Lebensspuren II
Lebensspuren II
Lebensspuren II
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<strong>Lebensspuren</strong> <strong>II</strong><br />
Arbeit und Freizeit<br />
im Land der tausend Hügel<br />
Bucklige Welt – Heimat in Europa<br />
herausgegeben von<br />
Johann Hagenhofer und Gert Dressel<br />
unter Mitarbeit von<br />
Friedrich Geiderer, Willibald Kornfeld, Roman Lechner,<br />
Maria Stangl und der<br />
„Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“<br />
an der Universität Wien<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 1 31.08.2009 14:16:47 Uhr
Fotonachweise:<br />
Titelfoto: Bei der Milchlieferung in Frohsdorf<br />
von links: Margarete und Fritz Haller, 1936<br />
Foto: Herbert Swoboda, Lanzenkirchen<br />
Rückseite:<br />
Foto oben: Beim Erdäpfelgraben in Edlitz<br />
von links: Theresia Stummer und Walpurger Müllner, geb. Stummer, 1940<br />
Foto: Familie Johann Reisenbauer, Edlitz<br />
Foto unten: USC Kirchschlag um 1967<br />
von links, hockend: Franz Zöberer, Stefan Schermann, Lenz Heidelberger, Alois Puhr, Herbert Reumann<br />
stehend: Hans Liebl, Josef Schier, Petschi Eresheim, Bertl Kraft, Pepi Korner, Kurt Klem<br />
Foto: Josef Korner, Kirchschlag<br />
Karte vorne:<br />
„General Karte des Erzherzogthums Österreich ob und unter der Enns von dem K.K. Generalquartiermeisterstabe.<br />
Nach der Specialkarte reduziert und gezeichnet.<br />
Die Veränderungen nachgetragen vom K.K. militärisch geographischen Institute zu Wien 1843;<br />
Teil unter der Enns Blatt I. Viertel unter dem Wiener Wald.“ Vorlage im Eigentum von Roman Lechner (Lichtenegg)<br />
Karte hinten:<br />
Tourismusverband Bucklige Welt; Entwurf Bernhard Dinhopl; aktualisierte Ausgabe Mai 2009.<br />
ISBN Nr.: 978-3-200-01980-5<br />
© Verein Gemeinsame Region Bucklige Welt, 2813 Lichtenegg, Ransdorf 20<br />
www.buckligewelt.at<br />
2009<br />
<strong>Lebensspuren</strong> <strong>II</strong>, 1. Auflage<br />
Gesamtauflage 5.000 Stück<br />
Layout: Bernhard Dinhopl<br />
Satz und Druck: Unternehmen Mayrhofer, 2860 Kirchschlag<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 2 31.08.2009 14:16:47 Uhr
Inhalt<br />
Zum Geleit<br />
Grußworte des Landeshauptmanns 4<br />
Grußworte des Regionsobmanns 5<br />
Zum Buch<br />
Johann Hagenhofer 6<br />
Gert Dressel 7<br />
1. Ortsansichten 8<br />
2. Arbeitswelten 20<br />
Kinder und Jugendliche 42<br />
Frauen 62<br />
Männer 80<br />
Alte Menschen 105<br />
Fremde – in der Fremde 113<br />
3. Freizeitwelten 135<br />
Kinder und Jugendliche 156<br />
Frauen 181<br />
Männer 190<br />
Alte Menschen 212<br />
Fremde – in der Fremde 219<br />
4. Die „große Welt“<br />
in der kleinen 232<br />
Danksagung 237<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 3 31.08.2009 14:16:47 Uhr
Erwin Pröll – Landeshauptmann von Niederösterreich<br />
Die Grenzregion Bucklige Welt im äußersten Südosten un-<br />
seres Bundeslandes ist alter geschichtlicher Boden mit einer<br />
bemerkenswerten Konzentration wichtiger historischer Denkmäler<br />
und Ereignisse in einer kleinen und überschaubaren<br />
Landschaft, dem Land der tausend Hügel. 23 Gemeinden<br />
dieses Gebietes haben sich in den letzten Jahren zur Gemeinsamen<br />
Region Bucklige Welt zusammengeschlossen. Viele neue<br />
Ideen und Projekte wurden dabei regional umgesetzt. „Sooo gut<br />
schmeckt die Bucklige Welt“ ist eine erfolgreiche kulinarische<br />
Marke geworden, und die Betriebe der Region treten gemeinsam<br />
unter dem Dach der Wirtschaftsplattform Bucklige Welt<br />
auf.<br />
Besonders aufwändig und für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Region besonders wichtig<br />
war das Projekt „Erlebbare Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel“. Unter der Leitung von<br />
Johann Hagenhofer arbeitete ein Team erfahrener Vertreterinnen und Vertreter aus Heimatforschung<br />
und Geschichtswissenschaft bei einem Projekt zusammen, das von allen Gemeinden und<br />
allen Schulen der Region unterstützt wurde. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. So wurden<br />
zweihundert gefilmte und transkribierte lebensgeschichtliche Interviews im Landesarchiv für die<br />
geschichtliche Forschung aufbewahrt. Und das gemeinsame Regionsbuch „<strong>Lebensspuren</strong>“ mit<br />
kurzen Passagen aus diesen Zeitzeugenberichten und historischen Fotos war ein derart großer<br />
Verkaufserfolg, dass sich das Buchteam zur Herausgabe des vorliegenden Folgebandes über Arbeit<br />
und Freizeit im Land der tausend Hügel entschlossen hat. Für diesen neuen Band wurden eine<br />
zweite Fotosammlung und eine sehr erfolgreiche Sammlung selbst verfasster Lebensgeschichten<br />
durchgeführt.<br />
Als Landeshauptmann habe ich alle diese Aktivitäten immer gerne unterstützt und auch meine<br />
Anerkennung für die Leistungen des gesamten Buchteams im Jahre 2008 durch die Verleihung<br />
des Kulturpreises des Landes Niederösterreich für Erwachsenenbildung zum Ausdruck gebracht.<br />
Ich hoffe, dass auch der zweite Band des Regionsbuches gut angenommen wird und somit<br />
einen weiteren Beitrag zur Stärkung der regionalen Identität in unserem immer größer werdenden<br />
Europa leistet. Ganz unter dem Motto des Buches: „Bucklige Welt – Heimat in Europa“.<br />
4 - Zum Geleit<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 4 31.08.2009 14:16:48 Uhr
Friedrich Trimmel – Obmann des Vereins<br />
„Gemeinsame Region Bucklige Welt“<br />
Die Bucklige Welt hat ihre Geschichte entdeckt und arbeitet in<br />
eindrucksvoller Weise das Schicksal ihrer Eltern und Großeltern<br />
auf. Vieles, was schon „verschüttet“ war, wird wieder lebendig; es<br />
ist ergreifend, wenn man sieht, mit welcher Freude unsere Zeitzeuginnen<br />
