als PDF laden… - DRK-Schwesternschaft Berlin
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hedwig JOURNAL<br />
DER<br />
<strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT<br />
BERLIN E.V.<br />
AUSGABE I/2013<br />
Ausstellung zeigt besonderes Erbstück Seite 16<br />
Große Spuren<br />
Wir sind vier Millionen<br />
<strong>Schwesternschaft</strong> hilft „Seltenen“ Seite 4<br />
Ein karitativer Superlativ<br />
150 Jahre Rotes Kreuz Seite 10<br />
171 Jahre alt,<br />
die Kinderschuhe der<br />
Hedwig von Rittberg
inhalt<br />
schwerpunktthema:<br />
16<br />
Große Spuren<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>sausstellung zeigt neue Themen<br />
– und ein besonderes Erbstück<br />
„Ich blicke zu<br />
allen <strong>Schwesternschaft</strong>en...“<br />
Generaloberin<br />
Brigitte Schäfer im großen<br />
hedwig-Interview<br />
Lebenslang<br />
fürsorglich<br />
Ulrike Laschinsky leitet ein<br />
Pflegeheim – und schreibt<br />
für ihren Hund Kolumnen<br />
12<br />
22<br />
04<br />
10<br />
24<br />
26<br />
29<br />
Wir sind vier Millionen<br />
Allianz Chronisch<br />
Seltener Erkrankungen:<br />
Helfen mit Hilfe<br />
der <strong>Schwesternschaft</strong><br />
Ein karitativer<br />
Superlativ<br />
Das Rote Kreuz:<br />
Vor 150 Jahren gegründet,<br />
heute weltweit größte<br />
humanitäre Organisation<br />
biz im Web<br />
Zum Anklicken:<br />
Bildungszentrum empfängt<br />
jetzt Online-Besucher<br />
Schwere Bürde<br />
Oberinnenamt<br />
Oberinnen-Reihe:<br />
Elisabeth Schlegtendal,<br />
Paulinenhaus-Oberin<br />
Im Traumberuf<br />
nebenbei die Welt<br />
entdecken<br />
Zwischen „Mitte“ und Äquator:<br />
Christine Baermann im<br />
Vorstandsporträt<br />
Für sich und alle<br />
Frauen in leitender Position setzen stärker auf Weiterbildungsangebote <strong>als</strong> ihre<br />
männlichen Kollegen - das meint zumindest eine aktuelle Untersuchung des<br />
„Verbundes der Deutschen Unternehmerinnen“. Eine andere, ebenfalls gerade<br />
veröffentlichte Studie des „Instituts der Deutschen Wirtschaft“ stellte zum Thema<br />
„Fort- und Weiterbildung“ fest: Den Arbeitnehmern fehlt dafür einfach die Zeit.<br />
Für die <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong> sind Fort- und Weiterbildung ihrer Mitglieder<br />
unverzichtbar, „davon profitieren wir alle: <strong>Schwesternschaft</strong>, Einrichtungen und<br />
natürlich auch Sie“, betonte Oberin Doreen Fuhr in ihrem Grußwort an die Teil-<br />
nehmer des neuen Managementkurses. Die <strong>Schwesternschaft</strong> fördere daher die<br />
Qualifizierung ihrer Mitglieder<br />
und auch die der Mitarbeiter<br />
ihrer Einrichtungen – zum<br />
Nutzen aller, „im Management-<br />
deutsch heißt das passend<br />
Win-Win-Situation“, sagte<br />
die Vorsitzende. Auch die erforderliche Zeit für den Besuch von Weiterbildungs-<br />
veranstaltungen investieren beide: der Einzelne und die <strong>Schwesternschaft</strong>.<br />
18 Teilnehmer besuchen den Kurs, einer von ihnen arbeitet übrigens nicht in den<br />
Einrichtungen der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong>. Zwei Jahre wird die Weiterbildung<br />
dauern: Am 20. März 2015 werden die Kursteilnehmer dann zehn Theorieblöcke<br />
absolviert haben mit insgesamt eintausend Unterrichtsstunden, hinzu kommen<br />
die 456 Stunden Praktika. Neben dem offiziellen staatlich anerkannten Abschluss <strong>als</strong><br />
„Pflegekraft für leitende Funktionen in Einrichtungen der Pflege im Gesundheits-<br />
und Sozialwesen” werden weitere Qualifikationen bescheinigt: “Praxisanleiter/-in”<br />
und “Fachkraft für gesundheitsgerechte Gestaltung der Arbeit in der Pflege”<br />
editorial<br />
Spielplatz ist nicht gleich Spielplatz.<br />
Es reicht längst nicht, ein Klettergerüst<br />
hinzustellen – den „Spielplatzklassiker“<br />
–, dazu noch die obligatorische<br />
Rutsche; das alles aufgebaut<br />
in einem großen Sandkasten. Schnell<br />
langweilen sich die Kinder. Wenn die<br />
zudem älter sind <strong>als</strong> zehn Jahre<br />
und der Spielplatz selbst in einem<br />
schlechten Zustand ist – die<br />
Spielgeräte sind marode und eine<br />
echte Gefahr – dann ist dieser Spielplatz<br />
„spiel-ungerecht“. Und genau<br />
das ist die Anlage in der Kinder- und<br />
Jugendpsychiatrie in den <strong>DRK</strong> Kliniken<br />
<strong>Berlin</strong> | Westend, spielende Kinder und<br />
Jugendliche haben unsere Mitarbeiter<br />
dort seit langer Zeit nicht gesehen.<br />
Als das Rote Kreuz vor genau 150<br />
Jahren seine organisatorischen Strukturen<br />
bekam, da standen die „Gründungsväter“<br />
(!) um Henry Dunant<br />
noch unter dem Eindruck blutiger<br />
Schlachten, an ihnen justierten und<br />
formulierten sie die Rot-Kreuz-Grundsätze.<br />
Die sind für uns Rot-Kreuz-<br />
Schwestern verbindliche Werte, die<br />
sich zusammenfassen lassen mit: allen<br />
Menschen helfen. Hilfe kann vielfältig<br />
sein. Auch mit der Neugestaltung eines<br />
Spielplatzes. Unser <strong>Schwesternschaft</strong>sprojekt<br />
„SpieltSchön“ fi ndet<br />
großen Anklang, ein erster Spendenaufruf<br />
brachte fast dreitausend Euro.<br />
Ein wunderbares Signal, dafür danke<br />
ich allen Unterstützern im Namen des<br />
Vorstandes der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong><br />
<strong>Berlin</strong> – und natürlich auch im Namen<br />
unserer Patienten der Kinder- und<br />
Jugendpsychiatrie.<br />
Oberin Doreen Fuhr<br />
Vorsitzende der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong><br />
<strong>Berlin</strong> e.V.<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
03
hedwig<br />
»Ich kann, weil ich will, was ich muss.« IMMANUEL KANT<br />
Wir sind vier Millionen<br />
Seit 2006 hat ACHSE, die „Allianz Chronisch Seltener Erkrankungen“, in <strong>Berlin</strong> ihre Geschäftsstelle.<br />
Die <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong> unterstützt das Netzwerk: mit mietfreien Büroräumen.<br />
„Wir müssen diese Krankheit lesen wie ein fremdes Land“: Jede freie Minute verbringt Augusto Odone in der<br />
Bibliothek des „National Institute of Health“ in Washington. Er kämpft sich durch die wohl weltweit größte Sammlung<br />
medizinischer Literatur, liest hunderte Fachbücher über Immunologie, Biochemie, Genetik, Molekularbiologie:<br />
Odones Sohn leidet an einer seltenen Nervenkrankheit. Die lässt ihm höchstens noch zwei Jahre seines Lebens,<br />
sagen die Fachärzte; jeder prophezeit dabei einen anderen Krankheitsverlauf, alle kommen sie aber zum gleichen<br />
schrecklichen Ergebnis. Nicht für die Eltern, Odone – von Beruf Banker – wird Amateur-Naturwissenschaftler,<br />
seine Frau kümmert sich um den schwächer werdenden Lorenzo. Vater Augusto entdeckt bei seinen Forschungen<br />
schnell ein ganz anderes Problem: Die globale Vernetzung der Wissenschaftler ist löchrig, die Mediziner teilen nur<br />
unzureichend ihre Erkenntnisse über seltene Erkrankungen. Die Familie schafft es, 38 internationale Spezialisten<br />
zusammenzurufen; zu sich nach Hause, der Vater kocht für seinen privaten Wissenschaftsgipfel. Bei Odones<br />
wird erstm<strong>als</strong> das so unterschiedliche, große Wissen über die Krankheit des Sohnes zusammengeführt:<br />
Ein ganz bestimmtes Fett kann dem Jungen das Leben retten – „Lorenzos Öl“.<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
05
hedwig<br />
Letztes Foto: Lorenzo Odone und Vater Augusto<br />
»Das Leben ist eine, die heimwärts führt.« HERMANN MELVILLE<br />
1992 läuft der gleichnamige Film in den Kinos. Susan Sarandon<br />
wird für ihre Darstellung der Mutter für den Oscar nominiert,<br />
auch Nick Nolte <strong>als</strong> Augusto Odone loben die Filmkritiker. Ein<br />
romantischer, sehr emotionaler Hollywood-Streifen mit Happy<br />
End, und doch entstammen Lorenzo und sein Öl nicht der<br />
Phantasie von Drehbuchautoren. Diese Story erzählt nämlich<br />
kein Einzelschicksal, auf etwa sechstausend chronisch seltene<br />
Erkrankungen und für Deutschland allein auf vier Millionen<br />
Betroffene kommen die Schätzungen der Mediziner. Trotzdem<br />
bleiben die Zahlen ungenau. Wie auch das Begriffspaar „selten“<br />
und „Erkrankung“, „ein Sammelbegriff ist das, der zudem<br />
missverständlich ist“, meint Lisa Biehl von der Allianz Chronisch<br />
Seltener Erkrankungen aus <strong>Berlin</strong>, kurz „ACHSE“, „einen besseren<br />
haben wir aber nicht“. Brüssel habe zwar eine EU-Definition<br />
vorgegeben – eine seltene Erkrankung liegt demnach vor, wenn<br />
es nicht mehr <strong>als</strong> fünf Betroffene unter zehntausend Menschen<br />
gibt – bei vielen seltenen Erkrankungen lassen sich keine<br />
genauen Angaben zur Häufigkeit machen. Und Verschiebungen<br />
in der Statistik treten ständig auf, „Erkrankungen werden<br />
zusammen gefasst, neu benannt oder die Diagnostik verbessert<br />
sich“. Lisa Biehl und ihre Kollegen von der ACHSE werden<br />
regelmäßig nach verlässlichem Zahlenmaterial gefragt, „leider<br />
können wir es ebenso wenig liefern wie das Bundesgesundheitsministerium<br />
oder die anderen Fachinstitutionen“. Verständlich,<br />
denn regelmäßig berichten Ärzte von neuen seltenen Krankheiten,<br />
gerade die Genmedizin entdeckt früher gänzlich<br />
unbekannte Defekte im Erbgut. Die chronisch seltenen Erkrankungen<br />
sind alles andere <strong>als</strong> gleich. Jede Körperfunktion, alle<br />
Organe können betroffen sein, auch im Schweregrad unterscheiden<br />
sich die Funktionsstörungen, „den Patienten selbst<br />
helfen letztlich nur wenige ursächliche Therapien“.<br />
Sie sind die „Waisenkinder der Medizin“– eine plakative Selbstbezeichnung,<br />
die aber das grundlegende Problem verdeutlicht:<br />
Die Betroffenen fühlen sich oft mit ihrer Krankheit allein<br />
gelassen, vor allem von Ärzten, den Krankenkassen und der<br />
Pharmaindustrie. Aber „die Seltenen“ haben zueinander gefunden<br />
und sich organisiert, Hilfe durch Selbsthilfe eben. Lisa Biehl<br />
ist bei der ACHSE auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig<br />
und sie weiß, „eine große Gruppe kann sich natürlich leichter<br />
Gehör verschaffen und wahrgenommen werden <strong>als</strong> der<br />
Betroffene allein“. Von diesen „großen Gruppen“ gibt es in der<br />
Bundesrepublik über einhundert; es sind die Selbsthilfe- oder<br />
Patientenorganisationen. Und die schlossen sich 2004 zusamen<br />
– zur „Allianz Chronisch Seltener Erkrankungen“.<br />
Sechs Vorstandsmitglieder und zehn Mitarbeiter arbeiten für<br />
ACHSE, von <strong>Berlin</strong> aus betreuen sie das komplette Bundesgebiet,<br />
dazu kommen Anfragen aus den Nachbarländern Schweiz<br />
und Österreich. Offiziell firmiert ACHSE unter einer „c/o“-Adresse<br />
– die Büroräume befinden sich in den <strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong><br />
Westend. Im Januar 2006 bezog ACHSE dort im „Haus V“ zwei<br />
Zimmer. Ohne Miete bezahlen zu müssen: ein Angebot der<br />
<strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong>, das ACHSE gern annahm, „dafür<br />
sind wir der <strong>Schwesternschaft</strong> unendlich dankbar“. Miriam<br />
Mann ist die Geschäftsführerin, ihr Netzwerk – <strong>als</strong> das ACHSE<br />
sich letztlich sieht –<br />
„Die Seltenen“ haben lebt von Kontakten.<br />
Und diese persön-<br />
zueinander gefunden lichen Beziehungen<br />
und sich organisiert. ermöglichten so<br />
auch den Umzug des<br />
Vereins von Düsseldorf nach <strong>Berlin</strong>, in die mietfreien Räume im<br />
Westend. „Arpad von Moers ist hier Chefarzt der Kinderklinik“,<br />
erklärt Miriam Mann die Verbindung von ACHSE und Westend-<br />
Krankenhaus, von Moers sitzt im Wissenschaftlichen Beirat der<br />
ACHSE und „er vermittelte dann den Kontakt zur <strong>Schwesternschaft</strong>“.<br />
Mit Erfolg, der Verein expandierte räumlich und nutzt<br />
mittlerweile Büros auf zwei Etagen. Einen Flur teilt sich ACHSE<br />
übrigens mit der Pflegedienstleiterin der <strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong><br />
Westend. Diese Nachbarschaft ist Zufall, aber von Vorteil, „wir<br />
bekommen so einiges mit von Klinikalltag und Rot-Kreuz-<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>.“ > WEITER AUF SEITE 9<br />
Waisen der Medizin<br />
In Deutschland leiden vier Millionen<br />
