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Vergabekammer des Landes Brandenburg beim Ministerium für ...

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<strong>Vergabekammer</strong><br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> <strong>Brandenburg</strong><br />

<strong>beim</strong> <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Wirtschaft<br />

VK 4/08<br />

Beschluss<br />

In dem Nachprüfungsverfahren betreffend die Betreibung und Betreuung einer<br />

Gemeinschaftsunterkunft <strong>für</strong> Asylbewerber und geduldete Ausländer sowie<br />

Spätaussiedler und ausländische Flüchtlinge,<br />

Verfahrensbeteiligte:<br />

1. …<br />

Verfahrensbevollmächtigte:<br />

…<br />

Antragstellerin,<br />

2. …<br />

Verfahrensbevollmächtigte:<br />

…<br />

Auftraggeberin,<br />

3. …<br />

Verfahrensbevollmächtigte:<br />

…<br />

Beigeladene,<br />

hat die <strong>Vergabekammer</strong> auf die mündliche Verhandlung vom 2. April 2008 durch den<br />

Vorsitzenden Ministerialrat Schumann, die hauptamtliche Beisitzerin<br />

Oberregierungsrätin Tschöpe und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Messner<br />

am 3. April 2008 beschlossen:<br />

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Das<br />

Ausschreibungsverfahren wird zurückversetzt in den Stand vor der EU-weiten<br />

öffentlichen Bekanntmachung der Vergabeabsicht. Das Vergabeverfahren ist<br />

nach den §§ 97 ff. GWB unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der<br />

<strong>Vergabekammer</strong> zu wiederholen.<br />

2. Die Verfahrensgebühr wird unter Berücksichtigung der persönlichen<br />

Gebührenfreiheit der Auftraggeberin auf X.XXX,XX EUR festgesetzt. Sie ist<br />

von der Beigeladenen zu tragen. Die Auftraggeberin ist von der Zahlung der<br />

Gebühren befreit.


2<br />

3. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen<br />

der Antragstellerin tragen die Auftraggeberin und die Beigeladene je zur<br />

Hälfte.<br />

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin<br />

wird <strong>für</strong> notwendig erklärt.<br />

5. Der von der Antragstellerin eingezahlte Kostenvorschuss i.H.v. 2.500,00 EUR<br />

wird an sie nach Bestandskraft <strong>des</strong> Beschlusses zurückgezahlt.<br />

Gründe<br />

I.<br />

Die Auftraggeberin schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen<br />

Gemeinschaften vom … 2007 die Betreibung und Betreuung einer<br />

Gemeinschaftsunterkunft <strong>für</strong> Asylbewerber und geduldete Ausländer in der Stadt …<br />

sowie Spätaussiedler und ausländische Flüchtlinge inkl. Betreuung und Beratung<br />

(zentral in einem vorhandenen Objekt und dezentral) im Offenen Verfahren<br />

europaweit aus, Ziffer II.1.5) der Bekanntmachung.<br />

Der Auftrag sollte <strong>für</strong> den Zeitraum … 2008 bis … 2009 (mit der Möglichkeit der<br />

jährlichen Verlängerung und einer maximalen Vertragslaufzeit von 48 Monaten)<br />

vergeben werden. Unter Ziffer II.2.1) der Bekanntmachung wird die Gesamtmenge<br />

bzw. –umfang <strong>des</strong> Auftrages angegeben mit „1 Wohnblock mit 3 bis 4 Eingängen<br />

zentral <strong>für</strong> 80 Plätze sowie dezentral <strong>für</strong> ca. 100 Personen; Ausstattung vorhanden“.<br />

Der Gesamtauftragswert liegt nach der Schätzung der Auftraggeberin bei<br />

XXX.XXX,XX EUR. Varianten/Alternativangebote waren gemäß Ziffer II.1.9) zulässig.<br />

Nach Ziffer III.2.1) der Bekanntmachung, Persönliche Lage <strong>des</strong> Wirtschaftsteilnehmers…,<br />

war u.a. die Vorlage einer „Gewerbeanmeldung und ggf.<br />

Gewerbeummeldung oder gleichwertige in dem Mitgliedsstaat übliche An- und ggf.<br />

Ummeldung“ gefordert, nach Ziffer III.2.2), wirtschaftliche und finanzielle<br />

Leistungsfähigkeit, sollte eine Referenzliste über gleichwertige Leistungen, möglichst<br />

der letzten drei Jahre, vorgelegt werden. Nach Ziffer III.2.3) war zum Nachweis der<br />

Technischen Leistungsfähigkeit u.a. ein „Betreiberkonzept“ vorzulegen.<br />

Als Zuschlagskriterien bestimmte die Auftraggeberin in Ziffer IV.2.1) der<br />

Bekanntmachung den Preis (Gewichtung: 50), das Betreiberkonzept (Gewichtung:<br />

40) sowie Referenzen (Gewichtung: 10). Schlusstermin <strong>für</strong> den Eingang der<br />

Angebote war der 11. Dezember 2007.<br />

Die den Bietinteressenten übersandten Verdingungsunterlagen beinhalteten u.a. die<br />

Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes nebst Ergänzungsblatt <strong>für</strong> EU-<br />

Vergabeverfahren, die „Allgemeinen Vorbemerkungen zum Offenen Verfahren …“<br />

mit wichtigen Hinweisen (Hinweisblatt zur Vermeidung von Fehlern im<br />

Vergabeverfahren), die Leistungsbeschreibung, einen Mustervertrag mit Anlage, die<br />

Bewerbungs- und Vergabebedingungen der Stadt ... Die einzureichenden


3<br />

Erklärungen, Bescheinigungen und sonstigen Angaben waren laut<br />

Angebotsaufforderung den „Allgemeinen Vorbemerkungen…“ zu entnehmen. In<br />

diesen werden unter Bezugnahme auf § 7 VOL/A die Anforderungen aus der<br />

Bekanntmachung, Ziffern III.2.1) bis III.2.3), zum Nachweis der<br />

unternehmensbezogenen Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit<br />

wiederholt. Auf die Zuschlagskriterien wird gesondert hingewiesen: wichtige<br />

Wertungskriterien seien neben „a) dem Jahresgesamtpreis b) das Betreiberkonzept<br />

und c) die Prüfung der Referenzen“. In Fettdruck wird zudem darauf verwiesen, dass<br />

sich die Stadtverwaltung … vorbehält, Bescheinigungen/Angaben oder Erklärungen<br />

zum Nachweis und zur Prüfung der unternehmensbezogenen Fachkunde,<br />

Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit gemäß § 7 VOL/A nachzufordern. Das<br />

zugehörige Hinweisblatt listet mögliche Fehler im Vergabeverfahren auf; so werden<br />

beispielsweise als „weitere häufige Fehler, die zum Angebotsausschluss führen<br />

können“, unvollständige Angaben (Ziffer 11.) oder das Fehlen geforderter Angaben<br />

und Erklärungen (Ziffer 12.) aufgeführt.<br />

Die der Angebotsaufforderung beigefügte Leistungsbeschreibung, überschrieben mit<br />

„Aufgabenbeschreibung/Konzept – Bedingungen zum Verfahren…“, gliedert sich in<br />

die Punkte 1. Ausgangslage, 2. Sicherstellung der Unterbringung und Betreuung <strong>des</strong><br />

Personenkreises, 3. Anforderungen an die Unterkunft, 4. Anforderungen an die<br />

sozialen Beratungs- und Betreuungsleistungen und 5. Angebot. Ziffer 5 war<br />

hervorgehoben durch Fettdruck und Umrahmung; anzugeben waren der<br />

„Nettoangebotspreis pro Jahr (Kalkulation beilegen)“ und der Bruttopreis („Euro/incl.<br />

Mehrwertsteuer“).<br />

Während der Angebotsfrist gestellte Bieteranfragen beantwortete die Auftraggeberin<br />

je gegenüber dem anfragenden Bietinteressenten.<br />

Neben der Antragstellerin reichten vier weitere Bieter ihre Angebote fristgerecht bis<br />

zum 11. Dezember 2007 ein. Die formelle Prüfung ergab zunächst den Ausschluss<br />

zweier Angebote, sodass neben den Angeboten der Antragstellerin und der<br />

Beigeladenen noch ein weiteres Angebot in der Wertung verblieb.<br />

Vor der Vergabebekanntmachung, am 23. Oktober 2007, hatten sich Vertreter der<br />

Zentralen Ausschreibungsstelle der Auftraggeberin und <strong>des</strong> zuständigen<br />

Fachbereiches in Bezug auf das Verfahren, den Verfahrensablauf, abgestimmt und<br />

insbesondere die Zuschlagskriterien sowie deren prozentuale Gewichtung erörtert.<br />

Die Vertreterin der Zentralen Vergabestelle hatte in diesem Zusammenhang auf die<br />

