Beschluss
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Leitsatz<br />
• Vom Verbot der Änderung oder Ergänzung des Leistungsverzeichnisses während des<br />
laufenden Vergabeverfahrens sind in bestimmten Fällen Ausnahmen zuzulassen. Bis<br />
zum Eröffnungstermin hat der Auftraggeber die Möglichkeit, etwaige Fehler im<br />
Leistungsverzeichnis zu korrigieren, das heißt, er kann Teile des<br />
Leistungsverzeichnisses zurückziehen oder Änderungen am Leistungsverzeichnis<br />
vornehmen, sofern diese die Grundlagen des Wettbewerbs und der Preisbildung nicht<br />
grundlegend verändern und den Entschluss der Unternehmen zur Beteiligung oder zur<br />
Nichtbeteiligung am Wettbewerb nicht berühren<br />
• Fehlerhafte Abweichungen im selbst gefertigten Kurzverzeichnis vom schriftlich<br />
anerkannten Langtext-LV, bspw. im Hinblick auf die vorgegebene Menge oder<br />
Einheit, müssen nicht notwendigerweise eine Änderung an den<br />
Verdingungsunterlagen darstellen. Der Auftraggeber muss sich darauf beschränken<br />
können, nachzuhalten, ob das Kurz-LV im Sinne der Anforderungen des § 21 Nr. 1<br />
Abs. 4 VOB/A vollständig ist und die im Lang-LV geforderten Angaben enthält. So<br />
kann sich der Bieter nicht auf Änderungen am erstellten Formblatt zu seinen Gunsten<br />
(bspw. für den Fall des Nachtrages) berufen, sondern muss sich am anerkannten<br />
Langtext-LV festhalten lassen. Gleichzeitig kann es damit nicht zu seinen Lasten<br />
gehen, wenn das selbst gefertigte Kurz-LV vom anerkannten Langtext-LV fehlerhaft<br />
abweicht.<br />
• Ergibt das Produkt aus Menge und Einheitspreis nicht den angegebenen Gesamtbetrag,<br />
so ist gemäß § 23 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/A die Multiplikation der Menge mit dem<br />
angegebenen Einheitspreis maßgebend. Bei Verwendung einer selbst gefertigten<br />
Kurzfassung sind zur Multiplikation die Faktoren des schriftlich anerkannten<br />
Langtext-LV und nicht die fehlerhaft durch den Bieter in die Kurzfassung<br />
eingetragene Mengen bzw. Einheitsangaben zu verwenden. Dies gilt insbesondere,<br />
wenn die Menge des Leistungsgegenstandes nicht mit der in der Kurzfassung<br />
angegebenen Einheit bestimmbar ist. So ist eine Fernmeldekabelmenge in Stück nicht<br />
bestimmbar, wenn nicht die Länge angegeben wurde.<br />
1. Vergabekammer<br />
des Freistaates Sachsen<br />
beim Regierungspräsidium Leipzig<br />
1/SVK/021-08<br />
1/SVK/021-08-G<br />
<strong>Beschluss</strong><br />
In dem Vergabenachprüfungsverfahren<br />
betreffend die Ausschreibung des XXXXXX; XXXXXX, Baumaßnahme Bundesstraße B<br />
98, Ortsumgehung Großenhain, 1. BA, Los 5.5. (Ausschreibungslos 1) und Los 2,<br />
Kanalbau/Erdbau (Ausschreibungslos 2)
Verfahrensbeteiligte:<br />
1. XXXXXX GmbH, XXXXXX, XXXXXX, vertreten durch die Geschäftsführung,<br />
Verfahrensbevollmächtigte: XXXXXX<br />
2<br />
- Antragstellerin –<br />
2. XXXXXX, vertreten durch das XXXXXX, XXXXXX, XXXXXX, vertreten durch<br />
den Amtsleiter,<br />
- Auftraggeber –<br />
3. XXXXXX,- u. XXXXXX, vertreten durch ihre Komplementärin, die XXXXXX,<br />
XXXXXX; XXXXXX, diese vertreten durch die Geschäftsführung,<br />
Verfahrensbevollmächtigter: XXXXXX<br />
-Beigeladene-<br />
hat die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ohne mündliche Verhandlung am<br />
21.04.2008 durch die Vorsitzende, Frau Kadenbach, den hauptamtlichen Beisitzer, Herrn<br />
Kühne sowie den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Gronemann, beschlossen,<br />
1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.<br />
2. Der Auftraggeber wird verpflichtet, die Angebote unter Beachtung der<br />
Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu werten.<br />
3. Der Auftraggeber trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des<br />
Hauptsacheverfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung<br />
notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin. Die Verfahrensgebühr wird<br />
auf XXXXXX € festgesetzt. Der Auftraggeber ist jedoch von der Verpflichtung<br />
zur Entrichtung der Gebühr befreit.<br />
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin<br />
wird für notwendig erklärt.
3<br />
5. Der Auftraggeber trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des<br />
Gestattungsverfahrens. Die Verfahrensgebühr wird auf XXXXXX Euro<br />
festgesetzt. Der Auftraggeber ist jedoch von der Entrichtung der Gebühr<br />
befreit.<br />
Gründe<br />
Mit europaweiter Vergabebekanntmachung vom 23.01.2008 schrieb der Auftraggeber die<br />
Baumaßnahme Bundesstraße B 98, Ortsumgehung Großenhain, 1. BA, Los 5.5.<br />
(Ausschreibungslos 1) und Los 2, Kanalbau/Erdbau (Ausschreibungslos 2) im Offenen<br />
Verfahren aus. Unter II.1.8. „Teilnahmebedingungen“ wurde ausgeführt, dass eine Aufteilung<br />
des Bauvorhabens nach Losen nicht vorgesehen sei, da ein Angebot für beide Lose abgegeben<br />
werden und der Auftrag demnach einheitlich vergeben werden sollte. Als Termin zur<br />
Angebotsabgabe wurde der 11.03.2008 benannt.<br />
In den Verdingungsunterlagen war mit dem Angebotsschreiben HVA B-StB-Angebot 2<br />
(09/07) die Erklärung abzugeben, dass der Bieter bei Verwendung einer selbstgefertigten<br />
Kopie oder Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses das vom Auftraggeber verfasste<br />
Leistungsverzeichnis als allein verbindlich anerkenne.<br />
Unter Nr. 3.3. der EG-Bewerbungsbedingungen wurde ausgeführt:<br />
„Entspricht der Gesamtbetrag einer Ordnungszahl (Position) nicht dem Ergebnis der<br />
Multiplikation von Mengenansatz und Einheitspreis, so ist der Einheitspreis maßgebend.“<br />
Das in den Verdingungsunterlagen enthaltene Langtext-LV enthielt zur Position 06.01.0011<br />
folgende Angaben:<br />
OZ StL Nr. Menge AE<br />
06.01.0011 Fernmeldekabel 1 psch<br />
das Kurztextpreisverzeichnis enthielt folgende Angaben:<br />
OZ StL Nr. Menge AE EP in EUR GP in EUR<br />
06.01.0011 Fernmeldekabel 1 psch xxxxxx,xx<br />
Mit Bieterrundschreiben vom 26.02.2008 teilte der Auftraggeber den Bietern, die<br />
Verdingungsunterlagen abgefordert hatten, mit, im LV des Ausschreibungsloses 1 seien<br />
falsche Mengenangaben in den Leistungspositionen 06.01.0011 und 06.01.0012 festgestellt<br />
worden. Dementsprechend wurden Austauschseiten für das Langtext-LV und das<br />
Kurztextpreisverzeichnis übersandt. Es wurde darauf hingewiesen, die entsprechenden<br />
Änderungen auch in der XXXXXX-Datei vorzunehmen.<br />
I.