Menschen an seltenen Krankheiten,<br />
von diesen Erkrankungen sind etwa<br />
sechstausend bekannt. Über einhundert<br />
Selbsthilfeorganisationen sind<br />
Mitglied im Netzwerk ACHSE: Sie<br />
beraten die Betroffenen und ihre<br />
Angehörigen, informieren und vertreten<br />
ihre Interessen in Politik und<br />
Gesellschaft, stoßen Forschung an.<br />
Mehr <strong>als</strong> drei Viertel der Erkrankten<br />
sind übrigens Kinder. „Alternating<br />
Hemiplegia of Childhood“, kurz AHC<br />
heißt eine dieser seltenen Krankheiten,<br />
deren deutsche Übersetzung unmissverständlich<br />
ein Symptom beschreibt:<br />
„abwechselnde Halbseiten-Lähmungen<br />
im Kindesalter“. Nur vierzig<br />
Fälle sind in der Bundesrepublik<br />
bekannt, die Zahl der Erkrankten<br />
dürfte – nicht zuletzt wegen fehlender<br />
Diagnosemöglichkeiten – höher liegen.<br />
Die Kinder leiden schon im Säuglingsalter<br />
unter heftigen Krampfanfällen, die in<br />
besonders schweren Fällen epileptisch<br />
werden. Der Verein „AHC-Deutschland“<br />
entstand aus einer Elterninitiative.<br />
Häufiger und bekannter ist wohl die<br />
Glasknochenkrankheit, in Fachkreisen<br />
auch „OI“ von „Osteogenesis imperfecta“:<br />
Auf durchschnittlich fünfzehntausend<br />
Menschen kommt ein OI-Erkrankter.<br />
Krankheitsursache ist ein Gendefekt, das<br />
Krankheitsbild selbst ist unterschiedlich<br />
ausgeprägt: Symptome sind neben der<br />
erhöhten Knochenbrüchigkeit zum<br />
Beispiel Minderwuchs, Schwerhörigkeit<br />
und brüchige Zähne. Seit dreißig Jahren<br />
kümmert sich die „Deutsche Gesellschaft<br />
für Osteogenesis imperfecta Betroffene“<br />
um „OI‘ler“ und ihre Angehörigen.<br />
33 sogenannte „Mitgliedsfamilien“ hat<br />
der Hilfsverein „Nephie“; 21 Kinder und<br />
vier Erwachsene sind am nephrotischen<br />
Syndrom erkrankt, einer überaus<br />
seltenen, immunologisch bedingten<br />
Störung der Nierenfunktion.<br />
Die Ursachen sind – wie bei vielen<br />
anderen seltenen Erkrankungen –<br />
noch unbekannt. Bei den Kranken<br />
bilden sich Ödeme: im Gesicht,<br />
an den Beinen und im Bauchraum,<br />
in der Lunge und sogar im Herzen;<br />
totales Nierenversagen droht.<br />
Am „Ullrich-Turner-Syndrom“<br />
leiden in Deutschland 16.000<br />
Betroffene – es sind ausschließlich<br />
Mädchen und Frauen. Eines der beiden<br />
X-Chromosomen fehlt ihnen oder ist<br />
strukturell verändert. Unfruchtbarkeit,<br />
kleine Körpergröße, Herzfehler, Nierenprobleme<br />
sind die Folgen dieser<br />
Störung. Die „Turner-Syndrom-Vereinigung<br />
Deutschland“ berät und<br />
vertritt die Betroffenen.<br />
Benni Over ist an „Muskeldystrophie<br />
Duchenne“ erkrankt, verursacht<br />
durch Mutationen am Erbgut, die zum<br />
Mangel an Proteinen in der Muskulatur<br />
führen – betroffene Kinder wie Benni<br />
leiden unter Muskelschwäche und<br />
Muskelschwund. Bennis Familie<br />
gründete 1996 „aktion benni & co<br />
e.V.“, 2010 wurde die Deutsche<br />
Duchenne Stiftung errichtet.<br />
Eine Übersicht aller ACHSE-<br />
Selbsthilfeorganisationen bietet<br />
eine Onlinedatenbank unter<br />
www.achse-online. de<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
07
hedwig<br />
»Das Vertrauen gibt dem Gespräch mehr Stoff <strong>als</strong> Geist.« FRANÇOIS DE LA ROCHEFOUCAULD<br />
Engagement - ausgezeichnet<br />
Sechs Mal wurde er bereits vergeben, der „Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen“: Initiiert wurde<br />
der Preis von der „Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen“; die ACHSE ist hier der<br />
Kooperationspartner – die Gattin des ehemaligen Bundespräsidenten ist übrigens Schirmherrin der ACHSE. Der mit 50.000<br />
Euro dotierte Forschungspreis ging dieses Jahr an ein Forscherteam von der Medizinischen Hochschule Hannover.<br />
Unter der Leitung der beiden Professoren Gesine Hansen und Thomas Moritz entwickelten die Wissenschaftler einen<br />
Ansatz zur gentherapeutischen Behandlung einer seltenen Lungenerkrankung: Viele Betroffene, die an der Krankheit leiden,<br />
ersticken schon im Kindesalter; bislang gibt es keine heilende oder lang wirkende Therapie. Die Forscher aus Hannover<br />
haben nun eine Therapie entwickelt, bei der die gesunde Kopie des Gens in reife Immunzellen eingeführt wird.<br />
Diese korrigierten Zellen wollen sie dann nicht in das Knochenmark verpflanzen, sondern direkt in die Lunge geben.<br />
Der „ACHSE-Central Versorgungspreis für chronische seltene Erkrankungen“ ist eine weitere Auszeichnung, den Preis<br />
schreibt ACHSE gemeinsam mit der Central Krankenversicherung aus. Prämiert werden Projekte, „die sich in innovativer<br />
Herangehensweise der Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen widmen“. ACHSE-Geschäftsführerin Mirjam<br />
Mann erklärt, warum: „Es fehlen abgestimmte Formen der Zusammenarbeit und umfassende Konzepte, die sicherstellen,<br />
dass die Betroffenen eine fachkundige und bei Bedarf interdisziplinäre sowie sektorenübergreifende<br />
Versorgung erhalten“. Mit der Verleihung des Preises wollen ACHSE und die Central Krankenversicherung<br />
diesem Mangel in der Versorgung von Menschen mit chronischen seltenen Erkrankungen<br />
entgegenwirken: „Projekte sollen gefördert, kommuniziert und multipliziert werden“.<br />
Allianz Chronisch Seltener<br />
Erkrankungen (ACHSE) e.V.<br />
c/o <strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong> | Westend<br />
Spandauer Damm 130, 14050 <strong>Berlin</strong><br />
Telefon 030 33 00 708-0<br />
www.achse-online.de<br />
Die Nähe zum Charlottenburger Krankenhaus kann jedoch<br />
irritieren. „Einige Betroffene gehen davon aus, hier sofort<br />
diagnostiziert und therapiert zu werden“, sagt Lisa Biehl, die ihre<br />
Hauptaufgabe mit „Informationsverbesserin“ zusammenfasst,<br />
„Informationen sam-<br />
Aus der Not zu<br />
meln und verbessern<br />
– um die Lebens- und<br />
Experten geworden. Versorgungssituation<br />
von Menschen mit<br />
seltenen Erkrankungen zu verbessern.“ Für Ratsuchende ist die<br />
Betroffenenberatung den Erstkontakt. „Die Patienten finden uns“<br />
– ACHSE aktiviert und nutzt sämtliche Kommunikationskanäle,<br />
auch informieren Ärzte und Krankenkassen – „unsere Flyer<br />
liegen fast überall aus“ – regelmäßig berichten zudem die<br />
Medien. Am Morgen nach der Ausstrahlung eines Beitrages über<br />
ACHSE, der im rbb-Gesundheitsmagazin „Praxis“ zu sehen war,<br />
klingelten in der Geschäftsstelle die Telefone: Klassischer<br />
Nocebo-Effekt, weil Gesundheitssendungen angeblich Zuschauer<br />
krank werden lassen? Nein, viele Anrufer melden sich nämlich<br />
aus gutem Grund.<br />
Etwa eine halbe Stunde dauert durchschnittlich ein<br />
Gespräch; ein statistischer Wert, denn jede Erstberatung<br />
verläuft anders. Aus den Patientengeschichten hören die Betroffenberater<br />
dann oft Verzweiflung heraus. „Ja, es gibt immer<br />
wieder Situationen, in denen die Mitarbeiter von schweren<br />
Schicksalen erfahren müssen“. Die Erkrankten berichten nicht<br />
nur von körperlichen Leiden, sie erzählen von existenziellen<br />
Ängsten, manchmal auch über das Unverständnis bei Angehörigen<br />
und Freunden, „viele werden psychosomatisiert, ihnen<br />
wird nicht geglaubt“, sagt Lisa Biehl. Was die „Seltenen“ eher<br />
darin bestärkt, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen,<br />
„das ist bewundernswert, wie selbstaktiv viele Betroffene und<br />
ihre Angehörigen sind.“ Eltern wie die Odones aus „Lorenzos Öl“<br />
<strong>als</strong> Experten für seltene Erkrankungen – für die Mitarbeiter der<br />
ACHSE war das kein dramaturgischer Kunstgriff: Patienten und<br />
die Menschen, die ihnen nahestehen und helfen wollen, sie alle<br />
sind „aus der Not zu Experten geworden“, und sie teilen Wissen<br />
und Engagement mit und in den Patientenorganisationen.<br />
Wie zum Beispiel beim Seminar „Betroffene beraten Betroffene“,<br />
das ACHSE für die Mitgliedsorganisationen anbietet. Aber auch<br />
Nicht-Betroffene aus der Medizin oder der Gesundheitspolitik<br />
fragen den Verein an und laden ACHSE ein zu kleinen Symposien<br />
und großen Kongressen. Eine solche Großveranstaltung hat<br />
»Unser Leben ist das, wozu es unser Denken macht.« MARCUS AURELIUS hedwig<br />
ACHSE selbst schon organisiert, im Oktober 2010 fand die erste<br />
„Nationale Konferenz für Seltene Erkrankungen“ statt – im<br />
Westend, mit über zweihundert Teilnehmern aus ganz Europa.<br />
Wieder half die <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong>, wieder mit<br />
kostenlos zur Verfügung gestellten Veranstaltungsräumen:<br />
„Sie haben hier einen zentralen Anlaufpunkt geschaffen – für<br />
Patienten und ihre Angehörigen“, lobte in ihrem Grußwort<br />
Oberin Doreen Fuhr die Arbeit der ACHSE, und die heute Vorsitzende<br />
der <strong>Schwesternschaft</strong> versicherte dam<strong>als</strong> „wir werden<br />
Sie auch in Zukunft unterstützen“, und dieses Versprechen<br />
lösen die Rot- Kreuz-Schwestern weiter ein.<br />
Auch in Zukunft von der <strong>Schwesternschaft</strong> unterstützt:<br />
Lisa Biehl und ihre Kollegen von der ACHSE<br />
Für die ACHSE war diese Konferenz von 2010 ein großer Erfolg,<br />
denn ein Ergebnis war die Gründung von NAMSE, des Nationalen<br />
Aktionsbündnisses für Menschen mit Seltenen Erkrankungen.<br />
Und das soll noch dieses Jahr einen „Nationalplan“ entwickeln.<br />
Erfolg bei der ACHSE sei immer auf mehreren Ebenen spürbar,<br />
meint Lisa Biehl und zitiert einen Patienten, der ihr gestand:<br />
„Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass jemand unsere<br />
Probleme so nachvollziehen kann und sich Zeit für uns nimmt“.<br />
Und genau das ist die Aufgabe von Lisa Biehl und ihren<br />
Kollegen von der ACHSE.<br />
Lorenzo starb 2010, er wurde dreißig Jahre alt. Die Prognosen der Mediziner, die ihm bei<br />
Ausbruch der Krankheit im Alter von sechs Jahren nur noch zwei Jahre Lebenszeit schenkten,<br />
hat er weit übertroffen – dank des Öls, das sein Vater Augusto mit seiner Selbsthilfegruppe<br />
aus Wissenschaftlern und Familienangehörigen entwickelte und dessen Wirkung gerade<br />
eine Studie auch offi ziell bestätigte.<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
09
hedwig<br />
Das Rote Kreuz feiert 150 Jahre<br />
Juni 1859, der Schweizer Geschäftsmann<br />
Henry Dunant erlebt in Italien die<br />
Schlacht von Solferino: Österreich kämpft<br />
gegen die französisch-sardinische Armee.<br />
Ein Massaker, vierzigtausend Soldaten<br />
werden schwer verwundet oder getötet.<br />
Vom Elend der Männer zutiefst verstört,<br />
mobilisiert Dunant die Anwohner der<br />
umliegenden Ortschaften und organisiert<br />
die medizinische Versorgung. Die Bilder<br />
dieses Erlebnisses lassen ihn nicht mehr<br />
los: „Es gibt keinen Pardon. Es ist ein<br />
allgemeines Schlachten, ein Kampf wilder,<br />
wütender, blutdürstiger Tiere. [...]<br />
Zu Tausenden fallen Menschen, verstümmelt,<br />
zerfetzt, durchlöchert von Kugeln<br />
oder tödlich getroffen durch Geschosse<br />
aller Art“. In seinem drei Jahre später<br />
erschienenen Buch „Erinnerung an<br />
Solferino“ verarbeitet er allerdings nicht<br />
nur das erlebte Elend, sondern formuliert<br />
auch zum ersten Mal die Idee ziviler<br />
Hilfeleistungen in Krisengebieten;<br />
er legt damit die ideelle Grundlage für<br />
»Große Werke vollbringt man nicht mit Kraft, sondern mit Ausdauer.« SAMUEL JOHNSON<br />
Ein karitativer<br />
Superlativ<br />
Vier Millionen Mitglieder, davon vierhunderttausend Aktive, ein jährliches Spendenaufkommen<br />
von vierzig Millionen Euro: Das Deutsche Rote Kreuz ist die wohl größte und<br />
wichtigste nationale Hilfsorganisation. Mit seiner Geschichte, die vor genau 150 Jahren<br />
begann, ist die Organisation auch eine der ältesten.<br />
Hilfsorganisationen wie das <strong>DRK</strong>. Dunant<br />
beließ es allerdings nicht bei der bloßen<br />
Idee. Er wollte seine Vorstellungen auch<br />
umsetzen. Unter seiner Mitwirkung wurde<br />
1863 in Genf das „Internationale Komitee<br />
der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege“<br />
(seit 1876 „Internationales<br />
Komitee vom Roten Kreuz“) gegründet.<br />
Ein Ziel: Die systematische medizinischpflegerische<br />
Ausbildung freiwilliger<br />
Helfer bereits in Friedenszeiten und ihre<br />