Erforderlichkeit der genauen Wertung nach einer Matrix verwiesen und dem<br />

Fachbereich Unterstützung zugesagt.<br />

Gemäß Vergabevermerk, Ziffer 12, wurde die Wertung vom zuständigen Fachbereich<br />

der Auftraggeberin durchgeführt. Die Angebote wurden dem Fachbereich am 12.<br />

Dezember 2007 übergeben. Per hausinterner Mail <strong>des</strong> Fachbereichs vom 8. Januar<br />

2008 erhielt die Zentrale Ausschreibungsstelle die Wertungsmatrix: „… in der Anlage<br />

erhalten Sie unser Auswertungssystem …“. Hiernach werden die drei mit ihrer<br />

Gewichtung von 10 %, 40 % und 50 % den Bietern bekannt gemachten<br />

Zuschlagskriterien - entsprechend ihrer jeweiligen Gewichtung - mit Punktwerten in<br />

Höhe von 5 (Referenzen), 20 (Betreiberkonzept) und 25 (Preis) unterlegt. Für die drei<br />

Zuschlagskriterien wurden Unterkriterien gebildet, die sich zum Teil weiter in


4<br />

Einzelkriterien aufgliedern, sodass sich die maximal erreichbare Punktzahl von 50<br />

wie folgt aufteilt:<br />

Von den 5 Gesamtpunkten <strong>für</strong> Referenzen (10 %) entfallen auf das Unterkriterium<br />

„Anzahl der eingereichten Referenzen“ 2 Punkte und auf das Unterkriterium „Inhalt<br />

der eingereichten Referenzen“ 3 Punkte.<br />

Von den 20 Gesamtpunkten <strong>für</strong> das Konzept (40 %) entfallen auf das Unterkriterium<br />

„Aussagefähigkeit“, welches sich aus den Einzelkriterien „Unternehmensdarstellung“,<br />

„Dauer der Klientelarbeit“, „Netzwerkarbeit“ (je 2 Punkte) zusammensetzt, 6 Punkte;<br />

auf das Unterkriterium „fachlicher Inhalt“, welches sich aus den Einzelkriterien<br />

„Wohnen im Heim“, „Wohnen im eigenen Wohnraum“, „Integrationsarbeit“,<br />

„Nachvollziehbarkeit bei der Umsetzung am Standort“, „Aussagen zur<br />

gemeinnützigen Arbeit“ (je 2 Punkte) zusammensetzt, entfallen insgesamt 10 Punkte;<br />

das Unterkriterium „Einsatz Personal“ ist mit 4 Punkten versehen.<br />

Von den 25 Gesamtpunkten <strong>für</strong> den Preis (50 %) entfallen je 5 Punkte auf die<br />

Unterkriterien „Einreichung Kalkulation“ und „Nachvollziehbarkeit der Kosten“ sowie<br />

15 Punkte auf das Unterkriterium „Höhe der Kosten“.<br />

In der Spalte „Bemerkungen“ enthält die Matrix Erläuterung zu möglichen<br />

Punktabzügen. Die hinsichtlich <strong>des</strong> Betreiberkonzeptes je Unter- bzw. Einzelkriterium<br />

erreichbare Punktzahl reduzierte sich hiernach auf 1 Punkt, wenn das Thema nur<br />

kurz angerissen sein sollte, und auf 0 Punkte bei Nichterwähnung.<br />

Die in der Preiswertung auf die „Höhe der Kosten“ entfallenden 15 Punkte wurden in<br />

gleichen Schritten gestaffelt vergeben; das preisgünstigste Angebot erhielt die volle<br />

Punktzahl, das teuerste der drei gewerteten Angebote noch 5 Punkte.<br />

Im Ergebnis der Wertung erhielt das Angebot der Antragstellerin hinter dem der<br />

Beigeladenen die zweithöchste Punktzahl.<br />

Die bei der Auftraggeberin gebildete Vergabekommission stimmte dem<br />

Vergabevorschlag am 24. Januar 2008 zu. Mit Schreiben vom gleichen Tage, bei der<br />

Antragstellerin eingegangen am 25. Januar 2008, informierte die Auftraggeberin<br />

gemäß § 13 VgV darüber, dass sie beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der<br />

Beigeladenen zu erteilen. Das Angebot der Antragstellerin habe sie ausgeschlossen,<br />

weil dieses hinsichtlich <strong>des</strong> in den Verdingungsunterlagen genannten Kriteriums<br />

„Preis“ nicht das wirtschaftlichste gewesen sei.<br />

Diese Entscheidung rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 29. Januar 2008 als<br />

vergaberechtswidrig. Das Angebot der Beigeladenen sei zwingend nach §§ 25 Nr. 1<br />

und 2, 21 Nr. 1 VOL/A auszuschließen, denn ihm könne nicht, wie in den<br />

Verdingungsunterlagen gefordert, eine Gewerbeanmeldung oder –ummeldung<br />

beigefügt gewesen sein. Der Antragstellerin sei aus einem anderen<br />

Nachprüfungsverfahren bekannt, dass der hier <strong>für</strong> den Zuschlag vorgesehene Bieter<br />

aufgrund seines Status als gGmbH keine Gewerbeanmeldung vorgenommen habe<br />

bzw. vornehmen wolle. Auch sei davon auszugehen, dass die Auftraggeberin ihren<br />

Pflichten aus § 25 a Nr. 2 VOL/A nicht nachgekommen sei. Die Antragstellerin<br />

bemängelte ferner, die Wahl <strong>des</strong> Verfahrens (Vergabeart) sei nicht eindeutig und<br />

behielt sich die Geltendmachung weiterer vergaberechtlicher Mängel vor.


5<br />

Mit Schreiben vom 30. Januar 2008 wies die Auftraggeberin die erhobenen Rügen<br />

zurück. Zwar habe dem Angebot der Beigeladenen keine Gewerbeanmeldung<br />

beigelegen, diese sei gleichwohl nicht vom Verfahren auszuschließen gewesen,<br />

denn die ausgeschriebene Leistung sei keinem besonderen Berufsstand<br />

vorbehalten, sodass das Nichtzulassen einer gemeinnützigen GmbH zum<br />

Wettbewerb nicht statthaft gewesen wäre. Der Kreis der teilnehmenden<br />

Unternehmen sei im Vorfeld der Ausschreibung nicht bekannt gewesen, sodass auch<br />

gewerberechtliche Unterlagen abgefordert worden seien. Die nunmehr <strong>für</strong> den<br />

Zuschlag vorgesehene Bieterin habe der Auftraggeberin vor Angebotsabgabe<br />

angezeigt, dass sie keine Gewerbeanmeldung besitze, dies begründet und<br />

nachgefragt, ob dies einen Ausschlussgrund gemäß VOL/A nach sich ziehe. Nach<br />

Prüfung der Sachlage gemäß §§ 7, 7 a VOL/A habe die Auftraggeberin ihr mitgeteilt,<br />

dass dies nicht der Fall sei. Eine Wettbewerbsverdrängung durch gemeinnützige<br />

Unternehmen wegen staatlicher Zuwendungen liege ebenso wenig vor, wie von der<br />

Gewährung staatlicher Beihilfen im Sinne von § 25 a Nr. 2 VOL/A) zugunsten der<br />

Beigeladenen auszugehen sei. Auch der Vorwurf, die Wahl der Verfahrensart sei<br />

nicht eindeutig, könne mit Blick auf das Teilnahmeverhalten der Antragstellerin nicht<br />

nachvollzogen werden.<br />

Mit Schreiben vom 6. Februar 2008 ergänzte die Antragstellerin ihr Rügevorbringen<br />

und bemängelte, dass es sich bei dem mit 10%iger Gewichtung in die Wertung<br />

einfließenden Kriterium „Referenzen“ nicht, wie vorliegend bekannt gemacht, um ein<br />

Zuschlagskriterium, sondern um ein Eignungskriterium handele. Es sei<br />

vergaberechtswidrig, dieses im Rahmen der Zuschlagserteilung als „Mehr an<br />

Eignung“ nochmals zu berücksichtigen. Darüber hinaus könne, soweit <strong>für</strong> den<br />

Zuschlag ein Nebenangebot vorgesehen sei, darauf der Zuschlag nicht zulässig<br />

erteilt werden, weil in den Verdingungsunterlagen Min<strong>des</strong>tbedingungen insoweit nicht<br />

formuliert worden seien. Zudem sei das Verfahren in Bezug auf die Behandlung von<br />

Bieteranfragen intransparent und diskriminierend. Ausgehend davon, dass auch die<br />

übrigen Mitbieter Fragen an die Auftraggeberin gerichtet und - wie die Antragstellerin<br />

– eine Antwort erhalten haben dürften, hätte die Auftraggeberin, um dem<br />

Gleichbehandlungsgrundsatz <strong>des</strong> § 97 Abs. 2 GWB zu genügen, die jeweils erteilten<br />