und Zeitzeugen ihre Lebensgeschichten erzählen.<br />
Was 2007 mit dem ersten Band der „<strong>Lebensspuren</strong>“ mit<br />
großem Erfolg begonnen hat, hat das Projektteam um Johann<br />
Hagenhofer in den letzten beiden Jahren in großartiger Weise fortgesetzt. Dazwischen liegt<br />
auch die Auszeichnung des Buchteams mit dem Niederösterreichischen Kulturpreis für Erwachsenenbildung<br />
– eine große Ehrung, zu der wir dem gesamten Team ganz herzlich gratulieren.<br />
Es war gleichzeitig der Ansporn, diese Arbeit zur Aufarbeitung der Alltags- und Heimatgeschichte<br />
unserer Region fortzusetzen. Der Schwerpunkt des zweiten Bandes liegt bei dem Thema<br />
„Arbeit und Freizeit“. Es ist auch diesmal wieder gelungen, die gesamte Region in die Erarbeitung<br />
einzubinden, vor allem die umfangreiche Fotosammlung in den Gemeinden hat historische<br />
Arbeits- und Freizeitwelten und somit das Schicksal der Generationen in den letzten hundert<br />
Jahren wieder lebendig werden lassen. In diesem Band ist nur eine kleine Auswahl enthalten.<br />
Zusätzlich ist es gelungen, eine umfangreiche Sammlung der Geschichte der Buckligen Welt<br />
anzulegen – Fotos sowie erzählte und niedergeschriebene Lebensgeschichten, die auch diesmal<br />
wieder unter dem wissenschaftlichen Auge der Universitäten Wien und Klagenfurt dokumentiert<br />
und damit für die Nachwelt erhalten worden sind.<br />
Mein Dank gilt dem Buchteam unter der Leitung von Johann Hagenhofer, das wieder tausende<br />
Stunden in dieses Buchprojekt investiert hat, aber auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
in den Gemeinden, all jenen, die ihre Lebensgeschichten erzählt oder aufgeschrieben<br />
haben, sowie dem Land Niederösterreich für die finanzielle Unterstützung.<br />
Drei Monate nach der Präsentation war das erste Buch ausverkauft und bereits ein Nachdruck<br />
notwendig. Ich bin sicher, dass auch der zweite Band an diesen Erfolg anschließen kann und<br />
in den Haushalten in und auch außerhalb der Buckligen Welt als unverzichtbares geschichtliches<br />
Dokument Eingang findet. Die Bucklige Welt kann stolz sein auf ihre Geschichte und die<br />
„<strong>Lebensspuren</strong>“-Bände „Bucklige Welt – Heimat in Europa“.<br />
Zum Geleit - 5<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 5 31.08.2009 14:16:48 Uhr
Johann Hagenhofer<br />
Ende 2007 wurde das Regionsbuch „<strong>Lebensspuren</strong>“ in der Kul-<br />
turhalle Krumbach vor siebenhundert Frauen und Männer prä-<br />
sentiert. Innerhalb weniger Monate war die erste Auflage in der<br />
Höhe von viertausend Stück verkauft; im Frühjahr 2008 erfolgte<br />
ein Nachdruck von tausend Exemplaren. Die „<strong>Lebensspuren</strong>“ erwiesen<br />
sich somit in der Region und in den angrenzenden Städten,<br />
Wiener Neustadt und Neunkirchen, als ein Bestseller.<br />
Die große Nachfrage und das positive Feedback veranlasste das<br />
Buchteam zur Herausgabe eines zweiten Bandes mit den Schwerpunkten<br />
Arbeit und Freizeit. Das bewährte Buchteam blieb mit Ausnahme von Gerda Walli, die<br />
inzwischen vor neuen beruflichen Aufgaben steht, unverändert. Gert Dressel aus Wien, Friedrich<br />
Geiderer aus Krumbach, Willibald Kornfeld aus Wiesmath, Roman Lechner aus Lichtenegg,<br />
Maria Stangl aus Scheiblingkirchen und ich aus Hochwolkersdorf sorgten für einen sehr differenzierten<br />
Zugang und eine gute Streuung über die ganze Region. Wir organisierten mit Unterstützung<br />
der Gemeinden eine zweite Fotosammlung und nahmen für diesen Band auch zahlreiche<br />
selbst verfasste lebensgeschichtliche Erinnerungen entgegen. Auch die „Dokumentation lebensgeschichtlicher<br />
Aufzeichnungen“ an der Universität Wien stellte zahlreiche Erinnerungstexte von<br />
Autorinnen und Autoren aus der Buckligen Welt zusammen. Wenn wir die Fotos aus der ersten<br />
Sammlung und die zweihundert Interviews aus dem Projekt „Erlebbare Zeitgeschichte im Land<br />
der tausend Hügel“ dazurechnen, verfügen wir inzwischen über ein außerordentliches Archiv von<br />
alltagsgeschichtlichen Quellen unserer Region.<br />
Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Personen, die uns ihre Fotos und Aufzeichnungen<br />
zur Verfügung gestellt haben, und bei allen Gemeinden für die organisatorische Unterstützung.<br />
Besonderer Dank gilt dem MBV Pitten, dem Kulturverein Seebenstein und Herbert Swoboda aus<br />
Lanzenkirchen für die Bereitstellung ihres gesamten Fotoarchivs. Ein Dank auch dem bewährten<br />
Buchteam, zu dem in der Endphase wiederum Bernhard Dinhopl sowie Anna Schiefer und<br />
Michael Aulabauer von der Firma Alois Mayrhofer dazu gekommen sind, für die ausgezeichnete<br />
Zusammenarbeit. Danken möchte ich auch allen weiteren Personen und Institutionen, die unser<br />
Projekt unterstützt haben.<br />
Ich wünsche uns allen, dass auch der zweite Band der <strong>Lebensspuren</strong> gut angenommen wird und<br />
dass alle Leserinnen und Leser viele Verwandte und gute Bekannte im Buch wiederfinden. Ich<br />
wünsche mir aber auch, dass durch unser Buch die Alltagskultur des vergangenen Jahrhunderts<br />
in Erinnerung bleibt und der Bekanntheitsgrad der Buckligen Welt weiterhin gesteigert wird.<br />
6 - Zum Buch<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 6 31.08.2009 14:16:49 Uhr
Gert Dressel<br />
Wenn in Wien ein wissenschaftliches Buch präsentiert wird,<br />
kann man sich als Autor oder Autorin glücklich schätzen, wenn<br />
sich zwanzig oder dreißig Interessierte zu der Veranstaltung einfinden.<br />
Und eine Auflage von mehr als fünfhundert Exemplaren ist<br />
da schon eine kleine Sensation. Angesichts des Erfolgs des ersten<br />
Bandes der „<strong>Lebensspuren</strong>“ bin ich daher als Städter und Universitätsangehöriger<br />
aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen.<br />
Beiden universitären Einrichtungen, denen ich angehöre und die<br />
das gesamte Projekt „Erlebbare Zeitgeschichte im Land der tausend<br />
Hügel“ unterstützt haben, sind bestrebt, Wissenschaft nicht ausschließlich<br />
für andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />
zu produzieren. Uns geht es immer darum, mit anderen Bevölkerungsgruppen zu kommunizieren,<br />
unser Wissen als Angebot zur Reflexion historischer und gesellschaftlicher Vorgänge zur Verfügung<br />
zu stellen, gleichzeitig aber das viele Wissen über Geschichte und Alltag, das beispielsweise<br />
in einer Region vorhanden ist, auf- und ernstzunehmen. Letztlich geht es immer<br />
um einen gemeinsamen und wechselseitigen Lernprozess, bei dem alle Beteiligten „nachher“ etwas<br />
mehr oder anderes wissen als „vorher“. Der Erfolg, der dem von Johann Hagenhofer initiierten<br />
Projekt und dem ersten Band der „<strong>Lebensspuren</strong>“ in Form von aktiver Mitwirkung und öffentlicher<br />
Aufmerksamkeit zuteil wurde, ist auch in überregionaler Perspektive ein außerordentlicher. Daher<br />
musste ich nicht dazu überredet werden, auch beim zweiten Teil der „<strong>Lebensspuren</strong>“ mitzuwirken.<br />
Als grundlegende Struktur des neuen Bandes haben wir uns für eine Gliederung in „Arbeitswelten“<br />
und „Freizeitwelten“ entschieden. Dabei stellen wir diesmal in den einzelnen Unterkapiteln<br />
die Erfahrungen von verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den Mittelpunkt. Trotz der<br />
thematischen Trennung zwischen „Arbeitswelten“ und „Freizeitwelten“ soll deutlich werden, dass<br />
diese lange Zeit keine klar voneinander getrennten Lebensbereiche waren, wie auch Kindheit,<br />
Altsein, Frau- und Mannsein sowie Fremdheit und Fremdsein vor fünfzig oder hundert Jahren oft<br />
etwas anderes bedeuteten als heute.<br />
Sicherlich können wir es mit unserer Foto- und Textauswahl auch diesmal nicht allen recht<br />
machen. Aber wenn das Gespräch in der Region über Geschichte und Gegenwart durch dieses<br />
Buch fortgesetzt wird, wäre wieder viel gewonnen. Und vielleicht werden Sie ja (auch) diesmal<br />
über die Fotos oder Erinnerungstexte dazu angeregt, selbst persönliche Erinnerungen niederzuschreiben.<br />
Die „Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“ an der Universität Wien<br />
sammelt solche Texte:<br />
Tel.: 01/4277-41306 (Günter Müller), e-mail: Lebensgeschichten@univie.ac.at,<br />
http://www.MenschenSchreibenGeschichte.at<br />
Zum Buch - 7<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 7 31.08.2009 14:16:49 Uhr
Ortsansichten<br />
23 kleine Gemeinden<br />
mit großer Geschichte!<br />
Auch der Band „Lebens-<br />
spuren <strong>II</strong>“ widmet sich<br />
in erster Linie dem Alltag<br />
und den Lebensgeschichten<br />
der Menschen<br />
in unserer Region im 20.<br />
Jahrhundert. Wir möchten<br />
aber dennoch kurz<br />
darauf hinweisen, dass<br />
auch die sogenannte<br />
Schwarzau: „Kaiserhochzeit“ 1911 im Schloss der Bourbon-Parma,<br />
„große“ Geschichte die heute Strafanstalt für Frauen um 1910 Foto: Gemeinde Schwarzau am Steinfeld<br />
Bucklige Welt mehr als<br />
nur gestreift hat. Mittelbronzezeitliche Hügelgräber bei Pitten, die keltische Wallburg von Schwarzenbach<br />
und Einflüsse altgriechischer Medizin am Schädel von Katzelsdorf sind Spuren besonderer Ereignisse<br />
und der frühen Besiedelung im Land der tausend Hügel. Römerzeitliche Grabsteine zeigen<br />
sogar Portraits von damaligen Bewohnern. Die Christianisierung durch Salzburg bringt im Mittelalter<br />
die heutigen Siedlungen zum Wachsen; das Stift Reichersberg intensiviert, ausgehend von Bromberg<br />
und Edlitz, diesen Prozess. In der Schlacht bei Katzelsdorf fällt im Jahre 1246 der letzte Babenberger,<br />
Friedrich der Streitbare. Trutzige Burgen und eine große Anzahl gut ausgebauter Wehrkirchen<br />
sollten Schutz vor Einfällen der Türken und Kuruzzen bieten.<br />
Um 1825 kommt mit dem liberal denkenden Erzherzog Johann kurz die große Welt des Kaiserhofes<br />
in die Bucklige Welt – nach Thernberg. Revolutionen treiben die französischen Herrscher ins Exil auf<br />
Schloss Frohsdorf. 1911 heiraten Erzherzog Karl und Prinzessin Zita im Schloss Schwarzau.<br />
1921 bilden die erfolgreichen Kämpfe des österreichischen Bundesheeres bei Kirchschlag die Grundlage<br />
für die Zugehörigkeit des Burgenlandes (vormals „Deutsch-Westungarn“) zu Österreich. 1945<br />
befindet sich das Oberkommando sowjetischer Truppen in Hochwolkersdorf. Hier erhält Karl Renner<br />
von Stalin persönlich den Auftrag zur Bildung einer österreichischen Regierung. Somit kann sich<br />
Hochwolkersdorf mit Recht als Geburtsort der Zweiten Republik bezeichnen. Die Vorarbeiten für die<br />
Regierungsbildung leistet Renner im Schloss Eichbüchl bei Katzelsdorf.<br />
8 - Ortsansichten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 8 31.08.2009 14:16:49 Uhr
Bad Erlach<br />
von den Steinzeitsiedlungen im Löss über die Ziegelindustrie zum Thermenort<br />
um 1930 Foto: Johann Rädler, Bad Erlach<br />
Lanzenkirchen<br />
Sitz der Bourbonen im Exil – Fronleichnam in Frohsdorf um 1935 Foto: Herbert Swoboda, Lanzenkirchen<br />
Ortsansichten - 9<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 9 31.08.2009 14:16:50 Uhr
Katzelsdorf<br />
Nahe diesem Ort endete die Babenbergerherrschaft mit dem Tod Friedrichs <strong>II</strong>. –<br />
Hauptstraße mit Dorfkirche und ehemaligem Ortsbach 1920 Foto: Helmut Teubl, Katzelsdorf<br />
Walpersbach<br />
Sommerfrische Klingfurth mit berühmten Gästen – Ortsansicht Richtung Süden<br />
1912 Foto: Walter Reisinger, Walpersbach<br />
10 - Ortsansichten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 10 31.08.2009 14:16:51 Uhr
