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archaeological textiles archäologische textilien<br />
ursprünglich hatte; darüber ist so gut wie nie etwas bekannt.<br />
Während die Struktur von Textilien auch bei winzigen Fragmenten<br />
analysiert und damit wichtige textiltechnischen Daten erfasst<br />
werden können, bleibt die Gestalt bzw. das Aussehen der Objekte<br />
unbekannt. Andere archäologische Materialgruppen, wie die<br />
Keramik, sind von dieser Problematik weniger betroffen. Selbst<br />
kleine Fragmente, wie Boden- oder Randscherben, können<br />
häufig aufgrund charakteristischer Merkmale einem Gefäßtyp<br />
und damit auch einer Funktion zugeordnet werden. Die zweite<br />
Unbekannte liegt bei den Textilien in ihrer Funktion, die selten<br />
bestimmt werden kann. Bei Grabtextilien stellt sich zudem<br />
die Frage, inwieweit sie ein Bild von den Textilien der Lebenden<br />
widergeben. Waren sie extra für das Leben im Jenseits angefertigt,<br />
oder schon zu Lebzeiten in Gebrauch? Zudem begrenzen die<br />
Erhaltungsmöglichkeiten für Textilfasern das Sortiment archäologischer<br />
Textilien erheblich. Neben den Paradefunden der<br />
Textilarchäologie, wie den jungsteinzeitlichen Textilfunden aus<br />
nord alpinen Seeufersiedlungen oder den komplett erhaltenen<br />
Kleidungsstücken aus der nordeuropäischen Vorgeschichte, hat<br />
sich die überwiegende Menge archäologischer Textilien aus<br />
den schriftlosen Kulturen in Form winziger Fragmente erhalten.<br />
fragments from the base or rim of a vessel often display characteristic<br />
features that allow the archaeologist to identify the type of<br />
vessel and thus explain its function. Textile fragments on the other<br />
hand do not allow such an exact determination of their function.<br />
Moreover, it is hard to tell whether textiles found in graves actually<br />
reflect the lives of the living. Were they specially manu factured<br />
for a life in the netherworld, or were they in use during their owner’s<br />
lifetime? The small range of conditions under which textile fibres<br />
can survive limits the number of archaeological textiles even further.<br />
Apart from such prominent discoveries in textile archaeology like<br />
the Neolithic textile finds from North Alpine lakeside dwellings or<br />
the completely preserved parts of clothing from the Northern<br />
European prehistory, the overwhelming number of archaeological<br />
textiles from cultures without a known written language have<br />
been preserved only as tiny fragments which have survived encased<br />
in the rust of corroding metal objects found in graves.<br />
The most important methods for creating fabrics have been<br />
known to mankind since the Neolithic period and earlier. Warpknitted<br />
textiles such as various nets, twined or coil-built meshwork<br />
for vessels, or even fabrics from this period, have survived in Neo-<br />
Im Rost korrodierender Metallfunde in Gräbern haben sie sich bis<br />
heute konserviert.<br />
Die wichtigsten Verfahren stoffbildender Techniken sind bereits<br />
seit der Jungsteinzeit und früher bekannt. Maschenstoffe in Form<br />
unterschiedlicher Netze, zwirnbindige Geflechte oder Spiralwulstgeflechte<br />
für Behältnisse oder sogar Gewebe sind aus dieser Zeit<br />
aus jungsteinzeitlichen Feuchtbodensiedlungen aus dem alpennahen<br />
Raum an Seeufern überliefert. Vor allem die meisterliche<br />
Verarbeitung von Baumbasten zu feinen Geflechten macht deutlich,<br />
dass diese Kenntnisse heute weitgehend verloren sind. Auch<br />
wenn die Funktion dieser Funde nicht immer zu erschließen ist,<br />
zeigen die unterschiedlichen Herstellungstechniken, wie wichtig<br />
Textilien im Alltag einst waren. Wie ein Scheinwerferlicht erhellen<br />
sie für einen Moment die spannende Geschichte des Textilhandwerks.<br />
Bis heute kamen keine vergleichbaren Siedlungsfunde aus<br />
nachfolgenden Kulturen zutage. Inwieweit bei den Kelten vergleichbare<br />
Herstellungstechniken zum Einsatz kamen, kann nur<br />
vermutet werden. Die wenigen Grabfunde in Form von Korbgeflechten<br />
sind kein Beleg dafür. Aufgrund fehlender Textilfunde<br />
Schlüsse zum Stand des Textilhandwerks oder der Bedeutung<br />
von Textilien zu ziehen, wäre jedoch völlig falsch. Gedeutet werden<br />
lithic wetland settlements at lakesides in the Circum-Alpine region.<br />
Most of all, the masterly working of tree bast fibres into fine meshes<br />
illustrates that these skills are mostly lost today. Even though the<br />
function of these finds cannot always be determined, the different<br />
manufacturing techniques show how important textiles once<br />
were in everyday life. For a brief moment they highlight the exciting<br />
history of textile crafts. Even today, we have not discovered any<br />
comparable finds in settlements of succeeding cultures and we can<br />
only guess to what extent the Celts used similar manufacturing<br />
techniques. The small number of grave finds in the shape of baskets<br />
is not sufficient proof. It would, however, be wrong to draw any<br />
conclusions regarding the state of textile crafts or the meaning of<br />
textiles due to a lack of textile finds. We can only interpret what<br />
exists, and not what does not exist. The unique textiles from the<br />
Hochdorf chieftain’s burial have shown how fast the state of<br />
research can change based on a single set of finds. These textile<br />
finds have granted us insights into knowledge and experiences<br />
which were in no way predictable by looking at the body of finds<br />
from the preceding urnfield culture or the early Hallstatt culture,<br />
although their basics were probably already known.<br />
kann hier nur Vorhandenes. Die einzigartigen Textilien aus dem<br />
Fürstengrab von Hochdorf haben gezeigt, wie schnell sich der<br />
Forschungsstand aufgrund einzelner Fundensembles komplett<br />
ändern kann: Wie anhand dieser Gewebefunde Kenntnisse und<br />
Erfahrungen sichtbar werden, die sich in keinster Weise im überlieferten<br />
Fundbestand der vorausgehenden Urnenfelder- oder<br />
frühen Hallstattkultur abzeichnen, aber in ihren Grundzügen<br />
vermutlich bereits bekannt waren.<br />
Die Herstellungstechniken der Fischernetze aus den jungsteinzeitlichen<br />
Pfahlbausiedlungen belegen unterschiedliche Fangtechniken. Hier ein Netz<br />
aus Hornstaad am Bodensee. Stärke des Zwirns: 1,5 mm.<br />
The production methods of fishing nets from Neolithic pile dwellings indicate<br />
different fishing techniques. Here you see a net from Hornstaad, Lake Constance.<br />
Thread size of the twisted yarn: 1.5 mm.<br />
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archäologische textilien archaeological textiles