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EU-Verfassung - ECHA-Österreich

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Antworten auf häufige Vorurteile und Kritiken an der <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong><br />

Kritik 1<br />

Verpflichtung zur Aufrüstung.<br />

Damit stehen Abrüstungsbefürworter außerhalb der <strong>Verfassung</strong><br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel I-41, 3<br />

„Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Es<br />

wird eine Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung,<br />

Beschaffung und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) eingerichtet, deren Aufgabe es ist,<br />

den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern (…).“<br />

Antwort<br />

Abrüstungsbefürworter stehen nicht außerhalb der <strong>Verfassung</strong>, da erstens die Neutralität <strong>Österreich</strong>s<br />

von diesen <strong>Verfassung</strong>sbestimmungen unberührt bleibt (siehe Art. I-41, 2). Zweitens besteht keine<br />

Verpflichtung zur Aufrüstung, da die Bestimmungen über die Gemeinsame Sicherheits- und<br />

Verteidigungspolitik vor allen Dingen eine Qualitätsverbesserung und bessere Nutzung von<br />

Synergieeffekten erreichen wollen (siehe Art. I-41, 3). Damit kann es in Zukunft möglich sein,<br />

quantitativ sogar weniger militärische Mittel einzusetzen, die ausschließlich zur Sicherung des<br />

Friedens und zur Konfliktverhütung eingesetzt werden. Bei gemeinsamen Militäraktionen besteht ein<br />

Vetorecht für jeden Mitgliedstaat (siehe Art. I-41, 4).<br />

Art. I-41, 1:<br />

“Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist integraler Bestandteil der Gemeinsamen<br />

Außen- und Sicherheitspolitik. Sie sichert der Union eine auf zivile und militärische Mittel gestützte<br />

Fähigkeit zu Operationen. Auf diese kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur<br />

Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in<br />

Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen. Sie erfüllt<br />

diese Aufgaben mit Hilfe der Fähigkeiten, die von den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden.“<br />

Art. I-41, 2:<br />

“(…) Die Politik der Union nach diesem Artikel berührt nicht den besonderen Charakter der<br />

Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten; (…).“<br />

Art. I-41, 4:<br />

„Europäische Beschlüsse zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, einschließlich der<br />

Beschlüsse über die Einleitung einer Mission nach diesem Artikel, werden vom Rat einstimmig auf<br />

Vorschlag des Außenministers der Union oder auf Initiative eines Mitgliedstaats erlassen. (…)“<br />

1


Kritik 2<br />

Rüstungsamt dient zur Ankurbelung der Aufrüstung<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel I-41, 3<br />

„(…) Es wird eine Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung,<br />

Beschaffung und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) eingerichtet, deren Aufgabe es ist,<br />

den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung<br />

von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors<br />

beizutragen und diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, sich an der Festlegung einer<br />

europäischen Politik im Bereich der Fähigkeiten und der Rüstung zu beteiligen sowie den Rat bei der<br />

Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten zu unterstützen.“<br />

Antwort<br />

Die Europäische Verteidigungsagentur dient nicht zur Ankurbelung der Aufrüstung, sondern soll zu<br />

einer besseren Koordination der Militärprogramme der einzelnen Mitgliedstaaten führen. Durch die<br />

Verhinderung von Doppelarbeit werden Steuern gespart und durch eine neue Bedarfsorientierung<br />

unnötige Aufrüstung verhindert.<br />

Kritik 3<br />

Verpflichtung zur militärischen Teilnahme an der <strong>EU</strong>-Sicherheitspolitik<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel I-41, 3<br />

„Die Mitgliedstaaten stellen der Union für die Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und<br />

Verteidigungspolitik zivile und militärische Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung der vom Rat<br />

festgelegten Ziele zur Verfügung.“<br />

Antwort<br />

Die Mitgliedstaaten stellen zivile und militärische Fähigkeiten im Dienste der Friedenssicherung zur<br />

Verfügung. Erklärt sich ein Mitgliedstaat mit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

einverstanden, muss er gemäß der übereingekommenen Verfahrensweise handeln. Die Beschlüsse<br />

werden vom Rat einstimmig (Vetorecht) auf Vorschlag des Außenministers der Union oder auf<br />

Initiative eines Mitgliedstaates erlassen.<br />

Der Rat der Europäischen Union, auch als Ministerrat oder Rat bekannt, setzt sich aus den Ministern<br />

der Mitgliedstaaten zusammen. Der Rat, der als oberste Entscheidungsinstanz in der Europäischen<br />

Union gilt, setzt sich wie oben genannt aus den Ministern der Mitgliedstaaten zusammen und bildet<br />

somit die Institution der Union, in der die Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten sind.<br />

<strong>Österreich</strong>s Neutralität bleibt von dieser <strong>Verfassung</strong>sbestimmung unangetastet (siehe Art. I-41, 2<br />

und 7).<br />

Art. I-41, 2:<br />

“(…) Die Politik der Union nach diesem Artikel berührt nicht den besonderen Charakter der<br />

Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten; (…).“<br />

Art. I-41, 7:<br />

“Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats müssen die anderen<br />

Mitgliedstaaten nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende Hilfe<br />

und Unterstützung leisten. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und<br />

Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.“<br />

2


Kritik 4<br />

Ermächtigung des <strong>EU</strong>-Ministerrates zum weltweiten Kriegsführen<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel I-41, 1<br />

„Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist integraler Bestandteil der Gemeinsamen<br />

Außen- und Sicherheitspolitik. Sie sichert der Union eine auf zivile und militärische Mittel gestützte<br />

Fähigkeit zu Operationen. Auf diese kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur<br />

Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in<br />

Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen. Sie erfüllt<br />

diese Aufgaben mit Hilfe der Fähigkeiten, die von den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel I-41, 5<br />

„Der Rat kann zur Wahrung der Werte der Union und im Dienste ihrer Interessen eine Gruppe von<br />

Mitgliedstaaten mit der Durchführung einer Mission im Rahmen der Union beauftragen. (…)“<br />

Antwort<br />

Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik dient der Friedenssicherung und<br />

Konfliktverhütung, nicht der Kriegstreiberei. Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

ist dabei integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die auf einer<br />

Entwicklung der gegenseitigen politischen Solidarität der Mitgliedstaaten beruht (siehe Art. I-40, 1).<br />

Der <strong>EU</strong>-Ministerrat kann keinen Alleingang beim Beschluss einer Mission gehen: Art. I-41,4 besagt,<br />

dass Beschlüsse im Hinblick auf Missionen vom Rat der Europäischen Union einstimmig auf<br />

Vorschlag des Außenministers der Union oder auf Initiative eines Mitgliedsstaats erlassen werden<br />

müssen. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass sich der Rat der Europäischen Union aus<br />

den Ministern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und somit die Institution der Union bildet, in der<br />

die Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten sind. Jeder Minister kann für sein Land gemäß dem<br />

Einstimmigkeitsprinzip vom Vetorecht Gebrauch machen.<br />

Kritik 5<br />

Keine Bindung an ein Mandat des UNO-Sicherheitsrates<br />

Die Kritik bezieht sich auf Art. III-309, 1<br />

„(1) Die in Artikel I-41 Absatz 1 vorgesehenen Missionen, bei deren Durchführung die Union auf<br />

zivile und militärische Mittel zurückgreifen kann, umfassen gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen,<br />

humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, Aufgaben der militärischen Beratung und<br />

Unterstützung, Aufgaben der Konfliktverhütung und der Erhaltung des Friedens sowie<br />

Kampfeinsätzen im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen<br />

und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten. Mit all diesen Missionen kann zur<br />

Bekämpfung des Terrorismus beigetragen werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für<br />

Drittländer bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet.<br />

(2) Der Rat erlässt die Europäischen Beschlüsse über Missionen nach Absatz 1, in den Beschlüssen<br />

sind Ziel und Umfang der Missionen sowie die für sie geltenden allgemeinen<br />

Durchführungsbestimmungen festgelegt. Der Außenminister der Union sorgt unter Aufsicht des<br />

Rates und in engem und ständigen Benehmen mit dem Politischen und Sicherheitspolitischen<br />

Komitee für die Koordinierung der zivilen und militärischen Aspekte dieser Missionen.“<br />

Antwort<br />

Alle Missionen werden ausschließlich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der<br />

