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Magazin #22 - Der Club zu Bremen

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6,00 Euro<br />

<strong>Magazin</strong> <strong>#22</strong><br />

2013<br />

Wiedereröffnung der <strong>Club</strong>-Gastronomie<br />

Wols – ein geheimnisvoller Künstler<br />

Kakao und die Nachhaltigkeitsdebatte<br />

Graben für Germania<br />

Friedrich Engels in <strong>Bremen</strong><br />

Jubiläum 50 Jahre Haase & Knels<br />

Inselbesuch St. Helena<br />

Ladenhüter: Ein Bremer Möbelhändler erzählt


Manche Kunden sind seit<br />

Jahren bei uns. Andere schon<br />

seit Generationen.<br />

Private Exzellenz. Seit 1825.<br />

Exzellentes Private Banking beginnt mit einem Anruf:<br />

0421 179-1825<br />

g


Themen<br />

<strong>Der</strong> <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong><br />

<strong>Bremen</strong><br />

Dr. Rüdiger Grube 2<br />

Dirk Roßmann 8<br />

Veranstaltungen 12<br />

<strong>Der</strong> Juniorenkreis 14<br />

Neujahrsempfang 16<br />

Mitgliederversammlung 18<br />

Wiedereröffnung <strong>Club</strong>-Gastronomie 20<br />

ABC Interview: Christian Weber 28<br />

<strong>Der</strong> geheimnisvolle Wols 30<br />

Die Karin und Uwe Hollweg-Stiftung 38<br />

Alle Wege führen in die Böttcherstraße 42<br />

Wirtschaft<br />

Reisen<br />

Kultur<br />

<strong>Der</strong> Ladenhüter 48<br />

Kakao als Krisenbarometer 52<br />

<strong>Der</strong> siebte Kontinent: St. Helena, mon amour 58<br />

Archäologie unterm Hakenkreuz 66<br />

Bremer Geschichte<br />

Friedrich Engels in <strong>Bremen</strong> 70<br />

Literatur<br />

Gerald Sammet rezensiert 76<br />

Impressum<br />

Herausgeber und Chefredakteur<br />

Rüdiger Hoffmann<br />

Autoren<br />

Gerald Sammet, Pia Schreiber, Johannes C. Schmid,<br />

Rüdiger Hoffmann, Milan Unglaub, Frederiece Baack,<br />

Franz Ganss, Haase & Knels<br />

Titelbild<br />

Wols, Tête fantastique, um 1936/37, Karin und Uwe Hollweg-<br />

Sammlung<br />

Fotos<br />

Frank Pusch, Michael Bahlo, Peter de Lippe, Kunsthalle<br />

<strong>Bremen</strong>, Focke-Museum, Rüdiger Hoffmann, Gerald Sammet,<br />

Haase & Knels, Bremer HACHEZ Chocolade GmbH & Co. KG<br />

Gestaltungskonzept<br />

rahe+rahe design<br />

Satz<br />

Kolorit <strong>Bremen</strong> GmbH<br />

Druck<br />

BerlinDruck GmbH + Co KG, Achim<br />

Verlag und Redaktion<br />

media projects<br />

public relations GmbH<br />

Feldmannstraße 4, 28355 <strong>Bremen</strong><br />

Tel. 0421 3648000, Fax. 0421 3648002<br />

dr.hoffmann@media-projects-bremen.de<br />

www.media-projects-bremen.de<br />

1<br />

Be<strong>zu</strong>gspreis: 6,00 Euro<br />

Nächste Ausgabe: Dezember 2013<br />

Dieses <strong>Magazin</strong> und alle in ihm enthaltenen<br />

Beiträge sind urheberrechtlich geschützt.<br />

Nachdruck, auch aus<strong>zu</strong>gsweise, nur mit<br />

Genehmigung des Herausgebers.<br />

Bei Veröffentlichung wird nur presserechtlich<br />

Verantwortung übernommen.<br />

Die Lieferung des <strong>Magazin</strong>s „<strong>Club</strong>“ ist im<br />

Mitgliedsbeitrag des <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong> enthalten.<br />

Mit freundlicher Unterstüt<strong>zu</strong>ng des <strong>Club</strong> <strong>zu</strong><br />

<strong>Bremen</strong> e.V.


2<br />

<strong>Der</strong> <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong><br />

Bahnchef <strong>zu</strong>m Anfassen<br />

Dr. Rüdiger Grube


Rüdiger Hoffmann<br />

Wer diesen Mann einmal live vor Publikum erlebt hat, vergisst<br />

alle Vorurteile über dröge Manager in langweiligen Nadelstreifen.<br />

Dr. Rüdiger Grube hat ein in seiner Gilde äußerst seltenes<br />

Kommunikationstalent. Er spricht fehlerfrei und wortgewandt.<br />

Sein Vortrag ist fakten-, vor allem zahlensicher. Ein Manuskript<br />

hat er, legt es aber beiseite. Sein waches Gespür für dramaturgische<br />

Effekte, gespickt mit rhetorischen Finessen bezieht sein<br />

Publikum stets ein und spart nicht an artigen Komplimenten.<br />

Sprachartistik vermeidet er. Seine Sprache ist direkt und schnörkellos,<br />

drastische Formulierungen sind ihm nicht fremd. Die mehr<br />

als einhundertfünfzig <strong>Club</strong>mitglieder hatte er nach wenigen Minuten<br />

auf seine Seite gezogen. Über eine Stunde lang bombardierte<br />

er sie mit einer Kanonade aus Zahlen, Zusammenhängen,<br />

Geschichten und Geschichtchen, immer den <strong>Bremen</strong>-Be<strong>zu</strong>g im<br />

Auge, fast könnte man den Eindruck gewinnen, <strong>Bremen</strong> gehöre<br />

<strong>zu</strong> den Top Themen der Bahnpolitik. „Meine Damen und Herren,<br />

an <strong>Bremen</strong> führt kein Weg vorbei.“ Die Bremer Häfen seien, wie<br />

alle norddeutschen Seehäfen, die <strong>zu</strong>kunftsträchtigen Wachstumssäulen<br />

für die deutsche Wirtschaft. Innerhalb des Transport-<br />

und Logistikbereichs der Deutschen Bahn sei die Seefracht<br />

derzeit neben der Kontraktlogistik das Geschäft mit den stärksten<br />

Wachstumsraten. Allein im vergangenen Jahr hat die Deutsche<br />

Bahn von und nach <strong>Bremen</strong> 8 Millionen Tonnen Güter auf<br />

der Schiene transportiert. Auch die Zahlen des Personenverkehrs<br />

könnten sich sehen lassen, unterstrich der Bahnchef. Allein in<br />

<strong>Bremen</strong> hätten im vergangenen Jahr über 4 Millionen Fahrgäste<br />

den Regionalverkehr genutzt. Im Fernverkehr seien es <strong>zu</strong>sätzlich<br />

2,2 Millionen. Die Achse Hamburg – <strong>Bremen</strong> – Köln – Stuttgart<br />

sei die erste Fernverkehrslinie, auf der die modernisierten, komfortablen<br />

IC-Wagen im Einsatz seien. Nur in <strong>Bremen</strong> seien im<br />

vergangenen Jahr rund 44 Millionen Euro in das Schienennetz,<br />

die Bahnhöfe und die Energieanlagen investiert worden. Insgesamt<br />

beschäftige die Deutsche Bahn 2600 Mitarbeiter in<br />

<strong>Bremen</strong>. Erinnert man sich noch an den Vorgänger von Rüdiger<br />

Grube, an den Poltergeist Mehdorn, der jetzt den Flughafen Berlin<br />

<strong>zu</strong> Ende bauen darf?<br />

3<br />

„Im knien kann man sich nicht die Hose anziehen“ und „mit<br />

einem Wattebauschschieber können Sie keine Bahn sanieren, da<br />

müssen sie schon einer sein, auf dessen Pfiff man hört und wenn<br />

es nicht so ist, dann rumpelt es im Karton“, das war Originalton<br />

Hartmut Mehdorn, als er sich noch öffentlich beklagen durfte,<br />

immer nur Bahnchef Mehdorn genannt <strong>zu</strong> werden und nicht Hartmut<br />

Mehdorn. Sein Job habe ihn seinen Vornamen gekostet, hatte<br />

er sich beschwert. Seit Mai 2009 heißt der neue Bahnchef Dr.<br />

Rüdiger Grube. Und der wirkt wie ein pfiffiger Gegenentwurf <strong>zu</strong><br />

dem robusten Mehdorn, dessen hemdsärmlige Prosa Freund und<br />

Feind nicht selten vor den Kopf gestoßen hat. Kaum aus<strong>zu</strong>denken,<br />

wie sich die Debatte um Stuttgart 21 entwickelt hätte,<br />

wenn der „Schienenrambo“ Mehdorn den Chefsessel bei der Bundesbahn<br />

wegen einer Spitzel-Affäre im Unternehmen nicht vorzeitig<br />

hätte räumen müssen. Und jetzt Dr. Rüdiger Grube. Er<br />

scheint bisher im Stuttgarter Bahnhofsstreit alles richtig gemacht<br />

<strong>zu</strong> haben. Als Bahnchef hält er sich weitgehend raus aus<br />

dem Kampfgetümmel mit immer neuen Fronten. Ist kaum an-


4<br />

<strong>Der</strong> <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong><br />

Bahnchef <strong>zu</strong>m Anfassen<br />

greifbar. Hat sich aus der Schusslinie genommen. Das Bahn-Gesicht<br />

für Stuttgart 21 heißt Volker Kefer und ist Infrastrukturvorstand<br />

im Unternehmen. Krisenkommunikation aus dem Lehrbuch.<br />

<strong>Der</strong> Chef bleibt in Deckung. Die Prügel bekommen andere. Raum<br />

und Zeit für den Vorstandsvorsitzenden, die Dinge unter der<br />

Decke voran<strong>zu</strong>treiben. Und das kann er. Geduldig <strong>zu</strong>hören. Verständnis<br />

für andere Positionen und Interessen haben, die Dinge<br />

nicht übers Kreuz brechen. „Man muss immer so fahren, dass<br />

man arbeits- und dialogfähig bleibt, das gilt für Freund und<br />

Feind“, davon ist Rüdiger Grube überzeugt. Mit Hartmut Mehdorn<br />

ist er nach wie vor befreundet. Von Anfang an hat er eben<br />

alles anders gemacht als Mehdorn. Ein Gegenentwurf eben. Er,<br />

der gerne mit den Leuten redet, kaum eine Gelegenheit auslässt,<br />

seine Mitarbeiter auf Bahnhöfen, in Zügen oder Büros an<strong>zu</strong>sprechen,<br />

nach ihren Sorgen <strong>zu</strong> fragen, war von Anfang an und aus<br />

Überzeugung auch freundlich <strong>zu</strong> Politikern, die beim Thema<br />

Bahn etwas <strong>zu</strong> sagen haben. Das Verhältnis <strong>zu</strong>m Bundesverkehrs-<br />

minister pflegt er, parlamentarischen<br />

Ausschüssen begegnet er mit Respekt.<br />

<strong>Der</strong> SPIEGEL schrieb in diesem Jahr: „Bis<br />

heute ist es fast unmöglich, jemanden in<br />

Berlin <strong>zu</strong> treffen, der ein böses Wort über<br />

den Bahn-Chef verliert.“ Rüdiger Grube<br />

scheint ein feines Gefühl dafür <strong>zu</strong> haben,<br />

wie Politik tickt. Dass die Entscheidungswege<br />

in der Politik lang sind, weiß er aus<br />

seiner früheren Tätigkeit als Chairman<br />

des Boards of Directors beim europäischen<br />

Luft- und Raumfahrtunternehmen<br />

EADS. Rüdiger Grube kommt aus kleinen<br />

Verhältnissen, hat sich mit Fleiß und<br />

Disziplin hochgearbeitet. Mit einem<br />

Stolz, dem viel Selbstverständliches anhaftet,<br />

aber auch Dank, dass das Schicksal<br />

es mit ihm am Ende so gut gemeint<br />

hat, erzählt er von seiner Mutter und dem Bauernhof, davon,<br />

dass er nie Abitur gemacht habe, aber neun Jahre die Hauptschule<br />

besuchen konnte. Mit anpacken musste er. „Schule war so<br />

überflüssig wie irgendetwas. Dann habe ich meinen Realschulabschluss<br />

gemacht und eine Lehre begonnen. Durch eine Jugendzeitung,<br />

für die ich geschrieben habe, wurde die Inhaberfamilie<br />

von Blohm & Voss auf mich aufmerksam. Als diese hörte, dass<br />

ich gerne Fahrzeugbau- und Flugtechnik studieren würde, aber<br />

das Geld fehlte, weil ich meine Familie unterstützen musste, rief<br />

mich der Alte an und bot mir 300 DM monatlich an, wenn ich in<br />

den Semesterferien für Blohm & Voss arbeiten würde. Ich habe<br />

dann studiert, habe mir selbst das beigebracht, was fehlte, Mathematik<br />

und Sprachen. Damals habe ich meiner Mutter übel genommen,<br />

dass der Weg für mich so schwer war. Heute weiß ich,<br />

damals, auf dem Bauernhof meiner Mutter, habe ich etwas mitbekommen,<br />

was man in der Schule nur begrenzt lernen kann.<br />

Glaubwürdigkeit, Respekt, Leidenschaft, Authentizität und die


Wertschät<strong>zu</strong>ng dem Anderen gegenüber.“<br />

Werte, die Rüdiger Grube als Bahnchef<br />

jetzt auch seinem Unternehmen verordnet<br />

hat. „Ganz an der Spitze meiner Aufgaben<br />

steht der Auftrag, das Vertrauen<br />

der Mitarbeiter und der Kunden <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>gewinnen.“<br />

Wie aus dem Ei gepellt<br />

steht der Herr über mehr als 200 000<br />

Mitarbeiter an diesem Abend vor uns.<br />

Dezente Klassik in der Kleidung, Kümmerer-Charme<br />

bei allen Fragen der <strong>Club</strong> mitglieder.<br />

Rüdiger Grube gilt als Arbeitstier,<br />

als Mann der Zahlen, als Systematiker<br />

und als Freund der Folienpräsentation.<br />

Rund zwei Tage in der Woche ist er in<br />

seinem Berliner Büro, die restlichen Tage<br />

unterwegs. „Ich bin Workaholic und da<strong>zu</strong><br />

stehe ich. Freizeit kenne ich kaum. Wenn<br />

es sein muss, kann der Manager Grube auch beinhart reagieren.<br />

Beim personellen Umbau der Bahnführung infolge des Datenskandals<br />

hat er gezeigt, dass in diesem Unternehmen kein Stein<br />

auf dem anderen bleiben muss. Den gesamten Vorstand hat er<br />

ausgetauscht. Die auf Mehdorn <strong>zu</strong>geschnittenen Strukturen hat<br />

er aufge brochen. Früher musste, wie er kopfschüttelnd erzählt,<br />

„jede Einstellung eines Lockführers“ und „jeder Beratervertrag<br />

über 25000 Euro Honorar“ im Vorstand entschieden werden. Bis<br />

<strong>zu</strong> 100 Tagesordnungspunkte haben jede Vorstandssit<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> einer<br />

Marathonveranstaltung gemacht. Jetzt wird delegiert. Einmal<br />

im Monat trifft die gesamte Führungsebene (Vorstand und<br />

Geschäftsfeldleiter), inklusive Personalchef <strong>zu</strong>sammen und wenn<br />

es Probleme gibt, dann, so Grube, „steuern wir gemeinsam gegen.“<br />

Keine leichte Aufgabe in einem solchen Mammutunternehmen.<br />

Mittlerweile ist der Deutsche Bahn Konzern weltweit mit<br />

290 000 Mitarbeitern in 130 Ländern aufgestellt. Allein in<br />

Deutschland beschäftigt das Unternehmen 190 000 Menschen.<br />

5<br />

Für die nächsten zehn Jahre sucht die Bahn 38 000 Mitarbeiter.<br />

Und Probleme gibt es genug. Probleme mit der Zugtechnik, veralterten<br />

Modellen, brummigem Personal und einem Schienennetz,<br />

das mit veraltert beinahe liebevoll beschrieben ist. Für den<br />

Fahrgast läuft dies alles am Ende auf zwei Reizthemen hinaus:<br />

Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Wer hätte dabei nicht schon<br />

seine eigenen Erfahrungen auf der Schiene gemacht. Rüdiger<br />

Grube rechnet vor: „Wenn wir nur 1 % unpünktlich wären, dann<br />

hätten wir die beste Pünktlichkeit auf der ganzen Welt. Aber was<br />

bedeutet das? Wir transportieren jeden Tag 7,3 Millionen Menschen,<br />

das sind genauso viel Menschen wie die Lufthansa in<br />

einem ganzen Jahr transportiert. Wenn wir diese 7,3 Millionen<br />

Menschen mal 365 Tage nehmen, kommen wir auf die stolze Zahl<br />

von 2,7 Milliarden Menschen, das sind mehr als alle Chinesen<br />

und alle Inder auf einem Haufen. Da<strong>zu</strong> kommen im Übrigen noch<br />

1,5 Millionen Tonnen Fracht pro Tag, aber bleiben wir bei den<br />

Menschen. 1 % Unpünktlichkeit bei 7,3 Millionen Fahrgästen pro


6<br />

<strong>Der</strong> <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong><br />

Bahnchef <strong>zu</strong>m Anfassen<br />

Tag bedeuten 73000 Menschen pro Tag, die eine schlechte Erfahrung<br />

gemacht haben. Wenn man dann in Rechnung stellt, dass<br />

der Mensch geneigt ist, schlechte Erfahrungen intensiver in Erinnerung<br />

<strong>zu</strong> behalten als den Normalfall, so ist dies eine gar nicht<br />

so schlechte Erklärung für eine gewisse negative Grundstimmung<br />

in der Bevölkerung.“ Dass im Sommer ausgefallene Klimaanlagen<br />

und im Winter ausgefallene Hei<strong>zu</strong>ngen für die Presse stets ein<br />

gefundenes Fressen sind, vergisst Rüdiger Grube nicht <strong>zu</strong> erwähnen.<br />

Nur, das sage ich ihm, dass muss jeder aushalten, der sich<br />

in der Öffentlichkeit bewegt. Hund beißt Briefträger ist eben<br />

keine Meldung, aber Briefträger beißt Hund, macht Schlagzeilen.<br />

Und wenn dann die Bahn, so wie in der Vergangenheit, sei es<br />

über das Personal vor Ort oder über die Konzernkommunikation,<br />

nicht unbedingt geschickt reagiert, gelegentlich sogar tölpelhaft,<br />

muss sich die Bahnführung nicht wundern. Rüdiger Grube<br />

weiß, neben Technik und Schienennetz ist das Verhalten der<br />

Bahnmitarbeiter im Kontakt mit dem Fahrgast immer noch die<br />

Achillessehne des Unternehmens. Den Schlüssel <strong>zu</strong> einem besseren<br />

Image haben die Mitarbeiter selbst in der Hand. „Gelingt es<br />

uns“, sagt er, „die Mitarbeiter<strong>zu</strong>friedenheit <strong>zu</strong> steigern, haben<br />

wir automatisch positive Effekte auf den Kunden.“<br />

Eine Marathonaufgabe für den Marathonläufer Grube. Dieser<br />

Mann läuft jeden Tag. „Für weitere Hobbys habe ich keine Zeit<br />

mehr“, erzählt er. „Ich laufe möglichst jeden Tag mindestens<br />

10 Kilometer, und dabei zweimal in der Woche einen Halbmarathon.“<br />

<strong>Der</strong> einundsechzigjährige Grube hat so in den letzten<br />

40 Jahren die Welt mehr als dreimal umrundet. Laufen ist wie<br />

Meditation, meint er. „Beim Laufen werden die Gedanken klar,<br />

wer läuft trifft bessere Entscheidungen“, behauptet er, um am<br />

Ende seines Vortrages noch einmal <strong>zu</strong> betonen, „meine Damen<br />

und Herren, an <strong>Bremen</strong> führt kein Weg vorbei.“


DIE BEREIT KÜRZESTE FÜR GROSSE VERBINDUNG AUFGABEN. JE-<br />

IST DIE GERADE<br />

DERZEIT. ÜBERALL. BLG<br />

www.blg.de


8<br />

<strong>Der</strong> <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong><br />

<strong>Der</strong> Drogeriekönig<br />

Dirk Roßmann


Franz Ganss<br />

Weil der Vortragssaal im Schütting <strong>zu</strong> klein war, musste der <strong>Club</strong><br />

<strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong> für den Vortrag von Dirk Roßmann, Gründer und Geschäftsführer<br />

der inhabergeführten Drogeriekette Rossmann in<br />

den Konferenzsaal des Hilton Hotels ausweichen. Knapp 200 Mitglieder<br />

des <strong>Club</strong>s und ihre Gäste waren gekommen, um den Chef<br />

der zweitgrößten Drogeriemarktkette Deutschlands, den Herren<br />

über 1800 Filialen mit 26 000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz<br />

von fast 6 Milliarden Euro kennen <strong>zu</strong> lernen.<br />

Und der 1946 in Hannover Geborene entschuldigte sich erst einmal,<br />

dass er kein Manuskript mitgebracht habe. Er hätte so viel<br />

Interessantes <strong>zu</strong> erzählen, dass er stundenlang vortragen könnte<br />

