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Gewebefragmente, wie die von der Außenwandung eines späthallstattzeitlichen Bronzekessels<br />

aus Altheim-Heiligkreuztal (Hügel 17/Grab 1), verraten nur selten etwas über die ursprüngliche<br />

Größe und das einstige Aussehen des Gewebes. Breite des Gewebes: 5,5 cm.<br />

Tiny fragments of cloth like these from the outer wall of a bronze cauldron from<br />

Altheim-Heiligkreuztal (Hill 17/Grave 1), dating to the late Hallstatt period, reveal<br />

little about the size and look of the original fabric. Width: 5.5 cm.<br />

ARCHÄOLOGISCHE<br />

TEXTILIEN<br />

ARCHAEOLOGICAL<br />

TEXTILES<br />

∑<br />

WAS SIND ARCHÄOLOGISCHE TEXTILIEN?<br />

Greift man zum Glossar der Textilingenieure, so versteht man<br />

unter Textilien Objekte, bei denen aus einem oder mehreren<br />

Elementen mithilfe einer textilen Herstellungstechnik eine Struktur<br />

entsteht. Diese Definition umschließt den Faden, der aus<br />

einzelnen miteinander versponnenen Fasern entstanden ist, aber<br />

auch den groben Korb, bei dem Weidenäste miteinander verflochten<br />

wurden, oder das feine Gewebe, für dessen Herstellung<br />

ein komplexer Webstuhl notwendig ist. Wir haben es mit Gegenständen<br />

zu tun, die sich in allen Bereichen des täglichen Lebens<br />

finden. Dazu gehören der Korb für die Vorratshaltung, das Sieb<br />

zur Herstellung von Käse, der Bienenkorb und auch die Reuse<br />

für den Fischfang. Ebenso zählen dazu die Wohntextilien, wie Bettsachen,<br />

die Kleidung sowie alle Arten von Stoffen mit unterschiedlicher<br />

Funktion, wie Segeltuche oder Sackleinen. Während<br />

der gesamte Bestand erhaltener historischer Textilien in benachbarten<br />

Fachdisziplinen, wie der Völkerkunde, ausgiebig studiert<br />

werden kann, kämpft die Textilarchäologie gleich mit zwei<br />

Unbekannten, mit denen sich andere archäologische Disziplinen<br />

bedeutend weniger auseinandersetzen müssen. Die eine Unbekannte<br />

ist die Morphologie; das heißt, welche Form ein Textil<br />

WHAT ARE ARCHAEOLOGICAL TEXTILES?<br />

The glossary used by textile engineers describes textiles as objects<br />

that are created by combining one or more elements into a structure<br />

using a textile production method. This definition applies to<br />

threads spun from various fibres, a crude basket woven from<br />

willow branches, or fine fabric requiring a complex loom. We are<br />

dealing with objects from all areas of daily use, such as the<br />

storage basket, the sieve for making cheese, the beehive, the fish<br />

trap, interior textiles such as bedding and clothing, and all types<br />

of fabrics for different purposes, such as canvas or burlap. While<br />

the entire body of historical textiles can be studied extensively<br />

in related disciplines, such as ethnology, textile archaeology has to<br />

come to terms with two unknown variables, which are much less<br />

prominent in other archaeological disciplines. The first of these is<br />

the morphology of a textile, i.e., its original shape. This is almost<br />

never known. While the structure of textiles can even be analysed<br />

on the basis of tiny fragments that yield important clues regarding<br />

technological data, the shape and appearance of the objects<br />

remains unknown. Other materials found in archaeology, such as<br />

pottery, do not pose this problem to the same extent. Even small<br />

archäologische textilien archaeological textiles<br />

15


archaeological textiles archäologische textilien<br />

ursprünglich hatte; darüber ist so gut wie nie etwas bekannt.<br />

Während die Struktur von Textilien auch bei winzigen Fragmenten<br />

analysiert und damit wichtige textiltechnischen Daten erfasst<br />

werden können, bleibt die Gestalt bzw. das Aussehen der Objekte<br />

