5. Modul 1 - www forumaugsburg de
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<strong>5.</strong> <strong>Modul</strong> 1: Small Company Act – mehr Freiheit<br />
für kleine Unternehmen<br />
„Manche Leute halten <strong>de</strong>n Unternehmer<br />
für einen räudigen Wolf, <strong>de</strong>n man totschlagen müsse.<br />
An<strong>de</strong>re sehen in ihm eine Kuh,<br />
die man ununterbrochen melken könne.<br />
Nur wenige erkennen in ihm das Pferd, das <strong>de</strong>n Karren zieht.“<br />
(Winston Churchill)<br />
67
<strong>5.</strong>1. Zusammenfassung<br />
<strong>5.</strong>1.1. Ausgangslage<br />
Im Laufe <strong>de</strong>r Projektarbeit beschäftigte sich die Kommission intensiv mit<br />
Klein- und mittelständischen Unternehmen. Sie waren es, die sich zu<br />
mehr als 95% an <strong>de</strong>r Online-Umfrage beteiligten. Sie <strong>de</strong>ckten 80% unser<br />
persönlichen Interviews ab; sie waren in unseren Unternehmens-<br />
Hearings dominierend.<br />
Unternehmer, die kleine und mittlere Unternehmen führen, sind das<br />
Rückgrat <strong>de</strong>r bayerischen Wirtschaft. Allgemein wird ein Unternehmen<br />
<strong>de</strong>m Mittelstand zugerechnet, wenn es weniger als 500 Mitarbeiter hat.<br />
Diese Gruppe von Unternehmen sind eine zentrale Säule <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Wirtschaft. Von <strong>de</strong>n rund 2,9 Millionen Unternehmen haben 99% unter<br />
500 Mitarbeiter. Diese Unternehmen beschäftigen rund 72% <strong>de</strong>r Erwerbstätigen,<br />
bil<strong>de</strong>n 83% <strong>de</strong>r Lehrlinge aus und leisten ca. 49% <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Bruttowertschöpfung.<br />
In einer ersten Arbeitshypothese hat die Kommission die Grenze ebenfalls<br />
bei 500 Beschäftigten gezogen. Innerhalb dieser Gruppe ergaben<br />
sich aber be<strong>de</strong>utsame Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Belastung durch bürokratische<br />
Hemmnisse nach <strong>de</strong>r Größe:<br />
So stellte die Kommission zum Beispiel fest, dass für Unternehmen bis<br />
einschließlich 20 Beschäftigte die Bürokratiekosten und die damit einhergehen<strong>de</strong>n<br />
Opportunitätskosten häufig ein Existenzproblem darstellen<br />
– bei einer Umsatzrendite um 2% können Bürokratiekosten in ähnlicher<br />
Höhe in <strong>de</strong>r Tat existenzbedrohend sein.<br />
Bei Unternehmen mit um die 50 bis ca. 500 Beschäftigten fungiert die<br />
Bürokratie häufig nicht so sehr als Existenzproblem, son<strong>de</strong>rn vielmehr<br />
als Wachstumsbremse.<br />
Die Analyseergebnisse bei Großunternehmen (größer als 500 Mitarbeiter)<br />
überraschten weniger. Bürokratie stellt dort zwar ebenfalls ein Ärgernis<br />
dar, wird aber eher als ein „Kostenproblem” empfun<strong>de</strong>n. So haben<br />
die befragten Großunternehmen wie Siemens, BMW, Allianz etc.<br />
sich gegenüber <strong>de</strong>r Bürokratieorganisation von Brüssel bis zur Kommune<br />
in gewisser Weise spiegelbildlich aufgestellt.<br />
Ganz beson<strong>de</strong>res Augenmerk hat die Kommission <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>n Kleinunternehmen<br />
gewidmet: Unternehmen bis einschließlich 20 Beschäftigte,<br />
die richtigerweise nicht mehr als Mittelstand bezeichnet wer<strong>de</strong>n kön-<br />
68
nen, son<strong>de</strong>rn – je<strong>de</strong>nfalls für die Arbeit <strong>de</strong>r Kommission – als Kleinunternehmen<br />
bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Diese Unternehmen sind prototypisch für<br />
das Handwerk, für <strong>de</strong>n Gaststättenbetrieb, für <strong>de</strong>n Einzelhan<strong>de</strong>l, für das<br />
Transportgewerbe, aber auch in <strong>de</strong>r Industrie für die Textilbranche, das<br />
Verlagswesen sowie für freie und beraten<strong>de</strong> Berufsgruppen etc.<br />
Nach Schätzungen <strong>de</strong>r Kommission hat hier ein typisches Unternehmen<br />
bei zehn Beschäftigten eine Bruttolohnsumme von etwa 300.000 Euro.<br />
Der Gesamtumsatz beträgt um die 500.000 Euro und <strong>de</strong>r Gewinn <strong>de</strong>s<br />
Unternehmens um die <strong>5.</strong>000 bis 10.000 Euro. Für diesen Gewinn arbeitet<br />
<strong>de</strong>r Eigentümer <strong>de</strong>s Unternehmens im Regelfall 12 bis 14 Stun<strong>de</strong>n<br />
am Tag, nicht selten arbeitet er auch an <strong>de</strong>n Wochenen<strong>de</strong>n, verzichtet<br />
auf einen Großteil seines Urlaubs und hat eine personifizierte Verantwortung<br />
für das Geschäft, die ihn auch in <strong>de</strong>r Freizeit nicht loslässt. Er<br />
muss die Unwägbarkeiten <strong>de</strong>s Geschäftsablaufes (Krankheit einzelner<br />
Mitarbeiter, Ausfall einzelner Kun<strong>de</strong>n, Verzögerungen in <strong>de</strong>r Belieferung,<br />
Bauauflagen etc.) meist alleine abfe<strong>de</strong>rn, da er nicht auf einen Stab o<strong>de</strong>r<br />
weitere Geschäftsführer zurückgreifen kann.<br />
Beispielhaft beschrieb dies ein nie<strong>de</strong>rbayerischer Teilnehmer eines<br />
Hearrings, <strong>de</strong>r sagte, dass er sich 24 Stun<strong>de</strong>n, sieben Tage in <strong>de</strong>r Woche<br />
mit <strong>de</strong>m Unternehmenszweck i<strong>de</strong>ntifiziere. Wenn er einen Mitarbeiter<br />
entlassen müsse, so habe er später häufig Begegnungen mit <strong>de</strong>m<br />
Entlassenen, die es ihm sehr schwer machten, die Entscheidung „sozial“<br />
zu verarbeiten. Das Wohl und Wehe eines kleinen Unternehmens<br />
wie das seinige bewege nicht selten ein ganzes Dorf.<br />
Dieser Unternehmertyp fühlt sich trotz <strong>de</strong>r Mitgliedschaft in seinen<br />
Kammern und Verbän<strong>de</strong>n (IHK, HWK etc.) nur unzureichend vertreten.<br />
Dieser Eigentümer-Unternehmer mit bis einschließlich 20 Mitarbeitern<br />
ist in <strong>de</strong>n letzten Jahren in <strong>de</strong>r korporatistischen Struktur unserer Gesellschaft<br />
zu kurz gekommen. Während er in <strong>de</strong>r Vergangenheit klagte,<br />
individuell, meist verhalten, selten als Gruppe, wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Gesprächen<br />
<strong>de</strong>r Kommission <strong>de</strong>utlich, dass er vielfach kurz vor <strong>de</strong>m Aufgeben steht.<br />
So berichtete ein Unternehmer stellvertretend für viele, dass er das<br />
Geschäft aufgebe, weil es ein teures Hobby gewor<strong>de</strong>n sei, weil er nicht<br />
mehr bereit sei, Privatvermögen zuzuschießen und weil er mit <strong>de</strong>n Unwägbarkeiten<br />
<strong>de</strong>r aktuellen wirtschaftlichen Situation nicht mehr fertig<br />
wer<strong>de</strong>.<br />
Wenn es bei etablierten Unternehmen – wie <strong>de</strong>rzeit bei vielen Handwerksbetrieben<br />
und Händlern – zur Betriebsschließung kommt, sind<br />
69
diese meist für immer. Der Unternehmer zieht sich ins Privatleben zurück<br />
o<strong>de</strong>r er versucht, wenn er jünger ist, ein „neues Leben“ als Angestellter.<br />
Wer <strong>de</strong>n dramatischen Rückgang <strong>de</strong>r Selbstständigenzahlen und <strong>de</strong>n<br />
damit verbun<strong>de</strong>nen Verlust an Arbeitsplätzen beklagt, wird bei <strong>de</strong>r Suche<br />
nach <strong>de</strong>n Ursachen zuallererst auf die Rahmenbedingungen blicken,<br />
die für die Entscheidung maßgeblich sind, sich selbstständig zu machen<br />
und an<strong>de</strong>re Menschen zu beschäftigen.<br />
Ein wichtiges Problem <strong>de</strong>r Kleinunternehmen ist sicher <strong>de</strong>r Mangel an<br />
Liquidität. Dies wur<strong>de</strong> auch in vielen Interviews von <strong>de</strong>n Unternehmern<br />
hervorgehoben. Viele Unternehmer bringen die zunehmen<strong>de</strong>n Liquiditätsprobleme<br />
mit <strong>de</strong>r Vorstellung <strong>de</strong>s 2. Baseler Akkords („Basel II”)<br />
durch <strong>de</strong>n Ausschuss für Bankaufsicht im Januar 2001 in Verbindung.<br />
Beson<strong>de</strong>rs für kleine und mittelständische Unternehmen ist es erheblich<br />
schwieriger gewor<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>n Banken Kredite zu bekommen. Die Eigenkapitalanfor<strong>de</strong>rungen<br />
sowie verän<strong>de</strong>rte Risikoabstufungen ergeben,<br />
dass insbeson<strong>de</strong>re kleine und junge Unternehmen, die nicht über große<br />
finanzielle Polster verfügen, von <strong>de</strong>n Banken <strong>de</strong> facto kein Geld bekommen<br />
– sei es Startup-Kapital o<strong>de</strong>r seien es Überbrückungskredite.<br />
Den Ergebnissen <strong>de</strong>r Kommission zufolge ist das wichtigste Problem<br />
aber <strong>de</strong>r Umgang mit <strong>de</strong>r Bürokratie. Knapp 70% <strong>de</strong>r Unternehmer mit<br />
bis einschließlich 20 Mitarbeitern, die an <strong>de</strong>r Online-Umfrage <strong>de</strong>r Kommission<br />
teilgenommen haben, sahen sich durch bürokratische Hemmnisse<br />
in ihrer unternehmerischen Freiheit stark eingeschränkt. Erst danach<br />
folgten mit großem Abstand an<strong>de</strong>re Hemmnisse wie die schlechte<br />