über sein Leben, seine Arbeit, seine Geschäfte, sein unternehmerisches<br />

Selbstverständnis, seine Moral und sein Verhältnis <strong>zu</strong>r<br />

Politik und, und, und. „Bitte Herr Vorsitzender, unterbrechen Sie<br />

mich, wenn ich <strong>zu</strong> lang oder ausschweifend werde.“ Um es vorweg<br />

<strong>zu</strong> nehmen, Dirk Roßmann wurde nicht unterbrochen. Als er<br />

nach knapp eineinhalb Stunden selbständig <strong>zu</strong>m Ende kam, war<br />

eher Bedauern der Zuhörer <strong>zu</strong> spüren. Gerne hätte man ihm, der<br />

so lebendig und unverstellt sein Publikum mit immer neuen Geschichten<br />

traktiert, noch weiter <strong>zu</strong>gehört.<br />

Wie er 1972 seinen ersten Drogeriemarkt mit Selbstbedienung<br />

nahe der Lister Meile in Hannover gründete und selbst überrascht<br />

war, dass die Monatsumsätze von Anfang an das Zehnfache<br />

dessen betrugen, was er vorsichtig kalkuliert hatte. <strong>Der</strong><br />

Mann, der sich <strong>zu</strong>m Frühstück am liebsten ein Müsli und einen<br />

grünen Tee gönnt, habe schon als Kind gewusst, dass er später<br />

einmal etwas Großes machen werde. Sein erstes Geld im Handel<br />

verdiente er als Schüler mit dem Verkauf von Drogeriewaren aus<br />

der elterlichen Drogerie an Nachbarn. Gewinn 10 Prozent, das<br />

hat Appetit auf mehr gemacht. Nach der Volksschule absolvierte<br />

er eine Lehre im elterlichen Geschäft, um nach dem Tod des früh<br />

verstorbenen Vaters die Verantwortung in der kleinen Drogerie<br />

<strong>zu</strong> übernehmen. Dass er ein eigenständiger, nicht selten auch<br />

eigenwilliger Kopf ist, bekam die Bundeswehr <strong>zu</strong> spüren. Weil er<br />

9<br />

mit Erreichen der Volljährigkeit von der Bundeswehr ohne Rücksicht<br />

auf seine Verantwortung im elterlichen Betrieb eingezogen<br />

wurde, leistete er subtilen Widerstand. „Angesichts der Tatsache,<br />

dass ich der einzige Ernährer meiner Familie war, fühlte ich mich<br />

<strong>zu</strong> Unrecht eingezogen“, erzählt er. Seine Klage gegen den Einberufungsbescheid<br />

zog sich hin und so führte er in der Kaserne<br />

grundsätzlich keine Befehle seiner Vorgesetzten aus. Statt dessen<br />

wiederholte er Tag ein Tag aus seine stereotype Ansage: „Mein<br />

Name ist Dirk Roßmann und ich klage gegen die Bundesrepublik<br />

Deutschland.“ Daraufhin sei er in die Nervenklinik Langenhagen<br />

verbracht worden, wo er nach vier Wochen entlassen wurde,<br />

nicht nach Hause, sondern <strong>zu</strong> seiner Einheit. Dort stieg er, so<br />

erzählt er schmunzelnd seinen Bremer Zuhörern, auf den höchsten<br />

Baum der Kaserne, um den Feldjägern, die ihn <strong>zu</strong>m Abstieg<br />

veranlassen wollten, mit<strong>zu</strong>teilen, dass er freiwillig erst herunterkäme,<br />

wenn er die Zusage hätte, in seine Drogerie entlassen <strong>zu</strong><br />

werden. Das geschah an seinem Geburtstag.<br />

Diese Geschichte erzählt Roßmann gerne, um Mut <strong>zu</strong> machen,<br />

dem Staat auch einmal Paroli <strong>zu</strong> bieten. Die Kasernenepisode<br />

erzählt aber auch viel über Dirk Roßmann, seine Kämpfernatur,<br />

seine Unerschrockenheit, steile Wege <strong>zu</strong> gehen und sein schier<br />

grenzenloses Selbstbewusstsein. Wenn andere Romane gelesen<br />

hätten, habe er Kant, Hegel und andere deutsche Geistesgrößen<br />

studiert. Und nicht nur ein Buch. Wenn ihn ein Philosoph gepackt<br />

hätte, habe er nicht ruhen können, bevor er alle bedeutenden<br />

Werke dieses Klassikers gelesen hätte. Offen erzählt er<br />

auch von schweren Stunden. 1996 habe die Expansion seiner<br />

Drogeriemarktkette so viel Kapital verschlungen, dass die Banken<br />

unruhig wurden und angesichts der „hohen Verschuldung“<br />

einen „tierischen Druck“ gemacht hätten. <strong>Der</strong> erfolgverwöhnte<br />

Roßmann bekam einen Herzinfarkt. Die Lektion aus diesen Tagen<br />

habe er gelernt.<br />

Seine Beziehung <strong>zu</strong> dem ehemaligen Konkurrenten Anton Schlecker<br />

sei nach wie vor gut. „Unser Verhältnis ist freundschaft-


10<br />

<strong>Der</strong> <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong><br />

<strong>Der</strong> Drogeriekönig<br />

lich“, erzählt der 67-Jährige, dessen jugendli ches Temperament<br />

so gar nicht <strong>zu</strong> seinem seniorigen Aussehen <strong>zu</strong> passen scheint.<br />

Zum Jahreswechsel 1990/91 wollte Roßmann für zwei Millionen<br />

DM Hilfspakete nach Russland schicken. Damals habe er Anton<br />

Schlecker angerufen, ob er mit 250.000 DM mitmache. „Dirk“,<br />

habe der gesagt, „morgen hast Du das Geld auf dem Konto“; und<br />

obendrein habe Schlecker auch noch fünf Sattelschlepper für<br />

den Transport bereitgestellt. Und dann zitiert er Dostojewsky.<br />

„Menschen können verschiedene Seiten haben.“ Anton Schlecker<br />

habe letztendlich einen ähnlichen Fehler gemacht wie das Management<br />

von Karstadt. Karstadt sei einst eine Macht gewesen<br />

in Deutschland und eine starke Marke. Aber es fehlte der nötige<br />

Respekt vor der Zukunft, um die notwendigen Veränderungsprozesse<br />

ein<strong>zu</strong>leiten. „Wie heiße es so schön“, fragt der Drogeriekö-<br />

Im ATLANTIC Grand Hotel · Bredenstr. 2 · 28195 <strong>Bremen</strong><br />

Telefon (0421) 620 62-533 · www.restaurant-alto.de<br />

nig sein Bremer Publikum. „Nur wenn wir uns verändern, bleibt<br />

alles so, wie es ist.“ Das gelte nicht nur für die Arbeit, sondern<br />

auch für das Leben. Beides sei ein Prozess. Roßmann nennt ein<br />

Beispiel aus seinem Geschäft.<br />

Als Ende der neunziger Jahre die Eigenmarken aufkamen, war das<br />

eine Revolution. Er habe voll auf diesen Trend gesetzt. „Alles in<br />

Allem haben wir uns neu erfunden“, berichtet er. Bioprodukte,<br />

Wein, Spiel- und Schreibwaren haben wir in unser Sortiment genommen<br />

und dabei die Filialen vergrößert und modernisiert.“<br />

Früher sei eine Filiale oft nur 200 Quadratmeter groß gewesen,<br />

heute seien es gut 650 Quadratmeter. „Wir haben immer noch <strong>zu</strong><br />

viele kleine Läden und so machen wir jedes Geschäft mit unter<br />

100 000 Euro Umsatz im Jahr <strong>zu</strong>. Dafür eröffnen wir größere, die<br />

viel mehr Umsatz machen können.“ Gerne gibt Roßmann <strong>zu</strong>, dass<br />

HEIMWEH<br />

Vertrautes, das überrascht. Erinnerungen an<br />

Lieblingsgerichte, die sich mit kulinarischer<br />

Neugier mischen. Willkommen daheim im alto.


auch er, um Arbeitsprozesse, wie Regale befüllen, so effizient<br />

wie möglich <strong>zu</strong> organisieren, mit Subunternehmern <strong>zu</strong>sammen<br />

arbeite, legt jedoch Wert auf die Feststellung, dass immerhin<br />

93 Prozent seiner Mitarbeiter fest angestellt sind. Dass ihm<br />

seine Familie sehr viel bedeutet, erwähnt er immer wieder. Die<br />

beiden Söhne nähmen ihre Verantwortung im Unternehmen selbständig<br />

wahr. <strong>Der</strong> Jüngere, Raoul, kümmere sich um den Non-<br />

Food-Einkauf in Asien und der Ältere, Daniel, sei für die Expansionspläne<br />

des Unternehmens verantwortlich.<br />

Ungeachtet seines Alters, „ich bin top fit“ möchte er noch eine<br />

Weile die Zügel im Unternehmen in der Hand behalten, strebt<br />

gleichwohl einen „weichen“ Übergang <strong>zu</strong>r Generation seiner<br />

Söhne an. Oft werde ihm vorgeworfen, er stehe <strong>zu</strong> häufig in der<br />

Öffentlichkeit, mische sich in Interviews und Talk Shows in die<br />

FERNWEH<br />

À la carte die Welt bereisen. Von den entferntesten Orten<br />

kosten. Bleiben, wo es schmeckt.<br />

Willkommen unterwegs im alto.<br />

11<br />

Tagespolitik ein. Ja, da<strong>zu</strong> stehe er. „Ich stehe gerne in der<br />

Öffentlichkeit und übernehme Verantwortung für das, was ich<br />

sage.“ Es gehe in diesen Zeiten darum, dass Deutschland und<br />

sein Gesellschaftssystem „ein total fragiles Gebilde“ sei. Die<br />

Euro-Krise habe dies gezeigt. Insofern sei es wichtig, dass<br />

erfolgreiche Unternehmer sich öffentlich <strong>zu</strong>r Politik äußern, egal<br />

ob in Talk-Shows oder Interviews. Das habe nichts mit Eitelkeit<br />

<strong>zu</strong> tun. Es zeige lediglich, dass solche Unternehmer sich als ein<br />

in der Verantwortung stehender Teil der Gesellschaft verstehen.<br />

Dirk Roßmann hat noch viel vor. Allein in diesem Jahr möchte er<br />

250 neue Drogeriemärkte im In- und Ausland eröffnen. Noch<br />

scheint der umtriebige Vorzeigeunternehmer nicht aufgegeben<br />

<strong>zu</strong> haben, seinem Rivalen DM nicht nur auf den Fersen <strong>zu</strong> bleiben,<br />

sondern irgendwann einmal die eine Milliarde Euro mehr an<br />

Umsatz <strong>zu</strong> machen, die ihm DM <strong>zu</strong>rzeit noch voraus hat.<br />

Im ATLANTIC Grand Hotel · Bredenstr. 2 · 28195 <strong>Bremen</strong><br />

Telefon (0421) 620 62-533 · www.restaurant-alto.de


12<br />

<strong>Der</strong> <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong><br />

Veranstaltungen<br />

Klaus-Peter Siegloch<br />

Präsident des Bundesverbandes der<br />

Deutschen Luftverkehrswirtschaft<br />

Herausforderungen für den Luftverkehr<br />

6. Februar 2013<br />

Einführung: Dr. Rüdiger Hoffmann<br />

Dr. Henrik Jäger<br />

Sinologe, Philosoph und Autor<br />

Konfuzius als Katalysator der Aufklärung<br />

27. Februar 2013<br />

Einführung: Prof. Dr. Wiebke Ahrndt<br />

Jürgen L. Born<br />

Zwischen Werder <strong>Bremen</strong> und Südamerika<br />

6. März 2013<br />

Einführung: Dr. Martin Klinkhammer


KUNSTHALLE BREMEN<br />

WOLS<br />

Mit freundlicher Unterstüt<strong>zu</strong>ng der<br />

Kunsthalle<br />

<strong>Bremen</strong><br />

13. 4. bis<br />

11. 8. 2013<br />

13<br />

Wols: Le fantôme bleu (Das blaue Phantom) (Detail), 1951, Museum Ludwig Köln, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, © VG Bild-Kunst, Bonn 2013


<strong>Der</strong> Juniorenkreis im <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong><br />

Juniors meet Senators<br />

Erfolgreiche neue Vortragsreihe im Juniorenkreis<br />

Von Pia Schreiber (mit freundlicher Unterstüt<strong>zu</strong>ng von Annabel Brown)<br />

Viele große Projekte und interessante Innovationen beginnen<br />

mit einer fixen Idee. Genauso war es bei der neuen Vortragsreihe<br />

des Juniorenkreises: Im Vorstand kam Mitte 2012 der Gedanke<br />

auf, den Mitgliedern die Möglichkeit <strong>zu</strong> geben, sich direkt und<br />

regelmäßig mit Bremer Politikern aus<strong>zu</strong>tauschen. Und warum<br />

nicht gleich ganz oben anfangen und die Senatoren ansprechen?<br />

Gewagt? Ja, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt ... Sie wissen<br />

ja ...<br />

<strong>Der</strong> Vorstand entschied sich für eine direkte Ansprache der<br />

(damaligen) SenatorInnen Karoline Linnert, Dr. Joachim Lohse,<br />

Ulrich Mäurer, Anja Stahmann, Martin Günthner, Jens Böhrnsen<br />

und Renate Jürgens-Pieper. Annabel Brown übernahm es als<br />

Vorstandsvorsitzende des Juniorenkreises, den SenatorInnen<br />

<strong>zu</strong>nächst das schon etablierte Format „Juniors meet Seniors“,<br />

bei dem Mitglieder des Juniorenkreises auf Mitglieder des <strong>Club</strong><br />

<strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong> treffen und sich mit ihnen austauschen, vor<strong>zu</strong>stellen,<br />

um dann <strong>zu</strong>m eigentlichen Anliegen <strong>zu</strong> kommen: Die geplante<br />

Reihe „Juniors meet Senators“ solle nach dem gleichen Schema<br />

ablaufen und die SenatorInnen wären alle herzlich als Gesprächsgäste<br />

eingeladen.<br />

Die Ansprache hatte einen überraschend großen Erfolg: Mit<br />

großer Begeisterung empfing der Vorstand nach und nach innerhalb<br />

kürzester Zeit telefonisch sowie per Mail Zusagen der SenatorInnen.<br />

Sogar die erst später ins Amt getretene und demnach<br />

auch erst nachträglich angesprochene Prof. Dr. Eva Quante-<br />

Brandt sagte <strong>zu</strong>. Senatorin Jürgens-Pieper hatte <strong>zu</strong>vor die Einladung<br />

des Juniorenkreises abgelehnt. Die einzige und später unschwer<br />

nachvollziehbare Absage.<br />

Selbst von Seiten des Senators und Bürgermeisters Jens Böhrnsen<br />

kam eine positive, wenn auch eingeschränkte Rückmeldung: Man<br />

bat darum, dass erst alle anderen SenatorInnen empfangen werden<br />

sollten und dass Herr Böhrnsen dann den Abschluss bildet.<br />

Ein Wunsch, dem der Juniorenkreis gerne nachgekommen ist. Als<br />

alle Termine feststanden, wurde Herr Böhrnsen erneut angeschrieben.<br />

Nun konnte er nicht mehr ablehnen und willigte ein,<br />

die letzte Veranstaltung der Reihe „Juniors meet Senators“ im<br />

August <strong>zu</strong> übernehmen.<br />

Die Mitglieder des Juniorenkreises nahmen die Veranstaltungsreihe<br />

begeistert an und konnten <strong>zu</strong>nächst gar nicht glauben,


dass wirklich alle SenatorInnen höchstpersönlich erscheinen<br />

würden. Doch genauso war es: Alle Geladenen stellten sich hochmotiviert<br />

den Fragen der Mitglieder. Sie zeigten großes Interesse<br />

an den Junioren und der Arbeit des Juniorenkreises und signalisierten<br />

eine große Freude darüber, einmal in entspannter Atmosphäre<br />

über Themen wie <strong>Bremen</strong>, Politik und Gesellschaft <strong>zu</strong><br />

sprechen, ohne dass man Gefahr laufen musste, zitiert <strong>zu</strong> werden.<br />

Aber ein/zwei Zitate aus dem Gästebuch des Juniorenkreises können<br />

und möchten wir Ihnen an dieser Stelle nicht vorenthalten:<br />

Senatorin Linnert:<br />

„Wir kommen aus Staub, wir werden <strong>zu</strong> Staub und zwischendurch<br />

haben wir eine Menge Auslagen und Kosten. Für einen Rationalisten<br />

macht das überhaupt keinen Sinn. Nur ein Romantiker<br />

sieht den Regenbogen, der sich zwischen dem Anfang und dem<br />

Ende spannt – Leonard Kohl. In diesem Sinne ganz herzlich Ihre<br />

Karoline Linnert“<br />

Senator Dr. Joachim Lohse:<br />

„Liebe Juniorinnen und Junioren, ohne die Erhaltung unserer<br />

natürlichen Lebensgrundlagen, die auch Grundlage unserer Gesundheit<br />

und Wohlbefinden sind, ist aller wirtschaftliche Erfolg<br />

nicht wert. Es war eine nette Diskussion mit euch – danke für<br />

euer Interesse + alles Gute. Joachim Lohse“<br />

Senator Ulrich Mäurer:<br />

„Zur Erinnerung an unser Treffen „Juniors meet Senators“ im<br />

Hause des Handelskammer. Ich hoffe, daß Ihnen der Abend einen<br />

kleinen Einblick in die Tiefen der Politik gegeben hat. Ulrich<br />

Mäurer“<br />

Senatorin Prof. Dr. Eva Quandte-Brandt:<br />

„Vielen Dank für die spannende Diskussion und das freundliche<br />

Gespräch. Es war sehr anregend für mich. Eva Quandte-Brandt“<br />

In diesem Sinne möchte sich der Vorstand des Juniorenkreises<br />

sehr herzlich bei allen SenatorInnen dafür bedanken, dass sie<br />

bei unserer Vortragsreihe so bereitwillig und engagiert mitgewirkt<br />

haben und uns derart bereichernde Einblicke in ihre Arbeit<br />

gegeben haben.<br />

„Juniors meet Senators“ – Ein voller Erfolg, der unbedingt entsprechende<br />

Folgeprojekte nach sich ziehen sollte. Was meinen<br />

Sie? Haben Sie Ideen? Was könnte unsere nächste „Juniors<br />

meet…“-Reihe sein? <strong>Der</strong> Vorstand des Juniorenkreises freut sich<br />

immer über Anregungen.<br />

Sie erreichen uns am besten per Mail unter junioren@dczb.de.<br />

Weitere Termine der Vortragsreihe „Juniors meet Senators“:<br />

15.08.2013: Bürgermeister Jens Böhrnsen<br />

09.10.2013: Senatorin Anja Stahmann (Nachholtermin)


Neujahrsempfang<br />

Rund 200 <strong>Club</strong>mitglieder und ihre Gäste, erfreulich viele Junioren, nahmen an dem 4. Neujahrsempfang<br />

des <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong> in den Gesellschafträumen des Schütting teil. Martin Günthner, Senator für Wirtschaft,<br />

Häfen und Verkehr referierte als Ehrengast über „Lage und Perspektiven der Bremischen Wirtschaft“. Die<br />

wirtschaftlichen Rahmendaten in der Hansestadt seien durchaus bemerkenswert, ja, wenn es dieses Schuldenproblem<br />

nicht gäbe, führte der Senator aus, nicht ohne auf die ersten, durchaus bemerkenswerten<br />

Anstrengungen des rot-grünen Senats hin<strong>zu</strong>weisen, im Rahmen der bundesweiten Schuldenbremse den<br />

Haushalt ein Stück weit <strong>zu</strong> konsolidieren.