Vor-bereitung auf mögliche Einsätze in<br />
Kriegsgebieten. Auf einer noch im selben<br />
Jahr abgehaltenen Konferenz beschlossen<br />
Vertreter aus sechzehn europäischen<br />
Nationen die Gründung einzelner<br />
nationaler Hilfsorganisationen.<br />
1866 wurde mit dem sieben Jahre zuvor<br />
gegründeten Badischen Frauenverein die<br />
erste nationale Rot-Kreuz-Organisation<br />
vom Internationalen Komitee des Roten<br />
Kreuzes in Genf anerkannt; <strong>als</strong> „Badischer<br />
Frauenverein vom Roten Kreuz“ erhielt er<br />
die Funktion einer „Abteilung des Interna-<br />
tionalen Hilfsverein“ für das Großherzogtum<br />
Baden. Im November 1863 gründete<br />
sich dem „Württembergischen SanitätsSanitätsverein“, auch aus ihm wurde später eine<br />
Rot-Kreuz-Gesellschaft gegründet. Es<br />
folgten 1864 im Großherzogtum Oldenburg<br />
der „Verein zur Pflege verwundeter<br />
Krieger“, 1866 in Sachsen der „Verein der<br />
Albertinerinnen“ und einige weitere<br />
Landesverbände. 1866 trat der Vaterländische<br />
Frauenverein dem Roten Kreuz bei.<br />
Erst 1921 schlossen sich alle deutschen<br />
Landesvereine zum Deutschen Roten<br />
Kreuz e.V. zusammen. Zu dieser Zeit hatten<br />
sie bereits einen der größten Einsätze<br />
hinter sich: Im Ersten Weltkrieg waren<br />
insgesamt sechstausend ausgebildete<br />
Schwestern an den Fronten tätig, dazu<br />
eintausend Hilfsschwestern und etwa<br />
siebentausend zusätzliche Helferinnen.<br />
Nach ebenfalls aufopfernder Arbeit<br />
im Zweiten Weltkrieg, bei dem nun bereits<br />
über 600.000 Helferinnen im Einsatz<br />
waren, wurde das Deutsche Rote Kreuz<br />
Werbung für Dunants Vermächtnis –<br />
Fahnen vor dem <strong>DRK</strong>-Gener<strong>als</strong>ekretariat<br />
1945 von den Alliierten aufgelöst.<br />
1950 erfolgte in der Bundesrepublik die<br />
offizielle Neugründung, in der DDR dann<br />
zwei Jahre später. Nach der Wende<br />
schlossen sich beide Einzelorganisationen<br />
wieder zusammen. Aktuell zählt neben<br />
der Tätigkeit in Krisengebieten wie Syrien<br />
oder bei Naturkatastrophen vor allem<br />
150<br />
auch die Organisation und Durchführung<br />
von Blutspenden zu den Aufgaben. Das<br />
Konzept organisierter, ziviler Hilfe hat<br />
sich lange bewährt. Mittlerweile gibt es<br />
ähnliche Organisationen weltweit. Dem<br />
deutschen Symbol des Roten Kreuzes auf<br />
weißer Armbinde entsprechen sowohl der<br />
rote Halbmond <strong>als</strong> auch der rote Kristall<br />
auf weißem Grund, die zum Teil von<br />
anderen Nationalen Gesellschaften<br />
verwendet werden. Alle diese Wahrzeichen<br />
sichern den Helfern den Schutz<br />
der Genfer Konventionen zu.<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
11
hedwig<br />
Der Wechsel werde für sie viele Veränderungen<br />
bringen, natürlich neue Aufgaben und auch spannende<br />
Herausforderungen: Das sagte Generaloberin<br />
Brigitte Schäfer auf ihrer offiziellen Amtseinführung<br />
im Februar. Im hedwig-Interview erzählt die neue<br />
Präsidentin des Verbandes der <strong>Schwesternschaft</strong>en<br />
vom <strong>DRK</strong>, welche dieser Vorhersagen sich erfüllt<br />
hat – soweit man das in dieser kurzen Zeit<br />
überhaupt schon sagen kann.<br />
// FOTOS VON HOLGER GROSS UND MATHIAS WODRICH<br />
Frau Generaloberin Schäfer, was ist die Aufgabe einer<br />
Generaloberin, können Sie die kurz und knapp beschreiben?<br />
Ich führe die Bezeichnung „Generaloberin“ und bin Präsidentin<br />
des Verbandes der <strong>Schwesternschaft</strong>en vom <strong>DRK</strong> und damit<br />
erste Repräsentantin des Verbandes – genau das ist die Verbindung<br />
zum Deutschen Roten Kreuz: Ich repräsentiere den<br />
Verband der <strong>Schwesternschaft</strong>en, <strong>als</strong>o die 33 <strong>Schwesternschaft</strong>en<br />
Deutschlands mit ihren über 22.000 Mitgliedern. Der<br />
Verband der <strong>Schwesternschaft</strong>en ist – analog zu den <strong>Schwesternschaft</strong>en<br />
– ein eingetragener Verein. Wir haben im<br />
Verband demnach die identischen Strukturen, mit einem<br />
Vorstand und der Mitgliederversammlung. Und dem Ganzen<br />
stehe ich <strong>als</strong> Präsidentin vor.<br />
Mitglieder sind die <strong>Schwesternschaft</strong>en <strong>als</strong> Vereine?<br />
Richtig, und die Mitglieder werden vertreten durch ihre<br />
Oberin.<br />
Sie sagten, Ihre Aufgabe sei es, den Verband – und damit<br />
die <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong>en – beim Deutschen Roten Kreuz<br />
zu repräsentieren.<br />
Ja, und diese Zusammenarbeit mit dem <strong>DRK</strong> ist eine sehr<br />
lange und intensive: Wir werden zum Beispiel eingebunden<br />
in die Entwicklung von Strategien, auch in politische<br />
Entscheidungen, dort können wir Stellung beziehen zu<br />
unterschiedlichen Fachthemen.<br />
Mit dem <strong>DRK</strong>-Gener<strong>als</strong>ekretariat teilen Sie sich hier in <strong>Berlin</strong><br />
mehr <strong>als</strong> nur die gemeinsame Adresse „Carstennstraße 58-60“.<br />
Wie ist da der Austausch: eher formell, <strong>als</strong>o über gemeinsame<br />
Gremien, oder doch ein informeller dank kurzer Wege?<br />
Sowohl <strong>als</strong> auch: Ich vertrete den Verband in den Gremien<br />
„Präsidialrat“ und „Präsidium des Deutschen Roten Kreuzes“.<br />
Wegen der räumlichen Nähe zum <strong>DRK</strong> tauschen wir uns<br />
natürlich auch auf der informellen Ebene aus.<br />
Generaloberin Brigitte Schäfer:<br />
„Ich blicke zu allen<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>en<br />
und all ihren<br />
Mitgliedern“<br />
Als Verband übernehmen Sie die überregionale Lobbyarbeit<br />
für die Rot-Kreuz-Schwestern – nicht nur beim Deutschen Roten<br />
Kreuz, auch gegenüber politischen Institutionen wie Bundesregierung,<br />
Bundestag, das alles natürlich ebenfalls in den einzelnen<br />
Bundesländern. Wie muss man sich das vorstellen?<br />
Delegierte aus den <strong>Schwesternschaft</strong>en vertreten uns zum<br />
Beispiel in den berufspolitischen Gremien – denken Sie an den<br />
Deutschen Pflegerat oder den Deutschen Bildungsrat. Das<br />
umfasst auch die Länderebene, dort sind wir aktiv in den<br />
Landespflegeräten und so weiter.<br />
Sie sind seit dem 1. Februar Präsidentin und Generaloberin<br />
und für das Amt nach <strong>Berlin</strong> gezogen.<br />
Als die Entscheidung fiel, dass ich nach <strong>Berlin</strong> <strong>als</strong> Präsidentin<br />
wechseln werde, da habe ich die Gelegenheit genutzt, auch<br />
meinen Lebensmittelpunkt hierher nach <strong>Berlin</strong> zu verlegen.<br />
Drei Monate vor Amtsantritt bin ich mit meinem Mann nach<br />
<strong>Berlin</strong> gezogen. Wir haben erwachsene Kinder, wohnen jetzt<br />
in Lichterfelde, Luftlinie anderthalb Kilometer von hier<br />
entfernt. Heute Morgen bin ich von meiner Wohnung aus<br />
in die Carstennstraße geschlendert: bei Sonnenschein und<br />
Frühlingsluft. Es ist einfach wunderschön hier.<br />
Können Sie einschätzen, ob die Arbeit jetzt eine<br />
vollkommen andere ist <strong>als</strong> zuvor, <strong>als</strong> Sie noch Oberin<br />
einer <strong>Schwesternschaft</strong> waren?<br />
Ich hatte es schon erwähnt: Letztlich ist der Verband ein<br />
Verein und identisch mit einer regionalen <strong>Schwesternschaft</strong>.<br />
Hier im Verband haben wir natürlich auch das sogenannte<br />
„Tagesgeschäft“ – nur ist die Dimension eine gänzlich andere.<br />
Zuvor habe ich <strong>als</strong> Oberin in meine <strong>Schwesternschaft</strong> geschaut:<br />
in die Arbeitsfelder, in die Häuser. Letztlich ist das geblieben,<br />
nur mit dem Blick in das ganze Bundesgebiet. Es ist nicht mehr<br />
nur die eine <strong>Schwesternschaft</strong>, ich blicke zu allen Vereinen<br />
und allen ihren Mitgliedern. Dafür nutze ich zum Beispiel<br />
auch die Vorstandssitzungen, die hier in der Carstennstraße<br />
stattfinden. Aber es ist mein ausdrücklicher Wunsch, selbst vor<br />
Ort zu sein, mir ein Bild von jeder <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> zu<br />
verschaffen. Jede <strong>Schwesternschaft</strong> ist natürlich herzlich<br />
eingeladen, zu mir in die Geschäftsstelle nach <strong>Berlin</strong><br />
zu kommen.<br />
Das ist Basisdemokratie.<br />
Ja, und diesen Anspruch müssen wir leben. Es ist mir sehr<br />
wichtig zu sagen: „Da sind die Menschen“. Natürlich ist es eine<br />
Herausforderung, mit jeder einzelnen von den 22.000 <strong>DRK</strong>-<br />
Schwestern persönlichen Kontakt zu haben, das ist mir<br />
bewusst. Aber ich interpretiere mein Amt mit „Nähe“ und<br />
„Glaubwürdigkeit“. Und das sage ich jetzt nicht, damit es in der<br />
hedwig steht (lacht). Das Gespräch suchen, den Menschen mit<br />
seinen Stärken und seinen Schwächen wahrnehmen – darauf<br />
kommt es für mich an. Die Mitglieder, das sind die Menschen<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
13
an der Basis; der Besuch einer <strong>Schwesternschaft</strong> bedeutet für<br />
mich, Kontakt zu den Menschen zu haben, für die ich letztendlich<br />
in dem gewählten Amt bin. Denn das unterscheidet sich<br />
maßgeblich von der Geschäftsführungsposition in einem<br />
Unternehmen: Da bewirbt man sich, dann entscheidet ein<br />
Gremium, man wird Vorgesetzter. Aber die Menschen, die<br />
einem nun zur Seite stehen, die haben nichts dazu beigetragen<br />
und die sagen vielleicht: „Wir sind gar nicht damit einverstanden!“<br />
Hier bei uns ist es ganz anders, hier haben die Menschen<br />
gesagt: „Ja, diejenige soll es sein, die wollen wir wählen“.<br />
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den einzelnen<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>en, abseits formaler Zusammenkünfte wie<br />
Oberinnentreffen oder Mitgliederversammlung?<br />
Die ist sehr fruchtbar, das habe ich in den ersten Wochen<br />
erlebt: Weil ich doch aus dem Kreis der Kolleginnen komme,<br />
eine von ihnen bin. Es sind Kolleginnen gewesen, die mich<br />
gewählt haben, um dieses Amt auszufüllen. Die enge Zusammenarbeit<br />
aus den letzten Jahren setzen wir <strong>als</strong>o fort.<br />
Den Vorteil der Nähe genießt zumindest die <strong>Berlin</strong>er<br />
<strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> – eine Sonderrolle nimmt<br />
sie dadurch bestimmt nicht ein.<br />
Nein (lacht), da würden mich die 32 anderen <strong>Schwesternschaft</strong>en<br />
in die Pflicht nehmen. Aber es ist trotzdem großartig,<br />
dass wir räumlich und vor allem auf der kollegialen Ebene<br />
so nah beieinander sind. Das finde ich wunderbar.<br />
Seit wann sind Sie Rot-Kreuz-Schwester?<br />
Seit elf Jahren, <strong>als</strong>o keine „geborene“ Rot-Kreuz-Schwester,<br />
die seit Jahrzehnten im Verein ist, wenn man es so plakativ<br />
formulieren möchte.<br />
Was hat Sie dam<strong>als</strong> überzeugt, einzutreten und Mitglied<br />
einer <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> zu werden?<br />
Mich hat der Gedanke überzeugt, einem Verein für Frauen<br />
anzugehören und sich für ihre Qualifizierung, vor allem im<br />
Bereich der Pflege, einzusetzen. Das finde ich sehr wichtig. Und<br />
in diesem Netzwerk möchte ich mich engagieren, zum Beispiel<br />
für die Aus-, Fort- und Weiterbildung.<br />
Sind Fort- und Weiterbildung die Argumente, die auch andere<br />
überzeugen könnten und die man vielleicht noch stärker betonen<br />
müsste, um so neue Mitglieder zu gewinnen?<br />
Auf jeden Fall, aber dazu gehört für mich unbedingt auch die<br />
berufsethische Frage, die sich jede Pflegekraft und jeder, der<br />
im Gesundheitswesen tätig ist, zu stellen hat; Tag für Tag.<br />
Das erfordert Nachdenken und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung.<br />
Aber zählt letztendlich nicht für die Mehrheit: regelmäßiges<br />
Einkommen – krisensicherer Arbeitsplatz?<br />
Das eine schließt das andere doch nicht aus! Es ist legitim zu<br />
sagen, „ich tue es, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen,<br />
ich bin verwurzelt: zwar auf der einen Seite mit der <strong>Schwesternschaft</strong>,<br />
aber eben auch mit meinem Arbeitsfeld“. Und sollte<br />
sich irgendwann die Frage nach Veränderungen stellen, so<br />
verstehe ich es, wenn die Entscheidung letztlich so ausfällt:<br />
