11.10.2013 Aufrufe

Dokumentation der Predigt vom 12.5.2013

Dokumentation der Predigt vom 12.5.2013

Dokumentation der Predigt vom 12.5.2013

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Predigt</strong> über Exodus 20, 8-11<br />

St. Markus, München<br />

DIE ZEHN GEBOTE<br />

Du sollst den Feiertag heiligen<br />

Prof. Dr. Friedhelm Hartenstein<br />

12. Mai 2013<br />

Exaudi<br />

Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest.<br />

Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun.<br />

Aber am siebenten Tage ist <strong>der</strong> Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst<br />

du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine<br />

Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, <strong>der</strong> in deiner Stadt lebt. Denn in<br />

sechs Tagen hat <strong>der</strong> HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles,<br />

was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete <strong>der</strong> HERR den<br />

Sabbattag und heiligte ihn.<br />

Liebe Universitätsgemeinde,<br />

In einer jüdischen Sage unbestimmten Alters aus <strong>der</strong> Sammlung Micha Josef<br />

bin Gorions heißt es:<br />

„Der Fluß Sambation wirft Steine aus an allen Tagen <strong>der</strong> Woche, aber am Sabbattage<br />

ruht er. Der Fluß Sambation heiligt den Sabbat, denn an allen Werktagen schäumen<br />

seine Wellen, und die Wasser schleu<strong>der</strong>n durch ihre Gewalt Steine ans Ufer, doch am<br />

Sabbat steht alles still, und es fällt kein Stein auf den Sand.“ 1<br />

Es ist das uralte Bild <strong>vom</strong> Fluss <strong>der</strong> Zeit, in dem wir uns bewegen, manchmal<br />

auch mitgerissen werden, ob wir wollen o<strong>der</strong> nicht. Aber sogar dieser Fluss,<br />

in seinem Name Sambation klingt <strong>der</strong> Sabbat bereits an, heiligt die<br />

Unterbrechung <strong>der</strong> Zeit, hält inne und enthält sich seiner selbst. Er hat Teil<br />

an dem, was Israel am Sinai durch Gott gegeben wurde: Am Auftrag zur<br />

Heiligung <strong>der</strong> Zeit. Die Sage deutet an, dass dies zugleich eine Heiligung <strong>der</strong><br />

Welt bedeutet, die am Sabbat ihr Spiel <strong>der</strong> Elemente unterbricht. Es<br />

verlangsamt sich die Bewegung <strong>der</strong> Steine im Sand, bis das Wasser sie erneut<br />

überspült, sie wie<strong>der</strong> mit sich trägt und an an<strong>der</strong>em Ort absetzt. Die biblisch<br />

inspirierte Welt <strong>der</strong> Sage folgt einem verborgenen Rhythmus, <strong>der</strong> nicht mit<br />

naturwissenschaftlichen Methoden gemessen werden kann, son<strong>der</strong>n allein<br />

menschlichem Empfinden offen steht. Die Sage erzählt weiter:<br />

1 M. J. bin Gorion, Die Sagen <strong>der</strong> Juden, hg. von E. bin Gorion, Frankfurt a. M. 1962, 36.


„Auch gibt es einen Berg, dem man Silber entnimmt, und nur am Sabbat gibt die<br />

Erde des Berges kein Silber.“ 2<br />

Kein Bergwerksbetrieb am siebten Tag, kein Rohstoff für Münzen und Geräte,<br />

keine Bemächtigung und kein Umbau <strong>der</strong> Welt, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> nur für sich<br />

eröffnete Augenblick ohne Zweck. Gerade so hat Israel nach dem<br />

Exodusbuch den Sabbat kennen gelernt. Nur wir Leserinnen und Leser wissen<br />

<strong>vom</strong> Beginn des Buches Genesis an, dass <strong>der</strong> siebte Tag herausgehoben<br />

wurde aus <strong>der</strong> Abfolge <strong>der</strong> Tage, weil Gott an ihm ruhte. Das Volk Israel in<br />

<strong>der</strong> Wüste lernt diesen beson<strong>der</strong>en Tag erst nach dem Auszug aus Ägypten<br />

durch eine konkrete Erfahrung kennen, noch ohne dass er direkt benannt<br />

würde. Im 16. Kapitel des 2. Buches <strong>der</strong> Bibel wird in <strong>der</strong> Speisung durch<br />

