Lösungen? Die Erste hätte darin bestanden, die bestehende Mathis-Orgel von 1962<br />

ohne Wenn und Aber in all ihren Teilen zu erhalten, blosse Reparaturen auszuführen<br />

und die Rückführung der Pedaltrompete 8' in einen Sordun 32' wie an ihrer ersten<br />

Einweihung. 45 Jahre haben gezeigt, dass der technische Bereich, infolge mangelnder<br />

Erfahrung, eine begrenzte Lebensdauer hatte und dass die Verteilung der einzelnen<br />

Klangkörper sowohl klimatisch als auch akustisch problembeladen geschah. Zudem<br />

erwies sich der Hauptklang in der liturgischen Praxis als zu wenig tragend und zu<br />

obertonlastig, trotz aller wohlwollenden Gewöhnung.<br />

Die andere "radikale" Lösung hätte in einem kompletten, zeitgemässen Neubau<br />

bestanden. Wir hätten das grundsätzliche Klangkonzept von Domorganist Siegfried<br />

Hildenbrand (1917–1996) einer spannenden Synthese zwischen süddeutschem<br />

Die Orgel auf der Westempore im neuen neobarocken Stilgehäuse, passend zur Umgebung.<br />

Das frei stehende Gehäuse ist in massiver Eiche geschaffen mit vergoldeten Profilen.<br />

4 Rudolf Meyer, 1976–2001 Organist an der Stadtkirche Winterthur, war Orgelexperte beim Neubau<br />

der Orgel in Goldach. Abdruck dieses Artikels aus der Broschüre zur Einweihung der neuen Orgel<br />

vom April 2008.<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


Barock und französischer Romantik preisgeben müssen und damit, aus<br />

Kostengründen, auch noch die grosse Vielfalt von 45 Registern. Von Anfang an stand<br />

jedoch fest, dass die Verantwortlichen der Kirchgemeinde Goldach im Prinzip an der<br />

bestehenden Orgel und ihrem Klangentwurf festhalten wollten. Dies führte uns dann<br />

zielgerichtet auf eine Erneuerung.<br />

Unsere Lösung besteht nun aus der Wiederverwendung von 7 der 9 gut gebauten<br />

Windladen von 1962 und von 36 der 45 Register, somit 80 % des Klangbestandes. Da<br />

sämtliche vier offerierenden Firmen eine neue Traktur (Verbindung von Taste zu<br />

Spielventil) forderten, haben wir im gleichen Zug, aus klimatischen und akustischen<br />

Gründen, eine Neuordnung der Windladen vorgenommen: Das Hauptwerk wurde<br />

zusammengeschoben, aussen haben wir zu beiden Seiten die früher ganz hinten und<br />

unsichtbar platzierten Pedalladen aufgestellt. Das viel zu hochgestellte sogenannte<br />

Kronpositiv ganz oben an der Kirchendecke wich in der Stimmung während der doch<br />

längeren Heizperiode jeweils so stark von den übrigen Pfeifen ab, dass es nicht mit<br />

jenen zusammen gespielt werden konnte. Es liegt neu um ca. 130 cm tiefer. Hinter<br />

diesem und dem Hauptwerk hat Orgelbau Späth eine neue Schwellwerkslade samt<br />

einem schalldichten Gehäuse mit beweglichen Schwelljalousien erstellt. Die ganze<br />

Orgel ist heute um 120 cm weniger tief, was sowohl einem günstigen Zirkulationsgang<br />

als auch dem Klima der Westwand zugute kommt.<br />

Bereits 10 Jahre nach der Einweihung hatte Firma Mathis, d.h. deren Konstrukteur<br />

Andreas Heinzle, einen neuen Prospektentwurf für eine raumkonforme Ansicht der<br />

