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Mitschrift Wipo II Übung WS 09/10

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

Diese <strong>Mitschrift</strong> zur im <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong> von Dipl.-Ök. Gideon Schingen gehaltenen <strong>Übung</strong><br />

<strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> ist als Hilfestellung zur Klausurvorbereitung gedacht, erhebt aber trotz Bemühen<br />

meinerseits weder Anspruch auf Korrektheit noch Vollständigkeit. Das Copyright auf die<br />

eingefügten Grafiken liegt beim Lehrstuhl bzw. den jeweiligen Urhebern.<br />

Die in der <strong>Übung</strong> behandelten Themen basieren auf den Skripten <strong>Wipo</strong> I, S.70 bis Ende<br />

(ohne 90-91) und <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong>, S. 1-40 (ohne 27-34).<br />

14.12.20<strong>09</strong> 1. <strong>Übung</strong>: Die soziale Wohlfahrtsfunktion<br />

Bei der Aufstellung einer gesamtgesellschaftlichen (oder „sozialen“) Nutzenfunktion<br />

können die Probleme der (1.) kardinalen Messbarkeit des Nutzens, (2.) der<br />

interpersonellen Vergleichbarkeit und (3.) das Aggregationsproblem auftreten.<br />

Diskutieren Sie diese Probleme und ihre Konsequenzen. Gehen Sie beim<br />

Aggregationsproblem mit Hilfe einer geeigneten Graphik auch auf die Axiome der<br />

Transitivität und der Vollständigkeit einer Präferenzordnung ein.<br />

[SS 08, <strong>10</strong>0 P., 60 Min.] (Vorlesungsbeilage <strong>Wipo</strong> I, S. 78-83)<br />

Literatur:<br />

- Weimann (20<strong>09</strong>): Wirtschaftspolitik; Kapitel 5.3 und 5.5<br />

- H. Berg, D. Cassel, K. H. Hartwig (2007): „Soziale Wohlfahrt“, S. 285-288,<br />

„Condorcet-Paradox und zyklische Mehrheiten“; S. 290-291.<br />

- J. B. Donges, A. Freytag (2004): „Theoretische Ansätze zur Ermittlung einer sozialen<br />

Wohlfahrtsfunktion“, S. 75-86. [insbes. Arrow-Bed.]<br />

- M. Streit (2005): „Grundfragen gesellschaftlichen Wirtschaftens“, „Der<br />

wohlfahrtsökonomische Beantwortungsversuch“, „Grenzen des Lösungsversuchs“, S. 1-<br />

25.<br />

Wiederholung: Individuelle Präferenzordnung<br />

- In der ökonomischen Theorie wird davon ausgegangen, dass Individuen in der Lage<br />

sind, Alternativen (z.B. Güterbündel) nach ihrer Vorzugswürdigkeit zu reihen.<br />

- Sieht ein Individuum sich zwei verschiedenen Alternativen A und B gegenüber, so ist es<br />

in der Lage, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob:<br />

- A � B: A wird gegenüber B streng bevorzugt (strenge Bevorzugung)<br />

- A � B: B ist mindestens genauso gut wie A (schwache Bevorzugung)<br />

- A ~ B: A ist ebenso gut wie B (Indifferenz)<br />

- Üblicherweise werden dabei verschiedene Annahmen an die Präferenzen der Individuen<br />

gestellt. Von einer „Präferenzordnung“ ist die Rede, wenn die folgenden Axiome erfüllt<br />

sind:<br />

- Reflexivität: Jede Alternative ist mindestens so gut wie sie selbst A � A.<br />

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- Vollständigkeit: Alle beliebigen Alternativen können miteinander verglichen werden:<br />

Für zwei Alternativen A und B gilt entweder : A � B, oder A � B, oder beides<br />

(Indifferenz A ~ B).<br />

- Transitivität:<br />

Ist A für ein Individuum mindestens so gut wie B, und B mindestens so gut wie C, dann<br />

muss auch A mindestens so gut wie C sein.<br />

Wenn gilt A � B und B � C, so gilt auch A � C.<br />

→ Den individuellen Präferenzordnungen werden durch eine Nutzenfunktion<br />

Nutzenwerte zugemessen. Je höher der Nutzenwert, desto mehr Nutzen stiftet die<br />

Alternative, bzw. desto beliebter ist sie.<br />

Kollektive Ebene: Das Konzept der sozialen Wohlfahrtsfunktion<br />

- Größere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn die individuellen Nutzen über eine<br />

„Soziale Wohlfahrtsfunktion“ (SWF) zu einer einzigen Größe, der „Sozialen Wohlfahrt“,<br />

aggregiert werden sollen.<br />

→ Diese Schwierigkeiten sind Gegenstand der Klausuraufgabe.<br />

- Wofür benötigen wir eine SWF?<br />

- Aufgabe der Träger der <strong>Wipo</strong> ist die Maximierung der gesellschaftl. Wohlfahrt unter<br />

Nebenbedingungen. Dazu ist eine Definition gesellschaftl. Wohlfahrt notwendig, sowie<br />

die Festlegung von Messverfahren zu deren Bestimmung.<br />

→ Aggregation aller individueller Nutzen zu einem Wert, den die Entscheidungsträger<br />

zu maximieren bzw. erhöhen suchen.<br />

- Graphische Darstellung in Form einer sozialen Indifferenzkurve (s.u.):<br />

Geometrischer Ort von Nutzenkombinationen, welche der Gesellschaft den gleichen<br />

Nutzen stiften.<br />

- Ermöglicht die Identifikation eines Wohlfahrtsmaximums (Optimum Optimorum).<br />

- Tangentialpunkt einer sozialen Indifferenzkurve mit der Transformationskurve.<br />

- Dort lässt sich die soziale Wohlfahrt allokativ und durch Umverteilung nicht mehr<br />

verbessern. Der Punkt ist effizient.<br />

- Damit die SWF sich als politische Entscheidungshilfe eignet, bedarf es einer<br />

werturteilsgebundenen Spezifizierung des verwendeten Aggregationsverfahrens.<br />

- Gesucht wird ein Entscheidungsverfahren, welches die konsistente Zusammenfassung<br />

jeder gegebenen Menge individueller Präferenzstrukturen ermöglicht.<br />

- Dabei wird die Existenz eines (holistischen) gesellschaftl. Willens verneint.<br />

- Dem demokratischen Prinzip entsprechend können Abstimmungsverfahren zur<br />

Präferenzoffenbarung und -aggregation zum Einsatz kommen.<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

Legende (Graphik aus WiPo_2_UEbung_1_<strong>WS</strong>_<strong>09</strong><strong>10</strong>.pdf, S.7):<br />

2 Güter x und y<br />

Wohlstandsgrenze Y1 X1<br />

Soziale (gesellsch.) Indifferenzkurven I1, I2, I3<br />

Optimum Optimorum(Tangentialpunkt) B<br />

Bezeichnung allokativer aber nicht sozial-optimaler Punkte C, F, D<br />

Transformationskurve T<br />

(Vom Ursprung) Pareto-optimale Güterkombinationen alle Punkte auf T (z. B.:<br />

C,B,F,D)<br />

E ist weder Pareto-optimal, noch sozial erwünscht E<br />

- Beispiel für die Axiome einer Präferenzordnung:<br />

- Vollständigkeit (für alle Paare): E � F, oder E � F, oder E ~ F<br />

- Transitivität: Wenn F � E und B � F, dann gilt B � E<br />

Probleme beim Aufstellen der SWF<br />

- Im Folgenden soll beleuchtet werden, warum das Aufstellen einer SWF unmöglich ist.<br />

Hierzu betrachten wir folgende Punkte:<br />

1. Kardinaler Nutzen<br />

2. Interpersonelle Vergleichbarkeit des Nutzens<br />

3. Das Condorcet-Paradox (Aggregationsproblem)<br />

4. Arrows Unmöglichkeitstheorem<br />

Probleme beim Aufstellen der SWF: 1. Kardinaler Nutzen<br />

- Wäre eine kardinale Messbarkeit des Nutzen möglich, so könnte dem Abstand zwischen<br />

verschiedenen Nutzenniveaus eine Bedeutung zugemessen werden.<br />

- Individuen sind in der Regel nur in der Lage, verschiedene Alternativen nach ihren<br />

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Präferenzen zu sortieren (Rangfolgeskala). Eine sinnvolle Interpretation der<br />

Nutzendifferenz ist dem Individuum daher nicht möglich bzw. die Differenz ist sogar<br />

unbekannt.<br />

→ Nutzen ist nur ordinal fassbar.<br />

Probleme beim Aufstellen der SWF: 2. Interpersonelle Vergleichbarkeit des Nutzens<br />

- Soll eine SWF aufgestellt werden, die den Nutzen aller Gesellschaftsmitglieder<br />

berücksichtigt, so müssen die individuellen Nutzen interpersonell vergleichbar sein.<br />

→ Voraussetzung für die Aggregation individueller Präferenzen<br />

- Es existiert kein objektiver Maßstab anhand dessen die individuellen Nutzen<br />

miteinander verglichen werden können (Bsp.: Urmeter). Auch wenn der Nutzen<br />

individuell kardinal messbar wäre, könnte nicht unbedingt ein interpersoneller<br />

Vergleich stattfinden. (weitere Annahmen nötig! Stichwort: Skalierung)<br />

→ Interpersonelle Unvergleichbarkeit<br />

- Der Nutzen für ein Gut betrage für A 5 NE und für B <strong>10</strong>00 NE. Wegen des fehlenden<br />

objektiven Maßstabs lässt sich dennoch nicht sagen, was mehr ist.<br />

- Nur für den (trivialen) Fall identischer Präferenzen möglich<br />

Probleme beim Aufstellen der SWF: 3. Das Condorcet-Paradox<br />

- Transitivität fordert, dass es bei paarweisen Abstimmungen zwischen Alternativen nicht<br />

zu Abstimmungszyklen kommt<br />

- Dieses Axiom ist leicht zu akzeptieren, wenn<br />

- entweder nur eine Person entscheidet<br />

- oder nur zwei Alternativen zur Auswahl stehen<br />

- Was aber, wenn eine Gruppe von Individuen über mehr als zwei Alternativen abstimmt?<br />

- Soll das Mehrheitsprinzip angewendet werden, so kommen verschiedene Wahlverfahren<br />

in Frage:<br />

- Pluratitätswahl → nicht hier<br />

- Paarweise Abstimmungen<br />

Probleme beim Aufstellen der SWF: 3. Das Condorcet-Paradox - Ein Beispiel<br />

- Kollektive Abstimmung über Müllentleerung<br />

- A: Leerung wöchentlich 40,- pro Monat<br />

- B: Leerung alle 2 Wochen 20,- pro Monat<br />

- C: Leerung einmal im Monat <strong>10</strong>,- pro Monat<br />

- Präferenzen der Wähler bzgl. Müllabfuhr:<br />

- I. A � B � C: „Der Reinliche“<br />

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- <strong>II</strong>. C � A � B: „Der Kompostierer“<br />

- <strong>II</strong>I. B � C � A: „Die Schottennase“<br />

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- Bestimmung der kollektiven Präferenzen durch paarweisen Vergleich<br />

- 1. Abstimmung A vs B: Ergebnis A � B (2:1)<br />

- 2. Abstimmung B vs C: Egebnis B � C (2:1)<br />

- Damit das Axiom der Transitivität erfüllt ist, müsste auch gelten: A � C<br />

→ Das ist hier aber nicht der Fall, denn:<br />

- 3. Kontrollabstimmung A vs C: Ergebnis C � A (2:1)<br />

- Es entsteht ein Zyklus A � B � C � A...<br />

→ Diese SWF ist nicht transitiv, sie enthält einen logischen Widerspruch!<br />

- Dieses Aggregationsproblem bei kollektiven Entscheidungen ist als „Condorcet-Paradox“<br />

bekannt geworden.<br />

- Probleme bei Nichterfüllung des Transitivitätspostulates:<br />

- Aufkommen zyklischer Mehrheiten:<br />

Verlauf des Zyklus ist davon abhängig, in welcher Reihenfolge über die Alternativen<br />

abgestimmt wird<br />

- Möglichkeit des „agenda setting“:<br />

Mit der Wahl einer bestimmten Abstimmungsreihenfolge und vorgegebener Anzahl<br />

von Wahlvorgängen, kann das Ergebnis vorweggenommen werden, insbesondere<br />

dann, wenn auf eine Kontrollabstimmung verzichtet wird.<br />

→ Um zyklische Mehrheiten zu vermeiden, braucht man die zusätzliche Annahme der<br />

„eingipfeligen Präferenzen“.<br />

Probleme beim Aufstellen der SWF: 4. Arrows Unmöglichkeitstheorem<br />

- Arrow ging bei der Suche nach der SWF einen formaleren Weg.<br />

- Das dabei entwickelte Theorem (auch: Arrow-Paradoxon) ist von fundamentaler<br />

Bedeutung und Grundlage für die gesamte Social-Choice-Theorie.<br />

- Der Beweis des untenstehenden Theorems ist relativ kompliziert. Eine gute verbale<br />

Aufarbeitung bietet Weimann (20<strong>09</strong>), S. 206 ff<br />

- Zunächst formuliert Arrow einen normativen Forderungskatalog an die SWF:<br />

1.Paretoeffizienz<br />

Existiert eine Alternative, die von allen Individuen vorgezogen wird, dann soll die<br />

soziale Ordnung diese Alternative bevorzugen.<br />

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2.Ausschluss von Diktatur<br />

Es soll kein Individuum existieren, dessen individuelle Präferenzordnung immer, ganz<br />

gleich wie die Präferenzen der anderen Gesellschaftsmitglieder aussehen, identisch<br />

mit der sozialen Ordnung ist.<br />

3.Transitivität (keine Zyklen)<br />

Die soziale Ordnung soll transitiv über die Alternativen sein.<br />

4. Unrestricted Domain<br />

Alle möglichen individuellen Präferenzordnungen über die Alternativen sind auch<br />

zugelassen.<br />

5.Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen<br />

Die gesellschaftl. Präferenz bzgl. zweier Alternativen darf nur von den individuellen<br />