unbekannt. Andere archäologische Materialgruppen, wie die<br />

Keramik, sind von dieser Problematik weniger betroffen. Selbst<br />

kleine Fragmente, wie Boden- oder Randscherben, können<br />

häufig aufgrund charakteristischer Merkmale einem Gefäßtyp<br />

und damit auch einer Funktion zugeordnet werden. Die zweite<br />

Unbekannte liegt bei den Textilien in ihrer Funktion, die selten<br />

bestimmt werden kann. Bei Grabtextilien stellt sich zudem<br />

die Frage, inwieweit sie ein Bild von den Textilien der Lebenden<br />

widergeben. Waren sie extra für das Leben im Jenseits angefertigt,<br />

oder schon zu Lebzeiten in Gebrauch? Zudem begrenzen die<br />

Erhaltungsmöglichkeiten für Textilfasern das Sortiment archäologischer<br />

Textilien erheblich. Neben den Paradefunden der<br />

Textilarchäologie, wie den jungsteinzeitlichen Textilfunden aus<br />

nord alpinen Seeufersiedlungen oder den komplett erhaltenen<br />

Kleidungsstücken aus der nordeuropäischen Vorgeschichte, hat<br />

sich die überwiegende Menge archäologischer Textilien aus<br />

den schriftlosen Kulturen in Form winziger Fragmente erhalten.<br />

fragments from the base or rim of a vessel often display characteristic<br />

features that allow the archaeologist to identify the type of<br />

vessel and thus explain its function. Textile fragments on the other<br />

hand do not allow such an exact determination of their function.<br />

Moreover, it is hard to tell whether textiles found in graves actually<br />

reflect the lives of the living. Were they specially manu factured<br />

for a life in the netherworld, or were they in use during their owner’s<br />

lifetime? The small range of conditions under which textile fibres<br />

can survive limits the number of archaeological textiles even further.<br />

Apart from such prominent discoveries in textile archaeology like<br />

the Neolithic textile finds from North Alpine lakeside dwellings or<br />

the completely preserved parts of clothing from the Northern<br />

European prehistory, the overwhelming number of archaeological<br />

textiles from cultures without a known written language have<br />

been preserved only as tiny fragments which have survived encased<br />

in the rust of corroding metal objects found in graves.<br />

The most important methods for creating fabrics have been<br />

known to mankind since the Neolithic period and earlier. Warpknitted<br />

textiles such as various nets, twined or coil-built meshwork<br />

for vessels, or even fabrics from this period, have survived in Neo-<br />

Im Rost korrodierender Metallfunde in Gräbern haben sie sich bis<br />

heute konserviert.<br />

Die wichtigsten Verfahren stoffbildender Techniken sind bereits<br />

seit der Jungsteinzeit und früher bekannt. Maschenstoffe in Form<br />

unterschiedlicher Netze, zwirnbindige Geflechte oder Spiralwulstgeflechte<br />

für Behältnisse oder sogar Gewebe sind aus dieser Zeit<br />

aus jungsteinzeitlichen Feuchtbodensiedlungen aus dem alpennahen<br />

Raum an Seeufern überliefert. Vor allem die meisterliche<br />

Verarbeitung von Baumbasten zu feinen Geflechten macht deutlich,<br />

dass diese Kenntnisse heute weitgehend verloren sind. Auch<br />

wenn die Funktion dieser Funde nicht immer zu erschließen ist,<br />

zeigen die unterschiedlichen Herstellungstechniken, wie wichtig<br />

Textilien im Alltag einst waren. Wie ein Scheinwerferlicht erhellen<br />

sie für einen Moment die spannende Geschichte des Textilhandwerks.<br />

Bis heute kamen keine vergleichbaren Siedlungsfunde aus<br />

nachfolgenden Kulturen zutage. Inwieweit bei den Kelten vergleichbare<br />

Herstellungstechniken zum Einsatz kamen, kann nur<br />

vermutet werden. Die wenigen Grabfunde in Form von Korbgeflechten<br />

sind kein Beleg dafür. Aufgrund fehlender Textilfunde<br />