Vereinten Nationen getätigt und dienen der Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der<br />

internationalen Sicherheit (siehe Art. I-41,1). Die Verpflichtung hierzu ist in der <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong><br />

erstmals explizit festgeschrieben. Darüber hinaus ist die Gemeinsame Sicherheits- und<br />

Verteidigungspolitik integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die auf<br />

3


einer Entwicklung der gegenseitigen politischen Solidarität der Mitgliedstaaten beruht (siehe Art. I-<br />

40, 1).<br />

Art. I-41, 1:<br />

„Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik umfasst die schrittweise Festlegung einer<br />

gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union. Diese führt zu einer gemeinsamen Verteidigung,<br />

sobald der Europäische Rat dies einstimmig beschlossen hat. Er empfiehlt in diesem Fall den<br />

Mitgliedstaaten, einen Beschluss in diesem Sinn im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen<br />

Vorschriften zu erlassen.“<br />

Kritik 6<br />

Einrichtung eines zentralen <strong>EU</strong>-„Anschubfonds“ zur Finanzierung von<br />

Militärinterventionen<br />

Die Kritik bezieht sich auf Art. III-313, 3<br />

“Der Rat erlässt einen Europäischen Beschluss zur Festlegung besonderer Verfahren, um den<br />

schnellen Zugriff auf die Haushaltsmittel der Union zu gewährleisten, die für die Sofortfinanzierung<br />

von Initiativen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere von<br />

Tätigkeiten zur Vorbereitung einer Mission nach Artikel I-41 Absatz 1 und Artikel III-309 bestimmt<br />

sind. Er beschließt nach Anhörung des Europäischen Parlaments.“<br />

Antwort<br />

Der Beschluss zur Festlegung besonderer Verfahren dient der schnellen Finanzierung von Missionen<br />

zur Sicherung des Friedens und der Konfliktprävention. Die Tätigkeiten zur Vorbereitung der in<br />

Artikel I-41 Absatz 1 und Artikel III-309 genannten Missionen, die nicht zulasten des Haushalts der<br />

Union gehen, werden aus einem aus Beiträgen der Mitgliedstaaten gebildeten Anschubfonds<br />

finanziert. Beschlüsse des Rats werden erst nach Anhörung des Europäischen Parlaments getätigt.<br />

Die Aufgabendefinition und Kontrolle des Anschubfonds erfolgt auf Beschlüssen nach qualifizierter<br />

Mehrheit:<br />

Art. III-313, 3:<br />

“(…) Der Rat erlässt mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag des Außenministers, insbesondere der<br />

Union die Europäischen Beschlüsse über<br />

a) die Einzelheiten für die Bildung und die Finanzierung des Anschubfonds, insbesondere die Höhe<br />

der Mittelzuweisungen für den Fonds;<br />

b) die Einzelheiten für die Verwaltung des Anschubfonds; c) die Einzelheiten für die Finanzkontrolle.<br />

(…).“<br />

Kritik 7<br />

Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee als Interventionszentrale<br />

Die Kritik bezieht sich auf Art. III-307, 1-2<br />

“(1) Unbeschadet des Artikels III-344 verfolgt ein Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee die<br />

internationale Lage in den Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und trägt auf<br />

Ersuchen des Rates, des Außenministers der Union oder von sich aus durch an den Ratgerichtete<br />

Stellungsnahmen zur Festlegung der Politik bei. Ferner überwacht es die Durchführung der<br />

vereinbarten Politik; dies gilt unbeschadet der Zuständigkeiten des Außenministers der Union.<br />

4


(2) Im Rahmen dieses Kapitels nimmt das Politische und Sicherheitspolitische Komitee unter der<br />

Verantwortung des Rates und des Außenministers der Union die politische Kontrolle und strategische<br />

Leitung von Krisenbewältigungsoperationen im Sinne des Artikels III-309 wahr. (…).“<br />

Antwort<br />

Ein Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee verfolgt die internationale Lage in den Bereichen<br />

der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und trägt auf Ersuchen des Rates, des<br />

Außenministers der Union oder von sich aus durch den Rat gerichtete Stellungnahmen zur<br />

Festlegung der Politik bei. Ferner überwacht es die Durchführung der vereinbarten Politik; dies gilt<br />

unbeschadet der Zuständigkeiten des Außenministers der Union.<br />

Das Komitee agiert also niemals im Alleingang, sondern im Sinne einer gegenseitigen<br />

Gewaltenkontrolle bzw. “checks and balances“ mit den Rat, in dem die Minister der Mitgliedstaaten<br />

vertreten sind. Die Aufgaben des Komitees liegen in Krisenbewältigungsoperationen und nicht in<br />

bloßen Militärinterventionen.<br />

Kritik 8<br />

Die Militärische Beistandsverpflichtung in der <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong> ist schärfer als in der NATO<br />

Diese Beistandsverpflichtung in der Europäischen <strong>Verfassung</strong> ist schärfer als die der NATO, die es<br />

den Mitgliedstaaten überlässt, in welcher Form sie Beistand leisten wollen. Der letzte Satz könnte<br />

zwar noch als Möglichkeit zur Wahrung der Neutralität interpretiert werden, wird aber mit Sicherheit<br />

von der Regierung über den „Kriegsermächtigungsartikel“ 23f B-VG weggedrückt, wenn es zum<br />

militärischen Ernstfall kommt. Dieser neutralitätswidrige Artikel 23f BV-G ermöglicht die Teilnahme<br />

<strong>Österreich</strong>s an weltweiten <strong>EU</strong>-Militäraktionen. Weiters gibt es eine sog. „Solidaritätsklausel“, die eine<br />

militärische Unterstützung beim sog. „Anti-Terror-Kampf“ (Art. I-43) vorsieht, d. h. möglicherweise<br />

auch bei offensiven Militäraktionen (sog. „Präventivkrieg“).<br />

Die Kritik bezieht sich auf Art. I-41, 7<br />

„Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats müssen die anderen<br />

Mitgliedstaaten nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende Hilfe<br />

und Unterstützung leisten. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und<br />

Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Art. I-43,1<br />

“Solidaritätsklausel<br />

(1) Die Union und ihre Mitgliedstaaten handeln gemeinsam im Geiste der Solidarität, wenn ein<br />

Mitgliedstaat von einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen<br />

verursachten Katastrophe betroffen ist. Die Union mobilisiert alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel,<br />

einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel (…).“<br />

Antwort<br />

<strong>Österreich</strong>s Neutralität bleibt von diesen <strong>Verfassung</strong>sbestimmungen unangetastet (siehe Art. I-41, 2<br />

und 7). Die Solidaritätsklausel besagt, dass die Union und ihre Mitgliedsstaaten gemeinsam im<br />

Geiste der Solidarität handeln und versuchen terroristische Bedrohungen abzuwenden,<br />

demokratische Institutionen und die Zivilbevölkerung vor etwaigen Terroranschlägen zu schützen<br />

und im Falle von Terroranschlägen und Naturkatastrophen oder von Menschen verursachten<br />

Katastrophen unterstützend tätig zu werden (siehe Artikel I-43,1).<br />

Der Nordatlantikvertrag der NATO vom 4. April 1949 besagt:<br />

Artikel 5<br />

„Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in<br />

Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird; sie vereinbaren daher, dass<br />

5


im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der<br />

Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven<br />

Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede<br />

von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen,<br />

einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die<br />

Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.<br />

Vor jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegen-Maßnahmen ist unverzüglich<br />

dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der<br />

Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen<br />

Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.“<br />

Die Solidaritätsklausel der <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong> ist somit keineswegs „schärfer“ als die der NATO (Art. 5).<br />

Der NATO Vertrag spricht ebenfalls von der Anwendung von Maßnahmen, einschließlich<br />

Waffengewalt.<br />

Artikel 23f des BVG besagt:<br />

„(1) <strong>Österreich</strong> wirkt an der Gemeinsamen Außen- und<br />

Sicherheitspolitik der Europäischen Union auf Grund des Titels V des<br />

Vertrages über die Europäische Union in der Fassung des Vertrages<br />

von Nizza mit. Dies schließt die Mitwirkung an Aufgaben gemäß<br />

Art. 17 Abs. 2 dieses Vertrages sowie an Maßnahmen ein, mit denen<br />

die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern<br />

ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden.<br />

Beschlüsse des Europäischen Rates zu einer gemeinsamen Verteidigung<br />

der Europäischen Union sowie zu einer Integration der<br />

Westeuropäischen Union in die Europäische Union bedürfen der<br />

Beschlussfassung des Nationalrates und des Bundesrates in sinngemäßer<br />

Anwendung des Art. 44 Abs. 1 und 2.<br />

(2) Für Beschlüsse im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und<br />