Auftragslage (50%) und <strong>de</strong>r Mangel an Liquidität/Finanzierung (45%).<br />
Die Bürokratie hat ein Ausmaß erreicht, das vom Schritt in die Selbstständigkeit<br />
abhalten o<strong>de</strong>r ein existieren<strong>de</strong>s Unternehmen zur Aufgabe<br />
zwingen kann. Ein Kleinunternehmer hat die Bürokratiebelastung in <strong>de</strong>r<br />
Online-Umfrage beispielhaft so beschrieben: „Die allgemeine Gesetzesund<br />
Vorschriftenflut macht uns immer abhängiger von verschie<strong>de</strong>nen<br />
Beratern, vernichtet Zeit und Energie, die für die praktische Betriebsführung<br />
und fachliche Weiterbildung viel wichtiger wäre, vergällt einem die<br />
Lust, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen. Wir haben einfach das Gefühl,<br />
dass dies Metho<strong>de</strong> hat: Hinter je<strong>de</strong>m Gesetz und je<strong>de</strong>r Vorschrift steht<br />
ein Verwaltungsapparat, <strong>de</strong>r um seine Existenzsicherung bemüht ist,<br />
und dies wird (verklausuliert und verschanzt hinter manchem fa<strong>de</strong>nscheinigen<br />
Argument wie EU, ISO-Zertifizierung etc.) weit gehend auf<br />
70
unserem Rücken ausgetragen. Wir fühlen uns hier oft im Stich gelassen<br />
und das macht die Stimmung, die jetzt überall so bejammert wird.“<br />
Gera<strong>de</strong> Kleinunternehmern drohen an <strong>de</strong>n bürokratischen und regulieren<strong>de</strong>n<br />
Hemmnissen zu scheitern. Im Gegensatz zu größeren Unternehmen<br />
verfügen sie in <strong>de</strong>r Regel we<strong>de</strong>r über genügend Know-how<br />
noch über die personellen Ressourcen, die bürokratischen Lasten neben<br />
ihren eigentlichen Kernaufgaben selbst schultern zu können. Oft fehlen<br />
auch die finanziellen Mittel, um auf externe Hilfen ausweichen zu können.<br />
Die Kommission hat es sich <strong>de</strong>shalb im Verlaufe ihrer Arbeit zur Aufgabe<br />
gemacht, beson<strong>de</strong>rs diesem Unternehmenstypus (bis einschließlich 20<br />
Beschäftigte) ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Die Kommission hält es<br />
für zentral, dieser Gruppe beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeit zu schenken, da<br />
die Fortexistenz dieser Unternehmensgruppe und womöglich auch die<br />
Chance eines weiteren Ausbaus ihrer Beschäftigtenzahlen durch eine<br />
beherzte Rückführung regulativer und bürokratischer Belastungen ganz<br />
entschei<strong>de</strong>nd beeinflusst wer<strong>de</strong>n können.<br />
<strong>5.</strong>1.2. Zielsetzung<br />
Vorrangiges Ziel muss es sein, Kleinunternehmen bis zu einem Schwellenwert<br />
von 20 Mitarbeitern (beziehungsweise ausnahmsweise auch<br />
nach an<strong>de</strong>ren geeigneten Kriterien) grundlegend zu entlasten, um bestehen<strong>de</strong><br />
Unternehmen vom Aufgeben abzuhalten beziehungsweise<br />
neue Märkte und Beschäftigungen zu erschließen und Neugründungen<br />
wie<strong>de</strong>r attraktiver zu machen.<br />
<strong>5.</strong>1.3. Ausgestaltung<br />
Um dieses Ziel zu erreichen, schlägt die Kommission umfassen<strong>de</strong> Entlastungen<br />
für Kleinunternehmen bis einschließlich 20 Mitarbeiter vor.<br />
Bei <strong>de</strong>r Berechnung dieses Schwellenwerts sind Teilzeitbeschäftigte in<br />
Vollzeitäquivalenten („pro rata“) zu berücksichtigen; Ausbildungsverhältnisse<br />
bleiben unberücksichtigt.<br />
Die wichtigsten Ansätze sind:<br />
Entlastung beim Kündigungsschutz: Die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Kündigungsschutzgesetzes<br />
wird von <strong>de</strong>rzeit mehr als fünf auf mehr als<br />
20 Mitarbeiter erhöht; Kleinbetriebe wer<strong>de</strong>n dadurch von <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>s sozialen Kündigungsschutzrechts entlastet.<br />
71
Freistellung vom Teilzeit- und Befristungsgesetz: Der Anspruch<br />
<strong>de</strong>r Arbeitnehmer auf individuell gestaltete Arbeitszeit wird auf Arbeitgeber<br />
jenseits <strong>de</strong>s Schwellenwerts beschränkt; die Möglichkeiten<br />
zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen wer<strong>de</strong>n ausgeweitet.<br />
Flexibilisierung <strong>de</strong>s Arbeitszeitrechts: Kleinunternehmen erhalten<br />
die Möglichkeit, die werktägliche Arbeitszeit künftig auf bis zu zwölf<br />
Stun<strong>de</strong>n zu verlängern; freiwillige Mehrarbeit <strong>de</strong>r Mitarbeiter wird generell,<br />
das heißt ohne Höchstgrenze, von <strong>de</strong>n Sanktionen <strong>de</strong>s Arbeitszeitgesetzes<br />
ausgenommen.<br />
Freistellung von <strong>de</strong>n Detailregelungen <strong>de</strong>r Arbeitsstättenverordnung:<br />
Kleinunternehmen wer<strong>de</strong>n von sämtlichen Detailregelungen<br />
<strong>de</strong>r Arbeitsstättenverordnung freigestellt; <strong>de</strong>ren Steuerungsleistung<br />
übernehmen (existieren<strong>de</strong>) Generalklauseln, begleitet von einer groben<br />
behördlichen Missbrauchskontrolle.<br />
Entlastung bei <strong>de</strong>r betrieblichen Mitbestimmung: Kleinbetriebe bis<br />
einschließlich 20 Arbeitnehmer wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Anwendbarkeit <strong>de</strong>s<br />
Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen.<br />
Lösungsmöglichkeiten von <strong>de</strong>r Tarifbindung: Die Fortwirkung <strong>de</strong>r<br />
Tarifbindung sollte generell abgeschafft wer<strong>de</strong>n; betriebliche Bündnisse<br />
für Arbeit sollten unabhängig von <strong>de</strong>n Regelungen eines Tarifvertrags<br />
stets zulässig sein.<br />
Optionales Abbuchungsverfahren für Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge:<br />
Kleinunternehmer sollten die Möglichkeit erhalten,<br />
an einem zentralen Abbuchungsverfahren für Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge<br />
teilzunehmen, und dadurch von <strong>de</strong>ren Berechnung<br />
entlastet wer<strong>de</strong>n.<br />
Einnahmen- und Ausgabenrechnung statt Bilanzierungspflichten:<br />
Unternehmen mit bis zu 1 Millionen. Euro Jahresumsatz beziehungsweise<br />
bis zu 100.000 Euro Jahresgewinn sollten künftig von <strong>de</strong>n steuerlichen<br />
Buchführungspflichten freigestellt wer<strong>de</strong>n. Als Jahresabschluss<br />
genügt damit wahlweise eine einfache Einnahmen-Ausgaben-<br />
Überschussrechnung.<br />
Die im Folgen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>tailliert beschriebenen Entlastungen für Kleinunternehmen<br />
verfolgen – bereits je<strong>de</strong> für sich genommen – wichtige Ziele.<br />
Sie steuern regulativen und bürokratischen Fehlentwicklungen <strong>de</strong>r vergangenen<br />
Jahre und Jahrzehnte entgegen, die <strong>de</strong>r aktuellen wirtschaftli-<br />
72
chen Situation von Kleinunternehmen nicht mehr angemessen sind. In<br />
<strong>de</strong>r Summe aber sind sie ein Son<strong>de</strong>rrecht für Kleinunternehmen, eine<br />
Art „Wirtschaftsrecht light“, das speziell Kleinunternehmen entlastet<br />
und gera<strong>de</strong> dieser in Bedrängnis geratenen Gruppe wirtschaftliche Perspektiven<br />
zurückgeben und sie zum Weitermachen ermutigen beziehungsweise<br />
Neugründungen anstoßen soll.<br />
Die Kommission empfiehlt, nach geeigneten Möglichkeiten zu suchen,<br />
dieses Son<strong>de</strong>rrecht für Kleinunternehmen im Interesse einer größeren<br />
Transparenz und besseren Handhabbarkeit als „Small Company Act“<br />
zu kodifizieren.<br />
Darüber hinaus sorgen natürlich auch viele an<strong>de</strong>re Vorschläge <strong>de</strong>r Kommission<br />
wie beispielsweise die Befreiung von statistischen Auskunftspflichten<br />
sowie eine <strong>de</strong>utliche Entlastung bei technischen Betriebsprüfungen<br />
und Kontrollen für zusätzliche Entlastungen von Kleinunternehmen.<br />
<strong>5.</strong>1.4. Auswirkungen<br />
Die Kommission erwartet von diesen Maßnahmen nicht nur eine dramatische<br />
Entlastung <strong>de</strong>r Kleinunternehmen und -betriebe von regulatorischen<br />
Hemmnissen, die das Überleben bestehen<strong>de</strong>r Unternehmen auf<br />
Dauer sicherstellen kann und Neugründungen wirtschaftlich attraktiver<br />
macht. Sie hofft, vor allen Dingen auch ein <strong>de</strong>utliches Zeichen zu setzen,<br />
das dazu beiträgt, <strong>de</strong>n Stellenwert <strong>de</strong>s Unternehmers in <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />
wie<strong>de</strong>r ins rechte Licht zu rücken und die gedrückte Stimmung in<br />
<strong>de</strong>r Unternehmerschaft aufzuhellen, die beispielhaft von einem Unternehmer<br />
in <strong>de</strong>r Online-Befragung wie folgt beschrieben wur<strong>de</strong>:<br />
„Nach drei Jahren Unternehmerdasein, davon zwei Jahre mit Schlaflosigkeit,<br />
Zähne-Zusammenbeißen, 60-Stun<strong>de</strong>n-Wochen, Einschränkungen<br />
<strong>de</strong>r Familie, Urlaubslosigkeit (zehn Tage in zwei Jahren) wird man<br />
hart und erwartet eigentlich nix mehr, schon gar keinen Dank o<strong>de</strong>r Belobigung,<br />