4<br />
Das nunmehr als Austauschseite übersandte Langtext-LV enthielt zur Position 06.01.0011<br />
folgende Angaben:<br />
Position StL Nr. Menge AE<br />
06.01.0011 Fernmeldekabel 160 m<br />
Das Kurztextpreisverzeichnis enthielt nunmehr folgende Angaben:<br />
Position StL Nr. Menge AE EP in EUR GP in EUR<br />
06.01.0011 Fernmeldekabel 160 m<br />
Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene gaben fristgerecht ein Angebot ab.<br />
Das Angebot der Antragstellerin enthielt ein nicht ausgefülltes Kurztextpreisverzeichnis mit<br />
den Änderungen vom 26.02.2008, das unterzeichnet wurde. Beigefügt wurde eine selbst<br />
gefertigte Fassung des Leistungsverzeichnisses. Dieses enthielt folgende Eintragungen in der<br />
Position 06.01.0011, wobei der genannte Einheitspreis dem genannten Gesamtpreis entsprach.<br />
Position StL Nr. Menge AE EP in EUR GP in EUR<br />
06.01.0011 Fernmeldekabel 1 psch xy,zz xy,zz<br />
Mit „Verständigung der Bieter“ vom 17.03.2008 (HVA B-StB-Bieterverständigung (03/06)),<br />
vorab per Fax teilte der Auftraggeber der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot von der<br />
weiteren Wertung ausgeschlossen werde, weil es unzulässige Änderungen an den<br />
Verdingungsunterlagen enthalte, da die mit Schreiben vom 26.02.2008 mitgeteilte<br />
Mengeneinheit in der Position 06.01.0011 nicht in dem selbst gefassten Leistungsverzeichnis<br />
berücksichtigt worden sei. Eine Vorabinformation der Bieter nach § 13 VgV war hiermit nicht<br />
verbunden.<br />
Hierauf rügte die Antragstellerin mit Fax vom 18.03.2008 die Entscheidung des<br />
Auftraggebers als vergaberechtswidrig. Der Auftraggeber habe selbst die Ursache für die den<br />
Ausschluss begründenden Umstände geschaffen, da die ursprünglichen<br />
Verdingungsunterlagen fehlerhaft gewesen und erst mit Nachschreiben vom 28.02.2008<br />
korrigiert worden seien. Darüber hinaus habe es der Auftraggeber verabsäumt, der<br />
Antragstellerin eine aktualisierte XXXXXX-Datei zukommen zu lassen. Bestandteil des<br />
Angebots sei das geänderte Kurztextverzeichnis mit der entsprechenden Austauschseite<br />
gewesen. Außerdem habe man mit dem Angebotsschreiben erklärt, dass man bei Verwendung<br />
einer selbstgefertigten Kopie oder Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses das vom<br />
Auftraggeber verfasste Leistungsverzeichnis als allein verbindlich anerkenne. Schließlich<br />
ergebe sich auch aus der Tatsache, dass in der selbst gefertigten Kurzfassung des LV sowohl<br />
ein Einheits-, als auch ein Gesamtpreis eingetragen worden sei, dass kein Pauschalpreis für
5<br />
die betroffene Leistungsposition angeboten worden sei. Deswegen habe dem Angebot die mit<br />
Schreiben vom 26.02.2008 geänderte Leistungsbeschreibung zugrunde gelegen. Dass<br />
lediglich die selbst gefertigte Kurzfassung eine andere Mengenangabe und eine andere<br />
Mengeneinheitsangabe aufgewiesen habe, sei gemäß § 23 VOB/A im Rahmen der<br />
Preisprüfung zu korrigieren. Zumindest hätte man den Umstand nach § 24 Nr. 1 Abs. 1<br />
VOB/A aufklären können. Mit Fax vom 20.03.2008 übersandte die Antragstellerin dem<br />
Auftraggeber die Entscheidung der VK Thüringen, <strong>Beschluss</strong> vom 09.09.2005, Az.: 360-<br />
4002.20-009/05-SON in Ergänzung zur Rüge.<br />
Mit Fax vom 20.03.2008 teilte der Auftraggeber mit, dass er der Rüge nicht abhelfen werde.<br />
Mit Bieterrundschreiben vom 26.02.2008 sei darauf hingewiesen worden, dass die<br />
XXXXXX-Datei anzupassen gewesen sei. Diese Änderung wäre im Übrigen zu rügen<br />
gewesen. Die Angabe Menge 1 und psch in der selbst gefertigten Kurzfassung stelle eine<br />
Änderung an den Verdingungsunterlagen dar. Eine Korrekturmöglichkeit nach § 23 VOB/A<br />
bestehe nicht. Eine Nachaufklärung nach § 24 VOB/A sei unzulässig.<br />
Mit Schreiben vom 25.03.2008 vertiefte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin<br />
die Begründung der bereits erhobenen Rüge.<br />
Mit Schreiben vom 26.03.2008 teilte der Auftraggeber mit, der Rüge nicht abzuhelfen.<br />
Mit Schriftsatz vom 01.04.2008 stellte die Antragstellerin durch ihren<br />
Verfahrensbevollmächtigten einen Antrag auf Vergabenachprüfung bei der erkennenden<br />
Vergabekammer. Sie beantragte u.a.:<br />
1. gegen den Antragsgegner ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren einzuleiten,<br />
2. den Antragsgegner zu verpflichten, den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin<br />
rückgängig zu machen und das Angebot der Antragstellerin in der Wertung zu lassen<br />
Die Antragstellerin vertiefte ihre Begründung aus der Rüge im Hinblick auf die Verursachung<br />
der fehlerhaften Menge und Einheit in der selbst gefertigten Kurzfassung durch den<br />
Auftraggeber, dazu, dass die Mengeneinheit im Angebot enthalten sei und dazu, dass das<br />
Langtext-Verzeichnis als allein verbindlich anerkannt worden sei. Insoweit nahm die<br />
Antragstellerin Bezug auf die bereits benannte Entscheidung der VK Thüringen (VK<br />
Thüringen, <strong>Beschluss</strong> vom 09.09.2005, Az.: 360-4002.20-009/05-SON). Im Wege der<br />
Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ergebe sich, dass die Antragstellerin in der<br />
streitgegenständlichen Position einen Einheitspreis pro Meter angegeben habe. Insoweit sei<br />
auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen gewesen. Diesbezüglich verwies die<br />
Antragstellerin auf den <strong>Beschluss</strong> der VK Sachsen vom 13.02.2002 – 1/SVK/002-02. Der<br />
Auftraggeber wäre verpflichtet gewesen, den Gesamtpreis der streitgegenständlichen Position<br />
im Rahmen der Preisprüfung zu ermitteln. Im Übrigen sei der Auftraggeber verpflichtet, den
6<br />
tatsächlichen Willen des Bieters zu erkennen, wenn sich dieser zweifelsfrei ermitteln lasse. Im<br />
Weiteren verwies die Antragstellerin auf den <strong>Beschluss</strong> des OLG Celle vom 13.03.2002 –<br />
Verg 134/02 und die Ziff. 2.4. des HVA B-StB. Der Auftraggeber hätte bereits aus dem<br />
Ablauf des Vergabeverfahrens und den marktüblichen Preisen für die streitgegenständliche<br />
Leistungsposition erkennen können, dass es sich vorliegend um die Angabe eines<br />
Einheitspreises und nicht um die Angabe eines Gesamtpreises gehandelt habe. Im Rahmen der<br />
Preisprüfung wäre damit der Auftraggeber zur Ermittlung des Gesamtpreises verpflichtet<br />
gewesen.<br />
Mit Schriftsatz vom 03.04.2008 beantragte der Auftraggeber,<br />
der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.<br />
Der Auftraggeber vertiefte seine Begründung dazu, dass aufgrund des Bieterrundschreibens<br />
vom 26.02.2008 keine Unklarheiten in den Verdingungsunterlagen bestanden hätten. Das<br />
Angebot der Antragstellerin enthalte zweifelsfrei eine Änderung an den<br />
Verdingungsunterlagen gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A. Die von der Antragstellerin zitierte<br />
Entscheidung der VK Thüringen (VK Thüringen, <strong>Beschluss</strong> vom 09.09.2005, Az.: 360-<br />
4002.20-009/05-SON ) träfe auf den vorliegenden Fall nicht zu. Dort habe die Änderung der<br />
Vergabeunterlage im selbst gefertigten Kurzverzeichnis lediglich in der Änderung der Menge<br />
bestanden. Vorliegend sei von einer Änderung einer Einheitsposition in eine Pauschalposition<br />
auszugehen. Eine Nachverhandlung wäre gemäß § 24 Nr. 3 VOB/A unzulässig gewesen. Ein<br />
Fall nach § 23 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A liege auch nicht vor.<br />
Mit <strong>Beschluss</strong> vom 08.04.2008 wurde die Beigeladene zum Vergabenachprüfungsverfahren<br />
hinzugezogen.<br />
Mit Schriftsatz vom 09.04.2008 stellte der Auftraggeber einen Antrag auf vorzeitige<br />
Gestattung des Zuschlags gemäß § 115 Abs. 2 GWB zum 30.04.2008. Als Gründe wurden im<br />
Wesentlichen angeführt, dass bei einer Verzögerung der Bauausführung die Sperrpause für<br />
den Eisenbahnverkehr am 11.07.2008 nicht mehr genutzt werden könnte und damit gefährdet<br />
sei, dass die Maßnahme nicht mehr im Jahr 2008 durchgeführt werden könnte. Insoweit<br />
wurde auch auf die erforderliche Grundwasserabsenkung, die 40 Tage Vorlauf erfordere und<br />
die zweite Sperrpause im September 2008 verwiesen. Die Sperrpausen seien bereits seit<br />
einem langen Zeitraum mit dem entsprechenden Bahnunternehmen abgestimmt worden. Die<br />
Maßnahmen erforderten langfristigen Vorlauf. Könne der Zuschlag nicht am 30.04.2008<br />
erteilt werden, so sei der Beginn der Baumaßnahme im Jahr 2008 gefährdet. Im Übrigen sei<br />
damit nicht sichergestellt, dass in den Folgejahren die Mittel bereitgestellt werden könnten,<br />
was dazu führte, dass die Maßnahme gar nicht mehr realisiert werden könnte.