Orgel vorgeschlagen, da die sehr eigenwillige Orgelansicht Adolph Gaudys<br />

Raumvision zu stark kontrastierte. Vor allem wurde der unschöne Klangschacht über<br />

dem Spieltisch bemängelt. Im Zuge der Erneuerung hat nun derselbe Andreas<br />

Heinzle, seit vielen Jahren schon bei Orgelbau Späth tätig, einen völlig neuen<br />

Prospekt gezeichnet, der die Ruhe des bestehenden Raumes aufnimmt und in<br />

Gaudyscher Sprache der Westansicht der geräumigen Kirche ein freundliches und<br />

helles Gesicht verleiht. Die Stattlichkeit von 45 Registern ist in diesem "Gesicht"<br />

sinnvoll repräsentiert. Allein schon die Ansicht des Orgelgesichtes wirkt klingend!<br />

In der erneuerten Disposition haben wir zunächst darauf geachtet, dass die 36 gut<br />

gearbeiteten alten Register gesünder ansprechen, dass sie besser und schneller in<br />

den Grundton finden. Dafür bürgt die Intonationskunst von Hans Späth, die letztlich<br />

auf einer Besichtigungstour im Herbst 2006 in Schmerikon SG den Ausschlag für<br />

seine Firma gab. Hans Späth versteht sich, auch von seiner persönlichen Biografie<br />

her, besonders gut auf die Hildenbrand'schen Klangwünsche, hatte er doch in den<br />

70er Jahren für jenen unzählige Orgeln intoniert. Und wir haben einige der zu vielen<br />

spitzen "Spielklänge" gegen rundere Grundstimmen ausgetauscht. Als einziges<br />

Zusatzregister erhielt das Pedal den neuen "Infrabass", genannt Untersatz 32', um den<br />

"unterirdischen" Wurzelbereich des Klanglichen, dank einer besonderen Gravität<br />

besser im Boden zu verankern. Etliche Register haben durch massvolle<br />

Detailveränderungen eine neue musikalische Aufgabe bekommen.<br />

Ziel war, die Klänge denjenigen ausgesprochen gelungener Instrumente in der<br />

Schweiz um 1960 anzunähern (Münster Schaffhausen, Metzler / ref Kirche Heiligkreuz<br />

St.Gallen, Mathis / Ref. Kirche Elgg, Kuhn oder kath. Kirche Schmerikon SG, Späth).<br />

Von einer Modernisierung in Richtung der gegenwärtig bevorzugten, grundtönigen<br />

Neuromantik haben wir absichtlich abgesehen.<br />

Was wir unter massgeblicher Wiederverwendung sorgfältig überholter Orgelteile neu<br />

gewonnen haben, das sind folgende Qualitäten:<br />

73<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


1. Die gesammelte Klangabstrahlung aller Pfeifen<br />

2. Ein raumkonformes Orgelgehäuse<br />

3. Eine klangliche Verwesentlichung auf der Basis von 1962<br />

4. Ausgleich der Klangmittel von der Spitze weg in die Mitte und in die Gravität unter<br />

Reduktion allzu vieler Obertonregister, aber ohne Preisgabe der angestammten,<br />

typischen Brillanz.<br />

5. Die gesamte Klangsteuerung ist nunmehr dauerhaft, also rein mechanisch<br />

angelegt und ist also reiner Orgelbau. Zur Unterstützung des Umregistrierens<br />

wurde der Mechanik eine elektronisch speicherbare "Servoregistratur" beigefügt.<br />

Die Zeit des ultimativen Entweder-Oder ist vorüber, und wir dürfen in einer gewissen<br />

Demut einsehen, dass sowohl heutige Neuschöpfungen als auch die Weitergabe<br />

bestehender Werte immer relativ bleiben. Ich bin überzeugt, dass wir aus der<br />

gegenwärtigen Sicht mit dieser Erneuerung das Beste für unsere Orgel und somit für<br />

die Musik des Soli deo Gloria in unserer Kirche gewählt haben. Der gemeinsame<br />