Ordnungen zwischen diesen beiden Alternativen abhängen, nicht jedoch von der<br />

Position einer dritten Alternative.<br />

→ Satz:Jede SWF, die den Axiomen der „Paretoeffizienz“, „Transitivität“,<br />

„Unrestricted Domain“ und „Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen“ genügt, ist<br />

diktatorisch!<br />

Wir können nicht alle Axiome gleichzeitig erfüllen.<br />

4. Arrows Unmöglichkeitstheorem: Fazit<br />

- Es existiert keine SWF, die alle geforderten Axiome gleichzeitig erfüllt.<br />

→ Auf welches Axiom verzichtet werden soll, ist ein individuelles Werturteil<br />

- Arrow zerstört mit seinem Theorem die Illusion, ein ideales Verfahren finden zu können.<br />

- Kollektive Entscheidungen müssen getroffen werden, Arrow zeigt aber, dass wir sie<br />

niemals in idealer Weise treffen können.<br />

→ Kein Königsweg<br />

- Welche Abstriche bei der SWF in Kauf genommen werden müssen, ist eine Frage der<br />

Gewichtung der einzelnen Axiome.<br />

Fazit<br />

- Fazit insgesamt:<br />

1. Kardinale Messbarkeit des Nutzens möglich?<br />

Nicht möglich, da lediglich eine Reihung der Alternativen vorgenommen werden kann.<br />

2. Interpersonelle Vergleichbarkeit des Nutzens?<br />

Da kein interpersoneller Maßstab existiert, ist interpersonelle Vergleichbarkeit auch<br />

dann nicht möglich, wenn jeder Alternative ein individueller Nutzenwert zugemessen<br />

werden könnte. (Kein „Ur-Meter“)<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

3. Condorcet Paradox (Aggregationsproblem)<br />

Transitivität kann bei Kollektiventscheidungen über mehrere Alternativen nicht<br />

gewährleistet werden.<br />

→ Präferenzaggregation kann Zyklen erzeugen.<br />

4. Arrows Unmöglichkeitstheorem<br />

- Kein ideales Verfahren zur Präferenzaggregation, das alle 5 Axiome von Arrow<br />

erfüllt.<br />

- Scheitern des Wohlfahrtsökonomischen Ansatzes:<br />

Das Ziel „gesellschaftl. Wohlfahrt“ zu bestimmen, ist nicht möglich, da individuelle<br />

Präferenzen nicht konsistent zu einer gesellschaftl. Nutzenfunktion aggregiert werden<br />

können.<br />

- Bescheidenheit im pragmatischen Ansatz:<br />

Beschränkung auf gesellschaftl. Grundwerte, über die „weitestgehend“ Konsens<br />

herrscht, die als „letzte Ziele“ angesehen werden.<br />

21.12.20<strong>09</strong> 2. <strong>Übung</strong><br />

Stellen Sie den Inhalt des Freiheits- und des Gerechtigkeitszieles dar. Wie können<br />

diese Ziele operationalisiert werden? [<strong>WS</strong> 05/06, WIWI DPO 95, 36 Min.]<br />

(Vorlesungsbeilage <strong>Wipo</strong>I, S. 84-89, falls Grafik gefragt, dann die von S. 84)<br />

Literatur<br />

- H. Berg, D. Cassel, K. H. Hartwig (2007): „Gesellschaftliche Grundwerte und<br />

wirtschaftspolitische Einzelziele“, S. 3<strong>10</strong>-316.<br />

- J. B. Donges, A. Freytag (2004): „Ziele und Methoden der Wirtschaftspolitik“, „Ziele der<br />

Wirtschaftspolitik“ und „Zielbeziehungen“, S. 1-22.<br />

- M. Streit (2005): „Gesellschaftliche Grundwerte Freiheit und Gerechtigkeit“, S. 237-256.<br />

Einleitung<br />

- Unterstelltes Ziel: Wohlfahrtsmaximierung<br />

- Auslöser eines wirtschaftspolitischen Mitteleinsatzes ist eine als korrekturbedürftig<br />

empfundene Abweichung der Realität von einem erwünschten sozioökonomischen<br />

Zustand.<br />

- Scheitern des wohlfahrtsökonomischen Ansatzes.<br />

→ siehe <strong>Übung</strong> 1<br />

- Daher: Formulierung allgemein anerkannter gesellschaftlicher Grundwerte, die als „letzte<br />

Ziele“ angesehen werden.<br />

- In westlichen Industriegesellschaften:<br />

- Freiheit ← hier besprochen<br />

- Gerechtigkeit ← hier besprochen<br />

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- Sicherheit<br />

- Fortschritt<br />

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- Die Ziele sind nicht naturgegeben oder ableitbar.<br />

- Die Bestimmung dessen, was als wünschenswert bezeichnet wird, unterliegt einer<br />

normativen Entscheidung. Diese muss von der Mehrheit der Gesellschaft (zumindest)<br />

hingenommen werden, um Konflikte in der Gesellschaft zu vermeiden.<br />

→ Ziele und Gewichtung sind Werturteile, also normativ!<br />

- Im Rahmen dieser Veranstaltung ist keine erschöpfende Behandlung der<br />

Bedeutungsvielfalt aller Ziele möglich.<br />

- Um die Erreichung gesellschaftlicher Ziele einer (ökonomischen) Analyse zugänglich zu<br />

machen, ist es erforderlich,<br />

- sich auf Teilaspekte der Ziele (z.B. Wohlstand) zu „spezialisieren“<br />

- Ziele operational zu formulieren, d.h. sie beobachtbar und messbar zu machen.<br />

→ Voraussetzung für Erfolgskontrolle und Lernen<br />

- Zielgerichtetes Handeln erfordert Lenkungswissen<br />

Das Freiheitsziel (individuelle Perspektive)<br />

- Willensfreiheit:<br />

Verneinung der Vorherbestimmtheit menschlichen Handelns und Fähigkeit zu sittlichem<br />

Handeln → Der Mensch ist frei zu wollen! (Bertrand Russell)<br />

- (Handlungs-) Freiheit:<br />

Abwesenheit von Hindernissen, die einer Realisierung eigener Wünsche<br />

entgegenstehen<br />

- Kann der Mensch auch, was er will?<br />

- Bedeutet, dass Menschen ihre Chancen frei und eigenverantwortlich wahrnehmen<br />

können<br />

- Ansatzpunkt für Umverteilungspolitik<br />

- Diskussion möglicher Realisierungsbeschränkungen des Wollens / Hindernisse der<br />

Handlungsfreiheit:<br />

- Objektive Grenzen<br />

- Naturgesetze (physikalisch, technische Grenzen)<br />

- Konkurrenz individueller Wünsche angesichts allgegenwärtiger Knappheit<br />

- Subjektive Grenzen<br />

- Physische und psychische Grenzen (Moral, Einkommen, etc.)<br />

- Informationsprobleme<br />

- Gesellschaftliche Grenzen<br />

- Recht, Sitten und Gebräuche mit externen Sanktionsmechanismen<br />

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Das Freiheitsziel (gesellschaftliche Perspektive)<br />

- Das Freiheitsziel hat so viele Ausprägungen wie die Gesellschaft selbst.<br />

→ Hier nur Aspekte politischer & wirtschaftlicher Freiheit<br />

- Konflikte<br />

- Entstehen bei der Ausübung individueller Handlungsfreiheit durch Rivalität bei der<br />

Wahrnehmung von Handlungschancen<br />

- Einschränkung individueller Freiheitsgrade zur Erlangung gesellschaftlicher Freiheit.<br />

- Betrachtung einer Extremposition: Alle Individuen beanspruchen für sich totale<br />

Handlungsfreiheit (Hobbes'scher Dschungel).<br />

- Erforderlich ist die Einschränkung individueller Freiheitsgrade.<br />

→ Begrenzung eigener Freiheit, dadurch aber Schutz vor Ausübung totaler<br />

Handlungsfreiheit Dritter (Paradox der Freiheit)<br />

Operationalisierung individueller Handlungsfreiheit<br />

- Wie kann individuelle Handlungsfreiheit sichergestellt werden?<br />

→ Operationalisierung<br />

- Konfliktregelung nach vorheriger Übereinkunft (Einrichtung des Kollektivgutes<br />

Rechtssystem)<br />

- Formaler Freiheitsaspekt (formales Recht): Gleichheit vor dem Gesetz, Schutz vor<br />

staatl. Willkür und vor Ausübung privaten Zwanges.<br />

- Es muss für eine unbekannte Anzahl von Personen und Fällen gleichermaßen<br />

gelten.<br />

- Konfliktvorbeugung: Festlegung von Persönlichkeits- und Eigentumsrechten, die<br />

ökonomischen Handlungsrechte.<br />

- Materieller Freiheitsaspekt<br />

- Gesellschaftsmitglieder müssen in der Lage sein, die formale Freiheit nutzen zu<br />

können. Bei Ausübung der formalen Handlungsfreiheit kann jedoch ein Machtproblem<br />

bestehen.<br />

- Wirtschaftliche Freiheit und marktwirtschaftliche Ordnung<br />

- Ein Regelsystem, welches die Verwirklichung wirtschaftlicher Freiheit zum Ziel hat,<br />

setzt auf:<br />

- Die Selbstkoordination eigenverantwortlicher Wirtschaftssubjekte durch<br />

Markttransaktionen (Menschen wissen, was sie wollen und versuchen, ihre Ziele zu<br />

erreichen)<br />

- Die Selbstkontrolle unter dem Druck wirksamen Wettbewerbs mit anpassungs- und<br />

entwicklungsfördernden sowie machtbegrenzenden Folgen.<br />

- Zentrale Aufgabe des Staates bei Gewährleistung wirtschaftlicher Freiheit ist die<br />

Wahrnehmung seiner Ordnungsmacht<br />

→ Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen zur Selbststeuerung.<br />

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- Gewährleistung von Privatautonomie<br />

- Anerkennung von Privateigentum<br />

- Konsumenten- und Produzentensouveränität<br />

- Schutz vor Missbrauch von Privatautonomie<br />

- Sicherung des Wettbewerbs<br />

- Kontrolle wirtschaftlicher Macht<br />

- Schutz vor unangemessener Machtausübung<br />

- Schutz des Einzelnen vor „unangemessener“ Machtausübung durch Dritte als<br />

Staatsaufgabe<br />

- Macht/Zwang:<br />

- Entsteht in Tauschbeziehungen durch das Fehlen von Ausweichmöglichkeiten oder<br />

echter Alternativen (Nachfragemonopol).<br />

- Persönlichkeitsmacht<br />

- Besitzmacht<br />

- Organisationsmacht<br />

- Probleme wirtschaftlicher Macht und die Behandlung in der Wettbewerbspolitik<br />

- Die Bestimmung dessen, was als unangemessen gelten soll, ist u.a. abhängig von<br />

den Ursachen der entstandenen Macht, z.B..:<br />

- Überfall/Erpressung: „Geld oder Leben!“<br />

→ unangemessene Ausübung von Persönlichkeitsmacht<br />

- Monopolmacht: Vereinnahmung von Pioniergewinnen, Verdrängung von<br />

Konkurrenten durch Ausnutzung von Größenvorteilen in der Produktion<br />

→ angemessene Ausübung von Besitzmacht<br />

- Monopolmacht: Aufbau von Marktzutrittsbeschränkungen;<br />

Beschädigungswettbewerb<br />

→ unangemessene Organisationsmacht<br />

- Kriterium: Leistungsbezogenes vs. nicht leistungsbezogenes Einkommen<br />

Gerechtigkeit<br />

- Es gibt wohl kaum eine Norm, die so viele Emotionen, Kontroversen und<br />

gesellschaftliche Konflikte auslösen kann wie die Gerechtigkeit.<br />

- Warum wird nach (mehr) Gerechtigkeit gestrebt?<br />

- Bewertende Vergleiche von tatsächlichen oder vermuteten Lebenslagen anhand<br />

unterschiedlicher Kriterien wie Einkommen, Konsumniveau, Bedürftigkeit,<br />

gesellschaftlicher Stellung.<br />

- Meist nicht näher konkretisierte Vorstellung der Gleichheit von Menschen einer<br />

Gesellschaft.<br />

- Überwiegend statische Betrachtung; Denken in gesellschaftl. wünschenswerten<br />

Endzuständen (vs. dynamische Realität)<br />

- Geht von Gestaltbarkeit der Gesellschaft aus: Glück, Geschick sowie Vor- oder<br />

Nachteile die aus den Lebensumständen erwachsen, werden nicht akzeptiert.<br />

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- Scheint als Ziel aufgrund wahrgenommener Abweichungen leicht fassbar, die konkrete<br />

Umsetzung (Operationalisierung) entzieht sich einem leichten Zugang!<br />

Prozedurale Gerechtigkeit<br />

- Prozedurale (auch: formale) Gerechtigkeit :<br />

→ Prinzip der Gleichbehandlung<br />

- Wie muss das Recht beschaffen sein, damit es von den Gesellschaftsmitgliedern als<br />

gerecht empfunden wird?<br />

- Gleiche Verteilung der Vorteile und Lasten der Staatsbürgerschaft.<br />

- Gleiche Behandlung durch ein für alle gleiches Recht und unparteiische<br />

Rechtsprechung.<br />

- Besonders: Keine Diskriminierung nach leistungsfremden Merkmalen. (z.B. Rasse,<br />

Herkunft, Geschlecht)<br />

- Sicherstellung gleicher rechtlicher Möglichkeiten und Grenzen für<br />

eigenverantwortliches Handeln aller Gesellschaftsmitglieder.<br />

Verteilungsgerechtigkeit<br />

- Verteilungsgerechtigkeit:<br />

→ Angleichung der Einkommens- und Vermögenspositionen<br />

- In einer Privatrechtsgesellschaft zeigen die einem Marktteilnehmer zufließenden<br />

