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grundsätze ordnungsmässiger buchführung und bilanzierung

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KAPITEL 3:<br />

GRUNDSÄTZE ORDNUNGSMÄSSIGER<br />

BUCHFÜHRUNG UND BILANZIERUNG<br />

In diesem Kapitel sollen Sie<br />

die gr<strong>und</strong>sätzliche Einteilung der GoBs kennen lernen,<br />

das Realisations-, Vorsichts- <strong>und</strong> Imparitätsprinzip als Konzeption verstehen,<br />

das Realisations-, Vorsichts- <strong>und</strong> Imparitätsprinzip auf Problemstellungen<br />

übertragen <strong>und</strong> kritisch hinterfragen können,<br />

die Begriffe der Bilanzwahrheit, -klarheit <strong>und</strong> -kontinuität als Orientierung<br />

beurteilen können.


3 GRUNDSÄTZE ORDNUNGSMÄSSIGER BILANZIERUNG<br />

3 GRUNDSÄTZE ORDNUNGSMÄSSIGER<br />

BUCHFÜHRUNG UND BILANZIERUNG<br />

Vorbemerkung<br />

Sie sollen durch Befassung mit den allgemeinen Aussagen der Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger<br />

Buchführung in die Lage versetzt werden, konkrete GoB auf einzelne<br />

Fragestellungen zu beziehen. Sie sollen weiterhin die unterschiedlichen<br />

GoBs unterscheiden <strong>und</strong> die Auswirkung ihrer Anwendung interpretieren können.<br />

Durch die abschließende Aufgabe sollen Sie zeigen, dass sie ihr Wissen auf<br />

einen konkreten Fall übertragen können.<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Buchführung <strong>und</strong> Bilanzierung<br />

Die in den Paragraphen des Handels- <strong>und</strong> Steuerrechts kodifizierten Regelungen<br />

vermögen nur in Gr<strong>und</strong>zügen die Handhabung der Rechnungslegung von Unternehmen<br />

zu bestimmen. In der wirtschaftlichen Praxis existiert eine solche Fülle<br />

von differenzierten Problemen, dass der Gesetzgeber dieses Spektrum an Einzelproblemlagen<br />

gar nicht vollständig regeln kann <strong>und</strong> zur Erhaltung der notwendigen<br />

Anpassungsflexibilität an veränderte wirtschaftliche Lagen tunlichst auch<br />

nicht vollständig regeln sollte. Die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Buchführung<br />

<strong>und</strong> Bilanzierung (GoB) sind rechtsnormergänzende Konkretisierungen zur Handhabung<br />

der verschiedenen, praktisch auftretenden Rechnungslegungsprobleme.<br />

Die GoB bilden sich aus dem Zusammenwirken von Kaufmannspraxis, Gesetzesinterpretation,<br />

Wirtschaftsprüfergutachten, Theorieäußerungen, BFH-Urteilen,<br />

allgemein im Zusammenspiel von Gesetzesinterpretation, praktischer Handhabung<br />

<strong>und</strong> theoretischer Sollvorstellung.<br />

Im § 264 (2) HGB wird für Kapitalgesellschaften sowie Personengesellschaften<br />

ohne natürlichen Vollhafter explizit formuliert, dass der Jahresabschluss unter<br />

Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der<br />

Vermögens-, Finanz- <strong>und</strong> Ertragslage zu vermitteln hat ( HGB § 264 lesen!).<br />

Dabei ist zu beachten, dass diese Vorschrift nur ergänzend hinzuzuziehen ist,<br />

wenn es für ein Bilanzierungsproblem keine konkrete Einzelregelung im Gesetz<br />

gibt. Die Generalnorm des § 264 (2) HGB hat somit nur den Zweck, das Rechnungslegungssystem<br />

zu einem geschlossenen Ganzen zu machen. Eine Überlagerung<br />

der gesetzlichen Vorschriften ist damit nicht möglich. Dies bedeutet auch,<br />

dass die expliziten Wahlrechte des Gesetzgebers unabhängig von der Frage, ob<br />

damit ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild entsteht, ausgenutzt<br />

werden dürfen. Zu beachten sind lediglich das aus § 243 HGB abzuleitende<br />

Willkürverbot <strong>und</strong> das in § 252 HGB kodifizierte Stetigkeitsgebot ( HGB §§<br />