Planungsweg erfolgte in einem ausgesprochen positiven gemeinsamen<br />

Zusammenwirken aller Persönlichkeiten, wofür ich nur danken kann.<br />

74<br />

Die neue Orgel<br />

Dank des Kirchgemeindepräsidenten<br />

August Spirig 5<br />

Die Orgelerneuerung ist abgeschlossen und die neue Orgel steht in voller Pracht auf der<br />

Empore. Es sind zwei Jahre her, seit wir uns entschlossen haben, dieses enorme Vorhaben<br />

umzusetzen. Nun ist es soweit, kommen Sie und lassen Sie sich mit uns durch die<br />

geschmeidigen neuen Klänge verzaubern. Sie sind herzlich eingeladen!<br />

Aber vorerst möchte ich Sie noch über ein paar Einzelheiten zur Orgelerneuerung informieren.<br />

Warum eine Orgelerneuerung?<br />

Der Unterhalt einer Orgel beschränkt sich im Normalfall auf ein zwei- bis dreimaliges Stimmen<br />

der Register und eine Revision alle 15 Jahre. Eine Generalüberholung der gesamten Orgel ist<br />

nur ca. alle 30 Jahre notwendig.<br />

Uns beschäftigte die Frage, wie es sein kann, dass eine Orgel derart viele Rechnungen pro<br />

Jahr für das Stimmen der Pfeifen oder andere Reparaturen verursacht. Um der Sache auf die<br />

Spur zu gehen, wurde im Kirchenarchiv nach Informationen gesucht. Es stellte sich heraus,<br />

dass die vorgesehene Generalüberholung von 1993 aus finanziellen Engpässen der<br />

Kirchgemeinde nicht in Auftrag gegeben wurde. So war klar, warum sich die Orgel nach über<br />

40 Jahren ohne Gesamtrevision in diesem Zustand befand. Nach Aussagen aller unserer<br />

Organisten liess sich die Orgel kaum zuverlässig spielen. Das Problem spitzte sich im Laufe<br />

der Zeit immer mehr zu.<br />

Vom Hersteller unserer Mathis-Orgel aus Näfels wurde eine Expertise verlangt. Darin zeigte<br />

sich ebenfalls der schlechte Zustand der Orgel. Für den Erhalt der Orgelkirchenmusik wurden<br />

vier Varianten präsentiert.<br />

1. Normale Revision<br />

Nachteile: Unterhaltsarbeiten in kleineren Intervallen blieben; Standort und die Gestaltung<br />

blieben unverändert; grösster Mangel: Orgel an der Aussenwand mit massiven<br />

Temperaturschwankungen würde nicht behoben.<br />

Kosten ca. Fr. 120'000.-<br />

2. "Revision plus" mit Auswechslung substanzieller Teile<br />

Gleiche Nachteile wie bei Variante 1.<br />

5 August Spirig ist Präsident des Kirchenverwaltungsrates. Abdruck dieses Artikels aus der Broschüre<br />

zur Einweihung der neuen Orgel vom April 2008.<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


Kosten Fr. 300'000.- bis Fr. 390'000.-<br />

3. "Tief greifender Umbau" von Grund auf überholt und alle Mängel behoben Aussehen und<br />

geschmeidigerer Klang der Atmosphäre der Kirche angepasst.<br />

Kosten ca. Fr. 900'000.-<br />

4. Neue Orgel<br />

Kosten ca. Fr. 1'500'000.- (reiner Orgelpreis, ohne Anpassungen der Empore)<br />

Um fachlich abgestützter entscheiden zu können, hat der Kirchenverwaltungsrat die<br />

Orgelkommission ins Leben gerufen. Zudem wurde ein Auftrag für die Leitung des<br />