„Mir ist der Ort, an dem ich arbeite, wichtiger“. Das ist auch<br />
eine Realität, dafür habe ich Verständnis. Es hängt so viel<br />
daran: die Familie, das soziale Umfeld. Darüber müssen<br />
wir offen sprechen können.<br />
hedwig<br />
„Jede <strong>Schwesternschaft</strong> ist<br />
herzlich eingeladen, zu mir in die<br />
Geschäftsstelle zu kommen.“<br />
Generaloberin Brigitte Schäfer (49) wurde in der mittelhessischen Kleinstadt Laubach<br />
geboren. Die examinierte Krankenschwester ist seit 2002 Mitglied der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong><br />
Hamburg, wo sie sich auch in der Gremienarbeit engagierte, so zum Beispiel <strong>als</strong> Vorstandsmitglied<br />
im Verband der <strong>Schwesternschaft</strong>en vom <strong>DRK</strong>, in der Arbeitsgruppe „Öffentlichkeitsarbeit<br />
und Kommunikation“ und im Aufsichtsrat des <strong>Schwesternschaft</strong>sversicherungsvereins.<br />
Zwischen 2004 und 2008 war Brigitte Schäfer stellvertretende Vorsitzende der Hamburger<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>; auch leitete sie <strong>als</strong> Geschäftsführerin eine Seniorenresidenz des Vereins.<br />
Am 1. Februar 2008 übernahm sie den Vorsitz der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> Hamburg,<br />
genau fünf Jahre später wurde Brigitte Schäfer Präsidentin des Verbandes der<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>en vom <strong>DRK</strong>.<br />
Über den Verband der <strong>Schwesternschaft</strong>en vom <strong>DRK</strong>. Im Herbst 1882 beschlossen sieben<br />
Rot-Kreuz-<strong>Schwesternschaft</strong>en, einen „Verband deutscher Krankenpfl ege-Institute vom<br />
rothen Kreuz“ zu gründen. Auf der Delegiertenliste an erster Stelle stand übrigens der „Hilfsschwestern-Verein<br />
in <strong>Berlin</strong> (Gräfi n Rittberg)“, Vorgängerorganisation der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong><br />
<strong>Berlin</strong>. Die Krankenpfl egerinnen sollten eine bessere Ausbildung durchlaufen; bereits<br />
1874 hatte der „Verbandstag der deutschen Frauenvereine vom Roten Kreuz“ beschlossen,<br />
Krankenpfl egeschulen einzurichten. Nicht nur die Ausbildung wurde nun durchorganisiert:<br />
Die Rot-Kreuz-<strong>Schwesternschaft</strong>en erkannten schon dam<strong>als</strong>, wie unerlässlich auch die<br />
Fortbildung für die Arbeit in der Pfl ege ist. Aufnahme, Ausbildung und Anstellung der Krankenpfl<br />
egerinnen regelten die <strong>Schwesternschaft</strong>en anfangs noch unterschiedlich. Der neugegründete<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>sverband erarbeitete die dafür verbindlichen Standards; eine dieser<br />
Regelungen besagte: „Die geprüften Krankenpfl egerinnen (...) heißen, Schwestern vom<br />
rothen Kreuz´. Eine Brosche mit dem rothen Kreuz wird <strong>als</strong> ,Legitimation´ vorgesehen.“<br />
Der Verband der <strong>Schwesternschaft</strong>en vom <strong>DRK</strong> e.V. vertritt heute <strong>als</strong> Dachorganisation<br />
bundesweit 33 <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong>en mit insgesamt 22.000 Rot-Kreuz-Schwestern,<br />
die sowohl in eigenen Einrichtungen der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong>en <strong>als</strong> auch über die Mitgliedergestellung<br />
in Einrichtungen anderer Träger tätig sind. Der Verband der <strong>Schwesternschaft</strong>en<br />
vom Deutschen Roten Kreuz e.V. gehört zum ältesten Teil der Rot-Kreuz-Bewegung.<br />
2001 zog der Verband von Bonn nach <strong>Berlin</strong>: Seinen Sitz hat der Verband der <strong>Schwesternschaft</strong>en<br />
in einem Neunbau in direkter Nachbarschaft zum ehemaligen Rittberg-<br />
Krankenhaus der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong>.<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
15
hedwig<br />
Auf großen<br />
Spuren<br />
Durch die Arbeit am <strong>Schwesternschaft</strong>sbuch<br />
hatten wir einen guten<br />
Überblick bekommen, was für einen<br />
kostbaren Fundus wir besitzen“, erinnert<br />
sich Renate Lawrenz. Es sind nicht nur<br />
hunderte Aufnahmen, die zahlreichen<br />
Briefe und Tagebücher aus den Nachlässen<br />
von Rot-Kreuz-Schwestern, von denen jedes<br />
einzelne Objekt die Erinnerung an<br />
vergangene Zeiten aufleben lässt. Auch<br />
offizielle Schriftwechsel, kostbar gestaltete<br />
Urkunden und wichtige Verträge aus mehr<br />
<strong>als</strong> einhundert Jahren <strong>Schwesternschaft</strong>sgeschichte<br />
könnten ganz bestimmt wegen<br />
ihrer Inhalte und der manchmal eigenwilligen<br />
Gestaltung auf Interesse stoßen.<br />
Diese von den Schwestern wieder entdeckten<br />
Exponate sollten öffentlich zugänglich<br />
sein; ohne lange überlegen zu müssen,<br />
entschieden sich Oberin Heidi Schäfer-<br />
Frischmann und ihre Kolleginnen für die<br />
Einrichtung einer Ausstellung, „und die<br />
sollte unbedingt dauerhaft sein“.<br />
»Bunt ist meine Lieblingsfarbe.« WALTER GROPIUS<br />
<strong>Berlin</strong>-Lankwitz, Frühjahr 2009. Endlich war das Buch gedruckt, nun stand das Redaktionsteam<br />
aus der Mozartstraße vor einer neue großen Aufgabe: Was soll geschehen mit Fotos, Briefen<br />
und den vielen anderen Zeitzeugnissen, vor allem mit denen, die nicht in „Leben nützlich für<br />
andere“, dem Buch der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong>, gezeigt werden? Alles wieder zurück ins<br />
Archiv oder runter, in den Keller – und damit auf dem besten Weg ins Vergessen?<br />
Nach einjähriger Vorbereitungszeit – Räume<br />
mussten gesucht und geprüft werden –<br />
begannen im Frühjahr 2010 die Vorbereitungen<br />
für „<strong>Schwesternschaft</strong>sjahre – Die<br />
Ausstellung der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong><br />
<strong>Berlin</strong>“. Die Nähe zum Bildungszentrum<br />
war durchaus beabsichtigt: Ausstellungen<br />
sollen Wissen vermitteln, und der Besuch<br />
von „<strong>Schwesternschaft</strong>sjahre“ zeigt<br />
Zusammenhänge, die den Schülern<br />
vielleicht nicht so bewusst sind.<br />
Nach zweieinhalb Jahren wurde es Zeit<br />
für eine kritische Prüfung der bestehenden<br />
Ausstellungsinhalte. Übersichten zum<br />
Beispiel mussten aktualisiert werden; zwei<br />
Jahre von jetzt gut 138 Jahren <strong>Berlin</strong>er<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>sgeschichte sind ein nur<br />
anscheinend kurzer Zeitraum. Einige<br />
hundert Besucher haben sich die Räume im<br />
Haus S auf dem Westend-Gelände angeschaut<br />
– die historischen Fotos fanden sie<br />
besonders interessant. Der Wunsch nach<br />
mehr wurde immer wieder geäußert.<br />
Im Archiv lagern dutzende Fotoalben<br />
aus Privatbesitz mit Aufnahmen aus dem<br />
Alltag der <strong>Berlin</strong>er Rot-Kreuz-<strong>Schwesternschaft</strong>en;<br />
Material für die neu installierten<br />
digitalen Bilderrahmen schien somit ausreichend<br />
vorhanden. Zwei Räume inklusive<br />
Flur erzählen aus den drei Jahrhunderten<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>sgeschichte, die beiden<br />
Zimmer gegenüber standen bislang leer.<br />
Der Förderverein „Kunst im Westend“<br />
nutzte sie unter anderem <strong>als</strong> Archiv und<br />
Besprechungsraum. Diese Räume wurden<br />
nun in die <strong>Schwesternschaft</strong>sausstellung<br />
einbezogen. „<strong>Schwesternschaft</strong>sgeschichte<br />
werden selbstverständlich auch diese<br />
neuen Ausstellungsräume erzählen“, sagt<br />
Diane Bedbur vom Team „Ausstellung“ der<br />
<strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong>, „das Thema<br />
für einen Raum stand für uns sofort fest“:<br />
die „Geschichte der Ausbildung am Beispiel<br />
der Krankenpflegeschulen <strong>Berlin</strong>er<br />
Rot-Kreuz- <strong>Schwesternschaft</strong>en“, so der<br />
etwas sperrige Arbeitstitel, das Thema<br />
Leere Räume mit neuen Ausstellungsthemen füllen<br />
„<strong>Schwesternschaft</strong>sJahre“ wird zur Zeitreise mit Durchgangszimmern<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
17
hedwig<br />
dann umgesetzt auf knapp zwanzig<br />
Quadratmetern Ausstellungsfläche – wie<br />
bereits in den bestehenden Räumen hatten<br />
sich die Ausstellungsmacher wieder auf das<br />
Wesentliche zu beschränken, „nicht so viel<br />
wie möglich, sondern ganz gezielt Informationen<br />
anbieten, mit den passenden<br />
Exponaten <strong>als</strong> Ergänzung“, erklärt Diane<br />
Bedbur die optisch-inhaltliche Ausrichtung<br />
im Ausstellungskonzept. Eine Klassensituation<br />
simuliert der Raum „Ausbildung“<br />
– Schülerinnen des Krankenpflegekurses<br />
1962 sind <strong>als</strong> lebensgroßes Postermotiv<br />
zu sehen, davor stehen Schultische, auch<br />
aus dieser Zeit. Wandtafel und historische<br />
Schaubilder, dazu Unterrichtsmaterialien<br />
wie Schulbücher und andere Notizen<br />
sollen den Eindruck vervollständigen.<br />
Die Inhalte des anderen neuen Raumes<br />
sind bereits Thema im alten Ausstellungsteil:<br />
die Einrichtungen. Die imposante<br />
<strong>Berlin</strong>-Karte im Treppenaufgang zum<br />
eigentlichen Ausstellungsbereich bietet<br />
einen ersten Blick über alle Einsatzorte<br />
<strong>Berlin</strong>er Rot-Kreuz-Schwestern, über <strong>Berlin</strong><br />
hinaus. Die schmalen Hochkanttafeln im<br />
Raum Zwei stellen eine Auswahl an<br />
Gesundheitseinrichtungen kurz vor: die<br />
<strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong>, deren Träger die<br />
<strong>Schwesternschaft</strong> ist. Ihre Bedeutung für<br />
den Verein erklärt nun ausführlich der<br />
vierte und letzte Raum. Nicht nur über<br />
die fünf Kliniken und das Pflegeheim der<br />
<strong>Schwesternschaft</strong> können sich die Besucher<br />
hier informieren: Auch Einsatzorte, an<br />
denen die <strong>Berlin</strong>erinnen nicht mehr arbeiten,<br />
die aber dennoch Teil der Geschichte<br />
ihres Vereins sind, werden mit der Ausstellung<br />
aus der drohenden Vergessenheit<br />
geholt. Eine Änderung haben sich Diane<br />
Bedbur, Renate Lawrenz und Kollegen auch<br />
»Aktivität ist nun einmal die Mutter des Erfolgs.« CLAUDE ACHIM HELVÉTIUS<br />
bei der Gestaltung des Flures überlegt:<br />
An der rechten, bisher blütenweißen Wand<br />
ist nun die Silhouette des Westend-Krankenhauses<br />
zu sehen, ein Verweis auf den<br />
geschichtsträchtigen Ort, zu dem seit<br />
2010 „<strong>Schwesternschaft</strong>sjahre“ gehört.<br />
Auch die Besucher, die die Ausstellung<br />
kennen, werden eine weitere „Aktualisierung“<br />
sofort entdecken: In einer Glasstele<br />
steht ein Paar Schuhe, es sind die Kinderschuhe<br />
Hedwig von Rittbergs, der Gründerin<br />
der ersten Rot-Kreuz-<strong>Schwesternschaft</strong><br />
<strong>Berlin</strong>s, „ein sehr emotionales Ausstellungsstück<br />
für uns Mitglieder“, meint Diane<br />
Bedbur. Es sind die ältesten Exponate im<br />
Besitz der <strong>Schwesternschaft</strong>, 171 Jahre alt.<br />
Zuletzt waren die Schuhe im Mutterhaus<br />
in der Mozartstraße zu sehen. „<strong>Schwesternschaft</strong>sjahre<br />
1875 bis heute – Die Ausstellung<br />
der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong>“<br />
befasst sich mit dem Erbe der <strong>Schwesternschaft</strong>;<br />
der perfekte Rahmen, die Schuhe<br />
der Frau zu zeigen, die der Ausstellung<br />
im Westend ihr „Gesicht“ gab – Hedwig<br />
von Rittberg. Am 8. Juni laden die<br />
<strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong> | Westend ein<br />
zum „Tag der offenen Tür“.<br />
Offen sein wird dann auch wieder<br />
die Tür zur Ausstellung.<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>sjahre<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>sjahre<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>sjahre<br />
S<br />
18<br />
75<br />
BIS HEUTE<br />
<strong>Schwesternschaft</strong>sjahre 1875<br />
bis heute. Die Ausstellung der<br />
<strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong><br />
Wiedereröffnung am 8. Juni 2013, reguläre Öffnungszeiten<br />
dann dienstags und donnerstags von 14 bis 16 Uhr<br />
oder nach Vereinbarung unter 030-3035-5450 und<br />
per Mail: info@drk-schwesternschaft-berlin.de<br />
<strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong> | Westend, 14050 <strong>Berlin</strong>,<br />
