Extrapolation von Ursachen-Wirkungsbeziehungen in ...
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BFH-Nachrichten 2/2004 x<br />
<strong>Extrapolation</strong> <strong>von</strong> <strong>Ursachen</strong>-<strong>Wirkungsbeziehungen</strong> <strong>in</strong> Waldökosystemen auf den großflächigen<br />
Maßstab (<strong>Extrapolation</strong> of cause-effect relationships <strong>in</strong> forest ecosystems to<br />
the large scale) [Schall, P.; Seidl<strong>in</strong>g, W.; Lorenz, M.]<br />
Die Waldzustandserfassung der Wirtschaftskommission der Vere<strong>in</strong>ten Nationen für Europa<br />
(UNECE) und der Europäischen Union (EU) untersucht die räumliche und zeitliche Variabilität<br />
des Waldzustandes im europäischen Maßstab auf e<strong>in</strong>em großräumig-repräsentativen<br />
Gitternetz (16 x 16 km) <strong>von</strong> ca. 6000 Monitor<strong>in</strong>gpunkten (Level I). Vom gesamten Netz liegen<br />
Zeitreihen für den Kronenzustand vor. Für e<strong>in</strong>en Teil des Netzes s<strong>in</strong>d die Ergebnisse e<strong>in</strong>er<br />
Bodenzustandserhebung und e<strong>in</strong>er Analyse der Elementgehalte <strong>in</strong> Nadeln und Blättern<br />
verfügbar. Zur Erklärung <strong>von</strong> Ursache-<strong>Wirkungsbeziehungen</strong> dient e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives Monitor<strong>in</strong>g<br />
auf ca. 860 über ganz Europa verteilter und die wichtigsten Waldökosysteme repräsentierenden<br />
Beobachtungsflächen (Level II). Auf diesen Flächen werden zusätzlich zum Kronen-,<br />
Boden- und Ernährungszustand auch der Zuwachs der Bäume, die Deposition <strong>von</strong> Luftschadstoffen,<br />
die Konzentration <strong>von</strong> Schadgasen, die Witterung, die chemische Zusammensetzung<br />
der Bodenlösung, die phänologischen Reaktionen der Bäume und die floristische Zusammensetzung<br />
der Waldbodenvegetation erfasst.<br />
Das Institut für Weltforstwirtschaft der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft<br />
stellt das Koord<strong>in</strong>ierungszentrum der europäischen Waldzustandserfassung und ist am<br />
Datenmanagement und den wissenschaftlichen Auswertungen maßgeblich beteiligt. Mit Hilfe<br />
e<strong>in</strong>es neuen Auswertungsansatzes wurden auf Level-II-Flächen ermittelte statistische Beziehungen<br />
zwischen den untersuchten Parametern mit Hilfe <strong>von</strong> Level-I-Daten auf den großflächigen<br />
Maßstab extrapoliert. Die statistischen Modelle wurden so gewählt, dass sie die<br />
Spannbreite der durchgeführten Studien (Bodenzustand, Bodenlösungschemie und Nährstoffstatus<br />
der Blätter), der Modelltypen (bivariat und multivariat, l<strong>in</strong>ear und nichtl<strong>in</strong>ear) und der<br />
Variablenverfügbarkeit repräsentierten. Die Modelle beziehen sich zumeist auf die Elemente<br />
Stickstoff und Schwefel, deren Schadwirkungen auf Waldökosysteme bei übermäßigem E<strong>in</strong>trag<br />
<strong>von</strong> der Waldschadensforschung und Waldzustandserfassung vielfach nachgewiesen<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Beispielhaft werden hier die Ergebnisse zum Schwefelvorrat <strong>in</strong> der organischen Auflage berichtet.<br />
Zur Berechnung des Schwefelvorrats s<strong>in</strong>d Messungen der Schwefelkonzentrationen der organischen<br />
Auflage und ihres Flächengewichtes Voraussetzung. Die Anzahl der für die Analyse<br />
brauchbaren Level-II-Dauerbeobachtungsflächen war dadurch e<strong>in</strong>geschränkt, dass sowohl die<br />
Schwefelkonzentration als auch die Mächtigkeit der organischen Auflage nicht auf allen Flächen<br />
erhoben wurde. Für 111 Level-II-Beobachtungsflächen waren beide Messungen verfügbar.<br />
Die 111 Flächen zeigten e<strong>in</strong>e disjunkte Verteilung <strong>in</strong>nerhalb Europas, so dass e<strong>in</strong> räumlicher<br />
Def<strong>in</strong>itionsbereich mit vier Teilflächen ermittelt wurde: e<strong>in</strong>e nördliche Teilfläche mit F<strong>in</strong>nland<br />
und Teilen des Gebietes Len<strong>in</strong>grad, e<strong>in</strong>e sich west-östlich erstreckende Teilfläche mit<br />
Teilen der Niederlande, Belgiens, Deutschlands, Tschechiens und der Slowakei sowie zweier<br />