Schlüsse zum Stand des Textilhandwerks oder der Bedeutung<br />

von Textilien zu ziehen, wäre jedoch völlig falsch. Gedeutet werden<br />

lithic wetland settlements at lakesides in the Circum-Alpine region.<br />

Most of all, the masterly working of tree bast fibres into fine meshes<br />

illustrates that these skills are mostly lost today. Even though the<br />

function of these finds cannot always be determined, the different<br />

manufacturing techniques show how important textiles once<br />

were in everyday life. For a brief moment they highlight the exciting<br />

history of textile crafts. Even today, we have not discovered any<br />

comparable finds in settlements of succeeding cultures and we can<br />

only guess to what extent the Celts used similar manufacturing<br />

techniques. The small number of grave finds in the shape of baskets<br />

is not sufficient proof. It would, however, be wrong to draw any<br />

conclusions regarding the state of textile crafts or the meaning of<br />

textiles due to a lack of textile finds. We can only interpret what<br />

exists, and not what does not exist. The unique textiles from the<br />

Hochdorf chieftain’s burial have shown how fast the state of<br />

research can change based on a single set of finds. These textile<br />

finds have granted us insights into knowledge and experiences<br />

which were in no way predictable by looking at the body of finds<br />

from the preceding urnfield culture or the early Hallstatt culture,<br />

although their basics were probably already known.<br />

kann hier nur Vorhandenes. Die einzigartigen Textilien aus dem<br />

Fürstengrab von Hochdorf haben gezeigt, wie schnell sich der<br />

Forschungsstand aufgrund einzelner Fundensembles komplett<br />

ändern kann: Wie anhand dieser Gewebefunde Kenntnisse und<br />

Erfahrungen sichtbar werden, die sich in keinster Weise im überlieferten<br />

Fundbestand der vorausgehenden Urnenfelder- oder<br />

frühen Hallstattkultur abzeichnen, aber in ihren Grundzügen<br />

vermutlich bereits bekannt waren.<br />

Die Herstellungstechniken der Fischernetze aus den jungsteinzeitlichen<br />

Pfahlbausiedlungen belegen unterschiedliche Fangtechniken. Hier ein Netz<br />

aus Hornstaad am Bodensee. Stärke des Zwirns: 1,5 mm.<br />

The production methods of fishing nets from Neolithic pile dwellings indicate<br />

different fishing techniques. Here you see a net from Hornstaad, Lake Constance.<br />

Thread size of the twisted yarn: 1.5 mm.<br />

16 17<br />

archäologische textilien archaeological textiles


Ausschnitt aus dem dritten Kesseltuch, Eberdingen-Hochdorf.<br />

Breite der schwach erkennbaren Raute: 1 cm.<br />

Detail of the third cloth from the cauldron, Eberdingen-Hochdorf.<br />

Width of the hardly visible lozenge: 1 cm.<br />

MEISTERWERKE<br />

TEXTILER KUNST<br />

MASTERPIECES OF<br />

TEXTILE ART<br />

KOSTBARKEITEN<br />

Archäologische Textilien gehören in der Regel zu den unauffälligen<br />

Funden, bei denen vor allem über die Tatsache gestaunt wird,<br />

dass die organischen Materialien den Zersetzungskräften über die<br />

Jahrhunderte oder Jahrtausende getrotzt haben. Ihrer ursprünglichen<br />

Farben beraubt, haben sie die Brauntöne der umgebenden<br />

Erdmaterialien oder benachbarter Metallobjekte angenommen,<br />

deren korrodierendes Metall nicht selten für Ihren Erhalt gesorgt<br />

hat. Die feinen Strukturen entziehen sich gewöhnlich dem<br />

menschlichen Auge und werden zwar als Stoff wahrgenommen,<br />

dessen ursprüngliche Brillanz aber weder erkannt, noch erahnt<br />

werden kann. So ist es kein Wunder, dass archäologische Textilien<br />

das Sorgenkind jedes Ausstellungsmachers sind und meistens<br />

darauf verzichtet wird, diese unansehnlichen Fragmente zu präsentieren.<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass ihre ursprüngliche<br />