Sicherheitspolitik der Europäischen Union auf Grund des Titels V<br />

sowie für Beschlüsse im Rahmen der polizeilichen und justitiellen<br />

Zusammenarbeit in Strafsachen auf Grund des Titels VI des Vertrages<br />

über die Europäische Union in der Fassung des Vertrages von<br />

Nizza gilt Art. 23e Abs. 2 bis 5.<br />

(3) Bei Beschlüssen betreffend friedenserhaltende Aufgaben sowie<br />

Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich<br />

friedensschaffender Maßnahmen sowie bei Beschlüssen gemäß Art. 17<br />

des Vertrages über die Europäische Union in der Fassung des<br />

Vertrages von Nizza betreffend die schrittweise Festlegung einer<br />

gemeinsamen Verteidigungspolitik und die engeren institutionellen<br />

Beziehungen zur Westeuropäischen Union ist das Stimmrecht im<br />

Einvernehmen zwischen dem Bundeskanzler und dem Bundesminister für<br />

auswärtige Angelegenheiten auszuüben.<br />

(4) Eine Zustimmung zu Maßnahmen gemäß Abs. 3 darf, wenn der zu<br />

fassende Beschluss eine Verpflichtung <strong>Österreich</strong>s zur Entsendung von<br />

Einheiten oder einzelnen Personen bewirken würde, nur unter dem<br />

Vorbehalt gegeben werden, dass es diesbezüglich noch der Durchführung<br />

des für die Entsendung von Einheiten oder einzelnen Personen in das<br />

Ausland verfassungsrechtlich vorgesehenen Verfahrens bedarf.“<br />

6


Das Gesetz sieht bei der Zusage zu friedenserhaltenden Aufgaben vor, dass es der Zustimmung von<br />

Kanzler und Außenminister bedarf und ein entsprechendes verfassungsrechtliches Verfahren<br />

notwendig wird.<br />

Kritik 9<br />

Militärisches „Kerneuropa“ - globale Kriegsfähigkeit innerhalb von 5 Tagen<br />

Es kommt zur Institutionalisierung einer Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ) der<br />

Mitgliedstaaten, die anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten erfüllen.<br />

Ein Protokoll legt konkrete Rüstungspflichten der Mitglieder der SSZ bis zum Jahr 2007 fest.<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel I-41,6<br />

„Die Mitgliedstaaten, die anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten<br />

erfüllen und die im Hinblick auf Missionen mit höchsten Anforderungen untereinander weiter<br />

gehende Verpflichtungen eingegangen sind, begründen eine Ständige Strukturierte Zusammenarbeit<br />

im Rahmen der Unio. Diese Zusammenarbeit erfolgt nach Maßgabe von Artikel III-312. Sie berührt<br />

nicht die Bestimmungen des Artikels III-309.<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel III-312<br />

„(1) Die Mitgliedstaaten, die sich an der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit im Sinne des<br />

Artikels I-41 Absatz 6 beteiligen möchten und hinsichtlich der militärischen Fähigkeiten die Kriterien<br />

erfüllen und die Verpflichtungen eingehen, die indem Protokoll über die Ständige Strukturierte<br />

Zusammenarbeit enthalten sind, teilen dem Rat und dem Außenminister der Union ihre Absicht mit.<br />

(4) Erfüllt ein teilnehmender Mitgliedstaat die Kriterien nach den Artikeln 1 und 2 des Protokolls über<br />

die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit nicht mehr oder kann er den darin genannten<br />

Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, so kann der Rat einen Europäischen Beschluss erlassen,<br />

durch den die Teilnahme des Staates ausgesetzt wird.<br />

Die Kritik bezieht sich auf das Protokoll über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit, Art. 1<br />

„An der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit nach Artikel I-41Absatz 6 der <strong>Verfassung</strong> kann<br />

jeder Mitgliedstaat teilnehmen, der sich ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags über eine<br />

<strong>Verfassung</strong> für Europa verpflichtet,<br />

a) seine Verteidigungsfähigkeiten durch Ausbau seiner nationalen Beiträge und gegebenenfalls durch<br />

Beteiligung an multinationalen Streitkräften, an den wichtigsten europäischen<br />

Ausrüstungsprogrammen und an der Tätigkeit der Agentur für die Bereiche Entwicklung der<br />

Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur)<br />

intensiver zu entwickeln und<br />

b) spätestens 2007 über die Fähigkeit verfügen, entweder als nationales Kontingent oder als Teil von<br />

multinationalen Truppenverbänden bewaffnete Einheiten bereitzustellen, die auf die in Aussicht<br />

genommenen Missionen ausgerichtet sind, taktisch als Gefechtsverband konzipiert sind, über<br />

Unterstützung unter anderem für Transport und Logistik verfügen und fähig sind, innerhalb von 5 bis<br />

30 Tagen Missionen nach Artikel III-309 aufzunehmen, um insbesondere Ersuchen der Organisation<br />

der Vereinten Nationen nachzukommen, und diese Missionen für eine Dauer von zunächst 30 Tagen,<br />

die bis auf 120 Tage ausgedehnt werden kann, aufrechtzuerhalten.<br />

Antwort<br />

Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik dient der Friedenssicherung,<br />

Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den<br />

Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen und nicht einer „globalen Kriegsfähigkeit.“<br />

Darüber hinaus gilt die Sicherstellung einer schnellen Verfügbarkeit von Truppen „insbesondere<br />

Ersuchen der Organisation der Vereinten Nationen.“<br />

7


Die Beteiligung an der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit ist optional und kann auch nach<br />

der Zustimmung jederzeit wieder ausgesetzt und beendet werden (siehe Artikel III-312, 4).<br />

Das Protokoll zur Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit legt fest, dass jene Staaten die an der<br />

SSZ teilnehmen bis 2007 besondere Maßnahmen ergreifen müssen, um bewaffnete Einheiten<br />

bereitstellen zu können. Das Protokoll über die SSZ setzt den Zeitraum der Einsatzbereitschaft für<br />

Missionen auf 5 bis 30 Tage fest, um insbesondere Ersuchen der Organisation der Vereinten<br />

Nationen nachkommen zu können. Eine schnelle Einsatzbereitschaft ist somit wünschenswert und im<br />

Sinne der UN.<br />

Kritik 10<br />

Privilegierung der Atomindustrie<br />

In einem Anhang zur <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong> wird der <strong>EU</strong>RATOM-Vertrag bekräftigt: „Die Bestimmungen des<br />

Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft [müssen] weiterhin volle rechtliche<br />

Wirkung entfalten“ (Protokoll zur Änderung des Vertrags zur Gründung der Europäischen<br />

Atomgemeinschaft). Ziel des <strong>EU</strong>RATOM-Vertrages ist, die Atomenergie zur fördern, um „die<br />

Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen“ (Präambel). Das<br />

„Anti-AKW-Land“ <strong>Österreich</strong> zahlt jährlich rund 40 Millionen Euro für <strong>EU</strong>RATOM.<br />

Die Kritik bezieht sich auf das Protokoll zur Änderung des Vertrags zur Gründung der Europäischen<br />

Atomgemeinschaft<br />

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN –<br />

UNTER HINWEIS DARAUF, dass die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen<br />

Atomgemeinschaft weiterhin volle rechtliche Wirkung entfalten müssen,<br />

IN DEM WUNSCH, diesen Vertrag an die neuen im Vertrag über eine <strong>Verfassung</strong> für Europa<br />

festgelegten Vorschriften, insbesondere in den Bereichen Institutionen und Finanzen, anzupassen,<br />

SIND über folgende Bestimmungen ÜBEREINGEKOMMEN, die dem Vertrag über eine <strong>Verfassung</strong> für<br />

Europa beigefügt sind und durch die der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft<br />

wie folgt geändert wird: (…)<br />

Die Kritik bezieht sich auf die Präambel des <strong>EU</strong>RATOM-Vertrages<br />

“(…) IN DEM BEWUSSTSEIN, dass die Kernenergie eine unentbehrliche Hilfsquelle für die<br />

