Predigt als PDF - Evangelische Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
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6. Sonntag nach Trinitatis, 07. Juli 2013, 18.00 Uhr<br />
<strong>Kaiser</strong>-<strong>Wilhelm</strong>-Gedächtnis-Kirche<br />
Gottesdienstreihe: „Gefragter Glaube – gefragt <strong>als</strong> Kraft zum Widerstehen“<br />
Johannes Hamel (1911-2002)<br />
Dozent und Studentenpfarrer in der DDR, unangepasster Prediger<br />
<strong>Predigt</strong>: Pfarrer Dr. Hans-<strong>Wilhelm</strong> Pietz, Görlitz<br />
Liturg: Pfarrer i.R. Peter Freybe, Berlin<br />
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Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft<br />
des Heiligen Geistes sei mit euch allen!<br />
Amen.<br />
So haben wir es gehört. So steht es <strong>als</strong> Gottes Wort im Prophetenbuch Jesaja im<br />
43. Kapitel: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem<br />
Namen gerufen; du bist mein!<br />
Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder aus Nah und Fern!<br />
In der Tat: Ein Glaube, der sich an diesen Zuspruch hält, ist gefragt, gefragt <strong>als</strong> Kraft<br />
zum Widerstehen. Gerade dann, wenn es so aussichtlos erscheint – oder egal – oder<br />
so unendlich mühsam. Gerade dann, wenn die Sätze ringsum mit „Es“ beginnen und<br />
vom „Es“ beherrscht werden:<br />
„Es ändert sich ja doch nichts.“<br />
„Es wird immer schlimmer.“<br />
„Es ist doch umsonst.“<br />
„Es ist, wie es ist.“<br />
„Und so ist es doch eigentlich ganz egal…“<br />
„Es ist eben so“, sagen wir, wenn wir mit unseren Sehnsüchten gegen die Wand<br />
gelaufen sind, wenn wieder ein Traum geplatzt und eine Hoffnung zerstoben ist. „Es<br />
ist eben so.“ Das „Es“ beherrscht die Szene. Das „Es“ führt die Regie. Man kann das<br />
wahrnehmen: auf den Straßen der Stadt oder in den Filmen der Sensiblen und in den<br />
Stücken der Beunruhigten.<br />
Dem Glaubenszeugen, um den es heute Abend geht, Johannes Hamel 1 , ließ das<br />
keine Ruhe. Dass der Mensch unter der Herrschaft des „Es“ verkümmert und<br />
1 Johannes Gotthilf Heinrich Hamel wurde am 19.11.1911 in Schöningen, Kreis Helmstedt (Braunschweig),<br />
geboren. Er verstarb am 01.08.2022 in Wernigerode.<br />
1
vergeht, dass wir da unser Gesicht verlieren, die Schönheit und den Schmerz, die mit<br />
dir und mir verbunden sind, das trieb ihn um. Johannes Hamel war ganz tief davon<br />
überzeugt, dass das Geheimnis der Wirklichkeit kein „Es“ ist, sondern das „Du“.<br />
Gottes „Du“. Das „Du“, das uns in der Gestalt Jesu Christi begegnet. Das „Du“, zu<br />
dem wir aufgerufen und fähig sind. Eine jede und ein jeder von uns.<br />
Die Erinnerung an ihn führt uns in die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.<br />
Führt uns in eine Situation, in der das Du Gottes oft ganz verdeckt war von den<br />
Schrecken des Krieges und der Schoah, verdeckt von den Mächten, die ihre<br />
Herrschaftsgebiete in einem kalten Krieg markierten, verdeckt von dem Abgrund der<br />
atomaren Bedrohung, verdeckt von einer Restauration der guten alten Zeit,<br />
- in der DDR verdeckt vor allem auch von dem Totalitätsanspruch der Ideologie<br />
zwangsläufigen Fortschritts. Die Erinnerung an Johannes Hamel führt uns in eine<br />
Situation, in der auch das menschliche Du zu entschwinden drohte: unter<br />