Ausdehnung und Gestalt in der Regel ohnehin nicht rekonstruiert<br />

werden kann. Leider ist den Fragmenten nicht mehr anzusehen,<br />

dass sich dahinter wahre Feuerwerke an Farben verbergen,<br />

feinste Stoffe mit lebendiger Oberflächenstruktur, Brettchenborten,<br />

die sich wie ein Juwelenkranz um fließende Stoffe legten.<br />

Es waren Gewebe, deren Muster sich aus der Reflektion des<br />

∑<br />

TREASURES<br />

Archaeological textiles are often inconspicuous finds and experts<br />

mainly marvel at the fact that these organic materials defied<br />

decomposition for hundreds or thousands of years. They have<br />

lost their original colours and adopted the brown hues of the<br />

surrounding soil or adjacent metal objects, whose corroding components<br />

often secured their survival. These fine structures are<br />

usually invisible to the naked eye. They are identified as cloth, but<br />

their original brilliance is neither recognised nor even suspected.<br />

It is thus hardly surprising that archaeological textiles are often<br />

seen as “problem children” by exhibition curators, who usually<br />

choose not to exhibit such unimpressive fragments. This is made<br />

worse by the fact that their original size and shape cannot be<br />

reconstructed. But what if a true explosion of colours is hidden in<br />

these fragments; finest fabrics with vivid textures; tablet-woven<br />

borders adorning supple fabrics like jewellery? Textiles whose<br />

patterns used to come alive in bright sunlight? Shiny red fabrics<br />

whose tone could not be any more brilliant, and whose value<br />

was unfathomable because of their expensive dyes? All this, and<br />

much more, can be proven for the textiles from Eberdingen-<br />

meisterwer ke textiler kunst<br />

masterpieces of textile art<br />

43


masterpieces of textile art meisterwer ke textiler kunst<br />

44<br />

Sonnenlichts speisten: Leuchtend rote Stoffe, deren Farbe nicht<br />

eindrücklicher hätte sein können und deren Wert durch kostbare<br />

Farbstoffe ins Unermessliche ging. Im Fall von Eberdingen-Hochdorf<br />

ist all dies und noch viel mehr nachweisbar. Anhand von<br />

fünf Tüchern soll gezeigt werden, wie stark der Eindruck der<br />

Textilien bei der Zurschaustellung der Grabkammer war und wie<br />

ausschlaggebend ihre Wirkung in allen Bereichen demonstrativer<br />

Zurschaustellung gewesen sein muss. Als Farbstoffe sind Rot<br />

in Form von Kermessäure aus der Schildlaus Kermes vermilio und<br />

Indigoblau aus dem Färberwaid nachgewiesen. Udelgard Körber-<br />

Grohne hat bei den Fäden aus pflanzlichem Material teilweise<br />

Hanfbast nachweisen können. Für Rekonstruktionen dieser Stoffe,<br />

anhand derer ihre Lebendigkeit, ihre Farbbrillanz und die Raffinessen<br />

ihrer Musterungen verdeutlicht werden können, werden so<br />

viel Wissen, Fertigkeiten, Erfahrungen und Zeit benötigt, dass<br />

die experimentelle Archäologie noch weit davon entfernt ist, Vergleichbares<br />

herzustellen.<br />

Hochdorf. Five pieces of cloth shall be used to demonstrate how<br />

impressive these textiles looked at the time of the burial chamber’s<br />

presentation, and how effective they were as a demonstrative<br />

display of wealth. It has been shown that Kermes vermilio, a species<br />

of plant louse, was used for the red dyes and woad for the blue<br />

ones. Udelgard Körber-Grohne was able to identify hemp bast in<br />

the threads made from plant fibres. Reconstructions of these<br />

fabrics, which serve to illustrate their vividness, brilliant colours<br />

and the sophistication of their patterns, require so much knowledge,<br />

skill, experience and time that experimental archaeology<br />

is still far from being able to produce anything comparable.<br />

Textilien im Grab des Keltenfürsten von Hochdorf<br />

1 Totenabdeckung aus einem ungefärbten, mittelfeinen Gleichgratköper 2/2.<br />

2 Blau-rot kariertes Tuch aus einem sehr feinen Gleichgratköper 2/2,<br />

in beiden Fadensystemen einfaches Garn in Z-Drehung (kleines kariertes Tuch).<br />

3 Band: einfaches Brettchengewebe aus roten und blauen Kettschnüren.<br />

4 Rotes Grabtuch aus einem sehr feinen Gleichgratköper 2/2, jeweils in einem<br />

Fadensystem S-Zwirn bzw. einfaches Garn in Z-Drehung.<br />

5 Band: gemustertes Brettchengewebe, Kombination von Drehrichtungsmustern<br />

der Kettschnüre und einer köperbindigen Gewebestruktur mit Diagonalgratmusterung<br />