Einkommen diesem, mit wie viel Geschick und Glück er im marktwirtschaftlichen Suchund<br />

Entdeckungsprozess die ihm zur Verfügung stehenden Mittel genutzt hat. Sein<br />

Einkommen wird dabei von den Markthandlungen einer Vielzahl ihm meist<br />

unbekannten Personen mitbestimmt, die ihrerseits knappe Mittel zur<br />

Einkommenserzielung einsetzen. Alle entstandenen Einkommen sind Teilergebnisse<br />

einer Handelsordnung, die permanent unter dynamischen Bedingungen neu erzeugt<br />

werden<br />

- Verteilungsgerechtigkeit (Teil 2):<br />

- Welche (Güter-, Positions-) Verteilung wird von den Gesellschaftsmitgliedern als<br />

gerecht betrachtet?<br />

- Statische Sichtweise innerhalb eines dynamischen Systems - die erzielten Einkommen<br />

stellen nur Zwischenergebnisse, keine Endzustände dar.<br />

- Wird eine durch regelgerechtes Verhalten erzielte Einkommensverteilung als<br />

ungerecht bezeichnet, impliziert dies, dass vom Prinzip der Gleichverteilung<br />

abgewichen werden muss.<br />

- Die Verwendung eines Bedarfskriteriums setzt die Diskriminierung der<br />

Marktteilnehmer nach anderen, leistungsfremden Kriterien voraus. Somit verstößt es<br />

gegen das Prinzip der Gleichbehandlung der formalen Gerechtigkeit.<br />

→ Konflikt mit Gleichbehandlungsgrundsatz und Zielkonkurrenz mit dem Freiheitsziel!<br />

Operationalisierung: Bestimmung materieller Gerechtigkeit<br />

- Wie soll gerecht entlohnt werden?<br />

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- Persönliches Verdienst (Leistungsgerechtigkeit)<br />

- Faktorentlohnung nach Arbeitsinput/-intensität<br />

- Faktorentlohnung nach Arbeitsoutput<br />

→ Probleme: Kaum ermittelbar (Stichwort: Teamproduktion)<br />

Also: Entlohnung nach dem Wertgrenzprodukt.<br />

- Ist eine Entlohnung nach dem Wertgrenzprodukt nicht möglich, so kommt eine<br />

Verteilung nach individuellem Bedarf in Betracht<br />

- Individueller Bedarf (Verteilungsgerechtigkeit)<br />

- Zuweisung von Gütern nach Bedürfnissen<br />

- Angewendet, wenn Marktbewertung der Arbeit ausscheidet (Erwerbsunfähigkeit)<br />

- Probleme<br />

- Fremdbestimmung der eigenen Versorgungslage setzt interpersonelle<br />

Nutzenvergleichbarkeit voraus (siehe hierzu <strong>Übung</strong> 1)<br />

- Begünstigung des Moral Hazard (Abschwächung privater Vorsorge, fahrlässige<br />

Herbeiführung des Versorgungsfalles)<br />

Operationalisierung des Gerechtigkeitsziels und Zielkonflikte<br />

- Zum Konflikt zwischen Freiheit und sozialer Gerechtigkeit<br />

- Das Ausmaß wirtschaftlicher Initiative hängt unmittelbar von den damit verbundenen<br />

Gewinnerwartungen ab. Je größer der für Umverteilungszwecke vorgesehene Anteil<br />

des Einkommens ist, desto geringer fällt die Leistungsbereitschaft aus. Dies führt zu<br />

einem geringeren Produktionswert und zu einer Verkleinerung der<br />

Umverteilungsbasis.<br />

- Kompromiss: Versuch, einen optimalen Trade-off zu erreichen; Synthese von<br />

Wettbewerbsprinzip und individueller Freiheit mit sozialer Gerechtigkeit und Verteilung<br />

(soziale Marktwirtschaft); Urheber-, Patentrecht.<br />

Der Kompromissversuch in der sozialen Marktwirtschaft am Beispiel des Steuertarifs<br />

- Bsp.: Gerechtigkeit in der Steuerpolitik<br />

- Grundlage: Leistungsfähigkeitsprinzip<br />

- Instrument: Verwendung eines Progressionstarifs in der Einkommensteuer<br />

- Gerechtigkeitsmerkmale<br />

- Gleichbehandlung von Individuen gleicher Leistungsfähigkeit; d.h. keine<br />

Diskriminierung (horizontale Gerechtigkeit)<br />

- Relativ stärkere Besteuerung von Individuen mit höherer Leistungsfähigkeit (vertikale<br />

Gerechtigkeit);<br />

- Achtung: Begriff der Leistungsfähigkeit ist normativ und daher ein Werturteil<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

Untersuchen Sie die vertikalen und horizontalen Beziehungen, welche zwischen<br />

wirtschaftspolitischen Zielen bestehen können. Greifen Sie bei Ihrer Argumentation<br />

auf geeignete Schaubilder zurück, und verwenden Sie passende Beispiele.<br />

[SS <strong>09</strong>, <strong>10</strong>0 P., 60 Min.] Vorlesungsbeilage <strong>Wipo</strong> I, S. 92-97<br />

Literatur<br />

- H. Berg, D. Cassel, K. H. Hartwig (2007): „Zielbeziehungen“, S. 313-314.<br />

- J. B. Donges, A. Freytag (2004): „Ziele und Methoden der Wirtschaftspolitik“, „Ziele der<br />

Wirtschaftspolitik“ und „Zielbeziehungen“, S. 1-22.<br />

- M. Streit (2005): „Zielbeziehungen“, S. 278-282.<br />

Einleitung<br />

- Unterstelltes Ziel wirtschaftspolitischer Entscheidungsträger: Erhöhung der Wohlfahrt in<br />

einer Gesellschaft<br />

- Aber: Scheitern des wohlfahrtsökonomischen Ansatzes (siehe <strong>Übung</strong> 1)<br />

- Daher: Formulierung allgemein anerkannter gesellschaftlicher Grundwerte<br />

→ „letzte Ziele“ (siehe <strong>Übung</strong> 2)<br />

- Zwecks (ökonomischer) Bewertung ist es erforderlich:<br />

- Ziele operational (d.h. beobachtbar oder messbar) zu formulieren<br />

- sich auf Teilaspekte der Ziele zu beschränken (z.B. materieller Wohlstand).<br />

- Als praktische wirtschaftspolitische Ziele gelten in den meisten Industrieländern:<br />

- Wirtschaftswachstum<br />

- ein hoher Beschäftigungsstand<br />

- Preisniveaustabilität<br />

- ein außenwirtschaftl. Gleichgewicht, gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung<br />

- Die Realisierung wirtschaftspolitischer Ziele macht den Einsatz wirtschaftspolitischer<br />

Mittel (Instrumente) erforderlich.<br />

- Beim Einsatz der Instrumente müssen Zielbeziehungen beachtet werden, d.h. diejenigen<br />

Auswirkungen, die der Einsatz eines wirtschaftspolitischen Instuments für andere Ziele<br />

als das angestrebte mit sich bringt.<br />

- Zielbeziehungen können vertikaler und horizontaler Art sein<br />

→ Gegenstand der Klausuraufgabe!<br />

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Vertikale Zielbeziehungen<br />

- Vertikale Zielbeziehungen:<br />

- Bei Zielen unterschiedlicher Ebenen<br />

<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Vertikale Zielbeziehungen sind möglich, wenn:<br />

- Mittel Zielcharakter haben<br />

→ Eigenwert des Mittels<br />

- Ziele Mittelcharakter haben<br />

→ Ziele können nach übergeordneten Zielen hinterfragt werden<br />

- Wirtschaftspolitische Mittel zur Zielerreichung wirken nicht ausschließlich in<br />

beabsichtigter Art und Weise.<br />

- Mittel können (un-)erwünschte Folge- und Nebenwirkungen auf andere Ziele haben.<br />

- Bsp.: Im Hinblick auf gesellschaftliche Grundwerte haben wirtschaftspolitische Ziele<br />

Mittelcharakter.<br />

→ Daher: Aufbau einer konsistenten Zielpyramide und Formulierung von Kriterien zum<br />

Einsatz wirtschaftspolitischer Mittel.<br />

- Beispiel für vertikale Zielbeziehungen<br />

- Ziel-Mittel-Beziehung: Ziele sind zugleich Mittel der jeweils übergeordneten Ziele<br />

(Zielhierarchie)<br />

- Oberstes Ziel: Gemeinwohl (gesellschaftl. Wohlfahrt)<br />

- Zwischenziel/Mittel: gesellschaftl. Grundwerte: Freiheit, Gerechtigkeit, ...<br />

- Zwischenziel/Mittel: ökonomischer Wohlstand<br />

- Zwischenziel/Mittel: freier Leistungswettbewerb<br />

- Zwischenziel/Mittel: Begrenzung des Konzentrationsgrades<br />

- wettbewerbspol. Instrumente: Kartellverbot, Fusionskontrolle<br />

- Beispiel für den Eigenwert von Mitteln<br />

- Freihandel und Wettbewerb sind Mittel zur Erreichung ökonomischen Wohlstands. Die<br />

damit verbundenen freien Entscheidungsspielräume stellen jedoch zugleich einen<br />

Wert im Sinne des Freiheitsziels dar. Stehen unterschiedliche Mittel zur Auswahl,<br />

muss dieser „Eigenwert des Mittels“ beachtet werden.<br />

- Beispiel für Nebenwirkungen auf andere Ziele: siehe horizontale Zielbeziehungen<br />

Horizontale Zielbeziehungen<br />

- Beziehungen zwischen Zielen auf (annähernd) gleicher Ebene (Bsp.: Genannte<br />

wirtschaftspolitische Ziele, siehe Folie 4)<br />

- Logische horizontale Zielbeziehungen<br />

- Setzen bei inhaltlicher Beschreibung der Ziele an<br />

- Können mehrere Ziele überhaupt zugleich angestrebt werden?<br />

- Offenbaren tautologischen Charakter von Zielformulierungen<br />

- Technologisch (empirische) horizontale Zielbeziehungen<br />

- Folge von Nebenwirkungen des Mitteleinsatzes.<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Setzen auf der technologischen Durchführungsebene an<br />

Logische Zielbeziehungen: Identität, Vereinbarkeit, Unvereinbarkeit<br />

- Identität<br />

- Bei genauer Betrachtung unterscheiden sich die formulierten Ziele inhaltlich nicht.<br />

- Unterscheiden sich nur durch die Wahl der Perspektive.<br />

- Bsp. „Geldwertstabilität“ und „Vermeidung von Inflation und Deflation“, „Vermeidung<br />

unfreiwilliger Arbeitslosigkeit“ und „Vollbeschäftigung“<br />

- Vereinbarkeit<br />

- Die Zielformulierungen sind widerspruchsfrei.<br />

- Voraussetzung dafür, dass mehre Ziele überhaupt zugleich angestrebt werden<br />

können.<br />

- Bsp.: Preisniveaustabilität und hoher Beschäftigungsstand<br />

- Unvereinbarkeit (Antinomie)<br />

- Die Verfolgung eines Ziels schließt die Erreichung eines anderen Ziels aus logischen<br />

Gründen aus.<br />

- Beispiele:<br />

- Gleichzeitige Steigerung der Lohn- und Gewinnquote<br />

- Autarkie zur Vermeidung außenwirtschaftl. Abhängigkeit und zugleich<br />

Wahrnehmung der Vorteile aus internationaler Arbeitsteilung.<br />

- Einführung von Mindestlöhnen und „Vermeidung von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit“.<br />

11.01.20<strong>10</strong> 3. <strong>Übung</strong><br />

Technologische (empirische) Zielbeziehungen: Harmonie, Neutralität und Konflikt<br />

- Zielkomplementarität (Harmonie)<br />

- Die Verfolgung eines Ziels begünstigt zugleich die Verfolgung eines anderen Ziels.<br />

- Achtung: Hier keine Ziel-Mittel-Beziehung!<br />

- Bsp: Stabilität und Wachstum oder hoher Beschäftigungsstand und Wachstum.<br />

- Zielunabhängigkeit (Neutralität)<br />

- Die Verfolgung eines Ziels lässt andere Ziele unberührt.<br />

- Wegen Interdependenz des ökonomischen Geschehens selten<br />

- Bsp.: Infrastrukturmaßnahmen und Außenhandelsabkommen über den Schutz<br />

geistigen Eigentums<br />

- Zielkonkurrenz (Konflikt)<br />

- Die Verfolgung eines Ziels beeinträchtigt die Verfolgung eines anderen Ziels.<br />

→ Abwägungsprobleme, wenn keines der Ziele aufgegeben werden soll.<br />

- Bsp.: Soziale Absicherung: Existenzsicherheit vs. Produktivitätssteigerung oder<br />

Preisniveaustabilität vs. Vollbeschäftigung (kurzfristige Phillips-Kurve)<br />

→ „Wahl“ zwischen unterschiedlichen Realisierungsgraden dürfte bei dynamischer<br />

Betrachtung nur kurz- und mittelfristig gegeben sein.<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

Horizontale Zielbeziehungen<br />

Quelle: M. Streit (2005), S. 279.<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

Unterscheiden Sie, wie wirtschaftspolitische Maßnahmen der Verhaltensabstimmung,<br />

der Verhaltensanweisung und der Verhaltensinduzierung auf das<br />

Entscheidungssystem der Adressaten einwirken. Nennen Sie dabei auch geeignete<br />

Beispiele, und verwenden Sie bei Ihrer Antwort eine geeignete Abbildung.<br />

[<strong>WS</strong> 07/08, <strong>10</strong>0 P., 60 Min.]<br />

Vorlesungsbeilage <strong>Wipo</strong><strong>II</strong>: S. 4-5. M. Streit(2005): „Wirtschaftspolitische<br />