Orgelumbaues an Rudolf Meyer vergeben, der bereits einige Begleitungen bei Orgelumbauten<br />

und Neubauten betreut hat.<br />

Als Mitglieder der Orgelkommission wurden gewählt:<br />

• August Spirig, KVR-Präsident als Vorsitzender<br />

• Monika Monn, Kirchenverwaltungsrat, Finanzen<br />

• Richard Schmidt, Seelsorger, Vertreter der Liturgie<br />

• Bruno Vollmeier, Organist und Chorleiter<br />

• Jürg Schmid, Organist und Chorleiter<br />

• Alex Müller, Organist<br />

• Edith Schrotberger, Präsidentin Kirchenchor<br />

• Luzia Krempl, Präsidentin Pfarreirat<br />

• Verena Keel, Pfarreirat, Ressort Öffentlichkeitsarbeit<br />

• Stefania Licchetta-Boni, Pfarreisekretariat, Verantwortliche der Spendenaktion<br />

• Rudolf Meyer, Orgelsachverständiger (ohne Stimmrecht)<br />

• Cornelia Gobbo, Aktuarin<br />

Nach einem Submissionsverfahren, bei dem die Variante "Revision plus" und die Variante<br />

"Tief greifender Umbau" ausgeschrieben wurden, mussten wir uns für die richtige Lösung<br />

entscheiden. Nach vielen Vergleichen haben wir einen klaren Beschluss gefasst und den<br />

Antrag an die Bürgerschaft gestellt. Wir entschieden uns, das qualitativ sehr gute<br />

Pfeifenmaterial zu erhalten und den Rest der Orgel zu ersetzen.<br />

An der Bürgerversammlung vom 20. März 2006 haben die katholischen Stimmbürger und<br />

Stimmbürgerinnen dem tief greifenden Umbau der Orgel in der St. Mauritius-Kirche für Fr.<br />

1'132'000.- zugestimmt.<br />

Zur eigentlichen Summe der Orgelerneuerung von Fr. 1'022'792.90 mussten verschiedene<br />

zusätzliche Arbeiten von rund Fr. 110'000.– mit einbezogen werden. Es waren Expertisen,<br />

bauseitige Anpassungen gemäss Denkmalpflege und die Anpassungen an der Empore<br />

notwendig.<br />

Um die Finanzen der Kirchgemeinde zu entlasten, hat sich die Orgelkommission<br />

entschlossen, eine Spendenaktion ins Leben zu rufen. Es wurde eine Broschüre entworfen,<br />

mit der interessierte Orgel- oder Musikfreunde als Paten angesprochen werden sollten. Mit<br />

dem Erscheinungsbild kreierten wir ein Label, das auch weiterhin auf die Kirchenmusik<br />

hinweisen wird. Die Aktion hat guten Anklang gefunden und zu unserer Freude wird auch<br />

weiterhin noch nach Patenschaften nachgefragt.<br />

Weiter oganisierten wir Anlässe, die die Besucher näher an die Kirchenmusik brachten. Die<br />

Begeisterung der Anwesenden hat bestätigt, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen<br />

haben.<br />

Wir, der Kirchenverwaltungsrat, bedanken uns bei Ihnen für die Unterstützung, das Vertrauen<br />

und das Interesse an der Kirchenmusik. Gefreut haben uns Ihre Besuche der verschiedenen<br />

besonderen Musikpräsentationen in der Kirche.<br />

Besonderer Dank gilt den Spendern und Paten der Orgel für Ihre Grosszügigkeit und das<br />

Bekenntnis zur Orgel und zur Kirchenmusik.<br />

Ebenfalls bedanken wir uns bei allen, die uns bei der Umsetzung der Orgelerneuerung und<br />

den verschiedenen Anlässen tatkräftig unterstützt haben.<br />

Wir werden uns weiterhin für die Anliegen der Kirchenmusik oder generell der Musik in der<br />

Kirche einsetzen und versuchen, Sie mit Anlässen und Präsentationen zu überraschen und zu<br />

begeistern.<br />

75<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009


Veranstaltungshinweise (Fortsetzung von Seite 62)<br />

Do 10.12.09 20:00 h Amriswil, evang. Kirche. Konzert zum Advent.<br />

Händel (Orgelkonzert op. 4 Nr. 1; Ouverture "Rodelinda", Concerto grosso HWV 313),<br />