Spandauer Damm 130, Haus S (Bildungszentrum)<br />
Weitere Informationen über die Ausstellung finden<br />
Sie auf den <strong>Schwesternschaft</strong>sseiten<br />
www.drk-schwesternschaft-berlin.de<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE II/2012<br />
13
hedwig<br />
Lebendige Exponate<br />
»Der verlorene Tag ist der, an dem man nicht gelacht hat.« NICHOLAS CHAMFORT<br />
Aufsichtspersonal muss heute mehr können <strong>als</strong> nur „Bitte Ruhe“<br />
zischen oder „No photos, no cameras“ zu sagen: Zu jeder nur<br />
möglichen Frage müssen die Ausstellungsmitarbeiter eine Antwort<br />
finden. Unser Ausstellungspersonal bringt dafür die besten<br />
Voraussetzungen mit: Es sind sieben Rot-Kreuz-Schwestern im<br />
Ruhestand, die sich an zwei Tagen in der Woche der gewünschten<br />
Neugier der Besucher stellen. An der Geschichte der <strong>Berlin</strong>er<br />
<strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> haben sie mitgeschrieben; die Schwestern<br />
sind Zeitzeugen und damit ein lebendiger Teil von „Schwestern-<br />
schaftsjahre“. Wir möchten an dieser Stelle unseren Schwestern<br />
für ihre Unterstützung danken, ohne die die Dauerausstellung<br />
nie eine öffentliche gewesen wäre:<br />
Susanne Groß<br />
Lotti Krumholz<br />
Annelise Kurz<br />
Renate Lawrenz<br />
Margot Paul-Peetz<br />
Barbara Sommerfeld<br />
Elga Stockmann<br />
„Ich weiß dies deshalb so genau,<br />
weil dieselben in diesem Augenblick vor mir stehen“<br />
Liegnitz, 1842. „Wissen Sie, Frau Gräfin,<br />
für die kleine Comtesse mache ich Ihnen<br />
die Schuhe die nächsten Jahre umsonst“,<br />
Schuhmacher Hentschel schaut die Gräfin<br />
nicht an, <strong>als</strong> er ihr das Angebot unterbreitet.<br />
Nachdenklich kratzt sich Hentschel<br />
sein schlecht rasiertes Kinn. Drei Jahre ist<br />
das Kind alt, denkt er, Tanzschuhe für den<br />
Manöverball werde ich ihr bestimmt nicht<br />
schustern, so alt wird die Kleine nicht.<br />
„Nächste Woche bringe ich Ihnen die<br />
Schuhe vorbei, Frau Gräfin“, die Schuhgröße<br />
musste sich Hentschel nicht aufschreiben,<br />
die Angaben merkt er sich, wär schade<br />
ums Papier, das sagt er immer dem Franz,<br />
seinem Gesellen, nur weil der sich ein paar<br />
Zahlen nicht merken kann. Wie viele<br />
Schuhe ich wohl schon für die von Rittbergs<br />
angefertigt habe, das hätte er sich<br />
doch aufschreiben sollen, zehn Kinder sind<br />
das bestimmt, jetzt noch die Jüngste, die<br />
Hedwig. „Herr Hentschel, und bitte<br />
schwarz: keine gelben oder weißen<br />
Schuhe“, natürlich, Frau Gräfin, brummt<br />
Hentschel, verbeugt sich knapp und setzt<br />
sich Viele den Zylinder externe auf. Rosel, Dozenten das Kindermädchen,<br />
unterstützen bringt den Schuster die Abteilung bis zur Tür.<br />
„Ich hoffe, die kleine Gräfin wird die<br />
Schuhe Fort- länger und tragen, Weiterbildung<br />
nicht nur bis zum<br />
Winter“, der <strong>Schwesternschaft</strong><br />
„wie kommen Sie darauf, Herr<br />
Hentschel?“, „na ja, sie ist drei Jahre alt, ihre<br />
Füße sind so klein wie die eines Einjährigen“<br />
und richtig laufen könne die Comtesse<br />
doch auch nicht, „da machen Sie sich mal<br />
keine Gedanken, unsere Hedwig ist zäher<br />
<strong>als</strong> alle anderen Kinder ihres Alters“.<br />
Neu-Babelsberg, 1889. Nachdenklich<br />
streicht Hedwig von Rittberg über ein Paar<br />
Kinderschuhe, meine ersten, wie winzig<br />
die sind, nicht einmal elf Zentimeter. Der<br />
alte Hentschel. Im Revolutionsjahr ´48<br />
kamen er und Schneidermeister Enderlin<br />
in unser Haus, in Bürgeruniform. „Wir<br />
müssen uns dienstlich bei Ihnen melden,<br />
Herr Major von Rittberg“, die Bürgergilde<br />
hatte die Beiden geschickt, der Vater sollte<br />
nicht Posten beziehen, Enderlin und<br />
Hentschel übernahmen für ihn. Eine solche<br />
Harmonie zwischen den Ständen, in dieser<br />
unruhigen Zeit. Die Schuhe, Ziegenleder<br />
hatte Hentschel verwendet, zwei identische<br />
hatte er geschustert; einen linken und<br />
einen rechten Schuh fertigen die Schuhmacher<br />
nämlich erst seit ein paar Jahren,<br />
aus England kam diese Mode, dabei haben<br />
die Römer so schon vor zweitausend Jahren<br />
ihre Sandalen hergestellt. Lange trug<br />
Hedwig von Rittberg dieses erste Paar;<br />
Schuhe und auch die ersten Strümpfe hatte<br />
die Mutter aufbewahrt, eine doppelte<br />
wertvolle Erinnerung an die ersten<br />
Lebensjahre. Die Mutter, die das Kind, ihr<br />
elftes, nicht haben wollte und es dennoch<br />
mehr liebte <strong>als</strong> all die anderen. So oft hatte<br />
mir die teure Mutter von meinem elenden<br />
Sein und ihren vielen Sorgen um mich<br />
gesprochen, so oft hat sie mir in ihrer<br />
teuren Mutterliebe dafür fast Abbitte<br />
getan. Rosel hat mir die ersten Schritte<br />
nach drei Jahren beigebracht, ausgerechnet<br />
<strong>als</strong> die Mutter verreist gewesen war.<br />
Wie groß war ihre Freude, mich laufen<br />
zu sehen, wie ich mit unsicheren<br />
Schritten auf sie zukam...<br />
Liebevoll legt Hedwig von Rittberg die<br />
Schuhe zurück in die kleine Holzkiste, ihre<br />
ständige Erinnerung an eine weit zurückliegende<br />
Vergangenheit.<br />
(Frei nach: „Erinnerungen aus drei Jahrzehnten meines<br />
Berufslebens – nebst Selbstbiographie der Verfasserin<br />
Hedwig Gräfi n Rittberg“ <strong>Berlin</strong>, 1896)<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
21
hedwig<br />
Lebenslang fürsorglich<br />
Ulrike Laschinsky leitet das Pflegeheim der <strong>Schwesternschaft</strong><br />
ogli ist einer unserer Haushunde“,<br />
„M erklärt Heimleiterin Ulrike<br />
Laschinsky, Tekla – „das ist der Friseurhund“–<br />
der andere. Mogli, Promenadenmischung<br />
mit Widerristhöhe von geschätzten<br />
dreißig Zentimetern, ist meist dort zu<br />
finden, wo sich Ulrike Laschinsky aufhält<br />
– die übrigens die „Mogli-Kolumnen“<br />
verfasst. Von ihrem Büro aus hat der Hund<br />
einen guten Überblick: Fremde – vor allem<br />
die Männer – begrüßt Mogli mit einem<br />
lauten Bellen, „da meldet sich sein Beschützerinstinkt“.<br />
Für die Leiterin der Pflegeeinrichtung<br />
sind Mogli und Tekla nur einer<br />
von vielen Gründen, warum sich Interessenten<br />
für eine Wohnung hier im Heim<br />
entscheiden: „bei uns ist Leben“, keine<br />
verordneten Ruhezonen – die Einrichtung<br />
an der Britzer Straße will sich bewusst von<br />
anderen abgrenzen. Und das gelingt nicht<br />
nur über das Halten freilaufender Haustiere.<br />
Letztlich würde dann auch der<br />
optische erste Eindruck zählen, sagt Ulrike<br />
Laschinsky, „die meisten schwärmen,<br />
wie hell es hier ist.“ Ein guter Einstieg<br />
sei dies für das Kennenlerngespräch mit<br />
den künftigen Bewohnern und ihren<br />
Ange-hörigen, „denn ihr Vertrauen<br />
müssen wir gewinnen“. Und das schaffen<br />
meist dann auch Ulrike Laschinksy und<br />
ihre Kollegen aus den <strong>DRK</strong> Kliniken<br />
<strong>Berlin</strong> | Pflege & Wohnen Mariendorf.<br />
1985 entstand hier der Neubau; in den<br />
Jahren danach wurde er immer wieder<br />
»Die Art, wie man gibt, bedeutet mehr, <strong>als</strong> was man gibt.« Pierre Correille<br />
Ein Hund mit eigener Kolumne. „Und die wird von vielen zuerst gelesen“ – „Moglis Welt“<br />
erscheint in jeder Monatsausgabe des „Mariendorfers“. Hund und Magazin gehören<br />
zu den <strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong> | Pflege & Wohnen Mariendorf.<br />
verschönert und verbessert. Vor fünf<br />
Jahren beendeten die Handwerker zum<br />
Beispiel ihre großen Umgestaltungsarbeiten<br />
der vier Wohnbereiche. Und im<br />
März 2013 konnten neue Heimbewohner<br />
die nochm<strong>als</strong> renovierten Zimmer „An<br />
der Küste“ beziehen – dort wohnten eine<br />
Zeitlang Beatmungspatienten. Nach ihrem<br />
Auszug wurde die für die Behandlung<br />
erforderliche Infrastruktur zurückgebaut.<br />
Ganz zufrieden ist Ulrike Laschinsky noch<br />
nicht, gerade der PVC-Fußboden, der noch<br />
auf einigen Fluren und in Bewohnerzimmern<br />
ausliegt, erinnere an eine Klinik. Die<br />
Mariendorf ursprünglich auch war, „den<br />
Fußbodenbelag bitte noch austauschen,<br />
dazu noch schöne Gardinen und alles wirkt<br />
noch freundlicher“ ergänzt sie ihre<br />
Wunschliste, „und am liebsten<br />
sollte es nur noch Einzelzimmer<br />
geben“, da sei die Nachfrage<br />
besonders hoch. Seit drei Jahren<br />
leitet die 53-Jährige die <strong>DRK</strong><br />
Kliniken <strong>Berlin</strong> | Pflege & Wohnen<br />
Mariendorf. Dabei haben<br />
nicht nur Besucher sie früher<br />
bereits in dieser Funktion<br />
gesehen – der Erstkontakt lief<br />
schon immer über sie. „Ich<br />
musste nicht überredet werden“,<br />
auch wenn „Heimleiterin“<br />
nie wirklich in ihrer Karriereplanung<br />
vorgesehen war. Mit der<br />
Arbeit <strong>als</strong> Sozialarbeiterin der<br />
Pflegeeinrichtung war sie nämlich<br />
glücklich: 1990 hatte sie ein Stelleninserat<br />
gelesen, das sie ein wenig missverstand:<br />
Ulrike Laschinsky kannte das Haus, die<br />
Mutter war Mitte der Achtziger hier<br />
Patientin, „die Einrichtung gefiel mir schon<br />
bei meinem ersten Besuch“. Da ihr der<br />
Arbeitsweg von Rudow in das Reinickendorfer<br />
Krankenheim zu weit war, in dem<br />
sie Ende der Achtziger arbeitete, kam die<br />
Ausschreibung wie gerufen. Nur dass sie<br />
nun <strong>als</strong> Sozialarbeiterin für ein Krankenhaus<br />
zuständig sein sollte, schien ungewohnt<br />
– spätestens beim Vorstellungsgespräch<br />
klärte man sie über den Irrtum<br />
auf. Durch ihre Erfahrung mit einer<br />
Senioreneinrichtung bekam sie auch die<br />
Möglichkeit für einen Vergleich: Bei dem<br />
„Für uns ist es das Höchste,<br />
dass es den Bewohnern gut geht“<br />
Seit drei Jahren Heimleiterin - Ulrike Laschinsky<br />
lag Mariendorf vorn, „hier gab es schon<br />
dam<strong>als</strong> den Luxus, Ein- und Zweibettzimmer<br />
anzubieten“, während in anderen<br />
Pflegeheimen Zimmer für drei und mehr<br />
Bewohner üblich gewesen seien.<br />
Obwohl jetzt die Heimleitung hinzukam,<br />
Sozialarbeiterin ist Ulrike Laschinsky<br />
geblieben. Einen Vorteil hat ihr diese Personalunion<br />
gebracht, „jetzt bin ich in der<br />
Position, Entscheidungen anzuschieben<br />
und die dann mit anderen durchzusetzen“;<br />
auch aus dem Grund bereite ihr die neue<br />
Arbeit noch mehr Freude. Von der Kombination<br />
Sozialarbeiterin/Heimleiterin<br />
profitieren letztlich die, die in ihrer Arbeit<br />
im Mittelpunkt stünden: die Bewohner,<br />
denn die soziale Komponente sei bei ihr<br />
doch viel stärker ausgeprägt <strong>als</strong> zum<br />
Beispiel bei einem Betriebswirt <strong>als</strong> Heimleitung.<br />
Eine ihrer Aufgaben ist die<br />
Vertretung des Trägers, der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong><br />
<strong>Berlin</strong>: Auf Veranstaltungen<br />
begrüßt sie die Gäste auch in ihrer Funktion<br />
<strong>als</strong> Rot-Kreuz-Schwester. Seit 2006 ist<br />
Ulrike Laschinsky Mitglied – ein „außerordentliches“,<br />
da sie die vom Vereinsstatut<br />
geforderte Alten- oder Krankenpflegeausbildung<br />
nicht vorweisen kann. Die<br />
Konsequenzen sind jedoch eher formal<br />
wie weniger Stimmmengen auf Mitgliederversammlungen<br />
<strong>als</strong> ein „ordentliches“<br />
Mitglied – die Akzeptanz untereinander<br />
und von außen ist natürlich gleich.<br />
Der Eintritt in die <strong>Berlin</strong>er Rot-Kreuz-<br />
<strong>Schwesternschaft</strong> war Folge einer intensiver<br />
werdenden Zusammenarbeit mit dem<br />
Mutterhaus in der Mozartstraße, in dem bis<br />
2005 Schwestern im „betreuten Wohnen“<br />
lebten. Im Laufe der Jahre zogen auch von<br />
dort Schwestern im Ruhestand in die<br />
Mariendorfer Pflegeeinrichtung. „Durch<br />
die Pensionierten wurde der Kontakt zur<br />
<strong>Schwesternschaft</strong> enger und noch persönlicher“,<br />
ein Vereinseintritt wurde so nur zu<br />
einer Frage der Zeit. Mit dem Einzug der<br />
pensionierten <strong>DRK</strong>-Schwestern entwickelte<br />
sich die Einrichtung wieder zu einem<br />
Feierabendheim; Angehörige von Mitarbeitern<br />
und diese später selbst wollen ihren<br />
Lebensabend hier verbringen. Lebenslange<br />