Mitgliederversammlung am 7. Mai 2013<br />

Die Mitgliederversammlung stand ganz im Zeichen der Insolvenz des <strong>Club</strong> Gastronom, der<br />

Madaus GmbH, und der Suche nach einem neuen Gastronom. <strong>Der</strong> Vorsitzende, Dr. Rüdiger Hoffmann,<br />

berichtete von seinen Gesprächen mit mehreren Interessenten. Mittlerweile seien die<br />

Verhandlungen mit dem ehemaligen Sterne-Koch Arnd Feye und seinem Partner Oliver Rößler<br />

abgeschlossen. Die Verträge seien am 29. April 2013 unterzeichnet worden.<br />

Beabsichtigt sei, die <strong>Club</strong> Gastronomie um eine Außengastronomie vor dem Schütting <strong>zu</strong><br />

erweitern. Die Unterstüt<strong>zu</strong>ng des Denkmalpflegers und der Handelskammer sei <strong>zu</strong>gesagt. Jetzt<br />

müsse das Genehmigungsverfahren bei den <strong>zu</strong>ständigen Behörden der Stadt eingeleitet werden.<br />

Das öffentlich <strong>zu</strong>gängliche Restaurant, ehemals Bistro à point, solle den Namen „Restaurant<br />

1783“ tragen. Mit dem Gründungsjahr des <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong> im Schild leiste das neue<br />

Restaurant auch ein Stück externe Kommunikation für den <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong>. Prof. Dr. Klaus<br />

Berthold, ehemaliger Vorsitzender und Ehrenmitglied des <strong>Club</strong>s bedankt sich im Namen der<br />

Mitglieder für das erfolgreiche Krisenmanagement des Vorstandes, der bei den anschließenden<br />

Wahlen einstimmig für ein weiteres Jahr im Amt bestätigt wird.<br />

Vorstand <strong>Der</strong> <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong>:<br />

Dr. Rüdiger Hoffmann, Vorsitzender<br />

Dr. Claudia Nottbusch, Stv. Vorsitzende<br />

Dr. Martin Klinkhammer, Schatzmeister<br />

Joachim Linnemann, Schriftführer<br />

Prof. Dr. Wiebke Ahrndt<br />

Melanie J. Köhler<br />

Annabel Brown, Juniorenkreis<br />

Klaus Ziegler<br />

Dr. Stefan Offenhäuser


Die neue Mannschaft:


21<br />

Wiedereröffnung <strong>Club</strong>-Gastromie<br />

14. Juli 2013<br />

Gastronomischer Kopf ist der ehemalige Sternekoch Arnd Feye (1. v. r.). Chef in der Küche ist Florian Pohl (2. v. r.), der u. a. im<br />

Sternerestaurant Aspicitiua gearbeitet hat. Oliver Rößler (3. v. r.) ist der kaufmännische Partner von Arndt Feye in der Betreibergesellschaft<br />

von Restaurant 1783 und der <strong>Club</strong> Gastronomie. Heiko Maciolek (1. v. l.) schließlich sorgt als Restaurantleiter für reibungslose<br />

Abläufe und den Service.


22<br />

<strong>Der</strong> <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong><br />

Wiedereröffnung <strong>Club</strong>-Gastronomie<br />

Wiedereröffnung <strong>Club</strong>-Gastronomie<br />

Trotz Ferienzeit waren rund 180 <strong>Club</strong>mitglieder und Gäste <strong>zu</strong>m Empfang anlässlich<br />

der Wiedereröffnung der <strong>Club</strong> Gastronomie in die Gesellschaftsräume des Schütting<br />

gekommen. <strong>Der</strong> Vorsitzende, Dr. Rüdiger Hoffmann, erinnerte an den traditionell<br />

hohen Stellenwert der Gastronomie für Identität und Kultur des <strong>Club</strong>s. Auch wenn<br />

sich der <strong>Club</strong> mit der beantragten Außengastronomie für das öffentlich <strong>zu</strong>gängliche<br />

Restaurant 1783 mehr öffne, solle an dem exklusiven Charakter des <strong>Club</strong>s im<br />

Inneren nicht gerüttelt werden. Mit Arndt Feye, seinem Partner Oliver Rößler und<br />

deren Mannschaft sei ein hochkarätiges Team in die Räume des <strong>Club</strong>s eingezogen.<br />

<strong>Der</strong> neue Name des Restaurants, der an die Gründung des <strong>Club</strong>s vor 230 Jahren<br />

erinnert, sei ein selbstbewusstes Zeichen für eine gute Zukunft. Prof. Dr. Klaus<br />

Berthold, Ehrenmitglied des <strong>Club</strong>s, dankte dem Vorsitzenden für das erfolgreiche<br />

Krisenmanagement. Im Anschluss an den Empfang luden Gastronomie und Vorstand<br />

in die <strong>Club</strong>räume, wo ein Buffet mit ausgesuchten kleinen Köstlichkeiten aus der<br />

neuen Küche auf die <strong>Club</strong>mitglieder und ihre Gäste wartete.


24<br />

<strong>Der</strong> <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong><br />

Wiedereröffnung <strong>Club</strong>-Gastronomie


26<br />

<strong>Der</strong> <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong><br />

Wiedereröffnung <strong>Club</strong>-Gastronomie


28 <strong>Bremen</strong><br />

Christian Weber<br />

ABC Interview<br />

ABC <strong>Club</strong> Interview Christian Weber, Präsident der Bremischen Bürgerschaft<br />

Christian Weber, 1946 in Krobsdorf in Schlesien geboren, gehört mittlerweile <strong>zu</strong> den populärsten Politikern <strong>Bremen</strong>s, wobei seine<br />

Popularität durchaus parteiübergreifend ist. Seit 1972 ist Christian Weber Mitglied der SPD, nach verschiedenen Funktionen in Ortsvereinen<br />

und Beiräten wurde der ausgebildete Bankkaufmann mit dem Studium für das Lehramt 1990 Abgeordneter der Bremischen<br />

Bürgerschaft. Von 1955 bis 1999 war er Vorsitzender der SPD-Fraktion. Am 7. Juli 1999 übernahm er als Nachfolger von Reinhard<br />

Metz (CDU) das Amt des Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft, das er seitdem engagiert und streitbar wahrnimmt.


Aufrichtigkeit Da halte ich es frei nach Goethe – aufrichtig<br />

will ich gerne sein, unparteiisch aber nein.<br />

Bürgersinn Das Fundament einer Zivilgesellschaft, das allein<br />

mit Geld nicht <strong>zu</strong> bezahlen ist.<br />

Courage Wer hat nicht schon Angst vor der eigenen<br />

Courage gehabt. Zu Widerspruch und Widerstand,<br />

so berechtigt sie sein mögen, gehört<br />

jede Menge Mut.<br />

Demut Ich bin nicht so hochmütig <strong>zu</strong> glauben, dass<br />

die Macht des Menschen über allem steht.<br />

Ehrfurcht Leider nicht immer die Lösung eines Problems.<br />

Freundschaft Freund, Feind, Parteifreund.<br />

Geduld Abwarten und Tee trinken, denn eine gute<br />

Tasse Tee inspiriert.<br />

Humor Das beste Ventil, wenn einem der Kragen <strong>zu</strong><br />

platzen droht.<br />

Idole Die Suche nach Deutschlands „Superstar“<br />

und „next Topmodel“, da wird’s mir ganz<br />

hohl im Kopf.<br />

Jugendsünde Die Farbe Rot kam schon vor der SPD: Als kleiner<br />

Feuerteufel hätte ich einmal fast einen Brand<br />

gelegt; mein Vater konnte rechtzeitig löschen<br />

und mir danach noch den Hintern versohlen.<br />

Kommuni- Reden ist Silber, Schweigen ist Gold: Es gibt<br />

kation nichts schlimmeres, als Stellungnahmen nach<br />

Wahlen.<br />

Laster Das ist wie ein heranrollender großer Truck,<br />

gegen den die guten Vorsätze geringe Chancen<br />

haben.<br />

Medien Soziale Netzwerke, Youtube, Twitter, Nachrichtenportale<br />

– nicht wirklich für mich, als traditioneller<br />

Zeitungsleser wünsche ich mir das<br />

Weltgeschehen auf gedrucktem Papier und<br />

Qualitätsjournalismus.<br />

29<br />

Normen Wie ein Korsett, die Norm reduziert unseren<br />

Alltag in eine Standardgröße.<br />

Optimismus Werder <strong>Bremen</strong> wird wieder meisterlich, alles<br />

nur eine Frage der Zeit.<br />

Perspektiven Mir gefällt die Diagnose von Keynes, dessen<br />

Ideen nicht tot<strong>zu</strong>kriegen sind: Die lange Frist<br />

ist ein schlechter Führer in Be<strong>zu</strong>g auf die laufenden<br />

Dinge; auf lange Sicht sind wir alle tot.<br />

Querulanten Sie nicken nicht alles ab, bei ihnen läuft ständig<br />

etwas quer; Querköpfe und Querdenker sind selten<br />

Weltverbesserer, aber häufig unheimlich<br />

kreativ.<br />

Realismus Er hat mit der Wirklichkeit nicht viel <strong>zu</strong> tun,<br />

sondern eher mit Ideologie, wenn ich etwa an<br />

den sozialistischen Realismus denke, der die<br />

Menschen und die Gesellschaft gerne überhöhte.<br />

Ist ja Gott sei Dank alles vorbei.<br />

Solidarität Ein teures Gut, ist notwendig für Gerechtigkeit<br />

und damit für den sozialen Frieden in unserem<br />

Lande.<br />

Taktik Sie wird gerne mit Salami und Hinhalten in<br />

Zusammenhang gebracht, für die Politik eher<br />

unbrauchbar, weil sie sie inhalts- und gesichtsleer<br />

macht.<br />

Ungeduld Können wir endlich mal <strong>zu</strong>m nächsten Buchstaben<br />

übergehen …<br />

Vorbilder <strong>Der</strong> politisch unbeugsame Gustav Heinemann<br />

gehört für mich da<strong>zu</strong>, vor allem deshalb, weil<br />

er eigentlich gar kein Vorbild sein wollte und<br />

mit seinen Fähigkeiten und Un<strong>zu</strong>länglichkeiten<br />

lieber auf dem Teppich blieb.<br />

Werte Als Christ habe ich mit den zehn Geboten ein<br />

ganz ordentliches, altbewährtes Fundament für<br />

meinen Seelenfrieden.<br />

Zeit Man hat keine Zeit, man muss sie sich nehmen.


<strong>Der</strong> geheimisvolle Wols<br />

Ausstellung in der Kunsthalle<br />

Rüdiger Hoffmann<br />

Wols ist ein Künstler, dessen Werk sich nicht leicht erschließt.<br />

Eher schon sein Leben, das romanhafte Züge trägt, stets pendelnd<br />

zwischen der Banalität des Alltags und den großen Tragödien,<br />

zwischen intellektuellem Vagantentum und bürgerlicher<br />

Banalität. Ein Stück Zerrissenheit Europas zwischen den beiden<br />

Weltkriegen spiegelt das getriebene Leben dieses großen Künstlers<br />

wider, der mit bürgerlichem Namen Alfred Otto Wolfgang<br />

Schulze hieß. 1913 in Berlin als Sohn eines hohen Regierungsbeamten<br />

geboren, starb er bereits mit 38 Jahren in Paris. Er gilt<br />

mittlerweile als wichtiger Wegbereiter des Informal.<br />

Als 16-Jähriger beeindruckte den in Dresden Wohnenden eine<br />

umfangreiche Ausstellung <strong>zu</strong>m 50. Geburtstag von Paul Klee. In<br />

seinem Elternhaus verkehrten Otto Dix und andere Künstlergrößen<br />

der damaligen Zeit. Als 19-Jähriger verließ er Dresden<br />

und bekam in Paris Kontakt <strong>zu</strong> einem Kreis von Surrealisten,<br />

in den ihn seine spätere Frau, die rumänische Modeschneiderin<br />

Hélène Marguerite Dabija eingeführt hatte. In Paris verdiente er<br />

seinen Lebens unterhalt als Fotograf. Als Dokumentarist der<br />

Weltausstellung verkaufte er, für damalige Zeiten ungewöhnliche<br />

Raum- und Modefotografien als Postkarten. Diese wurden in<br />

vielen internationalen Modemagazinen abgedruckt. Unmittelbar<br />

nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Wols <strong>zu</strong>sammen mit<br />

anderen deutschen Künstlern als „feindliche Ausländer“ in verschiedene<br />

französi sche Internierungslager verbracht. Dort hatte<br />

er auch Kontakt <strong>zu</strong> dem Dadaisten und Surrealisten Max Ernst.<br />

Während dieser Zeit entstand eine Vielzahl von surreal anmutenden<br />

Zeichnungen und Aquarellen, die den Alltag des Lagerlebens<br />

thematisieren. Sein Versuch, in die USA <strong>zu</strong> emigrieren,<br />

schlug fehl. Über 100 Aquarelle sind so nach Amerika gelangt<br />

und wurden u. a. in der Ga lerie Betty Parson in New York gezeigt.<br />

Die Bilder sollten die Einwanderungsbehörden von der künstlerischen<br />

Qualität seiner Arbeiten überzeugen. Letztlich sind sie<br />

so der Nachwelt erhalten geblieben, im Gegensatz <strong>zu</strong> den vielen<br />

Bildern, die während der unruhigen Zeiten in Frankreich verloren<br />

gegangen sind. Bereits in dieser Zeit belastete die <strong>zu</strong>nehmende<br />

Alkoholabhängigkeit das Leben und die Gesundheit des vielsei-<br />

Ohne Titel, 1942/43<br />

Tuschfeder und Aquarell auf Papier, 19,9 x 12,8 cm,<br />

Karin und Uwe Hollweg Stiftung, <strong>Bremen</strong>, Foto: Joachim Fliegner<br />

31<br />

31<br />

tigen Künstlers, der 1945 <strong>zu</strong>m ersten Mal in Paris, in der Galerie<br />

von René Drouin, seine Aquarelle ausstellen konnte. Hier lernte<br />

er Jean-Paul Sartre kennen, der ihn in dieser, von erheblichen<br />

psychischen und finanziellen Schwierigkeiten belasteten Lebensphase<br />

unterstützte. Von seinem Galeristen Drouin mit Leinwänden<br />

und Farbe ausgerüstet, schuf Wols in kürzester Zeit über<br />

40 Ölbilder. Die Aus stellung 1947 bei Drouin schockierte das Pariser<br />

Publikum und machte den Künstler schlagartig bekannt. Es<br />

folgten Ausstellungen in Paris, Mailand und New York. Trotz<br />

schwerer gesundheitlicher Probleme arbeitete er weiter an Ölbildern<br />

und Aquarellen. Im August 1951 wurde er mit einer Lebensmittelvergiftung<br />

in ein Pariser Krankenhaus eingeliefert. Den<br />

Tod vor Augen ließ er sich von seiner Frau Gréty in das Luxus-<br />

Selbstporträt, Paris 1938<br />

Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden


32<br />

<strong>Bremen</strong><br />

<strong>Der</strong> geheimnisvolle Wols<br />

La ville abrupte, 1943, Tuschfeder und Aquarell, 12,7 x 17,4 cm, Privatbesitz, Hamburg, Foto: Hauswedell & Nolte, Hamburg<br />

hotel „Hotel de Motalembert“ bringen, wo er am nächsten Tag verstarb.<br />

Es hat lange gedauert, bis die Kunstszene den Rang dieses<br />

ungewöhnlichen Künstlers und die außergewöhnlich formale<br />

Vielfalt seines Wer kes aus Fotografien, Zeichnungen, Aquarellen<br />

und Gemälden erkannt hat, wobei die stilistische Entfaltung<br />

seiner Motive in den lediglich 15 Jahren seines Schaffens eine<br />

spektakuläre Wandlung durchlaufen hat. Ausgangspunkt der Bremer<br />

Werkschau ist eine Auswahl von Schwarz-Weiß-Fotografien<br />

aus den 1930er und 1940er Jahren. In diesen Arbeiten bereits<br />

lässt sich Wols’ Entwicklung <strong>zu</strong>m Künstler des Gegenstandslosen<br />

erahnen. Durch das surreale Arrangement verlieren die figurativen<br />

Motive ihre ursprüngliche Bedeutung und fordern <strong>zu</strong> einer<br />

neuen Wahrnehmung der dargestellten Objekte auf. Die Mitte der<br />

1930er Jahre entstandenen Zeichnungen und Aquarelle stehen<br />

erkennbar unter dem Einfluss des Pariser Surrealismus. Dass Wols<br />

die Begegnung mit dem Werk von Paul Klee in Dresden nicht vergessen<br />

hat, kann unterstellt werden. Allen Bildern gemein ist die<br />

Suche nach neuen Bildwelten und Ausdrucksformen. Im Laufe<br />

der Jahre wird Wols’ Bildsprache <strong>zu</strong>nehmend abstrakter. In den<br />

reliefartigen Oberflächentexturen seiner Ölbilder findet seine expressive<br />

Formensprache ihren Höhepunkt. Diese neue Form gegenstandsloser<br />

Kunst begründet das neue Kunstgenre „Informal“.<br />

Und so gilt Wols als einer der bedeutendsten europäischen Wegbereiter<br />

des „Informal“, als den ihn die Kunsthalle <strong>Bremen</strong> in<br />

einer umfangreichen Retrospektive noch bis <strong>zu</strong>m 15. August 2013<br />

würdigt. Es ist die umfangreichste Wols-Präsentation und mit über<br />

200 Werken die größte ihrer Art seit fast 25 Jahren. Ohne die<br />

Sammelleidenschaft und die Impulse der Bremer Kunst- und Kultur-Mäzene<br />

Karin und Uwe Hollweg, die mehr als 40 Wols-Werke<br />

in ihre gleichnamige Stiftung eingebracht haben, hätte das Werk<br />

<strong>zu</strong>m 100. Geburtstag dieses großartigen Künstlers mit der traurigen<br />

Biografie den Weg in die Kunsthalle wohl kaum gefunden.<br />

Mademoiselle docteur, um 1937/39<br />

Tuschfeder und Aquarell auf strukturiertem Papier aufgezogen,<br />

30,3 x 22,5 cm, Karin und Uwe Hollweg Stiftung, <strong>Bremen</strong>,<br />

Foto: Joachim Fliegner, <strong>Bremen</strong>


34<br />

<strong>Bremen</strong><br />

<strong>Der</strong> geheimnisvolle Wols<br />

Le bateau ivre, 1951, Öl, Grattage und Tubenabdrücke auf Leinwand, 92 x 73 cm, Kunsthaus Zürich, Foto: Kunsthaus Zürich


L’oiseau (<strong>Der</strong> Vogel), 1949, Öl, Grattage und Tubenabdrucke auf Leinwand, 92,1 × 65,1 cm,<br />

The Menil Collection, Houston, Foto: Hickey-Robertson, Houston<br />

35


36<br />

<strong>Bremen</strong><br />

<strong>Der</strong> geheimnisvolle Wols<br />

(La dernière) Composition, 1951, Öl, Grattage und Tubenabdrücke auf Leinwand, 73 x 60 cm, Sammlung Ströher, Darmstadt,<br />

Foto: Olaf Bergmann, Witten


Frischer Wind<br />

für erneuerbare Energien<br />

Innovative Windenergie-Projekte von EWE<br />

Als eines der fortschrittlichsten Energieunternehmen Deutschlands<br />

machen wir uns auch für die erneuerbaren Energien stark. So bieten wir<br />

z. B. ein großes Leistungsspektrum für die Umset<strong>zu</strong>ng erfolgreicher<br />

Windkraftprojekte sowohl im Offshore- als auch im Onshore-Bereich.<br />

Als Windkraftpionier sind wir am ersten deutschen Offshore-Windpark<br />

alpha ventus beteiligt. Mit RIFFGAT nehmen wir in diesem Sommer den<br />

ersten kommerziellen Windpark in der Nordsee in Betrieb. Und das sind<br />

nur zwei unserer Projekte für eine Zukunft mit der richtigen Energie.<br />

Energie. Kommunikation. Mensch. | www.ewe.de


Die Karin und Uwe Hollweg-Stiftung<br />

und der Künstler Wols


Seit rund 40 Jahren sammeln Karin und Uwe Hollweg moderne<br />

Kunst. 1996 gründeten sie ihre gleichnamige Stiftung. Im Jahr<br />

2011, als den beiden die renommierte Maecenas Ehrung verliehen<br />

wurde, übergaben sie ihre gesamte private Sammlung mit<br />

Kunst des 20. Jahrhunderts (fast 600 Gemälden, Zeichnungen,<br />

Druckgrafiken und Skulpturen) ihrer Stiftung, der sie am Alten Wall,<br />

vis à vis der Kunsthalle, ein standesgemäßes und öffentlich <strong>zu</strong>gängliches<br />

Domizil gespendet haben. Neben Künstlern aus Deutschland,<br />

dabei immer wieder Künstler aus <strong>Bremen</strong> und dem norddeutschen<br />

Raum, glänzt die Sammlung mit großen Namen der internationalen<br />

Kunstszene. Günther Uecker, John Cage, Salvador<br />

Dali, Richard Hamilton, <strong>zu</strong> dem das Bremer Ehepaar eine freundschaftliche<br />

