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1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen

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<strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong><br />

beim Regierungspräsidium Leipzig<br />

1/SVK/4-00<br />

In dem Nachprüfungsverfahren<br />

Beschluss<br />

betreffend die Ausschreibung der ... Neubau Verwaltungsgebäude, Los 1 (Hochbau)<br />

Verfahrensbeteiligte:<br />

<strong>1.</strong> ..., vertreten<br />

durch den Geschäftsführer,<br />

2. ...<br />

vertreten durch die Hauptgeschäftsführerin,<br />

3. ... , vertreten durch den Geschäftsführer,<br />

- Antragstellerin -<br />

- Auftraggeberin -<br />

- Beigeladene -<br />

hat die <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> nach mündlicher Verhandlung vom 22. Februar<br />

2000 durch den Vorsitzenden Regierungsrat Fett, die hauptamtliche Beisitzerin Regierungsoberrätin<br />

Kriegesmann und den ehrenamtlichen Beisitzer Rechtsanwalt Dr. Dammert beschlossen:<br />

<strong>1.</strong> Der Auftraggeberin wird aufgegeben, das Vergabeverfahren zum Los 1 (Hochbau; Teillose<br />

<strong>1.</strong>1, <strong>1.</strong>2 und <strong>1.</strong>3) aufzuheben.<br />

2. Die Auftraggeberin hat die Kosten (Gebühren und Auslagen) <strong>des</strong> Hauptsacheverfahrens<br />

1/SVK/4-00 zu tragen. Die Gebühr für das Hauptsacheverfahren wird auf DM 5000,festgesetzt.<br />

Auslagen werden nicht erhoben.<br />

3. Die Auftraggeberin hat die Kosten (Gebühren und Auslagen) <strong>des</strong> Gestattungsverfahrens<br />

1/SVK/4-00G zu tragen. Die Gebühr für das Gestattungsverfahren wird auf 2500,- DM<br />

festgesetzt. Auslagen werden nicht erhoben.


2<br />

Gründe<br />

I.<br />

Die Auftraggeberin schrieb das Bauvorhaben „Neubau <strong>des</strong> Verwaltungsgebäu<strong>des</strong> der ... im Supplement<br />

zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften am 30.1<strong>1.</strong>1999 europaweit im Offenen Verfahren<br />

aus. Die Absendung der Bekanntmachung war am 23.1<strong>1.</strong>1999 erfolgt.<br />

Die Ausschreibung umfasste die Lose 1 (Hochbau) und 21 (Aufzugsanlage, Personenaufzug), wobei<br />

das Los 1 noch einmal in die Teillose <strong>1.</strong>1 (Herrichten <strong>des</strong> Baugelän<strong>des</strong> und Baustellen-einrichtung),<br />

<strong>1.</strong>2 (Rohbau) und <strong>1.</strong>3 (Beton- und Stahlbetonarbeiten) unterteilt war.<br />

Die Ausschreibung zu dem hier streitbefangen Los 1 lautet u. a. wie folgt:<br />

4. ... Etwaige Frist für die Ausführung:<br />

(<strong>1.</strong>1) etwa 3/2000, jedoch nach Bauablauf.<br />

(<strong>1.</strong>2) 4-8/2000, jedoch nach Bauablauf.<br />

(<strong>1.</strong>3) etwa 4/2000, jedoch nach Bauablauf.<br />

(21) etwa 11/2000, jedoch nach Bauablauf.<br />

5. a) Anforderung der Unterlagen bei: ...<br />

Termin für das Versenden der Unterlagen: 2.12.1999.<br />

6. a) Schlusstermin für Angebotseingang: 19.<strong>1.</strong>2000 (12.00). b) Anschrift: ...<br />

7. a) Zur Angebotsöffnung zugelassene Personen: ...<br />

b) Tag, Stunde, Ort: 20.<strong>1.</strong>2000 (10.00).<br />

...<br />

12. Bindefrist: Zuschlags- und Bindefrist: 18.2.2000.<br />

15. Sonstige Angaben: Stelle, an die sich der Bewerber oder Bieter zur Nachprüfung<br />

behaupteter Verstöße gegen Vergabebestimmungen wenden kann:<br />

<strong>Vergabekammer</strong> <strong>Sachsen</strong> (beim Regierungspräsidium Leipzig).<br />

17. Absendung der Bekanntmachung: 23.1<strong>1.</strong>1999.<br />

In der Veröffentlichung der Bekanntmachung im Sächsischen Ausschreibungsblatt ist als Datum der<br />

Absendung der Bekanntmachung demgegenüber der 22.1<strong>1.</strong>1999 genannt.<br />

Die geplante Gesamtauftragssumme liegt bei ca. 1X Mio. DM. Die Losgröße <strong>des</strong> Loses 1 (Hochbau)<br />

beträgt über X Mio. DM.<br />

Ab dem 06.12.1999 versandte die beauftragte ... GmbH die kompletten Verdingungsunterlagen an<br />

insgesamt 41 Bieter, die sich um die Teilnahme am Wettbewerb für das Los 1 beworben hatten.<br />

Nach Aussage <strong>des</strong> Verwaltungsleiters der Auftraggeberin erfolgte der Versand an die Antragstellerin<br />

am 08.12.und an die Beigeladene am 10.12.1999. Im zugehörigen Anschreiben wurde um Rückga-


e der ausgefüllten Exemplare bis spätestens 19.0<strong>1.</strong>2000 –<br />

12 Uhr gebeten.<br />

In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes (EVM (B) A) war unter der Rubrik Eröffnungs-<br />