(„double-faced weave: double 3/1 twill“).<br />

6 Blau-rot kariertes Tuch aus einem sehr feinen Gleichgratköper 2/2,<br />

jeweils in einem Fadensystem S-Zwirn bzw. einfaches Garn in Z-Drehung<br />

(großes kariertes Tuch).<br />

7 Band: gemustertes Brettchengewebe aus Hanfbast und Dachshaar; köperbindige<br />

Gewebestrukturen („double-faced weave: double twill“). Z.T. mit Ripscharakter<br />

und dem Eintrag zusätzlicher Musterfäden (Kombination von Web-<br />

und Kettenstofftechnik).<br />

8 Sehr feines, leinwandbindiges Dachshaargewebe.<br />

9 Köperbindiges Diagonalgeflecht aus halbierten Grashalmen.<br />

10 Matratzenstoff: sehr feiner Schussrips aus Hanfbast, Leinwandbindung.<br />

11 Füllmasse der Matratze aus Dachshaaren, Kletten, Pflanzenhalmen<br />

und anderen pflanzlichen Kleinteilen.<br />

12 Sehr feiner Schussrips aus Hanfbast mit einer Streifenmusterung; auf<br />

dem Gewebe in lockerer Folge Getreidehalme.<br />

13 Sehr feiner Schussrips aus Hanfbast auf der Sitzfläche und der Rückenlehne<br />

der Bronzeliege.<br />

Textiles in the grave of the Celtic chieftain from Hochdorf<br />

1 The fabric covering the dead – an undyed 2/2 twill of medium fineness.<br />

2 Chequered cloth in red and blue. Very fine 2/2 twill with both warp and weft<br />

featuring Z-spun one-ply yarn (small chequered cloth).<br />

3 Band: a simple tablet weave based on red and blue warp cords.<br />

4 Red shroud made of very fine 2/2 twill, featuring S-spun yarn and one-ply<br />

Z-spun yarn in the same thread system.<br />

5 Band: patterned tablet weave, pattern combination based on turning of the<br />

tablets carrying the warp threads and a twill weave structure showing diagonal<br />

ridges (double-faced weave: double 3/1 twill).<br />

6 Chequered cloth in red and blue. Very fine 2/2 twill, featuring S-spun yarn in<br />

one thread system and one-ply Z-spun yarn in the other (big chequered cloth).<br />

7 Band: patterned tablet weave made of hemp bast and badger hair;<br />

twill-like weaving structure (double-faced weave: double twill), partially repp-like<br />

appearance. Additional pattern threads were added (combination of weaving and<br />

warp twining).<br />

8 Extremely fine tabby weave made of badger hair.<br />

9 Twill made of grass blades split in half displaying diagonal ridges.<br />

10 Mattress fabric: very fine weft-faced repp from hemp bast (tabby).<br />

11 Mattress filling made of badger hair, burrs, plant stems and other small<br />

plant parts.<br />

12 Very fine weft-faced repp from hemp bast showing a stripe pattern.<br />

On the weave’s surface, we see a loose pattern of grain stalks.<br />

13 Very fine weft-faced repp from hemp bast on the seat and backrest of the<br />

bronze bench.<br />

14 Upholstering of the backrest, filling comparable to that of the mattress<br />

filling (no. 11).<br />

14 Polsterung der Rückenlehne, Polstermasse vergleichbar mit der Matratze (Nr. 11).<br />

15 Sehr feines Gewebe mit blauer Karomusterung.<br />

16 Ein Ensemble aus sieben leinwandbindigen Geweben.<br />

17 Umwickeltes Rasiermesser.<br />

18 Sehr feiner Gleichgratköper 2/2 mit dem Eintrag eines zusätzlichen,<br />

blauen Musterfadens (Kombination aus Web- und Kettenstofftechnik).<br />

19 Band: gemustertes Brettchengewebe vom Wandbehang, Köperbindung 2/2<br />

(„double-faced weave: double 2/2 twill“), Flechtbandmusterung.<br />

20 Wandbehänge in alternierender Folge aus zwei sehr feinen Gleichgrat -<br />

köpern 2/2, einer davon mit karierter Spinnrichtungsmusterung.<br />

21 Band: gemustertes Brettchengewebe vom Wandbehang, Köperbindung<br />

(„double-faced weave: double twill“), Zinnenmäanderrauten-Musterung.<br />

22 Blauer, sehr feiner Diamantköper (Kesseltuch 1).<br />

23 Band: gemustertes Brettchengewebe in Köperbindung („double-faced weave:<br />

double twill“), parallele Musterzonen.<br />

24 Blau-rot kariertes Gewebe mit zusätzlicher Spinnrichtungsmusterung,<br />

sehr feiner Gleichgratköper.<br />

25 Band: gemustertes Brettchengewebe in Köperbindung („double-faced weave:<br />

double twill“), parallele Musterzonen, zwei Materialien.<br />

26 Sehr feiner Gleichgratköper mit gestreifter Spinnrichtungsmusterung<br />

und dem Eintrag zusätzlicher Musterfäden (Kombination aus Web- und Kettenstofftechnik),<br />