Bespitzelung und Gewissensschnüffelei, unter Anpassung und Resignation, unter<br />
den erzwungenen und gewährten Gefälligkeitsäußerungen.<br />
Was passiert, wenn das „Es“ an die Stelle des „Du“ tritt, das hat Johannes Hamel vor<br />
gut 50 Jahren in einer seiner Vorarbeiten zu den 10 Artikeln über Freiheit und Dienst<br />
der Kirche so beschrieben:<br />
„Ein säkularer, neuheidnischer Schicks<strong>als</strong>glaube und eine neustoische Ergebenheit<br />
(´Man kann gar nichts machen`) bestimmen weithin das Bild vieler Menschen. …<br />
Wo das blinde und ungerechte Schicksal regiert und die Frage nach Gebot und<br />
Verheissung über alle Härten und Ungerechtigkeit der Menschen hinaus verstummt,<br />
da glaubt man nicht mehr an ein sinnvolles Reden miteinander, an einen sinnhaften<br />
Zweck gemeinsamer Beratungen, an Verheissung und Erfolg gemeinsamer<br />
Bemühungen. Ein jeder sieht auf seinen Weg …: Kälte gegen die, die im Augenblick<br />
zu den Leidenden gehören, Rücksichtslosigkeit des eigenen Ellenbogens,<br />
Bereitschaft zu schlechten Dingen aus Angst um sein vereinsamtes Ich auf Kosten<br />
des Nächsten, Verstummen derer, die für die ihnen anvertrauten Menschen schreien<br />
müssten, und eine Inflation der Worte dort, wo nur Schweigen ziemte, - diese und<br />
andere Verderbensmächte greifen wie nach allen Menschen auch nach der Kirche<br />
und dem einzelnen Christen.“ 2<br />
In einer Vielzahl von dam<strong>als</strong> mit Eifer gelesenen Veröffentlichungen, in der durch<br />
Jahre und Jahrzehnte geübten Zuarbeit für Synoden und Kirchenleitungen, vor allem<br />
aber in seinen <strong>Predigt</strong>en und Vorträgen rief Johannes Hamel dazu auf, der Diktatur<br />
Stationen seines Lebenslaufes sind verzeichnet bei: Andreas Thulin, Durch Verhaftung … das Handwerk legen.<br />
Die <strong>Evangelische</strong> Studentengemeinde Halle (Saale) 1953 und die Inhaftierung von Studentenpfarrer Johannes<br />
Hamel, Halle 2004, S.10f.<br />
2 Johannes Hamel, Vorlage im EKU-Öffentlichkeitsausschuss „Dienst und Freiheit der ev. Christenheit in der<br />
DDR heute“, 1961, S. 2f; Kopie im Archiv des Predigers.<br />
2
des „Es“ die Freude am „Du“ entgegenzusetzen – und eben so Widerstand zu<br />
leisten, einen Widerstand aus Glauben, einen Widerstand im Loben Gottes und im<br />
Ruf zur Verantwortung.<br />
In seiner Sprache hieß das: Wir Christen sind Zeugen. Zeugen dessen, dass nicht<br />
die anonymen Mächte oder die menschlichen Gewalthaber oder die mannigfachen<br />
Sachzwänge im Regiment sitzen, sondern dass der Gott mit dem menschlichen<br />
Antlitz herrscht, dass Jesus Christus der König ist.<br />
Wie dieser Glaube, wie dieses Bekenntnis zu einem Widerstehen nach außen und<br />
nach innen führt, das hat Johannes Hamel selten dicht und intensiv bedacht und<br />
vorgelebt. Er konnte denen, die Gottes Wirklichkeit theoretisch oder praktisch<br />
leugneten, mit einem unüberhörbaren und unverkrampften Plädoyer für das „Du“<br />
begegnen – für das „Du“ Gottes – und für das „Du“ des anderen Menschen. Das war<br />
seine Weise, auf den Atheismus und die Atheisten zuzugehen. Denn vom „Du“<br />
überzeugt man nicht, indem man sagt: „Es ist eben so“. Vom „Du“ überzeugt man,<br />
indem man ganz dafür einsteht. Der Glaube begegnet dem Unglauben mit solchem<br />
Zeugnis. Und er begegnet auch nach innen, er begegnet auch einer zweifelnden und<br />