7<br />
Mit Schreiben vom 10.04.2008 teilte die erkennende Vergabekammer den Beteiligten mit,<br />
dass nach derzeitigem Kenntnisstand der Vergabekammer eine weitere Sachaufklärung für<br />
nicht erforderlich gehalten werde. Nach § 112 Abs. 1, Satz 2 GWB könne die<br />
Vergabekammer ohne mündliche Verhandlung nach Lage der Akten mit Zustimmung der<br />
Beteiligten entscheiden.<br />
In der Folge erteilten alle Beteiligten schriftlich ihre Zustimmung zur Entscheidung nach<br />
Lage der Akten.<br />
Mit Schriftsatz vom 11.04.2008 wandte sich die Antragstellerin gegen den Gestattungsantrag<br />
vom 09.04.2008. Die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, das Interesse der<br />
Antragstellerin am Primärrechtsschutz und das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin<br />
erlaube keine vorzeitige Gestattung des Zuschlags. Der terminliche Rahmen des<br />
Auftraggebers sei wohl knapp bemessen, was nicht zu Lasten des Rechtsschutzes der<br />
Antragstellerin gehen könne. Der Auftraggeber habe mit einem Vergabenachprüfungsantrag<br />
rechnen müssen. Aus seinem eigenen Vortrag gehe hervor, dass ihm die Wichtigkeit der<br />
Einhaltung von Sperrpausen und die Grundwasserabsenkung im Vorfeld bekannt gewesen<br />
seien. Aus dieser Kenntnis erfolge eine erhöhte Projektierungs- und Koordinationspflicht. Im<br />
Übrigen bestünde bei Darlegung der vom Auftraggeber vorgestellten Terminkette auch nach<br />
fristgemäßem Ablauf des Vergabenachprüfungsverfahrens noch ausreichend Zeit, den<br />
Bauablauf vorzubereiten. Dies ergebe sich bereits aus der Leistungsbeschreibung. Im Übrigen<br />
ende die Zuschlagsfrist erst am 30.05.2008. Auch der dargestellte Mittelabfluss begründe kein<br />
überwiegendes Interesse des Auftraggebers an vorzeitiger Erteilung des Zuschlags.<br />
Mit Schriftsatz vom 14.04.2008 entgegnete der Verfahrensbevollmächtigte der Beigeladenen,<br />
die Antragstellerin habe nicht unverzüglich gerügt, dass die XXXXXX-Datei nicht dem<br />
veränderten Leistungsverzeichnis angepasst worden sei. Die Antragstellerin habe mit ihrem<br />
fehlerhaften selbst gefertigten Kurleistungsverzeichnis anstelle eines Einheitspreises eine<br />
Pauschalposition angeboten. Damit habe sie das Leistungsverzeichnis geändert. Die<br />
Vorschrift des § 23 Nr. 3 VOB/A erlaube keine Änderung einer Pauschalposition in einen<br />
Einheitspreis. Eine Nachverhandlung hierüber im Sinne des § 24 Nr. 3 VOB/A wäre<br />
unzulässig.<br />
Auf Hinweis der VK vom 16.04.2008 nahm der Auftraggeber seinen Gestattungsantrag<br />
zurück.<br />
Mit Schriftsatz vom 21.04.2008 teilte die Beigeladene mit, keinen Sachantrag zu stellen.<br />
II.
1. Der Antrag auf Nachprüfung ist zulässig (1.) und begründet. (2).<br />
8<br />
a) Die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ist gemäß § 2 der Verordnung der<br />
Sächsischen Staatsregierung über Einrichtung, Organisation Vergabekammern des<br />
Freistaates Sachsen (SächsVgKVO) vom 23.03.1999 (SächsGVBl. S. 214, zuletzt<br />
geändert durch VO vom 31.03.2004, SächsGVBl, S. 135) für den Antrag zuständig, da es<br />
sich bei der ausgeschriebenen Leistung um einen Bauauftrag im Sinne von § 99 Abs. 3<br />
GWB handelt.<br />
b) Die geplante Gesamtauftragssumme überschreitet den EU-Schwellenwert. Nach § 100<br />
Abs. 1 GWB unterliegen der Nachprüfung durch die Vergabekammer nur Aufträge,<br />
welche die Auftragswerte (Schwellenwerte) erreichen oder überschreiten. Die<br />
Auftragswerte werden durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt. Der<br />
Gesetzgeber hat von der Ermächtigung in § 127 Nr. l GWB zum Erlass einer<br />
Rechtsverordnung durch Erlass der Vergabeverordnung (VgV) Gebrauch gemacht. Laut<br />
Vorinformation des Auftraggebers ist der Schwellenwert für die Gesamtbaumaßnahme<br />
nach § 2 Nr. 4 VgV mit über XXXXXX Mio. € und für das Einzellos ausweislich des<br />
Vergabevermerks von ca. XXXXXX Mio. € (jeweils geschätzter Nettoauftragswert)<br />
überschritten.<br />
c) Der Auftraggeber unterliegt gem. § 98 Nr. 1 GWB dem Vergaberechtsregime.<br />
d) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen<br />
antragsbefugt, das ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in bieterschützenden<br />
Rechten und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerin hat ein<br />
Interesse an dem Auftrag, weil sie das zur Nachprüfung gestellte Vergabeverfahren<br />
durchführt. Dies bedurfte keiner weiteren Darlegung, weil die Antragstellerin als Bieterin<br />
in dem eingeleiteten Vergabeverfahren beteiligt ist und bereits der Umstand der<br />
Angebotsabgabe regelmäßig das erforderliche Interesse belegt (vgl. BVerfG, Beschl. v.<br />
29.06.2004 - 2 BvR 2248/03, NZBau 2004, 564).<br />
e) Soweit die Antragstellerin mit Fax vom 18.03.2008 den Ausschluss ihres Angebots unter<br />
Nennung der streitgegenständlichen behaupteten Vergaberechtsverstöße rügte, ist dies<br />
unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB geschehen. Das<br />
Informationsschreiben datiert auf den 17.03.2008 Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB hat<br />
der Antragsteller den Verstoß gegen Vergabevorschriften unverzüglich nach Kenntnis<br />
gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Zur Bestimmung des Merkmals der<br />
Unverzüglichkeit ist auf § 121 Abs. 1 BGB zurückzugreifen. Danach ist das Merkmal<br />
„unverzüglich“ dann erfüllt, wenn ohne schuldhaftes Zögern gehandelt wird.<br />
Entsprechend der Rechtsprechung des OLG Dresden, wonach im Regelfall von einer<br />
Rügefrist von bis zu einer Woche auszugehen ist (<strong>Beschluss</strong> vom 06.04.2004, Az. WVerg
9<br />
1/04), ist festzustellen, dass die Antragstellerin die Rügeobliegenheit des § 107 Abs. 3<br />
GWB erfüllt hat. Lediglich soweit sie sich darauf bezieht, es sei vergaberechtswidrig<br />
gewesen, dass die Änderung im Leistungsverzeichnis, die durch den Auftraggeber mit<br />
Schreiben vom 26.02.2008 mitgeteilt worden sei, nicht in der XXXXXX-Datei geändert<br />
worden sei, hat sie diesen Umstand nicht unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB<br />
gerügt. Ihr wurde mit Schreiben vom 26.02.2008 mitgeteilt, sie müsse selbst die Änderung<br />
an der XXXXXX-Datei vornehmen. Dass sie dieses Schreiben erhalten hat, ergibt sich<br />
insoweit bereits aus der Tatsache, dass die Antragstellerin die mit Schreiben vom<br />
26.02.2008 übersandten Austauschblätter ihrem Angebot beigefügt hatte und in ihrer<br />
Rüge vom 18.03.2008 auf das Schreiben vom 26.02.2008 Bezug nahm. Die insoweit<br />
erfolgte Rüge vom 18.03.2008 ist verspätet.<br />
f) Die in § 108 Abs. 2 GWB genannten Mindestanforderungen hat die Antragstellerin erfüllt.<br />
2. Der zulässige Antrag der Antragstellerin ist teilweise begründet.<br />
Die Antragstellerin ist in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt.<br />
Ihr Angebot ist zu Unrecht wegen Änderung an den Verdingungsunterlagen gemäß § 25 Nr. 1<br />
Abs. 1 b) VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A ausgeschlossen worden.<br />
2.1. Ausschluss des Angebots der Antragstellerin<br />
2.1.1. Vorbemerkung<br />