Instrumentenkategorien“, S. 283-293;<br />

Einleitung<br />

- Bisher: Betrachtung gesellschaftlicher Ziele und Suche nach operationalen Definitionen,<br />

sowie konsistenten Zielbeziehungen.<br />

- Jetzt: Betrachtung des wirtschaftspolitischen Instrumentariums.<br />

→ Mittel der Wirtschaftspolitik<br />

- Formulierung eines Kontinuums an Lenkungsmöglichkeiten nach Intensität des Eingriffs.<br />

→ Durch systematische Verbindung mit wirtschaftspolitischen Zielen entsteht ein Ziel-<br />

Mittel-System.<br />

- Es entsteht ein Kontinuum an Lenkungsmöglichkeiten nach der Intensität des Eingriffs:<br />

Wie stark, umfassend oder dauerhaft wird lenkend in den Wirtschaftsprozess<br />

eingegriffen?<br />

- Hier: Verhaltensorientierter Ansatz, da jeder Eingriff Verhaltensänderungen der<br />

Individuen hervorruft. Diese Reaktionen können die Erreichung des angestrebten Ziels<br />

erleichtern, oder ihm im Wege stehen.<br />

- Bei dieser Einteilung wird auch die Unsicherheit über Verlauf und Ausmaß der Wirkung<br />

deutlich → Es existiert kein deterministisches Ziel-Mittel-System!<br />

- Tendenziell hohe Eingriffsintensität.<br />

- Annahme: Es existieren mächtige, organisierte wirtschaftliche Gruppen<br />

(Interessenverbände). Diese können die angestrebten politischen Ziele untergraben.<br />

Verhaltensabstimmung<br />

- Um diese Gruppen zu kooperativem zielkonformem Verhalten zu bewegen, wird ihnen<br />

ein Mitspracherecht bei der Regelsetzung eingeräumt.<br />

- Es wird eine einvernehmliche Festlegung wirtschaftspolitische Ziele zwischen<br />

Gesetzgeber und (einigen) Marktteilnehmern (Gesetzesadressaten) bzw. deren<br />

Vertretern angestrebt.<br />

- Bsp.: Runde Tische, Gipfel, „Bündnis für Arbeit“, „Ausbildungspakt“…<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

Eingriffsbereiche und Eingriffsintensität wirtschaftspolitischer Steuerung<br />

Quelle: Dobias (1980), S. 70.<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Wirkung der Verhaltensabstimmung auf das Entscheidungssystem der Adressaten:<br />

- Handlungen:<br />

- Es wird erwartet, dass die vereinbarten Handlungen direkt, als unmittelbare Folge der<br />

Abstimmung, induziert werden.<br />

- Handlungsmöglichkeiten:<br />

- Auch eine Einschränkung/Erweiterung der zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten<br />

kann Ergebnis der Abstimmung sein. Dies kann die Bewertung bzw.<br />

die Folgen des Handelns beeinflussen.<br />

Kritik an der Verhaltensabstimmung: Verfassungsrechtliche Bedenken<br />

- Kritik: Die Beteiligung am wirtschaftspolitischen Prozess ist mit dem Anreiz verbunden,<br />

den erreichten Konsens zu eigenen Gunsten zu beeinflussen.<br />

- Verfassungsrechtliche Bedenken<br />

- Ausgewählte, demokratisch nicht legitimierte Verhandlungspartner sind Teil des<br />

Gesetzgebungsprozesses.<br />

→ Verhaltensabstimmungen sind insofern eine starke Form des Eingriffs, als dass<br />

das Gesetzgebungsverfahren entdemokratisiert werden kann. Es liegt eine<br />

verfassungsmäßig nicht vorgesehene Teilnahme von Wirtschaftssubjekten vor,<br />

die Adressaten der Gesetzgebung sind.<br />

Kritik an der Verhaltensabstimmung: Ordnungspolitische Bedenken<br />

- Ordnungspolitische Bedenken<br />

- Eine Stärkung des Einflusses von Interessengruppen ist zu erwarten. Zum Zeitpunkt<br />

der Festlegung eines Handlungsrahmens kann geschickte Einflussnahme zu eigenen<br />

Gunsten besonders weitreichende Folgen haben.<br />

- Durch geschicktes Verhandeln können Umverteilungsgewinne realisiert werden.<br />

Dies verzerrt den Markt zu Gunsten der beteiligten Parteien und geht zu Lasten<br />

derer, die nicht an der Verhaltensabstimmung beteiligt wurden.<br />

→ Der Durchsetzung von Partikularinteressen ist Tür und Tor geöffnet (Lobbyismus).<br />

- Beispiel: Vor der Bundestagswahl (!) lud Frau Merkel Vertreter der Milchbauern zum<br />

„Milchgipfel“ ins Kanzleramt ein.<br />

Verhaltensanweisung<br />

- Wirkung der Verhaltensanweisung auf das Entscheidungssystem der Adressaten:<br />

- Handlungen<br />

- Unerwünschte Handlungen werden verboten, erwünschte geboten.<br />

- Verhaltensanweisung kann direkt auf das Durchführen oder Unterlassen bestimmter<br />

Handlungen wirken.<br />

- Handlungsmöglichkeiten<br />

- Reduzierung legaler Handlungsalternativen<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Die Reaktion auf eine Anweisung hängt von der Bewertung der Handlungsfolgen ab.<br />

(Bsp. Steuer auf Zigaretten)<br />

- Relativ intensive Form des Eingriffs.<br />

→ In Marktwirtschaften z.T. nicht ordnungskonform!<br />

- Verhaltensanweisungen können sein:<br />

- Ge-/Verbote<br />

- Fusionskontrolle<br />

- Ladenschlussgesetz<br />

- Im Extremfall: Zwang<br />

- Ge-und Verbote sind weniger starke Eingriffe als der Zwang, da die WiSus hier die<br />

Möglichkeit haben Ausweichreaktionen durchzuführen. Bei Zwang muss eine<br />

bestimmte Handlung durchgeführt werden.<br />

- Auch die Veränderung einzelwirtschaftlicher Plandaten kann durch<br />

Verhaltensanweisungen erreicht werden.<br />

- Höchst-/Mindestpreise<br />

- Institutionelle Marktbedingungen<br />

Verhaltensanweisung: Kritik<br />

- Zentral ist das Informationsproblem des Regulierers.<br />

- Legale Anpassungsvorgänge der Wisus können der Zielerreichung dienen, oder ihr<br />

entgegenwirken. Es können dadurch weitere nicht marktkonforme Marktinterventionen<br />

nötig werden. → Bsp.: Butterberge und Milchseen<br />

- Es können Anreize zum Nichtleistungswettbewerb geschaffen werden<br />

(Geltendmachung von „Sonderrechten“).<br />

- Es kann zur Verlagerung bestimmter Aktivitäten in die Illegalität kommen und so zur<br />

Entstehung von Schwarzmärkten beitragen.<br />

Verhaltensinduzierung über Anreize<br />

- Indirekte Verhaltensbeeinflussung über Anreize durch Berücksichtigung des Kalküls der<br />

WiSus.<br />

- Im Gegensatz zur Verhaltensabstimmung und Ge-/ Verboten liegt hier ein Instrument mit<br />

indirekter Zielwirkung vor.<br />

- Relativ geringe Eingriffsintensität<br />

→ Ausnutzung rationaler Verhaltensanpassung als Reaktion auf den Mitteleinsatz.<br />

- Instrumente zur Verhaltensinduzierung über Anreize können sein:<br />

- Informationspolitik<br />

- Stiftung Warentest<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Verbraucherzentrale<br />

- Aufklärungskampagne bzgl. der Versorgungslücke im Alter<br />

- Zukünftig geplantes Staatshandeln<br />

- Korrektur von Zielvorstellungen<br />

- Werbende Aufforderung oder kritische Mahnung die darauf abzielen individuelle oder<br />

gruppenspezifische Zielvorstellungen in Richtung der wirtschaftspolitischen Ziele zu<br />

beeinflussen. → Z.B.: „BuyBritish“<br />

- Steuertarif<br />

- Lenkungssteuer z.B. auf Alcopops<br />

- Kombilohn<br />

- Sanktionsdrohung<br />

- GWB<br />

- Rechtsformen<br />

- Wirkung der Anreize auf das Entscheidungssystem der Adressaten:<br />

- Veränderung des entscheidungsrelevanten Informationsstandes.<br />

- Veränderung der entscheidungsrelevanten Umwelt.<br />

- Einflussnahme auf die Wirtschaftsordnung<br />

- Z.B. verantwortungsvoller Umgang mit Eigentum, wenn dem Gewinnstreben die<br />

Haftung entgegensteht.<br />

- Einflussnahme in den Wirtschaftsprozess<br />

- Z.B. verbesserte steuerliche Absetzbarkeit, um zielkonforme Lenkungswirkung zu<br />

erreichen.<br />

- Die Beurteilung einzelner Maßnahmen muss die Interdependenz wirtschaftlicher<br />

Aktivität berücksichtigen, da die Folgen der Verhaltensinduzierung sehr weitreichend<br />

sein können und dem ursprünglich angestrebtem Ziel entgegenwirken oder nicht<br />

bedachte Zielkonkurrenz auslösen können.<br />

- Bsp.: „Biosprit (Bodennutzungskonkurrenz und Nahrungsmittelkrisen)<br />

4. <strong>Übung</strong> 18.01.20<strong>10</strong><br />

Stellen Sie dar, inwiefern die Ziel-und die Ordnungskonformität geeignete Kriterien<br />

zur Auswahl wirtschaftspolitischer Instrumente sind. Diskutieren Sie in diesem<br />

Zusammenhang auch die Bedeutung von Stetigkeit und Glaubwürdigkeit des<br />

Einsatzes von wirtschaftspolitischen Instrumenten. [<strong>WS</strong> 07/08, <strong>10</strong>0 P., 60 Min.]<br />

Literatur<br />

- H. Berg, D. Cassel, K. H. Hartwig (2007): „Einsatzkriterien des wirtschaftspolitischen<br />

Instrumentariums“, S. 322-324.<br />

- J. B. Donges, A. Freytag (2004): „Regelbindung vs. Diskretionäres Verhalten“ (zur<br />

Glaubwürdigkeit), S. 273-283.<br />

- M. Streit (2005): „Zielkonformität, Konzeptionskonformität, Systemkonformität“ (zur Zielund<br />

Ordnungskonformität), S. 307-313.<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

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Einleitung<br />

<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

Wird ein realer sozioökonomischer Zustand als korrekturbedürftig empfunden, so können<br />

zur Erreichung des gewünschten Zielzustandes verschiedene wirtschaftspolitische Mittel<br />

auf Tauglichkeit geprüft werden.<br />

- Hierbei gilt: Politische Ziele sind Werturteile. Politiker stehen für einen Zielmix. Unter<br />

Umständen haben Instrumente einen Eigenwert.<br />

- Es muss eine Beurteilung der zu Verfügung stehenden Mittel vorgenommen werden.<br />

- Für einen effizienten Mitteleinsatz können als Auswahlkriterien herangezogen werden:<br />

- Zielkonformität<br />

- Ordnungskonformität (auch: Systemkonformität)<br />

Zielkonformität<br />

- Als „zielkonform“ (auch: „zweckmäßig“) werden alle Maßnahmen bezeichnet, die<br />

grundsätzlich geeignet erscheinen, zur Lösung eines wirtschaftspolitischen Problems<br />

beizutragen.<br />

- Diese erste Stufe der Prüfung liefert ein teleologisches Urteil.<br />

- Es muss ebenfalls überprüft werden:<br />

- Folgen für umfassendere gesellschaftl. Ziele (z.B. letzte Ziele)<br />

- Eigenwert der Mittel<br />

- Fern- und Nebenwirkungen auf andere wirtschaftspol. Ziele<br />

- Kosten<br />

- Es ist Lenkungswissen über die Funktionsweise einer Volkswirtschaft nötig (Kenntnis<br />

von bewährten Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen).<br />

- Das Ziel-Mittel-Denken ist, wie das Wissen um seine Begrenztheit, (Unvollkommenheit<br />

des Wissens) unabdingbar, um vor Inkonsistenzen und krassen Fehlurteilen zu<br />

schützen.<br />

- Es besteht die Gefahr, dass politische Gestaltungsmöglichkeiten auf das ökonomische<br />

System überschätzt werden.<br />

→ Unter Umständen resultieren daraus systemverschlechternde Gesamteffekte.<br />

- Bsp.: Inflationsbekämpfung<br />

- Verringerung der Geldemengenausweitung vs. umfassendes Netz von Preis- und<br />

Lohnkontrollen.<br />

Ordnungskonformität<br />

- Ordnungskonform sind Mittel, die mit der gewählten Wirtschaftsordnung vereinbar sind.<br />

- Die Wirtschaftsordnung gibt einen politisch-rechtlichen Rahmen für wirtschaftliche<br />

Tätigkeit in Abhängigkeit umfassenderer gesellschaftlicher Ziele.<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Die gelenkte (soziale) Marktwirtschaft ist dualistisch in Bezug auf den<br />

Koordinationsmechanismus:<br />

- Grundsätzlich: Dominanz des marktmäßig koordinierten privaten Sektors.<br />

- Verwaltungswirtschaftliche Koordination der Versorgung der Bevölkerung mit<br />

Kollektivgütern und Ordnung.<br />

→ Beide Sektoren sind durch verschiedene Lenkungsmaßnahmen in wirtschaftspol.<br />

Absicht miteinander verflochten.<br />

- Die Ordnungskonformität ist ein Beurteilungskriterium zur Bestimmung der Zulässigkeit<br />

des Mitteleinsatzes.<br />

- Bedeutung: Überprüfung eines Instruments hinsichtlich seiner zu erwartenden<br />