Beziehung pflegt, David Hockney und Mark Tobey,<br />

dessen Werke in allen großen Museen der Welt hängen. Allein<br />

von ihm hat das Ehepaar Hollweg im Laufe der Jahre gut 30 Bilder<br />

und Druckgrafiken erworben.<br />

Mit mehr als 40 Bildern ist der deutsch-französische Künstler<br />

Wols, alias Alfred Otto Wolfgang Schulze, der heimliche Favorit<br />

von Karin und Uwe Hollweg, auch wenn die beiden immer wieder<br />

betonen, dass ihre Sammelleidenschaft weniger von den großen<br />

Namen, vielmehr von der Faszination ganz bestimmter Werke,<br />

Motive oder Malweisen angeregt wurde. In dem Vorwort <strong>zu</strong> dem<br />

im DUMONT Verlag erschienenen großen Bildband „Karin und<br />

Uwe Hollweg Sammlung“ erzählt Karin Hollweg, die selbst erfolgreich<br />

als Malerin und Illustratorin arbeitet, wie sich ihre<br />

Sammelleidenschaft entwickelt hat. „Unser gezieltes Sammeln<br />

setzte nicht plötzlich ein, sondern wir tas te ten uns langsam an<br />

unsere Vorlieben heran. Nie haben wir wirklich aktiv nach etwas<br />

gesucht. Uns interessiert nicht so sehr der Name des Künstlers,<br />

sondern seine Arbeit, was er macht oder gemacht hat. Die Bilder<br />

liefen uns über den Weg, wurden angeboten von Galerien, von<br />

Kunsthändlern oder auf Auktionen. Schwerpunkte haben sich<br />

erst im Nachhinein entwickelt und wurden dann ausgebaut. Unsere<br />

Sammlung umfasst Werke, die während unseres Lebens entstanden<br />

sind, die wir also im wahrsten Sinne miterlebt haben.“<br />

Zu Wols hat Karin Hollweg eine ganz besondere Beziehung. Bereits<br />

<strong>zu</strong>r Konfirmation in den fünfziger Jahren bekam sie ein<br />

Buch mit Wols Bildern geschenkt. Seitdem lässt sie die Faszination<br />

seiner Bilder nicht los. „Le fantôme bleu“, das Bild, an das<br />

sie sich heute noch aus ihrer Zeit als Konfirmandin erinnert,<br />

hängt jetzt im Museum Ludwig in Köln. In <strong>Bremen</strong> hat „Le<br />

fantôme bleu“ jetzt Karriere als Plakatmotiv für die Ausstellung<br />

in der Kunsthalle gemacht. Auch mit dem Werk von Mark Tobey,<br />

dem US amerikanischen Maler, Wegbereiter des amerikanischen<br />

„Abstrakten Expressionismus“, kamen die Hollwegs eher <strong>zu</strong>fällig<br />

39<br />

39<br />

<strong>zu</strong>sammen. Aufmerksam wurden sie auf Mark Tobey in einer Galerie<br />

in St. Gallen. „Eigentlich“, erzählt Karin Hollweg, „waren<br />

wir dort nur <strong>zu</strong>m Zigarrenkaufen hingefahren – im Laden hing<br />

ein Plakat der Erker-Galerie. Spontan entschieden wir, hin<strong>zu</strong>gehen,<br />

lernten Franz Larese und Jörg Janett kennen, die dann gute<br />

Freunde von uns wurden. Bei der Eröffnung ihrer Frank Tobey<br />

Ausstellung haben wir unser erstes Bild von ihm gekauft.“<br />

Und so fügen sich von Namen <strong>zu</strong> Namen Geschichten, die Karin<br />

und Uwe Hollweg von „ihren“ Künstlern erzählen können. Und<br />

dann fragt man sich schnell, was imponiert mehr? Die gelassene<br />

Bestimmtheit bei der Auswahl ihrer Bilder und ihren Bekenntnissen<br />

<strong>zu</strong> „ihren“ Künstlern oder die Bescheidenheit dieses Ehepaars,<br />

die gleich Philemon und Baucis in der Antike, mit sich genug <strong>zu</strong><br />

haben scheinen und der Freude, anderen Freude <strong>zu</strong> schenken.<br />

Große Mäzene sind die Beiden und wenn nicht ab und <strong>zu</strong> eine<br />

große Ehrung die Öffentlichkeit schaffen würde, die bei der<br />

Verleihung der Ehrenbürgerschaft <strong>Bremen</strong>s o. ä. wohl kaum vermeidbar<br />

ist, nur wenige würden von dem vielen Guten, was dieses<br />

Ehepaar nicht nur mit ihrer Stiftung dem Gemeinwesen, aber<br />

auch Einzelnen Jahr für Jahr angedeihen lässt, überhaupt etwas<br />

erfahren. Öffentliche Aufmerksamkeit ist ihre Sache nicht. Da<br />

mag das Temperament des erfolgreichen hanseatischen Kaufmanns<br />

Uwe Hollweg mit der Gelassenheit der Künstlerin Karin<br />

Hollweg eine äußerst seltene Liaison eingegangen sein.<br />

Und genau so verhält es sich am Ende auch mit der Wols-Ausstellung<br />

in der Kunsthalle. Ohne die großzügige Unterstüt<strong>zu</strong>ng der<br />

Hollwegs hätte diese umfangreiche Präsentation von über 200<br />

Wols Werken mit Leihgaben aus aller Welt schon allein aus finanziellen<br />

Gründen in der Bremer Kunsthalle nicht realisiert werden<br />

können.


Le fantôme bleu (Das blaue Phantom), 1951, Öl, Grattage, Tuben- und Fingerabdrücke auf Leinwand,<br />

73 x 60 cm, Museum Ludwig, Köln, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln


AZ Berlin-Druck


42<br />

<strong>Bremen</strong><br />

Haase & Knels Atelier für Gestaltung<br />

1963 gründeten Fritz Haase und Sibylle Knels das Atelier Haase & Knels in<br />

der Bremer Böttcherstraße und begannen für die Böttcherstraße Drucksachen<br />

<strong>zu</strong> gestalten. Nach 50 Jahren sind sie immer noch für „<strong>Bremen</strong>s heimliche<br />

Hauptstraße“ tätig. Dieses ist Anlass für eine Ausstellung in den Räumen<br />

der Kunstsammlungen Böttcherstraße.<br />

Titel: Alle Wege führen in die Böttcherstraße<br />

Alle Wege führen in die Böttcherstraße


Wie es anfing?<br />

„Da war die Wohnung der Eltern Haase in der Böttcherstraße. Da<br />

gab es die Studenten an der Staatlichen Kunstschule <strong>Bremen</strong><br />

Fritz Haase und Sibylle Knels und Hans Tallasch aus der Böttcherstraße.<br />

Hans Tallasch leitete in den 60er Jahren den Glas-<br />

und Porzellanladen der Bremer Werkschau, ein Tempel guter Gestaltung<br />

– führend in Deutschland. Das Wort Design war im<br />

Sprachgebrauch noch nicht verankert.<br />

Bei einem Besuch von Hans Tallasch 1961 in der elterlichen<br />

Wohnung fiel der Satz:<br />

„Mensch Kinners, könnt ihr mir nicht mal ein Plakat für den<br />

großartigen Puppenspieler Albrecht Roser machen. Das Plakat<br />

entstand im Kartoffeldruck in einer Auflage von 5 Exemplaren.<br />

Bald folgte eine weitere Anfrage für die Kunstschau Böttcherstraße,<br />

für die Hans Tallasch auch <strong>zu</strong>ständig war, ein Plakat<br />

<strong>zu</strong> entwerfen. Eine Künstlergruppe aus Finnland stellte aus.<br />

Man brauchte 20 Exemplare. Geld für Druckkosten war nicht da.<br />

Das war schon schwieriger. In Handarbeit mit Pappschablonen<br />

gelang es uns, diese Aufgabe <strong>zu</strong> meistern. Durch eine Ausstellung<br />

im Amerika-Haus, damals im Gebäude der Glocke an der<br />

Domsheide, erfuhren wir <strong>zu</strong>m ersten Mal etwas über die in<br />

Amerika angewandte Technik des Siebdrucks im künstlerischen<br />

Bereich.<br />

Beim nächsten „Kinners könnt ihr nicht mal...“ überzeugten wir<br />

Hans Tallasch, der immer aufgeschlossen war, wenn es um gestalterisches<br />

Neuland ging, 250 DM <strong>zu</strong> investieren, um eine<br />

Siebdruckanlage <strong>zu</strong> bauen. Hans Tallasch wusste warum er uns<br />

diese Investition genehmigte. Er wollte Horst Janssen ausstellen,<br />

den er entdeckt hatte und brauchte mehr Plakate. Das Janssen-Plakat<br />

gelang in einer ziemlich archaischen Anmutung.<br />

Horst Janssen gefielen seine „Sargträger“.<br />

Er bedankte sich mit einem exzessiven Trinkgelage im damaligen<br />

Restaurant „Martini“ in der Böttcherstraße.<br />

43<br />

43


44<br />

<strong>Bremen</strong><br />

Alle Wege führen in die Böttcherstraße<br />

Wir haben von Anfang an versucht, autonom <strong>zu</strong> arbeiten, unabhängig<br />

von Setzereien, Druckereien und Lithoanstalten. Mit<br />

einem selbstentwickelten Fotosatzgerät und einer immer mehr<br />

perfektionierten Drucktechnik setzten wir unsere Gestaltungsideen<br />

um und druckten mehr als ein Jahrzehnt Plakate für die<br />

„Kunstschau Böttcherstraße“, die „Große Kunstschau Worpswede“<br />

und für die „Crusoe-Halle“, Böttcherstraße, einem in<br />

Deutschland einmaligen Ausstellungsraum für deutsche und<br />

europäische Gestalter. Die frühe Nachkriegsavantgarde fand hier<br />

ein Forum, das weit über <strong>Bremen</strong> hinausstrahlte.<br />

Unsere Plakate fanden nationale und internationale Beachtung<br />

und wurden mit vielen Preisen bedacht. In den 90er Jahren<br />

setzte Susanne Gerlach als Nachfolgerin von Hans Tallasch die<br />

Ausstellungsreihe fort.<br />

In dieser Zeit vollzog sich der Wechsel von der analogen Gestaltung<br />

in das Zeitalter der digitalen Gestaltung. Nach den Aufgaben<br />

für den Kulturbereich entwickelten wir auch die Werbung<br />

für den Gesamtauftitt der Böttcherstraße. In den 70er Jahren<br />

kreierten wir das Straßenschild „Zur Böttcherstraße“ <strong>zu</strong>m Logo.<br />

Wir montierten es selbst auf Sonntagsausflügen mit Kindern<br />

rund um <strong>Bremen</strong> an Schuppen und Scheunen. Die Schilder transportierten<br />

wir auf dem Dach unseres R4. Manchmal montierten<br />

wir die Schilder sogar auf Berggipfeln, im Watt oder im Frankfurter<br />

Palmengarten. Guerilla-Marketing in den 70er Jahren. Als<br />

Aufkleber gelangte das Schild in die ganze Welt. Reisende<br />

Bremer schickten Fotos mit dem Schild von den originellsten<br />

Fundorten rund um den Globus. Diese Straßenschild-Idee machte<br />

die Böttcherstraße <strong>zu</strong>r Marke.<br />

Unsere Arbeit für die Böttcherstraße in einer Ausstellung <strong>zu</strong> präsentieren<br />

ist eine schöne Würdigung unserer 50jährigen Zusammenarbeit.<br />

Ohne die Böttcherstraße hätte es das Atelier (offizielle<br />

Gündung 1963) so nicht gegeben. Unsere Tätigkeit hat sich<br />

vom Profit her zwar nicht immer gerechnet, wir hatten aber absolute<br />

Gestaltungsfreiheit und das ist der höchste Lohn, den<br />

man sich als Gestalter wünschen kann.


Und wie ging es weiter?<br />

Veröffentlichungen in nationalen und internationalen Fachzeitschriften<br />

führten da<strong>zu</strong>, dass auch Industrieunternehmen auf uns<br />

aufmerksam wurden. Erster Großkunde nach der Böttcherstraße<br />

war der Bremer Flugzeugbauer VFW, später VFW-Fokker.<br />

Wir betreuten die Werbung für das erste deutsche Verkehrsflugzeug<br />

nach dem Kriege, die VFW 614. <strong>Der</strong> Umfang der vergebenen<br />

Aufträge führte da<strong>zu</strong>, dass wir die Werbeagentur „Brasilhaus No 8“<br />

gründeten. Namensgeber war das Haus im Schnoorviertel, das<br />

wir von einem Zigarrenmacher erworben hatten.<br />

Später haben wir noch einmal mit einem Mitarbeiter eine neue<br />

Werbeagentur gegründet „Haase & Knels + Schweers“. Die Liste<br />

unserer Auftraggeber ist lang. So zählten <strong>zu</strong> ihnen u. a. der<br />

Thomson Konzern mit den Unterhaltungselektronik Marken<br />

Nordmende,Telefunken Saba und Dual, die KPS Firmengruppe, die<br />

Porzellanhersteller Dibbern und Fürstenberg und das Bremer Unternehmen<br />

Stanwell mit Pfeifentabaken und Zigarren. Für die<br />

Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland,<br />

Bonn und die Kunsthalle <strong>Bremen</strong> gestalteten wir Plakate und<br />

andere Werbemittel wie auch für Theater und Musicals. Für den<br />

Handel betreuten wir die Bremer City und Einkaufszentren in<br />

<strong>Bremen</strong> und anderen Städten. Rund 120 gedruckte Briefmarken<br />

erschienen von uns für die Deutsche Post.<br />

Die Aufgaben verteilten sich in der langen Firmengeschichte immer<br />

zwischen Kommerz und Kultur. Eine Ausstellung <strong>zu</strong>m 40jährigen<br />

Firmenjubiläum im Wagenfeld Haus, <strong>Bremen</strong>, 2003 zeigte<br />

die ganze Bandbreite unseres Schaffens.<br />

Dass das 50jährige Jubiläum sich mit den Wurzeln beschäftigt,<br />

hat seinen besonderen Reiz. Letztlich sind wir in unserer Arbeit<br />

<strong>zu</strong> unserem Ursprung <strong>zu</strong>rückgekehrt. Klein und fein.<br />

So gestalten wir heute mit drei Mitarbeitern <strong>zu</strong>m Beispiel für<br />

den Martinshof die „Bremer Senatsprodukte“, betreuen den Feinkosthändler<br />

Grashoff, die Berliner Freiheit, kommunizieren für<br />

exclusive Mode, für die Wilhelm Kaisen Bürgerhilfe erfanden wir<br />

das „Bremer Loch“ und wie seit über 30 Jahren entwerfen wir<br />

Briefmarken für die Deutsche Post.“<br />

Mal sehen, was noch kommt.<br />

45


46<br />

<strong>Bremen</strong><br />

Alle Wege führen in die Böttcherstraße<br />

Viele Wege führen... Viele Wege führen...<br />

Fotograf Fritz Haase am Sylvenstein, Oberbayern 1971 Motive aus der Anzeigenserie „Viele Wege führen ...“ für die Böttcherstraße (1971)


48<br />

Wirtschaft<br />

Hans-Jürgen Hofmann<br />

<strong>Der</strong> Ladenhüter


Milan Unglaub<br />

Einzelhandel, das ist ein Geschäft, das von zwei Prämissen lebt,<br />

mit denen irgendetwas nicht stimmt. Bei der einen geht es<br />

darum, dass, wer einzeln handelt, schon vom Begriff her nicht<br />

darauf aus sein kann, in großer Gesellschaft bella figura <strong>zu</strong><br />

machen. Angeblich belebt ja, noch so ein Lehrsatz, nicht das<br />

Miteinander, sondern die Konkurrenz das Geschäft. Weiter ist da<br />

dann auch noch die Überzeugung, nicht der Einzelhändler als<br />

solcher, sondern der Kunde sei König. Leider, das wissen eigentlich<br />

alle Einzelhändler, kommt es nicht selten da<strong>zu</strong>, dass der sich<br />

auch wie so einer benimmt.<br />

Konfrontiert man Hans-Jürgen Hofmann mit solchen Einsichten,<br />

gibt er sich ausgesprochen milde. Er führt in der Bremer Innenstadt<br />

ein Möbelgeschäft, handelt, was das angeht, einzeln,<br />

soweit sich das eben einrichten lässt und weiß gut genug, dass<br />

auch die Einzelhändler, wie Angler, Jäger und Seenotretter für<br />

das, was sie sich vorgenommen haben, einen Zusammenhalt<br />

brauchen. <strong>Der</strong> Starke ist am mächtigsten allein: Friedrich Schiller<br />

hatte gut reden und steckte mit Goethe und ein paar anderen<br />

aus dem Beritt der Weimarer Klassik so gut wie festge<strong>zu</strong>rrt in<br />

einem Verein. Auch Dichterfürsten wirken, im Nachhinein besehen,<br />

irgendwie gewerkschaftsaffin.<br />

Hofmann ist, das macht ihn in gewisser Weise einzigartig, auch<br />

Doktor der Philologie. Das hilft einem nicht unbedingt, wenn mal<br />

wieder bei einer Kundenpräsentation eine Schublade klemmt und<br />

man dasteht wie Loriot in Ödipussi, dänischer Funktiona lismus,<br />

sehen Sie nur, aber das Ding will nicht, geht einfach – rüttel,<br />

rüttel – nicht auf. Glaubt man Hans-Jürgen Hofmann, passiert so<br />

etwas auch einem Möbelhändler nicht alle Tage, aber er ist auf<br />

dem Gebiet durchaus im Bild.<br />

Medien machen Möbelhändler, seit Loriot dieses Genre für sich<br />

entdeckte. Das liegt, man spürt es, wenn man mit Hofmann redet,<br />

auch daran, dass die Sprache der Möbelhändler eine für jede<br />

Parodie offene Fachsprache ist. Selbiges gilt natürlich auch für<br />

49<br />

49<br />

jede Art von Werkzeugverleih,<br />

Resteposten-<br />

Abverkauf und den<br />

Handel mit Hustenbonbons.<br />

Bei Dr. Hans-Jürgen<br />

Hofmann schaut man in<br />

der Bremer Langenstraße<br />

entweder von unten<br />

<strong>zu</strong> der hinauf oder von<br />

oben auf sie hinunter.<br />

Zwei Etagen, sein Büro<br />

steckt obenauf in einer<br />

Ecke, so unscharf getrennt<br />

vom Ladengeschäft,<br />

dass man sich<br />

fragt, ob er das Laptop<br />

auf dem Tisch bloß für seine inneren Geschäftsabläufe nutzt<br />

oder ob er es einem bei Bedarf auch v erkauft, mitsamt der auf<br />

der Festplatte hängen gebliebenen Kundendatei. Es hat ihm die<br />

aller dings noch keiner ab<strong>zu</strong>schwatzen versucht. Hofmann ist ein<br />

verhaltener, aber, wenn es darauf ankommt, spürbar ironischer<br />

Mensch. Sonst wäre er wohl kaum darauf gekommen, darüber <strong>zu</strong><br />

schreiben, wie es deutschen Möbelhändlern ergeht. Weil sie ihre<br />

Läden hüten wie Optiker ihre Augäpfel, hat er sein Buch, das er<br />

übers Einzelhandelsgeschäft schrieb, „<strong>Der</strong> Ladenhüter“ genannt.<br />

Manchmal, räumt er ein, fühle er sich auch genauso. Man muss<br />

auf der Hut sein in einem Laden wie seinem.<br />

König Kunde ist einer der Gründe dafür. Hofmann hält nicht besonders<br />

viel von diesem Titel. Die Monarchie, gibt er <strong>zu</strong> erkennen,<br />

sei in Deutschland nicht ohne Grund im Jahr 1918 abgeschafft<br />

worden. Weil er Philologe ist, weiß er natürlich, dass das<br />

in der täglichen Lebenspraxis nicht ganz so hilft, wie man sich


50<br />

Wirtschaft<br />

Hans-Jürgen Hofmann<br />

das vielleicht wünscht. Es sind ja immer noch genug Könige<br />

der Landstraße auf den Autobahnen unterwegs. Jeder, der beim<br />

Tischfußball sechs Bälle als erster ins Loch zirkelt, hält sich für<br />

einen Monarchen, und König Kunde, der gleicht manchmal ja<br />

wirklich einem Hohenzollern, der sich ganz viele Kriegsschiffe<br />

wünscht und ganz wenig Geld dafür hinlegen will. König Kunde,<br />

das ist, vom Ladenhüter her betrachtet, auch einer der Räuber<br />

mit Adelsprivileg, die sich daran gewöhnt haben, den Zehnten<br />

beim Volk ein<strong>zu</strong>treiben.<br />

Ein wenig gleichermaßen komplizierter wie einfacher liegen die<br />

Dinge allerdings schon, vor allem, seit es das Internet gibt.<br />

Erster Auftritt des Königs, in der Welt der schönen Dinge, der er<br />

sich nähert wie ein Flaneur, einer dieser urbanen Genussmenschen,<br />

die das 19. Jahrhundert hervorbrachte. Nur, dass <strong>zu</strong> der<br />

Zeit noch kein Smartphone im Bratenrock steckte.<br />

„Dieses sehr schöne, sehr ansprechende Objekt, sagen Sie, was<br />

müsste ich dafür bezah len?“ <strong>Der</strong> Möbelhändler ist an dieser Stelle<br />

bereits alarmiert. <strong>Der</strong> Preis, früher durchaus Verhandlungssache,<br />

in einem allerdings festen Gefüge, ist ja längst dem alle Einzelhandelsaktivitäten<br />

durchdringenden und am Ende schädigenden<br />

Geiz ist geil-Prinzip unterworfen. Bevor dem Verkäufer überhaupt<br />

eine Ant wort gelingt, ist schon von einem möglichen Ab-<br />

schlag die Rede. Stocken die Verhandlungen, wird es sich König<br />

Kunde vielleicht noch einmal überlegen. Er bleibt dann aber<br />

doch, bis <strong>zu</strong> dem unbeobachteten Moment, in dem er das Objekt<br />

mit dem Smartphone fotografiert. Im Internet wird er sich dann<br />

den Anbieter suchen, der ihm versichert, dass, sollte er auf ein<br />

noch günstigeres Angebot stoßen, der Preis verhandelbar bleibt.<br />

Irgendwann, gibt sich Hans-Jürgen Hofmann überzeugt, werden<br />

alle, ändert sich nichts an diesem Geschäftsgebaren, mit leeren<br />

Händen dastehen.<br />

Bevor man ihm, solcher Entwicklungen wegen, einen Hang <strong>zu</strong>m<br />

Kulturpessimismus unterstellt, sollte man lernen, dass er vor<br />

allem ein guter Beobachter ist. Frauen und Männer beim Möbelkauf,<br />

da könnten Genderforscher bei ihm einiges lernen. Auch<br />

über Geschlechterklischees. Manchmal stimmen die nämlich.<br />

Männer fokussieren sich beim Einrichten auf ihr Büro. Frauen<br />

aufs Heim. Stimmt und stimmt doch wieder nicht, aber dass<br />

Geschlechterrollen ausschließlich sozial konstruiert sein könnten<br />

… es stehen immer Möbel und vor allem auf sie gerichtete<br />

Wünsche dazwischen.<br />

Arbeiten im deutschen Einzelhandel, im Möbelhandel in seinem<br />

Fall, sagt Hans-Jürgen Hofmann, das sei eines der letzten Abenteuer<br />

der Menschheit.