Fürsorge, diese <strong>Schwesternschaft</strong>stradition<br />
helfen Ulrike Laschinsky und ihre Kollegen<br />
zu bewahren. Und sicherlich ist dies<br />
einer der Gründe für den hohen Anteil<br />
an examinierten Pflegekräften in den<br />
<strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong> | Pflege & Wohnen<br />
Mariendorf; der ist nämlich größer <strong>als</strong><br />
in anderen <strong>Berlin</strong>er Seniorenheimen. Die<br />
Zusammenarbeit mit der Pflegedienstleitung<br />
funktioniere übrigens schon immer<br />
hervorragend, betont Ulrike Laschinsky,<br />
„sonst hätte ich es nicht gemacht“ und<br />
meint damit die Übernahme der Heimleitung.<br />
Christine Baermann, Manuela<br />
Gallo und sie seien sich einig, was die<br />
Verbesserung der Lebensqualität für die<br />
Bewohner betrifft, „für uns ist es das<br />
Höchste, dass es ihnen gut geht“. Auch<br />
wenn der Einzug in ein Pflegeheim eine<br />
sehr emotionale Erfahrung ist – „für alle ist<br />
das ein großer Schritt, nicht nur der Tod ist<br />
eine traurige Phase, oft auch der Umzug ins<br />
Heim“ – hier in Mariendorf bekommen sie<br />
tatsächlich die versprochene bessere<br />
Lebensqualität: „Sie ziehen in eine kleinere<br />
Wohnung, <strong>als</strong>o in ihr Zimmer, das sie nach<br />
ihren Vorstellungen einrichten, und erhalten<br />
zudem direkt die Pflege und medizinische<br />
Versorgung, die sie benötigen“, sagt<br />
die Heimleiterin. Das alles in einer Gemeinschaft,<br />
einer großen „Senioren-WG“. Kurze<br />
Zeit nach dem Umzug ins Pflegeheim<br />
meinte eine Bewohnerin, die sich schwer<br />
mit der Entscheidung getan hatte: „Frau<br />
Laschinsky, ich habe es nicht bereut“ – ein<br />
schöneres Lob für sich und ihre Kollegen<br />
kann sich Ulrike Laschinsky nicht vorstellen.<br />
Eine potenzielle Nachfolgerin hat<br />
sie übrigens schon – die Tochter, auch sie<br />
studiert Sozialarbeit, „sie mag das Haus<br />
und ihr gefällt die Arbeit mit älteren<br />
Menschen“.<br />
Wie die Mutter.<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
23
hedwig<br />
»Keine Schuld ist dringender <strong>als</strong> die, Dank zu sagen.« CICERO<br />
biz im Web<br />
Millionen Internetseiten mit der „de“-Domain hat das<br />
15 Deutsche Network Information Center aktuell registriert;<br />
mit einem Klick auf „Veröffentlichen“ ging am 22. März um 15.16<br />
Uhr ein weiterer Webauftritt online – der vom Bildungszentrum<br />
für Pflegeberufe. Pünktlich zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres<br />
finden die Besucher nun alles Wichtige über die Einrichtung<br />
und wie auch den Träger, die <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong>.<br />
Auch die <strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong> werden <strong>als</strong> Ausbildungspartner<br />
vorgestellt. Die Farbgestaltung der Seiten orientiert sich am Logo<br />
der <strong>Schwesternschaft</strong>: Blau und Rot aus der Brosche sind die<br />
dominierenden Farben. Bei den Inhalten der neuen Webseiten<br />
„dominieren“ natürlich die beiden Gruppen Lehrer und Schüler.<br />
Durchschnittlich fünfzig Interessenten suchen jeden Tag auf den<br />
biz-Seiten nach Informationen. Viele von ihnen sind Schüler vom<br />
biz, die hier ein weiteres neues Onlineangebot nutzen möchten –<br />
das „biz itslearning“: Mit dieser E-Learning-Plattform können die<br />
Schüler ihr Lernen neu organisieren: Das Einloggen ist von jedem<br />
internetfähigen Computer aus möglich. Auf „biz itslearning“<br />
können die Schüler Projekte anlegen, zu denen sie Mitschüler<br />
Seit März mit<br />
eigenen Internetauftritt:<br />
Das<br />
Bildungszentrum<br />
für Pfl egeberufe der<br />
<strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong><br />
<strong>Berlin</strong><br />
einladen – um zum Beispiel für die nächste Gruppenarbeit<br />
eine Präsentation zu erarbeiten, Diskussionsforen einzurichten,<br />
Umfragen zu gestalten oder sich zur Prüfungsvorbereitung in<br />
Gruppenvideokonferenzen auszutauschen. Die Schüler können<br />
auch ein Lerntagebuch führen und wichtige Termine in ihrem<br />
eigenen Kalender vormerken. Auch die Dozenten vom Bildungszentrum<br />
für Pflegeberufe sind auf dieser Plattform aktiv, sie<br />
nutzen die Möglichkeiten interaktiver Kommunikations-,<br />
Bewertungs-, Medien- und Organisationstools. Die Dozenten<br />
hinterlegen zum Beispiel den Schülern die aktuelle Literatur<br />
wie auch Unterrichtsmaterial zu den jeweiligen Modulen.<br />
Auch schafft das System die Möglichkeit, dass die Lehrer Lernfortschritte<br />
beobachten können und Lernzielkontrollen in<br />
unterschiedlichen Varianten vornehmen. Vor dem 22. März<br />
fanden Besucher das Bildungszentrum nur auf den Unterseiten<br />
der beiden Webauftritte von <strong>Schwesternschaft</strong> und Kliniken –<br />
<strong>als</strong> sehr eingeschränktes Informationsangebot. Die neue Homepage<br />
des Bildungszentrums mit ihren mehr <strong>als</strong> zwanzig Seiten<br />
ist unter der Webadresse www.bizbildungszentrum.de abrufbar.<br />
Ja, nein – jein<br />
Regionales Beiratstreffen auf der Suche nach wichtigen Antworten<br />
Der 8. März war „Frauentag“, trotzdem wurden Männer an diesem besonderen Tag zum<br />
zentralen Gesprächsthema: In den <strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong> | Köpenick traf sich der „Regionale Beirat<br />
der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong>en“. Zwanzig Teilnehmerinnen aus neun Vereinen diskutierten über das<br />
„Pro & Contra: Männer in der <strong>Schwesternschaft</strong>“. Begrüßt wurden die Rot-Kreuz-Schwestern<br />
von den Gastgeberinnen: Oberin Doreen Fuhr und der Beiratssprecherin der <strong>Berlin</strong>er Rot-Kreuz-<strong>Schwesternschaft</strong>, Margitta Konzack.<br />
Als Fachreferenten auf dem Regionalen Beiratstreffen und Experten zum Thema „Männer in <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong>en“ sprachen<br />
Dagmar Avital, Leiterin der Abteilung Fort- und Weiterbildung und der <strong>Berlin</strong>er Anwalt Ralf Mydlak. Er stellte den <strong>DRK</strong>-Schwestern<br />
die Ergebnisse seiner juristischen Prüfung vor – die Aufnahme von lediglich weiblichen Mitgliedern in die <strong>Schwesternschaft</strong> sei<br />
rechtmäßig, „es besteht kein Aufnahmezwang“. Die besonderen Strukturen der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong>en sind historisch gewachsen,<br />
die Vereine Frauen-Netzwerke, „es liegen sachlich gerechtfertigte Gründe für die ausschließliche Aufnahme von Frauen vor“.<br />
Und Männer könnten jederzeit über das Anstellungsverhältnis in eine <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong><br />
eingebunden werden. Dagmar Avital von der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong><br />
<strong>Berlin</strong> kam in ihrem Vortrag zu dem offnen Ergebnis, dass sich die<br />
zentrale Frage stellen muss, „ob es in Zukunft um das Pro und<br />
Contra von Männern in der <strong>Schwesternschaft</strong> geht oder aber<br />
um Schlüssel-Qualifikationen für die Zukunft“. Nach den Vorträgen<br />
und einer abschließenden Diskussionsrunde bekamen die Gäste<br />
aus ganz Deutschland die Möglichkeit, mit den <strong>DRK</strong> Kliniken<br />
<strong>Berlin</strong> | Köpenick einen der Arbeitsorte ihrer <strong>Berlin</strong>er Kolleginnen<br />
näher kennenzulernen.<br />
Vorstandsmitglied ist<br />
Ehrenpräsidentin<br />
Zu den vielen Titeln, Ämtern, Funktionen,<br />
die Sabine Bergmann-Pohl in ihren Karrieren <strong>als</strong> Politikerin,<br />
Medizinerin und sozial Engagierte sammeln konnte, ist ein<br />
weiterer hinzugekommen: Sie ist seit Januar Ehrenpräsidentin<br />
des <strong>Berlin</strong>er Roten Kreuzes, für das sie bis Oktober 2012 <strong>als</strong><br />
oberste Repräsentantin arbeitete. Der Präsident des Deutschen<br />
Roten Kreuzes, Dr. Rudolf Seiters, bedankte sich auf einer<br />
Feierstunde bei Dr. Sabine Bergmann-Pohl und dem früheren<br />
Vizepräsidenten, Frank-Michael Benndorf. Seiters verlieh der<br />
nun Ehrenpräsidentin anschließend die höchste Auszeichnung<br />
des <strong>DRK</strong>. Für ihren Nachfolger im Amt, Dr. Uwe Kärgel, sind<br />
die „(Damen-)Schuhe, die mir Frau Dr. Bergmann-Pohl<br />
hinterlassen hat, viel zu groß“. Das letzte Präsidium bezeichnete<br />
Kärgel <strong>als</strong> ein „Trio ideale”; es habe den <strong>Berlin</strong>er<br />
Landesverband nach dessen Insolvenz wieder in eine<br />
hervorragende Position geführt. Einen anderen Titel will<br />
die Ehrenpräsidentin und „Multifunktionärin“ – <strong>als</strong> die sie<br />
eine regionale Zeitung einmal beschrieb – unbedingt behalten:<br />
Sabine Bergmann-Pohl bleibt – trotz Ruhestands – Mitglied<br />
im Vorstand der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong>.<br />
Stühlerücken für Bulgarien<br />
<strong>Schwesternschaft</strong><br />
und Kliniken spenden<br />
Möbel: Zweitausend<br />
Kilometer südöstlich<br />
<strong>Berlin</strong>s werden sie<br />
dringend gebraucht:<br />
Stühle und Tische, die bislang in den <strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong><br />
standen. Mit zwei Lastkraftwagen und acht Helfern wurden<br />
sie Ende April Richtung Bulgarien transportiert und einer Klinik<br />
übergeben. Verantwortlich für dieses Hilfsprojekt ist das<br />
<strong>Berlin</strong>er Rote Kreuz; Präsident Dr. Uwe Kärgel kontaktierte im<br />
Januar Oberin Doreen Fuhr: Verfügen die Kliniken der <strong>Schwesternschaft</strong><br />
über ein Kontingent an nicht<br />
mehr benötigten Möbeln wie Betten,<br />
Tischen, Stühlen? Oberin Fuhr leitete die<br />
Anfrage umgehend weiter an die Pflegedienstleitungen<br />
– ja, tatsächlich: Astrid<br />
Weber von den <strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong><br />
Köpenick bot zweihundert Tische und<br />
fünfhundert Stühle, Christine Baermann<br />
– Pflegedienstleitung für die Standorte<br />
Mitte und Mariendorf – meldete zehn<br />
nicht mehr benötigte Tische. Westends PDL<br />
Martina Parow hatte fünf Säuglingsbetten im Angebot, die<br />
bislang im Park-Sanatorium standen. Den Umzug der Möbel<br />
übernahm eine deutsch-bulgarische Firma, die in Ruse – einer<br />
Hafenstadt an der Donau – und in Lowetsch in Nordbulgarien<br />
zwei Fabriken hat. In den Krankenhäusern in diesen beiden<br />
Städten stehen jetzt die Möbelstücke aus <strong>Berlin</strong>.<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
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Mit „gutem Humor und guten Umgangsformen“<br />
Oberin Elisabeth Schlegtendal<br />
Die Tochter eines Fabrikanten wurde am 5. Oktober 1908 in Wuppertal-Barmen geboren, der Stadt<br />
Friedrich Engels. Nach dem Besuch des Lyzeums und anschließender Praktika – sie arbeitete unter anderem<br />
<strong>als</strong> Kindergärtnerin und in einem Kinderheim – absolvierte Elisabeth Schlegtendal am 26. Juni 1933 in Bremen<br />
ihr Krankenpflege-Examen, in der Hansestadt besuchte sie dann das Ansgar-Schwestern-Seminar.<br />
Sie ging anschließend <strong>als</strong> Gemeindeschwester<br />
nach Frankreich, in Paris<br />
arbeitete sie von Januar 1934 bis zum<br />
August 1935. Anschließend führte sie ihr<br />
beruflicher Weg nach Göttingen, an die<br />
Frauenklinik der niedersächsischen Stadt.<br />
1937 kam Elisabeth Schlegtendal an die<br />
Charité und arbeitete dort im Labor und<br />
<strong>als</strong> Leitende Schwester auf einer Station.<br />
Im Zweiten Weltkrieg versorgte sie im<br />
Heeressanitätsdienst verwundete Soldaten.<br />
„Während dieser ganzen Zeit haben<br />
mir die Armeeoberinnen immer wieder<br />
versichert, dass sie ein besonders gutes<br />
Element im Gemeinschaftsleben ist. Sie<br />
denkt und handelt überlegen und selbstständig“,<br />
notierte wohlwollend ihre<br />
Oberin Gerda von Freyhold, „ihr sehr<br />
kameradschaftliche Art hat ihr immer die<br />
Zuneigung der Schwestern gesichert“. Für<br />
einige Monate ging Elisabeth Schlegtendal<br />
wieder nach Göttingen, dieses Mal<br />
arbeitete sie an der Werner-Schule. Zurück<br />
in <strong>Berlin</strong> übernahm sie Führungsaufgaben<br />
an der Charité – sie vertrat die erkrankte<br />
Oberschwester der H<strong>als</strong>-Nasen-Ohren-<br />
Abteilung. Ihr Vorgesetzter lobte „die<br />
