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Das Geheimnis des göttlichen Namens Robert Fludds ...

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<strong>Das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>des</strong> <strong>göttlichen</strong> <strong>Namens</strong><br />

<strong>Robert</strong> <strong>Fludds</strong><br />

kabbalistisches Weltschema<br />

Wilhelm Schmidt-Biggemann<br />

<strong>Robert</strong> <strong>Fludds</strong> Utriusque Cosmi Historia ist ein Schlüsselwerk der mystischen<br />

Naturphilosophie der Frühen Neuzeit. <strong>Robert</strong> Fludd (1574 – 1637), Kabbalist,<br />

Mediziner, Astrologe, Mathematiker und Naturphilosoph, verband in der Nachfolge<br />

<strong>des</strong> Nikolaus von Kues und Johannes Reuchlins christlichen Neuplatonismus,<br />

Pythagoraeismus und Kabbala miteinander. In seiner Enzyklopädie<br />

Utriusque cosmi historia (1617– 21) entwirft er eine Kosmologie, die die mosaische<br />

Schöpfungsgeschichte interpretiert. Die Schöpfung ist für ihn ein fortdauernder<br />

Durchdringungsprozeß von Geist und Materie. Dieser Prozeß hat seinen<br />

Ursprung in Gott selbst. In einem großen Weltschema hat Fludd diesen kosmischen<br />

Informationsprozeß dargestellt, ein Schaubild, das an Informationsreichtum<br />

und Komplexität seinesgleichen sucht.<br />

Ich möchte die drei äußeren Kreise dieses Schemas zu deuten versuchen: <strong>Das</strong><br />

große Weltschema im 4. Teil von <strong>Fludds</strong> Utriusque Cosmi Historia demonstriert<br />

den kabbalistischen Aufbau der Kosmologie <strong>Fludds</strong>. Hier zeigt sich der Kern von<br />

<strong>Fludds</strong> Theosophie: die Uroffenbarung Gottes in seinem Namen vuvh ist der Ursprung<br />

<strong>des</strong> Weltprozesses, der sich erst mit der Eschatologie, wenn Gott alles in<br />

allem ist, vollenden wird. Während sich der Kosmos im Ganzen allmählich vervollkommnen<br />

wird, ist das Leben innerhalb <strong>des</strong> Kosmos als ein ewiger Kreislauf<br />

konzipiert. Diese ewige Schöpfung vollzieht sich vom Himmel zur Erde, im<br />

Schema wird das als Weg von außen nach innen dargestellt.<br />

I.Der Ausgang ist die trinitarische Interpretation <strong>des</strong> ersten Bibelworts ja˚ rc<br />

Breschith): »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde«. Dieses Im Anfang ist begriffen<br />

als der Aufgang <strong>des</strong> <strong>göttlichen</strong> <strong>Namens</strong>, in dem sich Gott überhaupt zu<br />

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Causarum Universalium Speculum (folio 181)<br />

erkennen gibt. Fludd geht dabei von einer prozessualen Auslegung der Trinitätstheologie<br />

aus. Die Trinität ist für ihn ein ständiger Prozeß, der immer drei Momente<br />

aufweist:<br />

a) <strong>Das</strong> erste Moment ist durch das t tenebrosum symbolisiert, in dem Gott verborgen<br />

ist und das als unbestimmte Einheit, als ; ux ˙ u ˚t (en sof) begriffen wird<br />

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und das die Prädikate »ens« und »non ens« ihtu ahv (ha – iesch w-ain) zugleich<br />

hat. Dieses Aleph tenebrosum gebiert aus sich das Aleph lucidum, das dem<br />

Beth, dem zweiten Buchstaben <strong>des</strong> Alphabets korrespondiert.<br />