Bromberg<br />
Hochwolkersdorf<br />
Mutterpfarre der<br />
Reichersbergischen<br />
Pfarren<br />
um 1955<br />
Foto: Emilie Gallei, Bromberg<br />
Geburtsort der<br />
Zweiten Republik –<br />
Dorfstraße mit<br />
Waaghäusel<br />
um 1940<br />
Foto: Gemeinde<br />
Hochwolkersdorf<br />
Ortsansichten - 11<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 11 31.08.2009 14:16:54 Uhr
Schwarzenbach<br />
Ruine, Ortschaft und Keltenberg mit beeindruckenden Resten des großen keltischen Zentralortes<br />
1940er-Jahre Foto: Maria Hauptmann-Dutter, Schwarzenbach<br />
Wiesmath<br />
klassischer Marktort – Hauptstraße Richtung Kirche vor 1930 Foto: Karl Mühl, Wiesmath<br />
12 - Ortsansichten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 12 31.08.2009 14:16:55 Uhr
Hollenthon<br />
typischer zentraler Kirchort mit barockisierter Wehrkirche und vielen Rotten – Hauptstraße mit Kaufhaus<br />
um 1937 Foto: Johanna Spenger, Hollenthon<br />
Lichtenegg<br />
umfangreiche Wehrkirchenanlage – elektrische Straßenbeleuchtung mit Gleichstrom<br />
1937 Foto: Roman Lechner, Lichtenegg<br />
Ortsansichten - 13<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 13 31.08.2009 14:16:56 Uhr
Krumbach<br />
Kirchschlag<br />
Kämpfe gegen Ungarn 1921, Passionsspielort – Hauptplatz von der Burgruine gesehen<br />
1932 Foto: Archiv Vollnhofer-Wanek, Kirchschlag<br />
14 - Ortsansichten<br />
klassischer<br />
Marktort<br />
1956<br />
Foto:<br />
Pauline Groll,<br />
Krumbach<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 14 31.08.2009 14:16:57 Uhr
Bad Schönau<br />
Hochneukirchen-Gschaidt<br />
vom<br />
Bauerndorf<br />
über die<br />
Sommerfrische<br />
zum<br />
Kurort<br />
1955<br />
Foto:<br />
Kurt Gneist,<br />
Bad Schönau<br />
Wehrkirche und Aussichtswarte am Hutwisch um 1940 Foto: Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt<br />
Ortsansichten - 15<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 15 31.08.2009 14:16:58 Uhr
Zöbern<br />
Ortszentrum mit Kirche 1980 Foto: Gemeinde Zöbern<br />
Thomasberg<br />
Rotte Kienegg mit „Gmoabrunn“ an Stelle der heutigen Landesstraße 1933 Foto: Roman Lechner, Lichtenegg<br />
16 - Ortsansichten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 16 31.08.2009 14:16:59 Uhr
Edlitz<br />
Beginn der Wehrkirchenstraße – Windkraftanlage beim Haus Ferstl 1934 Foto: Johann Reisenbauer, Edlitz<br />
Grimmenstein<br />
vom ehemaligen Verkehrsknoten und Nestlé-Industrieort zum Sanatoriumsort um 1900 Foto: Gemeinde Grimmenstein<br />
Ortsansichten - 17<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 17 31.08.2009 14:17:00 Uhr
Warth<br />
bäuerliches Bildungszentrum der Region – ehemalige Schmiede Franz Wöhrer sen.<br />
1960 Foto: Johann Wöhrer, Grimmenstein<br />
Scheiblingkirchen<br />
18 - Ortsansichten<br />
auf der Burg Thernberg<br />
entwickelte Erzherzog<br />
Johann viele seiner<br />
in der Steiermark<br />
verwirklichten Ideen –<br />
Kirchenplatz<br />
1900<br />
Foto: Johann Kahofer,<br />
Scheiblingkirchen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 18 31.08.2009 14:17:02 Uhr
Seebenstein<br />
Pitten<br />
im Vormärz Sitz<br />
der Wildensteiner<br />
Ritterschaft auf der Burg<br />
mit prominenten<br />
Mitgliedern, um<br />
1900 Exilort der<br />
Grafen von Braganza<br />
(portugiesisches<br />
Herrscherhaus) –<br />
Burg, Kloster und<br />
Flussbad in der<br />
Sommerfrische an der<br />
Aspangbahn<br />
1905<br />
Foto: Irene Fritz, Seebenstein<br />
bedeutender Ort der Mittelbronzezeit mit Fürstengräbern, Urpfarre der Buckligen Welt – Schloss, Bergkirche, Schule<br />
um 1900 Foto: Museums- & Bildungsverein Pitten<br />
Ortsansichten - 19<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 19 31.08.2009 14:17:03 Uhr
Arbeitswelten<br />
Bis weit ins 20. Jahrhun-<br />
dert hinein war der Alltag<br />
der meisten Bevölkerungsgruppen<br />
vor allem von Arbeit<br />
dominiert. Der Großteil<br />
der Tätigkeiten der<br />
Menschen – ob jung oder<br />
alt, ob Frau oder Mann –<br />
diente dazu, sich selbst<br />
und den Angehörigen die<br />
Existenz zu sichern. In<br />
ländlichen Regionen wie<br />
der Buckligen Welt geschah dies vor allem in der Landwirtschaft und im Kleingewerbe. Mit der zunehmenden<br />
Technisierung der Arbeitswelten seit den 1950er-Jahren hat die Landwirtschaft ihre Rolle<br />
als Haupterwerbssektor eingebüßt, ebenso wie andere Formen des kleinräumlichen Wirtschaftens<br />
an Bedeutung verloren haben.<br />
Viele ältere Menschen erinnern sich an – mehr oder weniger – typische landwirtschaftliche Arbeiten<br />
im Jahreszyklus. Einige weisen dabei darauf hin, dass von einer „guten alten Zeit“ nicht die Rede<br />
sein kann: Die sozialen Unterschiede zwischen „Großbauern“ und landwirtschaftlichen Hilfskräften<br />
wie Mägden und Knechten waren gewaltig. Auch die Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren mit<br />
ihren folgenschweren Auswirkungen auf viele Menschen hat sich in das Gedächtnis eingebrannt.<br />
Aber ebenso oft wird über individuelle und erfolgreiche Überlebensstrategien in Notzeiten berichtet.<br />
Schließlich empfinden viele die Technisierung des Arbeitsalltags seit den 1950er-Jahren als eine<br />
enorme Erleichterung.<br />
Die Fotos zeigen Arbeiten im Laufe eines Jahres. Der Anbau, die Ernte mit „Schnidahahn“, das<br />
Einlagern des Getreides und das Dreschen im Winter wurden vielfach von Frauen und Männern<br />
gemeinsam bewältigt. Die Arbeiten waren meistens sehr schwer, die Arbeitszeiten sehr lang. Dennoch<br />
haben heute manche Menschen das Gefühl, dass es früher weniger Zeitdruck und Stress gab.<br />
Diesen Eindruck vermitteln auch die Fotos von den Greißlereien, die es in fast allen Ortschaften gab.<br />