243 <strong>und</strong> 252 lesen!).<br />

BILANZIERUNG 39<br />

3 GRUNDSÄTZE DER<br />

BUCHFÜHRUNG UND<br />

BILANZIERUNG


3 GRUNDSÄTZE ORDNUNGSMÄSSIGER BILANZIERUNG<br />

Die folgende Abbildung gibt eine Übersicht über die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger<br />

Buchführung:<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Bilanzierung (GoBil)<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsgemäßer<br />

Inventur (GoInv)<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger<br />

Buchführung i.e.S (GoBf)<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsgemäßer<br />

Datenverarbeitung (GoDV)<br />

Gr<strong>und</strong>satz der<br />

Bilanzkontinuität<br />

Gr<strong>und</strong>satz der<br />

Bilanzklarheit<br />

Gr<strong>und</strong>satz der<br />

Bilanzwahrheit<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger<br />

EDV Dokumentation (GoDVD)<br />

Gr<strong>und</strong>satz der<br />

Vollständigkeit<br />

Vollständigkeit<br />

Inventur<br />

Eintragung in die<br />

Handelsbücher<br />

Buchführungsorganisation<br />

Übersichtlichkeit<br />

Durchsichtigkeit<br />

Zeitgerechtigkeit<br />

Bilanzidentität Bilanzkontinuität<br />

i.e.S.<br />

Gliederungsvorschriften<br />

Prinzip der<br />

zweckentsprechenden<br />

Bewertung<br />

Prinzip der<br />

Vollständigkeit<br />

Prüfbarkeit<br />

formell materiell<br />

Benennungsvorschriften<br />

Ansatzvorschriften<br />

- Stichtagsinventur<br />

- permanente Inventur<br />

-formelle<br />

- materielle<br />

Ordnungsmäßigkeit<br />

-einfache -einfache<br />

- doppelte doppelte<br />

- kameralistische<br />

kameralistische<br />

Buchführung<br />

Buchführung<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungs-mäßiger<br />

EDV Arbeitsab-wicklung<br />

(GoDVA)<br />

Gr<strong>und</strong>satz der<br />

Zuverlässigkeit<br />

Richtigkeit<br />

Zeitgerechtigkeit<br />

Vollständigkeit<br />

Prüfbarkeit<br />

Durchbrechungserläuterungen<br />

Realisationsprinzip Imparitätsprinzip Vorsichtsprinzip<br />

Inventur im einzelnen<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungs-mäßiger<br />

Sicherung der<br />

Funktionssicherheit der EDV<br />

(GoDVS)<br />

Gr<strong>und</strong>satz der<br />

Abb. 3-1: Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Buchführung <strong>und</strong> Bilanzierung<br />

Niederstwertprinzip Höchstwertprinzip<br />

Betriebssicherheit<br />

Funktionstrennung<br />

Datensicherung<br />

Sicherheitsüberwachung<br />

BILANZIERUNG 40<br />

3 GRUNDSÄTZE DER<br />

BUCHFÜHRUNG UND<br />

BILANZIERUNG


3 GRUNDSÄTZE ORDNUNGSMÄSSIGER BILANZIERUNG<br />

Üblicherweise werden unterschieden:<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Buchführung i.e.S.,<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Inventur,<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Bilanzierung sowie<br />

Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Datenverarbeitung.<br />

Die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Buchführung beziehen sich auf die vertiefende<br />