Rauten mit darin eingeschlossenen Swastiken.<br />

27 Band: gemustertes Brettchengewebe mit köperbindiger Gewebestruktur<br />

(„double-faced weave: double twill“), Quadrate mit darin eingeschlossenen<br />

Swastiken.<br />

28 Bodenbelag aus einem mittelfeinen Gleichgratköper.<br />

15 Very finely woven fabric with blue chequered pattern.<br />

16 An ensemble of seven tabby-woven fabrics.<br />

17 Wrapped shaving razor.<br />

18 Extremely fine 2/2 twill with an additional blue pattern thread<br />

(combination of weaving and warp twining).<br />

19 Band: patterned tablet weave (wall hanging), 2/2 twill (double-faced weave:<br />

double 2/2 twill), braided pattern.<br />

20 Wall hangings made of an alternating sequence of two very fine 2/2 twills.<br />

One of them shows a chequered shadow weave pattern.<br />

21 Band: patterned tablet weave (wall hanging), twill (double-faced weave:<br />

double twill), meandered rhombus pattern, resulting in an appearance<br />

reminiscent of stylised battlements.<br />

22 Blue, very fine diamond twill (cloth from cauldron 1).<br />

23 Band: patterned tablet weave (wall hanging), twill (double-faced weave:<br />

double twill), parallel pattern zones.<br />

24 Chequered fabric in blue and red with additional shadow stripe; very fine<br />

even-sided twill.<br />

25 Band: patterned tablet weave worked in a twill-like technique (double-faced<br />

weave: double twill), parallel pattern zones, two materials.<br />

26 Very fine even-sided twill with shadow striping pattern and additional<br />

pattern threads (combination of weaving and warp twining sprang), rhombi<br />

enclosing swastikas.<br />

27 Band: patterned tablet weave with twill structure (double-faced weave: double<br />

twill), squares enclosing swastikas.<br />

28 Floor covering made of medium-fine, even-sided twill.<br />

meisterwer ke textiler kunst<br />

masterpieces of textile art<br />

45


Garn, das mit dem kostbaren Farbstoff der Kermes-Schildlaus gefärbt wurde.<br />

Yarn dyed with the precious dye of Kermes vermilio.<br />

TEXTILHANDWERK<br />

UND<br />

EXPER IMENTELLE<br />

ARCHÄOLOGIE<br />

TEXTILE CRAFTS<br />

&<br />

EXPERIMENTAL<br />

ARCHAEOLOGY<br />

WAS IST EXPERIMENTELLE ARCHÄOLOGIE?<br />

Was ist Experimentelle Archäologie und warum der Schulterschluss<br />

mit den archäologischen Quellen, die etwas zum Textilhandwerk<br />

aussagen? Grundsätzlich dient die Experimentelle<br />

Archäologie dazu, verlorenes Wissen wiederzugewinnen, das notwendig<br />

war, um archäologische Objekte herzustellen. Der Weg<br />

von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Fertigstellung beinhaltet<br />