Wirkungen auf die Funktionsfähigkeit der gewählten Wirtschaftsordnung.<br />

→ In der gelenkten Marktwirtschaft bedeutet das Kriterium der Ordnungskonformität<br />

(insbesondere wegen des dualistischen Koordinationsverfahrens), dass die<br />

Qualität von Lenkungsmaßnahmen insbesondere im Hinblick auf die<br />

marktmäßige Koordination zu beurteilen ist.<br />

- Entstehung von Abwägungsproblemen, da bspw. eine dem Koordinationsmechanismus<br />

förderliche Regelung Verteilungszielen entgegenstehen kann.<br />

- Ein Instrument ist ordnungskonform, wenn die eingesetzten Instrumente mit der<br />

gewählten Wirtschaftsordnung vereinbar sind, oder diese fördern.<br />

- Beispiele:<br />

- Kartellverbot /Fusionskontrolle zum Erhalt des Leistungswettbewerbs (vereinbar?) ja<br />

- Nicht-tarifäre Wettbewerbshemmnisse in der Außenhandelspolitik (vereinbar?) nein<br />

- Preisfestsetzungen (Agrarpreise, etc.) (vereinbar?) nein<br />

- Die Anwendung des Kriteriums der Ordnungskonformität soll einem orientierungslosen<br />

Interventionismus vorbeugen.<br />

- Interventionismus hat vor allem zwei Ursachen:<br />

- Verengung des Blickfeldes von Fachpolitikern/Interessenvertretern auf ein spezielles<br />

Problemfeld.<br />

- Aus dem Erfolgsdruck der Politiker erscheinen Maßnahmen günstig, die angesichts<br />

der Kürze der Legislaturperiode möglichst schnell und leicht zurechenbare<br />

Zielwirkungen entfalten.<br />

- Gefahr des Interventionismus:<br />

- Ungewollte Summationseffekte:<br />

→ Häufung von Situationen, die das Urteil nahe legen, das System sei<br />

funktionsunfähig und daher zu ändern.<br />

- Dies kann ein grobes Fehlurteil sein, vor allem, wenn der Mitteleinsatz selbst den<br />

Schaden verursacht und durch die Korrektur dieser Maßnahmen die Funktionsfähigkeit<br />

wiederhergestellt wird.<br />

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Stetigkeit<br />

<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Vorhersehbarer Einsatz des wirtschaftspolitischen Instrumentariums, so dass private<br />

Wisus in die Lage versetzt werden, das (von ihnen antizipierte) geplante Staatshandeln<br />

in ihrem Kalkül zu berücksichtigen.<br />

→ Auf einen bestimmten Umstand wird immer gleich reagiert. Dazu kann Regelbindung<br />

beitragen.<br />

- Nutzen<br />

- Stabilisierung der Erwartungsbildung privater Akteure<br />

- Durch Reduzierung der Unsicherheit sind Wohlfahrtssteigerungen möglich<br />

- Bsp.: Steigerung des langfristigen Investitionsvolumens<br />

- Grenzen<br />

- Reaktionsmöglichkeiten auf Schocks und neuartige Situationen<br />

- Unstetige Wirtschaftspolitik kann das Wirtschaften erschweren (Wohlfahrtsminderung).<br />

- Sich ändernde Gesetzgebung bei Regierungswechsel<br />

- Stete Variationen im Steuerrecht führen bspw. zu Verzögerungen bei<br />

Neuinvestitionen.<br />

- Beispiele:<br />

- Privatrechtsordnung als wichtige Säule der institutionellen Infrastruktur einer<br />

Volkswirtschaft (Ordnungspolitik, Rechtsstaat)<br />

- Forderung nach „Konstanz der <strong>Wipo</strong>“ im Ordo- (Neo-)liberalismus, da der Staat ein<br />

besonders mächtiger Wirtschaftsakteur ist (Prozesspolitik, Leistungsstaat) und sein<br />

Handeln weitreichende Auswirkungen auf individuelle Verhaltensanreize hat.<br />

Glaubwürdigkeit<br />

- Glaubwürdigkeit:<br />

- Im strengen Sinne geht es um Zeitkonsistenz der Wirtschaftspolitk.<br />

→ Es darf nicht vorhersehbar rational für den Wirtschaftspolitiker sein, zukünftig<br />

gegen seine Ankündigungen zu verstoßen.<br />

- Gegeben, wenn die Einschätzungen der Wirtschaftssubjekte über das tatsächliche<br />

wirtschaftspolitische Handeln zur Zeit t mit dem übereinstimmt, was von der Politik in<br />

t-1 angekündigt wurde (ex-post-Betrachtung).<br />

- Glaubwürdigkeit kann durch Regelbindung verstärkt, oder hergestellt werden.<br />

→ Regelgebundene vs. diskretionäre Wirtschaftspolitik (siehe <strong>Übung</strong> 6)<br />

- Abraham Lincoln zugeschrieben:<br />

„You can fool all the people some of the time, and some people all of the time, but you<br />

can not fool all the people all of the time.“<br />

- Beispiel für zeitinkonsistentes Verhalten: Abschlussklausur (Donges/Freytag S. 277);<br />

Geldpolitik (Donges/Freytag S. 278-283)<br />

- Nutzen<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Stiftet Informationen<br />

- Fördert die Berechenbarkeit staatlichen Handelns<br />

- Verringerung von Unsicherheiten und Erwartungsstabilisierung (Gegenteil bei<br />

Unglaubwürdigkeit)<br />

- Förderung sogenannter Ankündigungseffekte<br />

→ Verkürzung der Zeitverzögerung des wirtschaftspol. Instrumenteneinsatzes<br />

- Je besser es gelingt, (Zukunfts-) Vertrauen in die Wirtschaftspolitik zu schaffen, umso<br />

eher werden die Risiken innovatorischer Aktivitäten von Unternehmen getragen.<br />

- Glaubwürdigkeit ist notwendige Voraussetzung für das Entstehen von Reputation („er<br />

hat das immer schon so gemacht“); Reputation wiederum ist Voraussetzung für die<br />

Herausbildung von Vertrauen (wird „geschenkt“!) darauf, dass keine „Überraschungen“<br />

auftreten.<br />

Beantworten Sie die Teilaufgaben a-c.<br />

a) Untersuchen Sie die jeweiligen Vor- und Nachteile diskretionärer und<br />

regelgebundener Wirtschaftspolitik. Verwenden Sie dabei auch geeignete<br />

Beispiele.<br />

b) Diskutieren Sie die Ausgestaltungsmöglichkeiten von Regelbindungen.<br />

c) Gehen Sie auch auf die Frage ein, ob (Selbst-) Bindungen an Regeln ohne<br />

weiteres immer möglich und dann auch glaubwürdig sind.<br />

[<strong>WS</strong> 08/<strong>09</strong>, <strong>10</strong>0 P., 60 min.]<br />

Literatur<br />

- H. Berg, D. Cassel, K. H. Hartwig (2007): Regelgebundene versus diskretionäre<br />

Wirtschaftspolitik“, 324-326.<br />

- Donges/Freytag (2004): „Regelbindung vs. Diskretionäres Verhalten“, S. 273- 298.<br />

- M. Streit (2005): „Diskretionärer versus regelgebundener Mitteleinsatz“, S. 322-328.<br />

Einleitung<br />

- Zur Erreichung wirtschaftspolitischer Ziele kann es nötig sein auf Instrumente (Mittel) der<br />

Wirtschaftspolitik zurückzugreifen.<br />

- Beim Einsatz wirtschaftspolitischer Instrumente stellen sich die Fragen:<br />

- Wie groß soll der Ermessensspielraum wirtschaftspol. Entscheidungsträger bzgl.<br />

Instrumentenauswahl und Dosierung ausfallen?<br />

- Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Grade der Handlungsfreiheit auf die<br />

Zielerreichung?<br />

- Die Vor- und Nachteile diskretionärer und regelgebundener Wirtschaftspolitik sollen nun<br />

diskutiert werden.<br />

Definition: Diskretionärer versus regelgebundener Mitteleinsatz<br />

- Diskretionärer Mitteleinsatz:<br />

- Es liegt grundsätzlich im Ermessen des Trägers der Wirtschaftspolitik, ob und in<br />

welcher Situation er von einem Mittel in welcher Weise Gebrauch macht.<br />

Seite 26/44 © 02/20<strong>10</strong> by Angelus


<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Regelgebundener Mitteleinsatz:<br />

- Das Ermessen wird dadurch eingeschränkt, dass im vorhinein mehr oder weniger<br />

zwingende rechtliche Regeln getroffen werden, unter welchen Bedingungen welche<br />

Mittel in welcher Dosierung und mit welcher Dauer eingesetzt werden.<br />

→ Zum Teil sind die Grenzen fließend.<br />

Regelgebundene Wirtschaftspolitik<br />

- Grundsätzliche Möglichkeiten der Regelbindung<br />

- Handlungen müssen in ihrer Zahl beschränkt, oder genau vorgeschrieben sein.<br />

- Es müssen Bedingungen (Indikatoren) festgelegt werden, die eine bestimmte<br />

Handlung, oder eine Handlung innerhalb eines Spielraums auslösen.<br />

- Regelbindungen i.S.v. Selbstbeschränkungen, nicht i.S.v. Gesetzesbindung (die ist im<br />

Rechtsstaat obligatorisch!)<br />

- Beispiele für Regelbindungen<br />

- Meistbegünstigungsprinzip im Außenhandel (WTO)<br />

- Maastricht-Kriterien<br />

- Grundgesetzänderung (Regeländerungsregel) stets mit 2/3-Mehrheit<br />

- Monetaristische Geldmengenregel<br />

Vorteile der Regelbindung<br />

- Vorteile der Regelbindung<br />

- „Konstanz der Wirtschaftspolitik“ (Eucken, 1959)<br />

- Vorhersehbarkeit<br />

- Stabilisierung der Erwartungsbildung<br />

- Weniger wipol. Chancen, aber auch weniger Risiko durch Fehlsteuerung.<br />

- Schutz vor Interessengruppen und Klientelpolitik<br />

- Verkürzung von Zeitverzögerungen<br />

- Da Auslöser, Art und Umfang des Eingriffs so weit wie möglich operationalisiert<br />

wurden, vermindern sich bzw. entfallen Instanzverzögerungen, was einen zeitnahen<br />

Eingriff möglich macht.<br />

- Evtl. höhere Glaubwürdigkeit (siehe Aufgabenteil c)<br />

- Je mehr der marktlich koordinierte Bereich in der Lage ist, sich selbst zu steuern,<br />

desto mehr sollte auf fallweise Intervention verzichtet werden.<br />

→ Besser sind dann dauerhafte Vorkehrungen, die die Rahmenbedingungen zur<br />

Selbststeuerung verbessern.<br />

5. <strong>Übung</strong> 25.01.20<strong>10</strong><br />

Grenzen der Regelbindung I<br />

- Steuerungsproblem: Hohe Ansprüche an das technologische Wissen.<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Bedingungen für die Etablierung von Regelbindungen ist Lenkungswissen.<br />

- Verfügt der Entscheider in t0 über genügend Informationen und eine Technologie<br />

(konsistentes empirisch bewährtes Aussagensystem), die es ihm erlaubt,<br />

Kausalzusammenhänge erkennbar werden zu lassen, ist er in der Lage für ein<br />

bestimmtes, wiederkehrendes Problem einen Lösungsmechanismus einzurichten.<br />

- Das Wissen über einen konkreten Problembereich ist i.d.R. so begrenzt, dass es<br />

unmöglich ist, dauerhaft harte Regeln zu formulieren.<br />

→ Liegt eine fehlerhafte Technologie zugrunde, kann das wohlfahrtsmindernde<br />

Folgewirkungen haben.<br />

- Dies gilt in stärkerem Maße als bei der diskretionären <strong>Wipo</strong>.<br />

- Geringere Flexibilität als bei der diskretionären Wirtschaftspolitik.<br />

- Möglichkeiten zur Feinsteuerung entfallen.<br />

- Auf unvorhergesehene Ereignisse und Schocks kann ggf. nur im Rahmen der<br />

Handlungsmöglichkeiten reagiert werden. („build-in-flexibility“)<br />

Grenzen der Regelbindung <strong>II</strong><br />

- Kontrollproblem: Probleme die bei der Kontrolle oder der Sanktionierung von<br />

regelgebundener WiPo auftreten können.<br />

- Mangelnde Operationalisierung<br />

- Ausweichmöglichkeit durch Manipulation<br />

- Der Nachweis von Fehlverhalten wird erschwert.<br />

- Oft bleibt das Dosierungsproblem bestehen, da nur Indikator und Instrument festgelegt<br />

sind, die Dosierung aber diskretionär bleibt.<br />

Grenzen der Regelbindung <strong>II</strong>I<br />

- Schafft es eine Interessengruppe Vorteile in einer Regel festzuschreiben, so sind die<br />

Auswirkungen gravierender als bei der diskretionären Wirtschaftspolitik.<br />

- Eine Regel ist naturgemäß statisch und lässt daher eine dynamische Umwelt außer<br />

Acht.<br />

- Die Umwelt kann sich so verändern, dass die Regel nicht mehr den optimalen Eingriff<br />

liefert.<br />

→ Fazit: In einer dynamischen Welt weichen die Vorteile eines perfekten Automatismus<br />

den Kosten völliger Inflexibilität.<br />

Vorteile diskretionärer Wirtschaftspolitik<br />

- Der Mitteleinsatz kann in jeder auftretenden wirtschaftspolitischen Situation möglichst<br />

zielkonform ausgestaltet werden.<br />

→ Maximale Freiheit (im Rahmen geltenden Rechts) bzgl.:<br />

- des Eingriffs als solchen (ja/nein)<br />

- des Instruments<br />

- der Dosierung<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Glaubwürdig betrieben geben Ermessensspielräume Flexibilität auf eine dynamische<br />