Entwicklung und Belebung der Wirtschaft und für den friedlichen Fortschritt darstellt,<br />

IN DER ÜBERZ<strong>EU</strong>GUNG, dass nur ein gemeinsames Vorgehen, ohne Verzug unternommen, Aussicht<br />

bietet, die Leistungen zu verwirklichen, die der schöpferischen Kraft ihrer Länder entsprechen,<br />

ENTSCHLOSSEN, die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu<br />

schaffen, welche die Energieerzeugung erweitert, die Technik modernisiert und auf zahlreichen<br />

anderen Gebieten zum Wohlstand ihrer Völker beiträgt,<br />

IN DEM BESTREBEN, die Sicherheiten zu schaffen, die erforderlich sind, um alle Gefahren für das<br />

Leben und die Gesundheit ihrer Völker auszuschließen,<br />

IN DEM WUNSCH, andere Länder an ihrem Werk zu beteiligen und mit den zwischenstaatlichen<br />

Einrichtungen zusammenzuarbeiten, die sich mit der friedlichen Entwicklung der Kernenergie<br />

befassen, HABEN ENTSCHLOSSEN, eine Europäische Atomgemeinschaft (<strong>EU</strong>RATOM) zu gründen; sie<br />

haben zu diesem Zweck zu ihren Bevollmächtigten ernannt (…).“<br />

Antwort<br />

Die Atomenergie wird nicht privilegiert, sondern als Teil der Energieerzeugung angesehen. Der<br />

<strong>EU</strong>RATOM-Vertrag wird in der <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong> in seiner rechtlichen Geltung bestätigt und im Detail<br />

teilweise ergänzt bzw. adaptiert. Der <strong>EU</strong>RATOM-Vertrag ist dabei der einzig existierende europäische<br />

Vertrag, der nicht mit der Europäischen <strong>Verfassung</strong> verbunden ist. Dies war eine von mehreren<br />

8


esonderen Bedingungen, die unter anderem der deutsche Außenminister Joschka Fischer<br />

ausdrücklich verlangte. Mit dieser Entscheidung wurde die Möglichkeit gegeben, dass sich Anti-<br />

<strong>EU</strong>RATOM Mitgliedstaaten separat gegen den <strong>EU</strong>RATOM-Vertrag wenden können und nicht gegen<br />

die gesamte <strong>Verfassung</strong> stimmen müssen, wenn der <strong>EU</strong>RATOM-Vertrag fixer Bestandteil gewesen<br />

wäre.<br />

Die <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong> mit ihrer Adaptierung des <strong>EU</strong>RATOM-Vertrages schreibt somit fest, dass die<br />

Kernenergie ausschließlich zum Wohle und zur Mehrung des Wohlstandes der Gemeinschaft genutzt<br />

werden darf. Darüber hinaus ist in der Erklärung der Mitgliedstaaten (n° 44) der <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong><br />

ausdrücklich festgehalten, dass sich <strong>Österreich</strong> zusammen mit Deutschland, Ungarn, Irland und<br />

Schweden für eine Überarbeitung des <strong>EU</strong>RATOM-Vertrags aussprechen. Zu diesem Zweck fordern<br />

diese Staaten die baldige Einberufung eines entsprechenden Gipfeltreffens in unmittelbarer Zukunft,<br />

um konkrete Pläne einer Neuauflage des <strong>EU</strong>RATOM-Vertrags zu diskutieren.<br />

Kritik 11<br />

Neoliberalismus: die <strong>Verfassung</strong> ist zu neoliberal und die Sozialpolitik wird dem<br />

Wettbewerb untergeordnet<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel I-3<br />

Artikel I-3, 1:<br />

„Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.“<br />

Artikel I-3, 2:<br />

“Die Union bietet den Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des<br />

Rechts ohne Binnengrenzen und einen Binnenmarkt mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb.“<br />

Artikel I-3, 3:<br />

„Die Union wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen<br />

Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale<br />

Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an<br />

Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin. (…).<br />

Artikel I-3, 4:<br />

“In ihren Beziehungen zur übrigen Welt schützt und fördert die Union die Werte und Interessen. Sie<br />

leistet einen Beitrag zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und<br />

gegenseitiger Achtung unter den Völkern, zu freiem und gerechten Handel, zu Beseitigung der<br />

Armut und zum Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Rechte des Kindes, sowie zur strikten<br />

Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der<br />

Charta der Vereinten Nationen.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel I-4<br />

„Grundfreiheiten und Nichtdiskriminierung<br />

(1) Der freie Personen-, Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalverkehr sowie die<br />

Niederlassungsdreiheit werden von der Union und innerhalb der Union nach Maßgabe der <strong>Verfassung</strong><br />

gewährleistet.<br />

(2) Unbeschadet besonderer Bestimmungen der <strong>Verfassung</strong> ist in ihrem Anwendungsbereich jede<br />

Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel III-130ff<br />

„(2) Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von<br />

Personen, Dienstleistungen, waren und Kapital nach Maßgabe der <strong>Verfassung</strong> gewährleistet ist.“<br />

9


Die Kritik bezieht sich auf Artikel II-76<br />

„Die unternehmerische Freiheit wird nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen<br />

Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Art III-177<br />

„Die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Union im Sinne des Artikels I-3 umfasst nach Maßgabe<br />

der <strong>Verfassung</strong> die Einführung einer Wirtschaftspolitik, die auf einer engen Koordinierung der<br />

Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, dem Binnenmarkt und der Festlegung gemeinsamer Ziele<br />

beruht und dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft und freiem Wettbewerb verpflichtet ist.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel III-209<br />

„Die Union und die Mitgliedstaaten verfolgen eingedenk der sozialen Grundrechte, wie sie in der am<br />

18. Oktober 1961 in Turin unterzeichneten Europäischen Sozialcharta und in der Gemeinschafts-<br />

Charta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer von 1989 festgelegt sind, folgende Ziele: die<br />

Förderung der Beschäftigung, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, um dadurch<br />

auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen, einen angemessenen sozialen<br />

Schutz, den sozialen Dialog, die Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials im Hinblick auf ein<br />

dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau und die Bekämpfung von Ausgrenzungen.<br />

Zu diesem Zweck tragen Union und die Mitgliedstaaten bei ihrer Tätigkeit der Vielfalt der<br />

einzelstaatlichen Gepflogenheiten, insbesondere in den vertraglichen Beziehungen, sowie der<br />

Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union zu erhalten, Rechnung.<br />

Antwort<br />

Binnenmarkt<br />

Die Ziele der Union besagen:<br />

Artikel I-3, 1:<br />

„Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.“<br />

Artikel I-3, 2:<br />

“Die Union bietet den Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des<br />

Rechts ohne Binnengrenzen und einen Binnenmarkt mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb.“<br />

Dabei geht es in erster Linie um die Freiheiten der Bürger und für die Bürger und nicht die des<br />

Marktes. Darüber hinaus wurden die Freiheiten des freien Personenverkehrs, des freien Marktes und<br />

des freien Wettbewerbs bereits im Vertrag von Rom im Jahre 1957 festgelegt. Diese Ziele gibt es<br />

demnach bereits seit fast 50 Jahren und sind keine neue Erfindung der <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong>.<br />

Artikel I-3, 3:<br />

„Die Union wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen<br />

Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale<br />

Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an<br />

Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin. (…).<br />

Sie bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierung und fördert soziale Gerechtigkeit und<br />

sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den<br />

Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes.<br />

Sie fördert den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt und die Solidarität<br />

zwischen den Mitgliedstaaten.“<br />

Dieser Absatz des Artikels I-3 bezieht sich eindeutig auf nachhaltige Entwicklung, soziale<br />

Marktwirtschaft und Vollbeschäftigung als Ziele der <strong>EU</strong>. Darüber hinaus legt Artikel III-117 der <strong>EU</strong>-<br />

<strong>Verfassung</strong> fest, dass bei der Festlegung und der Durchführung der Politik und Maßnahmen in<br />

10


diesem Bereich dem sozialen Schutz und einem hohen Niveau des Gesundheitsschutzes Rechnung<br />

getragen werden.<br />

Artikel I-3, 4:<br />

“In ihren Beziehungen zur übrigen Welt schützt und fördert die Union die Werte und Interessen. Sie<br />

leistet einen Beitrag zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und<br />

gegenseitiger Achtung unter den Völkern, zu freiem und gerechten Handel, zu Beseitigung der<br />