/Einreichungstermin als Datum der 19.0<strong>1.</strong>2000 12.00 Uhr genannt. Die Leistungen sollten danach<br />

durch die .. im Namen und für Rechnung der ... vergeben werden.<br />

Mit Schreiben vom 15.12.1999 teilte die .. den betroffenen Bietern , darunter der Antragstellerin,<br />

folgen<strong>des</strong> mit:<br />

„ ...In Konkretisierung dieser Ausschreibung speziell <strong>des</strong> Deckblattes<br />

gilt folgen<strong>des</strong> eindeutig:<br />

3<br />

„Aufforderung zur Abgabe <strong>des</strong> Angebotes“<br />

<strong>1.</strong> Einreichung der Angebote 19.0<strong>1.</strong>2000, 12.00 Uhr<br />

2. Submission 20.0<strong>1.</strong>2000, 10.00 Uhr<br />

Ansonsten gilt die VOB.<br />

Wir bitten um Beachtung der Hinweise ...“<br />

Bis zum festgelegten Einreichungstermin am 19.<strong>1.</strong>2000, 12 Uhr, erhielt die ... GmbH ... u. a. von den<br />

Bietern ... , ... , ..., ... Anrufe, in denen diese um die Möglichkeit der Abgabe ihrer Angebote bis zum<br />

Ablauf <strong>des</strong> Arbeitstages bzw. bis zum Beginn der Submission am 20.0<strong>1.</strong>2000 baten. Diesem Ansinnen<br />

stimmte Frau ... von der ... zu. Ausweislich eines von dieser gefertigten Aktenvermerks vom<br />

19.0<strong>1.</strong>2000 „war es mir leider nicht mehr möglich, alle Firmen im Sinne der Gleichbehandlung von<br />

einer Terminsverlängerung bis zum Submissionstermin (lt. VOB § 18 Absatz 2 zulässig) in Kenntnis<br />

zu setzen.“<br />

Ausweislich eines weiteren Aktenvermerks vom selben Tage hatte sich der Geschäftsführer der ...,<br />

Herr ..., um 12.50 Uhr bei der „Nachprüfstelle“ beim Regierungspräsidium ... erkundigt, „ob im<br />

konkreten Fall - Ausschreibung EU-Weit zum Los 1 und 21 - die Möglichkeit besteht bis zum Submissionstermin<br />

(Öffnung <strong>des</strong> <strong>1.</strong> Angebotes) noch Angebote eingereicht werden dürfen ... Außerdem<br />

will man von Seiten ... aufgrund der EU-Weiten Ausschreibung auch Bietern aus anderen Regionen<br />

<strong>Sachsen</strong>, Deutschland und der EU bezüglich der weiteren Wege die Möglichkeit lassen, bis Submissionsbeginn<br />

Angebote einzureichen. Hier wird auch auf das Schreiben ... vom 15.12.1999 verwiesen<br />

, derart, dass die VOB und damit § 22 gilt. ... Gemeinsam bestand mit dem Regierungspräsidium<br />

Übereinstimmung, dass bei der Angebotsbindefrist gemäß VOB/A § 18, Absatz 2 zu verfahren ist,<br />

wonach die Angebotsbindefristen bei Eröffnung <strong>des</strong> <strong>1.</strong> Angebotes in der Submission ablaufen und<br />

die Zuschlagsfrist beginnt. ... Durch Herrn ... wurde ebenfalls geraten, die Submission durchzuführen.“<br />

Jedenfalls ist ein Protest <strong>des</strong> Vertreters der Antragstellerin in einer Anlage 1 zur Niederschrift der<br />

Submission vom 20.0<strong>1.</strong>2000 vermerkt. Darin lautet es wie folgt: “Auf Anregung .. - Herrn ... wird<br />

niedergeschrieben: Gleichbehandlung Bieter in Frage gestellt, da nach 19.0<strong>1.</strong>2000 noch Angebote<br />

bis zur Öffnung <strong>des</strong> <strong>1.</strong> Angebotes zugelassen werden.“<br />

In einer Anlage 2, auf die in der Niederschrift nicht verwiese wird heißt es wie folgt: „Zu Beginn erläuterte<br />

Herr ... die Verfahrensweise, daß Fristverlängerung nach Rücksprache mit dem Regierungspräsidium<br />

... VOB/a, § 18 gilt. Es wurde angesagt, daß ... gebote bis zur Öffnung <strong>des</strong> <strong>1.</strong> Angebotes


eingereicht werden können... Es gab zu Beginn keine Einrede eines Bieters. Danach wurde mit der<br />

Eröffnung der Angebote begonnen; Unterschrift ...“.<br />

Bis zum Einreichungstermin am 19.0<strong>1.</strong>2000, 12 Uhr, hatten neunzehn Bieter – darunter die Antragstellerin<br />

- um 1<strong>1.</strong>45 Uhr ein Angebot abgegeben. Bis 16 Uhr <strong>des</strong>selben Tages hatten insgesamt 22<br />

Bieter ein Angebot abgegeben.<br />

4<br />

Bis zum Submissionstermin am 20.0<strong>1.</strong>2000, 10 Uhr, hatten 27 Bieter, darunter auch die ..., die nunmehr<br />

ohne sachliche und rechnerische Prüfung preisgünstigste Bieterin, ein Angebot abgegeben.<br />

Die Angebotssummen für das Gesamtlos 1 liegen zwischen 2,XX und 3,XX Mio. DM. Die Antragstellerin<br />

liegt bei einer Bruttoangebotssumme in Höhe von 2,XX Mio. DM an dritter Stelle der Angebotssummen.<br />

