KAPITEL 5: MANAGEMENT DER STRUKTUREN ...
KAPITEL 5: MANAGEMENT DER STRUKTUREN ...
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<strong>KAPITEL</strong> 5:<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> <strong>DER</strong> <strong>STRUKTUREN</strong>:<br />
UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
In diesem Kapitel sollen Sie<br />
� lernen, dass und inwiefern Spezialisierung der Ausgangspunkt organisatorischer<br />
Strukturierung ist,<br />
� verschiedenen Formen der Spezialisierung unterscheiden und,<br />
� erkennen lernen, worin die Vorteile, aber auch die Schwierigkeiten und Probleme<br />
einer weit entwickelten Spezialisierung bestehen,<br />
� die verschiedenen Formen der Koordination beschreiben sowie<br />
� beurteilen lernen, welche Vor- und Nachteile diese Formen aufweisen,<br />
� nachvollziehen können, worum es bei der Grunddimension Konfiguration überhaupt<br />
geht,<br />
� lernen, wie die beiden Grundmodelle der Konfiguration, das Einlinien- und das<br />
Mehrliniensystem, beschaffen sind und worin sie sich unterscheiden,<br />
� erfahren, was man unter Entscheidungsdelegation versteht und wie sich diese<br />
Dimension von der Konfiguration unterscheidet.
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
5 <strong>MANAGEMENT</strong> <strong>DER</strong> <strong>STRUKTUREN</strong>:<br />
UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
5.1 Spezialisierung<br />
Fragen der Unternehmensorganisation gehören zu den „strategisch“ wichtigsten<br />
Parametern, die – im Gegensatz etwa zur Unternehmensumwelt – der unmittelbaren<br />
Gestaltung durch die Unternehmensführung selbst oder andere Mitglieder<br />
des Unternehmens zugänglich sind.<br />
BEA/HAAS (1995, S. 355) führen zur Bedeutung des Faktors Organisation aus:<br />
„Augenfällig ist die enge Beziehung von Organisation und Strategie. Strategien dienen dem<br />
Aufbau und der Sicherung langfristiger Erfolgspotentiale der Unternehmung. Somit ist die<br />
Entwicklung der Organisation selbst Gegenstand des Strategischen Managements. Andererseits<br />
bildet die Organisation den strukturellen (organisatorischen) Rahmen, in dem sich<br />
Strategieentwicklung und -implementation vollziehen.“<br />
Organisation ist zielgerichtet, d.h. sie soll der Umsetzung von (strategischen und<br />
anderen) Zielen des Unternehmens bzw. seiner Mitglieder dienen. Außerdem ist<br />
das Vorhandensein formaler Strukturen konstitutiv für Organisationen (im institutionellen<br />
Sinne). Diesem zentralen Aspekt soll in diesem Kapitel vertiefend<br />
nachgegangen werden.<br />
Im Einzelnen sind die folgenden vier Dimensionen, die miteinander zusammenhängen,<br />
für Organisationsstrukturen prägend:<br />
� Spezialisierung,<br />
� Koordination,<br />
� Konfiguration (Leitungssystem) und<br />
� Entscheidungsdelegation.<br />
Dabei ist die zunächst behandelte Arbeitsteilung oder Spezialisierung das Ausgangsproblem<br />
jeder organisatorischen Strukturierung.<br />
5.1.1 Wesen der Spezialisierung<br />
Das Element der Arbeitsteilung oder Spezialisierung lag bereits dem Bürokratieansatz<br />
von Max Weber zugrunde (vgl. Abschnitt 1.2.1) und wurde vor allem von<br />
Taylor im Hinblick auf seine effizienzsteigernden Wirkungen herausgestellt (vgl.<br />
Abschnitt 1.2.2).<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 96<br />
5.1 SPEZIALISIERUNG
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
Wie KIESER/KUBICEK (1992, S. 75) dies an dem Beispiel eines kleinen Handwerksbetriebs<br />
zeigen, lässt sich das Spezialisierungsproblem gut an einem Unternehmen<br />
mit internem Wachstum aufzeigen:<br />
„Gehen wir von einem Schreiner aus, der in einem Ein-Mann-Betrieb Stühle herstellt. Die<br />
Nachfrage ist so groß, dass er eines Tages beschließt, seinen Betrieb um fünf Gesellen zu erweitern.<br />
Die Gesamtaufgabe – Herstellung und Verkauf von Stühlen – muss nun auf fünf<br />
Personen verteilt werden. Nehmen wir zunächst an, dass sich unser Schreiner selbst auf<br />
Einkaufs-, Vertriebs- und Verwaltungsaufgaben beschränkt, so stehen ihm mehrere Möglichkeiten<br />
für die Verteilung der verbleibenden Fertigungsaufgaben zur Verfügung, von denen<br />
wir einige betrachten wollen:<br />
a) Alle Gesellen fertigen ganze Stühle.<br />
b) Zwei Gesellen fertigen Stuhlbeine, einer Sitzflächen und Stuhllehnen, einer fügt die Teile<br />
zusammen und einer lackiert oder beizt die fertigen Stühle.<br />
c) Ein Geselle verrichtet alle Sägearbeiten, einer alle Hobelarbeiten, einer alle Drechslerabeiten,<br />
einer alle Leimarbeiten und einer alle Lackier- und Beizarbeiten.<br />
d) Ein Geselle fertigt Stuhlbeine, einer Sitzflächen, einer Stuhllehnen, einer fügt die Teile<br />
zusammen und einer führt alle Lackier- und Beizarbeiten aus.“<br />
Es schließt sich die Frage an, welche dieser Lösungsmöglichkeiten eine Form der<br />
Spezialisierung ist. Die Antwort ist einfach: alle Varianten bis auf die Lösung a)<br />
bedeuten eine Spezialisierung, wobei die Unterschiede von b) bis d) in der Art<br />
der Spezialisierung und in ihrem Umfang liegen. Hinsichtlich des Umfanges entstehen<br />
etwa bei Variante b) vier verschiedene Aufgaben, im Fall d) sind es deren<br />
fünf.<br />
Hinsichtlich der Art unterscheidet man eine Spezialisierung nach Objekten<br />