Armut und zum Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Rechte des Kindes, sowie zur strikten<br />

Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der<br />

Charta der Vereinten Nationen.“<br />

Berücksichtigt man die Reihenfolge der Nennung der Ziele, so ist eindeutig eine Prioritätensetzung<br />

erkennbar. Der freie Handel ist Teil einer friedlichen Union mit nachhaltiger Entwicklung. Freier<br />

Handel ist stets nur Mittel zum Zweck und wird nicht verabsolutiert.<br />

Unternehmerische Freiheit<br />

Art. II-76 besagt:<br />

“Die unternehmerische Freiheit wird nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen<br />

Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt.“<br />

Damit ist die unternehmerische Freiheit als eine Freiheit neben vielen anderen Grundfreiheiten und<br />

Rechten (Berufsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Freiheit auf Meinungsäußerung, Recht auf<br />

Kollektivverhandlungen, Recht auf sichere und würdige Arbeitsbedingungen) der <strong>EU</strong> in der<br />

<strong>Verfassung</strong> verankert. Es ist damit keine Bevorzugung von neoliberalen Ansätzen argumentierbar.<br />

Darüber hinaus sind in Artikel II-91 explizit gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen<br />

festgehalten:<br />

„(1) Jede Arbeitsnehmerin und jeder Abreitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und würdige<br />

Arbeitsbedingungen.<br />

(2) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der<br />

Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.“<br />

Damit hebt sich die <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong> deutlich von neo-liberalen Ansätzen ab uns setzt sozialpolitische<br />

Schwerpunkte.<br />

Artikel II-88 bezieht sich auf das Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen:<br />

„Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber oder ihre<br />

jeweiligen Organisationen haben nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften<br />

und Gepflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und zu<br />

schließen sowie bei Interessenkonflikten kollektive Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen,<br />

einschließlich Streiks, zu ergreifen.“<br />

Damit trägt die <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong> den elementaren Rechten aller Arbeitnehmerinnen und<br />

Abreitnehmern Rechnung.<br />

Wirtschafts- und Währungspolitik<br />

Die Tätigkeiten der Mitgliedstaaten und der Union zur Wirtschafts- und Währungspolitik setzt die<br />

Einhaltung der folgenden richtungweisenden Grundsätze voraus (Art. III-177): „stabile Preise,<br />

gesunde öffentliche Finanzen und monetäre Rahmenbedingungen sowie eine dauerhaft finanzierbare<br />

Zahlungsbilanz.“<br />

Diese Ziele sind auf Langfristigkeit und Stabilität zum Wohle der Gemeinschaft ausgelegt und zielen<br />

nicht auf einen „wilden Wettbewerb“ ab.<br />

Sozialpolitik<br />

Die Sozialpolitik wird nicht untergeordnet – im Gegenteil, wie die erklärten Ziele der Sozialpolitik<br />

nach Artikel III-9 belegen:<br />

11


“Die Union und die Mitgliedstaaten verfolgen eingedenk der sozialen Grundrechte (…) folgende Ziele:<br />

die Förderung der Beschäftigung, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, um<br />

dadurch auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen, einen angemessenen<br />

sozialen Schutz, den sozialen Dialog, die Entwicklung des Arbeitskräftepotentials in Hinblick auf ein<br />

dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau und die Bekämpfung von Ausgrenzungen.<br />

Zu diesem Zweck tragen die Union und die Mitgliedstaaten bei ihrer Tätigkeit der Vielfalt der<br />

einzelstaatlichen Gepflogenheiten, insbesondere in den vertraglichen Beziehungen, sowie der<br />

Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union zu erhalten, Rechnung.“<br />

Im Gesamtkontext wird klar, dass eine Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit eine Maßnahme zur<br />

langfristigen Sicherung der sozialen Grundrechte darstellt.<br />

Kritik 12<br />

Freihandel als <strong>Verfassung</strong>sauftrag<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel III-292<br />

„(1) Die Union lässt sich bei ihrem Handels auf internationaler Ebene von den Grundsätzen leiten,<br />

welche für ihre eigene Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maßgebend waren und denen sie<br />

auch weltweit zu stärkerer Geltung verhelfen will: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die universelle<br />

Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der<br />

Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Solidarität sowie die Achtung<br />

der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel Art. III-314<br />

„Durch die Schaffung einer Zollunion nach Artikel III-151 trägt die Union im gemeinsamen Interesse<br />

zur harmonischen Entwicklung des Welthandels, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen<br />

im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen Direktinvestitionen sowie zum Abbau<br />

der Zollschranken und anderer Schranken bei.“<br />

Antwort<br />

Außenpolitik<br />

Die Außenpolitik der Union hat in erster Linie andere Schwerpunkte:<br />

“Die Union lässt sich bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grundsätzen leiten,<br />

welche für ihre Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maßgebend waren und denen sie auch<br />

weltweit zu stärkerer Geltung verhelfen will: „Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die universelle<br />

Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der<br />

Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Solidarität sowie die Achtung<br />

der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts.“ (siehe Artikel III-292,1)<br />

Beim zitierten Punkte des Artikels III-292,2e geht es um eine Förderung der Integration: „ (…) die<br />

Integration aller Länder in die Weltwirtschaft zu fördern, unter anderem auch durch den<br />

schrittweisen Abbau internationaler Handelshemmnisse.“<br />

Dieser Punkt ist einer von mehreren, die auf Basis der genannten Grundsätze für nachhaltige<br />

Entwicklung und einer verantwortungsvollen Weltordnungspolitik gelten. Darüber hinaus sollten in<br />

diesem Kontext die Gesamtziele der <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong> berücksichtigt werden, die für alle<br />

Politikbereiche und Maßnahmen gelten, Freihandel ebenfalls eingeschlossen: zu diesen<br />

übergeordneten Gesamtzielen zählen unter anderem nachhaltige Entwicklung und die<br />

Armutsbekämpfung.<br />

Welthandel<br />

Erklärtes Ziel der Union ist eine harmonische Entwicklung des Welthandels:<br />

12


“Durch die Schaffung einer Zollunion nach Artikel III-151 trägt die Union im gemeinsamen Interesse<br />

zur harmonischen Entwicklung des Welthandels, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen<br />

im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen Direktinvestitionen sowie zum Abbau<br />

der Zollschranken und anderer Schranken bei.“ (Art. III-314)<br />

Die schrittweise Verwirklichung des Binnenmarktes schafft so die Möglichkeit einer kontrollierten<br />

Anpassung an Veränderungen.<br />

Kritik 13<br />

Druck in Richtung Privatisierung der öffentlichen Dienste<br />

a) Die <strong>EU</strong> bekommt die Kompetenz Grundsätze und Bedingungen, insbesondere jene wirtschaftlicher<br />

und finanzieller Art für Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (<strong>EU</strong>-Jargon für<br />

„öffentliche Dienste“) festzulegen (siehe Art. III-122). Der ÖGB sieht die Gefahr, dass die <strong>EU</strong>-<br />

Kommission nach den vielen Sektorliberalisierungen (Strom, Gas, Telefon, Post, Verkehr) nun mit<br />

dem Rasenmäher über alles fährt, von Sozialdiensten bis zur Bildung.<br />

b) Verbot für die <strong>EU</strong>-Staaten, öffentliche Unternehmen besonders zu fördern bzw. aus staatlichen<br />

Mitteln Beihilfen zu gewähren (Art. III-166ff). Ausnahmeregelungen haben den Charakter von<br />

Gummiparagraphen und können durch Beschluss des Ministerrates bzw. Klage der <strong>EU</strong>-Kommission<br />

beim EuGH zu Fall gebracht werden (Art. III-168).<br />

c) Die Vetomöglichkeit der nationalen Parlamente bei Verträgen zur Handelsliberalisierung im<br />

Bereich öffentlicher Dienste des Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesens, wie sie der Vertrag von<br />

Nizza noch vorgesehen hat, fällt weg.<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel III-122<br />

„Unbeschadet der Artikel I-5, III-166, III-167 und III-238 und in Anbetracht des von allen in der<br />

Union anerkannten Stellenwerts der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sowie ihrer<br />

Bedeutung bei der Förderung des sozialen Zusammenhalts tragen die Union und die Mitgliedstaaten<br />

im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten im Anwendungsbereich der <strong>Verfassung</strong> dafür Sorge,<br />

dass die Grundsätze und Bedingungen, insbesondere jene wirtschaftlicher und finanzieller Art, für<br />

das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet sind, dass diese ihren Aufgaben nachkommen können.<br />