Zweitgünstigste Bieterin ist die Beigeladene, die zudem einen in der Submission nicht<br />

verlesenen Nachlass gewährt, der sie zur preisgünstigsten Bieterin machen würde.<br />

Mit Schreiben vom 20.0<strong>1.</strong>2000, eingegangen bei der <strong>Vergabekammer</strong> am 2<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2000, bat die Antragstellerin<br />

um Aufklärung <strong>des</strong> Sachverhalts zu den verschiedenen Terminen der Angebotseinreichung<br />

und Angebotsöffnung und teilte mit, dass sie bei der Submission Protest gegen die<br />

beabsichtigte Wertung der nach dem 19.0<strong>1.</strong> 2000, 12.00 Uhr eingegangenen Angebote eingelegt<br />

und gefordert habe, diesen Protest in das Submissionsprotokoll aufzunehmen.<br />

Auf telefonische Nachfrage der <strong>Vergabekammer</strong> erklärte die Antragstellerin, mit diesem Schreiben<br />

ein förmliches Vergabeverfahren einleiten zu wollen, da sie die Berücksichtigung der acht Bieter, die<br />

ihr Angebot erst nach Ablauf der Einreichungsfrist, aber vor Öffnung der Angebote abgegeben hätten,<br />

für unzulässig halte.<br />

Der Antrag wurde der Auftraggeberin am 26.0<strong>1.</strong>2000 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.<br />

Die Auftraggeberin ist in ihrem Erwiderungsschriftsatz vom 27.0<strong>1.</strong>2000, eingegangen am<br />

3<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2000, der Beschwerde entgegengetreten und hat gleichzeitig einen Gestattungsantrag gemäß §<br />

115 Abs. 2 S.1 GWB gestellt.<br />

Sie bemängelt die Nichtbenennung <strong>des</strong> Antragsgegners und den fehlenden ... Nachweis der Rüge im<br />

Antragsschreiben der Antragstellerin vom 20.0<strong>1.</strong>2000 und bezweifelt, dass dieser ein Schaden entstanden<br />

oder ein solcher zu entstehen drohe. Allein durch die Einbeziehung aller eingegangenen Angebote<br />

und der bei der Angebotseröffnung bekannt gegebenen Angebotspreise sei für die Antragstellerin<br />

kein Wettbewerbsnachteil erkennbar. Die Rüge sei darüber hinaus nicht unverzüglich i. S. d.<br />

§ 107 Abs. 3 GWB gegenüber dem Auftraggeber erfolgt. Unverzüglich sei die Erklärung der Rüge<br />

spätestens vor Beginn der Angebotseröffnung. Der Protest durch den Vertreter <strong>des</strong> Antragstellers sei<br />

erst nach Abschluss der Angebotseröffnung mündlich vorgetragen und zu Protokoll gegeben worden,<br />

als dieser vollständige Kenntnis über die verlesenen Angebotspreise aller Bieter erlangt hatte.<br />

Der von der Auftraggeberin gestellte Antrag auf Zuschlagsgestattung wurde durch Beschluss der<br />

<strong>Vergabekammer</strong> vom 14.02.2000 zurückgewiesen, da die vorzunehmende Interessenabwägung zu<br />

Lasten der Auftraggeberin ausging. Die Kostenentscheidung wurde der Entscheidung im Hauptsacheverfahren<br />

vorbehalten.<br />

Mit Beschluss vom 15.02.2000 wurde die Beigeladene zum Verfahren beigeladen, die unter Berücksichtigung<br />

eines nicht im Eröffnungsprotokoll vermerkten Nachlasses für das Gesamtlos 1 preisgünstigste<br />

Bieterin ist.<br />

In der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2000 hatten die Beteiligten, Gelegenheit ihre Standpunkte<br />

darzulegen.<br />

Die Antragstellerin beantragt,


5<br />

festzustellen, dass sie in ihren Bieterrechten durch Ungleichbehandlung beeinträchtigt ist und<br />

die Aufhebung der Ausschreibung zu verfügen.<br />

Zur Frage eines drohenden Schadens trägt sie vor, es sei ihr zwar möglich gewesen, am 19.0<strong>1.</strong> ein<br />

fristgemäßes Angebot abzugeben. Anderen Unternehmen, denen dies nicht möglich gewesen wäre,<br />

hätten durch die Fristverlängerung um 22 Stunden erstmalig die Möglichkeit der Abgabe, zumin<strong>des</strong>t<br />

der Abgabe eines wirtschaftlichen Angebotes erhalten.<br />

Eine eigene spätere Abgabe eines abgeänderten Angebots habe sie nicht in Betracht gezogen, da<br />

dies organisatorisch nicht möglich gewesen wäre und die Gefahr <strong>des</strong> Ausschlusses ihres späteren<br />

Angebotes bestanden habe, da sie keinen schriftlichen Nachweis einer zulässigen Fristverlängerung in<br />

Händen gehabt habe.<br />

Die Auftraggeberin beantragt,<br />

den Antrag der Antragstellerin als unzulässig abzuweisen.<br />

Sie vertieft dabei ihre schriftsätzlich vorgetragenen Bedenken gegen die Zulässigkeit <strong>des</strong> Antrags und<br />

hält ein Auseinanderfallen von Einreichungs- und Submissionstermin für VOB-gemäß.<br />