ich habe es ja freiwillig angefangen. Kein Unternehmer, <strong>de</strong>n ich<br />
kenne, erwartet Dankesadressen, Or<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Liebesschwüre. Nur Respekt<br />
erwarten wir, wie je<strong>de</strong>r freie Bürger. Respekt für <strong>de</strong>n Mut, ein<br />
Risiko auf sich zu nehmen, Arbeitsplätze zu schaffen, nicht zu jammern,<br />
son<strong>de</strong>rn zu han<strong>de</strong>ln. Im heutigen Deutschland gibt es für mutige, risikobereite<br />
Menschen, die Arbeitsplätze schaffen, keinen Respekt, son<strong>de</strong>rn<br />
nur vorauseilen<strong>de</strong>n Neid. Aber das ist eine Aufgabe, die man nicht mit<br />
einer Deregulierungskommission erledigen kann.“<br />
73
Im Rahmen ihrer Arbeit hat die Kommission eine Vielzahl solcher sehr<br />
bitteren Aussagen gesammelt. Angesichts <strong>de</strong>r vielfach verkannten Be<strong>de</strong>utung<br />
dieser Gesellschaftsgruppe für das wirtschaftliche Wohlergehen<br />
will die Kommission mit <strong>de</strong>m „Small Company Act“ hier nachhaltig<br />
entgegensteuern. Ohne die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n <strong>Modul</strong>e zu<br />
schwächen, kann das hier postulierte „Wirtschaftsrecht light“ für Kleinunternehmen<br />
als das Herzstück <strong>de</strong>r Kommissionsempfehlungen gelten.<br />
74
<strong>5.</strong>2. Entlastungen beim Kündigungsschutz<br />
<strong>5.</strong>2.1. Ausgangslage<br />
Betriebsbedingte Kündigungen sind für kleine Unternehmen ein kaum<br />
mehr kalkulierbares und zum Teil existenzgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Risiko angesichts<br />
eines weit reichen<strong>de</strong>n sozialen Kündigungsschutzrechts, das die<br />
arbeitsgerichtliche Rechtsprechung seit Jahrzehnten weiter ausgeformt<br />
und ausdifferenziert hat.<br />
Nach gelten<strong>de</strong>m Recht ist die betriebsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers,<br />
<strong>de</strong>ssen Arbeitsverhältnis in <strong>de</strong>mselben Betrieb länger als<br />
sechs Monate bestan<strong>de</strong>n hat, in Betrieben mit in <strong>de</strong>r Regel mehr als<br />
fünf Arbeitnehmern unwirksam, sofern Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten<br />
in <strong>de</strong>mselben Betrieb o<strong>de</strong>r einem an<strong>de</strong>ren Betrieb <strong>de</strong>s Unternehmens<br />
bestehen. Die Kündigung ist ferner unwirksam, wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
bei <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r zu kündigen<strong>de</strong>n Arbeitnehmer soziale<br />
Kriterien wie Dauer <strong>de</strong>r Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und familiäre<br />
Verhältnisse nicht ausreichend berücksichtigt hat. Unabhängig davon ist<br />
die Kündigung unwirksam, wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeber die Sozialauswahl unzutreffend<br />
beziehungsweise nicht ausreichend begrün<strong>de</strong>t. Die Rechtsprechung<br />
hat zu all diesen Kriterien in über drei Jahrzehnten eine mittlerweile<br />
ausufern<strong>de</strong> Kasuistik entwickelt.<br />
Sozial unwirksame betriebsbedingte Kündigungen können <strong>de</strong>n Arbeitgeber<br />
erheblich belasten. Sofern <strong>de</strong>r Arbeitnehmer die Unwirksamkeit <strong>de</strong>r<br />
Kündigung innerhalb von drei Wochen gerichtlich geltend macht, muss<br />
<strong>de</strong>r Arbeitgeber ihn grundsätzlich weiterbeschäftigen. Dieser Anspruch<br />
ist nur dann ausgeschlossen, falls die Fortsetzung <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses<br />
unzumutbar ist. In diesem Fall steht <strong>de</strong>m Arbeitnehmer eine Abfindung<br />
zu, über <strong>de</strong>ssen Höhe das Arbeitsgericht nach billigem Ermessen<br />
entschei<strong>de</strong>t. Vor allem aber schul<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Arbeitgeber im Falle einer sozial<br />
unwirksamen Kündigung bis zur rechtskräftigen Gerichtsentscheidung<br />
<strong>de</strong>n vereinbarten Arbeitslohn. Da ein Rechtsstreit vor <strong>de</strong>m Arbeitsgericht<br />
bis zu einem Jahr o<strong>de</strong>r länger dauern kann, kann sich <strong>de</strong>r Nachzahlungsbetrag<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers je gekündigtem Arbeitnehmer durchaus<br />
auf ein Jahresgehalt o<strong>de</strong>r mehr belaufen. Von diesem Betrag wie<strong>de</strong>rum<br />
erhält <strong>de</strong>r Arbeitnehmer nur die Differenz zwischen Lohnanspruch und<br />
ausgezahltem Arbeitslosengeld (bei einer Nachzahlungspflicht <strong>de</strong>s Arbeitgebers<br />
in Höhe von 50.000 Euro also möglicherweise nur wenige<br />
75
tausend Euro). Der ökonomische Nutzen steht daher selten in einem<br />
vernünftigen Verhältnis zu <strong>de</strong>n Lasten.<br />
Die aktuell gültigen Regelungen <strong>de</strong>s allgemeinen Kündigungsschutzes<br />
erschweren beson<strong>de</strong>rs das unternehmerische Han<strong>de</strong>ln von Kleinbetrieben.<br />
Unternehmen mit mehr als fünf Arbeitnehmern können angesichts<br />
<strong>de</strong>r Hür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Kündigungsschutzes auf Auftrags- und Umsatzrückgänge<br />
nur sehr schwerfällig und nur selten wirtschaftlich angemessen reagieren.<br />
Der Unternehmer hat nicht die Möglichkeit, in wirtschaftlichen<br />
Krisensituationen auf die Leistungsträger im Betrieb zu setzen und sich<br />
von weniger leistungsstarken Mitarbeitern zu trennen, wenn dies <strong>de</strong>n<br />
Kriterien <strong>de</strong>r Sozialauswahl wi<strong>de</strong>rspricht. Aber gera<strong>de</strong> Kleinunternehmer<br />
sind häufig eher als größere Unternehmen gezwungen, auf wechseln<strong>de</strong><br />
wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Auftragslagen auch rasch mit<br />
Personalabbau zu reagieren.<br />
Die von <strong>de</strong>r Rechtsprechung immer feiner gesponnenen Kriterien <strong>de</strong>r<br />
Sozialauswahl und die Begründungsanfor<strong>de</strong>rungen sind mittlerweile so<br />
differenziert und komplex, dass sie ein Kleinunternehmer kaum mehr<br />
überschauen, geschweige <strong>de</strong>nn handhaben kann. Er wird sich entwe<strong>de</strong>r<br />
von vornherein rechtskundiger, aber auch kostenträchtiger professioneller<br />
Hilfe bedienen. O<strong>de</strong>r er geht das Risiko ein, mit <strong>de</strong>r Kündigung vor<br />
<strong>de</strong>m Arbeitsgericht zu unterliegen und Lohnnachzahlungen sowie Abfindungen<br />
in einer Größenordnung zu zahlen, die seine jährliche Gewinnerwartung<br />
<strong>de</strong>utlich übersteigen können.<br />
Im ländlichen Raum unterliegen Kleinunternehmen zu<strong>de</strong>m sehr starken<br />
sozialen Kontrollmechanismen. Sie wer<strong>de</strong>n vom Kündigungsrecht <strong>de</strong>shalb<br />
ohnehin erst Gebrauch machen, wenn die wirtschaftlichen Spielräume<br />
absolut ausgereizt sind, eine Kündigung also wirtschaftlich unabwendbar<br />
ist. Gera<strong>de</strong> in diesen Situationen, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
wirtschaftlich mit <strong>de</strong>m Rücken zur Wand steht, ist das gelten<strong>de</strong> Kündigungsschutzrecht<br />
für Kleinunternehmen existenzgefähr<strong>de</strong>nd.<br />
Die Schlussfolgerungen haben zahlreiche Kleinunternehmer in Interviews<br />
und bei <strong>de</strong>r Online-Umfrage <strong>de</strong>utlich beschrieben: „Wir wür<strong>de</strong>n<br />
gern zusätzliche Leute anstellen, wenn wir die Chance hätten, in weniger<br />
guten Geschäftsperio<strong>de</strong>n auch wie<strong>de</strong>r Mitarbeiter entlassen zu können.<br />
Aber unter <strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Regelungen ‚fahren’ wir lieber je<strong>de</strong>n<br />
Mitarbeiter mit 150%, als einen neuen Mitarbeiter einzustellen, von <strong>de</strong>m<br />
wir nicht sicher sind, ob er in zwei, drei Jahren noch erfor<strong>de</strong>rlich ist.<br />
Kündigungsschutz verhin<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>finitiv Neueinstellungen.“<br />
76
<strong>5.</strong>2.2. Zielsetzung<br />
Angesichts <strong>de</strong>s dringen<strong>de</strong>n Handlungsbedarfes empfiehlt die Kommission,<br />
Kleinbetriebe bis einschließlich 20 Arbeitnehmer von <strong>de</strong>n dargestellten<br />
Unwägbarkeiten <strong>de</strong>s sozialen Kündigungsschutzrechts zu entlasten.<br />
<strong>5.</strong>2.3. Ausgestaltung<br />
Der Anwendungsbereich <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s Kündigungsschutzgesetzes<br />
soll <strong>de</strong>shalb auf eine Betriebsgröße ab 20 Arbeitnehmer<br />
angehoben wer<strong>de</strong>n. Kleinbetriebe unterhalb <strong>de</strong>s Schwellenwerts<br />
können dann auf Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
flexibler reagieren. Sie sind <strong>de</strong>n Unwägbarkeiten und finanziellen<br />
Risiken <strong>de</strong>s Kündigungsschutzrechts nicht mehr ausgeliefert.<br />
Betriebe über <strong>de</strong>m Schwellenwert von 20 Arbeitnehmern sind in <strong>de</strong>r<br />