Regelung der §§ 238 <strong>und</strong> 239 HGB, in welchen die Buchführungspflicht der Kaufleute<br />

festgelegt ist ( HGB §§ 238 <strong>und</strong> 239 lesen!). Die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger<br />

Buchführung regeln die Buchführungsorganisation <strong>und</strong> die Eintragung<br />

in die Handelsbücher; sie liefern Vorschriften, in welcher Weise die Buchführung<br />

der kaufmännischen Unternehmen zu geschehen hat. Im Einzelnen handelt es<br />

sich hierbei um Regelungen über Vollständigkeit, fortlaufende Eintragung, zeitliche<br />

Unverzüglichkeit, Klarheit <strong>und</strong> Nachprüfbarkeit, Übersichtlichkeit der Darstellung,<br />

Belegprinzip, Einhaltung der Aufbewahrungsfristen, aber auch Regelungen<br />

über die Handhabung EDV-gestützter Buchführungssysteme <strong>und</strong> die zu wählende<br />

Buchführungsorganisation oder Voraussetzungen im Hinblick auf die erforderliche<br />

Fehlerabsicherung solcher Systeme. Hierbei hat eine Sicherstellung<br />

der Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Ordnungsmäßigkeit über ein internes Kontrollsystem zu<br />

erfolgen.<br />

Die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Inventur beziehen sich auf die §§ 240 <strong>und</strong> 241<br />

HGB ( HGB §§ 240 <strong>und</strong> 241 lesen!). Durch die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger<br />

Inventur soll über die im Gesetz gegebenen Hinweise hinaus sichergestellt werden,<br />

dass die körperliche Bestandsaufnahme <strong>und</strong> Fortschreibung der Bestände<br />

sachlich zutreffend ist. Hierzu werden Regelungen erforderlich, die Lösungen<br />

über die Stichtagsinventur hinaus ermöglichen, z.B. bei permanenter Inventur<br />

oder für Stichprobeninventuren. Ebenso sind hier die konkreten Inventurdurchführungsformen<br />

hinsichtlich Abwicklungstechnik, Termin <strong>und</strong> organisatorischer<br />

Machbarkeit zu beachten.<br />

Im Hinblick auf die Jahreabschlusserstellung sind die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger<br />

Bilanzierung das eigentliche Kernstück. Die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger<br />

Bilanzierung werden üblicherweise untergliedert in die Teil<strong>gr<strong>und</strong>sätze</strong>:<br />

a) Bilanzwahrheit (Bilanzrichtigkeit),<br />

b) Bilanzklarheit,<br />

c) Bilanzkontinuität.<br />

Zu a): Gr<strong>und</strong>satz der Bilanzwahrheit (Bilanzrichtigkeit)<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz der Bilanzwahrheit (Bilanzrichtigkeit) betrifft den betragsmäßigen<br />

Ausweis in Bilanz <strong>und</strong> GuV. Es handelt sich vor allem um die Vorschriften zur<br />

Bewertung von Vermögen, Kapital sowie Aufwand <strong>und</strong> Ertrag. Verstöße gegen<br />

die Bilanzwahrheit sind Bilanzfälschungen. Der Gr<strong>und</strong>satz der Bilanzwahrheit<br />

wird in der Literatur als Bilanzrichtigkeit beschrieben. Damit soll zum Ausdruck<br />

BILANZIERUNG 41<br />

3 GRUNDSÄTZE DER<br />

BUCHFÜHRUNG UND<br />

BILANZIERUNG


3 GRUNDSÄTZE ORDNUNGSMÄSSIGER BILANZIERUNG<br />

gebracht werden, dass es sich nicht um objektiv wahre, sondern nur um den Vorschriften<br />

entsprechende Bewertungen handeln kann. Eine Bilanz kann im Prinzip<br />

nicht objektiv wahr sein, sondern nur normengemäß richtig. Unter dem Gr<strong>und</strong>satz<br />

der Bilanzwahrheit (Bilanzrichtigkeit) sind als zwei Teilprobleme zu behandeln<br />