Er schaut auch manchmal bei IKEA vorbei. Nicht der Notnägel<br />

wegen, die man sich bei Billy & Co. abholen kann, sondern weil<br />

die auch schwedische Lebensmittel verkaufen, die man sonst,<br />

von einem Laden in der Berliner Bundesallee abgesehen, nirgendwo<br />

kriegt.<br />

Er ist nicht der einzige auf diesem Gebiet. Er kann außerdem alte<br />

Vorurteile relativieren. Er hat für eine recht lange Zeit IKEA<br />

für ein Unternehmen gehalten, das sich der Bauhaus-Tradition<br />

verpflichtet fühlte. Tatsächlich hat Ingvar Kamprad, was das<br />

Bauhaus wollte, der Nivellierung unterworfen. Schneller wohnen,<br />

nur bei Billy hat das einmal nicht funktioniert, in Deutschland<br />

jedenfalls, weil Büchernarren Wert darauf legten, ihren Bestand<br />

bis an den Rand des Grabs im angestammten Regal<br />

aus<strong>zu</strong>weiten.<br />

Dogmen, da steht der Philologe Hofmann manchmal regellos<br />

hilflos vor dem, was die auf seine Branche gerichteten Erwartungen<br />

ausmacht. Form follows function, aber woher denn,<br />

der Gropius hat doch in Dessau, wo Hofmann sich das eigens<br />

angeschaut hat, sogar die Heizkörper unter die Decke gehängt,<br />

weil sie unten bloß störten. Gegen alle Gesetze der Physik, die<br />

ihn für den Fall nicht interessierten. Gegen jede Vernunft, und<br />

da wird es dann richtig spannend.<br />

51<br />

Einzelhandel, da geht die Vernunft nahe<strong>zu</strong> jeden Tag baden, und<br />

weil er das aushalten muss, hat er all die vernunftwidrigen Geschichten<br />

mitsamt der vernünftigen Wendungen, die sie manchmal<br />

nahmen, in einem Buch aufgeschrieben, das es sogar bis auf<br />

einen hinteren, aber gleichwohl einträglichen Platz in der SPIE-<br />

GEL-Bestsellerliste schaffte. Damit, steht <strong>zu</strong> hoffen, ist es dann<br />

auch gegen eine Positionierung in den Blindband-Beständen irgendwelcher<br />

Billy-Regalmeterware gefeit.<br />

Hans-Jürgen Hofmanns Buch „<strong>Der</strong> Ladenhüter“ ist erschienen im<br />

Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf Berlin. Es kostet 9,95 € und<br />

ist auch bei wohnen & ideen im Kontorhaus in der Bremer Langenstraße<br />

erhältlich.<br />

Wem danach ist, der darf es dort auch mit seinem Smartphone<br />

abfotografieren und mit den Aufnahmen eine Debatte über die<br />

Buchpreisbindung im deutschen Buchhandel anzetteln.


52<br />

Wirtschaft<br />

Das Geschäft mit der Nachhaltigkeit<br />

Kakao als Krisenbarometer<br />

Fotos: Bremer HACHEZ Chocolade GmbH & Co. KG


Frederiece Baack<br />

Schokolade gehört immer noch <strong>zu</strong> den beliebtesten Süßigkeiten<br />

auf der Welt. Elf Kilogramm pro Kopf vernascht der Deutsche<br />

durchschnittlich in einem Jahr. Das sind knapp dreizehn Prozent<br />

des weltweit angebauten Kakaos. Während der Schokoladenkonsum<br />

sich in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt hat, kämpfen<br />

die Hersteller mit Ernterückgängen, Qualitätsproblemen sowie<br />

Gewalt und Willkür in vielen Erzeugerländern.<br />

Zudem zählt Kakao, das braune Gold, nach Erdöl und Kaffee <strong>zu</strong><br />

den meistgehandelten Rohstoffen auf dem Weltmarkt. Die Weltmarktpreise<br />

für Kakao werden vorwiegend an den Rohstoffbörsen<br />

von London und New York fixiert. Sie sind höchst volatil. Spekulanten<br />

rund um den Globus bewegen den Kakaopreis, losgelöst<br />

53<br />

53<br />

von der Situation der überwiegend kleinbäuerlichen Familienbetriebe,<br />

die immer noch für neunzig Prozent der weltweiten<br />

Kakao-Ernte verantwortlich sind. So hat beispielsweise im Jahr<br />

2010 ein einziger Spekulant sieben Prozent der Welternte aufgekauft,<br />

was <strong>zu</strong> einem, vom Marktgeschehen losgelösten, künstlichen<br />

Preisanstieg führte.<br />

Wie immer in solchen Fällen gingen die Gewinne an den Erzeugern<br />

in aller Welt vorbei. Kein Wunder, immerhin kontrollieren<br />

lediglich fünf Unternehmen allein achtzig Prozent des Welthandels.<br />

Fünfundsiebzig Prozent des jährlich gehandelten Kakaos<br />

kommen aus westafrikanischen Staaten, 2/3 davon aus der<br />

Elfenbeinküste und Ghana. Knapp dreißig Prozent des Weltka-


54<br />

Wirtschaft<br />

Das Geschäft mit der Nachhaltigkeit<br />

kaos stammt aus Asien (Indonesien) sowie aus Mittel- und Südamerika.<br />

Gleichgültig, wo in der Welt Kakao angebaut wird, die<br />

Bedingungen für die Produzenten sind, wenige Ausnahmen ausgenommen,<br />

schwierig, nicht selten menschenunwürdig. Selbst<br />

Sklaverei und Kinderarbeit sind in vielen Ländern immer noch an<br />

der Tagesordnung. Die Arbeit auf den Plantagen ist Knochenarbeit.<br />

Mit Macheten müssen die reifen Kakaofrüchte, gut ein Kilo<br />

schwer, von den Bäumen geschlagen werden. Direkt vor Ort werden<br />

die Früchte mit der Machete geteilt, um die Kakaobohnen<br />

heraus<strong>zu</strong>schälen. In großen Körben, die in der Regel auf dem<br />

Kopf getragen werden, transportieren die Arbeiter die rohen<br />

Bohnen <strong>zu</strong> den Fermentierplätzen, wo das weiße, <strong>zu</strong>ckerhaltige<br />

Fruchtfleisch, die so genannte Fruchtpulpe, <strong>zu</strong> gären beginnt.<br />

Ein höchst willkommener Vorgang, wird doch die beginnende<br />

Keimung der Bohnen durch den Gäralkohol gestoppt und die<br />

Bohnen verlieren so ein Gutteil der unerwünschten Bitterstoffe<br />

und entwickeln dabei ihre typischen Geschmacks- und Aromastoffe,<br />

sowie ihre Farbe.<br />

Die Trocknung besorgt dann in der Regel die Sonne. Jetzt erfolgt<br />

die Verpackung in Säcke und der Transport <strong>zu</strong> einem Seehafen.<br />

Den prall gefüllten Säcken in den westafrikanischen Häfen sieht<br />

man nicht an, wie viel Elend an der Produktion des kostbaren<br />

Inhalts bis hier hin nicht selten beteiligt war.<br />

Das Beispiel Elfenbeinküste, weltweit größte Kakao-Nation, soll<br />

Anschauungsunterricht liefern: Fast ausschließlich Kleinbauern<br />

und Kooperativen von Kleinbauern produzieren Kakao auf Farmen,<br />

die lediglich 1 – 3 Hektar groß sind. 2/3 der Dörfer haben<br />

keinerlei Zugang <strong>zu</strong> einer Gesundheitsversorgung. Die Hälfte lebt<br />

ohne Strom und ohne Zugang <strong>zu</strong> sauberem Trinkwasser. Keines<br />

der 3700 Kakaodörfer hat eine weiterführende Schule. Kinderarbeit<br />

ist an der Tagesordnung. Mehr als 200 000 Kinder arbeiten<br />

in den Kakaoplantagen, nur die Hälfte besucht eine Schule. Jedes<br />

zweite Kind hat sich innerhalb eines Jahres schon einmal<br />

verletzt. 80 Prozent klagen über das Tragen schwerer Lasten und<br />

die Arbeit mit den schweren, scharfen Macheten und <strong>zu</strong> allererst<br />

natürlich über die geringe Entlohnung. Die Menschen in den Kakaodörfern<br />

verfügen pro Tag und Kopf gerade einmal über 0,63<br />

US Dollar, davon 0,43 US Dollar aus dem Kakaoanbau (Stand<br />

2010, Quelle: Südwind). Und so investieren viele nicht mehr, die<br />

Bäume in den Plantagen werden immer älter und ertragsärmer,


das Geld für Pestizide fehlt, der Preisdruck verhindert bessere<br />

Arbeitsbedingungen. Und so verfällt eine Farm nach der anderen,<br />

weil es sich nicht mehr lohnt für die Kakao Farmer.<br />

In dieser Situation, steigende Kakao Nachfrage bei stagnierenden<br />

Erträgen, melden sich auf einmal die Schokogiganten aus<br />

Europa und Amerika <strong>zu</strong> Wort. Jahrelang haben sie die Fair Trade<br />

Ermahnungen von Nichtregierungsorganisationen überhört. Jetzt<br />

setzen sie <strong>zu</strong>nehmend auf „politisch korrekten“ Kakao. Auf einmal<br />

plant der Weltkonzern Nestlé, über die nächsten zehn Jahre<br />

siebzig Millionen Euro in den nachhaltigen Anbau, die Entwicklung<br />

robusterer Pflanzen und die Schulung und Unterstüt<strong>zu</strong>ng<br />

der Kakaobauern <strong>zu</strong> investieren. Auch garantierte Fair-Trade-<br />

Mindestpreise werden nicht mehr rundweg abgelehnt. Hinter all<br />

diesen Selbstverpflichtungen steckt eine gehörige Portion<br />

Selbstzweck. Auch wenn sich das Produkt „Handelsethik“<br />

zeitgeist gemäß gut verkaufen mag, die fünf Großen der Weltschokoladenindustrie<br />

haben erkannt, dass die Kakao Bauern dieser<br />

Welt ohne ihre Hilfe gar nicht in der Lage sein werden, die<br />

steigende Nachfrage nach dem braunen Gold <strong>zu</strong> decken. Erst fünf<br />

Jahre nachdem ein Kakao Baum gepflanzt wurde, kann die erste<br />

Bohne geerntet werden. Die Schokoladenkonzerne müssen also<br />

im eigenen Interesse anfangen, langfristig und kooperativ <strong>zu</strong><br />

55<br />

denken, wenn sie ihren eigenen Bedarf <strong>zu</strong>künftig noch decken<br />

wollen.<br />

Kein Wunder also, dass sie versuchen, sich im Nachhaltigkeitswettbewerb<br />

gegenseitig <strong>zu</strong> übertrumpfen. <strong>Der</strong> Spiegel zitiert in<br />

diesem Zusammenhang Nick Lin-Hi, einen Professor für Unternehmensethik,<br />

der nüchtern konstatiert: „Das Produkt Ethik verkauft<br />

sich beim Thema Nachhaltigkeit richtig gut“. Aber eher<br />

doch nur an der Oberfläche. Friedel Hütz-Adams, der Kakao-Experte<br />

von Südwind, dem Institut für Ökonomie und Ökumene,<br />

räumte auf einem Bremer Kakao-Fachgespräch Anfang Dezember<br />

2012 ernüchtert ein, dass Fairer Handel mit Kakao in Deutschland<br />

bislang kaum mehr als ein Prozent des Umsatzvolumens<br />

ausmache. Aber immerhin sei ein Anfang gemacht. So lässt sich<br />

das Bremer Unternehmen Kraft Foods, jetzt Mondelez International,<br />

von Rainforest Alliance (www.rainforest-alliance.de) kontrollieren,<br />

ob die Maßstäbe dieser Organisation für Fair Trade bei<br />

den Kakao Handelsgeschäften auch eingehalten werden. Noch<br />

fehlen allerdings belastbare Erfahrungen, ob und inwieweit solche<br />

internationale Kontrollinstanzen, auf die die Schokoladenhersteller<br />

nicht nur ein wachsames Auge haben, in der Lage<br />

sind, die Bedingungen für die Kakaoproduzenten in den Ursprungsländern<br />

dauerhaft <strong>zu</strong> verändern.


56<br />

Wirtschaft<br />

Das Geschäft mit der Nachhaltigkeit<br />

<strong>Der</strong> Bremer, Hasso Nauck, gilt als vielfach ausgewiesener Schokoladenfachmann.<br />

<strong>Der</strong> ehemalige Marketingchef von Jacobs<br />

Suchard, verantwortlich für die Schokoladenmarke Milka, hatte im<br />

Jahr 2000 <strong>zu</strong>sammen mit seinem Partner Wolf Kropp-Büttner die<br />

Bremer Schokoladenmanufaktur Hachez gekauft und damit das<br />

Unternehmen, das Naucks Urgroßvater, der belgische Chocolatier<br />

Joseph Hachez 1890 gegründet hatte, <strong>zu</strong>rück in die Hände der<br />

Familie gebracht.<br />

Als Inhaber-Manager gelang es ihm und seinem Partner recht<br />

schnell, Hachez <strong>zu</strong>r Nummer zwei im Markt der Premiumschokoladen<br />

<strong>zu</strong> machen. Im Januar 2013 trat Nauck als Geschäftsführer<br />

des Unternehmens <strong>zu</strong>rück. 2012 hatten er und sein Mitgesellschafter<br />

Kropp-Büttner Hachez an den dänischen „Toms“-<br />

Konzern verkauft. <strong>Der</strong> meinungsfreudige Oldtimer-Liebhaber<br />

Nauck hielt seiner Branche, aber auch der Politik nicht selten<br />

den Spiegel vor. Seine Branche überraschte der Marketingexperte<br />

immer wieder mit süßen Innovationen.<br />

<strong>Der</strong> Nachhaltigkeitsdiskussion, der sich auch die Schokoladenindustrie<br />

seit eini gen Jahren stellen muss, begegnete er mit einem<br />

ungewöhnli chen Projekt. <strong>Der</strong> in der Branche auch Schokoladenprinz<br />

genannte kreierte ein Wildkakaoprojekt, das nicht nur bei<br />

ökologisch enga gierten Konsumenten auf viel Sympathie stieß.<br />

In Südamerika, im Amazonasdelta, kaufte er Wildkakao, um daraus<br />

eine ganz besonders exklusive Schokolade <strong>zu</strong> produzieren.<br />

Die Kakaobohnen müssen mühsam per Hand von den wild zwischen<br />

anderen Urwald pflanzen wachsenden Kakaobäumen geerntet<br />

werden. Sie sind wesentlich kleiner als die von Plantagenbäumen<br />

aber sehr viel intensiver im Aroma. Nauck vergleicht den<br />

Unterschied zwischen dem einer Walderdbeere und einer Planta-<br />

generdbeere, räumt gleichwohl ein, dass diese Form nachhaltiger<br />

Produktion für den Massenmarkt nicht wirtschaftlich sein<br />

kann. Auf einem Schokoladen-Symposium Ende 2012 in <strong>Bremen</strong><br />

noch hatte Nauck sich kritisch über Nachhaltigkeit als Marketinginstrument<br />

der Kakaobranche geäußert.<br />

Herr Nauck, was stört Sie an dem Boom der Nachhaltigkeitsdiskussion<br />

in der Schokoladenbranche?<br />

<strong>Der</strong> Anteil an ehrlich nachhaltig produzier tem Kakao<br />

auf der Welt ist, allen Marketingbekenntnissen<br />

<strong>zu</strong>m Trotz, immer noch verschwindend gering. Bei<br />

allen Bemühungen, Nachhaltigkeits-Natürlichkeits-<br />

und Ehrlichkeitskomponenten in die Produkte <strong>zu</strong><br />

bringen, die Erwartungshaltung der Konsumenten werde dadurch<br />

zwar bedient, die Konsumenten sind in der Breite aber kaum<br />

bereit, den erforderlichen Mehrpreis an der Ladentheke <strong>zu</strong> bezahlen.<br />

Das ist die eine Seite. Nachhaltig produzierter Kakao ist<br />

teuer. Die andere Seite, das sind die Produzenten in den Ursprungsländern<br />

des Kakao, denen schlicht das Geld fehlt, die eigenen<br />

Plantagen <strong>zu</strong> kultivieren, rechtzeitig nach<strong>zu</strong>pflanzen, um<br />

die Baumqualität <strong>zu</strong> erhalten und letztendlich auf Pestizide, die<br />

einen Mehrertrag sichern, <strong>zu</strong> verzichten.<br />

Und wie sieht es mit einer Verbesserung der sozialen Bedingungen<br />

für die vielen kleinen Kakaobauern aus, wie kann man die Kinderarbeit<br />

in diesen Regionen abbauen?<br />

Viele Firmen initiieren für einige der Plantagen,<br />

von denen sie Kakao beziehen, Sozialprojekte, indem<br />

sie in Bildungseinrichtungen investieren und<br />

dafür sorgen, dass die Kinder eine Schulausbildung<br />

erhalten, dass Kinderarbeit nicht mehr statt findet.<br />

Aber, wie gesagt, das sind einzelne Projekte, das sind keine flächendeckenden<br />

Maßnahmen. Wir müssen dabei ja auch sehen,<br />

dass vieles, was für uns Europäer mittlerweile nicht mehr akzeptabel<br />

ist, in den Produzentenländern nichts Verwerfliches ist.<br />

Kinderarbeit sichert nicht selten das Existenzminimum für eine<br />

ganze Familie. Wer auf die Abschaffung dringt, muss einen sozialen<br />

Ausgleich schaffen. Da ist die Schokoladenindustrie alleine<br />

hoffnungslos überfordert.<br />

Wo sehen Sie die Lösung?<br />

Das kann nur von den jeweiligen Regierungen in<br />

den Erzeugerländern gelöst werden. Dabei kommt<br />

unseren Regierungen in den Nachfrageländern eine<br />

besondere Verantwortung <strong>zu</strong>. Die müssen auf die<br />

Erzeugerländer einwirken, auch mit gezielten Entwicklungshilfen,<br />

damit diese in die Lage versetzt werden, die<br />

Bedingungen anders <strong>zu</strong> gestalten.