Diese Grundsätze und Bedingungen werden durch Europäisches Gesetz unbeschadet der<br />

Zuständigkeit der Mitgliedstaaten festgelegt, diese Dienste im Einklang mit der <strong>Verfassung</strong> zur<br />

Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu finanzieren.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel III-166<br />

„(2) Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut<br />

sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Bestimmungen der <strong>Verfassung</strong>,<br />

insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Bestimmungen nicht die<br />

Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich und tatsächlich verhindert. Die<br />

Entwicklung des Handelsverkehr darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem<br />

Interesse der Union zuwiderläuft.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel III-168<br />

„(2) Stellt die Kommission fest, nachdem sie den Beteiligten eine Frist zur Äußerung gesetzt hat,<br />

dass eine von einem Mitgliedstat oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe mit dem<br />

Binnenmarkt nach Artikel III-167 unvereinbar ist oder dass sie missbräuchlich angewandt wird, so<br />

erlässt die einen Europäischen Beschluss, der darauf abzielt , dass der betreffende Mitgliedstaat sie<br />

binnen einer von ihr bestimmten Frist aufhebt oder umgestaltet.“<br />

Antwort<br />

ad a/c)<br />

Im Gegenteil: Die Europäische <strong>Verfassung</strong> sieht einen ausdrücklichen Schutz vor der Privatisierung<br />

jener Dienste vor, die von allgemeinem und wirtschaftlichem Interesse sind. Der besagte Artikel III-<br />

122 wurde bereits während des französischen <strong>Verfassung</strong>sreferendums intensiv im Kontext mit der<br />

so genannten „Bolkestein Richtlinie“ diskutiert. Artikel III-122 wurde auf ausdrücklichen Wunsch<br />

13


einiger Mitgliedstaaten - darunter Frankreich, Linksparteien und Gewerkschaften in die <strong>EU</strong>-<br />

<strong>Verfassung</strong> aufgenommen, um Dienste von alkgemeinen und wirtschaftlichen Interesse besser<br />

gegen Privatisierung zu schützen. Die Tatsache, dass es eine Pflicht ist ein europäisches Gesetz in<br />

diesem Bereich zu verabschieden, stellt ein demokratisches Zugeständnis dar, zumal das<br />

Europäische Parlament zur genauen Definierung des Gesetzes eingebunden werden wird. Ohne die<br />

<strong>Verfassung</strong> besteht in der <strong>EU</strong> keinerlei legale Verpflichtung, ein solches Gesetz vorzubereiten.<br />

Es gibt somit kein Vorgehen nach dem „Rasenmäherprinzip“ – im Gegenteil: laut Artikel III-117<br />

unterliegen alle Maßnahmen folgenden Zielen zur Wahrung des sozialen Schutzes und des hohen<br />

Niveaus der allgemeinen und beruflichen Bildung:<br />

“Bei der Festlegung und Durchführung der Politik und der Maßnahmen in den in diesem Teil<br />

genannten Bereichen trägt die Union den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines<br />

hohen Beschäftigungsniveaus, der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, der<br />

Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und<br />

beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung.“<br />

Damit ist kein Druck in Richtung Privatisierung der öffentlichen Dienste gegeben. Die Umsetzung der<br />

Ziele obliegt den Mitgliedstaaten.<br />

Kapitel V regelt „Bereiche, in denen die Union beschließen kann, eine Unterstützungs-,<br />

Koordinierungs-, oder Ergänzungsmaßnahme durchzuführen.“ Dazu gehören die öffentliche<br />

Gesundheit, Industrie, Kultur und Tourismus.<br />

ad b)<br />

Der <strong>Verfassung</strong>stext enthält keine Angaben zu einem Verbot von Beihilfen für öffentliche<br />

Unternehmen. Wettbewerbsverzerrende Beihilfen bei Unternehmen und Produktionszweigen sind mit<br />

dem Binnenmarkt unvereinbar:<br />

“Soweit in der <strong>Verfassung</strong> nicht etwas anderes bestimmt ist, sind Beihilfen der Mitgliedstaaten oder<br />

aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter<br />

Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit<br />

dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“<br />

(Art. III-167)<br />

Außerdem wird Raum für nationale Besonderheiten gegeben.<br />

Die Kommission wird im Falle einer Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen des Binnenmarktes<br />

tätig: in einem ersten Schritt wird der betroffene Mitgliedstaat durch einen Beschluss der<br />

Kommission aufgefordert, binnen einer bestimmten Frist die binnenmarktwidrige Beihilfe aufzuheben<br />

oder umzugestalten. Kommt der Mitgliedstaat diesem Beschluss innerhalb der vorgegebenen Frist<br />

nicht nach, so kann die Kommission oder jeder betroffene Mitgliedstaat den Gerichtshof der<br />

Europäischen Union anrufen. Beide Seiten (Europäische Kommission und Mitgliedstaaten) haben also<br />

das Recht den Gerichtshof anzurufen.<br />

Der Rat kann einstimmig auf Antrag eines Mitgliedstaates einen Europäischen Beschluss erlassen,<br />

der Ausnahmen für staatliche Beihilfen erlaubt, die sich durch außergewöhnliche Umstände<br />

rechtfertigen lassen. Ein Anrufen des Rates durch einen Mitgliedstaat hat in diesem Fall zu Folge,<br />

dass ein bereits eingeleitetes Verfahren der Kommission ausgesetzt wird, bis der Rat sich geäußert<br />

hat (Art. III-168). Der Rat hat drei Monate Zeit, sich zu äußern, danach entscheidet die Kommission.<br />

Kritik 14<br />

Europäische Zentralbank als „demokratiefreier Raum“<br />

a) Das vorrangige Ziel des Europäischen Systems der Zentralbanken ist es, die Preisstabilität zu<br />

gewährleisten, also die Interessen der großen Vermögensbesitzer zu bedienen. Marktwirtschaft ohne<br />

Adjektive ist angesagt: Das Europäische System der Zentralbanken handelt im Einklang mit dem<br />

Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (siehe Art. III-185).<br />

b) Damit die Interessen des großen Geldes nicht politisch unter Druck kommen, wird demokratische<br />

Einflussnahme auf die EZB per <strong>Verfassung</strong> untersagt (siehe Art. III-188)<br />

14


Die Kritik bezieht sich auf Artikel III-185<br />

„(1) Das vorrangige Ziel des Europäischen Systems der Zentralbanken ist es, die Preisstabilität zu<br />

gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung dieses Ziels möglich ist, unterstützt das<br />

Europäische System der Zentralbanken die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union, um zur<br />

Verwirklichung der in Artikel I-3 festgelegten Ziele der Union beizutragen. Das Europäische System<br />

der Zentralbanken handelt im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem<br />

Wettbewerb, wodurch ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird, und hält sich dabei an<br />

die in Artikel III-177 genannten Grundsätze.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel III-188<br />

„Bei der Wahrnehmung der ihnen durch die <strong>Verfassung</strong> und die Satzung des Europäischen Systems<br />

der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank übertragenen Befugnisse, Aufgaben und<br />

Pflichten darf weder die Europäische Zentralbank noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied<br />

ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union,<br />

Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen.“<br />

Antwort<br />

ad a)<br />

Auch die Währungspolitik hat sich den Prämissen der allgemeinen Ziele der Europäischen Union<br />

verschrieben:<br />

Artikel III-185, 1:<br />

“Das vorrangige Ziel des Europäischen Systems der Zentralbanken ist es, die Preisstabilität zu<br />

gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung dieses Ziels möglich ist, unterstützt das<br />

Europäische System der Zentralbanken die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union, um zur<br />

Verwirklichung der in Artikel I-3 festgelegten Ziele (Anmerkung: Förderung von Frieden, Werten und<br />

Wohlergehen der Völker) der Union beizutragen. Das Europäische System der Zentralbanken handelt<br />

im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, wodurch ein<br />

effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird, und hält sich dabei an die in Artikel III-177<br />

genannten Grundsätze.“<br />

Von einer stabilen Währungspolitik und dem effizienten Einsatz von Ressourcen profitieren alle<br />

Beteiligten.<br />

ad b)<br />

Jegliche Einflussnahme auf die EZB ist untersagt. Vielmehr noch: Weder die EZB noch eine nationale<br />