Der Prozeß dieses Hervorbringens von t lucidum aus dem t tenebrosum<br />

wird als das beständige göttliche Werden aus dem Nichts begriffen: Dieser<br />

Prozeß wird durch den Buchstaben h (Jot), den ersten Buchstaben <strong>des</strong> Tetragramms,<br />

symbolisiert, der, wenn er geschrieben wird, als die anfängliche Bewegung<br />

vom unausgedehnten Punkt nach oben und zur Seite gedeutet ist. Der<br />

Punkt, der keine Teile hat, symbolisiert die noch nicht entfaltete göttliche Existenz;<br />

den Anfang schlechthin; und die Bewegung <strong>des</strong> Jot beschreibt das Werden<br />

vom t tenebrosum zum t lucidum.<br />

b) <strong>Das</strong> Verhältnis von t tenebrosum und t lucidum symbolisiert zugleich den<br />

ewigen Prozeß der anfänglichen Trennung von Vater und Sohn. Symbol der<br />

Trennung ist das u (Waw) im Tetragramm. Zugleich mit der Trennung wird der<br />

Actus der <strong>göttlichen</strong> Weisheit sichtbar, der mit dem ja˚r´cˆ(Breschith) erscheint<br />

und <strong>des</strong>sen Repräsentant im Tetragramm das v (He) ist. Im c (Beth) <strong>des</strong> Breschith<br />

zeigt sich zugleich das ic (Ben) <strong>des</strong> Sohnes, der aus dem Vater hervorgeht:<br />

»Monas, monadem gignens«. <strong>Das</strong> c ist das im Sohn sichtbar gewordene<br />

t.<br />

c) <strong>Das</strong> erste v <strong>des</strong> Tetragramms bedeutet den Heiligen Geist, das u den Sohn als<br />

wirken<strong>des</strong> Wort, das zweite v die göttliche Sophia, Gottes Außenseite. So sind<br />

der Heilige Geist und die Weisheit (von außen) ununterscheidbar, allein in der<br />

geheimnisvollen Offenbarung <strong>des</strong> inneren Lebens der Trinität, nämlich im<br />

Tetragramm vuvh wird der Unterschied sichtbar.<br />

II. Die Prozessualität Gottes ist die Entfaltung der <strong>göttlichen</strong> Kraft. Diese zeigt<br />

sich in der täglichen Bewegung <strong>des</strong> Kosmos. Aus dem Aufgang der Sonne und<br />

<strong>des</strong> <strong>göttlichen</strong> Lichts wird durch Steigerung die größte Kraft <strong>des</strong> Lichts im Mittag,<br />

die wieder abnimmt; der Untergang der Sonne und die Nacht symbolisieren<br />

auch den Untergang <strong>des</strong> Lebens und die Rückkehr in die unbestimmte, dunkle<br />

Einheit <strong>des</strong> »en sof«. Diese Bewegung ist die ursprüngliche Bewegung schlechthin,<br />

und sie muß begriffen werden als die paradigmatische zyklische Beschreibung<br />

<strong>des</strong> kosmischen ewigen Lebens.<br />

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Wilhelm Schmidt-Biggemann


<strong>Robert</strong> <strong>Fludds</strong> Weltschema<br />

Werden und Vergehen wird mit Nikolaus von Kues als eine numerische Steigerung<br />

aus der nicht numerischen Einheit <strong>des</strong> Aleph tenebrosum zur 1, 10, 100 bis<br />

zur höchsten mittäglichen Kraftzahl 1000 interpretiert; diese Kraft vergeht zum<br />

Abend hin, bis sie sich im Aleph tenebrosum oder im Ungrund, »en sof« auflöst,<br />

um am Morgen neu zu erstehen.<br />

Auch dieser Prozeß ist im <strong>Geheimnis</strong> <strong>des</strong> <strong>göttlichen</strong> <strong>Namens</strong> verborgen; die<br />

zahlensymbolische Interpretation belegt das. <strong>Das</strong> t ist das eigentliche Symbol<br />

der <strong>göttlichen</strong> Einheit. Der Zahlenwert <strong>des</strong> Tetragramms (h = 10, u = 6, v = 5)<br />

vuvh beträgt 26. Gemeinsam mit dem t = 1 der <strong>göttlichen</strong> Einheit (dem Aleph<br />

tenebrosum) ergibt das 27. 27 = 3 3 , die dreifache Potenz (Macht) der Trinität.<br />