bestandsmäßige <strong>und</strong><br />

wertmäßige<br />

Richtigkeit der Ausweise.<br />

In Verfolgung dieser beiden Ziele haben sich im Handelsrecht Regelungen herausgebildet,<br />

mit denen die bestands- <strong>und</strong> wertmäßige Richtigkeit der Darstellung<br />

abgesichert werden soll. Die bestandsmäßige Richtigkeit beinhaltet die Anforderung,<br />

dass Vermögen <strong>und</strong> Kapital vollständig abgebildet sind, die richtigen Mengen<br />

jeweils dem Ausweis zu Gr<strong>und</strong>e gelegt werden <strong>und</strong> die vorhandenen Bestände<br />

artlich richtig erscheinen (Ansatz). Die bestandsmäßige Richtigkeit beruht<br />

zunächst auf der gem. § 246 (1) HGB geforderten Vollständigkeit der Darstellung<br />

(à HGB § 246 lesen!). Zum andern ist allerdings die gem. § 252 (1) Ziff. 3 HGB<br />

geforderte Einzelbewertung zu berücksichtigen. Demnach sind die Vermögens-<br />

<strong>und</strong> Schuldenpositionen in einzelner Erfassung zu Gr<strong>und</strong>e zu legen <strong>und</strong> entsprechend<br />

zu bewerten. Im Hinblick auf die bestandsmäßige Richtigkeit stellt sich die<br />

Frage, für welche Vermögens- <strong>und</strong> Kapitalposten die Pflicht zum Ausweis in der<br />

Bilanz existiert. Gr<strong>und</strong>sätzlich sind als Regelungsleitlinien festzuhalten: als Vermögen<br />

gelten alle Güter, die selbständig Gegenstand des Rechtsverkehrs sein<br />

können, <strong>und</strong> als Kapital alle Sachverhalte, in denen hinreichend konkretisiert<br />

zukünftige finanzielle Belastungen des Unternehmens bereits jetzt begründet<br />

sind. Derartige Sachverhalte sind <strong>bilanzierung</strong>spflichtig, an diesen Kriterien ist<br />

die Erfüllung der bestandsmäßigen Richtigkeit zu messen.<br />

Die Gr<strong>und</strong>linie der Ansatzpflichten wird unterbrochen durch folgende Sachverhalte:<br />

Ansatzwahlrechte für Vermögens- <strong>und</strong> Kapitalposten,<br />

beim Vermögensausweis zudem durch die Problemkreise<br />

Abgrenzung Privatvermögen/Unternehmensvermögen,<br />

Abgrenzung Anschaffungskosten/Erhaltungsaufwand,<br />

Abgrenzung der Zugehörigkeit nach wirtschaftlichem, nicht nach juristischem<br />

Eigentum (relevant z.B. bei Kommissionsvermögen, Eigentumsvorbehalt,<br />

Sicherungsübereignung <strong>und</strong> Leasing).<br />

Während es sich bei Ersteren um vom Gesetzgeber eingeräumte Wahlrechte<br />

handelt, entsteht die zweite Problematik unvermeidlich durch Auslegungsspielräume,<br />

die kaum eingegrenzt werden können.<br />

Die wertmäßige Richtigkeit zielt auf den eigentlichen Bewertungsakt (Bewertung).<br />

Zunächst hat die Bewertung gem. § 252 (1) Ziff. 3 HGB nach dem Einzelbewertungsprinzip<br />

zu erfolgen. Die Vermögensgegenstände <strong>und</strong> Schulden sind<br />

BILANZIERUNG 42<br />

3 GRUNDSÄTZE DER<br />

BUCHFÜHRUNG UND<br />

BILANZIERUNG


3 GRUNDSÄTZE ORDNUNGSMÄSSIGER BILANZIERUNG<br />

einzeln zu erfassen <strong>und</strong> einzeln zu bewerten; die Bewertung erfolgt gem. § 252<br />