kle<strong>in</strong>er Teilflächen <strong>in</strong> der Schweiz und Kroatien.<br />
Die Beziehung zwischen dem Schwefelvorrat <strong>in</strong> der organischen Auflage und sieben Umwelt-<br />
und Standortfaktoren – klassifizierter Bodentyp, Baumartengruppe, Meereshöhe, pH-Wert <strong>in</strong><br />
der organischen Auflage, mittlerer Jahresniederschlag und mittlere Jahrestemperatur – wurde<br />
mit e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong>en l<strong>in</strong>earen Regressionsmodell mit schrittweiser Variablenselektion und<br />
mit der Methode des Regressionsbaumes (recursive partition<strong>in</strong>g) untersucht. Die Regressionsanalyse<br />
bestimmte den pH-Wert, die Baumartengruppe und die mittlere Jahrestemperatur als<br />
signifikante Variablen, die zusammen <strong>in</strong>sgesamt 64,2 % der Varianz des Schwefelvorrats erklären,<br />
wobei dem pH-Wert der weitaus größte Anteil der Erklärung zukommt. Der Regressi-<br />
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BFH-Nachrichten 2/2004 x<br />
onsbaum erklärte ca. 73 % der Varianz und bestätigte den schon durch die Regressionsanalyse<br />
gefundenen dom<strong>in</strong>anten Erklärungsbeitrag des pH-Wertes. Im Gegensatz zur Regressionsanalyse<br />
konnte jedoch die Baumartengruppe nicht als erklärender Faktor bestätigt werden.<br />
Statt dessen erhöhte <strong>in</strong> dieser Analyse die Jahresmitteltemperatur ihren Erklärungsbeitrag und<br />
zudem tauchte der mittlere Jahresniederschlag als erklärende Variable auf.<br />
Beide Analysen erkennen den dom<strong>in</strong>anten Effekt des pH-Wertes, dessen niedrige Ausprägung<br />
e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> Effekt <strong>von</strong> langjähriger Schwefeldeposition und –akkumulation und der damit<br />
verbundenen Versauerung se<strong>in</strong> kann. Andererseits ist <strong>in</strong> sauren Böden die M<strong>in</strong>eralisierung<br />
verlangsamt, was zu höheren Schwefelvorräten führen kann. Aus den beiden Analysen wird<br />
aber auch deutlich, dass die räumliche Verteilung der Beobachtungsflächen e<strong>in</strong>en statistischen<br />
Bias mit sich br<strong>in</strong>gt: So kann der positive Effekt e<strong>in</strong>er höheren Temperatur auf den Schwefelvorrat<br />
nicht kausal-mechanistisch bestätigt werden, denn mit ansteigender Temperatur nimmt<br />
– <strong>in</strong> humidem Klima – die M<strong>in</strong>eralisierung zu. Der gefundene Effekt der Temperatur dürfte<br />
vielmehr e<strong>in</strong> Artefakt der Ko<strong>in</strong>zidenz niedriger Temperaturen und niedriger Schwefeldeposition<br />
<strong>in</strong> Teilen Skand<strong>in</strong>aviens se<strong>in</strong>.<br />
Diese teilweise fehlende kausal-mechanistische Erklärung ist jedoch für die <strong>Extrapolation</strong> der<br />
Ergebnisse auf die Level-I-Flächen nicht relevant, denn die Level-I-Flächen <strong>in</strong>nerhalb des<br />
räumlichen Def<strong>in</strong>itionsbereichs dürften e<strong>in</strong>en gleichgerichteten räumlichen Bias des Variablengefüges<br />
aufweisen.<br />
Innerhalb des räumlichen Def<strong>in</strong>itionsbereich der Modelle – Regression und Regressionsbaum<br />
- wurden 712 Level-I-Beobachtungsflächen gefunden, für die auch die signifikant erklärenden<br />
Variablen erhoben wurden. Die <strong>Extrapolation</strong> der Ergebnisse aus dem Regressionsbaum ergab<br />
e<strong>in</strong>e deutliche Veränderung der statistischen Verteilung des Schwefelvorrats <strong>in</strong> der organischen<br />
Auflage zwischen den beiden Monitor<strong>in</strong>gnetzen. Auf Level I s<strong>in</strong>d die Extremwerte <strong>in</strong><br />
weitaus ger<strong>in</strong>gerem Umfang vertreten als auf Level II. Zudem ist auf Level I der durchschnittliche<br />
Schwefelvorrat niedriger.<br />
Diese Ergebnisse des Transfers unterstützen - als Mehrwert der Verknüpfung der Monitor<strong>in</strong>gnetze,<br />
im Gegensatz zur s<strong>in</strong>gulären Betrachtung der Monitor<strong>in</strong>gnetze - e<strong>in</strong>e abgewogenere<br />
E<strong>in</strong>schätzung der wirklichen Belastungssituation. (abgeschlossen)<br />
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