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.<br />

Sie ist der Ansicht, eine Ungleichbehandlung der Antragstellerin liege nicht vor. Diese habe ein Angebot<br />

abgegeben und zudem auch die Möglichkeit gehabt, ihr Angebot noch einmal zu überarbeiten<br />

und zum Submissionstermin überarbeitet abzugeben. Eine eigene Ungleichbehandlung liege ebenfalls<br />

nicht vor, da sie selber noch vor 12 Uhr über die Verlängerung der Abgabefrist informiert worden<br />

sei.<br />

Wegen <strong>des</strong> weiteren Vorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze und die Niederschrift der<br />

mündlichen Verhandlung verwiesen.<br />

<strong>1.</strong> Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig.<br />

II.<br />

a) Die <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> ist gemäß § 2 der Verordnung der Sächsischen<br />

Staatsregierung über Einrichtung, Organisation und Besetzung der <strong>Vergabekammer</strong>n <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong><br />

<strong>Sachsen</strong> (SächsVgKVO) vom 23.03.1999 (SächsGVBl. S. 214) für den Antrag zuständig,<br />

da es sich um einen öffentlichen Bauauftrag einer sächsischen Auftraggeberin gemäß § 99 Abs. 3 <strong>des</strong><br />

Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) handelt.<br />

b) Die geplante Gesamtauftragssumme überschreitet die EU-Schwellenwerte.<br />

Nach § 100 Abs. 1 GWB unterliegen der Nachprüfung durch die <strong>Vergabekammer</strong> nur Aufträge,<br />

welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten. Die Auftragwerte werden durch Rechtsverordnung<br />

nach § 127 GWB festgelegt (Schwellenwerte). Der Gesetzgeber hat von der Ermächtigung<br />

in § 127 Nr. 1 GWB zum Erlass einer Rechtsverordnung noch keinen Gebrauch gemacht. § 100<br />

Abs. 1 GWB ist aber richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Schwellenwerte unmittel-


6<br />

bar durch die EG-Richtlinien bestimmt sind. Nach Art. 6 Abs. 1 b) der Richtlinie 93/37/EWG in der<br />

Fassung der Richtlinie 97/52/EG beträgt der Schwellenwert 5 Mio. Europäische Währungseinheiten<br />

(ca. 9,6 Mio. DM). Der geplante Gesamtauftragswert <strong>des</strong> Büroneubaus in Höhe netto 14 Mio. DM<br />

übersteigt den Schwellenwert ebenso wie der Wert <strong>des</strong> Einzelloses 1 den Schwellenwert von 1 Mio.<br />

Europäische Währungseinheiten (ca. 1,9 Mio. DM) übersteigt.<br />

c) Die Auftraggeberin fällt unter den öffentlichen Auftraggeberbegriff <strong>des</strong> § 98 Nr. 2 GWB.<br />

Sie untersteht als juristische Person, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse<br />

liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen gemäß § 2 <strong>des</strong> Gesetzes zur<br />

Ausführung und Ergänzung <strong>des</strong> Rechts der ... im Freistaat <strong>Sachsen</strong> (Sächs...) vom 18.1<strong>1.</strong>1991,<br />

GVBL. S. 380, der Rechtsaufsicht <strong>des</strong> Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit.<br />

Somit übt ein klassischer Auftraggeber im Sinne <strong>des</strong> § 98 Nr. 1 GWB über ihre Leitung die Aufsicht<br />

aus.<br />

d) Die Antragsbefugnis der Antragstellerin gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist gegeben.<br />

Antragsbefugt gemäß § 107 Abs. GWB ist ein Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat, eine<br />

Verletzung in - bieterschützenden - Rechten und zumin<strong>des</strong>t einen drohenden Schaden<br />

darlegt.<br />

Als beteiligte Bieterin hat die Antragstellerin durch Angebotsabgabe am 19.0<strong>1.</strong>2000 ihr Interesse am<br />

Auftrag dokumentiert. Nach Ansicht der Antragstellerin stellt die nachträgliche Zulassung der acht<br />

„verspäteten“ Bieter einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot (<strong>des</strong><br />

§ 97 Abs. 2 GWB; § 8 VOB/A) und somit eine bieterschützende Vergabebestimmung dar.<br />

Im Hinblick darauf, dass der Vortrag zum drohenden Schaden ohnehin hypothetischer Natur ist,<br />

Beschluss der <strong>Vergabekammer</strong> Baden-Württemberg vom 28.05.1999, 7/99, dürfen an die Darlegung<br />

keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden, sofern das Angebot - wie hier - zumin<strong>des</strong>t<br />

eine Aussicht auf Berücksichtigung gehabt hätte, Boesen, Vergaberecht, <strong>1.</strong> Aufl.<br />

2000, § 107 Rdnr. 53; Korbion, Vergaberechtsänderungsgesetz, § 107 Rdnr. 4.<br />

Der Schaden, der der Antragstellerin nach ihrer Ansicht dadurch kausal bedingt zumin<strong>des</strong>t zu entstehen<br />

droht, liegt in der Vermehrung der konkurrierenden Bieter, die zudem eine längere Angebotsfrist<br />

als die Antragstellerin für die Einreichung ihrer Angebote zur Verfügung hatten.<br />

e) Die Antragstellerin hat entgegen der Ansicht der Auftraggeberin einen formal zulässigen<br />

Nachprüfungsantrag gemäß §§ 107 Abs. 1, 108 GWB gestellt.<br />

Am 2<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2000 erreichte die <strong>Vergabekammer</strong> ein Fax der Antragstellerin. Dies genügt dem Schriftformerfordernis<br />

<strong>des</strong> § 108 Abs. 1 GWB, zumal es auch den Aussteller erkennen ließ (vgl. Kopp, 6.<br />

Auflage 1996, § 64 Rdnr. 11). Dies hat der Vergleich <strong>des</strong> Faxes mit dem nachträglich zu den Akten<br />

gereichten Original ergeben.<br />

Der Antrag erfüllt die Min<strong>des</strong>tanforderungen an die Begründungspflicht.<br />