Und was könnte die Rolle der Schokoladenindustrie sein?<br />

Gemeinsames Handeln für ein gemeinsames Nachhaltigkeitsziel.<br />

Die Großen der Branche haben als Nachfrager <strong>zu</strong>sammen eine<br />

gigantische Marktmacht. Wenn diese Nachfragemacht<br />

solidarisch gegenüber den Ursprungsländern<br />

eingesetzt würde, käme einiges in Bewegung. Mittlerweile<br />

ist der Druck auf die Schokoladenindustrie<br />

so groß, dass <strong>zu</strong>mindest der Verband der Deutschen<br />

Süßwarenindustrie für seine Mitglieder <strong>zu</strong>r, allerdings freiwillig<br />

<strong>zu</strong> erfüllenden, Auflage gemacht hat, dass diese bis 2020 einen<br />

erheblichen Teil ihres Kakaos ausschließlich von nachhaltig bewirtschafteten<br />

Kakaofarmen beziehen. Die Frage ist nur, wird es<br />

bis 2020 überhaupt genug Kakao auf dieser Welt geben, der<br />

nachhaltig produziert wird?<br />

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58<br />

Reisen<br />

Auf den Spuren Napoleons<br />

<strong>Der</strong> siebte Kontinent: St. Helena, mon amour


Text und Fotos:<br />

Gerald Sammet<br />

Manchmal ereignen sich zwei Dinge gleichzeitig, obwohl Stunden,<br />

Tage, Wochen, Monate, sogar Jahre zwischen den Geschehnissen<br />

liegen. So geht das auf Inseln. <strong>Der</strong> Fortgang der Zeit ist<br />

keine feste Größe auf ihnen. Man redet über das, was sich in der<br />

Vergangenheit abspielte mit derselben Leidenschaft, die auch<br />

dem gilt, was sich gerade <strong>zu</strong>trägt. Gestern und heute bleiben auf<br />

jede nur denkbare Weise einander verbunden.<br />

Nicht vor ein, zwei Tagen, auch nicht vor einer Woche, aber des<br />

Erinnerns wert in jedem Fall fiel im Lokal von Anne, am Rand der<br />

Castle Gardens, über Tisch 2 einmal eine Katze vom Himmel. Sie<br />

hatte sich im Gewirr der Flaggen verkrochen, die die untere Seite<br />

des flachen Dachs schmücken. Die Besat<strong>zu</strong>ngen der Segelyachten,<br />

die Jamestown anlaufen, hinterlassen sie bei jeder sich bietenden<br />

Gelegenheit im Lokal. Ein<br />

ganzes Gewölk von Bannern und<br />

Flaggen aus aller Herren Länder<br />

spannt sich über die Tische.<br />

Das Tuch über Tisch 2 muss schon<br />

älteren Datums gewesen sein,<br />

oder schlecht vernäht. Die österreichischen<br />

Farben hielten der<br />

Katze, die sie sich als Schlafplatz<br />

ausgesucht hatte, nicht stand.<br />

Man erkennt noch an ein paar<br />

Kratzspuren und Einrissen im<br />

Stoff, wie sie versucht haben<br />

muss, sich in der ihr angestammt<br />

geglaubten Höhe <strong>zu</strong> halten. Indes,<br />

es hat nicht geholfen. Das<br />

Tier musste herunter, und es wurde,<br />

wenn man es genau nimmt,<br />

exakt dafür gebraucht. Kein großer<br />

Vorfall, aber wenigstens mal<br />

wieder eine Geschichte. Ganz so<br />

59<br />

59<br />

viele davon sind in dem Städtchen Jamestown über Jahr und Tag<br />

nicht <strong>zu</strong> haben.<br />

Am anderen, dem oberen Ende der Main Street, erlebt Kristian,<br />

der Norweger, in dem einen der zwei Pubs des Städtchens in<br />

et wa <strong>zu</strong>r selben Zeit eine Niederlage, die er nicht leicht verwindet.<br />

812 Touristen haben sich im Jahr 2012 auf die Insel verlaufen,<br />

und auch jetzt, mit dem zweiten Schiff in 2013, sind<br />

keine dreißig gekommen. Drei davon allerdings sind Schweden,<br />

die sich, am Ende ihres Berufslebens angelangt, einen Jugendtraum<br />

erfüllen. Den Traum von einer langen Reise <strong>zu</strong> einem der<br />

entlegensten Orte der Erde, mehr als ein wenig außerhalb der<br />

Grenzen von Zeit und Raum. Ausgerechnet an sie gerät Kristian<br />

an diesem Tag.


60<br />

Reisen<br />

Auf den Spuren Napoleons<br />

Eigentlich geht es bei ihm nicht darum, dass er Norweger ist.<br />

Michelle, die Barfrau im Standard, bedeutet jedem, dem er sich<br />

nähert, dass man sich von ihm fernhalten sollte. Nicht, dass irgendetwas<br />

gefährlich wäre an ihm. Er ist nur ein Angeber und<br />

Schnorrer, der vom Englischen einigermaßen virtuos ins Norwegische<br />

wechselt, wobei jeder, der sich auch nur ein paar Tage in<br />

der Kapprovinz aufgehalten hat, schnell begreift, dass es sich<br />

dabei nur um ein verschludertes Afrikaans handelt, ein Idiom,<br />

das er auch nicht wirklich beherrscht und das einzig <strong>zu</strong> dem<br />

Zweck von ihm eingesetzt wird, sich ein Bier <strong>zu</strong> erschleichen.<br />

Meistens gelingt das sogar.<br />

Die Schweden allerdings gehen ihm nicht auf den Leim. Sie fragen,<br />

in ihrer Sprache, ein paar norwegische Ortsnamen ab, und<br />

schon ist das nachbarliche Verhältnis zwischen ihnen und dem<br />

im Südatlantik gestrandeten Skandinavier getrübt. Kristian sieht<br />

allerdings auch nicht wie einer aus ihrer Nachbarschaft aus. In<br />

jedem der kapmalaiischen Bezirke von Capetown könnte er spurlos<br />

verschwinden. Hier eigentlich auch. In Trondheim, Oslo oder<br />

Stavanger dagegen würde er auffallen wie ein Bär, den es <strong>zu</strong>m<br />

Försterball zieht.<br />

Kristian gibt, nach dem Debakel mit den Schweden, so schnell<br />

nicht auf. Schließlich liegt ja, schräg gegenüber vom Standard,<br />

auf der anderen Seite von The Market noch das White Horse. Er<br />

wankt schon ein wenig und verfehlt ums Haar den Bordstein am<br />

Clock Tower, schafft es dann aber doch bis hinter die Tür. Sie<br />

steht ohnehin offen. Die Schweden schauen ihm amüsiert nach.<br />

Jamestown hat an dem Abend noch eine Geschichte, die ein<br />

paar Tage im Umlauf bleiben wird, bevor sie sich wieder in der<br />

ganzen Insel eigenen Gleichklang verliert. Eine österreichische<br />

Flagge, aus der eine Katze fällt, und drei Schweden, die einem<br />

Norweger bedeuten, dass es sich bei ihm um keinen handelt, das<br />

ist schon mal was im erst zweiten Monat in einem Jahr.<br />

Kleine Insel, große Fahrt<br />

Man kann St. Helena bis heute nur auf einem einzigen Weg erreichen.<br />

RMS St. Helena, das einzige noch im Liniendienst verkehrende<br />

Royal Mail Ship unter britischer Flagge, fährt mehr oder<br />

weniger einmal im Monat von Kapstadt <strong>zu</strong>r Insel, liegt dort drei<br />

oder vier Tage auf Reede, setzt die Reise fort nach Ascension<br />

Island und absolviert sie in umgekehrter Richtung, mit noch ein-


mal zwei Tagen auf Jamestown Reede, wo man das Schiff <strong>zu</strong><br />

jeder Zeit sehnlichst erwartet. Ein kombiniertes Passagier- und<br />

Frachtschiff, das auch als Hochseeschlepper eingesetzt werden<br />

kann, in einem Seegebiet, in dem sich außer fliegenden Fischen<br />

und Delphinen kaum eine Abwechslung findet. Entsprechend gedrängt<br />

ist das Bordprogramm, was sonderlich die auf jede Spielerei<br />

versessenen Briten entzückt. Jede Aktion bedarf selbstverständlich<br />

der dafür geeigneten Kleidung. Keine leichte Übung<br />

bei maximal 23 Kilo Gepäck.<br />

St. Helena erweist sich, je nach Interessenlage und Offenheit,<br />

entweder als das, womit man ohnehin rechnete, oder als das<br />

gerade Gegenteil davon. Französische Pilger, die es seit den<br />

Zeiten von Napoleons Verbannung auf St. Helena zog, beschreiben<br />

die Insel als ein düsteres, abweisendes Verlies, eine, so<br />

übernimmt es der eine vom anderen, aus dem Meer aufsteigende<br />

Warze, irgendwie der Hölle entstiegen, was, weil es sich um<br />

einen aus dem 6000 Meter tiefen Angolabecken aufsteigenden<br />

Vulkanschlot handelt, nicht einmal völlig abwegig ist. Nur anders<br />

gemeint. Auf dieses dunkle Stück Erde hat man den Kaiser<br />

der Vergessenheit überantwortet. Jeder, der <strong>zu</strong> seiner Entourage<br />

gehörte, hat danach allerdings so lautstark vom Leben und Treiben<br />

im wurmstichigen, ungeschützt dem Südost-Passat preisgegebenen<br />

Longwood berichtet, dass St. Helena <strong>zu</strong>r bekanntesten<br />

unbekannten Insel der Welt avancierte.<br />

Wen es nach napoleonischen Eingebungen verlangt, der hat es<br />

heute nicht leicht. Franzosen schauen kaum noch vorbei. Die<br />

Grand Nation leistet sich allerdings nach wie vor einen Konsul<br />

auf dem Eiland. Napoleons erste Residenz, The Briars, Longwood<br />

House, der eigentlich Verbannungsort und die Grabstelle im<br />

Geranium Valley, von der er 1840 nach Paris überführt wurde,<br />

befinden sich in ihrem Besitz. An jedem dieser Orte knattert<br />

makellos die Trikolore im Wind. Fragt man allerdings unter dem<br />

Katzenhimmel von Anne’s Place nach dem, was die Saints, wie<br />

sie sich nennen, noch mit dem Mann verbindet, dem sie ihren<br />

ungewissen Weltruhm verdanken, erntet man meistens nur Spott:<br />

„You’re talkin‘ about Boney? Boney like Boney M.?“<br />

Colin, Betreiber einer Garage am Community Center, das tatsächlich<br />

an der Napoleon Street liegt, fährt, falls Nachfrage bestehen<br />

sollte, Touristen <strong>zu</strong> den Pilgerstätten, in einem sehenswerten<br />

Chevrolet Kabrio Baujahr 1928, der einem auf den halsbrecherischen<br />

Straßen, die die Insel erschließen, gelegentlich um Leib und<br />

Leben fürchten lässt. Colin fährt nicht, er chauffiert, dabei ist das<br />

Fahrzeug nicht mehr als eine Bretterbude auf Rädern mit einem<br />

Verdeck. Vor Longwood House lässt er ihn stehen. Das Gebäude ist<br />

nicht einmal mehr die Gruft, als die sie die Bonapartisten beschrieben.<br />

Die Replik einer Replik. St. Helena hat, seit die Einwohner<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts die Holzladung eines aus Brasilien<br />

angetriebenen Sklavenschiffs bargen, ein Problem mit den Termiten.<br />

Das Sterbebett, der Billardtisch, der dem Kaiser als Kartentisch<br />

diente, alles war und ist nicht von Dauer. Selbst die Löcher in<br />

den Fensterläden, durch die er mit seinem in Austerlitz erprobten<br />

Fernrohr spähte, werden ein ums andere Mal neu gebohrt. Sterbebetten<br />

existieren ohnehin zwei, eines, das originale in Paris, und<br />

eines, genau so authentisch, auf Deadwood Plain, der Hochebene,<br />

die Longwood House krönt. Unsere Rückfahrt führt uns an einer<br />

von Flachs umwucherten Behindertenwerkstatt vorbei, einem<br />

Sozialprojekt, das, wie Colin meint, der Beachtung verdiene. Sie<br />

stellen dort winzige Büsten des Kaisers her, Seifenstücke, <strong>zu</strong> drei<br />

St. Helena Pound pro Exemplar. Mehr als diese Hommage und<br />

eine Schneiderpuppe mit seinen Gesichtszügen auf dem Balkon<br />

des Consulate in der Main Street sind von ihm nicht <strong>zu</strong> haben.<br />

Südatlantische Reflexionen<br />

61<br />

Paul Hickling, bei ihm sollten wir vorbeischauen. Er ist einer von<br />

denen, die auf St. Helena wirklich etwas bewegen. Wir nehmen<br />

das wörtlich, weil einen Jamestown, 700 Einwohner, kaum ist<br />

man drin und auch schon durch, an eine englische Kleinstadt in<br />

den Dreißigerjahren erinnert. Die beiden Pubs, Anne’s Place, The<br />

Consulate, das führende Haus am Platz, wo zwei Stunden nach<br />

der Ankunft des Schiffs die Rezeption dichtgemacht wurde.<br />

Gegenüber das Wellington, eher Guesthouse als Hotel, in dem<br />

1805 Sir Arthur Wellesley, auf der Reise von Indien nach England,<br />

logierte. Er erkannte, bei allen Nachteilen, die Vorzüge der<br />

Abgelegenheit dieser Insel und machte zehn Jahre später, als<br />

Duke of Wellington und Sieger von Waterloo, davon Gebrauch.<br />

Bemerkenswert, weil kaum auffindbar, sind die Grocery Stores.


62<br />

Reisen<br />

Auf den Spuren Napoleons<br />

Wo<strong>zu</strong> etwas bewerben, was es sowieso nur gibt, wenn das Schiff<br />

pünktlich eintrifft.<br />

Wir sind in Harris’s Guesthouse abgestiegen, bei Irene und Don,<br />

in einem Haus im georgianischen Stil, das so viktorianisch wirkt,<br />

dass man nachts, wenn die Dielen knarren und der Passatwind<br />

sein Inneres kühlt, jederzeit damit rechnet, dass Queen Victoria<br />

dort draußen mit rauschenden Röcken ihren Staatsgeschäften<br />

nachgeht. Don und Irene haben auf Ascension Island, der Himmelfahrtsinsel,<br />

wo sich eine britische, eine US-amerikanische<br />

Luftwaffenbasis und eine Dependance der NASA befinden, genug<br />

Geld für ihr weiteres Leben gemacht. Auf den Insel gelingt das<br />

nur wenigen, von denen im öffentlichen Dienst abgesehen. Seit<br />

zehn Jahren betreiben sie ihre Pension.<br />

Paul Hickling kam von einer anderen der Inseln, die den siebten,<br />

südatlantischen Kontinent ausmachen. Er wurde in Wales geboren,<br />

folgte einem Ruf auf die Falklands, wo er nach dem Krieg im Jahr<br />

1982 Spielautomaten wartete und reparierte. Er begegnete dort<br />

seiner heutigen Frau. Die arbeitete im Servicegeschäft, stammte,<br />

wie sie ihm erzählte, von einer Insel nicht weit von hier, also<br />

nicht mehr als ein paar tausend Meilen. Paul hatte von St. Hele-<br />

na <strong>zu</strong>vor nie etwas gehört. Ob er es nicht dort versuchen wolle<br />

mit ihr. Paul stimmte <strong>zu</strong>, schaute sich die Insel an und gelangte<br />

<strong>zu</strong> dem Schluss, dass er in dieser überproportional von Zuwendungen<br />

aus dem Königreich abhängigen Kolonialökonomie nie<br />

Fuß fassen würde. Am Ende gründete er eine Schnapsbren nerei.<br />

Die Ironie, die in dieser Entscheidung steckt, ist ihm entgangen.<br />

St. Helena war, bevor im Jahr 1869 der Suezkanal die Seefahrtrouten<br />

der Ostindienfahrer entscheidend verkürzte, eine der<br />

Schaltstationen im globalen Warenaustausch. Übernahmeort für<br />

Wasser, Obst und Gemüse, größtes Bordell im südlichen Atlantik,<br />

seit Napoleons Ankunft bis an die Zähne bewaffnete Garnison<br />

und ein Eldorado der Alkoholdestillation. Dem Ehrgeiz der Brenner<br />

fiel das meiste der Wälder in den höheren Lagen <strong>zu</strong>m Opfer,<br />

den Rest verarbeiteten die Schiffszimmerleute. Paul Hickling<br />

kennt keine dieser Geschichten. Er war nur auf der Suche nach<br />

einem Produkt, das her<strong>zu</strong>stellen sich lohnte.<br />

Irgendwann fiel ihm eine der Kaktusfeigen in die Hände, die man<br />

an jedem Straßenrand findet. Außer Bananen und Fisch nutzen<br />

die Saints bis heute keine der eigenen Ressourcen. Das Mutterland<br />

sorgte in allen Zeiten für sie. Margret Thatcher hatte das


eigentlich beenden wollen, aber nach dem von Argentinien angezettelten<br />

Falkland-Krieg kam eine Aufgabe der südatlantischen<br />

Besit<strong>zu</strong>ngen nicht mehr in Frage. Ein Gouverneur, der in einem<br />

allerdings nicht für ihn erbauten 40-Zimmer-Haus residiert, ein<br />

Gerichtshof, die Notenbank, ein Board of Customs, Board of Immigration,<br />

Board of Education, ein Gefängnis, eine Inselpolizei,<br />

das Tourismusbüro, Archive, ein eigenes, sehenswertes Inselmuseum,<br />

und im Nordosten, auf der Properous Bay Plain, wird<br />

seit anderthalb Jahrzehnten an einem Flughafen gebaut. 12 %<br />

ihrer Einnahmen erzielen die Insulaner aus dem Briefmarkengeschäft.<br />

Sie produzieren die gefragtesten Postwertzeichen der Welt.<br />

In diesem System einer überlebensnotwendigen Überversorgung<br />

sah Hickling für sich keinen Platz.<br />

In Deutschland, in Kiel, ließ er sich <strong>zu</strong>m Destillateur ausbilden.<br />

Eine Maschinenfabrik am Bodensee lieferte ihm die Anlagen<br />

da<strong>zu</strong>, bei einem italienischen Hersteller bestellte er Flaschen,<br />

die Jacob’s Ladder, eines der Wahrzeichen der Insel, nachbilden.<br />

In die füllte er seinen Tungi, einen Brand, den er aus der Aufbereitung<br />

der überall verbreiteten Kaktusfeigen gewann. Er startete<br />

damit in Donny’s Place, einer Bar an der Waterfront von<br />

Jamestown, mit deren Betreiber als Geschäftspartner, und brach-<br />

te es innerhalb weniger Jahre <strong>zu</strong> einem Haus in Half Tree Hollow,<br />

dem mit 900 Einwohnern mittlerweile bevölkerungsreichsten Ort<br />

auf St. Helena, dem es, auf schierer Lava gegründet, ein wenig<br />

an Charme fehlt. Dafür schaut man von dort oben in die schönsten<br />

Sonnenuntergänge hinein und sorgt sich nicht, dass vor der<br />

Tür nicht groß was wächst.<br />

Hoch hinaus<br />

63<br />

Jacob’s Ladder sollte man gleich am ersten Tag hinaufsteigen, weil<br />

man sonst, wegen der Muskelverspannungen, die einem des we gen<br />

drohen, einige Mühe beim Ausbooten hat. Jamestown hat keinen<br />

Hafen, nur diese Reede vor einer winzigen Flussmündung, einen<br />

Ankerplatz, der kaum Schutz bietet vor den Rollers genannten<br />

langen Wellen, die der Atlantik manchmal hereinträgt. Läuft man die<br />

Insel von Norden kommend an, liegt Jacob’s Ladder an der westlichen<br />

Kerbe der Talflanke, in die Jamestown hinein gebaut wurde.<br />

Das Bauwerk, das selbst von See her eine markante Größe aufweist,<br />

wurde 1829 von der St. Helena Railway Company errichtet.<br />

Es handelte sich tatsächlich um eine Eisenbahn, mit allerdings<br />

einer Neigung von bis <strong>zu</strong> 44 Grad im Hang. Ein talwärts


64<br />

Reisen<br />

Auf den Spuren Napoleons<br />

und ein bergwärts an Seilen hängender, auf Gleisen geführter<br />

Wagen sorgten dafür, dass Waren von den landwirtschaftlichen<br />

Flächen hinunter <strong>zu</strong> den Lagerhäusern und weiter hinaus auf die<br />