(1) Ziff. 2 HGB unter der Prämisse, dass von der Fortführung des Unternehmens<br />

(Going-concern-Prinzip) ausgegangen wird, d.h. keine Zerschlagungswerte angesetzt<br />

werden. Die Bewertung wird sodann durch § 252 (1) Ziff. 4 HGB modifiziert,<br />

indem das Vorsichtsprinzip als Richtschnur für die Bewertung benannt<br />

wird.<br />

Die Gr<strong>und</strong>linien der Bewertung sind in den §§ 253 – 256 HGB kodifiziert. Im<br />

Gr<strong>und</strong>satz wird die Bewertung insbesondere geprägt durch folgende Gr<strong>und</strong>sätze:<br />

Realisationsprinzip,<br />

Vorsichtsprinzip <strong>und</strong><br />

Imparitätsprinzip.<br />

Das Realisationsprinzip bestimmt, dass als Wertansätze nur durch Transaktionsprozesse<br />

mit dem Markt realisierte <strong>und</strong> nachgewiesene Werte zu akzeptieren<br />

sind. Dabei hat die Bewertung nach dem Gesichtspunkt der nominellen Kapitalerhaltung<br />

zu erfolgen. Danach ist die Wertobergrenze für Vermögensgegenstände<br />

mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten festgelegt (§ 253 (1) HGB).<br />

Dieses klare Realisationsprinzip wird allerdings durch das Vorsichtsprinzip abgewandelt.<br />

Gem. § 252 (1) Ziff. 4 HGB müssen alle vorhersehbaren Risiken <strong>und</strong><br />

Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, berücksichtigt werden.<br />

Abwertungen bei Vermögen bzw. Zunahmen bei Schulden sind also zu berücksichtigen,<br />

auch wenn sie noch nicht durch entsprechende Marktverkäufe realisiert<br />

sind. Gewinne dürfen dagegen nur berücksichtigt werden, wenn sie am Abschlussstichtag<br />

bereits realisiert, d.h. marktlich verwirklicht sind. Diese asymetrische,<br />

aus dem Vorsichtsprinzip stammende Bewertungsregel wird als Imparitätsprinzip<br />

bezeichnet. Das Imparitätsprinzip bewirkt, dass unrealisierte Verluste<br />

bereits erfasst, unrealisierte Gewinne dagegen nicht berücksichtigt werden.<br />

Das Imparitätsprinzip schlägt sich bei Vermögen als Niederstwertprinzip <strong>und</strong> bei<br />

Schulden als Höchstwertprinzip nieder.<br />

Zusätzlich wird das Vorsichtsprinzip an verschiedensten Stellen in Jahresabschluss-Vorsichtigkeiten<br />

wirksam. Hier geht es stets darum, im Rahmen gegebener<br />

Spielräume ein vorsichtiges Vorgehen zu praktizieren; der Kaufmann soll sich<br />

im Zweifelsfall nicht reicher rechnen als er wirklich ist.<br />

Zu b): Gr<strong>und</strong>satz der Bilanzklarheit<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz der Bilanzklarheit bezieht sich auf<br />

Gliederung <strong>und</strong><br />

Benennung<br />

der Positionen in Bilanz <strong>und</strong> GuV.<br />

Verstöße gegen den Gr<strong>und</strong>satz der Bilanzklarheit werden als Bilanzverschleierung<br />

bezeichnet.<br />

BILANZIERUNG 43<br />

3 GRUNDSÄTZE DER<br />

BUCHFÜHRUNG UND<br />

BILANZIERUNG


3 GRUNDSÄTZE ORDNUNGSMÄSSIGER BILANZIERUNG<br />

Gem. § 243 (2) HGB muss der Jahresabschluss klar <strong>und</strong> übersichtlich sein (<br />