Umwelt zu reagieren.<br />

- Möglichkeit auf Schocks oder nicht vorhergesehene, in der Regel nicht berücksichtigte,<br />

Umstände zu reagieren.<br />

- Sofern das technologische Wissen vorliegt, kann eine situationsabhängige Feinsteuerung<br />

des Instrumenteneinsatzes vorgenommen werden.<br />

Nachteile diskretionärer Wirtschaftspolitik<br />

- Lenkungswissen für eine wipol. Feinsteuerung → grundsätzlich<br />

- Problem der Zeitinkonsistenz optimaler Strategien stärker als bei Regelbindung (siehe<br />

<strong>Übung</strong> 5).<br />

- Zeitverzögerungen (Erkenntnis-lag, Entscheidungs-lag, Wirkungs-lag) beim Einsatz<br />

wirtschaftspolitischer Mittel und damit verbundene Anreize für politische Akteure.<br />

- Gefahr des Aktionismus<br />

- Die zeitliche Zuordnungsproblematik bietet Raum für das Abwälzen oder Leugnen von<br />

Verantwortung.<br />

- Kurzfristorientierung pol. Entscheidungsträger<br />

- Gefahr der häufigen Einflussnahme durch Interessengruppen, (gezielte) Bereitstellung<br />

von „Fachwissen“ (umweltpol. Regulierung) oder Verweis auf die Mobilisierung von<br />

Wählerstimmen (Gewerkschaften), etc.<br />

- Fallweise getroffene Entscheidungen erschweren die einzelwirtschaftl. Planung und<br />

Plankoordination.<br />

- Beispiel: Donnerstagsmaschine<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

Ausgestaltungsmöglichkeiten von Regelbindung<br />

- Der regelgebundene Einsatz des wirtschaftspol. Instrumentariums setzt die Bestimmung<br />

von Indikatoren voraus, mit denen man die Abweichung eines Ist-Zustandes von einem<br />

erwünschten Soll-Zustand bestimmen kann (Bsp. anhand des Stabilitäts- und<br />

Wachstumspaktes – Verfahren bei übermäßigem Defizit)<br />

- Wird ein quantifizierter Schwellenwert über- oder unterschritten (Neuverschuldung ><br />

3%), kann<br />

- eine vorgegebene Maßnahme (Geldstrafe) automatisch ergriffen werden oder<br />

- diskretionär die Auswahl einer bestimmten Maßnahme aus einem Maßnahmenkatalog<br />

(z.B. Geldstrafe oder Einlage bei 2/3-Mehrheit im Ministerrat) erfolgen.<br />

- Die qualitative Formulierung erfordert, dass ein Handlungsbedarf (i.S.d. Regel) erkannt<br />

und die diskretionäre Entscheidung über den Mitteleinsatz bejaht wird. (Ausnahmen bei<br />

Auftreten „außergewöhnlicher“ Ereignisse).<br />

- Die Wahl einer beliebigen Maßnahme kann sich anschließen oder<br />

- die Auswahl einer Maßnahme aus einem Maßnahmenkatalog erfolgen.<br />

- Wenn bestimmte Maßnahme gewählt oder automatisch ergriffen wird, dann:<br />

- Automatismus: Dosierung, Art und Dauer sind vorgegeben (Geldstrafe i.H.v. 0,2 -<br />

0,7 % des BIP) oder<br />

- Diskretionär: Dosierung, Art und Dauer sind nicht vorgegeben<br />

- Fazit: Übergänge zwischen diskretionärer und regelgebundener <strong>Wipo</strong> sind fließend: vom<br />

Automatismus („Donnerstagsmaschine“; „built-in-flexibility“ des Steuersystems) bis zu<br />

qualitativen Indikatoren („Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ §26<br />

StWG).<br />

Zur Möglichkeit glaubwürdiger Regelbindung<br />

- Ambivalenz diskretionärer Wirtschaftspolitik<br />

- Chance gute individuelle Entscheidungen zu treffen<br />

- Gefahr durch z.B. zeitinkonsistentes Verhalten eine unglaubwürdige Politik zu<br />

betreiben<br />

→ Mögliche Lösung: Einschränkung der Handlungsspielräume durch Regelbindung. Die<br />

angekündigte Politik könnte glaubwürdig sein, da der Gesetzgeber seine Reaktion<br />

schon vorweggenommen hat.<br />

- Aber: Bei Regelbindung liegt nur eine Selbstbindung und keine Bindung von Außen vor.<br />

- Der Gesetzgeber beschränkt sich durch Gesetze, die er selber verändern kann.<br />

- Auch Regeln können keine vollständige Glaubwürdigkeit herstellen, jedoch erhöhen sie<br />

die politischen Kosten eines Verstoßes.<br />

- Ist der Gesetzgeber in einem Bereich auf Reputation angewiesen, so liegt auch hierin<br />

eine Lösungsmöglichkeit.<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

Im Rahmen der Vorbereitung wirtschaftspolitischer Maßnahmen stehen zu Beginn<br />

die sog. „Lageanalyse“ und die „Ursachenanalyse“. Untersuchen Sie, auch anhand<br />

geeigneter graphischer Darstellungen, die damit verbundenen Inhalte und<br />

Probleme. [SS 08, <strong>10</strong>0 P., 60 Min.] Vorlesungsbeilage <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong>: S. 17-26<br />

Literatur<br />

- H. Berg, D. Cassel, K. H. Hartwig (2007): „Phasen und Probleme des<br />

wirtschaftspol. Entscheidungsprozesses“, S. 326-333.<br />

- M. Streit (2005): „Elemente wirtschaftspolitischer Planung“, S. 351-364.<br />

Einleitung<br />

- Abraham Lincoln zugeschrieben:<br />

„Wenn wir zunächst wissen könnten, wo wir sind (Diagnose) und wohin wir treiben<br />

(Status quo-Prognose), könnten wir besser beurteilen, was zu tun ist und wie es zu tun<br />

ist (Maßnahmenplanung).“<br />

- Der Handlungsbedarf wird im wipol. Entscheidungsprozess festgelegt. Er besteht in<br />

zeitlich aufeinanderfolgenden Phasen, denen bestimmte Entscheidungselemente<br />

zugeordnet sind:<br />

- Lageanalyse<br />

- Ursachenanalyse<br />

- Entscheidungsphase und Maßnahmenplanung<br />

- Implementations- und Kontrollphase<br />

- Der Entscheidungsprozess besteht aus zeitlich aufeinanderfolgenden Phasen, denen<br />

bestimmte Entscheidungselemente zugeordnet sind.<br />

Lageanalyse<br />

- Die Lageanalyse wird innerhalb der Planungsphase (Phase 1)<br />

durchgeführt.<br />

- Informationsbeschaffung/Bestandsaufnahme:<br />

- Beschaffung und Verarbeitung umfassender, systematisch geordneter<br />

Informationen über das zu lösende Problem. Dabei wird das Ausmaß und die<br />

Richtung der Abweichung vom Sollzustand und die wirtschaftspolitischen<br />

Handlungsoptionen festgestellt.<br />

- Feststellung des Handlungsbedarfs (ja/nein)<br />

- Auslöser eines wirtschaftspol. Mitteleinsatzes ist eine als korrekturbedürftig<br />

empfundene Abweichung der Realität von einem erwünschten sozioökonomischen<br />

Zustand<br />

- Zielabweichung?<br />

- Vergleich der Soll-Ist-Zustände<br />

- Notwendige Voraussetzungen für die Lageanalyse:<br />

- Existenz eines konkreten, operational definierten Zielsystems, um<br />

Abweichungen überhaupt feststellen zu können (Messlatte).<br />

- Mögliches Problem: Fehlende operational definierte Ziele und Instrumente.<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Verfügbarkeit aktueller Informationen über das Wirtschaftsgeschehen<br />

- Hohe Kosten der Informationsbeschaffung und -Verarbeitung<br />

- Nicht einheitlich aufbereitete Informationen<br />

- Verzögerte Berichterstattung oder Wahrnehmung<br />

- Interessensgebundene Informationssammlung und -Verwertung<br />

- Indikatorprobleme<br />

Ursachenanalyse<br />

- Klärung von Ursache-Wirkungszusammenhängen (Phase 2)<br />

- Formulierung und Überprüfung von Hypothesen, d.h. solchen Aussagen, die<br />

behaupten, dass bei Erfüllung bestimmter Bedingungen ein als ursächlich<br />

angesehenes Ereignis zum Eintritt eines best. anderen Ereignisses (Wirkung) führt.<br />

→ Suche nach einer Erklärung. Warum ist eine Entwicklung eingetreten?<br />

- Ansetzen des wirtschaftspol. Instruments bei den Ursachen unerwünschter<br />

Entwicklungen → nicht bei den Symptomen<br />

- Notwendige Voraussetzungen für die Ursachenanalyse<br />

- Verständnis wirtschaftspol. Abläufe<br />

- Lenkungswissen<br />

- Existenz von ziel- und ordnungskonformen Instrumenten<br />

- Probleme aufgrund unvollkommener und konkurrierender Theorien mit der Folge,<br />

dass es in der Regel keine endgültig sicheren und einheitlichen<br />

Handlungsempfehlungen gibt.<br />

- Fehlende oder fälschlicherweise behauptete Kausalzusammenhänge<br />

- Existenz unterschiedlicher, sich widersprechender Kausalzusammenhänge<br />

→ keine Theorie mit Alleingeltungsanspruch<br />

→ Wir müssen stets unsichere und verschiedene Antworten erwarten<br />

- Auf Basis der Ursachenanalyse wird der Versuch unternommen verschiedene<br />

Prognosen aufzustellen.<br />

→ Ziel: Den zukünftigen Handlungsbedarf feststellen (welches Instrument in<br />

welcher Dosierung).<br />

Ursachenanalyse: Prognosen<br />

- Prognosen behaupten das Eintreten eines Sachverhaltes in der Zukunft, der aus<br />

allgemeinen Gesetzesaussagen unter Randbedingungen abgeleitet wird.<br />

- Prognosen sind unsicher und bedingt, d.h. dass es keine sicheren und zugleich<br />

gehaltvollen Aussagen über die Zukunft gibt.<br />

- Sie haben die Funktion, auf Basis von Erfahrungswissen, die Ungewissheit<br />

einzugrenzen, unter der wipol. Entscheidungen gefällt werden müssen.<br />

- Prognosearten:<br />

- Datenprognose:<br />

- Prognose der Entwicklung relevanter aber nicht beeinflussbarer (exogener)<br />

Umweltzustände (Datenkranz) zur Bestimmung des zukünftigen wipol.<br />

Aktionsradius<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Status quo-Prognose:<br />

- Prognose der in der Lageanalyse gewonnenen Erkenntnisse. Wie würde es<br />

weitergehen, wenn das aktuelle Verhalten beibehalten wird? (kann ein aktives<br />

Tun sein oder ein Unterlassen)<br />

- Wirkungsprognose:<br />

- Wie würde es weitergehen, wenn (alternative) Instrumente (in versch.<br />

Dosierungen) eingesetzt würden (Unter Berücksichtigung von Zeitverzögerungen)?<br />

- Kann ein weniger geschätzter Ist-Zustand in einen höher geschätzten Sollzustand<br />

überführt werden?<br />

Legende:<br />

Achsenbezeichnung: Zeit und Zielvariable<br />

Zielwert/Zielwolke<br />

Prognose 1 und 2: unterschiedl. Prognosen<br />

Prognosetrichter<br />

H1 und H2: unterschiedl. Handlungsbedarfe<br />

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Ursachenanalyse<br />

<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Zentrale Frage: Haben wir jetzt, oder zu einem späteren Zeitpunkt einen<br />

Handlungsbedarf, oder korrigiert sich das System von selbst?<br />

- Probleme der Feststellung des Handlungsbedarfs H1/H2.<br />

- Prognoseprobleme und Folgen<br />

- Unsicherheit und Bedingtheit von Prognosen führen u.a. zum „Phänomen“ des<br />

Prognosetrichters, der die sinkende Zuverlässigkeit der Prognose darstellt.<br />

- Je weiter prognostizierter Sachverhalt in Zukunft liegt, desto stärker streut der<br />

Prognosewert (Varianz).<br />

- Konkurrierende Theorien führen zu unterschiedlichen Prognosen P1 und P2<br />

- Eigendynamik veröffentlichter Prognosen<br />

- „Messlatte“ selbst ist wegen fehlendem operationalem Zielsystem häufig<br />

ungenau/willkürlich bestimmt. Auch: unvollständige, verzögerte, verzerrte Daten<br />

→ eher Zielwolke als Zielwert<br />

- Fazit: Es gibt keine sicheren und zugleich gehaltvollen Aussagen über die<br />

Zukunft, auf die sich Wirtschaftspolitiker stützen können<br />

- Ziel: Identifizierung der zu ändernden Variablen<br />

Entscheidungsphase<br />

- Maßnahmenplanung: Auswahl und Untersuchung geeigneter Ziel-Mittel-Kombinationen<br />

(Phase 3)<br />

- Auswahl geeigneter Mittel und Abwägung alternativer Maßnahmen anhand von Kriterien<br />

des Mitteleinsatzes:<br />

- Zielkonformität siehe hierzu:<br />

- Ordnungskonformität <strong>Übung</strong> 5<br />

- Legalität<br />

- Politische Durchsetzbarkeit<br />

- Zahlreiche Realisierungshemmnisse können der Verwirklichung an sich geeigneter<br />

Maßnahmen im Wege stehen.<br />

- Die Zielkonformität wird nach dem Grad der Zielerreichung bestimmt. Dabei werden die<br />

Alternativen nach Art, Zeitverlauf, Dosierung und Kosten bestimmt. Daher sind<br />

