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25.5.2013, Sonnabend vor Trinitatis, Bachkantate-Gottesdienst<br />

Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche<br />

Ansprache mit Joh. 3, 1- 15 zur Kantate BWV 165, „O heilges Geist- und Wasserbad“<br />

Pfarrer Martin Germer<br />

Liebe Gemeinde im Kantate-Gottesdienst!<br />

Neu anfangen können – aber richtig!<br />

Nach vielen vergeblichen Versuchen endlich durchstarten.<br />

Aus der Raupe zum Schmetterling werden…<br />

Vielleicht sind es solche Vorstellungen, die der alte Nikodemus irgendwo im Kopf hat in<br />

der Geschichte, die wir jetzt <strong>als</strong> Evangelium hören, bei Johannes im 3. Kapitel:<br />

Es war ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, einer von den Oberen<br />

der Juden. 2 Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, du bist<br />

ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei<br />

denn Gott mit ihm. 3 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage<br />

dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes<br />

nicht sehen.<br />

4 Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist?<br />

Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden? 5 Jesus antwortete:<br />

Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus<br />

Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. 6 Was vom Fleisch geboren<br />

ist, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren ist, das ist Geist. 7 Wundere dich<br />

nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von neuem geboren werden. 8 Der Wind bläst,<br />

wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und<br />

wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.<br />

9 Nikodemus antwortete und sprach zu ihm: Wie kann dies geschehen? 10 Jesus antwortete<br />

und sprach zu ihm: Bist du Israels Lehrer und weißt das nicht? 11 Wahrlich,<br />

wahrlich, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben;<br />

ihr aber nehmt unser Zeugnis nicht an. 12 Glaubt ihr nicht, wenn ich euch von irdischen<br />

Dingen sage, wie werdet ihr glauben, wenn ich euch von himmlischen Dingen<br />

sage? 13 Und niemand ist gen Himmel aufgefahren außer dem, der vom Himmel herabgekommen<br />

ist, nämlich der Menschensohn. 14 Und wie Mose in der Wüste die<br />

Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, 15 damit alle, die an<br />

ihn glauben, das ewige Leben haben.<br />

1


Die Sehnsucht ist noch nicht erloschen, der Traum nicht ausgeträumt in dem alten<br />

Schriftgelehrten. Sonst würde der nicht des Nachts zu Jesus kommen, um ihn zu befragen.<br />

Aber die Lebenserfahrung hat ihr eigenes Gewicht. Wie kann einer neu geboren werden,<br />

wenn er alt ist? Hat Nikodemus das nicht tausendmal erlebt, wie sehr wir alle die<br />

bleiben, die wir sind – so sehr wir uns auch mühen? Mit unseren Stärken, aber genauso<br />

auch mit unseren Schwächen, unseren großen und kleinen Macken! Wer kann denn<br />

wirklich aus seiner Haut – selbst wenn er es sich wünschen würde?<br />

Sein Gegenüber sieht das anders. Jesus spricht von neuer Geburt. Für ihn gibt es das:<br />

die Chance, neu zu werden. Ja mehr noch: Wer nicht neu geboren wird, der kriegt keinen<br />

Zugang zum Gottesreich! So die steile These, die Jesus hier plakativ und provozierend<br />

in den Raum stellt.<br />

Da kann Nikodemus nur skeptisch zurückfragen: Wie soll das denn gehen? Mein bisheriges<br />

Leben kann ich doch nicht abschütteln! Was mich geprägt hat, zum Guten wie<br />

zum Schlechten, das trage ich in mir. An meinen wunden Punkten reagiere ich immer<br />

wieder allergisch, an anderen Stellen verheddere ich mich immer wieder. Wie sollte es<br />

auch anders sein: Ich kann schließlich nicht in den Mutterleib zurück!<br />

Aber das wollte Jesus auch gar nicht sagen. Was er meint, das bewerkstelligen wir nicht<br />

selbst. Unser Leben <strong>als</strong> solches ist „Fleisch“, so drückt er es aus, und „was vom Fleisch<br />

geboren ist, das ist Fleisch.“ Wir sind, die wir jeweils geworden sind, und müssen uns<br />

da keinen Illusionen hingeben.<br />

Zugleich aber gibt es da noch einen grundlegend anderen Blick auf das Leben. Jesus<br />

spricht von einer Neugeburt aus dem Geist Gottes heraus. Ich verstehe das <strong>als</strong> ein<br />

Freiwerden von dem, was mich bloß bei mir selbst gefangen hält, ein Mich-Öffnen für<br />

das, was Gott mit mir vorhaben könnte. Ich darf sein, der ich geworden mit – und kann<br />

es zugleich geschehen lassen, dass Gottes Geist mich über mich hinausführt, dass er<br />

Neues werden lässt. Und das betrifft nicht bloß mich selbst, das betrifft die Menschen,<br />

mit denen ich zu tun habe, genauso. Auch da kann ich dem Geist Gottes etwas zutrauen.<br />

Ich blicke auf unser Miteinander im Kleinen und im Großen und finde darin trotz<br />

allem einen Raum von Möglichkeiten. Einen Raum, in dem Gottes Geist wirken will.<br />

Und wo er mich zur Mitwirkung anstiften will.<br />

Veränderungen, richtige Veränderungen sind nicht ausgeschlossen, sondern möglich.<br />