Seeschiffe gebracht werden konnten. Geblieben sind von diesem<br />

Meisterwerk der Ingenieurkunst nur die für die Wartung in den<br />

Fels gehauenen Stufen. 699 davon muss man erklimmen. Wer es<br />

dann vom Ladder Hill wieder herunter schafft, kann sich im St.<br />

Helena Museum eine Urkunde<br />

ausstellen lassen.<br />

Irene Harris, draußen auf der<br />

Holzbank vor ihrer viktorianischen<br />

Pension, mit Jacob’s<br />

Ladder im Rücken, versteht<br />

manchmal die Welt nicht mehr.<br />

Seit sie droben in den Bergen<br />

ein ganzes Tal für den geplanten<br />

Flughafen <strong>zu</strong>schütten,<br />

kurven die blitzblank gewienerten<br />

Pickups und Trucks der<br />

südafrikanischen Baufirma Basil<br />

Read die Main Street hinauf<br />

und herunter. Sogar die Eisenbahn<br />

auf den Ladder Hill, hat<br />

sie gehört, wolle man rekonstruieren,<br />

um damit ein im<br />

ehemaligen Fort untergebrachtes<br />

Hotel <strong>zu</strong> erschließen. Ein<br />

anderes, mit Zimmerpreisen bis <strong>zu</strong> 250 Pfund, soll irgendwo in<br />

den Bergen hinter Fort Knoll entstehen. Dabei haben sie auf der<br />

Insel nicht einen Meter Sandstrand, der diesen Namen verdient,<br />

sind also nicht unbedingt das, was ein Urlaubs paradies genannt<br />

werden darf.<br />

Es gibt dann, als wir schon <strong>zu</strong>rück auf dem Schiff sind und Kapstadt<br />

anlaufen, noch eine der Inselgeschichten, in denen es um<br />

Katzen geht und warum die auf St. Helena bei ein paar Leuten<br />

plötzlich so viel Anstoß erregen. Sie waren uns, unabhängig von<br />

der, die bei Anne vom Himmel fiel, bei Irene aufgefallen, wo sie<br />

einen festen Platz im Haus einnahmen, sie hatten vor der Küche<br />

des Consulate ausgehalten, bis man ihnen gegen neun Uhr am<br />

Abend die Speisereste servierte, im White Horse war eine in<br />

einem der Plastikstühle in einen Tiefschlaf gefallen, dem noch<br />

so viel Hardrock Music aus den Lautsprechern nichts anhaben<br />

konnte, und bei Anne pflegte ein Exemplar zwischen Küchentür<br />

und Essensausgabe <strong>zu</strong> sitzen wie die ägyptische Sphinx.<br />

Die Kabine A 8 auf der RMS, Purple Patch genannt, weil sie üblicherweise<br />

der anglikanische Bischof der Insel frequentiert, hatte<br />

auf der Hinfahrt ein Engländer bewohnt, der später in James town<br />

im Consulate logierte, bei Anne den eigenen Hotspot der Insel für<br />

sündhaft teuren E-Mail-Verkehr nutzte und der wie ein <strong>zu</strong> jeder<br />

Tageszeit vollendet gekleideter Regierungsvertreter mit nicht immer<br />

ganz nachvollziehbaren Ambitionen auf uns wirkte. Auf der<br />

Rückreise stellten ein französischer und ein südafrikani scher Manager<br />

aus der Hotelbranche den Passagieren vor, welche touristischen<br />

Entwicklungsmöglichkeiten ihnen für die Insel vorschwebten.<br />

Die Gelegenheit für den Briten, einmal die Omnipräsenz der


leidigen Katzen in den Restaurants,<br />

Bars und Hotelflu ren <strong>zu</strong><br />

beklagen. Irene, unsere Gastgeberin,<br />

hatte schon am ersten Tag<br />

be kundet, worum es dabei nur<br />

ging: „These cats are protecting<br />

and defending the food and the<br />

kitchen since hundreds of years.“<br />

Nicht mehr, nicht weniger.<br />

Zwei Lebensstile, der eine so, wie<br />

St. Helena, diese Zeitmaschine<br />

im Südatlantik, noch ist, und<br />

der andere gänz lich davon unberührt,<br />

vorausgesetzt, dass es ihm<br />

gelingt, Fuß <strong>zu</strong> fassen auf diesem<br />

siebten Kontinent von vorläufig<br />

noch unbestimmter Ausdehnung<br />

in eine gänzlich andere<br />

Zukunft hinüber.<br />

Oldenburgische Landesbank AG:<br />

Hier <strong>zu</strong> Hause<br />

Die OLB ist die größte private Regionalbank<br />

Deutschlands – gemessen an Bilanzsumme,<br />

Mitarbeiterzahl und Filialnetz. Das Geschäftsgebiet<br />

mit mehr als 170 Niederlassungen<br />

erstreckt sich von der Nordsee<br />

bis <strong>zu</strong>r Ems und inzwischen weit über die<br />

Weser hinaus. Seit 2009 ist die OLB auch<br />

in <strong>Bremen</strong> <strong>zu</strong> Hause. Von hier aus ist das<br />

stetig wachsende Team um den Niederlassungsleiter<br />

Carl Kau für die kontinuierlich<br />

steigende Zahl an Kunden und Volumina<br />

erfolgreich im Einsatz. Die OLB hat sich in<br />

der Bremer Bankenlandschaft ihren festen<br />

Platz erarbeitet und wird inzwischen bei<br />

relevanten Finanzthemen stets angefragt.<br />

Das auf Persönlichkeit, Zuverlässigkeit,<br />

Vertrauen sowie Know-how basierende<br />

Geschäfts-Modell kommt insbesondere<br />

bei hanseatischen Kunden gut an. Aus<br />

regionaler Verbundenheit und ihrem<br />

Selbstverständnis füllt die OLB ihr soziales<br />

und gesellschaftliches Engagement mit<br />

Leben – u.a. als Mitglied im ehrwürdigen<br />

<strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong> sowie generell als großzügiger<br />

Förderer der Bremer Kultur-,<br />

Wirtschafts- und Wissenschaftsszene.<br />

So engagiert sich eine Bank, die hier <strong>zu</strong><br />

Hause ist.<br />

65<br />

Oldenburgische Landesbank AG<br />

Carl Kau<br />

OLB-Niederlassung <strong>Bremen</strong><br />

Am Wall 146<br />

28195 <strong>Bremen</strong><br />

Tel. 0421 47 88 58 -10<br />

carl.kau@olb.de<br />

www.olb.de


66<br />

Kultur<br />

Focke-Museum<br />

Archäologie unterm Hakenkreuz


„Graben für Germanien. Archäologie unterm Hakenkreuz“, damit<br />

wird eine Ausstellung im Bremer Focke-Museum beschrieben, in<br />

der <strong>zu</strong>m ersten Mal das Verhältnis von Politik und Archäologie im<br />

Nationalsozialismus beleuchtet wird. Schirmherr der Ausstellung<br />

ist Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der anerkennend feststellt:<br />

„Diese Ausstellung leistet einen Beitrag <strong>zu</strong>r Aufarbeitung<br />

des dunkelsten Kapitels unserer Geschichte und verdeutlicht darüber<br />

hinaus den hohen Stellenwert der Freiheit der Wissenschaft<br />

und Forschung.“<br />

Während des Nationalsozialismus waren Politik und Archäologie<br />

besonders eng miteinander verflochten. Beide haben sich gegenseitig<br />

stark beeinflusst und die Idee eines germanischen Volkes,<br />

das Griechen und Römern überlegen sei, massiv verbreitet. Damit<br />

hat die Archäologie wesentlich <strong>zu</strong> den ideologischen Grund lagen<br />

des Nationalsozialismus beigetragen. <strong>Der</strong> daraus erwachsene<br />

Glaube an eine überlegene arisch-germanische Rasse war eine<br />

der zentralen Rechtfertigungen für die Verbrechen des Holocaust.<br />

Dem Kuratorenteam des Focke-Museums ist es ein Anliegen,<br />

diese besondere Rolle der Archäologie umfassend <strong>zu</strong> beleuchten<br />

und dabei auch die Entwicklung in <strong>Bremen</strong> wahrend der<br />

Zeit des Nationalsozialismus überregional ein<strong>zu</strong>ordnen“, meint<br />

Dr. Frauke von der Haar, die Direktorin des Focke- Museums. Dabei<br />

spielte die personelle Kontinuität der Handelnden eine ganz<br />

besondere Rolle.<br />

Fast alle deutschen Archäologen haben sich zwischen 1933 und<br />

1945 an der Verbreitung nationalsozialistischer Ideen und Plünderung<br />

von fremden Kulturgütern beteiligt. Kaum eine Branche<br />

hat sich so nahtlos in die ideologischen Dienste des Nationalsozialismus<br />

stellen lassen wie die der Archäologen. Nach dem<br />

zweiten Weltkrieg konnten die meisten Archäologen ähnlich den<br />

Juristen ihre Karrieren weiterverfolgen, eine kritische Auseinanderset<strong>zu</strong>ng<br />

mit ihrem Einsatz für „Germanien“ blieb aus. Auch<br />

waren die in der NS-Zeit von den Archäologen verfestigten Germanenbilder<br />

noch lange in Schulbüchern und Ausstellungen der<br />

67<br />

67<br />

Nachkriegszeit <strong>zu</strong> finden. Bis heute noch werden aufgeladene Vorstellungen,<br />

Zeichen und Symbole in der rechten Szene propagiert,<br />

Versatzstücke des nationalsozialistischen Germanenbildes<br />

finden sich immer wieder in den Massenmedien, in der rechtsextremen<br />

Jugendkultur und in speziellen Musikszenen. Das Internet<br />

erleichtert die weltweite Verbreitung und Vermarktung<br />

solcher nationalen und rassistischen Ideologien.<br />

Die Ausstellung „Graben für Germanien. Archäologie unterm Hakenkreuz“<br />

gliedert sich in fünf große Abschnitte, die das Konstrukt<br />

Germanien und seine Wirkungsweise chronologisch beleuchten.<br />

„Mit Germanien verbinden sich bis heute verschiedenste<br />

Vorstellungen und Assoziationen. Dabei gab es kein Volk, das<br />

sich selbst Germanen nannte oder seine Heimat als Germanien<br />

bezeichnete“, berichtet Dr. Karin Walter, Kuratorin und Leiterin<br />

des Ausstellungsprojekts, „die Römer hatten diese Bezeichnung<br />

für die auf der rechten Rheinseite lebenden Bevölkerungsgruppen<br />

erfunden.“ Über die Jahrhunderte hinweg erlebte der Begriff<br />

„Germanien“ verschiedene ideologische Aufladungen. Während<br />

der Zeit des Nationalsozialismus arbeiteten Archäologen der Po-


68<br />

Kultur<br />

Focke-Museum<br />

litik selbständig <strong>zu</strong> und lieferten vermeintlich wissenschaftliche<br />

Belege für eine germanische Hochkultur und ihr großes Siedlungsgebiet.<br />

Diese Belege nutzte das NS-Regime, um die eigene<br />

Überlegenheit <strong>zu</strong> beweisen und Besitzansprüche auf Territorien<br />

in den Nachbarländern <strong>zu</strong> legitimieren. Mit Kriegsbeginn 1939<br />

waren Archäologen schließlich in allen von den deutschen Truppen<br />

eroberten Gebieten, von Norwegen bis Griechenland, von<br />

Frankreich bis in den Kaukasus intensiv tätig.<br />

Mit 750 Exponaten – sowohl nationale wie internationale Leih -<br />

ga ben als auch eigene Bestände – zeigt das Focke-Museum auf<br />

800 qm Ausstellungsfläche wie eng Politik und Archäologie damals<br />

verzahnt waren. So dienten Ausgrabungsfunde nicht selten der medial<br />

verbreiteten Propaganda, etwa eine 1400 Jahre alte Urne mit<br />

Hakenkreuzmotiv aus dem Gräberfeld <strong>Bremen</strong>-Mahndorf, die in der<br />

NS-Presse und in populärwissenschaftlichen Zeitschriften wie „Germanen-Erbe“<br />

als historische Reminiszenzen dargestellt wurden.<br />

Schulwandbilder, Abzeichen und Sammelbilder verdeutlichen,<br />

wie diese ideologisch bestimmten Vorstellungen über Germanen<br />

und Germanien im Alltag und Unterricht vermittelt wurden. Originalgetreue<br />

Repliken von Bronze- und Goldobjekten sollten das<br />

Bild von einer germanischen Hochkultur stützen genauso wie<br />

Filme, Fotos, Plakate und Zeitschriften.<br />

Die Bremer Ausstellung greift ein immer noch aktuelles gesellschaftliches<br />

Thema auf, das die Ursprünge dieses Germanen-<br />

Kults mit der Gegenwart verknüpft. Dass das Focke-Museum dabei<br />

keinen schamhaften Bogen um die eigene Vergangenheit macht,<br />

belegt die dokumentierte Geschichte von Dr. Ernst Grohne, der<br />

von 1924 bis 1953 Direktor des Focke Museums und <strong>zu</strong>gleich<br />

Landesarchäologe war. Als solcher hat er durch intensive Ausgrabungen<br />

in der Nordwest-Region die ur- und frühgeschichtliche<br />

Sammlung des Bremer Landesmuseums entscheidend ausgebaut<br />

und sicherlich auch seinen ganz eigenen Beitrag <strong>zu</strong>m Thema „Archäologie<br />

unterm Hakenkreuz“ geleistet.<br />

Im Begleitprogramm <strong>zu</strong>r Ausstellung finden Vorträge von Wissenschaftlern<br />

statt. Neben Themenführungen bietet das Focke-<br />

Museum auch einen satirischen Zugang <strong>zu</strong>m Thema an. <strong>Der</strong> Kabarettist<br />

Pago Balke macht eine Führung durch die Ausstellung,<br />

in der geschmunzelt, gelacht und nachgedacht werden kann.<br />

<strong>Der</strong> römische Schriftsteller Tacitus (58 – 120) veröffentlichte im<br />

Jahr 98 nach Christus ein länderkundliches Buch über Germanien,<br />

obwohl er selbst nie vor Ort war und Germanien nur vom Hörensagen<br />

kannte. Er beschreibt die Germanen als unzivilisiert, betont<br />

aber deren Tugendhaftigkeit, die bei den Römern abhanden<br />

gekommen sei.


Tacitus über die Germanen:<br />

„Obwohl es sehr viele Menschen sind, sehen alle gleich aus: blaue<br />

Augen mit wildem Ausdruck, rötliches Haar, riesige Gestalten, die<br />

aber nur <strong>zu</strong>m Angriff taugen.“<br />

„Das für alle übliche Kleidungsstück ist ein Mantel … Im Übrigen<br />

verbringen sie den ganzen Tag ohne Kleider an Herd und Feuer.“<br />

„Gleichwohl sind die Ehen dort streng…Denn sie sind fast die einzigen<br />

unter den Barbaren, die sich mit je einer Frau begnügen.“<br />

„So leben sie denn in den Schranken des Anstandes und sind weder<br />

durch unsittliche Darbietungen noch durch Fressorgien verdorben.“<br />

Meine Versicherung<br />

ist da, wenn meine<br />

mal was anstellen.<br />

69<br />

„Gleich nach dem Schlaf, den sie meist bis in den Tag ausdehnen,<br />

waschen sie sich gewöhnlich warm, da bei ihnen die meiste Zeit<br />

Winter herrscht.“<br />

„Tag und Nacht ununterbrochen <strong>zu</strong> saufen ist für keinen eine<br />

Schande.“<br />

„Ihr Essen ist einfach. Wildes Obst, frisches Wild oder gestockte<br />

Milch. Ohne besondere Zubereitung, ohne Gewürze stillen sie ihren<br />

Hunger.“<br />

„Die übrigen häuslichen Dienstleistungen besorgen Frauen und<br />

Kinder.“


70<br />

Bremer Geschichte<br />

Friedrich Engels<br />

Friedrich Engels in <strong>Bremen</strong>


Johannes C. Schmid<br />

Das 19. Jahrhundert brachte eine außerordentliche geistige<br />

Blüte über Europa. Musik, Malerei, Philosophie, Literatur, alles<br />

war im Aufbruch begriffen. Bedeutende neue Erfindungen wie<br />

die Dampfmaschine, die Eisenbahn und die Fotografie wurden<br />

gemacht. In der Wirtschaft stellte ein freier, schrankenloser<br />

Wettbewerb immer neue Anforderungen und veränderte die Lebensweise<br />

der Menschen und trieb sie in steigende Unrast.<br />

Das Maschinenzeitalter nahm seinen Anfang. Für viele bedeutete<br />

das steigenden Reichtum und für zigtausende Armut und Abhängigkeit.<br />

Das war die Geburtsstunde des Sozialismus. Profilierte Köpfe,<br />

meist aus bürgerlichen Kreisen, erhoben ihre Stimme, um die<br />

Widersprüche des Jahrhunderts <strong>zu</strong> beseitigen bzw. durch soziale<br />

Reformen <strong>zu</strong> verändern. Die Idee war es, die herrschende Ordnung<br />

neu <strong>zu</strong> gestalten.<br />

In Deutschland waren es Karl Marx und Ferdinand Lassalle.<br />

Lassalle gründete 1863 in Leipzig die SPD, die in diesem Jahr<br />

ihr hundertjähriges Bestehen feiert. Karl Marx verfasste 1847 das<br />

sogenannte „Kommunistische Manifest“ mit Friedrich Engels,<br />

einem der größten Theoretiker des Sozialismus. Dieser Friedrich<br />

Engels verbrachte in seiner Jugend entscheidende Jahre in <strong>Bremen</strong>.<br />

Hier erlernte er den Beruf des Kaufmanns.<br />

Lehrjahre in <strong>Bremen</strong><br />

<strong>Bremen</strong>, den 10. August 1838. Eine Kutsche passierte das Wachhaus<br />

am Ansgariitor und erreichte wenig später ihr Ziel, das Hotel<br />

Frankfurt. Dieses Hotel, benannt nach dem Sitz des Deutschen<br />

Bundes in Frankfurt, war eine erste Adresse in der Freien<br />

Hansestadt <strong>Bremen</strong>.<br />

Ein junger Mann, schlaksig, modisch gekleidet, springt elastisch<br />

aus der Kutsche, gefolgt von einem beleibten älteren Herrn, von<br />

Aussehen und Gebaren, sichtlich ein Mann von Stand.<br />

71<br />

71<br />

„So, mein Sohn“, wandte dieser sich an den Jungen, dessen wache<br />

Augen das rege Treiben vor dem Hotel betrachteten. „Hier in<br />

dieser Stadt wirst Du nun deine Ausbildung fortführen. Morgen<br />

werden wir Pastor Gottfried Treviranus im Martiniviertel aufsuchen.<br />

Du wirst dich sicher bei ihm wohl fühlen. Er ist hier in der<br />

Stadt ein bibelfester, angesehener Mann und ich weiß Dich bei<br />

ihm in guten Händen. Nach der langen Reise lass uns jetzt ein<br />

gutes Abendessen einnehmen.“ Er klopft seinem Sohn aufmunternd<br />

auf die Schulter und sie betreten das Hotel, gefolgt von<br />

einem Pagen, mit ihrem Gepäck. Stunden später sitzt der junge<br />

Engels in seinem Zimmer, beschäftigt damit, seiner Mutter <strong>zu</strong><br />

schreiben.<br />

Liebe Mutter!<br />

Unsere Reise verlief ziemlich glücklich. Lass mich Dir einige Einzelheiten<br />

berichten…<br />

Engels sieht vom Schreiben auf und blickt <strong>zu</strong>m Fenster hinaus<br />

auf den gegenüberliegenden Dom. Warum war er hier? War die<br />

Entscheidung des Vaters richtig, die in Wuppertal begonnene<br />

Ausbildung hier in <strong>Bremen</strong> fort<strong>zu</strong>setzen? Warum habe ich es so<br />

widerstandslos hingenommen, geht es ihm durch den Kopf, fühle<br />

ich mich doch ohnehin nicht berufen <strong>zu</strong> diesem Krämerseelendasein,<br />

diesem Wühlen in Akten und Konten. Literatur, Philosophie,<br />

das sind die geistigen Reiche, die es für mich <strong>zu</strong> erkunden,<br />

<strong>zu</strong> erobern gilt. Ich werde Marie, meiner Schwester, von meinem<br />

Verdruss schreiben, sie ist ohnehin die Einzige, der ich vertrauen<br />

kann, die mich ganz versteht.<br />

Er kommt immer mehr ins Grübeln. Aber kann ich Vater denn<br />

enttäuschen, lebt er nicht in seiner Welt von Bibel und Börse,<br />

hat er nicht großen Erfolg als Fabrikant, eine Baumwollspinnerei<br />

in Wuppertal, eine Fabrik in Manchester, ein stattliches Patrizierhaus<br />

in Barmen. Er tut einen tiefen Seufzer. Aber man muss<br />

ihn verstehen, den Alten. Er will einen Nachfolger, will mich <strong>zu</strong><br />

Seinesgleichen machen.