Manna die Zeitbrache sichtbar, ein Rhythmus in <strong>der</strong> Lebenserhaltung, <strong>der</strong><br />

unerklärbar ist und volle Aufmerksamkeit for<strong>der</strong>t. Der sechste Tag brachte<br />

eine doppelte Ration, am siebten hingegen war nichts zu finden, weil Israel<br />

ruhen sollte:<br />

„Seht, <strong>der</strong> Herr hat euch den Ruhetag gegeben; darum gibt er euch am sechsten Tag<br />

Speise für zwei Tage. So bleibe denn ein je<strong>der</strong> daheim, niemand verlasse am siebten<br />

Tag seine Wohnung. – Also feierte das Volk am siebten Tag.“ (Ex 16,29f.)<br />

Unter den Geboten des Dekalogs steht das Sabbatgebot im Zentrum. Es steht<br />

zwischen den vertikal ausgerichteten Geboten gegenüber Gott und den<br />

horizontal ausgerichteten Anordnungen <strong>der</strong> Mitmenschlichkeit. Auch wird es<br />

am ausführlichsten begründet. In <strong>der</strong> Fassung von Ex 20 geschieht das im<br />

Rückgriff auf die uranfängliche Schöpfung, das Sechstagewerk und den<br />

beson<strong>der</strong>en siebten Tag, <strong>der</strong> selbst nicht Geschöpf ist, son<strong>der</strong>n Folge eines<br />

Zurücktretens Gottes von <strong>der</strong> vollendeten Schöpfung, einer erneuten<br />

Unterscheidung von Gott und Welt. Gott zieht sich zusammen um<br />

unseretwillen, indem er sich dem Rhythmus des Lebens anpasst und so dem<br />

Atem <strong>der</strong> Welt einen Takt vorgibt, <strong>der</strong> bewusst erfahren und bedacht werden<br />

kann. Zum Lebenshaus gehören Regeneration und Kontemplation, die nach<br />

dem Sabbatgebot alle Mitgeschöpfe einschließen. Nicht nur Israel, auch die<br />

Arbeitstiere und die Fremden (und mit ihnen die Menschheit) sollen Anteil am<br />

Aufatmen haben: Erfrischung aus dem gefüllten Becher <strong>der</strong> Quelle des<br />

Lebens, ohne die sich Mensch und Lebenswelt nicht ihrer selbst inne würden.<br />

Psalm 23,1-3a sagt:<br />

„Der Herr ist mein Hirte. Mir mangelt es an nichts. Er lässt mich lagern auf grünen<br />

Auen. Er führt mich zu Wassern des Ausruhens. Er erneuert mein Leben/bringt<br />

meine Lebenskraft zurück.“<br />

Es gehört angesichts dieser biblischen Bil<strong>der</strong> zu den paradoxen Erfahrungen,<br />

dass wir Heutigen den Gabecharakter des Taktes <strong>der</strong> Lebenszeit mit ihrem<br />

Wechsel von Aktivität und Passivität, von Tun und schöpferischem Nichtstun,<br />

immer mehr verlernen – trotz gegenteiliger Beteuerungen. Wenn vernehmlich<br />

2 Ebd.


für Entspannung und Wellness, für mannigfaltige Techniken <strong>der</strong> Rekreation<br />

getrommelt wird, ist das nur Symptom einer tieferen Entfremdung. Es geht<br />

um mehr als die handelsübliche Kulturkritik an <strong>der</strong><br />

Kommunikationsgesellschaft mit ihrem Diktat <strong>der</strong> Allerreichbarkeit und<br />

Gleichzeitigkeit. Zeit wird uns, so scheint es, immer knapper, obwohl wir so<br />

viel mehr davon haben als frühere Generationen. Wir leben länger, gesün<strong>der</strong><br />

und robuster. Wir sind in Eile und drücken aufs Tempo. In <strong>der</strong> Rastlosigkeit<br />

macht uns die Unfähigkeit zur Ruhe ratlos. Eine Ikone in „Mo<strong>der</strong>ne Zeiten“,<br />

dem berühmten Stummfilm von Charles Chaplin, war <strong>der</strong> an den Zeigern<br />

eines überlebensgroßen Ziffernblattes hängende Mensch, <strong>der</strong> im Drehen des<br />

Uhrenrades, das er selbst schuf, mit dem Fortschritt Schritt zu halten suchte.<br />

Der Romanist Harald Weinrich, dem wir eine <strong>der</strong> wichtigsten Arbeiten zur<br />

literarischen Zeit verdanken, hat in seinem Buch „Knappe Zeit. Kunst und<br />

Ökonomie des befristeten Lebens“ auf einen faszinierenden sprachlichen<br />

Zusammenhang aufmerksam gemacht: 3 Das lateinische Wort für Zeit,<br />

tempus, und das Wort für Schläfe, ebenfalls tempus, sind nicht nur<br />

gleichlautend, son<strong>der</strong>n verweisen sprachgeschichtlich auf einen sehr alten<br />