Wirkungsprognosen erforderlich (s.o.).<br />

- Die Wirkung eines Instrumentes darf nicht durch einen „Vorher-Nachher-<br />

Vergleich“ (Zt0 und Zt1 erfolgen, sondern durch einen Vergleich der Entwicklung<br />

mit der Maßnahme und ohne sie: Z ohne t1 und Z mit t1 („with and without-test“)<br />

- Frage: Was wäre geschehen, wenn die Maßnahme nicht ergriffen worden wäre<br />

→ kein einfaches Unterfangen, da die Realität mit einer hypothetischen<br />

Vergleichswelt verglichen werden muss<br />

- Bei „Vorher-Nachher-Vergleichen“ rechnen sich Regierungen günstige Entwicklungen<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

kausal zu und behaupten bei ungünstigen Entwicklungen, dass es ohne ihr Einschreiten<br />

noch viel schlimmer gekommen wäre.<br />

Entscheidungsphase: Kosten und Nutzen einer Maßnahme<br />

- Der Erfolg einer Maßnahme ist die Differenz zwischen der erwünschten Wirkung auf die<br />

Zielvariable und allen mit ihrem Einsatz verbundenen Kosten.<br />

- Ziel: Bestimmung derjenigen Maßnahme mit dem höchsten erwarteten Nettonutzen.<br />

Kosten Nutzen<br />

K ges 3. Direkte Kosten<br />

4. Unerwünschte<br />

Nebenwirkungen<br />

5.Opportunitätskosten<br />

N netto 6. Saldo „Erfolg“<br />

Beispiel Abwrackprämie<br />

1 Hauptwirkungen<br />

2. Erwünschte<br />

Nebenwirkungen<br />

1: Konjunkturimpuls (Erhöhung inländischer Fahrzeugproduktion und -absatz)<br />

2: Geringerer Schadstoffausstoß in Deutschland…<br />

3: 2.500 € je Fahrzeug, Kosten der Neuverschuldung, Kredit-Crowding out …<br />

4: „Reimport“ alter Fahrzeuge aus Ausland, erhöhte Nachfrage nach (ausl.) Kleinwagen,<br />

Verdrängung eines Marktsegments, Vernichtung volksw. Kapitals…<br />

5: Alternative Politikszenarien, etwa allgemeine Steuersenkung<br />

6: ?<br />

Entscheidungsphase: Dosierung eines Instruments<br />

- Notwendig für die Beurteilung einer Maßnahme ist die Kenntnis ihrer Wirkungen in<br />

Abhängigkeit der Dosierung des Mitteleinsatzes (bestimmt Nah-, Fern-, Nebenwirkungen<br />

und direkte Kosten)<br />

- Unterschiedlicher Grad der Dosierbarkeit (nicht alle Maßnahmen sind beliebig fein<br />

dosierbar)<br />

- Qualitative Maßnahmen (Mitbestimmungsgesetze, Wettbewerbsrecht)<br />

- Quantitative Maßnahmen (Steuer- und Zinssätze, staatl. Investitionsausgaben)<br />

- Suche nach optimaler Dosierung<br />

- Zur Graphik:<br />

- Annahmen: beliebig fein dosierbarer Mitteleinsatz, Wirkungen und Kosten bekannt,<br />

es entstehen hauptsächlich variable Kosten (damit eine solche Entscheidung<br />

überhaupt möglich wird.)<br />

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N ges


Entscheidungsphase: Legende<br />

<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Erläuterungen<br />

- Optimale Dosierung (Dopt): Keine andere Dosierung führt zu höherem Nettonutzen<br />

(GN=GK)<br />

- Absolute Überdosierung (D üo abs): Die Gesamtkosten übersteigen den Gesamtnutzen<br />

(NGN)<br />

- Relative Unterdosierung (D uo rel.): Der Gesamtnutzen übersteigt die Gesamtkosten,<br />

jedoch ist ein höherer Nutzen bei stärkerer Dosierung möglich (GN>GK)<br />

- Die Bestimmung von exakten Dosierungsgraden konkreter wirtschaftspol. Maßnahmen<br />

dürfte unmöglich sein; die theoretische Formulierung eines Optimums bietet allerdings<br />

eine Orientierungshilfe zur Bestimmung von Kategorien der Fehldosierung.<br />

Entscheidungsphase: Fehldosierung<br />

- Gründe für Fehldosierungen<br />

- Unterschätzen von Widerständen und Ausweichreaktionen der Adressaten (Bsp.:<br />

Tabaksteuer und Ausweichen auf den Schwarzmarkt)<br />

- Vernachlässigung von Fernwirkungen<br />

- Summationswirkungen (Bsp.: Kumulation strukturerhaltender Maßnahmen in<br />

Arbeitsmarkt und Außenwirtschaftspolitik mit der Folge struktureller Arbeitslosigkeit,<br />

die den Verdacht des Systemversagens nährt)<br />

- Häufige wirtschaftspolitische Datenänderung zur „Erhöhung“ des Maßnahmenerfolgs<br />

führen zu Unsicherheit (Folgen unstetiger Politik)<br />

- Time lags - generelles Problem der Auswirkungen wirtschaftspolitischer<br />

Entscheidungen.<br />

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6. <strong>Übung</strong> 01.02.20<strong>10</strong><br />

<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

Seit einigen Jahren wird in Zeitungen, unter tätiger Mithilfe von Prominenten, um die<br />

Akzeptanz einer „Neuen“ Sozialen Marktwirtschaft bei den Lesern geworben. Zur<br />

genaueren Würdigung eines solchen Anliegens sind Kenntnisse der<br />

wirtschaftspolitischen Konzeption der „Sozialen Marktwirtschaft“ gewiss<br />

nicht schädlich. Beantworten Sie die Teilfragen a-c.<br />

a) Skizzieren Sie die Elemente der wirtschaftspolitischen Konzeption einer<br />

„Sozialen Marktwirtschaft“.<br />

b) Gehen Sie auf die theoretischen und historischen Hintergründe ein, die, etwa<br />

seit 1948, zur Einführung einer solchen Wirtschaftsordnung in den<br />

Besatzungszonen der westlichen Alliierten bzw. der späteren BRD führten.<br />

c) Diskutieren Sie die „konstituierenden“ und „regulierenden“ Prinzipien, wie<br />

Walter Eucken einige der grundlegenden Regeln genannt hat, die einer solchen<br />

Wirtschaftsordnung zugrunde liegen. [SS <strong>09</strong>, <strong>10</strong>0 P., 60 Min.] VB WiPo <strong>II</strong>, S. 35-40<br />

Literatur:<br />

- M. Streit (2005):<br />

- „Die gelenkte Marktwirtschaft“, S. 57-66<br />

- „Beispiel für eine Konzeption: Die soziale Marktwirtschaft“, S. 301-306;<br />

- „Konzeption und Utopie“, S. 297-301.<br />

Einleitung<br />

- Im ersten Teil der <strong>Übung</strong>:<br />

- Betrachtung gesellschaftlicher Ziele und Suche nach operationalen Definitionen, sowie<br />

konsistenten Zielbeziehungen.<br />

- Im zweiten Teil der <strong>Übung</strong>:<br />

- Betrachtung der zu Verfügung stehenden Instrumente und deren Einsatz.<br />

→ Verbindung von Zielen und Mitteln zu einer Konzeption<br />

- Nun ein konkretes Beispiel: Die Konzeption der Soziale Marktwirtschaft.<br />

- Man spricht von Konzeptionen, wenn das formulierte Ziel-Mittel-System als allgemeiner,<br />

mittel- bis langfristiger Orientierungsrahmen dient, an dem sich die wipol.<br />

Entscheidungsträger im laufenden Entscheidungsprozess ausrichten.<br />

- Eine wirtschaftspol. Konzeption ist wissenschaftlich nicht begründbar, wenn das<br />

Prinzip der Werturteilsfreiheit als Kriterium der Wissenschaftlichkeit herangezogen<br />

wird.<br />

- Die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft ist die konkrete Ausgestaltung des Typs<br />

„Gelenkte Marktwirtschaft“.<br />

→ Daher ist es zweckmäßig sich zunächst die konstituierenden Prinzipien der<br />

gelenkten Marktwirtschaft anzuschauen.<br />

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Typ: Reine Marktwirtschaft<br />

<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

- Zunächst: Reine Marktwirtschaft:<br />

- Das wirtschaftliche Geschehen bestimmt sich im wesentlichen nach den Regeln des<br />

Privatrechts. Die Gesellschaft gestaltet sich, über Individuen, die individuelle Ziele<br />

verfolgen, im Bereich der Wirtschaft selber.<br />

→ Privatautonomie<br />

- Die Privatautonomie wird mit Hilfe des Wettbewerbs kontrolliert.<br />

- Der Staat dient als Ordnungsmacht und Durchsetzungsinstanz für privatrechtliche<br />

Interessen. Auch obliegt ihm die Sicherung des Wettbewerbs.<br />

- Konstituierende Eigenschaften:<br />

- Marktmäßigkeit<br />

- Rechtstaatlichkeit<br />

- Historisch entspricht dieses Verhältnis von Staat und Gesellschaft der Vorstellung des<br />

bürgerlichen Rechtsstaats des 19. Jh., die zu Anfang der Entwicklung zum Wohlfahrtsstaat<br />

stand.<br />

- Starker Dualismus: Trennung von Staat und Gesellschaft.<br />

Typ: Gelenkte Marktwirtschaft<br />

- Im Unterschied zur reinen Marktwirtschaft werden die konstituierenden Eigenschaften<br />

der gelenkten Marktwirtschaft um die Eigenschaft der Sozialstaatlichkeit erweitert.<br />

→ Staat ist „zu sozialgestaltender Tätigkeit beauftragt“!<br />

- Konstituierende Eigenschaften der gelenkten Marktwirtschaft:<br />

- Marktmäßigkeit wie in der<br />

- Rechtsstaatlichkeit reinen Marktwirtschaft<br />

- Sozialstaatlichkeit<br />

- Die gelenkte Marktwirtschaft ist dualistisch in Bezug auf den Koordinationsmechanismus:<br />

- Grundsätzlich: Dominanz des marktmäßig koordinierten privaten Sektors.<br />

- Verwaltungswirtschaftliche Koordination der Versorgung der Bevölkerung mit<br />

Kollektivgütern<br />

→ Beide Sektoren sind durch verschiedene Lenkungsmaßnahmen in wirtschaftspolitischer<br />

Absicht miteinander verflochten. Der Staat greift zum Wettbewerbserhalt<br />

und zur Ordnung in den privaten Sektor ein. Die Lenkungsfähigkeit eines Staates<br />

hängt von der Ausprägung der beiden Sektoren ab.<br />

- Die Sozialstaatlichkeit war die Antwort auf die „sozialen Frage“, die zu Beginn der<br />

Industrialisierung aufgeworfen wurde.<br />

- Der Staat wird zum Mitgestalter der Gesellschaft.<br />

→ Trennung von Staat und Gesellschaft wird aufgehoben. (Verstaatlichung der<br />

Gesellschaft)<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

Typ: Gelenkte Marktwirtschaft: Die Eigenschaft der Marktmäßigkeit<br />

- Ziele werden individuell formuliert und mit selbst ausgewählten Mittel eigenständig<br />

erreicht.<br />

- Koordinationsmechanismus: Märkte<br />

- Die Privatautonomie wird der Kontrolle durch den Wettbewerb überlassen.<br />

→ Macht wird durch evolutorische Wirtschaftsbedingungen ständig neu verteilt, um die<br />

Gefahr des Missbrauchs klein zu halten.<br />

- Privatautonomie: Ökonomische Grundfragen werden grundsätzlich von den<br />

privaten Wirtschaftssubjekten entschieden. Dies erfordert auch:<br />

- Vertragsfreiheit<br />

- Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit<br />

- Berufsfreiheit<br />

- Freizügigkeit<br />

Typ: Gelenkte Marktwirtschaft: Die Eigenschaft der Rechtsstaatlichkeit<br />

- Staatshandeln ist an das Recht gebunden.<br />

→ Kein Eingriff ohne Gesetz<br />

- Bürger sind in ihrer Freiheit vor staatlichen Eingriffen geschützt.<br />

- Alles staatliche Handeln wird unter das Gebot der Rechtssicherheit gestellt.<br />

- In der BRD:<br />

- Katalog von Grundrechten einschließlich Abwehrrechte gegen den Staat.<br />

- Teilung staatlicher Gewalt und garantiertes Recht der Bürger die Ausübung der Gewalt<br />

durch einen Richter prüfen zu lassen.<br />

- Erfordernis der Rechtssicherheit: Staatliche Handlungen sollen widerspruchsfrei und<br />

berechenbar sein.<br />

Typ: Gelenkte Marktwirtschaft: Die Eigenschaft der Sozialstaatlichkeit I<br />

- Der Sozialstaat ist „ein Staat, der den wirtschaftlichen und wirtschaftlich bedingten<br />

Verhältnissen… wertend, sichernd und verändernd mit dem Ziel gegenüber steht,<br />

jedermann ein menschenwürdiges Dasein zu gewährleisten, Wohlstandsunterschiede zu<br />

verringern und Abhängigkeitsverhältnisse zu beseitigen oder zu kontrollieren“.<br />

(Zacher, 1977)<br />

- Laut Definition: Werturteil politischer Repräsentanten notwendig.<br />

→ Eingriff nach vorherrschendem Zielmix der amtierenden Politiker. Ausrichtung sollte<br />

an den „letzten Zielen“ erfolgen. Ein Eingriff ist immer eine wertende Entscheidung.<br />

- Historische Bsp.:<br />

- Regelung zur Kinderarbeit in Preußen (1839)<br />

- Bismarck: Kranken- (1883) und Unfallversicherung (1884); sowie die Invaliden- und<br />

Alterssicherung (1889) etc.<br />

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<strong>Mitschrift</strong> <strong>Wipo</strong> <strong>II</strong> <strong>Übung</strong> <strong>WS</strong> 20<strong>09</strong>/<strong>10</strong><br />