Personalbewirtschaftung in <strong>de</strong>r Regel flexibler und können die Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>s sozialen Kündigungsschutzes besser abfe<strong>de</strong>rn. Sie verfügen<br />
überdies auch eher über professionelle Kompetenzen in <strong>de</strong>r Personalverwaltung<br />
(Personalabteilung), können also auch die formalen Auswahlund<br />
Begründungsanfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s allgemeinen Kündigungsschutzes<br />
leichter schultern. In <strong>de</strong>r Abwägung <strong>de</strong>r Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen<br />
erscheinen die Kündigungsschutzvorschriften für größere<br />
Betriebe mit 20 und mehr Arbeitnehmern eher hinnehmbar.<br />
<strong>5.</strong>2.4. Umsetzung<br />
Die Anhebung <strong>de</strong>s Schwellenwerts für <strong>de</strong>n sozialen Kündigungsschutz<br />
fällt in die Regelungszuständigkeit <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgesetzgebers. Die Kommission<br />
empfiehlt <strong>de</strong>r Bayerischen Staatsregierung eine entsprechen<strong>de</strong><br />
Bun<strong>de</strong>sratsinitiative.<br />
77
<strong>5.</strong>3. Freistellung vom Teilzeit- und Befristungsgesetz<br />
<strong>5.</strong>3.1. Ausgangslage<br />
Nach aktueller Rechtslage haben Arbeitnehmer einen Anspruch darauf,<br />
ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringern zu dürfen, sofern betriebliche<br />
Grün<strong>de</strong> nicht entgegenstehen. Diesen Rechtsanspruch gewährt<br />
das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Teilzeit- und Befristungsgesetz<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s. Die Regelungen gelten für Arbeitnehmer, die<br />
sich länger als sechs Monate in einem festen Arbeitsverhältnis befin<strong>de</strong>n.<br />
Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die ihren Wunsch nach Verlängerung<br />
ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt haben, hat <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
bei <strong>de</strong>r Besetzung eines entsprechen<strong>de</strong>n freien Arbeitsplatzes<br />
bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei <strong>de</strong>nn, dass<br />
dringen<strong>de</strong> betriebliche Grün<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Arbeitszeitwünsche an<strong>de</strong>rer Teilzeitbeschäftigter<br />
entgegenstehen. An<strong>de</strong>rerseits kann ein Arbeitgeber<br />
seine Mitarbeiter nicht zwingen, von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis<br />
zu wechseln o<strong>de</strong>r umgekehrt. Eine damit motivierte Kündigung<br />
wäre unwirksam.<br />
Sachgrundlose Befristungen eines Arbeitsverhältnisses lässt das Gesetz<br />
heute nur bis zur Höchstdauer von zwei Jahren zu. Wird das Arbeitsverhältnis<br />
nach Ablauf <strong>de</strong>r Zeit, für die es eingegangen ist, o<strong>de</strong>r nach<br />
Zweckerreichung fortgesetzt, gilt es als auf unbestimmte Zeit verlängert,<br />
wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeber nicht unverzüglich wi<strong>de</strong>rspricht. Ist die Befristung<br />
rechtsunwirksam, fingiert das Gesetz ebenfalls eine unbefristete<br />
Geltung <strong>de</strong>s Arbeitsvertrags.<br />
Die Ansprüche <strong>de</strong>r Arbeitnehmer auf eine individuelle Gestaltung ihrer<br />
Arbeitszeit können gera<strong>de</strong> in Kleinunternehmen zu einem eklatanten<br />
Konflikt mit betrieblichen Notwendigkeiten führen. Dies beeinträchtigt<br />
Kleinunternehmen mit ihrer ohnehin begrenzten Personal<strong>de</strong>cke und<br />
stark eingeengten Spielräumen erheblich. Das Unternehmen kann <strong>de</strong>m<br />
Arbeitnehmer zwar theoretisch betriebliche Bedürfnisse entgegenhalten;<br />
für <strong>de</strong>ren Vorliegen trägt es aber die Beweislast und damit letztlich<br />
das Durchsetzungsrisiko.<br />
Im Übrigen sind die im Teilzeit- und Befristungsgesetz festgeschriebenen<br />
Rechtsansprüche geeignet, das eher persönliche und durch gegen-<br />
78
seitige Rücksichtnahme und Entgegenkommen geprägte Betriebsklima<br />
in Kleinunternehmen zu verrechtlichen und zu beschädigen und gegebenfalls<br />
durch ein juristisches „Powerplay“ zwischen Anwälten zu ersetzen.<br />
Diese Rechtsansprüche wirken <strong>de</strong>shalb auch aus Arbeitnehmersicht<br />
oft kontraproduktiv.<br />
Die bisherigen Erfahrungen <strong>de</strong>uten an, dass ein Gesetz – in guter Absicht<br />
– gemacht wor<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>ssen Handhabung in <strong>de</strong>r Praxis erheblichen<br />
bürokratischen Aufwand ohne sinnvollen Nutzen stiftet. Viele Interviewpartner<br />
beklagten die damit einhergehen<strong>de</strong> Verrechtlichung und<br />
Verkomplizierung <strong>de</strong>r Arbeitsbeziehungen. Ein Unternehmer in <strong>de</strong>r Online-Umfrage<br />
fragte etwa: „Was soll das Recht auf Teilzeit? Je<strong>de</strong>s Unternehmen<br />
wird einen guten Mitarbeiter, wenn irgend möglich, auch in<br />
Teilzeit halten. Der rechtliche Anspruch auf Teilzeit för<strong>de</strong>rt lediglich eine<br />
völlig unnötige Polarisierung zwischen Unternehmer und Beschäftigten.<br />
Die Leidtragen<strong>de</strong>n sind die Beschäftigten.“<br />
Aufgrund <strong>de</strong>r Fremdbestimmung durch das Teilzeit-/Befristungsgesetz<br />
können Kleinunternehmen nicht flexibel und rasch genug auf verän<strong>de</strong>rte<br />
wirtschaftliche Rahmenbedingungen und schwanken<strong>de</strong> Auftragslagen<br />
reagieren. Dieser Effekt wird selbst durch eine Lockerung <strong>de</strong>s Kündigungsschutzes<br />
nur teilweise behoben.<br />
<strong>5.</strong>3.2. Zielsetzung<br />
Die Kommission empfiehlt, Kleinunternehmen bis einschließlich 20 Arbeitnehmer<br />
generell von <strong>de</strong>n Regelungen <strong>de</strong>s Teilzeit- und Befristungsgesetzes<br />
freizustellen.<br />
<strong>5.</strong>3.3. Ausgestaltung<br />
Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes ist für Kleinunternehmen<br />
entsprechend einzuschränken.<br />
Damit wird <strong>de</strong>r Anspruch <strong>de</strong>r Arbeitnehmer nach individuell gestalteter<br />
Arbeitszeit und möglichst unbefristeten, auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnissen<br />
auf Unternehmen beschränkt, die dank ihrer Personalausstattung<br />
beim Personaleinsatz flexibler reagieren und auf individuelle<br />
Interessen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eher Rücksicht nehmen<br />
können, ohne dabei betriebliche Interessen hintanstellen zu müssen.<br />
79
Gleichzeitig wer<strong>de</strong>n die Möglichkeiten zur sachgrundlosen Befristung<br />
von Arbeitsverhältnissen für Kleinunternehmen ausgeweitet.<br />
<strong>5.</strong>3.4. Umsetzung<br />
Eine Freistellung von Kleinunternehmen bis einschließlich 20 Arbeitnehmer<br />
von <strong>de</strong>r Geltung <strong>de</strong>s Teilzeit- und Befristungsgesetzes liegt in<br />
<strong>de</strong>r Gesetzgebungskompetenz <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s. Die Kommission empfiehlt<br />
<strong>de</strong>r Bayerischen Staatsregierung eine entsprechen<strong>de</strong> Bun<strong>de</strong>sratsinitiative.<br />
80
<strong>5.</strong>4. Flexibilisierung <strong>de</strong>s Arbeitszeitrechts<br />
<strong>5.</strong>4.1. Ausgangslage<br />
Das Arbeitszeitrecht gibt relativ starre Regeln für die werktägliche Arbeitszeit<br />
vor. Nach gelten<strong>de</strong>r Rechtslage ist die werktägliche Arbeitszeit<br />
auf höchstens acht Stun<strong>de</strong>n, das heißt in <strong>de</strong>r Woche auf höchstens 48<br />
Stun<strong>de</strong>n begrenzt. Eine Verlängerung auf maximal zehn Stun<strong>de</strong>n je<br />
Werktag ist zulässig, wenn innerhalb von sechs Kalen<strong>de</strong>rmonaten o<strong>de</strong>r<br />
innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stun<strong>de</strong>n werktäglich<br />
nicht überschritten wer<strong>de</strong>n. Darüber hinausgehen<strong>de</strong> Verlängerungen <strong>de</strong>r<br />
werktäglichen Arbeitszeit sind nur in außergewöhnlichen Fällen und<br />
Notsituationen zulässig.<br />
Auftragsbedingte Engpässe können vielfach in Kleinunternehmen mit<br />
<strong>de</strong>r vorhan<strong>de</strong>nen Belegschaft auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n Arbeitszeitrechts<br />
nicht angemessen bewältigt wer<strong>de</strong>n. Dem Arbeitgeber steht<br />
es natürlich offen, <strong>de</strong>n zusätzlichen Arbeitskräftebedarf über Neueinstellungen<br />
zu <strong>de</strong>cken, was durchaus im Sinne <strong>de</strong>s Gesetzgebers wäre. Für<br />
viele Unternehmen ist dies bei stark schwanken<strong>de</strong>n Auftragslagen aber<br />
zu riskant angesichts eingeschränkter Befristungsmöglichkeiten und <strong>de</strong>s<br />
Kündigungsschutzes. Die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern könnte<br />
hier zwar ein Ausweg sein. Doch diese Lösung hat nach Einschätzung<br />
<strong>de</strong>r befragten Unternehmer <strong>de</strong>n Nachteil, dass Leiharbeitnehmer häufig<br />