(Objektzentralisation), wie sie in der Lösung b) zum Ausdruck kommt. Bei Variante<br />
c) wird nach Tätigkeiten oder Verrichtungen spezialisiert (Verrichtungszentralisation).<br />
Die Lösung d) schließlich ist eine Mischform von objekt- und verrichtungsorientierter<br />
Spezialisierung.<br />
Der Variante a), bei der alle Gesellen autonom ganze Stühle herstellen, liegt das<br />
Prinzip der Mengenteilung zugrunde, bei b) bis d) handelt es sich um Artenteilung<br />
und damit Spezialisierung, wobei differenzierte Teilaufgaben unterschiedlicher<br />
Art entstehen.<br />
Hat man sich in der Organisationsgestaltung für ein bestimmtes Spezialisierungskonzept<br />
entschieden, werden die entsprechenden Teilaufgaben auf Dauer<br />
gestellt und mit einem Gefüge von Rechten und Pflichten verbunden. Damit werden<br />
Stellen geschaffen, die unabhängig von einzelnen Personen sind.<br />
Der Schreinermeister würde dies in unserem obigen Beispiel zunächst gedanklich<br />
festlegen, bevor er die Gesellen für die geschaffenen Positionen einstellt. Die Stel-<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 97<br />
5.1 SPEZIALISIERUNG
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
len müssen von den „angedachten“ Mitarbeitern hinsichtlich Qualifikation und<br />
Arbeitszeit erfüllt werden können.<br />
Schlüsselbegriffe: Bürokratie, Taylorismus, Spezialisierung, Arbeitsteilung, Objektzentralisation,<br />
Verrichtungszentralisation, Mengenteilung,<br />
Stellen<br />
5.1.2 Vorteile und Probleme der Spezialisierung<br />
Warum wird sich der Schreinermeister wohl für eine der Lösungen von b) bis d)<br />
und nicht für a) entscheiden?<br />
Die Spezialisierung hat zunächst erhebliche Wirtschaftlichkeitsvorteile, was<br />
schon der berühmte Ökonom Adam Smith im Jahre 1776 mit seinem Stecknadelbeispiel<br />
zeigte. Ein Arbeiter kann an einem Tag einige Dutzend schlechte Nadeln<br />
herstellen; eine auf einzelne Arbeitsgänge spezialisierte Gruppe kann jedoch Tausende<br />
perfekter Nadeln herstellen.<br />
Auch Taylor und vor allem nach ihm Henry Ford belegten die Vorteilhaftigkeit<br />
der Arbeitsteilung nachhaltig. Ford beispielsweise begründete zu Beginn des<br />
zwanzigsten Jahrhunderts seinen Aufstieg zu einem der größten Industrieführer<br />
der Geschichte darauf, dass er ein System der Fließbandproduktion entwickelte,<br />
bei dem jedem einzelnen Arbeiter eine einfache, spezifische und immer gleichbleibende<br />
Aufgabe zugewiesen wurde. Durch dieses ineinander greifende Gefüge<br />
kleinster standardisierter Arbeitsaufgaben wurde es möglich, in den Ford-<br />
Fabriken alle zehn Sekunden ein Auto fertig zu stellen, ohne dass es dafür einer<br />
Menge hoch qualifizierter Arbeitskräfte bedurfte.<br />
Worin besteht nun im Einzelnen die größere Wirtschaftlichkeit der Spezialisierung<br />
gegenüber einen reinen Mengenteilung?<br />
� Die Arbeiter entwickeln bei ihren Teilaufgaben durch die Alltäglichkeit ihrer<br />
Ausführung eine hohe Geschicklichkeit bei geringerer Ermüdung.<br />
� Es werden nur kurze Einarbeitungen benötigt.<br />
� Die ausführenden Arbeitskräfte müssen nur eine geringe Qualifikation aufweisen,<br />
was sie am Arbeitsmarkt leicht beschaffbar und ersetzbar macht.<br />
� Die Verantwortlichkeiten sind eindeutig zugeordnet.<br />
Abb. 5-1: Vorteile der Spezialisierung<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 98<br />
5.1 SPEZIALISIERUNG
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
Eine weit vorangetriebene Spezialisierung – etwa in Form des Fließbandsystems –<br />
hatte sich schon in den vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts aufgrund<br />
der enormen Produktivitätsfortschritte in den meisten Fabriken der westlichen<br />
Welt durchgesetzt.<br />
Allerdings machten sich im Laufe der Zeit auch erhebliche Nachteile einer weit<br />
vorangetriebenen Spezialisierung bemerkbar, die vor allem auf die menschlichen<br />
Probleme zurückzuführen sind, die eine ausgeprägte Arbeitsteilung nach sich<br />
zieht.<br />
� Fluktuation: viele Arbeiter verlassen wegen der Eintönigkeit der Arbeit das<br />
Unternehmen, so dass ständig viele neue Beschäftigte eingestellt und eingearbeitet<br />
werden müssen.<br />
� Absentismus: wegen Stress und Langeweile werden oder „feiern“ die Arbeitenden<br />
häufig krank.<br />
� Qualitätsprobleme: aufgrund der stumpfsinnigen Arbeit haben die Beschäftigten<br />
keinerlei Motivation, auf hohe Produktqualität zu achten; sie identifizieren<br />
sich weder mit dem Produkt noch mit dem Unternehmen.<br />
� Beschränkte Ressourcennutzung: der Schatz an Kenntnissen und Erfahrungen<br />
sowie die schöpferischen Fähigkeiten der Menschen bleiben weitgehend<br />
ungenutzt.<br />
Abb. 5-2: Probleme der Spezialisierung<br />
Ein weiterer gravierender Nachteil der Spezialisierung ist ihre Starrheit, ihre fehlende<br />
Dynamik, die sich gerade bei den Fließbandsystemen zeigt. Sie sind hoch<br />
effektiv bei standardisierten Massenprodukten ohne große Produktvariationen.<br />
Muss sich das System aber häufig veränderten Bedingungen anpassen, fehlt es<br />
ihm an der dafür notwendigen Flexibilität.<br />
Die Folgeprobleme einer weit getriebenen Spezialisierung haben sich vor allem in<br />
den späten 1960er und 70er Jahren in vielen Bereichen (etwa in der Automobilindustrie)<br />