Sachverhalt: Neben den bekannten fünf menschlichen Sinnen (Sehen, Hören,<br />

Riechen, Schmecken, Tasten) gibt es einen sechsten, den Zeitsinn des<br />

Menschen. Er ist verbunden mit <strong>der</strong> Blutzirkulation, dem Puls, dem<br />

Lebenstakt, <strong>der</strong> früher nicht am Handgelenk gemessen wurde, son<strong>der</strong>n an<br />

<strong>der</strong> Schläfe. Wie Weinrich verdeutlicht, nehmen wir von diesem inneren Fluss<br />

<strong>der</strong> Zeit jedoch meist nur wenig war:<br />

„Wer jung und gesund ist, <strong>der</strong> braucht [...] nicht zu wissen und kaum zu ahnen, was<br />

die Zeit ist und wie knapp das Dasein befristet ist. Auch <strong>der</strong> Pulsschlag darf dann<br />

gerne unbeachtet bleiben und bis auf weiteres den Selbstverständlichkeiten des<br />

Lebens zugerechnet werden. Erst wenn sich – meistens ‚zur Unzeit‘ am Puls (o<strong>der</strong> an<br />

an<strong>der</strong>en Zeichen <strong>der</strong> Leiblichkeit) ankündigt, daß die schönen Sorglosigkeiten <strong>der</strong><br />

Jugend und Gesundheit fraglich geworden sind, dann meldet sich ungerufen ‚die<br />

wahre Zeit, in <strong>der</strong> wir leben und die unser inneres Maß ist‘ (Carlo Levi) und stört das<br />

bis dahin so robuste Zeitvergessen.“ 4<br />

Weinrich beendet seinen Essay mit dem berühmten Monolog aus dem<br />

Libretto Hugo von Hoffmannsthals zum „Rosenkavalier“, in dem die etwa<br />

vierzigjährige Marschallin angesichts ihrer Besorgnis, den jungen Geliebten<br />

zu verlieren, ein Innewerden <strong>der</strong> Zeit beschreibt, das viel tiefer reicht als die<br />

oberflächliche Klage um Unruhe und Rastlosigkeit:<br />

„Die Zeit, die ist ein son<strong>der</strong>bar Ding. Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts.<br />

Aber dann auf einmal, da spürt man nichts als sie. Sie ist um uns herum, sie ist auch<br />

in uns drinnen. In den Gesichtern rieselt sie, im Spiegel da rieselt sie. In meinen<br />

3 H. Weinrich, Knappe Zeit. Kunst und Ökonomie des befristeten Lebens, München 2008, 229-238.<br />

4 Ebd., 237.


Schläfen, da fließt sie. [...] Manchmal hör ich sie fließen – unaufhaltsam. Manchmal<br />

steh ich auf mitten in <strong>der</strong> Nacht und laß die Uhren alle, alle stehn.“ 5<br />

Überraschend schließt sich daran eine Auffor<strong>der</strong>ung an, die tröstend gemeint<br />

ist: Die Zeit – und sich selbst in ihr – anzunehmen als ein Mitgeschöpf:<br />

„Allein man muß sich auch vor ihr nicht fürchten. Auch sie ist ein Geschöpf des<br />

Vaters, <strong>der</strong> uns alle erschaffen hat.“ 6<br />

Weinrichs Analyse <strong>der</strong> Erfahrung <strong>der</strong> knappen Zeit als einem Innehalten im<br />

bewusst erkannten Eingetauchtsein in den Fluss <strong>der</strong> Zeit hat eine<br />

überraschende Parallele in den Schlussgedanken von Abraham J. Heschels<br />

großem Traktakt über den Schabbat und „seine Bedeutung für den heutigen<br />

Menschen.“ Für Heschel ist die Befolgung des Aufrufs zur „Heiligung <strong>der</strong> Zeit“<br />

eine Annahme <strong>der</strong> „größte[n] Herausfor<strong>der</strong>ung für den Menschen“. 7 Die Zeit<br />

ist ungreifbar. Niemand besitzt sie. Dafür sind alle Menschen in ihr<br />

verbunden, denn je<strong>der</strong> Augenblick wird von allen geteilt, an<strong>der</strong>s als Räume,<br />