in fachlicher Hinsicht nicht mit <strong>de</strong>r Stammbelegschaft mithalten können<br />
und dass die bürokratischen Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Leiharbeitsverpflichtung<br />
äußerst kompliziert sind.<br />
In <strong>de</strong>r Praxis hat die Belegschaft in Kleinunternehmen für das Dilemma<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers Verständnis. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen<br />
häufig freiwillig, auftragsbedingte Engpässe zu bewältigen. Das Arbeitszeitrecht<br />
spielt für sie hierbei keine Rolle, wie <strong>de</strong>r Kommission in<br />
Interviews und Unternehmens-Hearings mehrfach bestätigt wur<strong>de</strong>: „Die<br />
Arbeitszeitordnung ist völlig veraltet und hat in unserem Bereich praktisch<br />
keine Be<strong>de</strong>utung mehr. In Kleinbetrieben ist Flexibilität bei <strong>de</strong>r<br />
Arbeitszeit ein Muss, und das wissen die Mitarbeiter.“<br />
Dieses pragmatische Vorgehen ist für <strong>de</strong>n Arbeitgeber rechtlich äußerst<br />
risikoreich. Dazu ein Blick in die einschlägigen Bußgeld- und Strafvorschriften:<br />
Wer zum Beispiel einen Arbeitnehmer über die Grenzen <strong>de</strong>r<br />
zulässigen Arbeitszeit hinaus beschäftigt und dies „beharrlich wie<strong>de</strong>r-<br />
81
holt“, hat mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr o<strong>de</strong>r mit einer<br />
Geldstrafe zu rechnen. Der Unternehmer steht „mit einem Fuß im Gefängnis“,<br />
wie ein Teilnehmer <strong>de</strong>r Online-Umfrage zu Recht befürchtet.<br />
<strong>5.</strong>4.2. Zielsetzung<br />
Angesichts dieses Auseinan<strong>de</strong>rklaffens von unternehmerischen Zwängen<br />
in Kleinunternehmen und gelten<strong>de</strong>r Rechtslage ist dringend Han<strong>de</strong>ln<br />
geboten.<br />
Die zulässige werktägliche Arbeitszeit für Kleinbetriebe bis einschließlich<br />
20 Arbeitnehmer muss flexibler gestaltet wer<strong>de</strong>n. Damit sollen Kleinunternehmen<br />
mit geringen personellen Spielräumen künftig auf Auftragsschwankungen<br />
angemessen reagieren können. Die Rechtslage soll <strong>de</strong>n<br />
im Betriebsalltag anerkannten und praktizierten Bedürfnissen angepasst<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
<strong>5.</strong>4.3. Ausgestaltung<br />
Die Kommission schlägt vor, Kleinunternehmen bis einschließlich 20<br />
Arbeitnehmer die Möglichkeit einzuräumen, die werktägliche Arbeitszeit<br />
statt auf <strong>de</strong>rzeit bis zu zehn Stun<strong>de</strong>n künftig auf bis zu zwölf Stun<strong>de</strong>n zu<br />
verlängern. Gesundheitliche Gefährdungen <strong>de</strong>r Arbeitnehmer dürften<br />
durch diese zusätzlich möglichen Stun<strong>de</strong>n per se nicht zu befürchten<br />
sein. Davon geht offensichtlich auch <strong>de</strong>r Gesetzgeber aus, <strong>de</strong>r in bestimmten<br />
Branchen sogar noch längere werktägliche Arbeitzeit zulässt.<br />
Freiwillige Mehrarbeit sollte generell, das heißt ohne Höchstgrenze, von<br />
<strong>de</strong>n gesetzlichen Sanktionen <strong>de</strong>r Bußgeld- und Strafvorschriften <strong>de</strong>s<br />
Arbeitszeitgesetzes ausgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />
Hilfsweise empfiehlt die Kommission, die Ausnahmemöglichkeiten nach<br />
§ 13 f. Arbeitszeitgesetz entwe<strong>de</strong>r im Gesetz selbst zu erweitern o<strong>de</strong>r<br />
über Verordnungsermächtigungen in die Regelungskompetenz <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />
zu geben.<br />
<strong>5.</strong>4.4. Umsetzung<br />
Die vorgeschlagenen Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Arbeitszeitgesetzes liegen in <strong>de</strong>r<br />
Regelungszuständigkeit <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgesetzgebers. Die Kommission<br />
empfiehlt <strong>de</strong>r Bayerischen Staatsregierung eine entsprechen<strong>de</strong> Bun<strong>de</strong>sratsinitiative.<br />
82
<strong>5.</strong><strong>5.</strong> Freistellung von <strong>de</strong>n Regelungen <strong>de</strong>s<br />
Arbeitsstättenrechts<br />
<strong>5.</strong><strong>5.</strong>1. Ausgangslage<br />
Die rechtlichen Anfor<strong>de</strong>rungen an Arbeitsstätten, Gaststätten und Verkaufsstätten<br />
sowie <strong>de</strong>ren Ausstattung sind äußerst fassettenreich und<br />
<strong>de</strong>tailliert geregelt. Die Regelungen geben teilweise bis in kleinste Einzelheiten<br />
vor, wie Arbeitsstätten zu belüften, zu beheizen und zu beleuchten<br />
sind. Es wird festgelegt, welche Beschaffenheit Bö<strong>de</strong>n, Wän<strong>de</strong>,<br />
Decken, Fenster und Türen aufweisen müssen. Darüber hinaus existieren<br />
<strong>de</strong>taillierte Anfor<strong>de</strong>rungen beispielsweise an Arbeits-, Pausen-,<br />
Bereitschafts-, Liege-, Umklei<strong>de</strong>-, Wasch-, Toiletten- und Sanitärräume.<br />
Hier wird teilweise zentimetergenau <strong>de</strong>finiert, welche Abmessungen je<br />
nach Arbeitnehmerzahl, täglicher Beschäftigungsdauer, Grundfläche und<br />
Raumausstattung eingehalten wer<strong>de</strong>n müssen. Die Vorgaben reichen<br />
vom gefor<strong>de</strong>rten Min<strong>de</strong>stabstand zwischen Bürostuhl und Wand über<br />
die Notwendigkeit vollständig getrennter Sanitärräume für mehr als fünf<br />
männliche und weibliche Mitarbeiter bis zu <strong>de</strong>n Raumtemperaturen für<br />
Verkaufsräume (19 °C), Büros (20 °C) und Aufenthaltsräume einschließlich<br />
Toiletten (21 °C).<br />
Oft sind auf eine Betriebsstätte mehrere Vorschriften anwendbar, in<br />
<strong>de</strong>nen gleiche Sachverhalte unterschiedlich geregelt sind. Ein Beispiel:<br />
Die gefor<strong>de</strong>rte Raumhöhe beträgt nach <strong>de</strong>r bayerischen Bauordnung<br />
2,40 m, nach <strong>de</strong>r Arbeitsstättenverordnung 2,50 m. Was konkret gilt,<br />
wissen oft nur Spezialisten. In Extremfällen ergeben sich für ein und<br />
dasselbe Betriebsgebäu<strong>de</strong> nicht nur unterschiedliche, son<strong>de</strong>rn sogar<br />
einan<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong> Anfor<strong>de</strong>rungen. So hat <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n einer Arbeitsstätte<br />
einerseits rutschfest zu sein, was grundsätzlich eine raue<br />
Oberfläche bedingt, im Lebensmittelbereich muss er aber zugleich hygienisch<br />
und leicht zu reinigen sein, was wie<strong>de</strong>rum eine möglichst glatte<br />
Oberfläche nahe legt.<br />
Ausnahmen von <strong>de</strong>n Detailanfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Arbeitsstättenverordnung<br />
können nur zugelassen wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeber eine an<strong>de</strong>re,<br />
ebenso wirksame Maßnahme trifft. Weitere Ausnahmen sind möglich,<br />
wenn die Durchführung einer Vorschrift im Einzelfall zu einer unverhältnismäßigen<br />
Härte führen wür<strong>de</strong> und die Ausnahme mit <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>r<br />
Arbeitnehmer vereinbar ist. Dies eröffnet zwar die Möglichkeit, auf die<br />
83
konkreten Umstän<strong>de</strong> und Bedürfnisse <strong>de</strong>s jeweiligen Betriebes einzugehen<br />
und die <strong>de</strong>taillierten Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Arbeitsstättenrechts<br />
etwas verträglicher zu gestalten. Über die Zulässigkeit von Ausnahmen<br />
ist aber für je<strong>de</strong> Vorschrift geson<strong>de</strong>rt zu entschei<strong>de</strong>n. Die Entscheidung<br />
liegt im Ermessen <strong>de</strong>r zuständigen Behör<strong>de</strong>, das <strong>de</strong>r jeweilige Behör<strong>de</strong>nmitarbeiter<br />
je nach Praxisverständnis und Flexibilität durchaus unterschiedlich<br />
handhabt.<br />
Das Arbeitsstättenrecht ist somit ein Musterbeispiel für normative Regelungswut<br />
und überbor<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Bürokratie. Die unübersichtlichen Detailvorschriften<br />
sind in <strong>de</strong>r Summe auch für Fachleute kaum mehr handhabbar.<br />
Sie sind erst recht für die Betriebe ein undurchdringliches Regelungsgestrüpp.<br />
Hinzu kommen inhaltliche Ungereimtheiten o<strong>de</strong>r sogar Wi<strong>de</strong>rsprüche,<br />
die auch unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten be<strong>de</strong>nklich<br />
erscheinen. Das rechtlich Gefor<strong>de</strong>rte ist kaum erkennbar. Die Möglichkeit<br />
einer Ausnahmeregelung hilft allenfalls punktuell und ist kaum verlässlich<br />
kalkulierbar.<br />
Das Arbeitsstättenrecht trifft Kleinunternehmen mit ihren geringeren<br />
Ressourcen und Handlungsspielräumen beson<strong>de</strong>rs. Ihre betrieblichen<br />
Aktivitäten fin<strong>de</strong>n oft in bereits vorhan<strong>de</strong>nen Gebäu<strong>de</strong>n statt; sie haben<br />
sich nach <strong>de</strong>n gegebenen Realitäten zu richten. Und gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Startphase<br />
müssen diese Unternehmen ihre finanziellen und personellen<br />
Ressourcen auf die Kernaufgaben konzentrieren.<br />