in Form einer Revolte gegen das Fließband gezeigt, die sich in extremen<br />
Fluktuations- und Krankenstandsraten bis hin zu ganzen Serien bewusster<br />
Sabotageakte äußerte. In der Folgezeit wurden erstmals in nennenswertem Umfang<br />
Überlegungen angestellt, die Arbeitsteilung wieder partiell zurückzunehmen<br />
und den Arbeitenden wieder mehr Selbständigkeit, Handlungs- und Entscheidungsspielräume<br />
zu geben. Das Schlagwort, das diese Aktivitäten zusammenfasst,<br />
ist das von der Humanisierung der Arbeit.<br />
Schlüsselwörter: Spezialisierung, Fließbandproduktion, Qualifikation, Fluktuation,<br />
Absentismus, Humanisierung der Arbeit<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 99<br />
5.1 SPEZIALISIERUNG
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
Aufgaben zur Lernkontrolle:<br />
5.1.1 Eine bisher allein arbeitende Schneiderin hat großen Erfolg in der Entwicklung und<br />
Fertigung von eleganten Abendkleidern. Die Nachfrage entwickelt sich so gut, dass<br />
sie beschließt, von der Fertigung von Unikaten auf Kleinserien-Fertigung überzugehen<br />
und dazu vier Mitarbeiter einzustellen. Da die Schneiderin selbst die Kleider<br />
entwirft und zusätzlich die anfallenden Einkaufs-, Vertriebs- und Verwaltungsaufgaben<br />
übernehmen wird, gibt es mehrere Möglichkeiten der Verteilung der Fertigungsaufgaben<br />
auf die einzustellenden Mitarbeiter.<br />
Erläutern Sie an dem praktischen Beispiel, welche verschiedenen Formen der Spezialisierung<br />
es gibt!<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
5.1.2 Worauf genau beruhen die Effizienzvorteile der Spezialisierung und was sind mögliche<br />
Probleme einer weit entwickelten Spezialisierung (etwa bei Fließbandproduktion)?<br />
Vorteile:.....................................................................................................................<br />
..................................................................................................................................<br />
Nachteile:.....................................................................................................................<br />
..................................................................................................................................<br />
Aufgaben mit Bezug zur Berufstätigkeit:<br />
Versuchen Sie unter Bezugnahme auf das bisher Gelesene die Situation in Ihrem Unternehmen<br />
einzuschätzen. Herrscht ein hoher oder ein niedriger Spezialisierungsgrad? Begründen<br />
Sie die Zuordnung. Wie ist es im Verhältnis zu anderen Unternehmen in der Branche?<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 100
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
Wenn Sie in Ihrem Unternehmen zu entscheiden hätten, würden Sie für eine weitergehende<br />
Spezialisierung plädieren oder eher für eine Rücknahme der Spezialisierung? Begründen Sie<br />
Ihre jeweilige Entscheidung.<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
Literatur zur Vertiefung:<br />
� Kieser, Alfred/Kubicek, Herbert (1992): Organisation, 3. Aufl., S. 73 – 94<br />
(Kap. 3.2.1: Spezialisierung)<br />
� Interessante Internetadresse, z.T. mit viel weiterführendem Material:<br />
www.qrst.de/html/bwl/om.htm<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 101
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
5.2 Koordination 5.2 KOORDINATION<br />
Arbeitsteilung zieht zwangsläufig einen Koordinationsbedarf nach sich, da arbeitsbezogene<br />
Abhängigkeiten (Interdependenzen) zwischen den spezialisierten<br />
Teilaktivitäten bestehen. Bei der Koordination geht es daher um die notwendige<br />
Abstimmung bei arbeitsteiliger Aufgabenerfüllung.<br />
Es gibt in einer Organisation vielfältige Instrumente zur Befriedigung des Koordinationsbedarfs.<br />
Wir orientieren uns hier an einer einfachen Systematik von<br />
BEA/GÖBEL (1999, S. 265), die Instrumente der Fremdkoordination und der<br />
Selbstkoordination unterscheidet.<br />
Instrumente der Fremdkoordination Instrumente der Selbstkoordination<br />
Persönliche Weisung Selbstabstimmung<br />
Abb. 5-3: Koordinationsinstrumente<br />
Programme Märkte<br />
Pläne Unternehmenskultur<br />
5.2.1 Instrumente der Fremdkoordination<br />
Professionalisierung<br />
Persönliche Weisungen erfolgen im Rahmen der Personenhierarchie, indem die<br />
übergeordnete Stelle der untergeordneten Anordnungen erteilt. Das Direktionsrecht<br />
des Arbeitgebers, das auf die Vorgesetzten als seine „verlängerten Arme“<br />
übertragen wird, ist die rechtliche Grundlage dazu. So kann z.B. eine Führungskraft<br />
Informationen über Störungen im Produktionsablauf in Veränderungsentscheidungen<br />
umsetzen, die sie anhand entsprechender Anweisungen „nach unten“<br />
weitergibt und von den Unterstellten eine Befolgung verlangt. Bei der Koordination<br />
durch persönliche Weisungen spielt der (vertikale) Kommunikationsfluss<br />
eine große Rolle. Ein mögliches Folgeproblem einer intensiven Nutzung<br />
dieses Instruments ist die Überlastung der Vorgesetztenpositionen und der<br />
„Dienstwege“. Dieser Schwierigkeit steht als Vorteil die leichte Gestaltbarkeit<br />
und die hohe Flexibilität einer weisungsgebundenen Koordination gegenüber.<br />