Gemäß § 108 Abs. 2 GWB muss die Begründung die Bezeichnung <strong>des</strong> Antragsgegners, eine Beschreibung<br />

der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung der


7<br />

verfügbaren Beweismittel enthalten sowie darlegen, dass die Rüge gegenüber dem Auftraggeber erfolgt<br />

ist. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner zwar nicht ausdrücklich im Fax vom 2<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2000<br />

bezeichnet. Die Auftraggeberin ergibt sich jedoch eindeutig aus den beigefügten Anlagen. Zudem<br />

handelt es sich um ein eigenes Bauvorhaben der Antragstellerin; im Betreff <strong>des</strong> Faxes war der Verwaltungsneubau<br />

der ... ebenfalls benannt. Sinn und Zweck dieser Regelung dürfte die problemlose<br />

und schnelle Zustellung eines eingehenden Antrags sein. Diese Zustellung war anhand der vorgelegten<br />

Unterlagen zweifelsfrei möglich.<br />

Die Antragstellerin hat zwar nicht wörtlich ausgeführt, dass die Rüge gegenüber der Auftraggeberin<br />

erfolgt ist. Sie hat jedoch dargelegt, dass sie durch Ihren bevollmächtigten Vertreter bei der Submission<br />

Protest gegen die beabsichtigte Wertung der nach dem 19.0<strong>1.</strong>2000 eingegangenen Angebote<br />

eingelegt. Dieser Protest ist auch als Anlage zur Niederschrift der Submission zur Kenntnis genommen<br />

worden. § 108 GWB spricht zwar von einer Rüge gegenüber dem Auftraggeber. Eine Rüge zu<br />

Protokoll der Submission muss dafür jedoch genügen, da der Erfüllungsgehilfe der Auftraggeberin,<br />

die ... GmbH den Submissionstermin im Namen der Auftraggeberin durchführt hat und mit Herrn ...<br />

auch ein Vertreter der Auftraggeberin beim Submissionstermin ausweislich der Niederschrift über die<br />

Angebotseröffnung anwesend war und das Protokoll samt Anlage 1 mitunterschrieben hat. Eine Rüge<br />

gegenüber dem Erfüllungsgehilfen <strong>des</strong> Auftraggebers, der das Vergabeverfahren vollständig für<br />

Namen und Rechnung <strong>des</strong> Auftraggebers durchführt, muss als unverzügliche Rüge jedenfalls dann<br />

ausreichen, wenn sie nicht zur Unzeit erfolgt und mit einer sofortigen Kenntnisnahme der Auftraggeberin<br />

unter normalen Umständen zu rechnen ist.<br />

f) Die unverzügliche Rügeverpflichtung <strong>des</strong> § 107 Abs. 3 GWB ist von der Antragstellerin ebenfalls<br />

eingehalten worden..<br />

Entgegen der Ansicht der Auftraggeberin bestand keine Verpflichtung der Antragstellerin, die Ungleichbehandlung<br />

der Bieter schon vor Eröffnung der Angebote am 20.02.2000 gegenüber der Auftraggebein<br />

zu rügen.<br />

Stellt man - wie die Antragstellerin - einzig und allein auf das durch die Intervention <strong>des</strong> Regierungspräsidium<br />

gutgeheißene Zulassen weiterer Bieter (drei bis 16.00 Uhr und fünf weitere am<br />

Morgen der Submission) ab, so ist dieser Umstand der Antragstellerin unstreitig erst am Morgen der<br />

Submission bekannt geworden. Sie selber hat erst um 1<strong>1.</strong>45 Uhr am 19.0<strong>1.</strong>2000 ihr Angebot abgegeben.<br />

Dass tatsächlich am Nachmittag <strong>des</strong> 19.0<strong>1.</strong> und am Morgen <strong>des</strong> 20.0<strong>1.</strong>2000 weitere Angebote<br />

angenommen wurden, konnte sie erst vor Öffnung, u. U. auch erst bei Öffnung der Angebote<br />

erkennen. Eine Rüge dieses angeblichen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot <strong>des</strong> § 97<br />

Abs. 2 GWB im Anschluss an die Öffnung der Angebote ist noch unverzüglich (§ 107 Abs. 3 S. 1<br />

GWB), da die Antragstellerin zumin<strong>des</strong>t die Relevanz der nachträglichen Zulassung anhand der veröffentlichen<br />

Angebotsendsummen beurteilen musste, bevor sie diesen Verstoß rügte. Eine Rüge vor<br />

Öffnung der Angebote erscheint zudem sinnlos, da die Auftraggeberin – gestützt auf die Einschätzung<br />

<strong>des</strong> RP ... – diese acht Angebote in jedem Falle erst einmal zulassen wollte. Da die nachträgliche<br />

Zulassung von Bietern, die sich nicht an die Einreichungsfrist <strong>des</strong> 19.0<strong>1.</strong> hielten, nicht schon aus der<br />

Bekanntmachung ersichtlich war, war eine Rüge bis zum Angebotsabgabetermin (§ 18 Nr. 2<br />

VOB/A) gemäß § 107 Abs. 3 S. 2 GWB nicht nötig. Etwas anderes würde für das Auseinanderfallen<br />

von Einreichungstermin und Submissionstermin gelten. Dies war schon in der Bekanntmachung<br />

ersichtlich und hätte bis zu diesem Zeitpunkt von der Antragstellerin gerügt werden<br />

müssen. Das Auseinanderfallen dieser beiden Termine wird von der Antragstellerin aber nicht bemängelt,<br />

da sie dies entgegen § 18 Nr. 2 VOB/A fälschlicherweise für VOB - gemäß erachtet. Die