Dem Ausschluss des Angebots der Antragstellerin liegt die Verwendung einer fehlerhaften<br />
selbst gefertigten Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses zu Grunde. Darüber hinaus ist in<br />
der Spalte Einheitspreis und der Spalte Gesamtpreis ein identischer Betrag eingegeben.<br />
Insofern war durch die Vergabekammer differenziert zu betrachten, ob vorliegend von einem<br />
Ausschluss wegen einer Änderung an den Verdingungsunterlagen gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 b)<br />
VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A durch die Verwendung einer fehlerhaften<br />
Kurzfassung oder von einem Ausschluss wegen fehlender Angaben oder Erklärungen nach §<br />
25 Nr. 1 Abs. 1 b) VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A auszugehen war.<br />
2.1.2. Ausschluss wegen Änderung an den Verdingungsunterlagen gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 b)<br />
VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A<br />
Das Angebot der Antragstellerin war nicht auszuschließen. Die im selbst gefertigten Kurz-LV<br />
falsch angegebene Mengenbezeichnung 1 Stück statt 160 Meter und die falsch bezeichnete<br />
Mengeneinheit psch statt m führt nicht zum Ausschluss des Angebots der Antragstellerin.
a) Verursachung durch den Auftraggeber<br />
10<br />
Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, die Erstellung der fehlerhaften Kurzfassung sei<br />
auf das Verhalten des Auftraggebers zurückzuführen, so überzeugt dies nicht. Mit<br />
Bieterrundschreiben vom 26.02.2008 hat der Auftraggeber unmissverständlich darauf<br />
hingewiesen, dass das Leistungsverzeichnis entsprechend zu ändern sei und entsprechende<br />
Austauschblätter übersandt. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die der selbst<br />
erstellten Kurzfassung der Antragstellerin zu Grunde liegende XXXXXX-Datei durch die<br />
Bieter zu ändern war.<br />
Grundsätzlich war die Änderung der Leistungsbeschreibung zulässig. Im ursprünglichen<br />
Leistungsverzeichnis waren die Mengen und die Einheitsangaben für die Positionen<br />
06.01.0011 und 06.01.0012 vertauscht. Im Hinblick auf das berechtigte Interesse des<br />
Auftraggebers, dass er die Leistung angeboten erhält, die er benötigt, sind von diesem Verbot<br />
der Änderung oder Ergänzung des Leistungsverzeichnisses während des laufenden<br />
Vergabeverfahrens in bestimmten Fällen Ausnahmen zuzulassen. Dies gilt zum einen für<br />
Korrekturen von Fehlern oder Ungenauigkeiten wie etwa die Berichtigung missverständlicher<br />
Formulierungen, die Ausfüllung von Lücken in der Darstellung, die Präzisierung von<br />
Angaben u.ä. Darüber hinaus sind aber auch Änderungen und Ergänzungen geringen<br />
Umfangs als vergaberechtskonform zu erachten, sofern diese die Grundlagen des<br />
Wettbewerbs und der Preisbildung nicht grundlegend verändern und den Entschluss der<br />
Unternehmen zur Beteiligung oder zur Nichtbeteiligung am Wettbewerb nicht berühren (2.<br />
VK Bund, B. v. 27.03.2007 - Az.: VK 2-18/07).<br />
Bis zum Eröffnungstermin hat also der Auftraggeber die Möglichkeit, etwaige Fehler im<br />
Leistungsverzeichnis zu korrigieren, das heißt, er kann Teile des Leistungsverzeichnisses<br />
zurückziehen oder Änderungen am Leistungsverzeichnis vornehmen.<br />
Nach Überzeugung der Vergabekammer hat auch die Antragstellerin die Bieterinformation<br />
vom 26.02.2008 erhalten, denn sie hat ihrem Angebot die dort anliegenden Austauschseiten<br />
beigefügt. Zudem hat sie im selbst gefertigten Kurz-LV die mit Schreiben vom 26.02.2008<br />
geänderte Leistungsposition 06.01.0012 eingearbeitet und zudem in ihrer Rüge vom<br />
18.03.2008 explizit auf das Schreiben vom 26.02.2008 Bezug genommen.<br />
Soweit sich die Antragstellerin darauf bezieht, die XXXXXX-Datei hätte durch den<br />
Auftraggeber angepasst werden müssen, so ist sie mit diesem Vortrag –wie bereits ausgeführt-<br />
präkludiert.<br />
b) Gültigkeit des Langleistungsverzeichnisses für die Wirksamkeit des Angebots.<br />
Die Antragstellerin hat sowohl in ihrem Angebotsschreiben die Erklärung abgegeben, dass sie<br />
bei Verwendung einer selbstgefertigten Kopie oder Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses
11<br />
das vom Auftraggeber verfasste Leistungsverzeichnis als allein verbindlich anerkenne als<br />
auch ein aktuelles Kurztext/Preisverzeichnis, unterschrieben, dem Angebot beigefügt.<br />
Lediglich die selbst gefertigte Kurzfassung, die die Preisangaben enthält, war fehlerhaft.<br />
So regelt § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A, dass der Auftraggeber allgemein oder im Einzelfall<br />
zulassen soll, dass Bieter für die Angebotsabgabe eine selbstgefertigte Abschrift oder<br />
stattdessen eine selbstgefertigte Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses benutzen, wenn sie<br />
den vom Auftraggeber verfassten Wortlaut der Urschrift des Leistungsverzeichnisses als<br />
allein verbindlich schriftlich anerkennen. Kurzfassungen müssen jedoch die Ordnungszahlen<br />
(Positionen) vollzählig, in der gleichen Reihenfolge und mit den gleichen Nummern wie in<br />
der Urschrift, wiedergeben.<br />
So hat die Vergabekammer Thüringen (VK Thüringen, <strong>Beschluss</strong> vom 09.09.2005 - 360-<br />
4002.20-009/05-SON) entschieden, dass Im Fall von geänderten Mengenansätzen im Kurz-<br />
Leistungsverzeichnis diese als Teil des Leistungsverzeichnisses auf die Menge des Lang-<br />
Leistungsverzeichnisses zu korrigieren sind. Auch für den Fall des Widerspruches von<br />
Angaben im Leistungstext des Kurz-Leistungsverzeichnisses sind diese unerheblich. Dies<br />
setzt aber jeweils voraus, dass der Text des Lang-Leistungsverzechnisses als verbindlich<br />
erklärt wird. So führt die Vergabekammer Thüringen weiter aus, das Leistungsverzeichnis<br />
setze sich aus Teilleistungen bzw. Positionen (Ordnungszahlen) zusammen. Die Teilleistung,<br />
die von der Vergabestelle definiert werde, gliedere sich wiederum in die laufende Nummer<br />
(Positionsnummer, Ordnungszahl, evtl. Standardleistungsnummer), die Menge (Vordersatz),<br />
die Abrechnungseinheit und die Beschreibung der Teilleistung. Somit seien die vorgenannten<br />
Teile der Teilleistung alle Bestandteil des Leistungsverzeichnisses. Im Ergebnis der<br />
Anerkenntnis der Urschrift des Leistungsverzeichnisses, seien für den Fall der Abgabe einer<br />
selbstgefertigten Kurzschrift mit enthaltenen Abweichungen von der Urschrift des<br />
Leistungsverzeichnisses nur die Angaben aus der Urschrift des Leistungsverzeichnisses<br />
maßgebend, die aufgetretenen Änderungen im Kurz-LV jedoch gegenstandslos. Sinn mache<br />
die Möglichkeit der Abgabe eines eigenen Kurz-LV nur dann, wenn zum einen die<br />
angestrebte Arbeitserleichterung beim Bewerber eintrete und zum anderen aber die<br />
Vergabestelle die Leistungen angeboten bekomme, die sie in ihrem Lang-LV ausgeschrieben<br />
habe. Da bei selbst erstellten Kurz-LV Flüchtigkeitsfehler aufträten oder unter Umständen<br />
Verkürzungen gewählt werden könnten, die die ausgeschriebene Leistungen nur<br />
unvollkommen und vielleicht sogar fehlerhaft ausdrückten, trage der Verordnungsgeber<br />