Die „fremdbestimmte“ Koordination kann ferner anhand von Programmen oder<br />
Verfahrensrichtlinien erfolgen. Dabei handelt es sich um teilweise sehr detaillierte<br />
Konzepte eines standardisierten Aktivitätsablaufs zur Lösung bestimmter, immer<br />
wiederkehrender Probleme. Programme sind oft das Ergebnis von Lernprozessen:<br />
Ein bestimmtes Handlungsmuster hat sich in der Vergangenheit bewährt, daher<br />
wird es in ein Programm „gegossen“ und damit verfestigt. Programme sind oft<br />
schriftlich fixiert, man kann sie in Verfahrensanweisungen oder ganzen Handbüchern<br />
nachlesen. KIESER/KUBICEK (1992, S. 111) führen dafür das folgende instruktive<br />
Beispiel an:<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 102
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
„Ein Lagerist im Rohwarenlager hat die Vorratsmengen mehrerer Rohstoffe zu<br />
überwachen und dafür zu sorgen, dass den einzelnen Fertigungsabteilungen<br />
jederzeit das benötigte Material zur Verfügung steht. Um diese Koordination<br />
zwischen Beschaffung, Lagerhaltung und Fertigung zu bewirken, wurde dem<br />
Lageristen eine Reihe von Programmen vorgegeben. Für jeden Rohstoff wurde<br />
eine Mindestmenge festgelegt, deren Unterschreitung das auslösende Ereignis für<br />
die Anwendung des Programms ist: Der Lagerist füllt bei Unterschreitung der<br />
Mindestmenge ein Formular aus, in dem er den Rohstoff spezifiziert und nach<br />
Maßgabe des Verbrauchs in den letzten Monaten anhand einer festgelegten<br />
Formel eine zu bestellende Menge bestimmt. Das ausgefüllte Formular schickt er<br />
dann an den Einkauf, von dem die Bestellung abgewickelt wird.“<br />
An dem Beispiel zeigt sich, dass durch den Einsatz von Programmen die<br />
Vorgesetzten wesentlich entlastet werden können. Es erfolgt eine erhebliche<br />
Komplexitätsreduktion durch Standardisierung der Aufgabenerfüllung.<br />
Der Nachteil von Programmen ist ihre Starrheit und Inflexibilität. Daher eignen<br />
sie sich vor allem bei relativ statischen Problemstellungen, die sich nicht oder<br />
selten verändern. Zudem besteht die Gefahr, dass Programme auch für solche<br />
Probleme verwendet werden, auf die sie eigentlich gar nicht passen.<br />
Die Koordination durch Pläne ist von der durch Programme nicht immer einfach<br />
zu unterscheiden. Pläne können Folge von Weisungen oder Programmen sein. Sie<br />
werden nach festgelegten Verfahren im Rahmen eines institutionalisierten<br />
Planungsprozesses erarbeitet. Solche Planungsprozesse finden – wie gezeigt –<br />
insbesondere im Rahmen der Strategieentwicklung und Strategieimplementierung<br />
statt (vgl. mehrere Abschnitte in Kapitel 3).<br />
Während Programme Abläufe auf Dauer festlegen, enthalten Pläne Vorgaben (oft<br />
als Ziele) für eine bestimmte Periode. So bekommt beispielsweise eine<br />
Vertriebsabteilung in regelmäßigen Abständen ihren Absatzplan vorgelegt, der in<br />
einem komplexen Prozess mit dem Produktionsplan, dem Beschaffungsplan und<br />
dem Finanzplan abgestimmt worden ist. Daher wird auch im Rahmen des<br />
„Führens mit Zielen und Zielvereinbarungen“ (vgl. Kapitel 4) intensiv<br />
Koordination durch Planung betrieben. Der Inhalt von Plänen kann von Periode<br />
zu Periode wechseln, wohingegen der von Programmen auf Dauer gestellt ist.<br />
Pläne sind für gewöhnlich an Ergebnissen festgemacht, weswegen diese<br />
Koordinationsform auch als Outputstandardisierung bezeichnet wird. Die<br />
einzelnen geforderten Verhaltensweisen sind in Plänen nicht detailliert enthalten,<br />
während genau dies, nämlich eine Verhaltensstandardisierung, in Programmen<br />
erfolgt.<br />
Pläne müssen künftige Entwicklungen möglichst treffend vorwegnehmen. Dies<br />
ist jedoch gerade in dynamischen Umwelten nicht immer möglich. Daher sind oft<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 103<br />
5.2 KOORDINATION
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
im Nachhinein Anpassungen notwendig. Außerdem erfordert diese Koordinationsform<br />
schnell einen hohen Aufwand.<br />
Schlüsselwörter: Koordination, Weisungen, Direktionsrecht, Programme, Pläne,<br />
Planung, Ziele<br />
5.2.2 Instrumente der Selbstkoordination<br />
Zu den nicht fremdbestimmten Koordinationsmechanismen gehört zunächst die<br />
Selbstabstimmung, die eine Art Gegenmodell zur persönlichen Weisung ist. Dabei<br />
handelt es sich um eine eigenständige, (teil-) autonome Abstimmung unter den<br />
von einem Problem „Betroffenen“. Dies kann beispielsweise durch Gruppenentscheidung<br />
oder bilateralen, trilateralen usw. Austausch geschehen.<br />
Das „Maschinenmodell“ der Organisation, wie es etwa im Weberschen Idealtypus<br />
der Bürokratie oder im Taylorismus angelegt ist, hat noch nie erschöpfend funktioniert.<br />
Selbst hoch arbeitsteilige Fließbandsysteme können nicht – etwa bei unvorhergesehenen<br />
Störungen – ohne die „heimliche Partizipation“ der Arbeitenden<br />
auskommen. Die Produktion bräche zusammen, würde jeder Arbeiter mit jedem<br />
plötzlich auftauchenden Problem zum Meister gehen.<br />
Die Einführung teilautonomer Arbeitsgruppen lässt sich teilweise als Beispiel einer<br />
verstärkten „institutionalisierten Selbstabstimmung“ im Rahmen von Teamarbeit<br />
deuten. Das Aktiengesetz schreibt sogar auf höherer Ebene vor, dass der<br />