<strong>5.</strong><strong>5.</strong>2. Zielsetzung<br />
Die Kommission empfiehlt, Kleinunternehmen bis einschließlich 20 Arbeitnehmer<br />
von <strong>de</strong>n Detailregelungen <strong>de</strong>r Arbeitsstättenverordnung<br />
freizustellen.<br />
<strong>5.</strong><strong>5.</strong>3. Ausgestaltung<br />
Kleinbetriebe sollen generell von sämtlichen Detailregelungen <strong>de</strong>r Arbeitsstättenverordnung<br />
freigestellt wer<strong>de</strong>n. Die Steuerungsleistung <strong>de</strong>r<br />
bisherigen Detailvorschriften übernehmen (existieren<strong>de</strong>) Generalklauseln.<br />
Diese verpflichten <strong>de</strong>n Arbeitgeber, die Arbeitsstätte nach <strong>de</strong>n<br />
allgemein anerkannten sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen<br />
und hygienischen Regeln sowie <strong>de</strong>n sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen einzurichten und zu betreiben. Diese<br />
Generalklauseln för<strong>de</strong>rn die Eigenverantwortung und ermöglichen intel-<br />
84
ligente Innovationen/Lösungen. Begleitend ist eine grobe Missbrauchskontrolle<br />
durch die verantwortliche Behör<strong>de</strong> vorzusehen.<br />
Hilfsweise regt die Kommission an, die bereits nach gelten<strong>de</strong>r Rechtslage<br />
bestehen<strong>de</strong>n Ausnahmemöglichkeiten für Kleinunternehmen zu erweitern<br />
und auch im Vollzug verlässlicher zu machen, zum Beispiel in<strong>de</strong>m<br />
normativ festgeschrieben wird, dass beim Kriterium <strong>de</strong>r unverhältnismäßigen<br />
Härte die Betriebsgröße maßgeblich zu berücksichtigen ist.<br />
<strong>5.</strong><strong>5.</strong>4. Umsetzung<br />
Die vorgeschlagenen Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Arbeitsstättenverordnung liegen<br />
in <strong>de</strong>r Regelungszuständigkeit <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung (Bun<strong>de</strong>sministerium<br />
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen). Die Kommission empfiehlt <strong>de</strong>r<br />
bayerischen Staatsregierung, sich bei <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung für eine entsprechen<strong>de</strong><br />
Än<strong>de</strong>rung einzusetzen.<br />
85
<strong>5.</strong>6. Entlastung bei <strong>de</strong>r betrieblichen Mitbestimmung<br />
<strong>5.</strong>6.1. Ausgangslage<br />
Nach gelten<strong>de</strong>r Rechtslage sind Betriebe mit in <strong>de</strong>r Regel min<strong>de</strong>stens<br />
fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von <strong>de</strong>nen min<strong>de</strong>stens<br />
drei wählbar sind (das heißt min<strong>de</strong>stens sechs Monate <strong>de</strong>m Betrieb<br />
angehören), betriebsratsfähig.<br />
Die betriebliche Mitbestimmung belastet Kleinbetriebe erheblich, weil<br />
markt- und auftragsbedingt notwendige unternehmerische Entscheidungen<br />
durch <strong>de</strong>n Betriebsrat verzögert o<strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n können.<br />
Zum Teil kann dadurch sogar die Existenz <strong>de</strong>r Unternehmen auf <strong>de</strong>m<br />
Spiel stehen. Nach Ansicht vieler Unternehmer hat die Novellierung <strong>de</strong>r<br />
Mitbestimmung im Jahr 2001 keine Verbesserung, son<strong>de</strong>rn lediglich<br />
einen Zuwachs an Bürokratie mit sich gebracht. Stellvertretend für viele<br />
hat sich ein Teilnehmer <strong>de</strong>r Online-Umfrage so geäußert: „Gera<strong>de</strong> in<br />
kleinen Unternehmen wie <strong>de</strong>m meinen, wo <strong>de</strong>r tägliche direkte Kontakt<br />
zwischen Unternehmer und Mitarbeiter gegeben ist, sind viele Regelungen<br />
<strong>de</strong>r betrieblichen Mitbestimmung gera<strong>de</strong>zu absurd und reine Zeitverschwendung.“<br />
<strong>5.</strong>6.2. Zielsetzung<br />
Ziel muss es sein, Kleinunternehmen bis einschließlich 20 Arbeitnehmer<br />
auch im Bereich <strong>de</strong>r betrieblichen Mitbestimmung zu entlasten.<br />
<strong>5.</strong>6.3. Ausgestaltung<br />
Die Kommission empfiehlt, Betriebe bis einschließlich 20 Arbeitnehmer<br />
von <strong>de</strong>r Betriebsratsfähigkeit auszunehmen, das heißt <strong>de</strong>n einschlägigen<br />
Schwellenwert <strong>de</strong>s Betriebsverfassungsgesetzes auf Betriebe mit in <strong>de</strong>r<br />
Regel mehr als 20 ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern anzuheben<br />
(von <strong>de</strong>nen min<strong>de</strong>stens zehn wählbar sind).<br />
Eine entsprechen<strong>de</strong> Anhebung <strong>de</strong>s Schwellenwerts erscheint mit Blick<br />
auf die Beson<strong>de</strong>rheiten von Kleinunternehmen vertretbar und dürfte das<br />
Interesse <strong>de</strong>r Belegschaft nicht gefähr<strong>de</strong>n, im Betrieb Mitsprache zu<br />
haben.<br />
86
<strong>5.</strong>6.4. Umsetzung<br />
Die vorgeschlagene Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Anwendungsbereichs <strong>de</strong>s Betriebsverfassungsgesetzes<br />
liegt in <strong>de</strong>r Gesetzgebungskompetenz <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s.<br />
Die Kommission empfiehlt <strong>de</strong>r Bayerischen Staatsregierung eine<br />
entsprechen<strong>de</strong> Bun<strong>de</strong>sratsinitiative.<br />
87
<strong>5.</strong>7. Lösungsmöglichkeiten von <strong>de</strong>r<br />
Tarifbindung<br />
<strong>5.</strong>7.1. Ausgangslage<br />
Nach gelten<strong>de</strong>m Tarifrecht bleibt die Tarifbindung eines Arbeitgebers so<br />
lange bestehen, bis <strong>de</strong>r Tarifvertrag en<strong>de</strong>t – auch wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
zwischenzeitlich aus <strong>de</strong>m Arbeitgeberverband ausgetreten ist. Diese<br />
Fortwirkung <strong>de</strong>r Tarifbindung hat zur Folge, dass Arbeitgeber kaum eine<br />
realistische Chance haben, sich insbeson<strong>de</strong>re bei Manteltarifverträgen<br />
von <strong>de</strong>r Tarifgebun<strong>de</strong>nheit zu befreien, weil diese Tarifverträge in <strong>de</strong>r<br />
Regel sehr lange Laufzeiten haben und nur selten gekündigt wer<strong>de</strong>n. So<br />
kann es zum Beispiel geschehen, dass ein Arbeitgeber, <strong>de</strong>r bei Abschluss<br />
eines Tarifvertrages über Altersteilzeit tarifgebun<strong>de</strong>n ist, diesen<br />
tariflichen Rechtsanspruch gegenüber seinen Arbeitnehmern Jahrzehnte<br />
später noch einlösen muss, obwohl er längst aus <strong>de</strong>m Arbeitgeberverband<br />
ausgetreten ist.<br />
Des Weiteren gelten nach aktueller Gesetzeslage die Rechtsnormen<br />
eines Tarifvertrages so lange fort, bis sie durch eine an<strong>de</strong>re Abmachung<br />
ersetzt wer<strong>de</strong>n (sogennate Nachwirkung <strong>de</strong>s Tarifvertrages).<br />
Schließlich sind Abmachungen auf betrieblicher Ebene, die von <strong>de</strong>n Regelungen<br />
eines Tarifvertrages über Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen<br />
abweichen, unzulässig, es sei <strong>de</strong>nn, sie enthalten<br />
Än<strong>de</strong>rungen zu Gunsten <strong>de</strong>s Arbeitnehmers o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tarifvertrag lässt<br />
<strong>de</strong>n Abschluss ergänzen<strong>de</strong>r Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zu.<br />
Betriebliche Bündnisse für Arbeit fallen nach herrschen<strong>de</strong>r Auffassung<br />
nicht unter dieses Günstigkeitsprinzip. Sofern <strong>de</strong>r Tarifvertrag betriebliche<br />
Vereinbarungen also nicht ausdrücklich gestattet, können wirksame<br />
Sanierungsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat selbst<br />
dann nicht getroffen wer<strong>de</strong>n, wenn das Unternehmen nur so gerettet<br />
und Arbeitsplätze nur so erhalten wer<strong>de</strong>n könnten.<br />
All diese tarifvertraglichen Bindungen belasten Kleinunternehmen naturgemäß<br />
beson<strong>de</strong>rs. Sie haben in <strong>de</strong>r Regel wenig Zehrmasse und müssen<br />
daher umso schneller und flexibler auf Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r wirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen reagieren.<br />
Aber auch größere Unternehmen können von <strong>de</strong>n tarifvertraglichen Bindungen<br />
in existenzgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Weise betroffen sein. Auch insoweit<br />
88
kann eine Lockerung <strong>de</strong>r Tarifbindung unerlässlich sein, beispielsweise<br />
um im Falle einer wirtschaftlichen Existenzkrise durch ein betriebliches<br />
Bündnis für Arbeit das Überleben <strong>de</strong>s Unternehmens sicherzustellen.<br />
<strong>5.</strong>7.2. Zielsetzung<br />
Die Kommission empfiehlt, die beschriebenen Bindungen <strong>de</strong>s Tarifvertragsrechts<br />
nicht nur für Kleinunternehmen bis einschließlich 20 Arbeitnehmer,<br />
son<strong>de</strong>rn angesichts <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Themas generell für<br />
alle Unternehmen unabhängig von einem Schwellenwert zu lockern und<br />
dadurch Spielräume für betriebliche Regelungen zu schaffen.<br />
<strong>5.</strong>7.3. Ausgestaltung<br />