8<br />

globale Rüge der Verletzung <strong>des</strong> Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eindeutig auf die Zulassung weiterer<br />

Bieter nach dem Einreichungstermin bezogen.<br />

Eine sofortige, binnen Sekunden zu erfolgende, Rüge am Morgen <strong>des</strong> 20.0<strong>1.</strong>2000, als der Verhandlungsleiter<br />

sämtlichen anwesenden Bietern von der durch das Regierungspräsidium ... gutgeheißenen<br />

Zulassung weiterer Bieter berichtet hatte, war der Antragstellerin nicht zuzumuten. Zum einen ist anerkannt,<br />

dass Unverzüglichkeit der Rüge in Anlehnung an die Regelung <strong>des</strong> § 121 BGB lediglich<br />

bedeutet, dass die Rüge ohne schuldhaftes Zögern erfolgen muss. Welche Frist zwischen Erkennen<br />

<strong>des</strong> angeblichen Verstoßes und der Rüge beim Auftraggeber als unverzüglich zu gelten hat, kann<br />

nicht pauschal, sondern immer nur bezogen auf den Einzelfall bestimmt werden. Dabei ist jedoch<br />

einzustellen, dass der betroffene Bieter den erkannten Verstoß erst einmal realisieren und tatsächlich<br />

und rechtlich werten muss. Zudem ist ihm im Regelfall eine angemessene Überlegungsfrist zuzubilligen,<br />

innerhalb derer er die Relevanz <strong>des</strong> Vergabeverstoßes abschätzen und die Entscheidung zu treffen<br />

hat, ob er gegen diesen Verstoß Einwände erhebt oder dies aus verschiedensten Motiven heraus<br />

unterlässt. Bei Anlegung dieses Prüfungsmaßstabes erscheint es sachgerecht, dass sich der Bieter,<br />

der die unzulässige Zulassung weiterer Bieter nach Setzung eines vorgelagerten Einreichungstermins<br />

befürchtet, erst einmal die Ergebnisse <strong>des</strong> Submissionstermins abwartet, bevor er gegen die – verspätete<br />

- Zulassung insbesondere eines auf den ersten ungeprüften Blick preisgünstigeren Angebotes<br />

Bedenken erhebt. Erst zu diesem Zeitpunkt muss der betroffene Bieter befürchten, durch eine angebliche<br />

Wettbewerbsverzerrung und Erweiterung der Konkurrenten um den ansonsten möglichen Zuschlag<br />

gebracht zu werden.<br />

Diese Fallkonstellation ist vorliegend gegeben. Bezogen auf die 19 Bieter, die bis zum Einreichungstermin<br />

ein Angebot abgegeben hatten, war die Antragstellerin preislich die Günstigste. Ein<br />

Nachlass für die Beigeladene war im Submissionstermin nicht verlesen worden, der einzig verlesene<br />

Nachlass eines weiteren Konkurrenten spielte wirtschaftlich keine entscheidende Rolle. Somit konnte<br />

die Antragstellerin erst nach Eröffnung der Angebote erkennen, dass der Konkurrent ... GmbH<br />

preislich der Günstigste war, aber zu insgesamt fünf Bietern zählte, die ihr Angebot erst am Morgen<br />

<strong>des</strong> 20.0<strong>1.</strong>2000 abgegeben hatten.<br />

Erst zu diesem Zeitpunkt bestand für sie die Notwendigkeit, eine Rüge zu formulieren, da sie erst zu<br />

diesem Zeitpunkt konkret befürchten musste, durch Verstöße gegen Vergabebestimmungen um ihre<br />

echte Chance zur Erlangung <strong>des</strong> Auftrages gebracht zu werden.<br />

Nachdem sie die Relevanz <strong>des</strong> Vergabeverstoßes erkannt hatte, hat sie die Rüge unverzüglich im<br />

Anschluss an die Submission artikuliert.<br />

Zum selben Ergebnis kommt man, wenn man ein Erkennen <strong>des</strong> Rechtsverstoßes durch die Antragstellerin<br />

schon am 19.0<strong>1.</strong>2000 unterstellt, da sie zum einen nach eigenem Vortrag dies auch schon<br />

nach Abgabe ihres Angebotes gegenüber der ... gerügt haben will und unabhängig davon auch eine<br />

Frist von einem halben Tag als unverzüglich im Sinne <strong>des</strong> § 107 Abs. 3 GWB gelten würde. So hat<br />

das Oberlan<strong>des</strong>gericht Düsseldorf in seinen Beschluss vom 13.04.1999, Verg 1/99, eine Frist von<br />

zwei Wochen als Obergrenze noch für zulässig gehalten. Die Literatur billigt den Unternehmen eine<br />

Frist von einer Woche zu, Ingenstau/Korbion, Komm. zum Vergaberechtsänderungsgesetz, § 107<br />

Rdnr. 5).<br />

2. Der Antrag ist begründet.<br />

a) Die Auftraggeberin hat Bestimmungen über das Vergabeverfahren nicht eingehalten, auf deren<br />

Einhaltung die Antragstellerin ein Recht gemäß § 97 Abs. 7 GWB hat.