Informationen zeitgleich sämtlichen anderen Bietern übermitteln müssen.<br />

Mit Schreiben vom gleichen Tage wies die Auftraggeberin auch diese Einwendungen<br />

zurück. Anderweitige Bieteranfragen seien entweder gleichlautend gestellt worden<br />

oder hätten nur das anfragende Unternehmen betroffen, sodass die Antwort <strong>für</strong> die<br />

Antragstellerin unzutreffend oder die Weitergabe nicht zulässig gewesen sei. Das<br />

weitere Rügevorbringen hätte zeitnah erfolgen müssen, denn die diesem zugrunde<br />

liegenden Umstände seien den Bietern bereits mit der Bekanntmachung bzw. mit den<br />

Verdingungsunterlagen zur Kenntnis gegeben worden. Die Auftraggeberin verwies<br />

abschließend darauf, dass Nebenangebote <strong>für</strong> die Zuschlagserteilung keine Rolle<br />

gespielt hätten.<br />

Mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Februar 2008 hat die Antragstellerin einen<br />

Nachprüfungsantrag bei der <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> <strong>Brandenburg</strong> gestellt und<br />

ihr Rügevorbringen im Wesentlichen vertieft. Zur Zulässigkeit <strong>des</strong> Antrages hat sie<br />

vorgetragen, dass das Unternehmen selbst über juristischen Beistand nicht verfüge<br />

und daher einen Tag nach Zurückweisung der Vorhalte aus dem ersten<br />

Rügeschreiben anwaltlichen Rat bei ihren Verfahrensbevollmächtigten eingeholt


6<br />

habe. Sie habe sodann die weiteren Vergabeverstöße mit Schreiben vom 6. Februar<br />

2008 geltend machen können, sodass auch diese Rügen unverzüglich i.S.d. § 107<br />

Abs. 3 Satz 1 GWB seien.<br />

Zur Begründetheit <strong>des</strong> Antrages hat sie vorgetragen, dass die Auftraggeberin in<br />

Bezug auf die zulässigerweise geforderte, dem Angebot der Beigeladenen jedoch<br />

nicht beigefügte Gewerbeanmeldung einer Selbstbindung unterliege. Ein Abweichen<br />

von den bekannt gemachten Nachweisforderungen sei nicht zulässig.<br />

Durch die mit dem Status als gGmbH verbundenen wirtschaftlichen Vorteile wie<br />

beispielsweise Steuervergünstigungen sei die Beigeladene überdies in der Lage,<br />

ungewöhnlich niedrige Angebotspreise abzugeben; derartige Vorteile seien als<br />

staatliche Beihilfen zu qualifizieren, welche die Auftraggeberin umfassend<br />

beispielsweise daraufhin hätte überprüfen müssen, ob sie<br />

gemeinschaftsrechtskonform sind und keine Wettbewerbsverzerrungen bedingen<br />

sowie, ob die Beigeladene diese Vorteile zu Recht genieße.<br />

Nach im Rahmen <strong>des</strong> § 111 GWB mit Schriftsatz vom 20. Februar 2008 teilweise<br />

gewährter Akteneinsicht hat die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.<br />

Februar 2008 als weiteren Vergaberechtsverstoß bemängelt, dass die<br />

Angebotswertung anhand von mit Punkten versehenen Unterkriterien einen Verstoß<br />

gegen §§ 25 a Nr. 1 Abs. 1, 2; 9 a Nr. 1 c) VOL/A darstelle, denn die den<br />

Zuschlagskriterien zugeordneten Unterkriterien hätten den Bietern vor der<br />

Angebotsabgabe bekannt gegeben werden müssen. Dies folge aus den Grundsätzen<br />

von Gleichbehandlung und Transparenz gemäß EuGH-Urteil vom 24. November<br />

2005 (Rs. C-331/04), um zu gewährleisten, dass ein Bieter die Wirtschaftlichkeit<br />

seines Angebotes unter Berücksichtigung der Zuschlagskriterien und ihrer<br />

Gewichtung optimieren könne. Zwar sei die Konkretisierung von Zuschlagskriterien<br />

durch Unterkriterien und diese weiter konkretisierenden Einzelkriterien zulässig. Der<br />

Praxis, die Gewichtung von Unterkriterien auch nach Angebotsabgabe <strong>für</strong> zulässig zu<br />

erachten, sei der EuGH jedoch mit aktueller Entscheidung vom 24. Januar 2008 (Rs.<br />

C-532/06) entgegengetreten: alle Kriterien, die vom Auftraggeber bei der<br />

Bestimmung <strong>des</strong> wirtschaftlich günstigsten Angebotes berücksichtigt werden, und<br />

ihre relative Bedeutung zueinander, müssen potenziellen Bietern zum Zeitpunkt der<br />

Vorbereitung ihrer Angebote bekannt sein. Demgemäß hätte auch die Antragstellerin<br />

bei Kenntnis der Unterkriterien entsprechend vorgetragen und - <strong>für</strong> ihr Konzept - im<br />

Ergebnis die volle Punktzahl erreicht. Unabhängig davon sei die Konzeptbewertung<br />

zu einem der nicht mit der vollen Punktzahl versehenen Einzelkriterien auch inhaltlich<br />

falsch, denn dieses werde im Konzept der Antragstellerin sehr wohl erwähnt.<br />

Darüber hinaus bemängelte die Antragstellerin den Wertungsmodus zum preislichen<br />

Unterkriterium „Höhe der Kosten“. Offenbar sei die diesem Unterkriterium<br />

zugewiesene Maximalpunktzahl von 15 durch die Anzahl der gewerteten Angebote<br />

dividiert worden, was zu gleichmäßigen Punktabständen zwischen günstigstem,<br />

mittlerem und teuerstem Angebot geführt habe. Diese Wertung könne den Abstand<br />

der Angebotspreise zueinander nicht widerspiegeln, sei daher diskriminierend und<br />

vergaberechtswidrig.


7<br />

Die Antragstellerin beantragt,<br />

1. die Auftraggeberin zu verpflichten, das Angebot der … auszuschließen,<br />

das Angebot der Antragstellerin zu werten und ihrem Angebot in diesem<br />

Verfahren den Zuschlag zu erteilen;<br />

2. hilfsweise, die Auftraggeberin zu verpflichten, das unter Ziffer … im EU-<br />

Amtsblatt bekannt gemachte Offene Verfahren aufzuheben und den<br />

Auftrag in einem neuen Vergabeverfahren unter Beteiligung der<br />

Antragstellerin neu zu vergeben;<br />

3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die<br />

Antragstellerin <strong>für</strong> notwendig zu erklären;<br />

4. der Auftraggeberin die Kosten <strong>des</strong> Verfahrens sowie die notwendigen<br />

Auslagen aufzuerlegen;<br />

5. der Antragstellerin erweiternde Akteneinsicht nach § 111 GWB in die<br />

Vergabeakten zu gewähren.<br />

Die Auftraggeberin beantragt,<br />

den Antrag auf Nachprüfung zurückzuweisen.<br />

Mit Schreiben vom 12. Februar 2008 und anwaltlichem Schriftsatz vom 7. März 2008<br />

hat sie vorgetragen, dass es nicht Aufgabe der Auftraggeberin sei, Gründe <strong>für</strong> die<br />

fehlende Gewerbeanmeldung einer gemeinnützigen GmbH zu hinterfragen. Die<br />

Zuverlässigkeit, Fachkunde und Leistungsfähigkeit folge nicht aus einer<br />

Gewerbeanmeldung; diese habe vorliegend anhand der dem Angebot der<br />

Beigeladenen im Übrigen beigefügten Unterlagen geprüft und bejaht werden können.<br />

Die Problematik einer fehlenden Gewerbeanmeldung sei der Auftraggeberin erst im<br />

laufenden Vergabeverfahren aufgrund <strong>des</strong> Hinweises der Beigeladenen selbst<br />

bewusst geworden. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin, nach der eine<br />

Aufhebung <strong>des</strong> Vergabeverfahrens hätte erfolgen müssen, habe sich die<br />

Auftraggeberin entschieden, das Vergabeverfahren weiterzuführen. Denn die<br />

Forderung nach einer Gewerbeanmeldung zur Betreibung einer<br />

Aufnahmeeinrichtung <strong>für</strong> Asylbewerber dürfte auf einen objektiv nicht erfüllbaren<br />

Eignungsnachweis gerichtet sein. Nach ständiger Rechtsprechung (BGH, Urteil vom<br />