HGB § 243 lesen!). Zur Konkretisierung von Gliederung <strong>und</strong> Positionenbenennung<br />

dienen die im Gesetz gegebenen Schemata zur Gliederung von Bilanz <strong>und</strong><br />

GuV sowie die in diesen Vorlagen benutzten Begriffe für die auszuweisenden<br />

Positionen. Des Weiteren ist das Verrechnungsverbot, auch Saldierungs- oder<br />

Bruttoprinzip genannt, des § 246 (2) HGB zu beachten, was eine Verrechnung<br />

von Aktiva <strong>und</strong> Passiva sowie von Aufwendungen <strong>und</strong> Erträgen miteinander untersagt,<br />

um einen möglichst hohen Informationsgehalt des Jahresabschlusses<br />

sicherzustellen ( HGB § 246 lesen!). An diesem Beispiel wird aber auch der<br />

nach dem HGB geltende juristische Gr<strong>und</strong>satz „Spezialnorm bricht Generalnorm“<br />

deutlich. So besteht etwa im § 276 HGB die spezielle größenabhängige Erleichterung<br />

für kleine <strong>und</strong> mittelgroße Kapitalgesellschaften, dass die Posten Umsatzerlöse,<br />

Bestandsänderungen der Erzeugnisse, andere aktivierte Eigenleistungen,<br />

sonstige betriebliche Erträge <strong>und</strong> Materialaufwand nach dem Gesamtkostenverfahren<br />

(§ 275 (2) HGB) bzw. Umsatzerlöse, Herstellungskosten der zur Erzielung<br />

der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen, Bruttoergebnis vom Umsatz sowie<br />

sonstige betriebliche Erträge beim Umsatzkostenverfahren (§ 275 (3) HGB) in<br />

der Position Rohergebnis zusammengefasst ausgewiesen werden dürfen. Die<br />

allgemeine Regelung des § 246 (2) HGB wird hier empfindlich eingeschränkt.<br />

Die konkreten Vorlagen für die Gliederung der Rechenwerke finden sich<br />

zur Bilanzgliederung in § 266 HGB ( HGB § 266 lesen!) <strong>und</strong><br />

zur GuV-Gliederung in § 275 HGB ( HGB § 275 lesen!).<br />

Zudem sind die Posten eindeutig zu benennen, so dass dem Jahresabschluss-<br />

Leser die inhaltlichen Unterschiede der einzelnen Posten deutlich werden.<br />

Zu c) Gr<strong>und</strong>satz der Bilanzkontinuität<br />

Unter dem Begriff der Bilanzkontinuität werden vor allem folgende Bilanzierungsprinzipien<br />

erfasst:<br />

Bilanzidentität,<br />

Gem. § 252 ( 1) Ziff. 1 HGB ist die Gleichheit von Schlussbilanz <strong>und</strong> Anfangsbilanz<br />

des Folgejahres verlangt, d.h. Endbestände t0 = Anfangsbestände<br />

t1.<br />

formale Bilanzkontinuität<br />

Die formale Bilanzkontinuität erstreckt sich auf die Beibehaltung der Bilanzierungszeitpunkte,<br />

der Positionenbenennungen <strong>und</strong> der gewählten Gliederung.<br />

Gem. § 265 (1) HGB ist die Form der Darstellung, insbesondere die<br />

Gliederung, beizubehalten (Darstellungsstetigkeit).<br />

materielle Bilanzkontinuität<br />

Als materielle Bilanzkontinuität wird die Beibehaltung der Bewertungsmethoden<br />

bezeichnet. Gem. § 252 (1) Ziff. 6 sollen die auf den vorhergehenden<br />

Jahresabschluss angewandten Bewertungsmethoden beibehalten werden<br />

(Bewertungsstetigkeit).<br />

BILANZIERUNG 44<br />

3 GRUNDSÄTZE DER<br />

BUCHFÜHRUNG UND<br />

BILANZIERUNG


3 GRUNDSÄTZE ORDNUNGSMÄSSIGER BILANZIERUNG<br />

Die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Datenverarbeitung stellen Anforderungen für<br />

die sachgemäße Ausgestaltung <strong>und</strong> Anwendung von Buchhaltungssoftware. Hier<br />

ist zunächst konzeptionell über die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger EDV-<br />