diesem mit der vom Bewerber abzugebenden Verbindlichkeitserklärung des Lang-LV<br />
Rechnung. Damit werde mittels der Abgabe der Erklärung abgesichert, dass<br />
Angebotsgegenstand nur die ausgeschriebene Leistung der Vergabestelle und eben nicht der<br />
Text des Kurz-LV sei. Die klare Zuordnung der Einheitspreise zu den Positionen des Lang-<br />
LV der Vergabestelle erfolge über die Verpflichtung der Bewerber zur Verwendung der
12<br />
Ordnungszahlen aus dem Lang-LV der Vergabestelle. Damit sei abgesichert, dass der<br />
Bewerber im Fall der Abgabe eines Kurz-LV dieses faktisch das Lang-LV der Vergabestelle<br />
zum Inhalt habe und zum anderen die Zuordnung der Einheitspreise zu den Positionen des<br />
Lang-LV eindeutig sichergestellt sei. Konsequenz sei damit, dass im Fall von geänderten<br />
Mengenansätzen diese als Teil des Leistungsverzeichnisses (siehe obige Def. zum LV) auf die<br />
Menge des Lang-LV der Vergabestelle zu korrigieren und im Rahmen der Wertung diese zu<br />
verwenden wären. Auch für den Fall des Widerspruches von Angaben im Leistungstext des<br />
Kurz-LV wären diese unerheblich, da der Text des Lang-LV der Vergabestelle ja als<br />
verbindlich erklärt wurde. Eine Änderung der Verdingungsunterlagen in Verbindung mit der<br />
Abgabe eine Kurz-LV läge nur dann vor, wenn der Bewerber/Bieter im Lang-LV der<br />
Vergabestelle ausdrücklich Änderungen vorgenommen hätte oder in Ergänzung zum Kurz-LV<br />
die ausdrücklich abgegebene Anerkennung des Langtextes durch zusätzliche Erklärungen<br />
einschränke, abändere oder in Frage stelle (VK Thüringen, <strong>Beschluss</strong> vom 09.09.2005 - 360-<br />
4002.20-009/05-SON).<br />
In dieselbe Richtung geht die Entscheidung des BayObLG vom 17.02.2005 –Verg 27/04:<br />
„Die Erklärung der Antragstellerin in ihrem Angebotsschreiben vom 13.7.2004, die LV-Texte<br />
der einzelnen Positionen würden vollinhaltlich anerkannt, steht ihrem Ausschluss nicht<br />
entgegen. Ein derartiges schriftliches Anerkenntnis ist im Geltungsbereich der VOB/A nach §<br />
21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A abzugeben, wenn der Auftraggeber zugelassen hat, dass Bieter für die<br />
Angebotsabgabe eine selbst gefertigte Abschrift oder stattdessen eine selbst gefertigte<br />
Kurzfassung des LV benutzen, um zu gewährleisten, dass auch in einem solchen Fall die<br />
Urschrift des LV im vollen Wortlaut Inhalt des Angebots wird. Die Verbindlicherklärung der<br />
Antragstellerin bezieht sich auf die Langfassung der einzelnen Positionen des LV, die der in<br />
der Spalte 2 ihres Angebots gewählten Kurzfassung entspricht. Die unter der Überschrift<br />
"Bemerkungen" in Spalte 8 der Kurzfassung des LV enthaltenen Angaben zu den angebotenen<br />
Geräten, die in den oben genannten Positionen den Vorgaben des LV nicht entsprechen,<br />
bleiben von dieser Erklärung unberührt.“<br />
Auch insoweit unterscheidet das BayObLG und bezieht die Anerkennung des Langtext-LV<br />
auf die Positionsangaben wie Positionsnummer, Positionsbeschreibung, Menge etc.<br />
Zwar mag sich aus der Entscheidung der VK Saarland, <strong>Beschluss</strong> vom 08.11.2000 - 3 VK<br />
6/2000 zunächst etwas anderes ergeben. So führt die Vergabekammer Saarland aus:<br />
In der Regel sollten auch keine Textergänzungen gefordert werden. Vielmehr sollten sie die<br />
Ausnahme bilden, damit nicht zuletzt die Bieter nicht überfordert werden. Allerdings führt<br />
dies nicht dazu, dass wenn möglicherweise unnötige Textergänzungen gefordert sind, der<br />
Bieter sie dann unausgefüllt lassen könnte. Dem Auftraggeber steht insoweit ein
13<br />
Beurteilungsspielraum zu. Vorliegend hatte der Antragsgegner noch dazu in 3.2. der BwB<br />
ausdrücklich auf die Notwendigkeit des Ausfüllens der Textergänzungen für den Fall<br />
hingewiesen, dass eine Kurzfassung des LV eingereicht wird. Die BwB sind auch in diesem<br />
Punkte nicht zu beanstanden, da bei Kurzverzeichnissen eine erhöhte Genauigkeit und<br />
Formstrenge notwendig ist, um bewusste Abweichungen und Auslassungen durch Bieter zu<br />
vermeiden (VK Saarland, <strong>Beschluss</strong> vom 08.11.2000 - 3 VK 6/2000)“.<br />
Auch hier bezieht sich die VK Saarland lediglich auf die zu fordernde Sorgfalt des Bieters bei<br />
den Eintragungen von geforderten Angaben und Erklärungen. es geht ausdrücklich nicht um<br />
die Teilleistungen des Leistungsverzeichnisses wie Menge oder Mengeneinheit.<br />
c) Ergebnis<br />
Bereits der Vorschrift § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A ist zu entnehmen, dass in Anbetracht der<br />
verbindlichen Anerkennung der Urschrift des Leistungsverzeichnisses an die selbst gefertigte<br />
Kurzfassung hinsichtlich des verwendeten Formulars geringere Anforderungen gestellt<br />
werden als an ein Original-LV, an dem jegliche Änderungen im Regelfall zum Ausschluss des<br />
Angebots nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b) VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A führen. Als<br />
Mindestbedingungen führt § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A lediglich auf, dass die Ordnungszahlen<br />
(Positionen) vollzählig, in der gleichen Reihenfolge und mit den gleichen Nummern wie<br />
in der Urschrift wiederzugeben sind. Diese Regelung entspricht der Praktikabilität dieser<br />
Vorgehensweise. Für den Auftraggeber ist es dabei maßgebend, dass der Kurzfassung<br />
zunächst die geforderten Angaben und Erklärungen eindeutig zu entnehmen sind. Darüber<br />
hinaus ist zu bedenken, dass die Erstellung eines eigenen EDV-Ausdrucks im Detail durchaus<br />
zu zusätzlichen Fehlerquellen führen kann. Im Übrigen dürfte es auch für den Auftraggeber<br />
schwierig sein, das durch den Bieter erstellte Formblatt, das von Bieter zu Bieter durchaus ein<br />
unterschiedliches Erscheinungsbild haben kann, auf Detailgenauigkeit im Einzelnen zu<br />
prüfen. Der Auftraggeber muss sich damit darauf beschränken können, nachzuhalten, ob das<br />
Kurz-LV im Sinne der Anforderungen des § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A vollständig ist und die<br />
im Lang-LV geforderten Angaben enthält. Dies dient zum einen dem Schutz des<br />
Auftraggebers. So kann sich der Bieter im Rahmen der Vertragsabwicklung bzw. –<br />
abrechnung nicht auf Änderungen am erstellten Formblatt zu seinen Gunsten (bspw. für den<br />
Fall des Nachtrages) berufen, sondern muss sich am anerkannten Langtext-LV festhalten<br />
lassen. Gleichzeitig kann es damit nicht zu seinen Lasten gehen, wenn das selbst gefertigte<br />
Kurz-LV vom anerkannten Langtext-LV abweicht. Der Vergabekammer Thüringen war in<br />
ihrer o.g. Entscheidung zuzustimmen, dass sich das Anerkenntnis des Langtext-LV auf die<br />
Teilleistungen bzw., Positionen des LV bezieht. Demnach gliedert sich das LV wiederum in<br />
die laufende Nummer (Positionsnummer, Ordnungszahl, evtl. Standardleistungsnummer), die<br />
Menge (Vordersatz), die Abrechnungseinheit und die Beschreibung der Teilleistung. Somit<br />
sind die vorgenannten Teile der Teilleistung allesamt Bestandteil des Leistungsverzeichnisses.