außerordentliche Einsatzbereitschaft und<br />
die organisatorische Begabung“ von<br />
Schwester Elisabeth. Die Arbeit war oft<br />
nicht ganz einfach: Junge Assistenzärzte<br />
und ältere „Freie Schwestern“ widersetzten<br />
sich: An fast fünfzig Prozent aller Krankenbetten<br />
versahen diese freien Schwestern<br />
den Pflegedienst, die ohne strenge organisatorische<br />
Bindung wie ihre Kolleginnen<br />
der Rot-Kreuz-<strong>Schwesternschaft</strong>en<br />
Einzelangestellte der Krankenhäuser<br />
waren. Schwester Elisabeth organisierte<br />
den „Luftschutzdienst“ und leitete auch die<br />
Aufräumarbeiten nach den fast täglichen<br />
»Vieles kann der Mensch entbehren, nur den Menschen nicht.« LUDWIG BÖRNE hedwig<br />
Schwere Bürde Oberinnenamt<br />
Elisabeth Schlegtendal, Oberin der Brandenburgischen <strong>Schwesternschaft</strong> Paulinenhaus<br />
Bombenangriffen. „Da sie einen guten<br />
Humor und gute Umgangsformen<br />
besitzt, geschah alles ohne Schärfe,<br />
obwohl sie stets klar und deutlich ihre<br />
Meinung zum Ausdruck bringt“ – wieder<br />
lobte sie ihre Oberin.<br />
Zweifache Oberin<br />
Nach dem Krieg arbeitete sie für zwei<br />
Jahre im Wedding, am Krankenhaus in<br />
der Drontheimer Straße – den <strong>DRK</strong><br />
Kliniken <strong>Berlin</strong> | Mitte. Ihre nächste<br />
Station war ab April 1949 das „Marienheim“<br />
(<strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong> | Pflege &<br />
Wohnen Mariendorf): Sie wurde Oberin<br />
der Brandenburgischen <strong>Schwesternschaft</strong><br />
Marienheim. Im Oktober 1955<br />
übernahm Oberin Schlegtendal zusätzlich<br />
die Leitung der Paulinenschwesternschaft.<br />
Aus gesundheitlichen Gründen<br />
musste sie kürzer treten, Elisabeth<br />
Schlegtendal litt unter Schlaflosigkeit,<br />
ein Arzt attestierte bei ihr eine akute<br />
Depression; er verschrieb Valium und<br />
Tryptizon: „ (...) Da es nach dem Gegebenen<br />
auch in absehbarer Zeit noch<br />
ausgeschlossen erscheint, daß die volle<br />
Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt<br />
werden kann, wird der Antrag auf<br />
vorläufige Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente<br />
gestellt.“ Am 1. April<br />
1966 wurde sie pensioniert, zum neuen<br />
Lebensmittelpunkt wurde das Mutterhaus<br />
der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> Lübeck.<br />
Trotzdem blieb die Oberin im Ruhestand<br />
mit ihren Schwestern in <strong>Berlin</strong> in<br />
ständigem Kontakt, sie ließ sich über alle<br />
Ereignisse in ihrem alten Mutterhaus<br />
informieren. Noch lange Zeit hoffte sie,<br />
eines Tages nach <strong>Berlin</strong> zurückkehren zu<br />
können. Jedoch verschlechterte sich der<br />
Gesundheitszustand der pensionierten<br />
Oberin zusehends. Im April 1976 zog sie<br />
in ein Altersheim in Herne; dort, im<br />
nördlichen Ruhrgebiet, wohnte auch<br />
ihre Schwester. Elisabeth Schlegtendal<br />
starb am 4. Oktober 1976, einen Tag vor<br />
ihrem Geburtstag, an dem sie 68 Jahre<br />
alt geworden wäre. „Mit Ergriffenheit<br />
und großer Dankbarkeit denken wir an<br />
die Heimgegangene und an die Zeit ihres<br />
Wirkens hier in <strong>Berlin</strong>. Vieles aus der<br />
Zeit ihrer Führung der beiden <strong>Schwesternschaft</strong>en<br />
wird in unserer Erinnerung<br />
immer lebendig bleiben“, schrieb Oberin<br />
Christa Rohr über Elisabeth Schlegtendal<br />
in einer Mitteilung an ihre <strong>Berlin</strong>er<br />
Rot-Kreuz-Schwestern.<br />
Oberin Schlegtendal mit Oberin Ehrengard<br />
von Graevenitz (rechts)<br />
In der Reihe „Oberinnen im Porträt“<br />
sind bereits erschienen:<br />
Elsbeth von Keudell (hedwig I/2007)<br />
Anna Maria Luise Scheld (hedwig II/2007)<br />
Rose Zirngibl (hedwig I/2008)<br />
Hedwig von Rittberg (hedwig II/2008)<br />
Hertha Janke (hedwig I/2009)<br />
Cläre Port (hedwig II/2009)<br />
Gerda von Freyhold (hedwig I/2010)<br />
Alexandrine von Üxküll-Gyllenband (hedwig II/2010)<br />
Ehrengard von Graevenitz (hedwig I/2011)<br />
Clementine von Wallmenich (hedwig II/2011)<br />
Christa Rohr (hedwig I/2012)<br />
Else Wesenfeld (II/2012)<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
27
Leben bis zuletzt<br />
Das Sterben in Würde braucht Platz; und<br />
um den einzurichten, benötigt man Geld.<br />
Die <strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong> | Köpenick unterstützen<br />
den Aufbau einer Hospiz- und<br />
Palliativmedizinstation für Köpenick - einen Teil der<br />
Investitionen für das Projekt konnte die Einrichtung<br />
der <strong>Schwesternschaft</strong> über ein Benefizkonzert<br />
einwerben: In der Christophorus Kirche <strong>Berlin</strong>-<br />
Friedrichshagen spielten Ende April die „Musici Medici“<br />
unter Leitung des bekannten Dirigenten Jürgen Bruns.<br />
Dieses Konzert veranstalteten die <strong>DRK</strong> Kliniken<br />
<strong>Berlin</strong> | Köpenick mit ihren Projektpartnern: der<br />
Sozi<strong>als</strong>tiftung Köpenick und der Evangelischen<br />
Christophorusgemeinde von <strong>Berlin</strong>-Friedrichshagen.<br />
Sehr gut besucht war die Benefizveranstaltung,<br />
Köpenicks Pflegedienstleitung Astrid Weber und<br />
Chefarzt Dr. Stefan Kahl begrüßten die etwa<br />
dreihundert Gäste: Beide engagieren sich<br />
im Namen der Köpenicker Klinik für das Projekt<br />
„Palliativstation“. Der Auftritt der „Musizierenden<br />
Mediziner“ in der Friedrichshagener Kirche war<br />
ein voller Erfolg, nach langem Applaus gab es<br />
für die Zuhörer eine Zugabe und anschließend<br />
Blumen für die Erste Geige und den Dirigenten.<br />
FOCUS: Pflege in <strong>DRK</strong> Kliniken<br />
<strong>Berlin</strong> ist Spitze<br />
Pflegequalität und Patientenzufriedenheit sind hoch in den <strong>DRK</strong> Kliniken<br />
<strong>Berlin</strong> | Köpenick und den <strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong> | Westend: Das bestätigte das<br />
Nachrichtenmagazin FOCUS in seiner Ausgabe „Gesundheit - das beste<br />
Krankenhaus in Ihrer Nähe“, in der eine deutschlandweite Übersicht der<br />
besten Kliniken veröffentlicht wurde, sortiert nach Fachbereichen und<br />
Bundesländern. In der Kategorie „Die besten Krankenhäuser je Bundesland“<br />
haben es auf Platz 16 die Köpenicker Klinik und auf Platz 17 das Westend-<br />
Krankenhaus geschafft. Köpenick wird vor allem im Fachbereich „Orthopädie“<br />
weiterempfohlen, Westend im Fachbereich „Brustkrebs“. Beide Klinikstandorte<br />
schneiden besonders gut bei der Patientenzufriedenheit ab: So sind am<br />
Standort Köpenick 78 Prozent der Patienten und in Westend sogar 80 Prozent<br />
der Befragten mit dem Behandlungsergebnis<br />
zufrieden. Und auch bei der<br />
Beurteilung der Pflegequalität wird<br />
deutlich: Die Pflegequalität ist mit<br />
78 (Köpenick) und 79 (Westend)<br />
Punkten überdurchschnittlich hoch,<br />
hundert Punkte konnten hier maximal<br />
erreicht werden. Für die Erstellung<br />
der Kliniklisten ermittelte FOCUS seine<br />
Daten auf mehreren Wegen: Im ersten<br />
Schritt wurden 18.000 einweisende<br />
Fachärzte und Klinikärzte befragt,<br />
welche Häuser sie empfehlen würden.<br />
Ergänzt wurde die Befragung durch Erfahrungen von Patienten, die sie dem<br />
Arzt über ihre medizinische und pflegerische Versorgung mitteilten.<br />
Im zweiten Schritt analysierten die FOCUS-Redakteure die Qualitätsberichte<br />
der Kliniken. Zum Schluss wurden Daten mit Hilfe eines Klinikfragebogens<br />
erhoben. Dafür schrieb FOCUS 1.761 Häuser an.<br />
nebenbei die Welt entdecken<br />
Christine Baermann leitet den Pflegedienst in zwei Einrichtungen der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong>.<br />
Seit drei Jahren ist sie auch Mitglied im Vorstand des Vereins.<br />
Anruf bei <strong>Berlin</strong>s größtem<br />
Pharmaunternehmen:<br />
„Haben Sie Arbeit für mich? Ich<br />
gehe auch an die Maschine“,<br />
Christine Baermann hat genug<br />
von ihrem alten Job: Pillenfabrik<br />
statt Krankenhaus sollte es ab<br />
sofort sein. „Ich wollte keine<br />
Verantwortung mehr tragen“,<br />
erinnert sie sich heute. Der verblüffte<br />
Schering-Mitarbeiter am<br />
anderen Ende der Telefonleitung<br />
kontert: „Beruhigen Sie sich,<br />
nach spätestens acht Wochen<br />
wollen Sie hier wieder weg“.<br />
»Man kann viel, wenn man sich nur recht viel zutraut.« WILHELM VON HUMBOLDT hedwig<br />
Im Traumberuf<br />
Mit Martina Parow (links)<br />
Christine Baermann nahm<br />
diesen Ratschlag an, blieb in<br />
ihrem Beruf, für den sie schon<br />
<strong>als</strong> Kind entschieden hatte,<br />
„wirklich überlegen musste ich<br />
nie – es war immer mein<br />
Wunsch, Krankenschwester zu<br />
werden“. Ein Orientierungspraktikum<br />
verstärkte Jahre später<br />
diesen Kindheitstraum: In dem<br />
Krankenhaus bei Hannover<br />
arbeiteten Vinzentinerinnen.<br />
Die Oberschülerin war von<br />
Krankenpflegearbeit und Nonnen<br />
begeistert, wollte auch<br />
Ordensschwester werden und<br />
teilte das der Familie gleich mit.<br />
Die reagierte wenig begeistert,<br />
der Tochter gelang es zumindest,<br />
ihren Wunsch durchzusetzen,<br />
eine Ausbildung in der Krankenpflege<br />
zu beginnen. Und in eine<br />
<strong>Schwesternschaft</strong> sollte Christine<br />
Baermann dann auch<br />
eintreten – gut fünfzehn Jahre<br />
später, <strong>als</strong> Mitglied in der<br />
<strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong>.<br />
Für den ersten Urlaub buchte<br />
die Krankenpflegeschülerin eine<br />
Reise nach Nordafrika: drei<br />
Wochen Tunesien, Zwei-Sterne-<br />
Hotel mit Halbpension – im<br />
Gesamtpaket für achthundert<br />
D-Mark. Zwei Mitschülerinnen<br />
flogen mit, beim Empfangscocktail<br />
warnte ein Hotelangestellter<br />
seine jungen Gäste eindringlich<br />
vor dem Besuch bestimmter<br />
Stadtteile; Gegenden, die<br />
Pauschaltouristen besser meiden<br />
sollten, weil dort nur Einheimische<br />
seien. Das Hotelbuffet ließ<br />
die Warnung vergessen – bei<br />
tropischen Temperaturen<br />
verging den Dreien der Appetit<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
29
hedwig<br />
auf heiße, fettige Speisen. Sie<br />
fuhren zum Markt, nicht <strong>als</strong><br />
Touristinnen auf Sightseeing-<br />
Tour: frisches Obst und dazu<br />
Joghurt wollten sie kaufen. Und<br />
dafür mussten sie in die<br />
„verbotene Zone“. Auf dem<br />
Markt kamen die Deutschen<br />
schnell in Kontakt mit Arabern<br />
und Berbern, „und eine Tunesierin<br />
lud uns zu sich nach Hause<br />
ein“. Die jungen Frauen zögerten,<br />
schließlich siegte die<br />
Neugier auf das Exotische: Sie<br />
besuchten Mama Aschmir und<br />
ihre Großfamilie. Ein Wiedersehen<br />
wurde vereinbart, das<br />
überraschend an einem anderen<br />
Ort stattfinden sollte, in einem<br />
Krankenhaus, der „Clinique les<br />
oliviers“. „Mama Aschmir<br />
hatte sich das Ellbogengelenk<br />
frakturiert“. F<strong>als</strong>ch versorgt – so<br />
der Befund der Krankenpflegeschülerinnen<br />
im Ersten<br />
Semester und sie besorgten in<br />
der Apotheke Verbandsmaterial<br />
und Salbe. Kurze Zeit später bat<br />
der Stationsarzt um ein<br />
Gespräch, „uns klapperten die<br />
Zähne: wir hatten doch ungefragt<br />
behandelt“. Statt der<br />
»Klug fragen können ist die halbe Wahrheit.« FRANCIS BACON<br />
Seit 2011 Pfl egedienstleiterin für die Standorte Mitte und Mariendorf<br />
(mit Kliniken-Geschäftsführer Ralf Stähler, 2011)<br />
erwarteten Zurechtweisung<br />
übergab der Mediziner eine<br />
„arabische rote Liste“ – eine<br />
Übersicht der Patienten, die von<br />
den drei Deutschen auch noch<br />
versorgt werden mussten.<br />
Christine Baermann sollte die<br />
nächsten Sommerurlaube<br />
während der Ausbildung von<br />
nun an in Nordafrika verbringen,<br />
nicht am Mittelmeerstrand,<br />
sondern <strong>als</strong> Freiwillige in einem<br />
tunesischen Krankenhaus. Erst<br />
innenpolitische Unruhen –<br />
Staatsoberhaupt Bourguiba<br />
wurde abgesetzt, das Nachbarland<br />
Libyen mit Diktator<br />
Gaddafi drohte einzumarschieren<br />
– setzten dem ehrenamtlichen<br />
Engagement ein Ende.<br />
Australien via<br />
Mark Brandenburg<br />
In Deutschland arbeitete<br />
Christine Baermann nach<br />
bestandenem Krankenpflegeexamen<br />