Dokumentation sicherzustellen, dass die eingesetzte Software die Gr<strong>und</strong>sätze der<br />

Vollständigkeit, Übersichtlichkeit, Durchsichtigkeit, Zeitgerechtigkeit <strong>und</strong> Prüfbarkeit<br />

erfüllt. Die konkrete Ausgestaltung der Anwendungsprozesse steht im<br />

Mittelpunkt der Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger EDV Arbeitsabwicklung, die Anforderungen<br />

bezüglich der Zuverlässigkeit, Richtigkeit, Zeitgerechtigkeit, Vollständigkeit<br />

<strong>und</strong> Prüfbarkeit der Bedienung stellen. Aus der Problematik virtueller<br />

Lösungen folgen zudem die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Funktionssicherheit<br />

der EDV, die durch notwendige Maßnahmen der Betriebssicherheit, Funktionstrennung,<br />

Datensicherung <strong>und</strong> Sicherheitsüberwachung Gefährdungspotenziale<br />

eindämmen.<br />

Kapitel 3 - Merksätze<br />

Unterschieden wird in die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Buchführung, Inventur,<br />

Bilanzierung <strong>und</strong> Datenverarbeitung.<br />

Die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsgemäßer Bilanzierung umfassen die Anforderungen<br />

der Bilanzwahrheit (Bilanzrichtigkeit), Bilanzklarheit <strong>und</strong> Bilanzkontinuität.<br />

Bilanzwahrheit (Bilanzrichtigkeit) beinhaltet die bestandsmäßige <strong>und</strong> die<br />

wertmäßige Richtigkeit der Abbildung.<br />

Die Bewertung gemäß den §§ 253 – 256 HGB wird wesentlich durch die<br />

Gr<strong>und</strong>sätze Realisations-, Vorsichts- <strong>und</strong> Imparitätsprinzip geprägt.<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz der Bilanzklarheit bezieht sich auf Gliederung <strong>und</strong> Benennung<br />

der Positionen in Bilanz <strong>und</strong> GuV.<br />

Unter dem Begriff der Bilanzkontinuität werden Bilanzidentität sowie formelle<br />

<strong>und</strong> materielle Bilanzkontinuität zusammengefasst.<br />

BILANZIERUNG 45<br />

3 GRUNDSÄTZE DER<br />

BUCHFÜHRUNG UND<br />

BILANZIERUNG


3 GRUNDSÄTZE ORDNUNGSMÄSSIGER BILANZIERUNG<br />

Aufgaben zur Lernkontrolle<br />

Die Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Buchführung <strong>und</strong> Bilanzierung (GoB) enthalten unter<br />

anderem die folgenden Bewertungs- <strong>und</strong> Gliederungs<strong>gr<strong>und</strong>sätze</strong>:<br />

A Gr<strong>und</strong>satz der Bilanzidentität<br />

B Gr<strong>und</strong>satz der Bilanzwahrheit<br />

C Gr<strong>und</strong>satz der formellen Bilanzkontinuität<br />

D Gr<strong>und</strong>satz der Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit ("going concern")<br />

E Gr<strong>und</strong>satz der Klarheit <strong>und</strong> Übersichtlichkeit<br />

F Gr<strong>und</strong>satz der Periodenabgrenzung<br />

G Gr<strong>und</strong>satz des Verrechnungsverbots<br />

H Gr<strong>und</strong>satz der Vollständigkeit<br />

I Gr<strong>und</strong>satz der Vorsicht<br />

J Gr<strong>und</strong>satz der Wesentlichkeit ("materiality")<br />

K Gr<strong>und</strong>satz der materiellen Bilanzkontinuität<br />

L Gr<strong>und</strong>satz der Einzelbewertung<br />

Den folgenden Beispielen ist jeweils einer dieser Gr<strong>und</strong>sätze zuzuordnen:<br />