Vorstand einer Aktiengesellschaft die Geschäfte gemeinschaftlich zu führen hat,<br />
sich seine Mitglieder also in wesentlichen, die Geschicke des Unternehmens prägenden<br />
Fragen untereinander abzustimmen haben.<br />
Selbstabstimmungen entlasten die Hierarchie, steigern die Flexibilität der Organisation<br />
und wirken positiv auf die Motivation und Identifikation der Mitarbeiter.<br />
Sie erfordern jedoch die Fähigkeit und die Bereitschaft der Organisationsmitglieder<br />
zur Zusammenarbeit und sind häufig besonders zeitaufwendig.<br />
Im Rahmen der Koordination durch Märkte werden Einzelentscheidungen dadurch<br />
aufeinander abgestimmt, dass der Preismechanismus Angebot und Nachfrage<br />
regelt. Zwar ist der Markt in der Transaktionskostenökonomie (vgl. WILLIAM-<br />
SON 1985) als das externalisierte Gegenstück der Hierarchie (der persönlichen<br />
Weisung) konzipiert. Dies schließt aber nicht aus, dass man sich auch innerhalb<br />
von Organisationen dieses Prinzips zur Lösung von Koordinationsproblemen bedienen<br />
kann. So können für die Bereitstellung und Nutzung von Leistungen zwischen<br />
verschiedenen Bereichen der Organisation Verrechnungs- oder Lenkpreise<br />
angesetzt werden. Die einzelnen Einheiten „kaufen“ bzw. „verkaufen“ – in der<br />
Regel im Rahmen von geplanten Budgets – Dienstleistungen oder Vorprodukte,<br />
die zu einer Gesamtleistungserstellung benötigt werden. Die diversen Bereiche<br />
werden dann zu sogenannten Profit Centers mit eigener Budgetverwaltung und<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 104<br />
5.2 KOORDINATION
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
Gewinnverantwortung. Dabei kann es z.B. auch möglich sein, dass eine bestimmte<br />
Abteilung etwa zur Deckung eines Qualifikationsbedarfs unter ihren Mitarbeitern<br />
auf einen preisgünstigeren externen Anbieter anstatt auf die „eigene“ Personalentwicklungsabteilung<br />
zurückgreift.<br />
Unter Unternehmens- oder Organisationskultur versteht man ein für jedes Unternehmen<br />
spezifisch herausgebildetes Gefüge von Regeln, Normen und Wertvorstellungen,<br />
die die betriebliche Wirklichkeit in den Kooperationsbeziehungen unter<br />
den Mitarbeitern und Bereichen prägen und die insofern ein – mehr oder weniger<br />
hohes – Potenzial an verhaltenskoordinierender Wirkung haben. Dieser Zusammenhang<br />
liegt auf der Hand: Es gibt viele Unternehmen, die durch eine<br />
„starke“ Unternehmenskultur auffallen (z.B. Bertelsmann, Hewlett Packard). Die<br />
Organisationsangehörigen stimmen in hohem Maße in bestimmten Werten und<br />
Normen überein. Sie haben sie verinnerlicht und entwickeln ein entsprechend<br />
ausgeprägtes Wir-Gefühl. Verfahrensvorschriften, Handbücher und andere detaillierte<br />
Regeln werden dadurch in weit geringerem Ausmaß benötigt.<br />
Bei der Koordination durch Professionalisierung handelt es sich schließlich um einen<br />
Mechanismus, der auf der Wirkung standardisierter Qualifikations- und Berufsbilder<br />
beruht. Die Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, wozu z.B. Facharbeiter,<br />
aber auch hoch qualifizierte Kräfte wie Ärzte oder Computerspezialisten<br />
gehören, verfügen aufgrund ihrer Ausbildung über ein Standardrepertoire erlernter<br />
Kenntnisse und Fertigkeiten. Wenn Personen oder Gruppen über längere Zeit<br />
hinweg komplexere Qualifikationen erwerben, die sie in ihrer Arbeit einsetzen,<br />
spricht man von „Professionalisierung“. Sie sind dann in der Lage, auch ohne detaillierte<br />
Vorschriften und Organisationsregeln Hand in Hand zu arbeiten und<br />
komplexere Probleme im Zusammenspiel mit ihren Fachkollegen zu lösen.<br />
Schlüsselwörter: Koordination, Selbstabstimmung, Partizipation, Motivation,<br />
Gruppenarbeit, Markt, Hierarchie, Profit Center, Unternehmenskultur,<br />
Organisationskultur, Professionalisierung<br />
Aufgaben zur Lernkontrolle:<br />
5.2.1 Grenzen Sie die Koordination durch Programme und Pläne voneinander ab!<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 105<br />
5.2 KOORDINATION
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
5.2.2a Was versteht man unter Koordination durch Selbstabstimmung?<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
5.2.2b Was versteht man unter einer Unternehmenskultur? Worin besteht ihre koordinierende<br />
Wirkung?<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
Aufgaben mit Bezug zur Berufstätigkeit<br />
Wenn Sie sich noch einmal die beschriebenen Arten der Koordination vor Augen halten,<br />
welche Art der Koordination trifft auf Ihr Unternehmen am ehesten zu? Begründen Sie Ihre<br />
Zuordnung.<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
Können Sie aus Ihrer eigenen beruflichen Erfahrung Beispiele benennen, in denen Sie sich<br />
mit Ihren Kollegen abstimmen?<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 106<br />
5.2 KOORDINATION
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
Literatur zur Vertiefung:<br />
� Kieser, Alfred/Kubicek, Herbert (1992): Organisation, 3. Aufl., S. 95 - 125<br />
(Kap. 3.2.2: Koordination)<br />
� Bea, Franz Xaver/Göbel, Elisabeth (2002): Organisation. Theorie und Gestaltung,<br />
2. Aufl.; Stuttgart, S. 257 – 270 (Kap. 2.3: Koordination)<br />