verzagten und resignierten Christenheit – in Johannes Hamels Sprache: dem<br />
Ungehorsam der Glaubenden – er begegnet auch nach innen mit der frohen<br />
Zuversicht, dass nichts uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Jesus<br />
Christus offenbar geworden ist.<br />
In seiner 1957 erschienenen Schrift „Christ in der DDR“ und in seinem 1959<br />
publizierten Büchlein „Christenheit unter marxistischer Herrschaft“ argumentiert er so<br />
immer in zwei Richtungen – wird der sich totalitär gebärdende atheistische Staat<br />
unter Gottes Herrschaft und die zaghafte Christenheit unter den Zuspruch und<br />
Anspruch der Liebe Jesu Christi gestellt. Nicht wenige waren da ganz aufgebracht:<br />
„Das hat gerade noch gefehlt, dass die Kirche zum Bleiben in der DDR aufruft!“<br />
Mitten in der Zeit des Kirchenkampfes der 50´er Jahre, mitten in der Zeit der<br />
Verhaftungen und Verunglimpfungen von jungen Christen und mutigen<br />
Kirchenleuten, mitten in einer Zeit der Massenflucht und der erpressten<br />
Lippenbekenntnisse sagt da einer angesichts des SED-Staates: Auch dieser Staat<br />
steht unter Gottes Herrschaft. Gerade in ihm will Gott unser Zeugnis seiner<br />
Menschenfreundlichkeit, unser Zeugnis der Wahrheit und des Beistandes für die<br />
Bedrängten. Es gibt eine Form des Lobes Gottes, die Freiheit schenkt noch im<br />
Argen. Oder mit der Theologischen Erklärung der Spandauer Synode der<br />
<strong>Evangelische</strong>n Kirche in Deutschland aus dem Jahr 1956:<br />
„Das Evangelium rückt uns den Staat unter die gnädige Anordnung Gottes, die wir in<br />
Geltung wissen, unabhängig von dem Zustandekommen der staatlichen Gewalt oder<br />
ihrer politischen Gestalt. Das Evangelium befreit uns dazu, im Glauben nein zu<br />
sagen zu jedem Totalitätsanspruch menschlicher Macht, für die von ihr entrechteten<br />
3
und Versuchten einzutreten und lieber zu leiden, <strong>als</strong> gottwidrigen Gesetzen und<br />
Anordnungen zu gehorchen.“<br />
Solcher Freimut steckt an. Zumal wenn der, der ihn übt, so ein Charisma der Rede<br />
und der Verbindlichkeit, der Begeisterung und der Geradlinigkeit hat, wir Johannes<br />
Hamel. Es gab Zeiten, da kamen zu den wöchentlichen Bibelarbeiten des Hallenser<br />
Studentenpfarrers 400 oder 500 Studierende aus allen Fakultäten. Und <strong>als</strong> man ihn<br />
im Mai 1953 im Berliner Stasi-Gefängnis verhörte, da stand die Wirkung solchen<br />
Freimuts ganz oben auf der Vorwurfsliste: „Vor allem aber war man mir böse“,<br />
schreibt Johannes Hamel unmittelbar nach seiner Freilassung, „daß so viele<br />
Marxisten durch die Studentengemeinde Christen geworden seien und aus der SED<br />
ausgetreten wären …“ – und er setzt dazu: „(ich weiß übrigens nur von etwa einem<br />
Dutzend solcher Fälle in 6 Jahren)“. 3<br />
Ach ja, jene Haftmonate vor 60 Jahren, sie haben einen besonderen Platz in dem<br />
abgeschlossenen Stück Kirchengeschichte der DDR-Zeit. Auf dem Höhepunkt der<br />
vom SED-Politbüro im Januar 1953 beschlossenen sogenannten „Entlarvung der<br />
Jungen Gemeinde in der Öffentlichkeit <strong>als</strong> einer Tarnorganisation für Kriegshetzte,<br />
Sabotage und Spionage" war Johannes Hamel am 12. Februar 1953 aus dem<br />
Personenzug zwischen Halle und Erfurt heraus verhaftet worden. Ähnlich erging es<br />
wenig später Diakon Friz Hoffmann in Magdeburg oder Vikar Johannes Althausen<br />