9<br />

Dies folgt nicht schon aus dem eindeutigen Verstoß gegen § 18 Nr. 2 VOB/A (Ende der Angebotsfrist<br />

ist die Eröffnung der Angebote im Submissionstermin und nicht einen Tag früher). Da dieser<br />

Umstand von der Antragstellerin nicht bis zur Angebotseinreichungsfrist gerügt wurde, aber bereits<br />

aus der Bekanntmachung ersichtlich war, darf die <strong>Vergabekammer</strong> diesen Umstand mangels<br />

zulässig erhobener Rüge nicht berücksichtigen.<br />

Es liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz <strong>des</strong> § 97 Abs. 2 GWB, § 8 Nr. 1 S. 1<br />

VOB/A vor.<br />

Die Ungleichbehandlung liegt zum einen in der Verkürzung der Angebotsfrist für diejenigen, die schon<br />

vor dem Einreichungstermin ihre Angebote abgegeben haben.<br />

Die Antragstellerin hat auf Wunsch von mehreren Bietern entgegen ihrer ausdrücklichen schriftlichen<br />

Erklärungen vom 08. Und 15.12.1999 wider Erwarten doch gestattet, nach Ablauf der Einreichungsfrist<br />

Angebote bis zur Submission abzugeben. Danach war die Angebotsfrist für diese acht<br />

Bieter faktisch 22 Stunden länger bemessen als für die 19 Bieter, darunter die Antragstellerin, die<br />

fristgemäß bis zum 19.0<strong>1.</strong>2000, 12 Uhr, ihre Angebote abgegeben hatten. Diese Ungleichbehandlung<br />

hat sich auch im Wettbewerb realisiert. Die Nachfrage von zumin<strong>des</strong>t vier namentlich bekannten<br />

Bietern im Vorfeld <strong>des</strong> Einreichungstermins nach der Ermöglichung der Einreichung der Angebote bis<br />

zur Submission ist bei verständiger Würdigung nur dahingehend zu interpretieren, dass es ihnen ansonsten<br />

schwerlich oder gar nicht möglich war, ein fristgemäßes Angebot abzugeben. Dieser Gesichtspunkt<br />

gilt erst recht für die Einreichung eines wirtschaftlichen Angebots, wie die Antragstellerin<br />

zu Recht in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat.<br />

So enthalten die Angebotsunterlagen von zwei der verspäteten Bieter (... und ... GmbH & Co. KG)<br />

Angebotsschreiben, die das Datum 20.0<strong>1.</strong>2000 tragen. Bei den sechs anderen „verspäteten“ Bietern<br />

datieren die Angebotsschreiben sämtlichst auf den 19.0<strong>1.</strong>2000. Zumin<strong>des</strong>t die beiden erstgenannten<br />

Angebote wäre in dieser Form somit nicht zum Einreichungstermin abgegeben worden, wobei das<br />

Unternehmen ... zu den namentlich benannten Unternehmen gehört, die um eine Fristverlängerung<br />

nachgesucht hatten.<br />

Zum zweiten wurde durch diese Zulassung der Kreis der Wettbewerber entgegen vorherigen Festlegungen<br />

und späteren Bekräftigungen vermehrt, womit weder die Antragstellerin noch<br />

andere termintreue Bieter zu rechnen brauchten.<br />

Dieser Verstoß wirkt sich im Vergabeverfahren auch zu Lasten der Antragstellerin aus.<br />

Unter den acht nachträglich zugelassenen Angeboten befindet sich auch das Angebot der ..., das<br />

ohne sachliche und rechnerische Prüfung als das preisgünstigste Angebot erscheint.<br />

Die Antragstellerin muss ... somit im Wettbewerb nicht nur mit acht weiteren Konkurrenten rechnen,<br />

mit denen sie zum Zeitpunkt <strong>des</strong> Einreichungstermins noch nicht definitiv zu rechnen hatte, sondern<br />

durch die von der Auftraggeberin verursachte Ungleichbehandlung ist auch ihre sehr realistische<br />

Chance, den Zuschlag zu erhalten, massiv gefährdet.<br />

Diese Ungleichbehandlung war auch durch die erläuternden Erklärungen am Vormittag der Submission<br />

nicht mehr zu heilen. Zum einen waren nur 20 der 27 Bieter anwesend. Zum zweiten konnte


10<br />

diese Erläuterung den Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz allenfalls verständlich machen<br />

und verdeutlichen, nicht aber beseitigen.<br />

b) Gemäß § 114 Abs. 1 GWB war die Aufhebung der Ausschreibung <strong>des</strong> Vergabeverfahrens<br />

zum Los 1 (Hochbau; Teillose <strong>1.</strong>1, <strong>1.</strong>2 und <strong>1.</strong>3) anzuordnen.<br />

Gemäß dieser Regelung trifft die <strong>Vergabekammer</strong> die geeigneten Maßnahmen, um die festgestellte<br />

Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern.<br />

Eine weniger einschneidende, die Schädigung der Interessen der Antragstellerin und weiterer durch<br />

die dargelegte Ungleichbehandlung betroffener Bieter gleichsam verhindernde, Maßnahme kommt<br />

nicht in Betracht.<br />

Eine etwaige Verpflichtung der Antragstellerin, die acht nachträglich zugelassenen Angebote auszuschließen<br />

und das Vergabeverfahren lediglich mit den 19 „fristgemäßen“ Angeboten zu beenden,<br />

widerspräche der materiellen Rechtslage und würde eine weitere Diskriminierung anderer Bieter verursachen.<br />

Die Setzung unterschiedlicher Fristen für die Einreichung der Angebote und der Eröffnung<br />

der Angebote widerspricht § 18 Nr. 2 VOB/A, der das Ende der Angebotsfrist mit der Eröffnung<br />

zusammenfallen lässt. Diese Koppelung wird zudem durch die Regelung <strong>des</strong> § 22 Nr. 6 Abs. 1<br />