� Internetadressen: Vgl. zum Thema Unternehmenskultur auch:<br />
www.aodgps.de/unternehmenskultur.html<br />
Vgl. zur Koordination auch: www.qrst.de/html/bwl/om.htm<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 107
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
5.3 Konfiguration und Entscheidungsdelegation<br />
Spezialisierung und Koordination sind die beiden Grundprinzipien von Organisationsstrukturen.<br />
Das „Standardmodell“ der Koordination ist die Weisung. Die<br />
spezialisierten Stellen werden untereinander in ein Gefüge von Über- bzw. Unterstellungsverhältnissen<br />
gebracht. Dadurch entsteht eine hierarchische Ordnung,<br />
und die Gesamtheit der Regelungen, die diese Ordnung konstituieren,<br />
nennt man das Leitungssystem oder „Konfiguration“, die in diesem Unterkapitel<br />
näher behandelt wird.<br />
Außer Weisungsbefugnissen werden an die einzelnen Positionen bzw. Organisationsmitglieder<br />
auch Entscheidungskompetenzen verteilt. Darauf bezieht sich die<br />
Dimension Entscheidungsdelegation, die wir ebenfalls hier abschließend betrachten.<br />
5.3.1 Wesen der Konfiguration<br />
Die Dimension der Konfiguration hängt eng mit der Spezialisierung zusammen.<br />
In unserem eben beschriebenen Schreinerbetrieb reichte wegen der überschaubaren<br />
Betriebsgröße eine „simple“ Arbeitsteilung unter den Gesellen aus. In größeren<br />
Organisationen, auch schon in mittelständischen Betrieben, muss sich jedoch<br />
die Spezialisierung auch auf größere organisatorische Einheiten mit mehreren<br />
Stellen erstrecken.<br />
Im Zuge der Abteilungsbildung werden typischerweise mehrere zusammengehörige<br />
Stellen zu größeren Einheiten zusammengefasst und ihnen eine Vorgesetztenstelle<br />
zugeordnet. Letztere werden in der Organisationslehre meist Instanzen<br />
genannt. Instanzen haben Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse.<br />
Je nach Spezialisierungsart – ob verrichtungs- oder objektorientiert – gibt es auch<br />
auf der „Makroebene“ der Abteilungsbildung unterschiedliche Strukturtypen<br />
(insbesondere funktionale und divisionale Formen, vgl. dazu z.B. BEA/GÖBEL<br />
1999).<br />
Hier soll es zunächst um die grundsätzliche Vertiefung des Aspektes gehen, dass<br />
Spezialisierung und Koordination als zentrale Dimensionen formaler Organisationsstrukturen<br />
ergänzt werden durch die äußere Form des Stellengefüges, die im<br />
Wege der Abteilungsbildung entsteht. Diese Dimension, die im Gegensatz zu den<br />
Grunddimensionen auf die „Makrostruktur“ der Organisation abhebt, wird als<br />
Konfiguration bezeichnet. Dabei kommt den Instanzen besondere Bedeutung zu,<br />
weswegen man die Konfiguration auch teilweise als das Leitungssystem einer<br />
Organisation bezeichnet.<br />
Graphisch kommt die Konfiguration in sog. Organigrammen zum Ausdruck, wobei<br />
die Weisungsbeziehungen in hierarchisch angeordneten Kästchen, den Sym-<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 108<br />
5.3 KONFIGURATION<br />
UND ENTSCHEI-<br />
DUNGSDELEGATION
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
bolen für die einzelnen Einheiten oder Bereiche, sowie in Verbindungslinien zwischen<br />
den Kästchen abgebildet werden.<br />
Im Leitungssystem der Organisation werden zwei idealtypische Grundformen unterschieden:<br />
� das Einliniensystem, bei dem niedrigere Stellen lediglich einer Instanz unterstellt<br />
sind,<br />
� das Mehrliniensystem, bei dem einzelne Stellen mehreren Instanzen zugeordnet<br />
sind.<br />
Schlüsselbegriffe: Arbeitsteilung, Instanz, Konfiguration, Organigramm<br />
5.3.2 Einliniensystem<br />
„Fayolsche Brücke“<br />
Abb. 5-4: Einliniensystem in Anlehnung an Fayol<br />
Das Einliniensystem wird dem französischen Organisationstheoretiker HENRY<br />
FAYOL (1929) zugeschrieben. In diesem Konzept herrscht das Prinzip der Einheit<br />
der Auftragserteilung, d.h. die einzelnen Bereiche sollen Anordnungen lediglich<br />
von einer Instanz erhalten. Dies soll eine eindeutige klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten<br />
und eine bessere Koordination der Aktivitäten ermöglichen.<br />
Nachteile des Einliniensystems sind jedoch die starke Beanspruchung von Instanzen<br />
durch Koordinationsaufgaben sowie das häufige „Verschieben“ abstimmungsbedürftiger<br />
Probleme, die ihre Kompetenz überschreiten, nach oben. Da-<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 109<br />
5.3 KONFIGURATION<br />
UND ENTSCHEI-<br />
DUNGSDELEGATION
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
mit droht ständig die Gefahr einer Überlastung und unnötigen Länge der Informationswege.<br />
Fayol stellte aber klar, dass dieser Aufwand durch das Ziel klarer Verantwortungsbeziehungen<br />
gerechtfertigt wird. Dennoch hat er auch Überlegungen angestellt,<br />
dieses Defizit zu überwinden. Daher schlug er seine berühmte Fayolsche<br />
Brücke vor. Das sind direkte Kontakte zwischen mit einem Problem konfrontierten<br />
Stellen ohne Einschaltung der Hierarchie, jedoch nur in wenigen, genau spezifizierten<br />
Fällen.<br />
Schlüsselwörter: Einliniensystem, Fayolsche Brücke<br />
5.3.3 Mehrliniensystem<br />
Die Idee des Mehrliniensystems geht auf Taylors Vorschlag der Schaffung eines<br />
sog. Funktionsmeistersystems zurück (vgl. zum Taylorismus Abschnitt 1.2.2). In<br />