Zugleich ergeben sich hier drei Neunen (999); das ist die Zahl, mit der die Welt<br />

gemessen wird, denn jeder Himmel hat neun Unterteilungen, ehe er in die höhere<br />

Potenz erhoben wird. Und <strong>des</strong>halb ist 1000 die um die mystische 1 erhöhte<br />

Zahl der Mächtigkeit der Himmel, die Zahl der <strong>göttlichen</strong> Kraftvollkommenheit.<br />

III. <strong>Das</strong> Tetragramm offenbart das innere Leben der Trinität: Diese Trinität begreift<br />

Fludd nach dem Nicaenischen Glaubensbekenntnis so, daß der Geist vom<br />

Vater und vom Sohne ausgeht, und zwar als Hauch. <strong>Das</strong> Jod h bezeichnet den<br />

Vater, der Vater <strong>des</strong> Lichts ist. <strong>Das</strong> He v ist hier der Geist und der Atem; es bedeutet<br />

einmal den Geist <strong>des</strong> Vaters, zum anderen den Geist <strong>des</strong> Sohnes, der durch<br />

das u symbolisiert ist. So erweisen sich das erste und das zweite He v <strong>des</strong> Tetragramms<br />

als derselbe Geist. <strong>Das</strong> Waw u symbolisiert auch den Sohn als wirken<strong>des</strong><br />

Schöpfungswort gemäß dem Prolog zum Johannesevangelium. Es ist durch das<br />

erste He v, das den heiligen Geist symbolisiert, mit dem Vater verbunden.<br />

IV. Fludd sieht die trinitarische Struktur <strong>des</strong> Tetragramms unmittelbar mit dem<br />

Schöpfungsbericht <strong>des</strong> Buches Genesis verknüpft: <strong>Das</strong> Waw u symbolisiert nämlich<br />

das Wort, das die Himmel befestigt und damit zugleich die »Feste zwischen<br />

den Wassern« (Gen. 1,6) oberhalb und unterhalb <strong>des</strong> Firmaments. Diese Stabilisierungsleistung<br />

gilt für das Verhältnis von Empyraeum und Firmament ebenso<br />

wie für den Himmel oberhalb und unterhalb der Sonnensphäre. Dazu zitiert<br />

Fludd den Ps. 33,6: »Verbo domini firmati sunt coeli«; und »posuit tabernaculum<br />

suum in sole«. Damit ist die Sonne theologisch als Symbolstern <strong>des</strong> <strong>göttlichen</strong><br />

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Wortes ausgewiesen, in dem, nach dem Prolog <strong>des</strong> Johannesevangeliums, das<br />

Leben ist und das Licht, das in der Finsternis leuchtet.<br />

<strong>Das</strong> erste He v im Tetragramm ist, natur- und schöpfungstheologisch interpretiert,<br />

zugleich das Symbol <strong>des</strong> lebendigen Wassers, das als lebensspendender<br />

Geist die Kraft <strong>des</strong> Jot h empfängt und der Welt vermittelt. <strong>Das</strong> Jot symbolisiert<br />

als erster Buchstabe <strong>des</strong> Tetragramms die Kraft <strong>des</strong> <strong>göttlichen</strong> Anfangs und ist<br />

zugleich der Buchstabe <strong>des</strong> Messias, <strong>des</strong>sen Kraft im Waw wieder aufgenommen<br />

wird. <strong>Das</strong> zeigt schon die Ähnlichkeit der Buchstaben: h u.<br />