14<br />
Demzufolge ist die vorliegend von der Antragstellerin vorgenommene Abweichung im Punkt<br />
Menge und Mengeneinheit gegenstandslos. Soweit sich der Auftraggeber schriftsätzlich<br />
darauf zurückzieht, vorliegend gehe es nicht nur um eine veränderte Menge der<br />
Leistungsposition, sondern es sei ein Pauschalpreis angeboten worden, ist diesem<br />
entgegenzuhalten, dass hinsichtlich der Anerkennung der Teilleistungen im Langtext-LV<br />
schwerlich differenziert werden kann, ob diese sich auf die Menge, die Einheit oder die<br />
Leistungsbezeichnung bezieht. Im Sinne der auch den Auftraggeber begünstigten<br />
Rechtssicherheit muss sich das Anerkenntnis auch auf die Mengeneinheit, die hier<br />
fälschlicherweise mit psch anstatt mit m angegeben wurde, beziehen. Andernfalls würde das<br />
Anerkenntnis bzw. die Kurzfassung wenig Sinn machen und man müsste konsequenterweise<br />
jegliche fehlerhafte Abweichung, beispielsweise m³ statt m, Kg statt cm oder schlichte<br />
Schreibfehler der verbalen Leistungsposition als Änderung an den Verdingungsunterlagen<br />
auffassen. Entscheidend ist –wie ausgeführt-, dass die Ordnungszahlen (Positionen)<br />
vollzählig, in der gleichen Reihenfolge und mit den gleichen Nummern wie in der Urschrift<br />
angegeben wurden. Es ließe sich lediglich darüber diskutieren, ob beispielsweise eine<br />
Vertauschung der verbalen Leistungsbeschreibung gegen § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A verstoßen<br />
würde.<br />
Am Rande sei hierzu bemerkt, dass die Antragstellerin in der betroffenen Leistungsposition<br />
einen Einheitspreis und einen Gesamtpreis angegeben hat. Im ursprünglichen<br />
Leistungsverzeichnis (vor Bieterrundschreiben vom 26.02.2008) war die Spalte<br />
„Einheitspreis“ mit Quersperrung versehen und damit nicht auszufüllen. Hieraus könnte<br />
gemutmaßt werden, dass die Antragstellerin mit dem geänderten Leistungsverzeichnis<br />
gearbeitet hat. Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an.<br />
Die Überprüfung der erkennenden Vergabekammer hat ergeben, dass die Antragstellerin der<br />
Forderung aus dem § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A (schriftliche Anerkenntnis der Urschrift des<br />
Leistungsverzeichnisses) entsprochen hat. Dies hat zur Folge, dass die im Kurz-LV<br />
enthaltenen, der Urschrift des Leistungsverzeichnisses widersprechenden Mengen- und<br />
Mengeneinheitsangaben keine Änderung der Verdingungsunterlagen darstellen. Auch die<br />
zweite Bedingung aus dem § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A (Ordnungszahlen in der Reihenfolge der<br />
Urschrift des Leistungsverzeichnisses) wurde von der Antragstellerin erfüllt.<br />
Auch unter Berücksichtigung des <strong>Beschluss</strong>es der 2. Vergabekammer Bund vom 28.07.2006<br />
(Aktenzeichen VK 2 - 50 / 06) kommt man zu keinem anderen Ergebnis. In dem genannten<br />
Fall hatte die Antragstellerin nach Änderung der Menge einer Leistungsposition im<br />
Leistungsverzeichnis die ursprüngliche Menge eingetragen und den Einheitspreise auf diese<br />
ursprüngliche Menge hochgerechnet. Die 2. Vergabekammer Bund geht insoweit von einem<br />
eindeutigen Erklärungswillen aus, der einer weiteren Auslegung nicht zugänglich sei. So sei,
15<br />
wenn das Lang-Leistungsverzeichnis – im Gegensatz zu dem von der Vergabekammer Bund<br />
entschiedenen Fall- als allein verbindlich anerkannt worden sei, nicht sicher erkennbar, ob<br />
die Antragstellerin insoweit einen Vorrang der Langfassung des Leistungsverzeichnisses in<br />
der ursprünglichen oder in der geänderten Version begründen wollte (2. VK Bund, <strong>Beschluss</strong><br />
vom 28.07.2006 Aktenzeichen VK 2 - 50 / 06). Vorliegend liegt die Sachlage jedoch anders.<br />
Die Antragstellerin hat das geänderte Kurzleistungsverzeichnis unterschrieben ihrem Angebot<br />
beigefügt. Mit der Unterschrift auf der zur Angebotsabgabe vorgelegten Erklärung, das Lang-<br />
LV als alleinverbindlich anzuerkennen, ist sichergestellt, dass dies zum Zeitpunkt der<br />
Angebotsunterschrift gelten muss, nachdem die Änderung der Verdingungsunterlagen dem<br />
Bieter mitgeteilt wurde. Die Erklärung des Bieters ist dementsprechend auszulegen. Hinzu<br />
kommt, dass vorliegend gerade nicht in Betracht kommt, die Antragstellerin habe anstelle des<br />
aktuellen das ursprüngliche Leistungsverzeichnis durch Verwendung des<br />
Kurzleistungsverzeichnisses anerkannt. Mit Erstellung der selbst gefertigten Kurzfassung hat<br />
sie nämlich gerade nicht das Merkmal für die ursprüngliche Pauschalpreisposition, nämlich<br />
den gesperrten Einheitspreis übernommen, sondern dort einen Betrag eingetragen.<br />
Damit war der Ausschluss zunächst vergaberechtswidrig.<br />
2.1.3. Ausschluss wegen fehlender Angaben oder Erklärungen nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b)<br />
VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A<br />
Das Angebot der Antragstellerin war nicht wegen fehlender Angaben oder Erklärungen<br />
auszuschließen. In Folge des oben Gesagten, sind die getätigten der betroffenen<br />
Leistungsposition 06.01.0011 zuzuordnenden Angaben in das anerkannte Langtext-<br />
Leistungsverzeichnis einzulesen. Demnach findet sich bei einer Mengenangabe von 160 m ein<br />
identischer Preis in Einheits- und Gesamtpreis.<br />
§ 23 Nr.3 Abs. 1 VOB/A regelt: Entspricht der Gesamtbetrag einer Ordnungszahl (Position)<br />
nicht dem Ergebnis der Multiplikation von Mengenansatz und Einheitspreis, so ist der<br />
Einheitspreis maßgebend. Ist der Einheitspreis in Ziffern und in Worten angegeben und<br />
stimmen diese Angaben nicht überein, so gilt der dem Gesamtbetrag der Ordnungszahl<br />
entsprechende Einheitspreis. Entspricht weder der in Worten noch der in Ziffern angegebene<br />
Einheitspreis dem Gesamtbetrag der Ordnungszahl, so gilt der in Worten angegebene<br />
Einheitspreis.“<br />
Auch unter Nr. 3.3. der den Verdingungsunterlagen beiliegenden EG-<br />
Bewerbungsbedingungen wurde ausgeführt:<br />
„Entspricht der Gesamtbetrag einer Ordnungszahl (Position) nicht dem Ergebnis der<br />
Multiplikation von Mengenansatz und Einheitspreis, so ist der Einheitspreis maßgebend.“
16<br />
Nach den Vorgaben der VOB ist ein rechnerisch fehlerhaftes Angebot grundsätzlich nicht von<br />
der weiteren Vergabe auszuschließen (2. VK Bund, B. v. 24.05.2005 - Az.: VK 2-42/05).<br />
Einzig zulässige Korrekturen, welche der Auftraggeber bei der rechnerischen Bewertung der<br />
Angebote vornehmen darf, sind Additionsfehler und Multiplikationsfehler. § 23 Nr. 3 Abs. 1<br />
VOB/A stellt jedoch deutlich dar, dass der angegebene Einheitspreis maßgeblich für eine<br />
eventuelle rechnerische Korrektur ist. Dieser darf folglich unter keinen Umständen von der<br />
Auftraggeberseite verändert werden (1. VK Sachsen, B. v. 3.7.2003 - Az.: 1/SVK/067-03, B.<br />