72<br />

Bremer Geschichte<br />

Friedrich Engels<br />

Friedrich Engels, um 1845


Müde streckt sich Engels auf dem Bett aus, lauscht den Glocken<br />

des nahen Domes und schläft ein. Sein letzter Gedanke ist, ich<br />

muss einen Ausweg finden. Eine Woche später, sein Vater war<br />

bereits wieder nach Wuppertal abgereist, hatte er Quartier bezogen<br />

bei Pastor Treviranus, Martinikirchof 2, und war vorstellig<br />

geworden beim Großhandelskaufmann und Sächsischen Konsul,<br />

Heinrich Leupold, in der Martinistraße 11, bei ihm sollte er seine<br />

Ausbildung fortsetzen.<br />

Das Martiniviertel an der Weser gefiel dem jungen Engels sofort.<br />

Die alte, im 12. Jahrhundert erbaute Kirche nebst Pfarrhaus ,in<br />

dem er wohnte, der <strong>zu</strong>r Weser gelegene Kirchgarten, in dem, wie<br />

er schnell feststellte, sich herrlich lesen und denken ließ, die<br />

prächtigen Bürgerhäuser und der nahe Ratskeller, all das versprach<br />

eine leidlich angenehme Zeit.<br />

Weniger erfreut war Engels über die Bibelsprüche und Ermahnungen<br />

des orthodoxen, calvinistischen Pastors, mit denen ihm<br />

dieser täglich begegnete. Ansonsten war der Pastor sehr umgänglich.<br />

Sogar einen Schnurrbart, der in den Kontorräumen verpönt<br />

war, und den Engels sich wachsen ließ, wurde von ihm toleriert.<br />

<strong>Der</strong> Pastor und seine Frau hatten viele Schicksalsschläge<br />

verkraften müssen, dennoch war sein Glaube unerschütterlich.<br />

Sechs Kinder waren ihm früh verstorben. Zwei Töchter, die<br />

19-jährige Katharina-Maria und die 10-jährige Margarethe gehörten<br />

noch <strong>zu</strong>r Familie. Außerdem waren häufig Gäste im Haus.<br />

Die ältere Tochter Maria betrachtete der lebenslustige Rheinländer<br />

mit Wohlgefallen, hielt sich aber <strong>zu</strong>rück, da der Pastor nachdrücklich<br />

auf Sitte und Anstand achtete. Sie entsprach so gar<br />

nicht dem Bild, welches ein Bremer Literat, Eduard Beumann in<br />

seinen Skizzen aus den Hansestädten von den Bremerinnen gezeichnet<br />

hatte.<br />

Mit großer Heiterkeit hatte Engels diese Skizzen gelesen. Beumann<br />

hatte geschrieben:<br />

„Wo die Bremerin mit dem Fuß hintritt, da wächst kein Gras<br />

mehr…“<br />

„Sie sind eher plump als graziös und haben meist niederländische<br />

Züge…“<br />

„Sie sind Blei an den Füßen ihrer Ehemänner…“<br />

Nach einigen Wochen fühlte sich der junge Engels in <strong>Bremen</strong><br />

recht heimisch. Die Monotonie des Kontorlebens ertrug er mit<br />

stoischem Gleichmut, Ebenso die frömmelnden Tischgespräche<br />

bei Treviranus. Oh, diese Religion! Schon im Elternhaus, als<br />

Schüler, hatte er innerlich aufbegehrt gegen die pietistische Erziehung<br />

und enge Auslegung der Bibel, als sei Gott ein Buchhalter.<br />

Schon mit seinem Freund Wilhelm Graeber hatte er heimlich<br />

darüber gelästert und sich früh angewöhnt, ein Doppelleben <strong>zu</strong><br />

führen. Er hatte gelernt, seine inneren Kämpfe, seine ketzerischen<br />

Gedanken sorgfältig vor der Öffentlichkeit <strong>zu</strong> verbergen.<br />

73<br />

Diese Haltung behielt Engels auch in <strong>Bremen</strong> bei. Lesend saß er<br />

häufig im neuen Caféhaus am Domshof, hier gab es sogar ein<br />

Billardzimmer. Er besuchte das alte Theater am Wall oder verbrachte<br />

ganze Abende disputierend im Ratskeller. Am liebsten<br />

aber saß er im Kirchgarten, sah den Schiffen auf der Weser nach<br />

und las, was er nur in den Buchhandlungen auftreiben konnte.<br />

Heine, Schiller, Goethe, Schelling…<br />

Buch um Buch befreite Engels sich mittels Lektüre und Zwiegespräch<br />

von der Tradition der Rechtgläubigkeit. Ich bin jetzt dahin<br />

gekommen, nur die Lehre für göttlich <strong>zu</strong> halten, die vor der<br />

Vernunft bestehen kann, gestand er sich ein.<br />

An den Freund Graeber schrieb er:<br />

……bei kostbarem Wetter im Garten gesessen, geraucht und Lusiande<br />

gelesen…<br />

es liest sich nirgends so gut als im Garten, mit einer Pfeife im<br />

Mund. Bin <strong>zu</strong> großen Erkenntnissen gelangt……..<br />

Eines Abends im Ratskeller beim flackernden Licht der Kerzen,<br />

der Wein hatte seine Phantasie angeregt, kam ihm eine zündende<br />

Idee. Seinem klaren Verstand war schon lange aufgefallen,<br />

dass in der bremischen Bürgerschaft kein revolutionärer Geist<br />

vorherrschte. Allenfalls unter den Zigarrenmachern gab es einige<br />

Arbeiter, die aufrührerischen Ideen nahe standen.<br />

<strong>Der</strong> Senat, unter Führung von Bürgermeister Smidt, einem sonst<br />

weitschauenden Politiker, betrieb eine autoritäre Politik. Was also<br />

war <strong>zu</strong> tun? Ich muss schreiben, denkt er, muss Sprachrohr neuer<br />

Ideen werden. Aber wie? Wer würde Artikel von einem unbekannten,<br />

jungen Kaufmannslehrling veröffentlichen? Wer, Wer, Wer?<br />

Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. „Oswald“, ruft er. Ab jetzt<br />

schreibe ich unter dem Namen Friedrich Oswald. „Friedrich Oswald“,<br />

flüstert er nochmals gedehnt.<br />

Ob dieses genialen Einfalls ordert er mit ausholender Geste einen<br />

weiteren Humpen Wein. Schon überschlagen sich in seinem<br />

Kopf Pläne. Für die Geheimorganisation -Junges Deutschland-<br />

werde ich Artikel schreiben. Kritische, aufwühlende Artikel wie<br />

Heine, Börne, Laube, Gutzkow. Engels ist voll entflammt. Schon<br />

bald erscheinen seine Berichte in wichtigen deutschen Publikationen.<br />

In Gutzkows „Thelegraph für Deutschland“, im „Deutschen<br />

Courier“, im „Morgenblatt für gebildete Leser und Mitternachtszeitung“.<br />

Seine Artikelserie „Briefe aus Wuppertal“ erregen schon bald die<br />

Gemüter. Er schreibt: Die Barmer Stadtschule liegt ganz in den<br />

Händen eines beschränkten, knickerigen Kuratoriums……..<br />

Leute, die zwar einen Posten sehr korrekt ins Hauptbuch übertragen<br />

können, aber von Griechisch, Latein oder Mathematik keine


74<br />

Bremer Geschichte<br />

Friedrich Engels<br />

Friedrich Engels Bremer Bleibe im Pfarrhaus an der Martinikirche<br />

Ahnung haben. Dass solche Pädagogen keine Persönlichkeiten<br />

heranbilden können, sondern nur verkümmerte Existenzen, liegt<br />

auf der Hand. Es ist ein schreckliches Leben, das diese Menschen<br />

führen. …<br />

<strong>Der</strong> Name Oswald war bald dem lesenden Publikum ein Begriff,<br />

ohne dass jemand von seinem Doppelleben etwas ahnte. Im<br />

zweiten Lehrjahr setzte eine Wandlung bei Engels ein.<br />

Das öde Kontorleben, die seichten Vergnügungen, Café, Ratskeller,<br />

Billard, verloren ihren Reiz. Engels wurde von der hegelschen<br />

Phi losophie gepackt, einer Philosophie, die den geschichtlichen<br />

sowie den geistigen Prozess als einen Kampf der Gegensätze begreift.<br />

Auch spürt Engels ein immer stärker werdendes Engagement<br />

für die Leiden und Kümmernisse des arbeitenden Volkes.<br />

Aber hatte sein Herz nicht seit seiner Jugend für das Proletariat<br />

geschlagen, fühlte er sich nicht schon immer als Anwalt der<br />

Menschen, der Weber, der Gerber, der Frauen und Kinder, die für<br />

einen geringen Lohn 12 – 16 Stunden täglich in staubigen und<br />

feuchtheißen Fabrikhallen schufteten, sich Krankheiten holten<br />

und dem Alkoholismus verfielen, auch in seines Vaters Fabriken.<br />

Und hatte er die Frömmler, die das als gottgegeben verkündeten,<br />

nicht schon immer verachtet.<br />

Voll jugendlichem Zorn schreibt er. <strong>Der</strong> Arbeitsvertrag ist ein<br />

Schein, der dem Arbeiter die Illusion vorgaukelt, er handele aus<br />

freiem Willen, als mündiger Mensch, in Wahrheit aber ist er ein<br />

Sklave der Mächtigen. Nächtelang zerbricht sich Engels den<br />

Kopf, wie diese Gegensätze <strong>zu</strong> harmonisieren sind. In ihm reift<br />

der Entschluss, ein epochales Werk über die arbeitende Klasse <strong>zu</strong><br />

schreiben.<br />

Das Ende seiner Lehrzeit rückt näher. Wieder sitzt er am Pult in<br />

seinem Zimmer und schaut gedankenvoll auf die erste Schlachtpforte.<br />

Er ist gereift, klar formulieren sich die Gedanken in seinem<br />

Kopf. Wenn nicht von unserer Generation, dann von der<br />

nächsten, diese wird <strong>zu</strong> entscheiden haben, wie sie die Gegensätze,<br />

die sich immer mehr hinaufgipfeln, lösen wird. Er zündet<br />

die Petroleumlampe an und greift <strong>zu</strong> einem Buch. Noch zwei<br />

Monate murmelt er, noch zwei Monate. Es ist gut <strong>zu</strong> neuen Ufern<br />

auf<strong>zu</strong>brechen. Hier in <strong>Bremen</strong> kann ich nichts mehr tun, außer<br />

Essen, Trinken und Schlafen.


Friedrich Engels verließ <strong>Bremen</strong> im Mai 1841. Seine hier entstandenen<br />

Schriften füllen mehr als 300 Seiten. Reisen führten ihn<br />

<strong>zu</strong>nächst in die Schweiz und nach Italien, später nach Berlin.<br />

Hier leistete er seinen Militärdienst und trieb intensive Studien.<br />

Er schloss sich einer Gruppe Junghegelianer an, den so genannten<br />

Freien. 1842 traf er mit Karl Marx <strong>zu</strong>sammen. Eine lebenslange,<br />

sich gegenseitig befruchtende Freundschaft entstand und<br />

75<br />

bald war sein Name ein Begriff in Europa. <strong>Der</strong> Vorwärts vom<br />

10.08.1895 schrieb: Keiner war mehr unterrichtet über die moderne<br />

sozialistische Bewegung. Mit Leichtigkeit sprach er die<br />

meisten europäischen Sprachen, mit leidenschaftlicher Aufmerksamkeit<br />

folgte er der Entwicklung seiner Lehren unter den Arbeitern.<br />

Er setzte durch seine bis in die Einzelheiten gehenden<br />

Kenntnisse die Kämpfer aller Länder in Erstauen, welche ihn in<br />

London aufsuchten.


76<br />

Literatur<br />

Betty Kolodzy<br />

<strong>Bremen</strong> Walking


Gerald Sammet<br />

Man kann in diesem Buch blättern wie in einem Album voller<br />

Scherenschnitte. Miniaturen, jede für sich <strong>zu</strong> nehmen oder in<br />

einen Zusammenhang gestellt, dessen Tragweite einzig beim<br />

Leser und bei der Leserin liegt. Wobei Tragweite Erwartungen<br />

weckt, die in dem Buch, auch wenn im Titel davon die Rede ist,<br />

nicht ganz dem entsprechen, was die Autorin auf 162 Seiten<br />

anklingen lässt. <strong>Bremen</strong> Walking ist definitiv kein Wander- und<br />

Reisebuch, keine Erzählung, die das Weite sucht und darüber<br />

Ferne gewinnt. <strong>Bremen</strong> Walking steht für eine Bewegung nach<br />

innen, ein Streben hin <strong>zu</strong> einer Mitte, in der Betty Kolodzy es<br />

sich schon eingerichtet haben muss, bevor sie mit dem Schreiben<br />

anfing. <strong>Bremen</strong> Walking nimmt sich der Dinge an, die sie<br />

schon kennt. <strong>Bremen</strong> Walking, das ist <strong>Bremen</strong> in einer Nussschale,<br />

der man nur ein Streichholz als Mast und ein Blatt von einem<br />

Baum verpassen müsste, der gerade sein Herbstlaub abwirft, und<br />

schon stünde man auf einem wirklichen Schiff oder ließe sich<br />

wenigstens, wie die Autorin, von dem Glauben nicht abbringen,<br />

man sei dabei, mit richtigen Planken unter den Füßen Kurs bis<br />

weit hinter den Horizont auf<strong>zu</strong>nehmen. Dabei schwimmt das<br />

Schiffchen doch nur auf einem Wasserglas, und hinter dessen<br />

Rand geht’s nicht weiter.<br />

Nichts von dem, was damit vorgetragen wurde, spricht gegen<br />

Betty Koldzys Methode. Ihre Beobachtungen sind präzise, ihre<br />

Momentaufnahmen vom Leben in dem begrenzen Raum, den sie<br />

als das ganze <strong>Bremen</strong> ausgibt, wirken klar umrissen, und woher<br />

sie kommt und wohin es sie zieht bei ihrem <strong>Bremen</strong> Walking,<br />

bedarf keiner weiteren Begründung. Heimat steht über dem<br />

ersten Kapitel, Vom Marktplatz ins Viertel ist das zweite überschrieben,<br />

und mit den letzten beiden Sätzen ist dann erst recht<br />

alles gesagt: „Die Haustür schlägt <strong>zu</strong> und du bist <strong>zu</strong> Hause angekommen:<br />

Daheim in <strong>Bremen</strong>.“ Fehlt nur, als diesen langen Lauf<br />

<strong>zu</strong> sich selbst bekräftigende Schlusspointe, das Ausrufezeichen.<br />

Dass Betty Kolodzy mit dem, was sie zwischen Heimat und Heimkommen<br />

ausbreitet, nicht von vorneherein havariert, liegt vor<br />

allem daran, dass es ihr die Kunst der Scherenschnitttechnik so<br />

77<br />

77<br />

sehr angetan hat. Zwar ist bei der alles entweder schwarz oder<br />

weiß angelegt, aber das diffuse Licht hinter dem Seidenpapier<br />

sorgt dann doch dafür, dass die Phantasie angeregt wird. So gelingen<br />

ihr, wenn auch meistens nur zwischen Marktplatz und<br />

einem sich nie am Ganzen messenden Viertel, immer wieder<br />

staunenswerte Geschichten.<br />

Eine, die von Herrn Blume, handelt davon, dass der auf seiner<br />

Parzelle Mäuse fängt (was wäre die Parzelle <strong>Bremen</strong> ohne ihre<br />

Parzellen?), die er für den Eichelhäher auf seinen Komposthaufen<br />

legt. Die Autorin gibt <strong>zu</strong> erkennen, wie <strong>zu</strong>wider ihr dieses<br />

Jagdfieber ist, das sich obendrein auch noch auf Schnecken richtet,<br />

aber der Eichelhäher, wird ihr dann klar, würde sich ihr ohne<br />

Herrn Blumes Mäuse so oft nicht zeigen. „Das nenne ich Recycling“,<br />

bilanziert sie versöhnlich gestimmt die Aktion und möchte<br />

Herrn Blume auch deswegen nicht missen. So lebt es sich<br />

eben im Winkel mit ein bisschen Glück. Man ist umstellt von<br />

Begriffen, die das Gute bezeichnen, aber Betty Kolodzy weiß<br />

wenigstens, dass dahinter oft nur übersehene Bosheiten stecken.<br />

Nicht alles in <strong>Bremen</strong> Walking ist freilich so satirisch gemeint,<br />

wie es häufig auf einen wirkt. Dass Werder <strong>Bremen</strong> den Beat der<br />

Stadt verkörpere, müsste denen in der Vorstandsetage mal einer<br />

näher<strong>zu</strong>bringen versuchen. Mit alle vierzehn Tage einmal Beat,<br />

einer Sommerpause da<strong>zu</strong> und der weihnachtlichen Ruhezeit als<br />

Verlängerung kriegt man nicht all<strong>zu</strong> viel Dynamik ins städtische<br />

Leben. Dass Kolodzy es in dem Kontext auch noch schafft, die<br />

gelegentlichen nächtlichen Fußballspiele von Autonomen auf<br />

der Sielwallkreu<strong>zu</strong>ng von dem ab<strong>zu</strong>leiten, was die Werder-Profis<br />

vorgelegt haben, spricht erstens für ihren schwarzen Humor und<br />

bezeugt zweitens, wie groß der Dorfplatz vom Viertel nur ist.<br />

Darin steckt allerdings auch ein Grundproblem ihres Buchs. <strong>Bremen</strong>s<br />

als Stadt der gefühlt kurzen Wege und der tatsächlich sich<br />

lang und länger hinziehenden Gegebenheiten kriegt sie nie von<br />

einer Position her in den Griff, die wirkliche Überraschungen<br />

bietet. Einmal plant die Erzählerin mit einer Freundin eine Reise


78<br />

Literatur<br />

Betty Kolodzy<br />

nach Moskau. Das Geld bleibt liegen und führt die beiden am<br />

Ende nur in die Vahr. Berliner Freiheit, fast ist das ja schon<br />

außerirdisches Terrain.<br />

<strong>Der</strong> Scherenschnitt ist eine Kunstform, die im Biedermeier ihre<br />

Blütezeit hatte. Er stand für den Rück<strong>zu</strong>g ins Idyll, die Schau auf<br />

das Innere, das Gefühl, dass man als Bürger in Ruhe seinen ersten<br />

Pflichten nachgehen sollte. <strong>Bremen</strong> Walking ist, von dieser<br />

Historie her gesehen, ein fast schon unerhörter Buchtitel. Wo<br />

Kolodzy Fahrt aufnimmt, ist bestenfalls ein Fahrrad im Spiel,<br />

exemplarisch für die kurzen Wege geeignet und konstruiert. Man<br />

muss da<strong>zu</strong> nur wissen, dass das von dem badischen Forstmeister<br />

Karl Freiherr von Drais entwickelte Laufrad unmittelbar im Biedermeier<br />

wurzelt und dass es die Menschen dieser Epoche in gerade<br />

dem Maß beflügelte, das ihnen noch vertretbar erschien.<br />

<strong>Bremen</strong> Walking wirkt, wo es ums Fortkommen in einer deutschen<br />

Stadt des 21. Jahrhunderts geht, die wie kaum eine zweite<br />

von ihrer Verkehrswirtschaft lebt, wie ein Seitenhieb auf die<br />

diesen Umstand konsequent ausblendende bremische Verkehrspolitik.<br />

Am Sielwall pendelt eine Fähre, und einmal lässt die<br />

Autorin dort sogar einen Frachter an ihrem inneren Auge vorbeiziehen.<br />

Auch das Schiff in der Flasche steht ja für ein Idyll, und<br />

die Buddelschiffbauer verfügen, wie Betty Kolodzy, beim Ausgestalten<br />

ihrer Miniaturlandschaften über eine beachtenswerte<br />

Kunstfertigkeit.<br />

Lesenswert ist <strong>Bremen</strong> Walking daher vor allem, weil es sich<br />

schonungslos ein paar der in den letzten vierzig Jahren über die<br />

Hanse- und Handelsstadt <strong>Bremen</strong> gekommenen Mentalitäten annimmt.<br />

Man vergleiche dieses von Kolodzy in Trippelschritten<br />

vermessene Viertel mit seinen nicht weiter für erwähnenswert<br />

gehaltenen Randbezirken von vielfacher Ausdehnung einmal mit<br />

dem Ostertor-Quartier, das der heute in Berlin lebende Bremer<br />

Schriftsteller Rudolf Lorenzen im Jahr 1959 beschrieb.<br />

Sein Roman „Alles andere als ein Herr“ zeichnete das Bild eines<br />

in seiner Selbstgefälligkeit wie Bewegungsarmut erstarrten Kleinbürgerbezirks,<br />

mit allerdings annähernd so vielen Menschen, die<br />

es damals aus diesen Verhältnissen zog wie heute in solche<br />

hinein. <strong>Bremen</strong> Walking schließt einen Kreis, es spiegelt eine<br />

Drehbewegung vom Gelsenkirchner Barock, der Biedermeierzeit<br />

der Nachkriegsjahre, hin <strong>zu</strong> dem, was dieser Tage wie Vielfalt der<br />

Kulturen und Lebensstile aussieht, dabei aber eine Einfalt an<br />

den Tag legt, durch die sich Betty Kolodzy wie durch einen Reisbrei<br />

hindurch <strong>zu</strong> schreiben versucht. Was soll’s, scheint sie sich<br />

<strong>zu</strong> denken, wenn einem kein fernes Schlaraffenland winkt, kann<br />

man doch auch mit einem Stückchen Heimat vorliebnehmen,<br />

einem Spielkreis mit durchaus wunderlichen und der Beschreibung<br />

werten Menschen darin. Betty Kolodzy gleicht ein wenig<br />

einer Dachstubenpoetin, die unterm löchrigen Schirm ein Lob-<br />

lied der Bescheidenheit singt. Zu ihrem Glück und dann doch<br />

auch <strong>zu</strong>m Vergnügen ihrer Leser verfügt sie über eine gewisse,<br />

nicht nur von biedermeierlicher Ergriffenheit herrührende Selbstironie.<br />

<strong>Der</strong> Einfall, eine passable Großstadt wie die Briefmarkenwelt<br />

einer Kleinstadt an<strong>zu</strong>gehen, ist ja für sich genommen schon<br />

ganz schön verrückt.<br />

Betty Kolodzy, <strong>Bremen</strong> Walking. Michason & May, Frankfurt,<br />

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