Bach (Sinfonia aus BWV 61 und 35, Violinkonzert BWV 1042.<br />

Nataša Žižakov (Orgel), Roman Brenner (Violine), Hanspeter Gmür (Leitung).<br />

Fr 18.12.09 19.00 h Wil, Kirche St. Peter. Adventsmeditation.<br />

Samuel Nyffeler (Violoncello), Markus Leimgruber (Orgel).<br />

So 20.12.09 17:00 h St. Gallen, Kirche St. Mangen.<br />

Adventskonzert Verena Förster (Orgel).<br />

Do 31.12.09 22:30–23.30 h Amriswil, kath. Kirche. Silvesterkonzert.<br />

Festlich-Virtuoses für ein oder zwei Orgeln (Gigout, Bach, Boëllmann).<br />

Thomas Haubrich und Nataša Žižakov, Orgel.<br />

Fr 01.01.10 17:00 h Frauenfeld Kath. Stadtkirche<br />

Festliches Neujahrskonzert. Werke von Mendelssohn und Schumann.<br />

Tobias Frankenreiter (Orgel), Fabio Di Càsola (Klarinette), Armon Stecher (Bassetthorn).<br />

So 24.01.10 17:00 h St. Gallen, Kirche St. Mangen. Forum Alte Musik.<br />

Orgelkonzert Jean-Claude Zehnder.<br />

Öffentliche Musikvorlesungen an der Universität St Gallen, Herbstsemster 2009<br />

Wir möchten Ihnen den Besuch dieser praktisch kostenlosen Vorlesungen auch von unserer<br />

Seite sehr empfehlen. Ihr Angebot hängt wesentlich von der Nachfrage des Publikums ab. Der<br />

Besuch sämtlicher öffentlicher Vorlesungen eines Semesters kostet zwanzig Franken. Die erste<br />

Vorlesung ist gratis. Der Einzahlungsschein dient als Semesterpass. Vorlesungsverzeichnisse<br />

(mit Einzahlungsschein) liegen im Foyer der HSG auf oder sind erhältlich bei:Kommunikation<br />

der HSG, Dufourstrasse 50, 9000 St.Gallen, Tel. 071 224 22 25; kommunikation@unisg.ch;<br />

http://www.unisg.ch.. F. L.<br />

• «... nicht ohne Bach ...». Stationen der Bach-Rezeption<br />

Parallel zur vielseitigen musikalischen Verwendung von Bachs Musik war und sind seine<br />

Werke wechselnden Deutungen unterworfen. Somit wurde Bachs Schaffen zu einem<br />

Angelpunkt der abendländischen Musikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.<br />

Prof. Dr. phil. Dominik Sackmann, Professor an der Zürcher Hochschule der Künste<br />

Donnerstag, 18.15 bis 19.45 Uhr, Raum HSG 09-112 (Bibliotheksgebäude)<br />

29.10., 5.11., 12.11., 26.11. und 3.12.2009<br />

• Balladen und ihre Vertonungen<br />

In seiner Vorlesung wird sich Rudolf Lutz der Welt der musikalischen Balladen widmen. Er<br />

wird dabei eine Auswahl an Kompositionen von Schumann, Loewe, Schubert und anderen<br />

am Keyboard erläutern und entsprechende Aufnahmen präsentieren.<br />

Rudolf Lutz, Musiker, St. Gallen, und Professor an der Musikakademie Basel<br />

Mittwoch, 18.15 bis 19.45 Uhr, Raum HSG 09-011 (Bibliotheksgebäude)<br />

4.11., 11.11., 18.11., 25.11. und 2.12.2009<br />

Redaktionelle Bemerkung:<br />

Unsere Bulletins geben die jeweilige Meinung des Autors/der Autorin<br />

wieder und bedeuten nicht eine offizielle Stellungnahme der <strong>OFSG</strong>.<br />

76<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 27, Nr.4, 2009

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