1. In der Bilanz sind alle <strong>bilanzierung</strong>sfähigen Wirtschaftsgüter des Unternehmens<br />

aufzunehmen, es sei denn, dass gesetzlich eingeräumte Wahlrechte in Anspruch genommen<br />

werden.<br />

2. Für aufeinanderfolgende Jahresabschlüsse sind die Form der Darstellung, insbesondere<br />

die Gliederung <strong>und</strong> die inhaltliche Abgrenzung der Posten, beizubehalten.<br />

3. Die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahres müssen mit den<br />

Wertansätzen in der Schlussbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahres überstimmen.<br />

4. Sachlich verschiedene Bilanzpositionen dürfen nicht in einer Position ausgewiesen<br />

werden (z.B. Zusammenfassung von Schecks, Kassenbestand, B<strong>und</strong>esbank- <strong>und</strong><br />

Postscheckguthaben sowie Guthaben bei Kreditinstituten zu einem Posten "Flüssige<br />

Mittel").<br />

5. Die angewendeten Bewertungsmethoden sollen in der Regel von Jahresabschluss zu<br />

Jahresabschluss beibehalten werden.<br />

6. Der Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften soll unter Beachtung der Gr<strong>und</strong>sätze<br />

ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes<br />

Bild der Vermögens-, Finanz- <strong>und</strong> Ertragslage des Unternehmens vermitteln.<br />

7. Am Abschlussstichtag dürfen nur die realisierten Gewinne ausgewiesen werden;<br />

vorhersehbare Risiken <strong>und</strong> Verluste, die im Geschäftsjahr oder früher entstanden<br />

sind, sind zu berücksichtigen.<br />

8. Bei der Bewertung der Wirtschaftsgüter ist in der Regel die Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit<br />

zu unterstellen.<br />

9. Aufwendungen <strong>und</strong> Erträge für das Geschäftsjahr sind ohne Rücksicht auf den<br />

Zeitpunkt ihrer Ausgabe oder Einnahme im Jahresabschluss zu berücksichtigen.<br />

10. Führen trotz Anwendung der Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Buchführung besondere<br />

Umstände dazu, dass der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft kein den tatsächli-<br />

BILANZIERUNG 46


3 GRUNDSÄTZE ORDNUNGSMÄSSIGER BILANZIERUNG<br />

chen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- <strong>und</strong> Ertragslage<br />

vermittelt, so sind zusätzliche Angaben im Anhang zu machen.<br />

11. Forderungen <strong>und</strong> Verbindlichkeiten dürfen in der Regel nicht saldiert ausgewiesen<br />

werden. Entsprechendes gilt für den Ausweis von Aufwendungen <strong>und</strong> Erträgen.<br />

12. Die Vermögensgegenstände <strong>und</strong> Schulden sind zum Abschlussstichtag einzeln zu<br />

bewerten.<br />

In welchen Fällen ist eine Durchbrechung dieser Gr<strong>und</strong>sätze im Gesetz gegeben <strong>und</strong><br />

worin liegen die Motive dafür?<br />

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.......................................................................................................................<br />

.......................................................................................................................<br />

Literatur zur Vertiefung:<br />

Wöhe, G., Bilanzierung <strong>und</strong> Bilanzpolitik, 1997; Dritter Abschnitt: Gr<strong>und</strong>sätze<br />

der Bilanzierung<br />

Hilke, W., Bilanzpolitik, 2002; Kapitel 2, Teil B, Punkt II: Allgemeine Vorschriften<br />

„Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsmäßiger Buchführung“<br />

BILANZIERUNG 47<br />

3 GRUNDSÄTZE DER<br />

BUCHFÜHRUNG UND<br />

BILANZIERUNG

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