Außer Salz, Zucker und Gewürzen gab es nur wenige Lebensmittel zu kaufen, weil es noch eine weitgehende<br />
Selbstversorgung gab. Daneben konnte man dort aber viele andere Dinge des täglichen<br />
Gebrauchs erwerben.<br />
20 - Arbeitswelten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 20 31.08.2009 14:17:03 Uhr
» bei der typischen Bauernarbeit «<br />
Josef Flasch, geb. 1936 in Pichl (Gemeinde Zöbern), Landwirt<br />
Wo fangen wir denn bei der typischen Bauernarbeit an? Im Frühjahr! Wenn das Frühjahr ge-<br />
kommen ist, hast schon das Holz zusammenräumen müssen, alles mit der Hand schneiden, Stau-<br />
den abschneiden. Brennholz hast mit der Hand abgeschnitten, das ist aufgeschlichtet worden.<br />
Dann ist gekommen: Eggen mit den Ochsen, Mistführen, ackern, wieder eggen. Du hast mit der<br />
Hand gesät, eingeackert. Wenn diese Arbeit vorbei gewesen ist, war eh nicht viel Zeit, dann ist das<br />
Küheaustreiben gekommen. Die waren nicht so wie heute eingezäunt, du musstest mitrennen mit<br />
ihnen. Zuerst hast sie zusammengehängt gehabt. Und dann, wenn’s schon länger ausgetrieben<br />
waren, hast sie ausgelassen. Weißt eh, hinten und vorne auf die Höh’, und du hinten nach. Hast<br />
müssen Kühehalten. Das war sowieso die Arbeit von den Kindern. Wenn die Kinder nicht aufgepasst<br />
haben, sind die Kühe abposcht – verschwunden.<br />
Danach ist die Heumahd gekommen. Hast müssen alles mit der Sengst abmähen, hintennach<br />
alles auseinanderbeuteln mit der Gabel. Dann hast es überdreht mit der Gabel. Dann hat’s das<br />
wahrscheinlich ein paar Mal angeregnet, weil das hat ja Tage gedauert, bis es fertig war. Dannach<br />
hast es wieder zusammengerichtet.<br />
Weizen haben wir auch angebaut, den hast du heimgeführt und in den Stadel hineingeschlichtet,<br />
alles schön zusammengelegt. Wenn du einen Samen gebraucht hast, hast müssen zuerst dort<br />
dreschen, dass du wenigstens wieder einen Samen hast anbauen können. Nicht so wie heute, dass<br />
du ins Lagerhaus fährst und dir das kaufst. Das ist damals alles selber wieder angebaut worden.<br />
Was wir notwendig gebraucht haben, haben sie im Herbst ausgedroschen, das andere ist erst im<br />
Winter gedroschen worden, wenn draußen die Arbeit fertig war.<br />
Dann ist das Troad gekommen, das war der zweite Schnitt. Da hast du eh nur mehr ein kleines<br />
Eckerl gehabt, das war der erste Klee, den hast du für die Kühe gebraucht. Im Herbst ist wieder<br />
das Mistführen gewesen, Ackern, die Grumbirn-Arbeiten. Das war auch alles mit der Hand. Du<br />
hast die Erdäpfel mit der Hand von den Furchen rausgeklaubt, eingefasst, dann hast das müssen<br />
sortieren. Danach ist eh schon Allerheiligen kommen. Rüben ausnehmen war vorher noch, die<br />
Krautrüben, die Burgunder, dann ist das Dreschen angegangen. Du hast müssen alle Tage dreschen<br />
gehen, hurra, bis Weihnachten hätten wir sollen fertig werden. Oft ist es eh nicht der Fall<br />
gewesen. Dann war noch vor Weihnachten das Rorategehen. Von jedem Haus hat müssen wer in<br />
die Rorate gehen. Und wenn du von der Kirche heimgekommen bist, dann hast dreschen gehen<br />
müssen. Das ist bis Weihnachten gewesen, und danach ist das Bandlmachen aus Roggenstrauch<br />
gekommen. Und im Winter haben die Frauen genäht bis Mitternacht oder noch länger. Bei der<br />
Jause ist gesungen worden, bei einem Apfel oder einem trockenen Brot.<br />
Arbeitswelten - 21<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 21 31.08.2009 14:17:03 Uhr
» Bauern zwar, aber Herrenbauern «<br />
Rosa Supper, geb. 1925 in Inneraigen bei Aspang,<br />
seit 1946 in Bad Erlach wohnhaft, kaufmännische Angestellte<br />
Das waren Herrenbauern, Bauern zwar, aber Herrenbauern. Da hat keiner was gearbeitet. Ich<br />
habe einmal die Minerl gefragt – da waren ganz oben so dreieckige Fenster, die ich geputzt habe:<br />
„Hearst, wie komm ich denn da dazu, wie kann ich das außen putzen?“ Hat sie gesagt: „Mich<br />
darfst nicht fragen, ich hab die noch nie geputzt.“ Dann hätte ich Geschirr abwaschen sollen. Und<br />
da hat mein Bruder gesagt: „Ich hab ja auch müssen nach dem Essen Geschirr abwaschen, jeden<br />
Tag. Sonst hat es ja niemand getan, auch nicht die Mutter von der Minerl und sie halt auch nicht.“<br />
– „Heute“, hat mein Bruder gesagt, „heute lässt du das Geschirr mal stehen. Wir haben so viel<br />
Arbeit draußen, wir gehen alle aussi und wir arbeiten.“ Ich hab nix gesagt, mir war das nur recht,<br />
ich habe mir gedacht: „Hearst, die zwei Frauen werden doch einmal das Geschirr abwaschen können!“<br />
Na ja, was haben sie gemacht, wie ich auf d’ Nacht vom Acker heimgekommen bin? Putzen<br />
sie mich zusammen: „Das Geschirr wäscht du jetzt ab!“ Das ist gestanden, wie wir es zu Mittag<br />
hingestellt hatten, kein Mensch hatte das angerührt. Ich habe es aber auch nicht abgewaschen,<br />
sondern ich habe angefangen zu weinen und bin in mein Zimmer gegangen. Ich habe dort am Hof<br />
so viel abgenommen. Meine Mutter hat dann gesagt: „Wenn du jetzt noch länger in Erlach bleibst,<br />
ist nix mehr da von dir.“ Darum bin ich ja dann auch fort, obwohl mir mein Bruder so leid getan<br />
hat.<br />
» Die Sonntagsarbeit frisst die Wochenarbeit «<br />
Alois Schwarz, geb. 1922 in Hollenthon, Landwirt,<br />
Vater von Bischof Alois Schwarz<br />
Wir haben einen Knecht und zwei Mägde gehabt. Die Mutter ist nie aufs Feld gegangen, sie ist<br />
immer daheim gewesen. Wir haben die leichte Arbeit gemacht, und die Knechte haben die schwe-<br />
re Arbeit gemacht. Und die Mägde haben im Haushalt geholfen. Jetzt hast du am Montag schon<br />
gewartet bis der Samstag kommt. Der Samstag war immer ein vorheiliger Tag vom Sonntag. An<br />
einem Samstagvormittag hast schon zusammenräumen müssen und ein wenig schauen, dass das<br />