Die Fortwirkung <strong>de</strong>r Tarifbindung sollte generell abgeschafft wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Arbeitgeber hätte dann die Möglichkeit, sich durch einen entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Wechsel in <strong>de</strong>r Mitgliedschaft <strong>de</strong>s Arbeitgeberverban<strong>de</strong>s (Mitgliedschaft<br />
„ohne Tarifbindung“) o<strong>de</strong>r durch einen Austritt mit sofortiger<br />
Wirkung von <strong>de</strong>r Tarifbindung und damit auch von Belastungen zu befreien,<br />
die er zum Beispiel wegen sich än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r wirtschaftlicher Rahmenbedingungen<br />
nicht mehr finanzieren kann.<br />
Die Nachwirkung <strong>de</strong>s Tarifvertrages sollte generell auf drei Jahre befristet<br />
wer<strong>de</strong>n. Diese Frist erscheint angemessen, um <strong>de</strong>n Tarifvertragsparteien<br />
eine Neuregelung zu ermöglichen, und vermei<strong>de</strong>t ein Regelungsvakuum.<br />
Das Günstigkeitsprinzip ist dahin gehend zu ergänzen beziehungsweise<br />
im Normtext entsprechend klarzustellen, dass betriebliche „Bündnisse<br />
für Arbeit“ stets als Än<strong>de</strong>rungen zu Gunsten <strong>de</strong>s Arbeitnehmers gelten.<br />
Sie wären damit auch dann zulässig, wenn sie von <strong>de</strong>n Regelungen eines<br />
Tarifvertrages abweichen beziehungsweise <strong>de</strong>r Tarifvertrag eine<br />
diesbezügliche Öffnung nicht vorsieht.<br />
<strong>5.</strong>7.4. Umsetzung<br />
Das Tarifvertragsgesetz steht in <strong>de</strong>r Gesetzgebungskompetenz <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>s. Die Kommission empfiehlt <strong>de</strong>r bayerischen Staatsregierung<br />
eine entsprechen<strong>de</strong> Bun<strong>de</strong>sratsinitiative.<br />
89
<strong>5.</strong>8. Optionales Abbuchungsverfahren für<br />
Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge<br />
<strong>5.</strong>8.1. Ausgangslage<br />
Arbeitgeber sind bei <strong>de</strong>r Lohnsteuer und <strong>de</strong>n Sozialversicherungsbeiträgen<br />
gesetzlich mit einer Fülle von Pflichten und Dienstleistungen belastet.<br />
In eigener Verantwortung <strong>de</strong>s Arbeitgebers liegt dabei nur <strong>de</strong>r<br />
Arbeitgeberanteil <strong>de</strong>s Sozialversicherungsbeitrages. Ansonsten erbringen<br />
die Arbeitgeber diese Dienstleistungen ausschließlich im Interesse<br />
<strong>de</strong>s Staates: Der Pflichtenkreis umfasst Mel<strong>de</strong>pflichten über die beschäftigten<br />
Arbeitnehmer, über die konkreten Bedingungen <strong>de</strong>r Beschäftigung<br />
sowie über die Lohn- und Gehaltssumme, <strong>de</strong>s Weiteren<br />
Pflichten zur Berechnung und Abführung <strong>de</strong>r Lohnsteuer und <strong>de</strong>s Gesamtsozialversicherungsbeitrags,<br />
Aufzeichnungspflichten, Beitragsnachweise<br />
und schließlich die Mitwirkung bei steuer- und sozialversicherungsrechtlichen<br />
Betriebsprüfungen.<br />
Diese Pflichtenüberbürdung auf <strong>de</strong>n Arbeitgeber erklärt sich daher, dass<br />
eine eigenverantwortliche Abführung <strong>de</strong>r Lohnsteuer und <strong>de</strong>s Arbeitnehmeranteils<br />
<strong>de</strong>r Sozialversicherungsbeiträge durch <strong>de</strong>n Arbeitnehmer<br />
als <strong>de</strong>m eigentlichen Schuldner wenig praktikabel, in vielen Fällen nicht<br />
handhabbar und nicht hinreichend verlässlich wäre. Die bürokratischen<br />
Belastungen wür<strong>de</strong>n viele Arbeitnehmer schlicht überfor<strong>de</strong>rn. Der vom<br />
Gesetzgeber eingeschlagene Weg, auf die geschul<strong>de</strong>te Lohnsteuer und<br />
die Sozialversicherungsbeiträge im Wege <strong>de</strong>s Lohnabzugsverfahrens<br />
und <strong>de</strong>r Abführung <strong>de</strong>s Gesamtsozialversicherungsbeitrags zuzugreifen,<br />
ist für sich genommen <strong>de</strong>shalb durchaus nachvollziehbar.<br />
Allerdings ist <strong>de</strong>r Gesetzgeber über das Ziel hinausgeschossen: Der<br />
Pflichtenkreis wur<strong>de</strong> vollständig auf die Arbeitgeber geschoben. Die<br />
aktuell wahrzunehmen<strong>de</strong>n Pflichten gehen über ein notwendiges<br />
Zugriffsrecht <strong>de</strong>s Staates auf Lohn- und Gehaltsansprüche weit hinaus.<br />
Der Staat belastet hier die Arbeitgeber ganz erheblich.<br />
Ein Teilnehmer <strong>de</strong>r Online-Umfrage beschreibt sie so: „Die Lohn- und<br />
Gehaltsabwicklung für meine Arbeitnehmer ist aufwändig. Sie umfasst<br />
die An- und Abmeldung bei <strong>de</strong>n unterschiedlichen Krankenkassen, die<br />
monatliche Meldung an die Krankenkassen, die monatliche Meldung an<br />
90
das Finanzamt und die Meldung von Arbeitstagen an die Berufsgenossenschaft.“<br />
O<strong>de</strong>r ein an<strong>de</strong>rer Interviewpartner: „Der Staat soll sich doch<br />
selbst um die Eintreibung <strong>de</strong>r Arbeitgeberabgaben kümmern; dann sieht<br />
er mal, wie kostenaufwändig das ist.“<br />
In <strong>de</strong>n vergangenen Jahren ist die bürokratische Belastung <strong>de</strong>r Unternehmen<br />
in diesem Bereich weiter angewachsen. Anmeldung, Berechnung,<br />
Abführung und Dokumentation <strong>de</strong>s Gesamtsozialversicherungsbeitrags<br />
wird insbeson<strong>de</strong>re durch die plurale Organisationsstruktur <strong>de</strong>r<br />
Krankenversicherungsträger kompliziert, die <strong>de</strong>n Arbeitgeber zwingen,<br />
gegebenenfalls mit einer Vielzahl von Krankenkassen und unterschiedlichen<br />
Beitragssätzen umzugehen. Dazu die Äußerung eines Umfrage-<br />
Teilnehmers, stellvertretend für an<strong>de</strong>re: „Als ich mich im Jahre 1985<br />
selbstständig gemacht habe, hat <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche Staat schon funktioniert,<br />
meines Erachtens sogar wesentlich besser als heute. Damals betrug <strong>de</strong>r<br />
Verwaltungsaufwand – beson<strong>de</strong>rs für das Finanzamt und die Sozialversicherungen<br />
– einen Bruchteil <strong>de</strong>ssen, was heute von Kleinunternehmern<br />
verlangt wird. Mich wun<strong>de</strong>rt es immer wie<strong>de</strong>r, wie wir damals existieren<br />
konnten – ohne diese Flut von Vorschriften und Gesetzen. Rückblickend<br />
sollte man meinen, wir wären lebensunfähig gewesen!“<br />
Beson<strong>de</strong>rs belastet von <strong>de</strong>n Pflichten im Bereich Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge<br />
sind kleine Unternehmen bis einschließlich 20<br />
Mitarbeiter. Die Grün<strong>de</strong> liegen auf <strong>de</strong>r Hand: Diese kleinen Unternehmen<br />
haben keine spezialisierten Abteilungen für die Lohnbuchhaltung<br />
und sind <strong>de</strong>shalb durch die Vielzahl zuständiger Krankenkassen und unterschiedlicher<br />
Beitragssätze beson<strong>de</strong>rs belastet. In <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Kommission<br />
geführten Interviews wur<strong>de</strong> vielfach beschrieben, „dass kleine<br />
Betriebe unmöglich <strong>de</strong>n Aufwand treiben können, <strong>de</strong>n man größeren<br />
Betrieben zumutet“.<br />
Zu allem Überfluss drohen bei einer nicht ordnungsgemäßen Berechnung<br />
und Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen<br />
auch noch empfindliche Strafen und Sanktionen, in groben Fällen bis hin<br />
zur Entziehung <strong>de</strong>r Gewerbeerlaubnis.<br />
<strong>5.</strong>8.2. Zielsetzung<br />
Die Kommission empfiehlt daher, Kleinunternehmen bei <strong>de</strong>r Abführung<br />
<strong>de</strong>r Lohnsteuer und <strong>de</strong>r Sozialversicherungsbeiträge grundlegend zu<br />
entlasten und die staatlich überbür<strong>de</strong>ten Pflichten auf das sachlich Unerlässliche<br />
zu beschränken.<br />
91
<strong>5.</strong>8.3. Ausgestaltung<br />
Kleinunternehmen sollten vom Staat die Möglichkeit erhalten, an einem<br />
zentralen Abbuchungsverfahren für Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge<br />
teilzunehmen. Die Finanzämter und die Sozialversicherungsträger<br />
berechnen dabei die jeweils fällige Lohnsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge<br />
und buchen die Beträge direkt von <strong>de</strong>m Lohnund<br />
Gehaltskonto <strong>de</strong>s Arbeitgebers ab. Zu Grun<strong>de</strong> liegen diesem Verfahren<br />
die Meldungen <strong>de</strong>s Arbeitgebers zu Finanzämtern und Sozialversicherungsträgern,<br />
die durch eine zentrale EDV-Schnittstelle zu erleichtern<br />
wären.<br />
Im Einzelnen schlägt die Kommission also folgen<strong>de</strong> Maßnahmen vor:<br />
Einrichtung zentraler EDV-Schnittstellen zur Meldung <strong>de</strong>r Beschäftigtendaten<br />
Angebot zur Teilnahme an einem Abbuchungsverfahren für<br />
Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge<br />
Berechnung und Abbuchung <strong>de</strong>r Lohnsteuer durch die Finanzämter,<br />
falls <strong>de</strong>r Arbeitgeber am Abbuchungsverfahren teilnimmt<br />
Berechnung und Abbuchung <strong>de</strong>s Gesamtsozialversicherungsbeitrags<br />