1. August 2006 – X ZR 115/04) dürfen Angebote, die derartige Anforderungen nicht<br />

erfüllen, jedoch nicht ausgeschlossen werden.<br />

Soweit die Antragstellerin die fehlende Bekanntgabe von Unterkriterien gerügt habe,<br />

sei bereits fraglich, ob es sich bei den gebildeten Untergliederungen um<br />

Zuschlagskriterien/Unterkriterien handelt. Sie hätten nicht bekannt gemacht werden<br />

müssen, seien den Bietern gleichwohl spätestens nach Übersendung der<br />

Verdingungsunterlagen bekannt gewesen; hinsichtlich <strong>des</strong> Betreiberkonzeptes<br />

beispielsweise orientierten sie sich im Wesentlichen an dem Runderlass <strong>des</strong> … vom<br />

8. März 2006, der den Verdingungsunterlagen beigefügt gewesen sei. Die Pflicht zur<br />

Bekanntmachung von Unterkriterien sei nach der Rechtsprechung überdies strittig.<br />

Einem Auftraggeber müsse die Möglichkeit verbleiben, unter Verwendung der<br />

angekündigten Wertungskriterien und unter Beschränkung hierauf, ein


8<br />

sachgerechtes und plausibles Wertungssystem erst im Laufe <strong>des</strong><br />

Wertungsprozesses, auch in Ansehung ihm vorliegender Angebote, zu entwickeln.<br />

Jedenfalls entsprächen die vorliegend gebildeten Unterkriterien den im EuGH-Urteil<br />

vom 24. November 2005 (Rs. C-331/04) entwickelten Grundsätzen und bewegten<br />

sich innerhalb der vorgegebenen Zuschlagskriterien.<br />

Mit Verfügung der stellvertretenden Vorsitzenden der <strong>Vergabekammer</strong> vom 10. März<br />

2008 wurde die Entscheidungsfrist nach § 113 Abs. 1 GWB bis zum 4. April 2008<br />

verlängert.<br />

Mit Beschluss vom 18. März 2008 wurde die … zum Verfahren beigeladen. Auf die<br />

ihr mit der Beiladung unter Beachtung <strong>des</strong> § 111 GWB übersandten Schriftsätze der<br />

übrigen Verfahrensbeteiligten hat sie mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26. März 2008<br />

insbesondere vorgetragen, dass die streitige Vergabe eine Dienstleistung im Sinne<br />

<strong>des</strong> Anhangs I Teil B Kategorie 25 der VOL/A betreffe, die zwar der Nachprüfung<br />

nach den §§ 102 ff. GWB unterliege, auf die nach § 1 a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A neben<br />

den Basisparagraphen lediglich die §§ 8 a, 28 a VOL/A anwendbar seien. Die<br />

Verletzung von Bestimmungen anderer a-Paragraphen, wie von der Antragstellerin<br />

vorgetragen, scheide damit aus. Die Beigeladene verwies auf den Umstand, dass sie<br />

kein Gewerbe betreibe, <strong>für</strong> das auch nach Auffassung der <strong>für</strong> sie zuständigen<br />

Gewerbeaufsicht eine Gewerbeanmeldung notwendig sein könnte. Die ihr einzig<br />

zuteil werdende Vergünstigung, von der Umsatzsteuer befreit zu sein, könne nach<br />

einhelliger Rechtsprechung den Ausschluss ihres Angebotes nach § 25 a Nr. 2<br />

VOL/A nicht begründen, unabhängig davon, dass auf die streitige Vergabe diese<br />

Vorschrift ebenso wenig anwendbar ist, wie die vermeintliche Verletzung der §§ 25 a<br />

Nr. 1; 9 a Nr. 1 c VOL/A: eine Pflicht zur Bekanntgabe von Unterkriterien und ihrer<br />

Gewichtung <strong>für</strong> die Auftraggeberin habe daher nicht bestanden. Die von der<br />

Antragstellerin in Bezug genommenen Entscheidungen <strong>des</strong> EuGH seien ferner<br />

<strong>des</strong>halb nicht auf die hier zur Beurteilung stehende Vergabe anwendbar, weil sie<br />

eine abweichende Fallkonstellation betreffen (EuGH, Beschluss vom 24. Januar<br />

2008) bzw. hier die aufgestellten Voraussetzungen eingehalten worden seien (EuGH,<br />

Urteil vom 24. November 2005).<br />

Der Beigeladenen wurde mit Schriftsatz vom 28. März 2008 im Rahmen <strong>des</strong> § 111<br />

GWB teilweise Akteneinsicht gewährt.<br />

In der mündlichen Verhandlung am 2. April 2008 hatten die Beteiligten umfassend<br />

Gelegenheit, ihren Standpunkt darzustellen. Die Beigeladene hat in der mündlichen<br />

Verhandlung beantragt,<br />

den Antrag auf Nachprüfung zurückzuweisen.<br />

Auf die Vergabeakten, soweit sie der <strong>Vergabekammer</strong> vorgelegen haben, sowie die<br />

eingereichten Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.


9<br />

Der Nachprüfungsantrag ist jedenfalls teilweise zulässig.<br />

II.<br />

Die angerufene <strong>Vergabekammer</strong> ist <strong>für</strong> die Entscheidung über den<br />

Nachprüfungsantrag zuständig. Die Auftraggeberin ist als Körperschaft <strong>des</strong><br />

öffentlichen Rechts öffentlicher Auftraggeber im Sinne <strong>des</strong> § 98 Nr. 1 GWB. Der<br />

ausgeschriebene Dienstleistungsauftrag ist dem Land <strong>Brandenburg</strong> zuzurechnen<br />

und übersteigt den maßgeblichen Schwellenwert (§§ 104 Abs. 1, 99 Abs. 4, 100 Abs.<br />

1, 127 Nr. 1 GWB, § 2 Nr. 3 VgV). Er fällt als Dienstleitungsauftrag im Sinne <strong>des</strong> § 99<br />

Abs. 4 GWB in den Anwendungsbereich <strong>des</strong> Vergaberegimes, denn dieser<br />

Auffangtatbestand ist grundsätzlich weit zu bestimmen.<br />

Nach der Richtlinie 2004/18/EG wird zwischen vorrangigen und nachrangigen<br />

Dienstleistungsaufträgen, aufgeführt in Anhang I bzw. II A und Anhang I bzw. II B der<br />

Richtlinie, unterschieden mit der Folge, dass beide Kategorien von Leistungen<br />

unterschiedlichen Regeln unterworfen werden. Dienstleistungsaufträge wie der<br />

Vorliegende sind solche <strong>des</strong> Anhangs I B, <strong>für</strong> die, auch als nachrangige<br />

Dienstleistungsaufträge, ein Nachprüfungsverfahren eröffnet ist, wenn wie hier der<br />

Schwellenwert überschritten ist.<br />

Die Antragstellerin ist antragsbefugt, § 107 Abs. 2 GWB. Sie hat ihr Interesse am<br />

Auftrag durch die Abgabe ihres Angebotes dokumentiert und trägt die Möglichkeit<br />

einer Rechtsverletzung sowie eines ihr <strong>des</strong>halb drohenden Schadens vor, weil die<br />

Auftraggeberin das Angebot der Beigeladenen vergaberechtswidrig nicht von der<br />

Wertung ausgeschlossen hat und dem eigenen Angebot als nachrangig Platziertem<br />

den Zuschlag nicht zu erteilen beabsichtigt.<br />

Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der<br />

Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabebestimmungen bereits im<br />

Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber nicht<br />

unverzüglich gerügt hat.<br />

Unverzüglich im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist eine Rüge nur dann, wenn<br />

sie in Anlehnung an die Definition <strong>des</strong> § 121 Abs. 1, Satz 1 BGB ohne schuldhaftes<br />

Zögern erfolgt (Kühnen, Die Rügeobliegenheit, NZBau 2004, 427, 430;<br />

Saarländisches Oberlan<strong>des</strong>gericht, Beschluss vom 9. November 2005, 1 Verg 4/05).<br />

Wann ein schuldhaftes Zögern vorliegt, lässt sich nicht allgemein durch Aufstellen<br />

einer Frist bestimmen, sondern ist durch eine an den Umständen <strong>des</strong> Einzelfalls<br />

orientierte Wertung zu beurteilen. Demnach muss die Rüge gegenüber dem<br />

Auftraggeber so zeitig erfolgen, wie es dem Bieter unter Berücksichtigung der <strong>für</strong> die<br />

Prüfung und Begründung der Rüge notwendigen Zeit möglich und zumutbar ist (VK<br />

<strong>Brandenburg</strong>, Beschluss vom 18. Juni 2003, VK 31/03). Hierbei ist eine<br />

angemessene Überlegungsfrist zuzugestehen, innerhalb derer der Antragsteller die<br />

Qualität seiner Argumente überprüfen und eine Chancen-Risiko-Abwägung<br />

vornehmen kann. Außerdem ist die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage in<br />