alles in Ordnung ist. Nachmittag hast überhaupt nicht mehr viel gearbeitet, und am Sonntag hat’s<br />
nix gegeben, außer das Vieh. Ui, da waren meine Eltern, meine Großmutter und alle streng, oh<br />
mein Gott! Die haben ein Sprichwort gehabt: „Die Sonntagsarbeit frisst die Wochenarbeit.“ Wenn<br />
du am Sonntag gearbeitet hast, bringst du unter der Woche nix weiter.<br />
22 - Arbeitswelten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 22 31.08.2009 14:17:04 Uhr
» Und Eisenbahnerkühe haben wir gehabt «<br />
Aloisia Birnbaumer, geb. 1942 in Inzenhof (Gemeinde Pitten),<br />
seit 1964 in Bad Erlach, Landwirtin<br />
Wir haben vier oder fünf Kühe gehabt und ein paar Jungrinder. Und Eisenbahnerkühe haben<br />
wir gehabt. Das sind Ziegen. Die haben wir auch gehabt, aber nicht lange. Denn die – wir haben<br />
junge Bäumerl im Garten gesetzt gehabt – hatten nichts anderes zu tun, als die ganzen Bäumerln<br />
abzufressen. Da ist der Vater so zornig geworden. Sagt er: „Mit denen fahren wir ab.“ Weil die waren<br />
so schlimm, die fraßen alles ab. Es waren liebe Viecher, aber … Meistens hatten die Arbeiter<br />
halt die Eisenbahnerkühe, damit sie eine Milch und ein bissel Fleisch hatten. Die Jungen wurden<br />
dann oft zum Essen geschlachtet. Das waren die Eisenbahnerkühe, die kennt man heute gar nimmer.<br />
» die Bedürfnisse der Bevölkerung in der damaligen Zeit zu decken «<br />
Alois Mayerhofer, geb. 1921 in Wiesmath, Landwirt. Der folgende Text ist ein Auszug<br />
aus seinem Buch „Erinnerungen. Beiträge und Gedichte eines Brautführers<br />
und Mundartdichters aus der Buckligen Welt.“ Kirchschlag (Mayrhofer) 2004.<br />
Vier Kaufleute waren damals in Wiesmath ansässig, welche die Bedürfnisse der Bevölkerung in<br />
der damaligen Zeit befriedigten. Möchte betonen, dass das Angebot an Textilien, Leder und Kopf-<br />
bedeckungen größer war als heute. Drei Tischlermeister hatten voll zu tun, um den Bedarf der<br />
Bevölkerung zu decken. Musste doch alles von Hand angefertigt werden. So manches Schmuckstück<br />
in unserem Heim stammt noch aus dieser Zeit. Zwei Bäcker und zwei Fleischereibetriebe<br />
belieferten nicht nur unsere Gemeinde, sondern auch die ganze Umgebung mit ihren Erzeugnissen.<br />
Letztere waren mit den Pferden unterwegs, was man „Gaifahren“ nannte. Die heiße „Dürre“<br />
und die krachenden Debreziner waren „Gustostückerl“ dieser Zeit. Die sogenannten „Brotträger“<br />
waren mit dem Gebäck zu Fuß unterwegs und brachten es ins Haus. Die guten gebrechelten Brezen<br />
sind mir unvergesslich. Da die Bäckergesellen oft in der Nacht in der Backstube mitarbeiten<br />
mussten, waren sie selbstverständlich sehr müde. So ist es nicht verwunderlich, dass sie unter<br />
Bürde der Last zu Schlaf kamen. Dies war eine günstige Gelegenheit für die „Halterbuben“ aus<br />
der „Krax’n“, das war ein tiefer länglicher Korb, Gebäck zu stehlen. Neun Gasthäuser, davon fünf<br />
im geschlossenen Ort, sorgten für die kulinarischen Angebote. Dass damals eine große Konkurrenz<br />
bestand, ist leicht verständlich. Musste doch jeder Wirt das Beste geben, um seine Gäste zu<br />
halten. Die Speisen waren in Wiesmath damals nach dem Wahlspruch „Was sie haben wollen“<br />
auf der Tagesordnung. Neben einem reichlichen Speisenangebot „à la carte“ gab es auch die soge-<br />
Arbeitswelten - 23<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 23 31.08.2009 14:17:04 Uhr
nannte „Einmachsuppe“ und die „Kuttelfleck“.<br />
Zwei Schlosser waren ebenfalls ansässig, wovon ersterer hauptsächlich für Öfen und Herde so-<br />
wie für die Wasserversorgung der Gemeinde und Gehöfte, letzterer für die Gerätschaften zustän-<br />
dig war. Zwei Schmiedebetriebe hatten die Hände voll zu tun, um „Zug und Zeug“, oder besser ge-<br />
sagt „Pferd und Wagen“, in Schwung zu halten. Das Beschlagen der Pferde oder Ochsen war eine<br />
mühsame, schwere Arbeit. Auch das Beschlagen der Wirtschaftswagen erforderte viel Zeit und<br />
Geduld. Auch das Scharfmachen von Gabeln und Krampen war ein ständiger Arbeitsaufwand.<br />
Auch zwei Wagnerbetriebe waren notgedrungen in diesen Geschäftsbetriebsablauf eingebunden<br />
und mussten die Holzteile der Gerätschaften nicht nur herstellen, sondern auch instand halten<br />
Ein richtiger Stiel bei der Hacke oder Haue war Goldes wert, denn es ging nach dem Spruch „Wie<br />
der Herr, so auch’s Gscher“ (Geschirr). Drei Maschinenhändler versorgten die Betriebe mit den<br />
nötigen Geräten, Maschinen und Bestandteilen. Die beginnende Mechanisierung brachte für diesen<br />
Beruf einen gewaltigen Aufwind. Fast in jedes Haus kam ein Benzinmotor und so mussten<br />
auch sämtliche Gerätschaften dazu angeschafft werden. Hier war der Spruch angebracht: „Ein<br />
Keil treibt den anderen.“<br />
Auch ein Friseurmeister war damals schon in unsrer Gemeinde, der aber mehr mit den Herren<br />
zu tun hatte, weil die Damen noch teilweise stolz auf ihr langes Haar und auf die Zöpfe waren. Da<br />
sogar ein Uhrmachermeister hier ansässig war, wusste man immer, wie viel es geschlagen hat. Da<br />
es in der Branche zu dieser Zeit sehr viel Pfusch gegeben hat, dürfte es wenig ertragreich gewesen<br />
sein. Zwei Glasermeister sorgten für die ordentliche Sanierung, wenn etwas „in Scherben ging“.<br />
Ich weiß noch gut, dass die zwei nicht gut aufeinander zu sprechen waren. Da der eine mit dem<br />
Fahrrad fuhr, kam er immer schneller auf seinen Arbeitsplatz. Den Rauchfangkehrermeister will<br />
ich auch nicht vergessen, der damals zwei oder drei Gesellen beschäftigt hatte. Es ist mir noch<br />
gut in Erinnerung, wie schön die im Rauchfang gesungen haben. Dass auch die Binderei in Wiesmath<br />
ausgeübt wurde, dürfte der Grund sein, warum mir das „Binderlied“ noch immer in den<br />