Territorien und Reiche, in denen wir Dinge horten und Barrieren voreinan<strong>der</strong><br />

errichten. Indem <strong>der</strong> siebte Tag die Zeit als Zeit hervorhebt, ist die Heiligung<br />

des Feiertags die Einstimmung in den Prozess <strong>der</strong> Schöpfung, <strong>der</strong>en Lied die<br />

Zeit ist:<br />

„Die ganze Woche über sind wir gerufen, das Leben durch den Gebrauch <strong>der</strong> Dinge<br />

des Raumes zu heiligen. Am Sabbat wird uns geschenkt, an <strong>der</strong> Heiligkeit<br />

teilzuhaben, die im Herzen <strong>der</strong> Zeit wohnt. Auch wenn die Seele verdorrt ist, auch<br />

wenn kein Gebet aus unserer zugeschnürten Kehle kommen kann, so führt uns doch<br />

die reine schweigende Ruhe des Sabbat in ein Reich ewigen Friedens o<strong>der</strong> zum<br />

Anfang des Erkennens, was Ewigkeit bedeutet. Es gibt wenige Ideen im Reich <strong>der</strong><br />

Gedanken, die so viel geistliche Kraft enthalten wie die Idee des Sabbat. In Äonen,<br />

wenn von vielen unserer lieb gewordenen Theorien nur Fetzen übrig sein werden,<br />

wird jener kosmische Gobelin noch leuchten. Die Ewigkeit setzt einen Tag.“ 8<br />

Diese große Bedeutung des Sabbat in <strong>der</strong> jüdischen Religion, dass er für den<br />

Menschen gegeben ist und dass er Israel auch exemplarisch für die<br />

Menschheit gegeben ist, weil es um den Menschen in <strong>der</strong> Zeit geht, ist auch<br />

für uns Christen höchst bedeutsam. Unser Sonntag ist <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> des<br />

Sabbats, auch wenn er nach christlichem Verständnis vor allem als<br />

Auferstehungstag und Tag <strong>der</strong> neuen Schöpfung gefeiert wurde. Dennoch<br />

begehen wir ihn heute oft nicht (mehr) bewusst als den ersten Tag <strong>der</strong><br />

Woche. Die alltägliche Erfahrung folgt vielmehr dem Rhythmus <strong>der</strong><br />

Arbeitstage mit dem Wochenende. Was kann angesichts dessen ein Hören auf<br />

den alttestamentlichen Dekalog und sein Sabbatgebot für uns heute<br />

5 Ebd., 238.<br />

6 Ebd., 238.<br />

7 A. J. Heschel, Der Schabbat. Seine Bedeutung für den heutigen Menschen, Berlin 2001, 76.<br />

8 Ebd., 79.


edeuten? Ich denke es sind vor allem zwei Dinge, die wir im Tempo und den<br />

Turbulenzen unserer knappen Zeit ernst nehmen sollten: Die Heiligung des<br />

Feiertags als Einübung in die Fragilität des Lebens in <strong>der</strong> Zeit und als<br />

Einübung in das Empfangen dessen, wohin wir mit unseren Leben unterwegs<br />

sind: Aufatmen und Ruhe als leibliches Symbol des Seins bei Gott. Beidem<br />

möchte ich zum Schluss noch etwas nachgehen:<br />

1. Wir Protestanten tun uns bekanntlich schwer mit dem „Heiligen“, vor allem,<br />

wenn es nicht nur um innerliche religiöse Erfahrung (Rudolf Otto) geht,<br />

son<strong>der</strong>n um ein „Heiligmachen“ als Tun. Aber genau dazu for<strong>der</strong>t uns das<br />

Gebot auf, den Feiertag zu heiligen: Dabei steht im Dekalog Ex 20,8 nicht <strong>der</strong><br />

Auftrag zur „Heiligung“ am Anfang, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> zum Eingedenksein<br />

(zakhor!) des Sabbattages; mit <strong>der</strong> Parallele aus Dtn 5,12 (schamor!) auch <strong>der</strong><br />

Auftrag zu seiner Bewahrung. Heiligung heißt dann nichts an<strong>der</strong>es als ein<br />

sorgfältiger und ernsthafter Umgang mit dem Geschenk <strong>der</strong> Feier <strong>der</strong> Zeit:<br />

Der siebte Tag als institutionalisiertes Innewerden unserer Geschöpflichkeit<br />

in <strong>der</strong> Zeit und deshalb als Lob des Schöpfers.<br />

In <strong>der</strong> ausführlichen spätpriesterschriftlichen Fassung des Sabbatgebotes Ex<br />