Ansatz zu bringen.<br />

Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im<br />

Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen ein bis drei Tagen erfolgen. Die<br />

in der Rechtsprechung angenommene Obergrenze von zwei Wochen ab


10<br />

Kenntniserlangung stellt dabei eine maximale Obergrenze dar, deren Ausschöpfung<br />

allenfalls zugestanden werden kann, wenn eine schwierige Sach- und Rechtslage<br />

gegeben ist, die die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert (vgl. OLG<br />

<strong>Brandenburg</strong>, Beschluss vom 17. Februar 2005, Verg W 11/04; OLG Koblenz,<br />

Beschluss vom 18. September 2003, 1 Verg 4/03; Bun<strong>des</strong>kartellamt, 1.<br />

<strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>, Beschluss vom 1. September 2004, VK 1-171/04).<br />

Erforderlich ist dabei die positive Kenntnis von dem Rechtsverstoß. Zur Kenntnis<br />

gehört das Wissen von denjenigen Tatsachen, aus denen sich der geltend gemachte<br />

Vergabefehler ergibt; notwendig ist außerdem die zumin<strong>des</strong>t laienhafte rechtliche<br />

Wertung, dass es sich in dem betreffenden Punkt um ein rechtlich zu<br />

beanstanden<strong>des</strong> Vergabeverfahren handelt. Bloße Vermutungen oder ein Verdacht<br />

sollen hingegen ebenso wenig wie grob fahrlässige Unkenntnis eine<br />

Rügeobliegenheit auslösen.<br />

Unverzüglich sind hiernach die Rügen der Antragstellerin, soweit sie mit Schreiben<br />

vom 29. Januar 2008, innerhalb von vier Tagen nach Erhalt <strong>des</strong><br />

Informationsschreibens nach § 13 VgV, geltend gemacht wurden. Inhaltlich greifen<br />

diese den zugunsten der Beigeladenen beabsichtigten Zuschlag mit der Begründung<br />

an, das Angebot der Beigeladenen sei mangels Vorlage einer Gewerbeanmeldung<br />

unvollständig und damit auszuschließen gewesen sowie, das Angebot der<br />

Beigeladenen sei ungewöhnlich niedrig, sodass die Auftraggeberin es in Bezug auf<br />

die aus dem Status der Gemeinnützigkeit folgenden Vorteile, die als staatliche<br />

Beihilfen zu qualifizieren seien, intensiv hätte prüfen müssen.<br />

Die mit weiterem Schreiben der Antragstellerin vom 6. Februar 2008 erhobenen<br />

Rügen, Nebenangebote dürften wegen nicht festgelegter Min<strong>des</strong>tvoraussetzungen<br />

nicht gewertet werden, zudem hätte die Auftraggeberin sämtliche Antworten auf<br />

anderweitige Bieteranfragen den Mitbietern in anonymisierter Form zur Kenntnis<br />

geben müssen, erscheinen nicht allein mit Blick auf den Zeitablauf von 12 Tagen<br />

nach Erhalt <strong>des</strong> Informationsschreibens als nicht mehr unverzüglich i.S.d. § 107 Abs.<br />

3 Satz 1 GWB.<br />

Die Antragstellerin hatte sich zwar weiteres Rügevorbringen in ihrem ersten<br />

Rügeschreiben vorbehalten und im Rahmen <strong>des</strong> Nachprüfungsantrages über ihre<br />

Verfahrensbevollmächtigten vorgetragen, zwischen beiden Rügeschreiben<br />

anwaltlichen Rechtsrat eingeholt zu haben. Unabhängig davon, dass die anwaltliche<br />

Beratung weder in dem Schreiben vom 6. Februar 2008 erwähnt, noch durch die<br />

dem Nachprüfungsantrag beigefügte, undatierte Bevollmächtigung (Anlage Ast. 1)<br />

nachgewiesen worden ist, enthält das Schreiben vom 6. Februar 2008 kein<br />

Rügevorbringen zu etwaig komplizierten Sach- oder Rechtslagen, das den<br />

erheblichen Zeitablauf von 12 Tagen zu rechtfertigen geeignet wäre.<br />

Die kurzen Rügefristen dienen dazu, vermeintliche Vergaberechtsverstöße so<br />

frühzeitig anzuzeigen, dass der Auftraggeber in die Lage versetzt wird, rechtzeitig<br />

noch im Vergabeverfahren Abhilfe zu schaffen und Vergabenachprüfungsverfahren<br />

zu vermeiden. Es ist offensichtlich, dass die Antragstellerin diesem Anliegen <strong>des</strong><br />

Gesetzgebers mit dem Rügevortrag, Informationen auf anderweitige Bieteranfragen<br />

seien ihr vorenthalten worden, dann nicht genügen kann, wenn sie sich dieses<br />

Vorbringen bis zu der Mitteilung aufspart, sie werde den Zuschlag nicht erhalten,<br />

quasi um die zugunsten eines Dritten getroffene beabsichtigte Vergabeentscheidung


11<br />

im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens zu Fall zu bringen. Die Antragstellerin, die<br />

nach eigenem Bekunden kein Newcomer ist, hätte die Rüge zu (vermuteten)<br />

fehlenden Bieterrundschreiben o.ä. spätestens bis Ablauf der Angebotsfrist am 11.<br />

Dezember 2007 anbringen müssen. Das hat sie nicht getan.<br />

Hinzu kommt, dass die Auftraggeberin der Antragstellerin in der Rügeabweisung vom<br />

6. Februar 2008 mitgeteilt hatte, Nebenangebote spielten <strong>für</strong> den Zuschlag keine<br />

Rolle, sodass der Antragstellerin in Bezug auf dieses im Rahmen <strong>des</strong> Nachprüfungsverfahrens<br />

aufrecht erhaltene Vorbringen das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.<br />

Mit der ebenfalls erstmals im Schreiben vom 6. Februar 2008 erhobenen Rüge, bei<br />

den mit 10 % in die Angebotswertung einfließenden Referenzen handele es sich um<br />

ein Eignungskriterium, das nicht als Zuschlagskriterium verwendet werden dürfe, um<br />

im Rahmen der Zuschlagserteilung ein „Mehr an Eignung“ festzustellen, ist die<br />

Antragstellerin gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB präkludiert. Die Zuschlagskriterien<br />

waren bereits aus der Bekanntmachung, Ziffer IV.2.1), erkennbar, sodass insoweit<br />

nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm vermeintliche Vergaberechtsverstöße bis<br />

zum Ablauf der Angebotsfrist am 11. Dezember 2007 gegenüber der Auftraggeberin<br />

hätten geltend gemacht werden müssen.<br />

Soweit die Antragstellerin ihre Beanstandungen nach der im Nachprüfungsverfahren<br />

mit Kammerschriftsatz vom 20. Februar 2008 gewährten Akteneinsicht erweitert hat,<br />

entfällt die Rügeobliegenheit, denn ihr Zweck, ein Nachprüfungsverfahren nach<br />

Möglichkeit zu vermeiden, kann nicht mehr erreicht werden (vgl. BGH, Beschluss<br />

vom 26. September 2006 – X ZB 14/06). Derart nachgeschobene Rügen müssen<br />

jedoch so rechtzeitig vorgetragen werden, dass sie nicht zu einer Verzögerung <strong>des</strong><br />

Nachprüfungsverfahrens führen. Sie müssen unverzüglich vor der <strong>Vergabekammer</strong><br />

geltend gemacht werden (OLG Celle, Beschluss vom 10. Januar 2008, 13 Verg<br />

11/07). Diesem Erfordernis hat die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom<br />

26. Februar 2008 entsprochen. Sie hatte erst nach Einleitung <strong>des</strong><br />

Nachprüfungsverfahrens im Rahmen der gewährten Akteneinsicht Kenntnis vom<br />

Wertungsverhalten der Auftraggeberin erlangt, dass diese die drei mit ihrer<br />

prozentualen Gewichtung bekannt gemachten Zuschlagskriterien in Unterkriterien mit<br />

zum Teil weiterer Unterteilung untergliedert und diesen jeweils Punktwerte<br />

zugewiesen hatte. Sie hat dieses Wertungsverhalten in Anwendung der den Bietern<br />

nicht bekannt gegebenen Wertungsmatrix nachfolgend als vergaberechtswidrigen<br />

Verstoß in das Verfahren eingeführt.<br />

Der Nachprüfungsantrag ist begründet.<br />

Zwar unterliegen Verfahren, welche die Vergabe von Dienstleistungen nach dem<br />

Anhang I B zur VOL/A betreffen, einem nur beschränkten Vergaberegime. Dies ergibt<br />

sich, wie die Beigeladene zutreffend anführt, aus § 1 a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A, wonach<br />

diese Dienstleistungen nach den Basisparagraphen <strong>des</strong> zweiten Abschnittes der<br />

VOL/A vergeben werden und lediglich die zwei aufgeführten a-Paragraphen zur<br />