Ohren klingt. Den größten Aufschwung hat wohl die Sodawassererzeugung genommen, die auch<br />
zu meiner Jugendzeit begonnen wurde. Das „spritzige Kracherl“ mit der Glaskugel werde ich nicht<br />
vergessen. Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass sich auch ein Sägewerksbetrieb<br />
vorübergehend in unserer Gemeinde befunden hat. Nicht vergessen sollen auch die Viehschneider<br />
sein, die damals von Wiesmath aus die ganze Umgebung betreuten. Die eine Familie war aus<br />
dem Raum Neunkirchen, die andere aus Salzburg hierher gezogen. Die Verständigung mit den<br />
Tierbesitzern funktionierte allerdings ausgezeichnet. Obwohl jeder eine andere Methode anwendete,<br />
waren die Bauern sehr zufrieden.<br />
Da dem Gewerbe in Wiesmath damals eine Vorreiterrolle zukam, ist es nicht verwunderlich,<br />
dass auch der Handel blühte. War doch dieser mit dem Gewerbe und der Landwirtschaft eng verbunden.<br />
So ist es auch zu verstehen, dass die „Stadthändler“ die Waren vom Bauern mit einem<br />
Fuhrwerk oder zu Fuß abholten. Dies waren Butter und Eier, Hühner und Gänse sowie Kanin-<br />
24 - Arbeitswelten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 24 31.08.2009 14:17:04 Uhr
chen. Im Sommer waren auch reichlich Beeren und Schwammerl zu befördern. Dies alles wurde<br />
dann mit einem Pferdefuhrwerk nach Wiener Neustadt gebracht und dort auf ihrem Standplatz<br />
angeboten. Viele Leute, die kein Fuhrwerk hatten, konnten hier nach Wiener Neustadt mitfahren.<br />
In kurzen Abständen fanden dort auch Pferd und Ferkelmärkte statt, die von unseren Züchtern<br />
beschickt wurden. Zu dieser Zeit wurden in Wiesmath drei Jahres- und vier Monatsviehmärkte<br />
abgehalten, wobei bis zu zweihundert Stück Rinder aufgetrieben wurden.<br />
» den Lein, aus dem man die Leinwand macht «<br />
Josef Vollnhofer, geb. 1926 in Zöbern, Landwirt<br />
Kennt ihr den Lein, aus dem man die Leinwand macht? Das ist ein eigenes Verfahren, ganz<br />
kompliziert. Die Leute haben davon Leinwand fürs Bett gekriegt. Dafür heißt es ja heute noch<br />
Leintuch. Der Lein war eine eigene Frucht. Kennt ihr den Lein nicht? Das war eine eigene Sache.<br />
Den hat man angebaut, man hat ihn nicht abgemäht, sondern ausgerissen. Für den Samen, das<br />
waren so Kapseln, hat man eine Vorrichtung gehabt, eine Art Rechen aus Eisen, da hat man den<br />
Lein durchgezogen, damit man die Kapseln heruntergekriegt. In der Kapsel war der Samen, damit<br />
fuhr man in die Mühle. Damals waren noch viele Mühlen in der Gegend. Die hat man auch<br />
gebraucht. Dort haben sie eigene Vorrichtungen mit schweren Pfosten gehabt, das hat sich Stampf<br />
genannt, das ist so auf- und abgegangen. Die Mühle, also das Wasser, hat die angetrieben. Die<br />
Samen hat man untergelegt, daraus ist dann ein Öl geworden, das Leinöl. Heute ist es wieder in<br />
Mode, weil es angeblich kein Cholesterin hat. Das hat man damals erzeugt. Mit den Rückständen<br />
hat man das Vieh gefüttert, das Öl hat man verkocht. Und das Stroh hat man auf der Wiese noch<br />
einmal aufgebreitet, dass es „moarb“ geworden ist, dass die Stängel mürbe geworden sind. Das<br />
ist im Wetter draußen gelegen, im Regen. Dann hat man es zusammengegeben und gebrechelt.<br />
Das war eine Vorrichtung mit zwei Brettern, und in die Mitte ist das hineingekommen. Die Hülse<br />
hat man heruntergeschlagen und innen war dann das Werch. Das ist die Faser, die schaut fast wie<br />
Haar aus. Das ist dann weiterverwendet worden. Man hat es auf ein Spinnradl gegeben und das<br />
Garn gesponnen. Das Garn wurde zum Weber gegeben, der hat das Leinen gemacht. Eine ganz<br />
arbeitsaufwändige Sache ist das gewesen. Heute denkt man gar nicht mehr daran, dass es das<br />
einmal gegeben hat.<br />
Arbeitswelten - 25<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 25 31.08.2009 14:17:04 Uhr
» betrieben in diesem Ort eine kleine Greißlerei «<br />
Anton Schweiger, geb. 1931 in Walpersbach,<br />
nach HAK-Matura Verkaufsleiter in Wien<br />
Wir waren insgesamt fünf Kinder und meine Eltern betrieben in diesem Ort eine kleine Greiß-<br />
lerei. Vielleicht wird der Name Greißlerei heute gar nichts mehr sagen. Es war ein Geschäft, wo<br />
die Ortsbevölkerung ihren täglichen Bedarf decken konnte. Und wenn ich dieses Geschäft ein<br />
bisschen beschreiben darf, ist das vielleicht auch nicht uninteressant, wie wir als Kinder gelebt<br />
haben.<br />
Es war ein Raum, etwa halb so groß wie dieses Klassenzimmer, etwa vierzig Quadratmeter, und<br />
in diesem Raum waren alle Waren untergebracht, die man eben zum täglichen Leben gebraucht<br />
hat. Es waren die Lebensmittel drinnen, es wurde Petroleum verkauft, es waren Eisenwaren drinnen,<br />
Lederwaren, Textilien, alles hat sich da gestapelt. Der Verkäufer ist hinter dem Verkaufspult<br />
gestanden, hat jeden einzelnen Gegenstand in die Hand genommen, den der Kunde eben zu kaufen<br />
wünschte, auf das Verkaufspult gelegt. Man hat einen Zettel genommen, den Preis aufgeschrieben.<br />
Wenn alle Waren ausgewählt wurden, hat man dann im Kopf zusammengerechnet und<br />
das Geld genommen und einfach in eine Schublade gelegt.<br />
Wie ist man eigentlich zu dieser Zeit zu den Waren gekommen, die die Menschen in diesem Ort<br />
gebraucht haben? Da ist einmal in der Woche ein Pferdewagen nach Wiener Neustadt gefahren.<br />
Man hat dort alle Gegenstände besorgt, ob das Pflugscharen waren oder Nägel oder Salz oder<br />
Pfeffer und was halt alles notwendig war, beladen, ist wieder zwei Stunden nach Hause gefahren.<br />
Die Waren wurden in diesem Raum aufgeschlichtet und standen so für die Kunden zur Verfügung.<br />
Nun muss man sich aber vorstellen, der Ort bestand durchwegs aus bäuerlicher Bevölkerung, und<br />