Zentralbank darf in irgendeiner Weise durch Stellen der Union oder der Mitgliedstaaten beeinflusst<br />

werden. Darüber hinaus ist das bestehende System der Europäischen Zentralbank besser im Sinne<br />

der nationalen Souveränität, als dies davor der Fall war: Das derzeitige System der EZB<br />

berücksichtigt die repräsentative Vertretung aller nationalen Banken in einer Organisation. Im<br />

Gegensatz zum vorangegangenen System, als es noch eine D-Mark Zone gab, mussten viele der<br />

nationalen Banken (darunter auch <strong>Österreich</strong>) der Direktive der Deutschen Bundesbank folgen. Mit<br />

dem nun geltenden System sind alle nationalen Banken gleichermaßen an Entscheidungen beteiligt.<br />

Sowohl die EZB als auch nationale Zentralbanken sind unabhängig und agieren gemäß der Prämisse<br />

der Preisstabilität.<br />

15


Kritik 15<br />

Weitere Zentralisierung und Hierarchisierung der Politik<br />

a) Veränderung der Stimmgewichte in den <strong>EU</strong>-Räten zugunsten der großen Nationalstaaten: so<br />

gewinnen z. B. Deutschland über 100 %, Frankreich und Großbritannien rund 45 % hinzu, die<br />

kleineren und mittleren Länder verlieren zum Teil gravierend: z. B. verlieren Griechenland,<br />

Schweden, Portugal, Belgien, Tschechien, Ungarn, <strong>Österreich</strong>, Dänemark, Slowakei, Finnland, Irland<br />

zwischen 35 % und 65 % an Stimmgewichten.<br />

b) Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen (von 34 auf 70 Tätigkeitsfelder)<br />

c) Vorrang des <strong>EU</strong>-Rechts vor nationalem Recht (Art. I-6)<br />

d) Schaffung des Amtes eines <strong>EU</strong>-Außenministers, der nicht nur die <strong>EU</strong>-Außenpolitik bestimmt,<br />

sondern auch direkten Zugriff auf einen militärischen Interventionsfonds hat und die<br />

Militärmissionen der Union koordiniert.<br />

e) Festschreibung der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik als ausschließliche <strong>EU</strong>-<br />

Kompetenz bei der sich die Mitgliedstaaten verpflichten, diese aktiv und vorbehaltlos zu<br />

unterstützen.<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel I-6<br />

„Die <strong>Verfassung</strong> und das von den Organen der Union in Ausübung der der Union übertragenen<br />

Zuständigkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel III-313<br />

„Finanzbestimmungen<br />

(1) Die Verwaltungsausgaben, die den Organen aus der Durchführung dieses Kapitels entstehen,<br />

gehen zulasten des Haushalts der Union.<br />

(3) c) die Einzelheiten für die Finanzkontrolle. Kann die geplante Mission nach Artikel I-41 Absatz 1<br />

und Artikel III-309 nicht aus dem Haushalt der Union finanziert werden, so ermächtigt der Rat den<br />

Außenminister der Union zur Inanspruchnahme dieses Fonds. Der Außenminister der Union erstattet<br />

dem Rat Bericht über die Erfüllung dieses Mandats.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel III-309<br />

„(2) Der Rat erlässt die Europäischen Beschlüsse über Missionen nach Absatz 1; in den Beschlüssen<br />

sind Ziel und Umfang der Missionen sowie die für sie geltenden allgemeinen<br />

Durchführungsbestimmungen festgelegt. Der Außenminister der Union sorgt unter Aufsicht des<br />

Rates und in engem und ständigem Benehmen mit dem Politischen und Sicherheitspolitischen<br />

Komitee für die Koordinierung der zivilen und militärischen Aspekte dieser Missionen.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel I-16<br />

„(2) Die Mitgliedstaaten unterstützen die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv<br />

und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität und achten das Handeln<br />

der Union in diesem Bereich. Sie enthalten sich jeder Handlung, die den Interessen der Union<br />

zuwiderläuft oder ihrer Wirksamkeit schaden könnte.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel I-12, 4<br />

„(4) Die Union ist dafür zuständig, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich der<br />

schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zu erarbeiten und zu<br />

verwirklichen.“<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel III-294<br />

„(1) Die Union bestimmt und verwirklicht im Rahmen der Grundsätze und Ziele ihres auswärtigen<br />

Handelns eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die sich auf alle Bereiche der Außen- und<br />

Sicherheitspolitik erstreckt.<br />

16


(2) Die Mitgliedstaaten unterstützen die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik aktiv und<br />

vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität.“<br />

Antwort<br />

ad a)<br />

Die genannten Zahlen basieren auf einem Vergleich der Stimmengewichte im Vertrag von Nizza und<br />

den neuen Stimmengewichten in der <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong>. So wird zum Beispiel unter dem Vertrag von<br />

Nizza eine qualifizierte Mehrheit mit 232 von 321 Stimmen, d.h. mit 72,27% erreicht. In diesem<br />

System verfügt Frankreich über 29 Stimmen, was 9% entspricht. Laut der neuen qualifizierten<br />

Mehrheit in der <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong>, die auf einer doppelten Mehrheit (unter Berücksichtigung von<br />

Staaten und Bevölkerungszahlen) basiert, ist eine qualifizierte Mehrheit dann erreicht, wenn diese<br />

55% der Mitgliedstaaten (mindestens 15 Mitgliedstaaten) und 65% der <strong>EU</strong>-Bevölkerung entspricht.<br />

Nachdem Frankreich fast 14% der aktuellen <strong>EU</strong>-Bevölkerung stellt, steigt dessen Stimmengewicht<br />

von 9% auf fast 14%, was einer Steigerung von annähernd 45% entspricht. Es ist unbestritten, dass<br />

durch das neue System die demographische Realität der Mitgliedstaaten stärker berücksichtigt wird,<br />

dies aber keine nachteiligen Auswirkungen auf die Macht von kleineren Mitgliedstaaten wie<br />

<strong>Österreich</strong> hat. Es ist tatsächlich so, dass die vorgeschriebenen 55% der Mitgliedstaaten mit<br />

mindestens 15 Mitgliedstaaten sogar eindeutig die kleineren Mitgliedstaaten bevorzugen, da 15<br />

Mitgliedstaaten eine Entscheidung blocken können obwohl sie lediglich 14,76% der gesamten <strong>EU</strong>-<br />

Bevölkerung repräsentieren. Während im Vertrag von Nizza 14 Mitgliedstaaten eine Entscheidung<br />

blockieren konnten, bedarf es laut der neuen <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong> nur 11 Mitgliedstaaten. Dies entspricht<br />

einem tatsächlichen Anstieg der Stimmengewichte von kleineren <strong>EU</strong>-Mitgliedstaaten. Das<br />

qualifizierte Mehrheitsrecht der <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong> ist, wie es bereits vorher auch schon war, ein<br />

gesunder Kompromiss zwischen großen und kleineren Staaten.<br />

Doppelte Mehrheit<br />

Mit Blick auf ein erweitertes Europa wurden bereits verschiedene Lösungen zur Wahrung des<br />

gegenwärtig herrschenden Gleichgewichts zwischen so genannten großen und kleinen Staaten bei<br />

der Beschlussfassung im Rat erwogen. Hätte man nach der Erweiterung am derzeitigen System der<br />

Stimmengewichtung im Rat festgehalten, so hätte die Gefahr bestanden, dass eine qualifizierte<br />

Mehrheit der Stimmen nur eine Minderheit der Bevölkerung der Europäischen Union repräsentiert.<br />

Aus diesem Grund wünschten die bevölkerungsstärksten Mitgliedstaaten eine Neugewichtung der<br />

Stimmen oder ein System der doppelten Mehrheit, durch das gewährleistet würde, dass eine<br />

Mehrheit im Rat nicht nur die Mehrheit der Mitgliedstaaten, sondern auch die Mehrheit der<br />

Bevölkerung der Union repräsentiert.<br />

Der Vertrag von Nizza (2001), dessen Ziel die Reform der Arbeitsweise der europäischen Organe im<br />

Hinblick auf die Erweiterung war, sieht daher eine neue Definition der qualifizierten Mehrheit vor, die<br />

einer doppelten oder sogar einer dreifachen Mehrheit entspricht. Neben der Neugewichtung der<br />