aus Berlin. Es müssen bald 70 Verhaftete gewesen sein, die in jenen Monaten <strong>als</strong><br />
Christen und Vertreter ihrer Kirche so bedrängt wurden. 4 Artikel 6 der DDR-<br />
Verfassung - der Vorwurf der Boykotthetze - gab der Willkür einen Anschein von<br />
Recht.<br />
Und dann war es eine Welle menschlicher und geistlicher Verbundenheit, die die<br />
Verhafteten trug und ihr Zeugnis aufnahm. Einen Tag nach Hamels Verhaftung, am<br />
13. Februar 1953, suchte Martin Niemöller den DDR-Ministerpräsidenten Otto<br />
Grotewohl auf, um für eine Beendigung des Kampfes der SED gegen die Kirche<br />
einzutreten. Wenig später reiste er nach Halle und berichtete vor gut 800 Leuten aus<br />
der Studentengemeinde von seiner Intervention für den verhafteten Freund. Am 2.<br />
März schrieb Karl Barth aus Basel an den MfS-Minister <strong>Wilhelm</strong> Zaisser mit der<br />
dringenden Bitte, die Maßnahmen gegen Johannes Hamel und die anderen<br />
Verhafteten, ja jenes ganze bedrückende Vorgehen gegen die Kirche in der DDR,<br />
einzustellen. In Halle ging es wohl wie ein Lauffeuer von Mund zu Mund: „Prof. Karl<br />
Barth und Bischof Dibelius haben der DDR-Regierung angedroht, ließen sie Pastor<br />
3 Thulin, 2004, S. 50.<br />
4 Thulin, 2004, S. 73.<br />
4
Hamel nicht frei, so würden sie in Westberlin alle Pastoren aufrufen, in ihren Talaren<br />
auf den Straßen zu demonstrieren, damit seine Verhaftung weltweit bekannt würde.“ 5<br />
Der Verhaftete selbst aber richtete sich nicht nach solch spektakulären Vorgängen<br />
aus. Ihm wurde die Haft zu einem Ort, an dem Gottes „Du“ besonders zu erfahren<br />
und besonders zu bezeugen war. „Fürchte dich nicht – ich habe dich bei deinem<br />
Namen gerufen – du bist mein.“<br />
Eines solchen „Du“ vergewissern die Zeichen der Ermutigung, die andere Menschen<br />
dem Gefangenen zukommen lassen. Eines solchen „Du“ vergewissert der Blick auf<br />
den in der Einsamkeit von Gethsemane betenden Jesus. Von solchem „Du“ singen<br />
die Vögel am Himmel, zeugen das Morgenrot und die Güte des Schlafs.<br />
In einem Rückblick auf die Haftzeit schreibt Johannes Hamel: „Diese Menschenwelt<br />
bleibt bei allen Dämonien und Schrecklichkeiten die Welt des Herrn und Vaters Jesu<br />
Christi und geht seinem Gericht entgegen. Und diese Welt ist von Gott geschaffen in<br />
all ihrer Lieblichkeit und Schönheit. Das Lied von Paul Gerhardt: ´Geh aus mein<br />
Herz und Suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben…`habe<br />
ich von Herzen singen gelernt: in Halle weckte mich morgens jeden Tag eine Amsel.<br />
Wenn sie zu ihrem wenige Minuten dauernden Morgengruß einsetzte, schwiegen alle<br />
anderen Vögel, wie es schien voller Verwunderung und Respekt. …und vor allem<br />
denke ich an die ´Freistunden` in Berlin, wo ich in einer Zelle im Keller bei<br />
elektrischem Licht untergebracht war, wenn wir uns täglich etwa 20-30 Minuten bei<br />
strahlendem Sonnenschein und nach Herzenslust an Sonne, Wind und Wolken und<br />
dem blauen Himmel, den Vögeln, Hundegebell und Hühnergackern freuen konnten.<br />
Wie gütig ist Gott, der uns das alles aus seiner göttlichen väterlichen Gnade und<br />
Barmherzigkeit schenkt!“ 6<br />
Man kann es nach 60 Jahren noch heraushören: Der Glaube <strong>als</strong> Kraft zum<br />
Widerstehen speiste sich bei Johannes Hamel nicht aus einer Gegnerschaft gegen<br />