stets verschiedene Arbeitsprozesse, deren einzelne Abläufe und<br />

dabei verwendete Arbeitsgeräte und Hilfsmittel weitgehend oder<br />

gänzlich unbekannt sind. Daher liegt die Konzentration des<br />

Experimentes in der Regel nur auf einem dieser Arbeitsschritte.<br />

Grundlage des Experimentes ist eine gezielte Fragestellung,<br />

der durch naturwissenschaftliche Fakten und praktische Versuche<br />

nachgegangen wird. Die brauchbaren Ergebnisse der dokumentierten<br />

Experimente müssen jederzeit wiederholbar sein. Glückstreffer<br />

oder Erkenntnisse, wie es sicher nicht ablief, bereichern<br />

das Experiment, gehören aber nicht zu seiner Kernaussage. So lässt<br />

sich die Frage, wie die Textilfasern bei den frühen Kelten aus<br />

Flachs gewonnen wurden, nur angehen, indem unter dem Mikroskop<br />

vorher die Oberflächenstruktur von Fasern frühkeltischer<br />

Leinengewebe studiert wurde. Zur Zersetzung der basthaltigen<br />

∑<br />

WHAT IS EXPERIMENTAL ARCHAEOLOGY?<br />

What is experimental archaeology, and why is it so ideally suited<br />

to an investigation of archaeological sources that may reveal<br />

something about textile crafts? In principle, experimental archaeology<br />

aims to retrieve the lost knowledge that was originally<br />

used to create objects found at archaeological sites. The entire<br />

process from obtaining the raw materials to the completion of<br />

an object involved several sub-processes along the way. The techniques,<br />

tools and methods used in the process of manufacture<br />

are usually either almost or completely unknown, with the result<br />

that an experiment will usually focus on only one particular part<br />

of the production process. The experiment pursues the goal of<br />

answering a specific question based on scientific facts, i.e., by<br />

means of trial and error. The experiment, however, once complete,<br />

must return consistent results when repeated: lucky strikes or<br />

insights about how something definitely was not done may enrich<br />

the experiment, but do not contribute to the actual results. Let<br />

us consider an example. The question of how the early Celts won<br />

textile fibres from flax can only be addressed by first studying<br />

the surface structure of early Celtic linen weaves under the micro-<br />

textilhandwer k und exper imentelle archäologie<br />

textile crafts and experimental archaeology<br />

101


textile crafts and experimental archaeology textilhandwer k und exper imentelle archäologie<br />