31,12-17, die wir vorhin als Lesung gehört haben, fällt zunächst die harte<br />

Androhung <strong>der</strong> Todesstrafe auf, die die hohe Bedeutung <strong>der</strong> Sabbatheiligung<br />

im frühen Judentum unterstreicht. Im selben Text stehen aber auch zwei<br />

theologische Aussagen, die unseren heutigen Umgang mit dem<br />

Feiertagsgebot vertiefen können: Nach Ex 31,13 ist mit <strong>der</strong> Bewahrung des<br />

Sabbat ein über die Generationen hervortretendes Wissen darum verbunden,<br />

„dass ich, <strong>der</strong> Herr, es bin, <strong>der</strong> euch heiligt!“ Indem <strong>der</strong> Sabbat heilig<br />

gehalten wird, bekommt Israel, bekommen alle, die den Feiertag heiligen,<br />

Anteil an <strong>der</strong> Heiligkeit Gottes. Nach jüdischen Traditionen ist die<br />

Sabbatfreude ein Teil <strong>der</strong> Wirklichkeit Gottes, hat das entzündete Licht am<br />

Sabbat eine Verbindung zum Urlicht <strong>der</strong> Schöpfung.<br />

2. Und – das ist <strong>der</strong> theologische Gedanke aus Ex 31,12ff., den ich zum<br />

Schluss nennen möchte – <strong>der</strong> Sabbat ist noch aus einem an<strong>der</strong>en Grund ein<br />

„Zeichen für alle Zeiten zwischen mir und den Israeliten“:<br />

„Denn in sechs Tagen hat <strong>der</strong> Herr den Himmel und die Erde gemacht; am siebten<br />

Tag aber hat er geruht und sich erquickt/aufgeatmet.“ (Ex 31,17)<br />

Was bedeutet <strong>der</strong> auffällige Anthropomorphismus für Gottes Ruhen am<br />

Anfang in dem theologisch reflektierten Sabbattext Ex 31? Ganz geschöpflich<br />

ausgedrückt heißt es, dass Gott am siebten Tag nach seiner Arbeit aufatmete<br />

(wörtlich: sein Leben regenerierte [Verb nafasch Nifal]). In <strong>der</strong> hebräischen<br />

Bibel kommt das entsprechende Wort nur noch zweimal vor: Von David, <strong>der</strong><br />

sich nach seiner anstrengenden Flucht am Jordan erholte und Atem schöpfte<br />

(2 Sam 16,14) und im alten Ruhetagsgebot von Ex 23,12:<br />

„Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun, aber am siebten Tag sollst du aufhören,<br />

damit ruhen dein Rind und dein Esel und damit Atem schöpfen <strong>der</strong> Sohn deiner<br />

Magd und <strong>der</strong> Fremde!“


Wie bei den meisten <strong>der</strong> betont menschlichen Sprachbil<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

alttestamentlichen Rede von Gott handelt es sich in dem späten Text Ex<br />

31,17 nicht um eine naive Gottesvorstellung. Im Gegenteil wird hier die<br />

große Nähe Gottes zu den Menschen hervorgehoben, die sich in <strong>der</strong> Gabe<br />

des Ruhetages zur Erholung des Lebens konkretisiert. Aus Liebe zu seinen<br />

Geschöpfen „atmet Gott “ am Anfang „auf“. In <strong>der</strong> urbildlichen recreatio des<br />

Schöpfers versinnbildlicht sich <strong>der</strong> Rhythmus des Lebensatems aller<br />

Geschöpfe und – ich ergänze mo<strong>der</strong>n mit Harald Weinrich – auch ihres<br />

Lebenstaktes: des Pulses. Beim Ein- und Ausatmen und mit unseren<br />

schlagenden Herzen sind wir untereinan<strong>der</strong> und mit Gott im „Herzen <strong>der</strong><br />

Zeit“ (Abraham J. Heschel) verbunden. Die „Heiligung <strong>der</strong> Zeit“ im Feiertag<br />

soll dies bewusst leiblich erfahrbar werden lassen und aus <strong>der</strong> Erneuerung<br />

<strong>der</strong> Lebenskraft heraus zum Gotteslob befähigen.<br />

Amen.<br />

Nächster Universitätsgottesdienst 26. Mai 2013<br />

Du sollst den Feiertag heiligen Prof. Dr. Dr. h.c. Gunther Wenz<br />

Schulmusik-Chor <strong>der</strong> Musikhochschule<br />

München<br />

Amen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!