Aus dem Jod und dem He besteht das lebensspendende FIAT, das dem hebräischen<br />

hvh (iehi) »es werde« (vgl. Gen. 1,6) entspricht und <strong>des</strong>sen Buchstaben<br />

auch in dem hebräischen vhv˚ »Leben« vorkommen.<br />

V. <strong>Das</strong> He ist in seiner Rolle als Formatierer der <strong>göttlichen</strong> Kraft in doppelter<br />

Symbolik gebraucht: einmal als Offenbar-Werdung Gottes für sich selbst, zum<br />

anderen als Vermittler <strong>des</strong> <strong>göttlichen</strong> Worts nach außen, in die Schöpfung hinein.<br />

Hier ist das He als Weltgeist, als Metathron, als Engel der <strong>göttlichen</strong> Versöhnung<br />

mit der Welt interpretiert. Die Zahl <strong>des</strong> Versöhnungsengels ist 49, das entspricht<br />

dem biblischen Jobeljahr. Die Rechnung: h (10) multipliziert mit v (5) =<br />

50; das sind die 50 Wege der <strong>göttlichen</strong> Weisheit. Aber das t (tenebrosum, die<br />

nicht numerische Eins) ist unerkennbar, <strong>des</strong>halb wird die 1 abgezogen und es bleiben<br />

von den 50 nur 49. Dem entspricht die Zahl der Wege, die Gott uns zu seiner<br />

Erkenntnis hat wissen lassen; es ist die Zahl der Sophia bzw. <strong>des</strong> Metathron.<br />

VI. Die Informationskraft <strong>des</strong> Tetragramms erweist sich auch in der Struktur <strong>des</strong><br />

Kosmos: h bedeutet den mundus aeternus, das Empyraeum v symbolisiert die<br />

mens divina, u ist Zeichen für den sol coelestis seu natura stellarum, also die Sonne<br />

und den Fixsternhimmel; das u hat also die Funktion der Stabilisierung und der<br />

Vermittlung zwischen den oberen und unteren Welten; v ist die virtus elementaris,<br />

das »Haus« der aetherischen und elementaren Welt.<br />

VII. Die Symbolik <strong>des</strong> Tetragramms, wie sie in den Buchstaben und ihrer Zuordnung<br />

verborgen liegt, kann hylemorphistisch interpretiert werden. Dann wird<br />

das Verhältnis der Buchstaben zueinander als potentia activa und potentia passiva<br />

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Wilhelm Schmidt-Biggemann


<strong>Robert</strong> <strong>Fludds</strong> Weltschema<br />

gedeutet. In diesem Falle ist der schlechthinnige Anfang der Kraft im h Jot repräsentiert,<br />

während das v He die erste, himmlisch-empyraeische potentia passiva<br />

ist. Diese Bedeutung symbolisieren die beiden ersten Buchstaben <strong>des</strong> Tetragramms,<br />

das Jah vh. Dieses Jah indiziert die Realwerdung Gottes in sich selbst<br />

und ist zugleich Zeichen <strong>des</strong> <strong>göttlichen</strong> Lebens, das sich selbst gebiert. Insofern<br />

ist das He das Zeichen <strong>des</strong> <strong>göttlichen</strong> Lebens und <strong>des</strong> Wortes, das bei Gott ist.<br />

Die Dignität <strong>des</strong> Jot h und <strong>des</strong> He v läßt sich auch zahlenmystisch belegen: Jot h<br />

(10) ist mit dem Aleph t (1) verwandt, und dieses Aleph ist die Einheit, die mit<br />

dem Nichts koinzidiert (Aleph tenebrosum); insofern symbolisiert das h (Jot =<br />

10) in sich das α und das ω, das erste und das letzte; es enthält zugleich den<br />

Zahlenwert der beiden v (He = 5). Hier zeigt sich, wie die göttliche Kraft alles in<br />

allem ist.<br />

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