v. 17.7.2002 - Az.: 1/SVK/069-02).<br />
Ergibt das Produkt aus Menge und Einheitspreis nicht den angegebenen Gesamtbetrag, so ist<br />
gemäß § 23 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/A die Multiplikation der Menge mit dem angegebenen<br />
Einheitspreis maßgebend. Von dieser Regel ist auch dann nicht abzuweichen, wenn der<br />
Einheitspreis offenbar falsch ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der falsche Einheitspreis<br />
versehentlich oder mit Absicht in das Angebot eingesetzt wurde. Nur durch die konsequente<br />
Anwendung der Rechenregel des § 23 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/A kann<br />
Manipulationsversuchen wirksam begegnet werden. Es wird im Einzelfall nämlich kaum<br />
nachzuweisen sein, wann der Fall einer absichtlichen Veränderung des Einheitspreises<br />
vorliegt und wann nicht. Jeder Bieter muss sich daran festhalten lassen, dass er grundsätzlich<br />
für die von ihm gemachten Preisangaben selbst verantwortlich ist (LG Köln, Urteil vom<br />
23.02.2005 - Az: 28 O (Kart) 561/04; 1. VK Bund, B. v. 31.07.2007 - Az.: VK 1-65/07; VK<br />
Nordbayern, B. v. 30.11.2001 - Az.: 320.VK-3194-40/01). Aus dem gleichen Grund kommt<br />
bei einer derartigen Sachverhaltskonstellation auch keine Aufklärung der "richtigen"<br />
Einheitspreise gemäß § 24 VOB/A in Betracht. In beiden Fällen hätte es nämlich ein Bieter in<br />
Kenntnis des Submissionsergebnisses in der Hand, die Angabe der "richtigen" Einheitspreise<br />
an der Zuschlagsfähigkeit ihres Angebots zu orientieren (1. VK Bund, B. v. 13.08.2007 - Az.:<br />
VK 1-86/07).<br />
Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Antragstellerin entsprechend der ursprünglichen<br />
XXXXXX-Datei, den Einheitspreis nicht angegeben hätte, sondern nur den Gesamtpreis.<br />
Insoweit kommt man auch unter Berücksichtigung des <strong>Beschluss</strong>es der 2. Vergabekammer<br />
Bund vom 28.07.2006 (Aktenzeichen VK 2 - 50 / 06) zu keinem anderen Ergebnis. So führte<br />
die 2. Vergabekammer Bund aus, dass die Eintragungen der Antragstellerin in dem<br />
entschiedenen Fall in den genannten Positionen sind für sich genommen eindeutig seinen und<br />
keinen Rechen- oder Schreibfehler erkennen ließen. Die vorgenommene Multiplikation sei<br />
rechnerisch korrekt. Dass lediglich irrtümlich die Angabe der geänderten Menge unterblieben,<br />
tatsächlich aber mit dieser kalkuliert worden sei, lasse sich den Eintragungen schon deshalb<br />
nicht entnehmen, weil in diesem Falle der Positionspreis von der Antragstellerin das Ergebnis<br />
der Multiplikation des geänderten Mengenansatzes mit dem Einheitspreis hätte ausweisen
17<br />
müssen; im vorliegenden Fall sei er dagegen unter Zugrundelegung der unveränderten<br />
ursprünglichen Menge bestimmt. Eine rechnerische Korrektur nach § 23 Nr. 2 VOB/A setzt<br />
einen Rechenfehler voraus, der hier nicht vorliege. Vielmehr habe die Antragstellerin den von<br />
ihr genannten Einheitspreis rechnerisch einwandfrei mit dem Mengenansatz von 0,1 qm<br />
multipliziert und auf diese Weise den Positionspreis bestimmt (2. VK Bund, <strong>Beschluss</strong> vom<br />
28.07.2006 Aktenzeichen VK 2 - 50 / 06).<br />
Hier liegt es jedoch anders. Zwar ist der selbst gefertigten Kurzfassung die Menge 1 zu<br />
entnehmen. Diese ist jedoch mit der ebenfalls fehlerhaften Mengeneinheit psch verbunden.<br />
Denknotwenigerweise kann selbst mit einem Pauschalpreis für ein Fernmeldekabel keine<br />
Menge verbunden werden. Eine Kabelmenge in Stück ist nicht bestimmbar, wenn nicht die<br />
Länge angegeben wurde. Aus diesem Grunde war im ursprünglichen Leistungsverzeichnis<br />
auch die Einheitspreisangabe gesperrt. Hier wurde jedoch ein Einheitspreis angegeben. Wie<br />
bereits ausgeführt, sind die Angaben in das als allein verbindliche Langtext-LV einzulesen.<br />
Dass bei der Multiplikation des Bieters ein fehlerhafter Faktor, nämlich 1 als Kennzeichnung<br />
einer fehlerhaft übernommenen Mengeneinheit (psch) gewählt wurde, muss den<br />
Anforderungen des § 23 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/A dahingehend genügen, dass in<br />
Anbetracht der alleinigen Anerkennung des Langtext-LV von einem Faktor von 160 m<br />
auszugehen war.<br />
Demzufolge war der angegebene Gesamtpreis durch den Auftraggeber entsprechend dem<br />
richtigen Multiplikationsergebnis zu korrigieren.<br />
2.2. Nachverhandlungsverbot nach § 24 Nr. 3 VOB/A<br />
Vorliegend kam es nicht mehr darauf an, ob der Auftraggeber verpflichtet gewesen wäre, das<br />
Angebot der Antragstellerin im Wege der Nachverhandlung aufzuklären. Hier sei auf die<br />
Entscheidung des OLG Dresden, <strong>Beschluss</strong> vom 09.01.2004 - WVerg 0016/03 verwiesen. §<br />
24 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A begründet demnach nach Maßgabe der dort genannten<br />
Voraussetzungen eine Befugnis der Vergabestelle zu einer Nachverhandlung, aber keinen<br />
Anspruch des Bieters hierauf oder auf Wertung eines Angebots, das der Bieter von sich aus<br />
nachträglich angepasst hat, ohne dass hierüber eine Nachverhandlung, auch wenn sie zulässig<br />
gewesen wäre, tatsächlich geführt worden ist.<br />
3. Ergebnis
18<br />
Abschließend war im Ergebnis festzustellen, dass der Antrag begründet ist und die<br />
Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Als nach § 114 Abs. 1 GWB verhältnismäßige<br />
und erforderliche Maßnahme war deshalb der Auftraggeber anzuweisen, die Wertung unter<br />
den rechtlichen Hinweisen der Vergabekammer zu wiederholen.<br />
Die erkennende Vergabekammer konnte entsprechend der von allen Verfahrensbeteiligten<br />
abgegebenen Zustimmung ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Nach § 112 Abs. 1 Satz<br />
2 GWB kann bei Zustimmung aller Beteiligten nach Lage der Akten entschieden werden.<br />
a) Hauptsacheverfahren<br />
III.<br />
Als unterliegende Partei trägt der Auftraggeber die Kosten des Verfahrens (§ 128 Abs. 3 Satz<br />
1 GWB) einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen<br />
Aufwendungen der Antragstellerin (§ 128 Abs. 4 Satz 2 GWB Die Beigeladene hat keinen<br />
Sachantrag gestellt. Damit nimmt sie nicht am Kostenrisiko teil und kann keine Erstattung<br />
ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen verlangen<br />
(vgl. OLG Schleswig, <strong>Beschluss</strong> vom 02.08.2004 - 6 Verg 15/03). Die Höhe der Gebühr<br />
bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der erkennenden<br />
Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes<br />
des Nachprüfungsverfahrens (§ 128 Abs. 2 GWB). Der Gesetzgeber hat mit dieser an § 80<br />
Abs. 2 GWB angelehnten Regelung klargestellt, dass - wie im Kartellverwaltungsverfahren -<br />
vorrangig auf die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens abzustellen ist (Kollmorgen in<br />