Anwendung gelangen. Die in § 97 GWB niedergelegten vergaberechtlichen<br />

Grundprinzipien wie das Diskriminierungsverbot und das Transparenzgebot sind<br />

jedenfalls auch bei der Vergabe nachrangiger Dienstleistungen zu beachten.<br />

Öffentliche Auftraggeber haben den Bietern bzw. Bewerbern aufgrund <strong>des</strong><br />

Gleichbehandlungs- und Transparenzgebotes neben den Zuschlagskriterien auch


12<br />

Unterkriterien, Gewichtungskriterien und eine Bewertungsmatrix jedenfalls dann<br />

bekannt zu geben, wenn sie im Voraus aufgestellt wurde, d.h. vor Veröffentlichung<br />

der Bekanntmachung und Übersendung der Verdingungsunterlagen (vgl. EuGH,<br />

Urteil vom 12. Dezember 2002, Rs. 470/99). Die Grundsätze der Rechtsprechung<br />

<strong>des</strong> EuGH sind jedoch nicht nur in Vergabeverfahren, die – als national umgesetztes<br />

Recht – unmittelbar den auf den EG-Vergaberichtlinien beruhenden a-Paragraphen<br />

der Verdingungsordnungen unterliegen, sondern gleichermaßen in jenen Verfahren<br />

zu beachten, die – wie vorliegend – im Wesentlichen nach den Basisparagraphen<br />

der Verdingungsordnungen durchzuführen sind. Denn die in den EG-<br />

Vergaberichtlinien (und <strong>für</strong> Dienstleistungen ausdrücklich in § 9 a VOL/A) normierte<br />

Forderung, dass der Auftraggeber den Bietern alle Zuschlagskriterien, deren<br />

Verwendung er vorsieht, bekannt zu geben hat, beruht gemäß vorgenannter EuGH-<br />

Entscheidung auf den allgemeinen vergaberechtlichen Geboten der<br />

Gleichbehandlung und Transparenz, § 97 Abs. 1, 2 GWB. Beide Grundsätze gelten<br />

in allen nach dem Vierten Teil <strong>des</strong> GWB durchzuführenden Vergabeverfahren (vgl.<br />

OLG <strong>Brandenburg</strong>, Beschluss vom 15. Mai 2007, Verg W 2/07), mithin auch <strong>für</strong> die<br />

dem streitigen Sachverhalt zugrunde liegende Fallkonstellation von<br />

Dienstleistungsaufträgen im Sinne <strong>des</strong> Anhangs I B der Richtlinie 2004/18/EG.<br />

Die Auftraggeberin hat vorliegend das Transparenzgebot verletzt, indem sie den<br />

Bietern vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe nicht sämtliche, den<br />

Wertungsprozess bestimmende Faktoren bekannt gegeben hat (vgl. OLG<br />

Düsseldorf, Beschluss vom 23. Januar 2008, Verg 31/07).<br />

Sowohl in der Bekanntmachung als auch mit den Verdingungsunterlagen wurden<br />

den Bietern die drei Zuschlagskriterien Preis, Konzept und Referenzen mit ihrer<br />

prozentualen Gewichtung (50 %, 40 % und 10 %) mitgeteilt. Unbekannt war den<br />

Bietern, dass die Auftraggeberin ein Punktesystem erstellte, nach dem maximal 50<br />

Punkte vergeben wurden; nach der in Anwendung gebrachten Wertungsmatrix<br />

verteilte die Auftraggeberin die Gesamtpunktzahl von 50 auf die drei<br />

Zuschlagskriterien zwar entsprechend ihrer Gewichtung (25/20/5 Punkte). Die pro<br />

Zuschlagskriterium erreichbare Maximalpunktzahl wurde jedoch weiter dergestalt auf<br />

die zu diesen gebildeten Unterkriterien bzw. auf die hierzu teilweise gebildeten<br />

weiteren Untergliederungen aufgeteilt, dass die je „Einzelwertungskriterium“<br />

erzielbaren Punkte (zwischen 2 und 15) in ihrer Summe die Punktzahl <strong>des</strong><br />

Zuschlagskriteriums ergeben, dem sie zuzuordnen sind. Die eigentliche Wertung der<br />

Angebote hat damit auf der Ebene der Unterkriterien stattgefunden; ihre Angebote<br />

hatten die Bieter jedoch in Unkenntnis der Unterkriterien und insbesondere in<br />

Unkenntnis der diesen von der Auftraggeberin im Einzelnen zuerkannten Wertigkeit<br />

zu erstellen.<br />

Die lediglich schlagwortartig bekannt gegebenen Zuschlagskriterien werden auch in<br />

den Verdingungsunterlagen nicht hinreichend konkretisiert, um die Unterkriterien<br />

lediglich als „interne Bewertungshilfe“ der Auftraggeberin qualifizieren zu können. Die<br />

Begründung der Auftraggeberin, die “Leistungsbeschreibung“, d.h. die mit den<br />

Verdingungsunterlagen versandte „Aufgabenbeschreibung/Konzept“ decke den<br />

Inhalt der gebildeten Untergliederungen ab, sodass diese als interne Bewertungshilfe<br />

nicht haben bekannt gemacht werden müssen, trägt nicht (vgl. OLG Düsseldorf,<br />

a.a.O.; OLG Jena, Beschluss vom 26. März 2007, 9 Verg 2/07). Das zu erstellende<br />

Konzept betreffend, mögen sich die gebildeten Unter- und Einzelkriterien an der<br />

Leistungsbeschreibung, wie die Auftraggeberin angeführt hat, orientieren; ansonsten


13<br />

würde die Bewertung der Angebote auch auf sachfremden Erwägungen beruhen. Für<br />

den Bieter ist jedoch nicht erkennbar gewesen, auf welche der in der<br />

Leistungsbeschreibung (ggf. in Verbindung mit dem Mustervertrag nebst Anlage)<br />

genannten und mit dem Angebot abzudeckenden Aufgaben die Auftraggeberin<br />

besonderen Wert legte, sodass es einer Erwähnung im Rahmen <strong>des</strong> abgeforderten<br />

Konzeptes bedurfte, um die entsprechend zugeordnete Punktzahl hier<strong>für</strong> zu erhalten.<br />

Demzufolge waren die gebildeten Unterkriterien zuschlagsrelevant. Das Versäumnis<br />

ihrer Bekanntgabe ist vergaberechtswidrig.<br />

Hier ist den Vergabeakten mangels entsprechender Dokumentation nicht zu<br />

entnehmen, zu welchem Zeitpunkt die zur Anwendung gebrachte Wertungsmatrix<br />

erstellt wurde. Es spricht in<strong>des</strong> wenig da<strong>für</strong>, dass dies bereits vor Bekanntgabe oder<br />

Versendung der Ausschreibungsunterlagen geschah, denn in der internen<br />

Besprechung vom 23. Oktober 2007, drei Tage vor der europaweiten<br />

Veröffentlichung, ist der zuständige Fachbereich seitens der Zentralen Vergabestelle<br />

erst auf die Notwendigkeit einer Wertungsmatrix hingewiesen und Hilfestellung<br />

angeboten worden. Am 8. Januar 2008 - nach Submission vom 11. Dezember 2007<br />

und Durchführung der Angebotswertung - hat der Fachbereich die von ihm<br />

ausgefüllten bieter- bzw. angebotsspezifischen Auswertungsbögen<br />

(Bewertungsmatrix) der Zentralen Vergabestelle per Mail zugeleitet. Der Wortlaut der<br />

Mail („… erhalten Sie unser Auswertungssystem …“) gibt zum Zeitpunkt der<br />

Erstellung der Matrix keine Hinweise, lediglich zu ihrem Verfasser.<br />

Zwar ist eine nachträgliche Aufgliederung von Zuschlagskriterien in Unterkriterien<br />

nach der Rechtsprechung grundsätzlich möglich. Die höchstrichterliche<br />

Rechtsprechung (vgl. EuGH, Urteil vom 24. November 2005, Rs. C-331/04) hatte<br />

auch den Zeitpunkt, wann der komplette Wertungsmodus abschließend festgelegt<br />

werden muss, nicht explizit bestimmt. Der EuGH hat in vorgenannter Entscheidung<br />

jedoch drei Regeln aufgestellt, die bei der Auslegung der nationalen Rechtsnormen<br />

aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht zwingend zu beachten sind: erstens dürfe die<br />