den USA gab es zu Taylors Zeiten (um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert)<br />
im Gegensatz zu Europa keine Meister, die in der Lage sind, alle in der Fertigung<br />
anfallenden Probleme zu lösen, weil sie entsprechend breit qualifiziert sind und<br />
über detaillierte Kenntnisse der Werkzeuge, Maschinen, Verfahren usw. verfügen.<br />
Vor diesem Hintergrund schlug Taylor in Weiterführung der Spezialisierungsidee<br />
vor, die Gesamtfunktion des Produktionsmeisters aufzugliedern und<br />
auf mehrere Vorgesetzte zu verteilen. Dadurch ist eine qualitativ bessere Entscheidungsfindung<br />
gegeben. Außerdem ist eine geringere Qualifikation erforderlich<br />
und ein relativ kurzfristiges Anlernen möglich.<br />
Abb. 5-5: Mehrliniensystem in Anlehnung an Taylor<br />
Taylor schlug im einzelnen acht verschiedene Funktionsmeisterstellen vor, und<br />
zwar jeweils einen Arbeitsverteiler (route clerk), Unterweisungsbeamten (instruction<br />
card clerk), Kosten- und Zeitbeamten (cost and time clerk), Verrichtungsmeister<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 110<br />
5.3 KONFIGURATION<br />
UND ENTSCHEI-<br />
DUNGSDELEGATION
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
(gang boss), Geschwindigkeitsmeister (speed boss), Prüfmeister (inspector), Instandhaltungsmeister<br />
(repair boss) und einen Aufsichtsbeamter (shop disciplinarian).<br />
Das Problem des Funktionsmeistersystems und damit des Prinzips der Mehrfachunterstellung<br />
ist jedoch die Zurechnung von Verantwortlichkeiten. Weil sich die<br />
Teilfunktionen überschneiden, ist die Frage, wer im konkreten Einzelfall weisungsberechtigt<br />
ist, oft kaum zu beantworten. Die Folge können lähmende und<br />
zu Reibungsverlusten führende Kompetenzstreitigkeiten sein.<br />
Allerdings sind Einlinien- und Mehrliniensysteme nicht nur als entgegengesetzte,<br />
sich ausschließende Konzepte zu verstehen. Die beiden Grundformen sind aus<br />
ganz unterschiedlichen Blickwinkeln und für unterschiedliche Zwecke entwickelt<br />
worden. Daher werden in der Praxis die beiden Prinzipien nicht selten miteinander<br />
kombiniert. In vielen Unternehmen gibt es für einzelne Stellen disziplinarische,<br />
aber zusätzlich auch fachliche und funktionale Unterstellungsverhältnisse.<br />
So ist z.B. die Verwaltung oder das Personalbüro in einem räumlich von der<br />
Zentrale entfernten Produktionswerk disziplinarisch dem Betriebsleiter, fachlich<br />
aber dem zuständigen Abteilungsleiter in der Zentrale unterstellt.<br />
Schlüsselwörter: Taylorismus, Funktionsmeistersystem, Mehrliniensystem<br />
5.3.4 Entscheidungsdelegation<br />
Schließlich müssen wir auf die Entscheidungsdelegation als vierte Grunddimension<br />
der Organisationsstruktur zu sprechen kommen. Im Rahmen der Abteilungsbildung<br />
werden Instanzen geschaffen und mit Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen<br />
ausgestattet. Entscheidungen und Weisungen – auf die sich die<br />
Dimension Konfiguration bezog – sind aber nicht unbedingt identisch.<br />
Bei der Konfiguration geht es um Weisungsbeziehungen. Dabei bleibt der inhaltliche<br />
Umfang der Entscheidungsbefugnisse unberücksichtigt. Die Entscheidungsdelegation<br />
bezieht sich demgegenüber auf die umfangmäßige Verteilung<br />
der Entscheidungsbefugnisse in einer Organisation bzw. auf den einzelnen Ebenen.<br />
Hinter dem Begriff der Delegation verbirgt sich der Umstand, dass die „Organisationsherren“<br />
wegen Überlastung ab einer gewissen Größenschwelle nicht mehr<br />
alle Entscheidungen selbst zu treffen in der Lage sind. Daher werden Rechte<br />
(Kompetenzen, Vollmachten) teilweise auf unterstellte Instanzen übertragen, die<br />
ihrerseits ggf. weiterdelegieren können. Bereits an anderer Stelle wurde darauf<br />
hingewiesen, dass aufgrund der mangelnden Bereitschaft zur Kompetenzabgabe<br />
in vielen KMU ein Delegationsproblem besteht (vgl. Abschnitt 2.2.2).<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 111<br />
5.3 KONFIGURATION<br />
UND ENTSCHEI-<br />
DUNGSDELEGATION
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
Die Delegation von Entscheidungsbefugnissen beinhaltet<br />
� die Zuweisung von Aufgaben,<br />
� die Vorgabe von Zielen,<br />
� die Ausstattung mit entsprechenden Rechten sowie die<br />
� Zuweisung von Verantwortung.<br />
Anstatt Entscheidungsdelegation wird oft auch der Begriff Entscheidungszentralisation<br />
bzw. -dezentralisation gewählt. Die Entscheidungszentralisation ist dabei<br />
der idealtypische Grenzfall, bei dem alle Befugnisse bei der obersten Instanz liegen.<br />
Dezentralisation kennzeichnet hingegen einen Trend zu einer möglichst intensiven<br />
Verteilung von Entscheidungsbefugnissen auf untergeordnete Hierarchieebenen.<br />
Dabei hat die Dezentralisation nicht nur den Vorteil der Entlastung der höherrangigen<br />
Führungsstellen; sie führt auch dazu, dass Entscheidungen verstärkt an<br />
den Stellen getroffen werden, an denen die zugrundeliegenden Probleme auftreten.<br />
Ein Problem der Dezentralisation bzw. Entscheidungsdelegation besteht jedoch<br />
darin, dass sich die Organisationsspitze nie sicher sein kann, dass die Entscheidungsspielräume<br />
in ihrem Sinne ausgefüllt werden. Als Lösungsmöglichkeit<br />