Menschen und Programme, sondern aus einer großen Bejahung – aus dem durch<br />
viele Stimmern weitergegeben Ja Gottes. Was ihn bewegte, das lässt sich nicht so<br />
sehr mit dem Wort „Mut“, sondern mit dem Wort „Freimut“ andeuten.<br />
Durch mehr <strong>als</strong> zwanzig Jahre hindurch hat er dann von 1955 bis 1976 <strong>als</strong> Dozent für<br />
Praktische Theologie am Katechetischen Oberseminar in Naumburg die<br />
Theologiestudierenden zu solch freimütigem Denken und Glauben und Reden<br />
angehalten. 7 Sagen, was ist, nicht schweigen, wo unser Reden gefordert ist – und<br />
5 Thulin, 2004, S. 109.<br />
6 Thulin, 2004, S. 118f<br />
7 Vgl. Im Schatten des Domes. Theologische Ausbildung in Naumburg 1949–1994. Hrsg. von Ulrich Schröter und<br />
Harald Schultze in Verbindung mit Peter Lehmann, Axel Noack und Albrecht Steinhäuser, 2. Aufl., Leipzig 2012.<br />
5
nicht Reden, wo die Akklamationen erwartet werden – das waren gute und hilfreiche<br />
Orientierungen in der DDR, die doch ein Regime der Lüge war. In ihm war ja gerade<br />
das Unterdrücken des unangenehmen Teils der Wahrheit so gut eingeübt. In ihm<br />
wurde der Umgang mit Gefälligkeitsäußerungen schon in den Kindergärten und<br />
bisweilen auch in den Kirchenleitungen eingeübt. In ihm versprachen zweideutige<br />
Formulierungen einen Frieden, der keiner war.<br />
Johannes Hamel konnte da verblüffend einfach sagen: Bedenkt bei allem, was ihr in<br />
der Öffentlichkeit sagt: Sagt ihr es, um Eindruck zu machen? Sagt ihr es, um in die<br />
Zeitung zu kommen? Oder sagt ihr es, weil es von der Liebe und Wahrheit Jesu<br />
Christi geboten ist? 8 Und sein Ratschlag zum präzisen Schweigen der Kirche ist<br />
manchem sehr einleuchtend geworden - nicht nur unter den Bedingungen der<br />
Diktatur.<br />
Schweigen – zu seiner Zeit. Und reden – zu seiner Zeit. Sagen, was ist: Dankbar,<br />
staunend, wach, nüchtern, kritisch und nachdrücklich: Das ist der Weg, auf dem wir<br />
zum „Du“ kommen, zum Lob Gottes und zur Verantwortung, zu der wir bestimmt<br />
sind.<br />
Den Ort, an dem solche Freimütigkeit eingeübt wird, hat Johannes Hamel wieder und<br />
wieder beschrieben und aufgesucht: das Gebet. Wer betet, ist ja schon aus dem „Es<br />
ist nun einmal so“ herausgetreten. Wer betet, macht deutlich, dass nicht das „Es“ im<br />
Regimente sitzt. Das Gebet ist die Quelle der Freiheit und Veränderung.<br />
Schön und lebenspraktisch heißt es bei Johannes Hamel einmal: „Wer viel für andere<br />
betet, der braucht sich nicht über die anderen zu beklagen, gegen andere zu murren,<br />
sich über andere zu erbittern! … Wenn wir Gott für alle Menschen anrufen, dann<br />
können wir nicht gegen die Menschen sein, auch gegen unsere ärgsten Feinde nicht<br />
…“ 9<br />
Und dann setzt er zum Abschluss hinzu: „Ihr werdet euch, wenn ihr so betet, freuen<br />
an Gottes großen Taten und darum für andere erfreulich sein.“<br />
Amen.<br />
8 Vgl. Johannes Hamel, Zur Frage nach dem Weg der Christenheit n unseren Tagen, wie er erschwert oder<br />
erleichtert ist durch die Wege unserer Väter, Referat auf der Provinzi<strong>als</strong>ynode der <strong>Evangelische</strong>n Kirche des<br />
Görlitzer Kirchengebietes am 25.03.1972, S. 15.<br />
9 Johannes Hamel, Seid nüchtern und wachet. <strong>Predigt</strong>en und Vorträge, Göttingen 1958, S. 38.<br />
6
hw.pietz@innenstadtgemeinde-goerlitz.info<br />
7