Vergabestelle im Rahmen einer Entscheidung, welcher Wertungsmodus <strong>für</strong> die<br />

bekannt gegebenen Zuschlagskriterien oder deren Unterkriterien maßgebend sein<br />

soll, nicht die Zuschlagskriterien selbst abändern; zweitens dürfe die nachträglich<br />

zum Wertungsmodus getroffene Entscheidung der Vergabestelle keine<br />

Gesichtspunkte enthalten, die, wenn sie bei der Vorbereitung der Angebote bekannt<br />

gewesen wären, diese Vorbereitung hätten beeinflussen können und drittens dürfe<br />

der Wertungsmodus nicht unter der Berücksichtigung von Umständen erlassen<br />

werden, die einen Bieter zu diskriminieren, geeignet sind. Von der Vergabestelle<br />

stets zu beachten, ist das Gebot der Gleichbehandlung und Transparenz, und zwar<br />

sowohl zum Zeitpunkt der Angebotserstellung als auch zum Zeitpunkt der<br />

Angebotswertung.<br />

Soweit die Antragstellerin sich auf den Beschluss <strong>des</strong> EuGH vom 24. Januar 2008<br />

(Rs. C-532/06) berufen hat, mit welchem der EuGH festlegte, dass ein öffentlicher<br />

Auftraggeber zu in der Vergabebekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen<br />

angegebenen Zuschlagskriterien nicht nachträglich hierzu Unterkriterien oder<br />

Gewichtungskoeffizienten einführen darf, ist zu berücksichtigen, dass in der dieser<br />

Entscheidung zugrunde liegenden Fallkonstellation die Zuschlagskriterien in der<br />

Reihenfolge ihrer Bedeutung (ohne Gewichtung) bekannt gemacht worden waren. In<br />

den Gründen hat der EuGH jedoch ausgeführt, dass in jedem Vergabeverfahren die


14<br />

potenziellen Bieter in die Lage versetzt werden müssen, in angemessener Weise von<br />

den maßgeblichen Kriterien und Bedingungen Kenntnis nehmen zu können, um ihre<br />

Angebote hieran ausrichten zu können. Der EuGH hat auf die sachlichen<br />

Unterschiede zu seinem früheren Urteil (Rs. C-331/04) Bezug genommen, die drei<br />

dort aufgestellte Regeln bekräftigt.<br />

Gemessen an diesen Vorgaben hat die Auftraggeberin gegen Regel 2 der vom<br />

EuGH aufgestellten Grundsätze verstoßen.<br />

Die Antragstellerin hat beispielsweise vorgetragen, dass sie bei Kenntnis <strong>des</strong><br />

Einzelkriteriums „Aussagen zur gemeinnützigen Arbeit“ in ihrem Betreiberkonzept<br />

umfassend hierzu ausgeführt hätte und dann in der Bewertung die volle Punktzahl<br />

erreicht hätte. Dem diesem entgegenstehenden Vortrag der Auftraggeberin, die<br />

Untergliederungen der Zuschlagskriterien seien den Bietern spätestens mit<br />

Übersendung der Ausschreibungsunterlagen zur Kenntnis gelangt, sie orientierten<br />

sich im Hinblick auf das Betreiberkonzept im Wesentlichen am Runderlass <strong>des</strong> …<br />

vom 8. März 2006, kann - wie oben ausgeführt - nicht gefolgt werden.<br />

Ausgeschrieben wurde eine konkrete Dienstleistung, die in den<br />

Verdingungsunterlagen beschrieben und gegen Entgelt zu erbringen ist. Die<br />

einzelnen Aufgaben, die mit dem Angebot abzudecken sind, betreffen im<br />

Wesentlichen die Rechte und Pflichten der zukünftigen Vertragsparteien. Sie folgen<br />

den rechtlichen Rahmenbedingungen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> … Demgemäß wiederholt die<br />

„Leistungsbeschreibung“ (Aufgabenbeschreibung/Konzept) weitgehend den Wortlaut<br />

<strong>des</strong> genannten Runderlasses.<br />

Gemeinnützige Arbeit wird in den Ausschreibungsunterlagen lediglich in der Anlage<br />

zum Mustervertrag (zu § 2, Nr. 1, Satz 2) erwähnt, in einem konkreten Kontext: „Die<br />

Reinigung der Grünflächen erfolgt nach Abstimmung mit dem Fachbereich Soziales<br />

im Rahmen der gemeinnützigen Arbeit unter Kontrolle <strong>des</strong> Auftragnehmers.“ Daraus<br />

auf einen Schwerpunkt der Darstellungen im Betreiberkonzept zu schließen, <strong>für</strong> den<br />

die Wertung erreichbare 2 Punkte ausweist, drängt sich nicht auf. Der Antragstellerin<br />

ist zuzugeben, dass sie, wenn sie von der Wertungsrelevanz dieses Aspektes<br />

gewusst hätte, die geforderten Angaben im Rahmen ihres Angebotes auch getätigt<br />

hätte. Insoweit hatte die fehlende Bekanntgabe <strong>des</strong> genannten Unterkriteriums<br />

Einfluss auf die Vorbereitung <strong>des</strong> Angebotes der Antragstellerin im Sinne der vom<br />

EuGH aufgestellten Regel 2.<br />

Ein weiterer Regelverstoß liegt in den zum Zuschlagskriterium „Preis“ gebildeten<br />

Unterkriterien „Einreichung der Kalkulation“ und „Nachvollziehbarkeit der Kosten“;<br />

diese Unterkriterien verändern das ursprüngliche Zuschlagskriterium<br />

vergaberechtswidrig im Sinne der Regel 1 der EuGH-Rechtsprechung. Auf den Preis<br />

(„Jahresgesamtpreis“) als wichtiges Zuschlagskriterium weisen in den<br />

Verdingungsunterlagen die „Allgemeinen Vorbedingungen zum Offenen Verfahren<br />

33/07“ (dort Seite 2, Ziffer 2. a) gesondert hin. Die gebildeten Unterkriterien sind<br />

jedoch keine den Preis (Jahresgesamtpreis) bildenden Faktoren. Da die<br />

Auftraggeberin diesen je 5 Punkte zuordnet, bestimmt das Zuschlagskriterium „Preis“<br />

(25 Punkte) im Sinne von Jahresgesamtpreis (Kostenhöhe) die Angebotswertung<br />

nicht gemäß Bekanntmachung zu 50 %, sondern über das dritte Unterkriterium<br />

„Höhe der Kosten“ (15 Punkte) zu einem erkennbar geringeren Prozentsatz.


15<br />

Die festgestellten Verstöße gegen vergaberechtliche Grundprinzipien sind auch nicht<br />

<strong>des</strong>halb ausnahmsweise unbeachtlich, weil die Auftraggeberin nachvollziehbare<br />

Gründe <strong>für</strong> die fehlende Bekanntgabe der Unterkriterien und ihre jeweilige Wertigkeit<br />

gehabt haben könnte. Zeitnot genügt ebenso wenig, wie subjektives Unvermögen<br />

(OLG Düsseldorf, a.a.O.).<br />

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die <strong>Vergabekammer</strong> die geeigneten Maßnahmen, um<br />

eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen<br />

zu verhindern. Sie ist dabei nicht an die Anträge der Beteiligten gebunden und kann<br />

auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit <strong>des</strong> Vergabeverfahrens hinwirken;<br />

sie ist in diesem Rahmen gehalten, gegebenenfalls drohenden Vergabefehlern<br />

vorzubeugen bzw. einer Wiederholung von Vergaberechtsverstößen entgegen zu<br />

wirken (vgl. OLG <strong>Brandenburg</strong>, Beschluss vom 13. September 2005, Verg W 8/05).<br />

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist der Eingriff in das<br />

Vergabeverfahren aber stets auf das mil<strong>des</strong>te Mittel zu beschränken.<br />

Die festgestellte Vergaberechtsverletzung könnte zwar grundsätzlich in der Weise<br />

korrigiert werden, dass das Vergabeverfahren in das Stadium vor Übersendung der<br />

Verdingungsunterlagen zurückversetzt und nach erneuter Übersendung der<br />

Verdingungsunterlagen wieder aufgegriffen wird. Dabei sind die<br />

Verdingungsunterlagen entsprechend den obigen Ausführungen zu komplettieren<br />

und den Bietern sämtliche sich auf die zukünftige Angebotserstellung und –wertung<br />

auswirkende maßgebliche Unterlagen bekannt zu geben. Soweit die Antragstellerin<br />

beabsichtigen sollte, die Wertung wiederum mittels einer Unterkriterien<br />

ausweisenden Matrix vorzunehmen, ist sie entsprechend den obigen Ausführungen<br />

und unter ausdrücklichem Hinweis auf die zitierte Rechtsprechung <strong>des</strong> EuGH auf die<br />

Einhaltung <strong>des</strong> Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatzes und die damit<br />

einhergehenden rechtzeitigen Bekanntmachungsverpflichtungen zu verweisen.<br />

Neben der festgestellten Vergaberechtsverletzung war jedoch vorliegend zu<br />

beachten, dass die Antragstellerin auch eines der in der Bekanntmachung genannten<br />