Langen/Bunte GWB, 8. Auflage 1998, § 80 Rdnr. 18). Die Vergabekammern des Bundes<br />
haben eine zum 01.01.2003 überarbeitete Gebührenstaffel erarbeitet, die die erkennende<br />
Vergabekammer im Interesse einer bundeseinheitlichen Handhabung übernimmt. Diese<br />
Staffel sieht in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Hintergrund der Antragstellerin<br />
(vorliegend der Wert des Angebots der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Korrektur<br />
von über XXXXXX Mio. € brutto für beide Lose) eine Gebühr in Höhe von XXXXXX € vor.<br />
Dieser Betrag kann entsprechend § 128 Abs. 2 Satz 2 ermäßigt werden, ggf. bis auf ein<br />
Zehntel. Als Gründe einer Ermäßigung sind dabei nur solche Gesichtspunkte zu<br />
berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Bedeutung sowie dem<br />
erforderlichen Verwaltungsaufwand stehen (vgl. Boesen, a.a.O., Rn. 16 ff. zu § 128). Gründe,<br />
die dies rechtfertigten, waren hier gegeben. Es fand keine mündliche Verhandlung statt.<br />
Insofern konnte die Gebühr auf den hälftigen Betrag, XXXXXX € ermäßigt werden. Der<br />
Auftraggeber ist allerdings gem. § 8 VerwKostG von der Zahlung der Gebühren in diesem<br />
Verfahren befreit. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der<br />
Antragstellerin war gemäß § 128 Abs. 4 S. 2 GWB i. V. m. § 80 VwVfG notwendig. Beim<br />
Vergaberecht handelt es sich auch aufgrund vielfältiger europarechtlicher Überlagerung um
19<br />
eine wenig übersichtliche und zudem stetigen Veränderungen unterworfene Rechtsmaterie,<br />
die wegen des gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahrens bei der Vergabekammer bereits<br />
prozessrechtliche Kenntnisse verlangt. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines<br />
anwaltlichen Bevollmächtigten ist dabei nach den individuellen Umständen des einzelnen<br />
Nachprüfungsverfahrens zu beurteilen. Vorliegend war eine erhöhte rechtliche Schwierigkeit<br />
dahingehend gegeben, dass neben der ohnehin umfassenden Rechtsproblematik des<br />
europäischen Vergaberechtes auch komplexe Fragen zu Ausschlussgründen Gegenstand des<br />
Verfahrens waren. Gesonderte Auslagen, welche nicht bereits durch die Gebühr bei der<br />
Vergabekammer abgegolten wären, sind nicht angefallen.<br />
b) Gestattungsverfahren<br />
Über den Gestattungsantrag musste durch die Vergabekammer nicht mehr entschieden<br />
werden, da sich dieser durch die Rücknahme des Antrages auf Vergabenachprüfung erledigt<br />
hatte<br />
Daher ist für die Kosten vor der Vergabekammer in diesem Verfahren ausschlaggebend, dass<br />
der Auftraggeber das Verfahren - durch Einreichen eines Gestattungsantrages - in Gang<br />
gesetzt hat, § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr.1 VwKostG. Damit hat der<br />
Auftraggeber die für die Tätigkeit der Vergabekammer im Gestattungsverfahren angefallenen<br />
Kosten (Gebühren und Auslagen) auch zu tragen.<br />
Die Höhe der dafür gesondert fest zu setzenden Verfahrensgebühr ist für dieses besondere<br />
Verfahren (1/SVK/021-08G) des einstweiligen Rechtsschutzes lediglich mit der Hälfte der<br />
Hauptsachengebühr anzusetzen (XXXXXX Euro). Da der Gestattungsantrag nicht mehr zur<br />
Entscheidung stand, halbiert sich diese Gebühr entsprechend § 128 Abs. 3 GWB nochmals.<br />
Dieser Betrag kann entsprechend § 128 Abs. 2 Satz 2 ermäßigt werden, ggf. bis auf ein<br />
Zehntel. Als Gründe einer Ermäßigung sind dabei nur solche Gesichtspunkte zu<br />
berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Bedeutung sowie dem<br />
erforderlichen Verwaltungsaufwand stehen (vgl. Boesen, a.a.O., Rn. 16 ff. zu § 128). Gründe,<br />
die dies rechtfertigten, waren hier gegeben. Der Auftraggeber hat den Gestattungsantrag in<br />
einem sehr frühzeitigen Verfahrensstadium zurückgenommen, so dass der Aufwand der<br />
Vergabekammer in dem Gestattungsverfahren gering war. Demzufolge ermäßigt sich die<br />
Gebühr auf 1/5 der Gebühr für das Gestattungsverfahren und damit auf XXXXXX Euro. Auf<br />
Grund der Regelung des § 128 Abs.1 Satz 2 GWB i.V.m. § 8 Abs.1 Nr.3 VwKostG ist der<br />
Auftraggeber von der Zahlung der Gebühren befreit.<br />
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Auftraggebers für das<br />
Gestattungsverfahren ist nach § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB nur für den Fall des Unterliegens der<br />
Antragstellerin vorgesehen, da die Vergabekammer dann eine Entscheidung getroffen hat, die
20<br />
das Begehren der Antragstellerin ganz oder teilweise als unzulässig oder unbegründet<br />
zurückweist. Die Voraussetzung der zurückweisenden Entscheidung liegt aber bei einer<br />
Rücknahme nicht vor, da diese einem Unterliegen im Sinne von § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB<br />
gerade nicht gleichsteht. Nach aktueller Rechtsprechung des BGH (<strong>Beschluss</strong> vom<br />
25.10.2005 – X ZB 22/05) findet dann keine Erstattung der zur zweckentsprechenden<br />
Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Auftraggebers oder des Beigeladenen im<br />
Verfahren vor der Vergabekammer statt, wenn der Antragsteller seinen Nachprüfungsantrag<br />
zurückgenommen hat.<br />
Gesonderte Auslagen, welche nicht bereits durch die Gebühr bei der Vergabekammer<br />
abgegolten wären, sind nicht angefallen.<br />
Gegen die Entscheidungen der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ist gem. § 116<br />
Abs. 1 GWB die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist binnen einer Notfrist von zwei<br />
Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt (§ 117 Abs. 1 GWB), schriftlich<br />
beim Beschwerdegericht einzulegen. Beschwerdegericht für die 1. Vergabekammer des<br />
Freistaates ist das OLG Dresden, Vergabesenat, Schlossplatz 1, 01067 Dresden. Die<br />
IV.<br />
Beschwerde muss zugleich mit ihrer Einlegung begründet werden (§ 117 Abs. 2 GWB. Die<br />
Beschwerdebegründung muss enthalten: die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der<br />
Kammer angefochten wird und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, die Angabe<br />
der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt. Die Beschwerdeschrift<br />
muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von<br />
juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Mit der Einlegung der Beschwerde sind die<br />
anderen Beteiligten des Verfahrens vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer<br />
Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten. Die sofortige Beschwerde hat<br />
aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende<br />
Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.<br />
Kadenbach Kühne Gronemann<br />
Der ehrenamtliche Beisitzer hat nach<br />
<strong>Beschluss</strong>fassung auf eine Unterschrift<br />
verzichtet. Diese ist nach § 5 Nr. 1 der<br />
Geschäftsordnung der 1. Vergabekammer des<br />
Freistaates Sachsen nicht notwendig.