VOB/A verdeutlicht, der sogar Angebote zulässt, die zwar aus nicht vom Bieter zu vertretenden Umständen<br />

bei Eröffnung der Angebote dem Verhandlungsleiter nicht vorlagen, aber schon derart in den<br />

Machtbereich <strong>des</strong> Auftraggebers gelangt waren, dass von einem wirksamen Zugang <strong>des</strong> Angebots<br />

auszugehen ist.<br />

Zum zweiten würden dann diese acht Bieter in ihrem Vertrauen auf die Zusage <strong>des</strong> Bevollmächtigten<br />

<strong>des</strong> Auftraggebers enttäuscht, der ihnen gegenüber ausdrücklich die spätere Zulassung ihrer Angebote<br />

erlaubt hatte. Dies gilt insbesondere angesichts der lebensnahen Erkenntnis, dass ihnen auch die<br />

Abgabe <strong>des</strong> Angebotes zum Einreichungstermin zeitlich gerade noch so möglich gewesen wäre, sie<br />

aber durch die vor Einreichung der Einreichungsfrist gewährte Verlängerung der Einreichungsfrist von<br />

einer fristgemäßen Abgabe <strong>des</strong> Angebotes abgesehen hatten.<br />

Zum dritten würde dabei die weitere Ungleichbehandlung derjenigen Bieter gut geheißen, die<br />

mangels Benachrichtigung oder öffentlicher Bekanntmachung durch die Auftraggeberin von der Verlängerung<br />

der Einreichungsfrist bis zum Submissionstermin nicht mehr in Kenntnis gesetzt wurden,<br />

möglicherweise dann aber doch noch ein Angebot abgegeben hätten. Von den 41 interessierten Bietern<br />

haben letztlich nur 27 Bieter ein Angebot bis zum Submissionstermin abgegeben. Dies gilt umso<br />

mehr als allen Bietern gegenüber nochmals durch gesondertes Schreiben vom 15.12.1999 die unterschiedlichen<br />

Einreichungs- und Submissionstermine verbindlich bestätigt wurden.<br />

III.<br />

Die Antragstellerin hat die Kosten <strong>des</strong> Hauptsacheverfahrens gemäß § 128 Abs. 3 GWB zu tragen.<br />

Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand unter Berücksichtigung<br />

der wirtschaftlichen Bedeutung <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong> <strong>des</strong> Nachprüfungsverfahrens.


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Die wirtschaftliche Bedeutung <strong>des</strong> Nachprüfungsverfahrens ist durch das Los 1 bestimmt. Bei einem<br />

Wert von ca. 2,X Mio. DM war lediglich die Min<strong>des</strong>tgebühr in Höhe von 5.000,- DM auszusetzen,<br />

§ 128 Abs. 2 S. 2 GWB.<br />

Gesonderte Auslagen sind nicht angefallen.<br />

Die im Beschluss der <strong>Vergabekammer</strong> vom 14.02.2000 vorbehaltene Kostenentscheidung im Gestattungsverfahren<br />

1/SVK/4-00G geht zu Lasten der Auftraggeberin aus.<br />

Als Unterliegende <strong>des</strong> Gestattungsverfahrens hat sie die Kosten zu tragen, § 128 Abs. 3 S. 1 GWB.<br />

Die auch hier anzusetzende Min<strong>des</strong>tgebühr in Höhe von 5.000,- DM ist aus Billigkeitsgründen auf<br />

2500,- DM zu reduzieren, § 128 Abs. 3 S. 2 2. HS GWB da der Gestattungsantrag seiner Natur<br />

nach ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren ist.<br />

Gesonderte Auslagen sind nicht angefallen.<br />

Die Gebühren sind unter Verwendung beigefügten Zahlungsformulars binnen zwei Wochen nach Zustellung<br />

dieser Entscheidung bei der Hauptkasse <strong>Sachsen</strong>, Außenstelle Chemnitz, unter Verwendung<br />

der Buchungskennzeichen 030604.11898-5 (5.000,- DM) und 030604.11899-4 (2.500,- DM) auf<br />

das Konto - Nr. 3550001800 bei der Sparkasse Chemnitz, BLZ 87050000 einzuzahlen.<br />

Eine Kostenregelung für die Beigeladene erübrigt sich, da sie sich wegen fehlender Antragstellung auf<br />

keiner Seite der beiden sonstigen Verfahrensbeteiligten positioniert hat.<br />

Gegen die Entscheidungen der <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> ist gem. § 116 Abs.<br />

1 GWB die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die<br />

mit der Zustellung der Entscheidung beginnt (§ 117 Abs. 1 GWB), schriftlich beim<br />

Beschwerdegericht einzulegen. Beschwerdegericht für die <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong><br />

ist das Oberlan<strong>des</strong>gericht Dresden, Vergabesenat, Lothringer Straße 1, 01069 Dresden. Die<br />

Beschwerde muss zugleich mit ihrer Einlegung begründet werden (§ 117 Abs. 2 GWB). Die<br />

IV.<br />

Die Beschwerdebegründung muss enthalten:<br />

<strong>1.</strong> die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Kammer angefochten wird und eine abwei-chende<br />

Entscheidung beantragt wird,<br />

2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.<br />

Die Beschwer<strong>des</strong>chrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt<br />

unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen <strong>des</strong> öffentlichen Rechts.<br />

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten <strong>des</strong> Verfahrens vom Beschwerdeführer<br />

durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwer<strong>des</strong>chrift zu unterrichten.<br />

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der <strong>Vergabekammer</strong>.<br />

Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.


Fett Kriegesmann Dr. Dammert<br />

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