Zuschlagskriterien, die mit 10 % Gewichtung in die Wertung einfließenden<br />

„Referenzen“, als vergaberechtswidrig gerügt hat. Allerdings war die Antragstellerin<br />

mit dieser Rüge, die Auftraggeberin habe insoweit ein Eignungskriterium auf der<br />

vierten Wertungsstufe vergaberechtswidrig nochmals berücksichtigt, gemäß § 107<br />

Abs. 3 Satz 2 GWB präkludiert. Bei rechtzeitiger Rüge vor Ablauf der Angebotsfrist<br />

hätte sie mit diesem Vorbringen jedoch Erfolg gehabt (statt vieler: OLG <strong>Brandenburg</strong>,<br />

Beschluss vom 27. Juli 2007, Verg W 5/07); es kann somit als sicher vorausgesetzt<br />

werden, dass die Antragstellerin eine gleichlautende Rüge bei erneut laufender<br />

Angebotsfrist fristgemäß erheben und im Falle der Nichtabhilfe ein (erfolgreiches)<br />

Nachprüfungsverfahren vor der <strong>Vergabekammer</strong> einleiten wird, sofern eine erneute<br />

Bekanntmachung vergaberechtskonformer Zuschlagskriterien nicht erfolgen sollte.<br />

Um dies zu vermeiden, war das Vergabeverfahren in das Stadium vor der<br />

Vergabebekanntmachung zurückzuversetzen und der Auftraggeberin der rechtliche<br />

Hinweis zu erteilen, soweit sie an der Vergabeabsicht der<br />

verfahrensgegenständlichen Dienstleistung festhält, die Auswahl der<br />

Zuschlagskriterien insoweit neu zu treffen, als die bisher mit 10 % Wichtung <strong>für</strong> die<br />

Zuschlagsentscheidung vorgesehenen „Referenzen“ als Zuschlagskriterium zu<br />

streichen sind. Die Auftraggeberin hat sicher zu stellen, dass die Auswahl ggf. auch<br />

neuer Zuschlagskriterien vergaberechtskonform ist (vgl. OLG <strong>Brandenburg</strong>,


16<br />

Beschluss vom 13. September 2005, Verg W 8/05 <strong>für</strong> den Fall fehlender<br />

Beanstandung).<br />

Offen bleiben kann, ob der Nachprüfungsantrag hinsichtlich der weiteren von der<br />

Antragstellerin erhobenen und jedenfalls teilweise zulässigen Rügen begründet ist.<br />

Denn der Nachprüfungsantrag könnte im Falle der Begründetheit auch dieser Rügen<br />

zu keinem weitergehenden Ergebnis führen. Die Auftraggeberin erhält mit der hier<br />

notwendigen Entscheidung, die (vermutlich weiterhin beabsichtigte) Vergabe der in<br />

Rede stehenden Dienstleistung erneut bekannt machen zu müssen, die Gelegenheit,<br />

sich mit sämtlichen Fragestellungen <strong>des</strong> bisherigen Verfahrens auseinanderzusetzen<br />

und den Inhalt der Neubekanntmachung am Ergebnis dieser Überprüfung<br />

auszurichten.<br />

III.<br />

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 S. 1 GWB.<br />

Nach § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im<br />

Verfahren unterlegen ist. Die Antragstellerin hat mit ihrem Antrag im Ergebnis in<br />

vollem Umfang Erfolg. Die Auftraggeberin sowie die Beigeladene haben die Kosten<br />

<strong>des</strong> Verfahrens grundsätzlich als Gesamtschuldner zu tragen, da sie im Verfahren<br />

unterlegen sind (§ 128 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GWB). Neben der Auftraggeberin ist<br />

auch die Beigeladene als unterliegende Beteiligte anzusehen, da sie einen eigenen<br />

Antrag zur Hauptsache gestellt hat, der keinen Erfolg hatte (vgl. OLG Düsseldorf,<br />

Beschlüsse vom 13. August 2003, Verg 1/02 und vom 23. November 2004, VII-Verg<br />

69/04 m.w.N.). Dem Umstand, dass die Auftraggeberin im vorliegenden Fall nach § 8<br />

Abs. 1 Nr. 3 VwKostG unter die persönliche Gebührenfreiheit fällt, wird insoweit<br />

Rechnung getragen, als eine gesamtschuldnerische Haftung vorliegend abgelehnt<br />

und die festzusetzende Gebühr vorab um den anteiligen Betrag gekürzt wird, der<br />

dem internen Anteil der in Bezug auf die Gesamtschuldnerschaft<br />

haftungsprivilegierten Auftraggeberin entspräche (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom<br />

10. April 2007, 1/SVK/020-07).<br />

Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen und personellen<br />

Aufwand der <strong>Vergabekammer</strong> unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung<br />

<strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong> <strong>des</strong> Nachprüfungsverfahrens. Für die wirtschaftliche Bedeutung<br />

ist regelmäßig die geprüfte Summe (brutto) im Angebot <strong>des</strong> Bieters der maßgebliche<br />

Gesichtspunkt. Denn diese bildet die Gegenleistung, die der Auftraggeber im Fall <strong>des</strong><br />

Zuschlages zu erbringen bereit wäre und <strong>für</strong> die der Bieter seiner objektiven<br />

Erklärung zufolge den Auftrag ausführen will (BayObLG, Beschluss vom 13. April<br />

2004 – Verg 5/04). Entsprechend der Gebührentabelle der <strong>Vergabekammer</strong>n <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong> vom 1. Januar 2003, die zur Gewährleistung einer einheitlichen Handhabung<br />

und zur Sicherstellung von Transparenz anzuwenden ist, erscheint – unter<br />

rechnerischer Berücksichtigung der o.a. Haftungsprivilegierung der Auftraggeberin -<br />

eine Gebühr in Höhe von X.XXX,XX EUR als angemessen.<br />

Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben die zur zweckentsprechenden<br />

Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin zu tragen (§ 128 Abs. 4<br />

Sätze 2 und 3 GWB i.V.m. § 80 VwVfG). Die Beigeladene kann dann an der<br />

Auslagenerstattung teilhaben, wenn dies der Billigkeit entspricht (§§ 154 Abs. 3, 162


17<br />

Abs. 3 analog; vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Mai 2004, Verg 12/03<br />

m.w.N.). Die entsprechenden Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beigeladene hat<br />

sich durch schriftsätzliche Äußerungen aktiv am Verfahren beteiligt und durch die<br />

Stellung <strong>des</strong> Antrages, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen, in einen<br />

bewussten und gewollten Interessengegensatz zur Antragstellerin gestellt. Da eine<br />

gesamtschuldnerische Haftung insoweit mangels gesetzlicher Anordnung nicht in<br />

Betracht kommt, haften die Auftraggeberin und die Beigeladene <strong>für</strong> die zu<br />

erstattenden Kosten nach Kopfteilen, also je zur Hälfte (analog § 159 VwGO i.V.m.<br />

§ 100 Abs. 1 ZPO).<br />

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war<br />

notwendig. In dem Nachprüfungsverfahren stellten sich im Zusammenhang mit den<br />

von der Antragstellerin erhobenen Beanstandungen Rechtsfragen, deren Komplexität<br />

und Schwierigkeiten anwaltliche Vertretung erforderlich gemacht haben, § 128 Abs. 4<br />

Satz 2, 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, 3 VwVfGBbg.<br />

IV.<br />

Gegen die Entscheidung der <strong>Vergabekammer</strong> ist die sofortige Beschwerde zulässig.<br />

Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der<br />

Entscheidung beginnt, <strong>beim</strong> <strong>Brandenburg</strong>ischen Oberlan<strong>des</strong>gericht, Gertrud-Piter-<br />

Platz 11, 14770 <strong>Brandenburg</strong>, einzulegen.<br />

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die<br />

Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung<br />

der <strong>Vergabekammer</strong> angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt<br />

wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde<br />

stützt.<br />

Die Beschwer<strong>des</strong>chrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen<br />

Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht <strong>für</strong> Beschwerden von juristischen<br />

Personen <strong>des</strong> öffentlichen Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB).<br />

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten <strong>des</strong> Verfahrens vor<br />

der <strong>Vergabekammer</strong> vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung<br />

der Beschwer<strong>des</strong>chrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).<br />

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung<br />

der <strong>Vergabekammer</strong>. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf<br />

der Beschwerdefrist. Hat die <strong>Vergabekammer</strong> den Antrag auf Nachprüfung<br />

abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag <strong>des</strong> Beschwerdeführers die<br />

aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern<br />

(§ 118 Abs. 1 GWB).<br />

Gemäß § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung der <strong>Vergabekammer</strong>n <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />

<strong>Brandenburg</strong> vom 30. Juni 1999, AAnz. S. 898 ist die Unterzeichnung <strong>des</strong><br />

Beschlusses durch den ehrenamtlichen Beisitzer nicht erforderlich.<br />

Schumann<br />

Tschöpe

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