Typ: Gelenkte Marktwirtschaft: Die Eigenschaft der Sozialstaatlichkeit <strong>II</strong><br />

- Marktmäßige Koordination und Eigenverantwortlichkeit werden mit Hilfe von<br />

Ordnungsregeln begründet, die für eine unbekannte Vielzahl von Personen und Fällen<br />

gelten. Dies gilt unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis.<br />

→ Prozedurale Gerechtigkeit<br />

- Demgegenüber werden mit sozialstaatlichen Gesetzen und abgeleiteten Lenkungsmaßnahmen<br />

Gruppen und Personen bevorzugt, die als schutz- und fürsorgebedürftig<br />

angenommen werden.<br />

Ergebnisorientierte Ungleichbehandlung:<br />

Zwar haben alle Bürger den gleichen Zugang zum Recht. Ihre Rechte sind aber nicht<br />

mehr gleich.<br />

→ Verteilungsgerechtigkeit<br />

- Siehe Trade-off Prozedurale- vs. Verteilungsgerechtigkeit: <strong>Übung</strong> 2<br />

Typ: Gelenkte Marktwirtschaft: Probleme der Sozialstaatlichkeit<br />

- Kuchenargument: Trade-Off der Gerechtigkeitsformen mit dynamischer Folgewirkung für<br />

die Effizienz und Verteilung<br />

- Ein Eingriff in den privaten Sektor muss unter wertenden Gesichtspunkten erfolgen.<br />

- Da der Eingriff sich an derzeitig vorherrschenden Werten orientieren muss, ist eine<br />

Beschränkung auf Felder, Richtung und Intensität kaum möglich.<br />

- Zwar ist der Staatseingriff durch das Prinzip der Sozialstaatlichkeit erwünscht, die<br />

Öffnung dieses Sektors kann dynamisch aber nur schwer beherrscht werden.<br />

- Die Macht der Repräsentanten kann nur unvollständig beschnitten werden. Mögliche<br />

Folgen sind die Ausweitung staatlicher Eingriffe in den privaten Sektor:<br />

- Paternalismus statt Subsidiarität<br />

- Staat zieht Kompetenzen an sich<br />

- Symbolpolitik und Aktionismus<br />

- Willkür<br />

- Klientelpolitik<br />

- Fazit (Streit, 2005):<br />

- „Das inhaltliche Auffüllen des Prinzips der Sozialstaatlichkeit hat zu einer kaum noch<br />

zu überschaubaren und in ihrer Gesamtwirkung nicht mehr nachvollziehbaren Vielfalt<br />

von staatlichen Verteilungskorrekturen geführt.“<br />

Die Soziale Marktwirtschaft: Historische Hintergründe<br />

- Jetzt: Konkrete Ausgestaltung der gelenkten Marktwirtschaft<br />

→ Die Soziale Marktwirtschaft<br />

- Große wirtschaftliche Probleme nach dem zweiten Weltkrieg: (Sozialprodukt 1946: 50%<br />

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von 1938):<br />

- Zerstörung von Produktions- und Infrastruktur und Wohnraum;<br />

- Demontage, Produktionsverbot<br />

- <strong>10</strong> Mio. Flüchtlinge<br />

- Konfligierende ordnungspolitische Vorstellungen der Siegermächte<br />

- Zunächst Weiterführung der Wirtschaftslenkung<br />

- Publik gemacht wurde der Ansatz in den Düsseldorfer Leitsätzen (1949), die als<br />

Wahlprogramm der CDU/CSU für die erste Bundestagswahl fungierten.<br />

- Wird als dritter Weg zwischen liberaler Marktwirtschaft und zentral gelenkter Wirtschaft<br />

verstanden.<br />

- Ordnungspolitische Grundsatzentscheidungen 1948 (Westzonen):<br />

- Schrittweiser Abbau von Bewirtschaftungsmaßnahmen<br />

- Vorsichtige Freigabe der Preise (außer für Hauptnahrungsmittel, Mieten, Verkehr;<br />

Strafandrohung für Ausnutzung);<br />

- „Währungsreform“<br />

- Umstellung von Reichsmarkguthaben (<strong>10</strong>:1) auf DM; Gründung der Bank<br />

deutscher Länder<br />

- Ordnung der Märkte nach Wettbewerbsprinzip (einwirkende Faktoren)<br />

- Folgende Faktoren hatten Einfluss auf die Entwicklung:<br />

- Negative Erfahrungen mit gelenkter Kriegswirtschaft<br />

- Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung<br />

- Engagement einiger Ökonomen in der Politik (z.B. L. Erhard, A. Müller-Armack).<br />

Die Soziale Marktwirtschaft<br />

- Ordnungspolitische Konzeption deren „Ziel es ist, auf der Basis der Wettbewerbswirtschaft<br />

die freie Initiative mit einem gerade durch die marktwirtschaftliche Leistung<br />

gesicherten sozialen Fortschritt zu verbinden.“ (Müller-Armack)<br />

- Das Prinzip der Freiheit auf dem Markt soll mit dem des sozialen Ausgleichs verbunden<br />

werden.<br />

- Die Ordnungspolitische Konzeption der „Freiburger Schule“ wurde mit<br />

Elementen der „christlichen Soziallehre“ und des „freiheitlichen Sozialismus“ verknüpft.<br />

- Zentrale Ordnungsvorstellungen der Freiburger Schule<br />

- Denken in Ordnungen<br />

- Ordnung als Aufgabe<br />

- Das Bewusstsein, dass „ein tiefer Trieb zur Beseitigung von Konkurrenz und<br />

Erwerbung von Monopolstellungen… überall und zu allen Zeiten lebendig“ ist.<br />

- Errichtung einer auf Wettbewerb fundierten Wirtschaftsordnung mit den Mitteln:<br />

- Durchsetzung der konstituierenden Prinzipien (Herstellung der Wettbewerbsordnung)<br />

- Durchsetzung der regulierenden Prinzipien (Erhaltung der Wettbewerbsordnung)<br />

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- Elemente der sozialen Marktwirtschaft<br />

- Katalog grundsätzlich und langfristig angestrebter Ziele<br />

- Zielkonforme Ordnungsprinzipien oder -regeln zur Bestimmung der einzelwirtschaftlichen<br />

Handlungsspielräume.<br />

- Ziel- und ordnungskonforme Handlungsregeln und -begrenzungen des wirtschaftlichen<br />

und wirtschaftspolitischen Handelns des Staates<br />

Euckens konstituierende Prinzipien der Wirtschaftspolitik<br />

- Konstituierende Prinzipien<br />

- Fundamentalprinzip des umfassenden Strebens nach Konkurrenzpreisen<br />

- Erfordert ein funktionsfähiges Preissystem, so dass der Anbieter Preisnehmer ist.<br />

- Allokation über Märkte<br />

- Kontrolle der Märkte über Herstellung und den Erhalt von Wettbewerb<br />

- Prinzip des Primats der Preisstabilität (Primat der Währungspolitik)<br />

- „Alle Bemühungen, eine Wettbewerbsordnung zu verwirklichen, sind umsonst,<br />

solange eine gewisse Stabilität des Geldwertes nicht gesichert ist. Die<br />

Währungspolitik besitzt daher für die Wettbewerbsordnung ein Primat“ (Eucken)<br />

- Lenkungsmechanismus des Marktes muss erhalten bleiben<br />

- Prinzip des Offenhaltens der Märkte<br />

- Märkte müssen bestreitbar, d.h. für den Markteintritt offen, bleiben. (Chicago<br />

School: „contestable markets“)<br />

- Keine Markteintrittsbarrieren<br />

- Ständige Drohung des Markteintritts, wenn keine Wettbewerbspreise gesetzt werden.<br />

→ Lässt auch keine Preisabsprachen zu!<br />

- Prinzip der Bevorzugung von Privateigentum als Mittel der Zuteilung von<br />

Gestaltungsmacht<br />

- „... bedarf der Kontrolle durch Konkurrenz“<br />

- Effiziente Zuteilung von Gestaltungsmacht<br />

- Kollektiveigentum wird de facto nicht mehr sein, als das Privateigentum einer<br />

Handvoll Funktionäre.<br />

- Prinzip der wettbewerbskonformen Verwendung von Vertragsfreiheit<br />

- Hauptsächlich Niederschlag im GWB: Verträge die wettbewerbsbeschränkende<br />

Maßnahmen zum Inhalt haben sind verboten.<br />

- Prinzip der Vermeidung von Haftungsbeschränkungen und der Einheit von<br />

Gestaltungsmacht und Haftung<br />

- Als Anreiz mit Gestaltungsmacht verantwortungsvoll umzugehen.<br />

- Prinzip der Vorhersehbarkeit und Stetigkeit der Wirtschaftspolitik<br />

- Konstanz der Wirtschaftspolitik<br />

- Reduziert die Unsicherheit<br />

- Die Planbarkeit erhöht sich für die Individuen.<br />

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Euckens regulierende Prinzipien der Wirtschaftspolitik<br />

- Regulierende Prinzipien<br />

- Prinzip der Eindämmung und Korrektur von Marktmacht<br />

- Wettbewerb ist nicht selbsterhaltend, daher: Fusionskontrolle, Kartellamt<br />

- Z.B. Kartellverbot und Monopolaufsicht<br />

- In Deutschland: GWB, UWG<br />

- Prinzip der gerechtigkeitsorientierten Korrektur der Einkommensverteilung<br />

unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Investitionen<br />

- Umverteilung ist zulässig um menschenwürdiges Leben zu ermöglichen<br />

- Jeder Eingriff muss negative Folgewirkungen berücksichtigen: Kuchenargument.<br />

- Prinzip der Korrektur externer Effekte<br />

- Werden Externe Effekte nicht mit in das Kalkül aufgenommen, so darf regulierend<br />

eingegriffen werden<br />

- Bsp.: CO2-Ausstoß; Ausweg: Preis für CO2 schaffen.<br />

- Prinzip der Korrektur anomaler Angebotsreaktionen<br />

- Arbeitsangebotsfunktion: Leben Arbeitnehmer am Existenzminimum und sinkt der<br />

Preis für Arbeit exogen, so wird nicht weniger Arbeit angeboten, sondern mehr um<br />

zu überleben.<br />

Potentielle Ergänzungsprinzipien<br />

- Potentielle Ergänzungsprinzipien:<br />

- Prinzip der Vermeidung des Punktualismus und der Integration von Wettbewerbsordnung,<br />

Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung<br />

- System aufeinander abstimmen<br />

- Keine einseitigen Eingriffe auf Teilmärkten<br />

- Prinzip der Zurückhaltung bei konjunkturpolitischen Maßnahmen<br />

- Lenkungswissen fehlt<br />

- Gefahr prozyklischer oder gar keiner Wirkung durch Verzögerungen.<br />

- Rückführung von Schulden in wirtschaftlich besseren Zeiten?<br />

- Buchanan: “Democracy in Deficit: The Political Legacy of Lord Keynes”<br />

- Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe<br />

- Rahmenbedingungen so setzen, dass Individuen selber zum Erfolg kommen<br />

können.<br />

→ Gleiche Startbedingungen<br />

- Existenzgründungsprogramme<br />

- Z.B. Sozialhilfe ist subsidiär und Notbehelf (ultima ratio)<br />

Staatsordnungspolitische Prinzipien<br />

- Staatsordnungspolitische Prinzipien:<br />

- Prinzip der Begrenzung der Macht von Interessengruppen („starker Staat“)<br />

- Transparente Verfahren<br />

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- Anhörung, keine Mitsprache<br />

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- Prinzip der Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes bei der Übernahme neuer<br />

Aufgaben und des Vorrangs der Ordnungs- vor der Ablaufpolitik<br />

- Eigenverantwortung vor staatlichem Handeln<br />

- Begrenzung des Betätigungsfeldes des Staates auf unumgängliche Bereiche<br />

(Kollektivgüter, Marktversagen)<br />

- Zum Erhalt: Abwehrrechte gegen den Staat<br />

Euckens Prinzipien der Wirtschaftspolitik<br />

- Euckens Prinzipien der Wirtschaftspolitik wurden zur Sozialen Marktwirtschaft<br />

weiterentwickelt.<br />

- Die Soziale Marktwirtschaft unterscheidet sich von Euckens Ideen durch:<br />

- Stärkere Gewichtung der sozialen Zielsetzung im gesellschaftlichen Zielkatalog<br />

- Betonung der staatlichen Konjunktur- und Stabilitätspolitik<br />

- Pragmatischer, auf politische Durchsetzbarkeit gerichteter Ansatz<br />

Soziale Marktwirtschaft?<br />

- Siehe Folie: „Probleme des Prinzips der Sozialstaatlichkeit“!<br />

- Die Staatsquote ist meist definiert als das Verhältnis der Summe der Haushaltsausgaben<br />

von Bund, Ländern und Kommunen sowie der gesetzlichen Sozialsysteme zum BIP.<br />

- 2008 betrug die Staatsquote 43,9 %<br />

→ Dominanz des marktmäßig koordinierten privaten Sektors?<br />

- Müller-Armack sprach Mitte der 60er von „sozialpolitischer Überfrachtung“.<br />

- Ludwig Erhard erklärte (1974), die Epoche der Sozialen Marktwirtschaft sei längst<br />

beendet, die aktuelle Politik sein von seinen Vorstellungen von Freiheit und<br />

Selbstverantwortung weit entfernt.<br />

→ Die Begründer der sozialen Marktwirtschaft hatten eine derartig große<br />

Umverteilungskomponente nicht im Sinn.<br />

- Fazit (Kloten, 1986):<br />

- „Das institutionelle Rahmenwerk der Sozialen Marktwirtschaft hat sich als nicht stark<br />

genug erwiesen, um den Tendenzen zur Politisierung derTeilordnungen wie zu einer<br />

opportunen Nutzung der sich aus ihnen ergebenden Möglichkeiten Einhalt zu<br />

gebieten.“<br />

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