kommt der Einsatz von Anreiz- und Kontrollmechanismen in Betracht.<br />
KIESER/KUBICEK (1992, S. 154 f.) verdeutlichen abschließend am Beispiel zweier<br />
Meister in der Automobilindustrie, wie unterschiedlich der Umfang der Delegation<br />
von Entscheidungskompetenzen in der Praxis oft in einem einzigen Unternehmen<br />
in verschiedenen Bereichen ausfallen kann.<br />
Praxisbeispiel: Meister in der Automobilindustrie<br />
„Wir betrachten zwei Arbeitsgruppen in einer Automobilunternehmung. Jede<br />
Gruppe besteht aus acht Arbeitern und einem ihnen übergeordneten Meister. Die<br />
Aufgabe der ersten Gruppe erstreckt sich auf die Instandhaltung von Maschinen<br />
und Werkzeugen in der Fertigung. Der Meister empfängt Störmeldungen von den<br />
Fertigungsstellen, vereinbart Termine für Instandhaltungsarbeiten mit den Leitern<br />
der einzelnen Fertigungsabschnitte, verteilt die Arbeiten auf seine acht Mitarbeiter,<br />
überwacht den Arbeitsfortschritt und die Arbeitsqualität und greift mitunter auch<br />
selbst ein. Er koordiniert die Arbeiten der Instandhaltung nach innen und außen<br />
und fällt alle hierfür notwendigen Entscheidungen. Die zweite Gruppe befindet<br />
sich in einem Fertigungsabschnitt am Fließband der Montage. Ihre Aufgabe<br />
besteht in der Montage von Armaturenbrettern. Verfahrensingenieure haben die<br />
Teilaufgaben für jeden der acht Arbeiter bis zum letzten Handgriff festgelegt. Der<br />
Meister hat auf die Verteilung der Arbeiten keinen Einfluss. Er ist für die Qualität<br />
der Arbeiten verantwortlich und kontrolliert daher jedes Fahrzeug, das den<br />
Fertigungsabschnitt verlässt. Bei Fehlern, die er nicht selbst beheben kann,<br />
versieht er das Fahrzeug mit einem roten Kontrollzettel, der den Endkontrolleur<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 112<br />
5.3 KONFIGURATION<br />
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DUNGSDELEGATION
5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
darauf aufmerksam macht, dass noch Reparaturen durchzuführen sind. Obwohl<br />
dieser Meister seinen acht Arbeitern ebenso vorgesetzt ist wie der Instandhaltungsmeister,<br />
hat er keinen Einfluss auf die Abstimmung der Arbeiten<br />
innerhalb der Gruppe und auf die Abstimmung mit den vor- und nachgelagerten<br />
Gruppen. Es ist offensichtlich, dass nicht nur die Inhalte, sondern auch die<br />
Umfänge der Entscheidungsbefugnisse der beiden Meister höchst unterschiedlich<br />
sind.“<br />
Schlüsselwörter: Entscheidungsdelegation, Delegation, Entscheidungszentralisation<br />
Aufgaben zur Lernkontrolle:<br />
5.3.1 Was versteht man unter Konfiguration?<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
5.3.2+5.3.3 Beleuchten Sie jeweils die Vor- und Nachteile des Einlinien- und des Mehrliniensystems!<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
5.3.4 Erklären Sie den grundlegenden Unterschied zwischen den Dimensionen „Konfiguration“<br />
und „Entscheidungsdelegation“!<br />
.................................................................................................................................<br />
.................................................................................................................................<br />
<strong>MANAGEMENT</strong> 113<br />
5.3 KONFIGURATION<br />
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5 UNTERNEHMENSORGANISATION<br />
Aufgaben mit Bezug zur Berufstätigkeit:<br />
Welches Muster der Entscheidung herrscht in Ihrem Betrieb/Unternehmen vor?<br />
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Überlegen Sie, warum man in kleineren und mittelständischen Familienunternehmen häufig<br />
das Muster der Zentralisation vorfindet?<br />
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.................................................................................................................................<br />
Wenn Sie im Internet in einer Suchmaschine das Wort „Organigramm“ eingeben, erhalten<br />
Sie eine große Menge von Links zu Übersichten über die Aufbauorganisation von Unternehmen<br />
oder anderen Organisationen. Schauen Sie sich einige dieser Übersichten an, analysieren<br />
Sie das Organigramm und versuchen Sie, Unterschiede zu erkennen und herauszuarbeiten.<br />
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Informieren Sie sich über die Unternehmenskultur der Computerfirma Hewlett Packard unter<br />
„http://www.hewlett-packard.de/unternehmen/profil/unternehmenskultur.html“!<br />
Versuchen Sie, diese Kultur zusammenfassend zu beschreiben und diskutieren Sie die koordinierende<br />
Wirkung! Können Sie sich auch Nachteile einer solchen „starken“ Unternehmenskultur<br />
vorstellen?<br />
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Literatur zur Vertiefung:<br />
� Kieser, Alfred/Kubicek, Herbert (1992): Organisation, 3. Aufl., S. 126 - 158<br />
(Kap. 3.2.3: Konfiguration und 3.2.4: Entscheidungsdelegation)<br />
� Bea, Franz Xaver/Göbel, Elisabeth (2002): Organisation. Theorie und Gestaltung,<br />
2. Aufl.; Stuttgart, S. 253 – 257 (Kap. 2.2: Delegation)<br />
� Internetadressen<br />
Eine nette Persiflage über das Einliniensystem findet sich unter<br />
www.bielefeld.netsurf.de:8080/~j_welling/einlinie.htm<br />
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