Das sollen wir uns nicht kleinreden. Davon sollen wir groß denken. Darum gebraucht<br />

Jesus große Worte und redet von nichts weniger <strong>als</strong> von einer neuen Geburt. Von einem<br />

wirklichen Neu-Werden.<br />

2


Noch einmal: Wir machen das nicht selbst. Schon gar nicht haben wir das Gelingen in<br />

der Hand. Es ist wie mit dem Wind, sagt Jesus – und macht sich dabei zunutze, dass das<br />

im Griechischen und im Hebräischen sogar ein und dasselbe Wort ist, Wind und Geist.<br />

„Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl.“ Du spürst manchmal etwas<br />

vom Wirken des Geistes. „Aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt.“ So<br />

ist es bei jedem und jeder, an der Gottes Geist etwas Neues hat werden lassen, ja „der<br />

aus dem Geist geboren ist“. Du kannst es einfach nur geschehen lassen und dich dafür<br />

bereit halten.<br />

Doch wie kommt es dazu? Wie kann das geschehen, dass Gottes Geist an uns wirkt?<br />

Grundsätzlich ohne alles Zutun, wie von Zauberhand? Und entweder es kommt zustande<br />

- oder auch nicht?<br />

Gegen Ende des heutigen Stücks aus dem Evangelium spricht Jesus von dem, was dabei<br />

unser Part ist. Er wirbt dafür, dass wir auf ihn hören und uns von ihm ansprechen lassen.<br />

So kann Gottes Geist uns anrühren. So will er uns über uns selbst hinaus führen,<br />

damit Neues werden kann.<br />

Jesus gebraucht dafür ein eigentümliches Bild, aus dem Alten Testament – in der Kantate<br />

nachher werden wir das aufgenommen finden. So wie Moses dam<strong>als</strong> in der Wüste<br />

die kupferne Schlange an einer hohen Stange angebracht hat und alle am Leben blieben,<br />

die sie anschauten und mit diesem Blick zugleich von ihrer eigenen Sorge wegschauten<br />

und ihr Vertrauen auf Gott richteten, „so muss der Menschensohn erhöht<br />

werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“<br />

Mit diesen Worten lässt der Evangelist Jesus vorausblicken auf den Weg, den er selbst<br />

vor sich hat, seinen Weg bis hin ans Kreuz. Von Jesus werden wir jedenfalls auch und<br />

vor allem dies lernen können: Gottes Weg mit uns muss nicht in irdische Triumphe führen<br />

und hat nicht diesseitige Glückseligkeit zum Ziel. Uns kann im Leben auch ganz anderes<br />

begegnen. Da sollen wir uns nicht von bloß menschlichen Erwartungen und<br />

Wünschen in die Irre führen lassen.<br />

Aber das Kreuz Jesu blieb nicht sein Ende und der Tod hatte nicht das letzte Wort über<br />

ihn. Eben ihn, den zunächst ans Kreuz Erhöhten, hat Gott zu neuem und unvergänglichem<br />

Leben erweckt. Und so können wir das an ihm auch für uns lernen. Durch ihn<br />

können wir glauben lernen, dass nichts uns von der Liebe Gottes trennen kann, auch<br />

nicht Finsternis und Leiden. Wo Gottes Geist aber solchen Glauben in uns zum Leben<br />

erweckt, da muss uns die Sorge um das eigene Glück und Wohlergehen nicht länger im<br />

Griff haben. Wir lernen das Loslassen und können zugleich umso dankbarer empfangen,<br />

was uns gegeben ist – in großer Freiheit.<br />

3


Das aber machen wir nicht selbst, sondern da wirkt der Geist Gottes mit all seiner Lebendigkeit.<br />

Und wenn wir das an uns geschehen lassen, kann er dann nicht wirklich<br />

auch anfangen, etwas zu verwandeln an uns und etwas neu werden zu lassen? Auch<br />

wenn ich zugleich natürlich der bleibe, der ich geworden bin!<br />

Und hätte ein solcher Zugewinn an Freiheit nicht wirklich etwas von einer neuen Geburt?<br />

Wie wäre das, wenn wir mit Jesus wagen, groß davon zu sprechen, statt es uns<br />

selbst immer wieder klein zu reden! Neue Geburt, weil darin etwas von der Lebendigkeit<br />

Gottes auf uns übergeht. Leben, das keiner uns nehmen kann. „Ewiges Leben“,<br />

sagt Jesus, nicht erst dermaleinst, sondern hier und schon jetzt.<br />

Einen sichtbaren Anfang dafür hat es übrigens gegeben mit der Taufe. Aus dem Wasser<br />

der Taufe hervorzukommen, das nimmt sinnbildlich diese neue Geburt vorweg. Darum<br />

sagt Jesus, wir sollten neu geboren werden „aus Wasser und Geist“. Und darum wird in<br />

der Kantate das „heilge Geist- und Wasserbad“ besungen und werden wir daran erinnert,<br />

dass wir das nicht aus dem Blick und aus dem Herzen verlieren. Entscheidend ist<br />

aber, dass wir uns nicht verschließen für das, was Gottes Geist jeweils an und zwischen<br />

uns bewirken möchte. In solcher Zuversicht können wir leben.<br />

Amen.<br />

4

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