Stimmen zugunsten der großen Mitgliedstaaten muss die qualifizierte Mehrheit zudem die Mehrheit<br />

der Mitgliedstaaten repräsentieren. Hinzu kommt ein so genanntes „demographisches Netz": jeder<br />

Mitgliedstaat kann überprüfen lassen, ob die qualifizierte Mehrheit mindestens 62 % der<br />

Gesamtbevölkerung der Union repräsentiert. Ansonsten kommt der Beschluss nicht zustande. Diese<br />

neuen Bestimmungen traten am 1. November 2004 in Kraft.<br />

Die noch zu ratifizierende europäische <strong>Verfassung</strong> sieht ab 1. November 2009 ein neues System der<br />

qualifizierten Mehrheit mit einer doppelten Mehrheit der Mitgliedstaaten und Bürger vor. Die<br />

qualifizierte Mehrheit wird dann erreicht, wenn für einen Beschluss 55 % der Mitgliedstaaten<br />

(mindestens 15 Mitgliedstaaten) stimmen, die mindestens 65 % der Bevölkerung der Union<br />

repräsentieren.<br />

ad b)<br />

Es existieren insgesamt 24 Tätigkeitsfelder die vom Einstimmigkeitsprinzip auf das Prinzip der<br />

qualifizierten Mehrheit umgestellt wurden (Asyl, Migration, externe Grenzkontrollen etc.) und<br />

weitere 21 neue Bereiche, bei denen das Prinzip der qualifizierten Mehrheit angewandt wird (Gesetz<br />

über die Initiative zur Europäischen Zivilbevölkerung, Energie, Tourismus, etc). Dies entspricht einer<br />

tatsächlichen Stärkung des demokratischen Entscheidungsfindungsprozesses, da hiermit das<br />

17


Europäische Parlament mit zusätzlichen Bereichen betraut wird. Dabei geht es keineswegs um<br />

Zentralisierung oder Hierarchisierung: die neue Regelung zielt auf einen verstärkten demokratischen<br />

Entscheidungsfindungsprozess ab, den man als vernünftiger <strong>EU</strong>-Bürger sicher nicht ausschlägt.<br />

Darüber hinaus ist die neue Interventionsmöglichkeit der nationalen Parlamente in bereits frühen<br />

Stadien des Europäischen Entscheidungsfindungsprozess ein klares Beispiel für Dezentralisierung.<br />

Dabei übernehmen die nationalen Parlamente die Aufgabe zu überprüfen, ob die Europäische<br />

Kommission ihre Machtbefugnisse überschreitet (Anwendung des Subsidiaritätsprinzips).<br />

ad c)<br />

Es untersteht nur jenes Recht der Mitgliedstaaten dem der Union, welches der Union an<br />

Zuständigkeiten übertragen wurde. Es gilt das Subsidiaritätsprinzip:<br />

“Die <strong>Verfassung</strong> und das von den Organen der Union in Ausübung der der Union übertragenen<br />

Zuständigkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten.“ (Art. I-6).<br />

Dieser Artikel ist nichts anderes als die Bestätigung der bereits bestehenden Rechtssprechung des<br />

Europäischen Gerichtshofes. Nachdem ein Mitgliedstaat zugestimmt hat bestimmte Kompetenzen an<br />

die Europäische Union abzugeben, stehen die vom Europarat (auch Ministerrat genannt, der sich aus<br />

nationalen Vertretern auf Ministerebene zusammensetzt) und dem Europäischen Parlament<br />

(demokratisch gewählte Volksvertreter) erlassenen Gesetze im Konfliktfall über den nationalen<br />

Gesetzen. Wäre dies anders müsste sich die <strong>EU</strong> und die Mitgliedstaaten mit chaotischen<br />

Rechtssituationen konfrontiert sehen.<br />

ad d)<br />

Alleingänge des Europäischen Außenministers sind nicht möglich. Sowohl die Ernennung als auch<br />

das Ende der Amtszeit des Außenministers der Union wird vom Europäischen Rat (<strong>EU</strong>-<br />

Regierungschefs) mit qualifizierter Mehrheit gemeinsam mit Zustimmung des Präsidenten der<br />

Kommission beschlossen. Der das Amt des Außenministers der <strong>EU</strong> sieht vor, dass seine Vorschläge<br />

zur Festlegung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik im Auftrag des Rates durchgeführt<br />

werden (siehe Artikel I-28 ff).<br />

ad e)<br />

Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik erfolgt „aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität<br />

und der gegenseitigen Solidarität (…).“ (siehe Art. I-16) Es ist eine schrittweise Festlegung einer<br />

gemeinsamen Verteidigungspolitik vorgesehen, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen kann.<br />

Darüber hinaus unterliegt die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik strikten Regeln der <strong>EU</strong>-<br />

<strong>Verfassung</strong>, die explizit festgehalten sind (siehe dazu Art. III-294 ff) und ist nicht in der Liste der<br />

„Bereiche mit ausschließlicher Zuständigkeit“ von Artikel I-13 festgehalten. In allen wichtigen<br />

Kernbereichen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gilt die Anwendung des<br />

Einstimmigkeitsprinzips (siehe Art. III-300).<br />

Haben sich Mitgliedstaaten mit einer spezifischen gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />

einverstanden erklärt, so sollten diese konsequenterweise die entsprechende Richtlinie auch<br />

einhalten. Würde man einem Mitgliedstaat erlauben entgegen seiner Einverständniserklärung<br />

konträr zu handeln, so würde dies zu einem totalen Chaos führen. Die Europäische Union würde<br />

gleichermaßen wie der betroffene Mitgliedstaat jegliche Glaubwürdigkeit einbüßen.<br />

Kritik 16<br />

Der Austritt aus der <strong>EU</strong> ist keine souveräne Entscheidung mehr (wie bisher), sondern<br />

erfordert die Zustimmung von Ministerrat und Europäischem Parlament<br />

Die Kritik bezieht sich auf Artikel I-60<br />

„Freiwilliger Austritt aus der Union<br />

18


(1) Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen,<br />

aus der Union auszutreten.<br />

(2) Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem Europäischen Rat seine Absicht mit. Auf<br />

der Grundlage der Leitlinien des Europäischen Rates handelt die Union mit diesem Staat ein<br />

Abkommen über die Einzelheiten des Austritts aus und schließt es ab, wobei der Rahmen für die<br />

künftigen Beziehungen dieses Staates zur Union berücksichtigt wird. Das Abkommen wird nach<br />

Artikel III-325 Absatz 3 ausgehandelt. Es wird vom Rat im Namen der Union geschlossen; der Rat<br />

beschließt mit qualifizierter Mehrheit nach Zustimmung des Europäischen Parlaments.<br />

(4) (…) Als qualifizierte Mehrheit gilt eine Mehrheit von mindestens 72% derjenigen Mitglieder des<br />

Rates, die die beteiligten Mitgliedstaaten vertreten, sofern die betreffenden Mitgliedstaaten<br />

zusammen mindestens 65% der Bevölkerung der beteiligten Mitgliedstaaten ausmachen.“<br />

Antwort<br />

In der jetzigen Situation gib es gar keine Möglichkeit für einen Mitgliedstaat aus der <strong>EU</strong> auszutreten.<br />

Ohne vorausgehende Zustimmung und Einigkeit aller anderen Staaten ist ein Austritt derzeit nicht<br />

möglich, da in den derzeit bestehenden Verträgen keine Regelung existiert, die einen Austritt<br />

erlauben würde. Dies steht im Einklang mit der Anwendung der Wiener Konvention über<br />

Internationale Verträge vom 23. Mai 1969 (siehe auch Art. 54 ff). Die <strong>EU</strong>-<strong>Verfassung</strong> erlaubt es<br />

erstmals, dass ein Mitgliedstaat freiwillig aus der Europäischen Union austreten kann und regelt<br />

dieses nach einem expliziten Prozedere, wie es in Art. I-60 beschrieben ist.<br />

Somit kann jeder Mitgliedstaat im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften<br />

beschließen, aus der Union auszutreten. Die Entscheidung dazu obliegt alleine dem Mitgliedstaat.<br />

Die Einzelheiten des Austritts und die zukünftigen Beziehungen des Staates zur Union werden in<br />

Absprache mit Rat und Parlament beschlossen.<br />

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