in der Landesfrauenklinik<br />
von Hannover. Bis 1986:<br />
<strong>Berlin</strong> wurde nächstes Ziel, die<br />
Gründe für den Umzug in die<br />
geteilte Stadt lagen dieses Mal in<br />
der privaten Lebensplanung: der<br />
Mann an der Seite ist <strong>Berlin</strong>er,<br />
eine gemeinsame Zukunft in<br />
Niedersachsens Metropole war<br />
schwer vorstellbar – „aus<br />
Hannover kommt man, da geht<br />
man nicht hin“. Krankenschwester<br />
wollte Christine Baermann<br />
unbedingt bleiben, das <strong>DRK</strong>-<br />
Krankenhaus Mark Brandenburg<br />
lud sie ein zum Vorstellungsgespräch.<br />
„Kleines Haus,<br />
hier bleibe ich nicht lange“,<br />
sollte sie aber; heute ist sie sogar<br />
für die gesamte Pflege der Klink<br />
in der Drontheimer Straße<br />
verantwortlich. Ihre Vorgängerin<br />
wollte die Neu-<strong>Berlin</strong>erin<br />
persönlich in Empfang nehmen,<br />
beim Pförtner hatte sie zu<br />
warten: „Eine ältere Schwester<br />
kam – Schnürschuhe, blickdichte<br />
Strümpfe, Tracht, Haube<br />
– das musste Hannelore Rebien<br />
sein“. War sie es aber nicht,<br />
deren Beine steckten links in<br />
roten, rechts in dunkelgrünen<br />
Strümpfen, optisch ergänzt<br />
durch ein Paar phosphorisierender<br />
Dreiecke in den Ohren,<br />
„das ist sie nicht, da kann ich<br />
sitzen bleiben“, irrte sich Christine<br />
Baermann beim ersten<br />
Aufeinandertreffen; acht Jahre<br />
später, im Herbst 1994, wurde<br />
sie übrigens Stellvertreterin von<br />
Pflegedienstleiterin Rebien.<br />
Dabei wäre es fast anders<br />
gekommen, alles wegen der<br />
australischen Regierung. Im<br />
Sommer ´88 hatten Christine<br />
Baermann und ihr Mann im<br />
RIAS einen Spot gehört: Down<br />
Under sucht Arbeitskräfte,<br />
Köche und Krankenschwestern<br />
bevorzugt. „Passt“, sagten Beide<br />
und meldeten sich. „English for<br />
Nurses“ wurde zur Pflichtlektüre,<br />
die Australian Mission im<br />
Europa-Center bat zum Eignungs-<br />
und Sprachtest. Einige<br />
Wochen später erhielten die<br />
Auswanderer auf Zeit ein<br />
Visum über zwei Jahre. Was<br />
nun – Christine Baermann und<br />
ihr Mann hatten noch nie den<br />
Fünften Kontinent bereist,<br />
Australien war für sie „Terra<br />
incognita“. „Ich bat um unbe-<br />
zahlten Urlaub: Wir wollten das<br />
Land kennenlernen, uns dann<br />
entscheiden“, sagte Christine<br />
Baermann. Sechs Wochen<br />
fuhren sie mit dem Wohnmobil<br />
an der Pazifikküste entlang, mit<br />
Abstechern ins Outback. „Aber<br />
irgendwas hielt mich davon ab,<br />
ans andere Ende der Welt zu<br />
ziehen“. Australien blieb vorerst<br />
nur Urlaubsort. Bis zum Jahr<br />
2003, <strong>als</strong> Christine Baermann<br />
<strong>als</strong> Praktikantin mit den Royal<br />
Flying Doctors Farmerfamilien<br />
medizinisch versorgte. Die<br />
Basisstation befand sich in Alice<br />
Springs, mehr <strong>als</strong> 1.500 Kilometer<br />
entfernt von der nächstgrößeren<br />
Stadt.<br />
In der ersten Reihe<br />
Aus der nie ernsthaft gewollten<br />
Alternativkarriere bei Schering<br />
wurde es nichts, dafür übernahm<br />
Christine Baermann 1995<br />
den Posten der Stellvertretenden<br />
Pflegedienstleitung im<br />
„Mark Brandenburg“; „dam<strong>als</strong><br />
hieß das Abteilungsleitung, da<br />
gab es kein Abteilungsleitungskonzept<br />
auf den Stationen“.<br />
Genau zehn Jahre später kam<br />
zur Weddinger Klinik das<br />
Pflegeheim in Mariendorf<br />
hinzu. Rot-Kreuz-Schwester<br />
wurde Christine Baermann mit<br />
der Übernahme der Stellvertretung,<br />
„die Mitgliedschaft in der<br />
<strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> war eine<br />
Bedingung, die verstand und<br />
akzeptierte ich gern“. Eine<br />
„Nummer Zwei“ ist meist<br />
designierter Nachfolger – ein<br />
gängiger Automatismus, der<br />
auch in der Pflegedienstleitung<br />
funktioniert. Als sich der<br />
Zeitpunkt für Hannelore<br />
Rebiens Abschied in den<br />
Ruhestand abzeichnete, drängte<br />
die Oberin, „ich sollte mich<br />
endlich positionieren“. Christine<br />
Baermann wollte Stellvertreterin<br />
bleiben, „nur nicht jedermanns“<br />
– und übernahm im<br />
Dezember 2011 die Leitung der<br />
Pflege für die <strong>DRK</strong> Kliniken<br />
<strong>Berlin</strong> | Mitte und für Pflege &<br />
Wohnen Mariendorf. Der<br />
Unterschied zur Arbeit davor ist<br />
für die neue PDL immens, „man<br />
steht in der ersten Reihe – man<br />
steht für alles gerade“. Ihre<br />
Aufgaben <strong>als</strong> Stellvertretung<br />
waren „pflegelastiger“, <strong>als</strong><br />
Bindeglied zwischen Pflegenden<br />
und PDL sah sie sich selbst. Die<br />
ersten Monate <strong>als</strong> PDL waren<br />
eine große Umstellung, „ein<br />
Weg, den ich gehen lernen<br />
muss“ – ein Satz im Präsens,<br />
denn die Herausforderungen<br />
sind auch nach anderthalb<br />
Jahren immer wieder neu. Noch<br />
mehr Termine bestimmen den<br />
Arbeitstag, zum Beispiel die<br />
täglichen mit dem Ärztlichen<br />
Leiter der <strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong><br />
Mitte: Professor Peter Dorow<br />
berät sich gern mit Pflegedienstleiterin<br />
Baermann – „Oberschwester,<br />
kommen Sie doch<br />
mal her“. In der Drontheimer<br />
Straße hat die PDL ihr Büro<br />
– „ein offenes“, Termine für ein<br />
Gespräch müssen Mitarbeiter<br />
nicht vorab vereinbaren.<br />
Natürlich verbringt sie die<br />
meiste Zeit im Krankenhaus<br />
und nicht im Pflegeheim, ihrer<br />
zweiten Einrichtung; der Arbeitsumfang<br />
sei eben verschieden.<br />
Seit drei Jahren ist<br />
Christine Baermann Mitglied<br />
im Vorstand der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong><br />
<strong>Berlin</strong>. Punkte wie<br />
„Brunnen bauen im Sudan“<br />
wären Beschlussvorlagen des<br />
Gremiums, so die Vermutung<br />
vor der Amtsübernahme.<br />
„Ich war gerade gewählt, da<br />
standen plötzlich doch ganz<br />
andere Themen auf der<br />
Tagesordnung“ – es war der<br />
„Juni 2010“, das neue Vorstandsmitglied<br />
bekam die Turbulenzen<br />
aus nächster Nähe mit,<br />
und war überrascht: „Die<br />
Mitarbeiter in den Kliniken<br />
waren alle sehr aufgeregt und<br />
nervös“, die Mitglieder des<br />
Vorstandes reagierten souverän,<br />
klärten auf, streuten<br />
Zuversicht. Eine wichtige<br />
Lebenserfahrung sei diese Zeit<br />
gewesen.<br />
Positiv zwanghaft<br />
Tunesien und Australien sind<br />
längst nicht mehr die beiden<br />
einzigen Länder, die Christine<br />
Baermann bereist hat: Gut<br />
dreißig Staaten auf allen<br />
Kontinenten sind es heute –<br />
Südamerika und die Antarktis<br />
fehlen noch. „Positive Zwanghaftigkeit“,<br />
die sie selbst bei<br />
täglichen Abläufen im Beruf<br />
ausmacht, die erkennt Christine<br />
Baermann jedoch auch in<br />
ihrer Reiseplanung: Sommerurlaub<br />
auf dem indonesischen<br />
Bali – demnächst zum 24. Mal<br />
– und dann noch dieses Ritual:<br />
jährliches „Nachweihnachtsshopping“<br />
in Londons City.<br />
Zuwachs chs<br />
Ordentliche Mitglieder<br />
der <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong><br />
seit dem 1. Januar 2013:<br />
<strong>DRK</strong> Kliniken <strong>Berlin</strong><br />
Köpenick<br />
Gerstmann, Dusty (1. April)<br />
Drobnionka, Sandra (1. Mai)<br />
Steiner, Madeleine (1. Mai)<br />
Pflege & Wohnen Mariendorf<br />
Reisig, Inna (1. Mai)<br />
Mitte<br />
Hrnjic, Adisa (1. April)<br />
Penk, Bettina (1. April)<br />
Park-Sanatorium Dahlem<br />
Bernecker, Saskia (1. Februar)<br />
Westend<br />
Jähner, Catharina (1. Januar)<br />
Krys, Stephanie (1. Januar)<br />
Paulson, Carolin (1. Januar)<br />
Frister, Cornelia (1. April)<br />
Kaiser, Katharina (1. April)<br />
Kuhrt, Franziska (1. April)<br />
Müller, Verena (1. April)<br />
Riazati, Anusche (1. Mai)<br />
Schreiber, Sophie (1. Mai)<br />
Went, Simone-Beatrice (1. Mai)<br />
© Herausgeber: <strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong> e.V.,<br />
Mozartstraße 37, 12247 <strong>Berlin</strong>,<br />
Telefon: 030-3035-5450 Telefax 030-3035-5473,<br />
www.drk-schwesternschaft-berlin.de<br />
hedwig@drk-schwesternschaft-berlin.de<br />
Verantwortlich: Oberin Doreen Fuhr, Diane Bedbur<br />
Ramona Rhein (<strong>DRK</strong>-<strong>Schwesternschaft</strong> <strong>Berlin</strong> e.V.)<br />
Redaktion und Gestaltung: Brille und Bauch,<br />
Agentur für Kommunikation, 0331-620-530<br />
www.brilleundbauch.de<br />
JOURNAL DER <strong>DRK</strong>-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V. AUSGABE I/2013<br />
31
hedwig<br />
»Das Staunen ist der Anfang der Erkenntnis.« PLATON<br />
Der Osterspaziergang<br />
von Johann Wolfgang von Goethe<br />
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche<br />
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,<br />
Im Tale grünet Hoffnungs-Glück;<br />
Der alte Winter, in seiner Schwäche,<br />
Zog sich in raue Berge zurück.<br />
Von dort her sendet er, fl iehend, nur<br />
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises<br />
In Streifen über die grünende Flur.<br />
Aber die Sonne duldet kein Weißes,<br />
Überall regt sich Bildung und Streben,<br />
Alles will sie mit Farben beleben;<br />
Doch an Blumen fehlts im Revier,<br />
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.<br />
Kehre dich um, von diesen Höhen<br />
Nach der Stadt zurück zu sehen!<br />
Aus dem hohlen fi nstern Tor<br />
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.<br />
Jeder sonnt sich heute so gern.<br />
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,<br />
Denn sie sind selber auferstanden:<br />
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,<br />
Aus Handwerks – und Gewerbes-Banden,<br />
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,<br />
Aus der Straßen quetschender Enge,<br />
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht<br />
Sind sie alle ans Licht gebracht.<br />
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge<br />
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,<br />
Wie der Fluss in Breit und Länge<br />
So manchen lustigen Nachen bewegt,<br />
Und, bis zum Sinken überladen,<br />
Entfernt sich dieser letzte Kahn.<br />
Selbst von des Berges fernen Pfaden<br />
Blinken uns farbige Kleider an.<br />
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,<br />
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,<br />
Zufrieden jauchzet Groß und Klein:<br />
Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!<br />
Garten Mozartstraße<br />
Viel zu lange ließ der Frühling 2013 sich warten:<br />
Ostern lag noch Schnee, vierzehn Tage später kletterte das<br />
Thermometer auf frühsommerliche Werte. Endlich war er<br />
vorbei, „der alte Winter“, den Goethe so anschaulich und<br />
intensiv beschreibt. Das <strong>als</strong> „Osterspaziergang“ wohl jedem bekannte Gedicht<br />
Goethes ist aus „Faust. Der Tragödie Erster Teil“ und findet sich dort in der<br />
Szene mit dem Titel „Vor dem Tor“. Faust und sein Diener Wagner spazieren<br />
bei frühlingshaftem Wetter durch den Ort, mischen sich unter das gemeine<br />
Volk und genießen das bunte Durcheinander. Auf dem Rückweg treffen sie<br />
auf einen streunenden Hund. Die Begegnung mit diesem „pudelnärrisch Tier“<br />
wird für Faust nicht ohne weitreichende Folgen bleiben, erweist sich der<br />
kleine Verfolger wenig später <strong>als</strong> Mephistopheles – <strong>als</strong> der Teufel persönlich.<br />
Mit gerade einmal 21 Jahren begann Johann Wolfgang von Goethe<br />
(1749-1832) das Werk, das ihn sein Leben lang begleiten sollte. Der leicht<br />
abgewandelte Urfaust erschien 1775, „Der Tragödie Erster Teil“ dann<br />
vollständig erstm<strong>als</strong> 1808. An dem Zweiten Teil arbeitete Goethe bis zu<br />
seinem Tod, so dass der Text erst posthum veröffentlicht werden konnte.<br />
Der eigentliche Fauststoff ist nicht dem Kopf des Dichtergenies selbst<br />
entsprungen. Vielmehr lässt sich die Geschichte auf eine historische Figur<br />
aus dem 15./16. Jahrhundert zurückführen. Johann Georg Faust, seinerseits<br />
Naturforscher, Magier und Heilkundler kam 1540 unter mysteriösen<br />
Umständen ums Leben. Das Gerücht, der Teufel hätte ihn geholt,<br />
verbreitete sich danach schnell und wirkungsvoll.