Bestandteile des Flachsstengels können verschiedene Wege beschritten<br />

werden, die teilweise an den Textilfasern ablesbar sind.<br />

Anhand von Oberflächenstrukturen können bereits zu diesem<br />

Zeitpunkt bestimmte Arbeitsabläufe ausgeschlossen werden, die<br />

aus der Volkskunde bekannt sind. Den Begriff „Experimentelle<br />

Archäologie“ forschungsgeschichtlich aufzurollen, wäre ein mühseliges<br />

Unterfangen, weil deren ursprüngliche Intention, empirische<br />

Erfahrung zu erlangen, bei der das Handeln von einer wissenschaftliche<br />

Frage und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen<br />

geleitet ist, zeitweise komplett von anderen Kriterien überrollt<br />

wurde. Nicht der detaillierte Wissenszuwachs steht bisweilen im<br />

Mittelpunkt, sondern die anschauliche Präsentation urtümlicher<br />

Techniken, die als Attraktion Museumsbesucher anlockt. Das<br />

Spielfeld zwischen beiden Polen ist weit und wird von unterschiedlichen<br />

Gruppen wie der Archäotechnik oder der Reenactment-<br />

Szene bespielt. Die EXAR, eine europäische Vereinigung zur<br />

Förderung der Experimentellen Archäologie, deren Arbeiten vor<br />

allem Besuchern der Freilichtmuseen zugutekommen, steht<br />

oft genug vor der Schwierigkeit, es den wissenschaftlichen Ansprüchen<br />

und den Museumsbesuchern gleichermaßen recht zu<br />

machen. Die Experimentelle Archäologie, die der Wissenschaft<br />

scope. Different methods can be used to crush those parts of the<br />

flax stalk that contain bast, and to some degree, these techniques<br />

can be deduced from looking at the textile fibres themselves.<br />

An examination of the surface structures can therefore allow the<br />

archaeologist to exclude certain manufacturing methods, at<br />

least if we happen to possess information about them from ethnological<br />

studies. It would be a laborious undertaking to retrace<br />

the history of experimental archaeology, as its original intention of<br />

gaining knowledge and empirical data based on a scientific thesis<br />

and scientific results, is often temporarily or completely modified<br />

by new criteria or intentions. Occasionally, the focus of experimental<br />

archaeology is not the acquisition of detailed knowledge,<br />

but the presentation of ancient techniques, which attract museum<br />

visitors. Here, we find a broad spectrum of different groups<br />

operating under labels like “Archäotechnik” or “re-enactment.”<br />

EXAR, the European Association for the advancement of archaeology<br />

by experiment, whose work is mostly presented to visitors<br />

of open-air museums, is often faced with the difficulty of meeting<br />

both scientific standards and the expectations of museum visitors.<br />

Experimental archaeology based on scientific standards needs<br />

verpflichtet ist, benötigt Ausgangsfragen, die mit den Archäologen<br />

abgesprochen sind. Aufgabe der Experimentellen Archäologie<br />

ist es, über Versuche der archäologischen Wirklichkeit näher zu<br />

kommen. Die Fragestellung kann sich dabei auf die Rekonstruktion<br />

einer einzelnen Technik, der Gewinnung von Rohstoffen<br />

oder auf das Verständnis eines einzelnen Konstruktionselementes<br />

beziehen. Die Versuche müssen auf Ergebnissen der archäologischen<br />

Forschung basieren. Nur die enge Zusammenarbeit zwischen<br />

Archäologie und Experimenteller Archäologie gewährleistet eine<br />

gegenseitige Befruchtung, worunter zu verstehen ist, dass dem<br />

Archäologen in seiner Interpretation bestimmte Grenzen und<br />

Möglichkeiten aufgezeigt werden und die Experimentelle Archäologie<br />

wiederum den kulturellen Wert von Quellen durch die<br />

Konzentration auf diese erschließt. Eine Verfremdung bzw. Verflachung<br />

tritt dann ein, wenn die Ausgangsdaten bezüglich<br />

der Fragestellung ungenau erforscht sind oder wenn durch das<br />

Gesamtbild bei Darstellungen die historischen Quellen nicht<br />

mehr zum Tragen kommen und so nicht mehr erkennbar ist, wo<br />

uns historische Zeugnisse vorliegen und wo nicht. Laien bzw.<br />

Fachfremden wird das Dargestellte als historische Wahrheit präsentiert.<br />

Es darf aber nicht primär die Aufgabe des Lesers oder<br />

questions formulated by archaeologists. It is the task of experimental<br />

archaeology to approach archaeological reality via experimentation,<br />

be it in the form of the reconstruction of a single<br />

technique, the provision of raw materials or the understanding of<br />

a single constructive element. The experiments themselves must<br />

be based on the results of archaeological research. Only the close<br />

cooperation between archaeology and experimental archaeology<br />

guarantees cross-fertilisation, meaning that the archaeologist<br />

learns about the limits and potential feasibility of her or his interpretation,<br />

while experimental archaeology is ideally able to unlock<br />

the cultural significance of archaeological sources, but only by<br />

focusing on the sources, and only the sources. If the data motivating<br />

a question have not been thoroughly investigated or a<br />

generalised representation obscures the actual source material,<br />

with the result that we can no longer distinguish between what<br />

is historical evidence and what is not, alienation or superficial<br />

treatment of the subject matter might be the result. People who<br />

are not familiar with it will perceive its presentation as historical<br />

truth. We cannot expect a reader or an audience to question<br />

the historical accuracy of such a representation, at least not above<br />

Betrachters sein, zu hinterfragen, welche Teile des Dargestellten<br />

historisch belegbar sind. Der Herausgeber bzw. Darsteller muss<br />

klar machen, inwieweit seine Publikation bzw. Präsentation<br />

wissenschaftlichen Methoden und Ergebnissen verpflichtet ist,<br />

oder ob sie in erster Linie das aktuelle Konsumbedürfnis der<br />

Besucher befriedigt, das heißt ob sie der Anschaulichkeit dient<br />

und eher als reine Attraktion zu verstehen ist.<br />

all else. The publication or archaeologist must clarify to what extent<br />

his/her publication or presentation is based on scientific methods<br />

and results, and to what extent it is his/her goal to satisfy the<br />

visitors’ desire for a consumable presentation, i.e., to offer entertainment.<br />

If the alleged experimental archaeology is motivated by the<br />

wish to provide an entertaining presentation, it is no longer experimental<br />

archaeology, but an endeavour that is rooted in popular<br />

Wenn die Triebfeder vermeintlicher „Experimenteller Archäologie“<br />

allein die Anschaulichkeit ist, handelt es sich eben nicht<br />

mehr um Experimentelle Archäologie, sondern um ein populärwissenschaftliches<br />

Unterfangen mit historischen Berührungspunkten,<br />

ähnlich den zahlreichen Kinderbüchern, die sich mit<br />

Burgen, Rittern oder Römern beschäftigen. Solange eine klare<br />

Trennung zwischen populärwissenschaftlichen und wissenschaftlichen<br />

Publikationen besteht, ist dies kein Problem und kann<br />

als Bereicherung für die jeweilige Zielgruppe angesehen werden.<br />

science laced with historical aspects, similar to the vast number of<br />

children’s books about castles, knights or Romans. As long as a<br />

dividing line between popular science publications and scientific<br />

publications exists, there will be no conflict, and both are beneficial<br />

for their respective target audience.<br />

102 103<br />

textilhandwer k und exper imentelle archäologie<br />

textile crafts and experimental archaeology

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