durch die Krankenkassen, falls <strong>de</strong>r Arbeitgeber am Abbuchungsverfahren<br />
teilnimmt<br />
<strong>5.</strong>8.4. Umsetzung<br />
Die notwendigen Gesetzesän<strong>de</strong>rungen zur Rücknahme <strong>de</strong>r Arbeitgeberpflichten<br />
im Bereich <strong>de</strong>r Lohnsteuer und <strong>de</strong>r Sozialversicherungsbeiträge<br />
betreffen das Einkommensteuergesetz und das Sozialgesetzbuch Viertes<br />
Buch (SGB IV) und liegen in <strong>de</strong>r Gesetzgebungszuständigkeit <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>s. Die Kommission empfiehlt <strong>de</strong>r bayerischen Staatsregierung<br />
eine entsprechen<strong>de</strong> Bun<strong>de</strong>sratsinitiative.<br />
Für <strong>de</strong>n Gesetzesvollzug ist die Bun<strong>de</strong>sregierung zuständig, soweit bun<strong>de</strong>sunmittelbare<br />
Sozialversicherungsträger betroffen sind. Im Übrigen<br />
sind die Län<strong>de</strong>r zuständig. Die Kommission empfiehlt <strong>de</strong>r bayerischen<br />
Staatsregierung, im eigenen Zuständigkeitsbereich umgehend mit all<br />
<strong>de</strong>njenigen Maßnahmen zur Neuorganisation <strong>de</strong>s Lohnabzugsverfahrens<br />
zu beginnen, die bereits ohne Gesetzesän<strong>de</strong>rung möglich sind.<br />
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<strong>5.</strong>9. Einnahmen- und Ausgabenrechnung statt<br />
Bilanzierungspflichten<br />
<strong>5.</strong>9.1. Ausgangslage<br />
Zur steuerlichen Buchführung sind in Deutschland Kaufleute und Kapitalgesellschaften<br />
verpflichtet, die bereits nach Han<strong>de</strong>lsrecht Bücher und<br />
Aufzeichnungen zu führen haben. Darüber hinaus trifft diese Pflicht auch<br />
sonstige gewerbliche Unternehmen (vor allem Min<strong>de</strong>rkaufleute), <strong>de</strong>ren<br />
Jahresumsatz 260.000 Euro o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Jahresgewinn 2<strong>5.</strong>000 Euro überschreitet.<br />
Die Pflicht zur steuerlichen Buchführung ist kosten- und personalintensiv<br />
und belastet gera<strong>de</strong> kleinere Unternehmen sowie Unternehmensgrün<strong>de</strong>r.<br />
In an<strong>de</strong>ren Staaten gibt es bereits Lösungen, die die steuerlichen Buchführungs-<br />
und Aufzeichnungspflichten für kleine Unternehmen erleichtern.<br />
So genügt in Großbritannien und in <strong>de</strong>n USA beispielsweise eine<br />
einfache Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung, wenn Unternehmen<br />
gewisse Schwellenwerte bezüglich Umsatz und Gewinn nicht überschreiten.<br />
In Großbritannien liegt dieser Schwellenwert bei <strong>de</strong>rzeit<br />
umgerechnet 900.000 Euro jährlichem Umsatz, in <strong>de</strong>n USA sogar bei<br />
umgerechnet knapp 4,5 Millionen Euro.<br />
<strong>5.</strong>9.2. Zielsetzung<br />
Ziel muss auch in Deutschland sein, Kleinunternehmen und Unternehmensgrün<strong>de</strong>r<br />
optional von steuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten<br />
zu befreien, um sie auch insoweit von unnötigem Bürokratieaufwand<br />
zu entlasten und ihre Spielräume zu erweitern.<br />
<strong>5.</strong>9.3. Ausgestaltung<br />
Die Anzahl <strong>de</strong>r Mitarbeiter eines Unternehmens ist hier ausnahmsweise<br />
kein geeignetes Kriterium, da auch Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern<br />
unter Umstän<strong>de</strong>n hohe Umsätze und Gewinne machen können.<br />
Sachgerecht ist es vielmehr, hinsichtlich <strong>de</strong>r steuerlichen Buchführungs-<br />
und Aufzeichnungspflichten – wie auch schon bisher in <strong>de</strong>r Abgabenordnung<br />
angelegt – auf Umsatz und Gewinn als maßgebliche Größe<br />
abzustellen.<br />
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Die Kommission empfiehlt, die maßgeblichen Wertgrenzen für gewerbetreiben<strong>de</strong><br />
Nichtkaufleute von bisher 260.000 Euro auf 1 Millionen<br />
Euro Jahresumsatz und von bisher 2<strong>5.</strong>000 Euro auf 100.000 Euro Jahresgewinn<br />
zu erhöhen und auch Kaufleute unterhalb dieser Schwellenwerte<br />
optional von <strong>de</strong>n steuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten<br />
freizustellen.<br />
Dieser Vorschlag hat zur Folge, dass gewerbliche Unternehmen unterhalb<br />
dieser Schwellenwerte generell – mit Ausnahme <strong>de</strong>r Kapitalgesellschaften<br />
– von <strong>de</strong>r Pflicht zur steuerlichen Buchführung ausgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n, ihrer Steuererklärung künftig also auch eine einfache Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung<br />
nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz<br />
zu Grun<strong>de</strong> legen können. Die Anhebung <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n<br />
Wertgrenzen und <strong>de</strong>ren Erstreckung auf Kaufleute wird zu einer erheblichen<br />
Vereinfachung und Entlastung einer großen Zahl von Kleinunternehmen<br />
führen.<br />
Die aktuell diskutierte Betriebsausgabenpauschalierung wird hierdurch<br />
entbehrlich. Sie ist nach Ansicht <strong>de</strong>r Kommission ohnehin nicht zielführend,<br />
weil die Geltendmachung <strong>de</strong>r tatsächlichen Betriebsausgaben in<br />
<strong>de</strong>r Regel steuerlich günstiger ist.<br />
Die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, die das Han<strong>de</strong>lsgesetzbuch<br />
für Formkaufleute und Kapitalgesellschaften vorschreibt, bleiben<br />
von diesem Vorschlag unberührt.<br />
<strong>5.</strong>9.4. Umsetzung<br />
Die vorgeschlagene Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Abgabenordnung liegt in <strong>de</strong>r Gesetzgebungszuständigkeit<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s. Die Kommission empfiehlt, im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r aktuellen Gesetzesinitiative <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung zur För<strong>de</strong>rung<br />
von Kleinunternehmen, <strong>de</strong>retwegen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srat gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Vermittlungsausschuss<br />
angerufen hat, entsprechen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rungsvorschläge<br />
einzubringen.<br />
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<strong>5.</strong>10. Weitere Entlastungen für Kleinbetriebe<br />
Die Empfehlungen dieses <strong>Modul</strong>s zielen auf Regelungsbereiche und bürokratische<br />
Hemmnisse, die Kleinunternehmen erfahrungsgemäß beson<strong>de</strong>rs<br />
belasten und <strong>de</strong>ren Existenz zum Teil bereits für sich genommen,<br />
aber je<strong>de</strong>nfalls in ihrer Summe gefähr<strong>de</strong>n können. Doch damit hören die<br />
Belastungen nicht auf, beispielsweise treffen auch statistische Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
die Unternehmen empfindlich und hemmen sie in ihrem wirtschaftlichen<br />
Fortkommen.<br />
Viele Empfehlungen <strong>de</strong>r Kommission, die in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n <strong>Modul</strong>en<br />
<strong>de</strong>tailliert beschrieben wer<strong>de</strong>n, sorgen natürlich auch für Entlastungen<br />
bei Kleinunternehmen. Insbeson<strong>de</strong>re sei hier verwiesen auf folgen<strong>de</strong><br />
Vorschläge:<br />
Befreiung von statistischen Auskunftspflichten: Als mittelfristiges<br />
Ziel empfiehlt die Kommission, Unternehmen von statistischen Datenerhebungen<br />
ganz zu befreien, soweit diese nicht in automatisierten<br />
Verfahren erhoben und abgerufen wer<strong>de</strong>n; das entlastet vor allem<br />
Kleinunternehmen, <strong>de</strong>ren Inhaber statistische Fragebögen <strong>de</strong>rzeit oft<br />
spät abends o<strong>de</strong>r am Wochenen<strong>de</strong> noch per Hand ausfüllen (vgl. Kapitel<br />
8.6.).<br />
Weniger Prüfungen und Kontrollen: Die vorgeschlagene drastische<br />
Einschränkung technischer Betriebsprüfungen entlastet Kleinunternehmen<br />
mit in <strong>de</strong>r Regel nur geringen personellen Spielräumen beson<strong>de</strong>rs<br />
(vgl. Kapitel 6.6.).<br />
Risikoabhängige Befreiung von <strong>de</strong>r Pflicht, einen Betriebsarzt<br />
und eine Sicherheitsfachkraft zu bestellen: Dieser Vorschlag trägt<br />
gera<strong>de</strong> bei kleinen Unternehmen mit einem geringen Gefährdungspotenzial<br />
zu einer <strong>de</strong>utlichen Entlastung und damit zu einer Erweiterung<br />
<strong>de</strong>r Spielräume bei (vgl. Kapitel 6.6.).<br />
Abbau von inhaltlichen Anfor<strong>de</strong>rungen und Genehmigungsvorbehalten:<br />
Die Zurückführung bestimmter inhaltlicher Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
wie etwa baulicher Vorgaben im Gaststättenbereich o<strong>de</strong>r Dokumentations-,<br />
Aufzeichnungs- und Kennzeichnungspflichten im Lebensmittelbereich,<br />
die typischerweise Kleinunternehmen treffen, haben ebenfalls<br />
eine spezifisch entlasten<strong>de</strong> Wirkung (vgl. Kapitel 6.3. und 6.4.).<br />
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