diese Bevölkerung hat natürlich einen Großteil der Lebensmittel selbst produziert. Das heißt, dass<br />
der Greißler von diesem Geschäft alleine nicht leben konnte. Daher war bei jedem Handwerksbetrieb<br />
oder jedem Geschäft dieser Art meistens auch eine kleine Landwirtschaft angeschlossen.<br />
Auch meine Eltern hatten so eine kleine Landwirtschaft, und daher ist es verständlich, dass wir als<br />
Kinder mit allen landwirtschaftlichen Arbeiten auch schon bestens vertraut waren. Wir konnten<br />
mit Pflug, Sense oder allen anderen Gegenständen, die halt in der Landwirtschaft zur Verfügung<br />
stehen, genauso gut umgehen wie Erwachsene.<br />
Es hat auch einen Juden gegeben, der eine Greißlerei betrieben hat. Das war natürlich ein ganz<br />
schreckliches Schicksal für ihn. Er wurde 1938 vertrieben, zwei Söhne konnten nach Bolivien<br />
flüchten, und die alten Eltern und, soweit ich mich erinnern kann, die Schwester sind einfach<br />
spurlos verschwunden und, wie man heute weiß, sicher in einem KZ umgekommen.<br />
26 - Arbeitswelten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 26 31.08.2009 14:17:04 Uhr
» Die haben nichts mehr gekriegt «<br />
Willibald Brandstätter, geb. 1929 in Zöbern, Lagerhausverwalter<br />
Damals in den 1930er-Jahren sind die Kinder noch hübsch in die Schule gegangen nach der<br />
Reihe. Es war so, dass man irgendwie das Letzte zusammengerafft hat, um die Kinder zu ernäh-<br />
ren. Aber es war die schreckliche Zeit. Da sind welche aus dem Industriegebiet von Ternitz oder<br />
Wimpassing gekommen, die arbeitslos und ausgesteuert worden waren. Die haben nichts mehr<br />
gekriegt. Ich kann mich noch erinnern: Sie sind gekommen und haben gesagt: „Kann ich ein paar<br />
Stückerl Brot haben für meine Kinder daheim?“ Das war so. An das kann ich mich noch gut erinnern.<br />
Wir haben immer etwas gegeben. Unsere Eltern waren sehr religiös und haben daher auch<br />
Verständnis gehabt für den Hunger.<br />
» Aber mein Vater hat trotzdem keine Arbeit gekriegt «<br />
Maria Giefing, geb. 1924 in Schwarzenbach<br />
Wie der Hitler gekommen ist, bin ich vierzehn Jahre alt gewesen. Weil die Zeiten so schlecht wa-<br />
ren, haben sich die Leute erhofft, dass jetzt bessere Zeiten kommen. Ich habe noch in Erinnerung,<br />
dass unten in Schwarzenbach die Leute auf der Straße gerufen haben: „Wer gibt uns Arbeit, wer<br />
gibt uns Brot?“ Und dann haben andere nur geschrien: „Unser Führer Adolf Hitler!“ Das haben<br />
wir von Schwarzenbach herunten bis auf die Schön hinauf gehört, so viele Leute waren da. Es war<br />
ja wirklich so, dass die Leute so arm waren, dass sie sich wirklich erhofft haben, dass jetzt eine<br />
bessere Zeit kommt. Aber mein Vater hat trotzdem keine Arbeit gekriegt.<br />
Weil wir so arm waren und kein Geld da war, musste das Essen bei uns aufgeteilt werden. Wenn<br />
meine Mutter mit dem Vater nach Wiener Neustadt im Herbst auf den Markt gefahren ist, hat sie<br />
eine Weintraube gekauft. Eine Traube hat sie heimgebracht und hat sie dann unter uns Kindern<br />
aufgeteilt. Da hat sie die Schere genommen – das sehe ich heute noch – und hat das durchgeschnitten.<br />
Und eine jede von uns hat vielleicht zehn Weintrauben gekriegt. Jetzt haben wir schon<br />
geschaut, wenn einer mehr gekriegt hat als der andere.<br />
Arbeitswelten - 27<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 27 31.08.2009 14:17:04 Uhr
» Mein Vater war sofort tot. «<br />
Simon Ofenböck, geb. 1934 in Boden (Gemeinde Thomasberg), Landwirt.<br />
Den folgenden Erinnerungstext hat er im Jahr 2008 niedergeschrieben.<br />
Im Jahre 1938 passierte am Hof ein großes Unglück. Als an einem Sommertag ein großes Unwet-<br />
ter aufzog, ging mein Vater mit seinem Schwager Florian Maierhofer noch schnell aufs Getreide-<br />
feld, um die Kornmandl näher zusammenzurücken und vor dem kommenden Regen zu schützen.<br />
Als beide Männer schon auf dem Feld waren, wollte der Schwager noch rasch ins Haus, um sich<br />
Hut und Rock als Regenschutz zu holen. In diesem Moment traf meinen Vater Simon Ofenböck,<br />
der auf dem Feld zurückblieb, ein gewaltiger Blitz. Der fuhr durch den ganzen Körper, zerfetzte<br />
den Hut, so dass nur die Krempe übrig blieb, und riss beim Verlassen des Körpers die Ferse weg.<br />
Mein Onkel, der durch die Wucht des Blitzes zu Boden geschleudert worden war, eilte sofort zu<br />
Hilfe, aber es war zu spät. Mein Vater war sofort tot. Der Onkel ging mit dem zerfransten Hut ins<br />
Haus. Als meine Mutter, die die neun Monate alte Schwester Anna am Arm trug, den Hut sah,<br />
wusste sie sofort, dass ein großes Unglück geschehen war. Sie stand nun mit fünf kleinen Kindern<br />
und dem Hof allein da. Meine älteste Schwester Theresia war erst sieben Jahre alt, meine jüngste<br />
Schwester Anna erst neun Monate.<br />
Wir Kinder mussten nun kräftig bei der Arbeit helfen, doch die Mutter schaffte ohne Mann und<br />
Bauer die Arbeit nicht, musste doch fast alles noch händisch bewältigt werden. 1940 heiratete<br />
sie den Besitzer des Nachbarhofes, Franz Pichlbauer (vulgo Peter im Boden Nr. 44). Die beiden<br />
Landwirtschaften, die nur etwa zweihundert Meter auseinanderliegen, wurden nun gemeinsam<br />
bewirtschaftet. Da die drei Brüder von Franz Pichlbauer im Krieg waren, fiel auf uns Kinder eine<br />
große Menge an Arbeit wie Kühe hüten oder Ochsen führen.<br />
Im Jahre 1960 heiratete ich und bekam mein Heimathaus als Erbe. Den „Peter im Boden“ erbte<br />
meine Schwester Martha, so sind die beiden landwirtschaftlichen Betriebe wieder getrennt. 1996<br />
ging ich in Pension und übergab den Hof meinem Sohn Gerhard.<br />
Ein Marterl am Wegrand vor dem Haus kündet von dem Unglück und zeigt im Bild Gewitterwolken<br />
und Blitz mit der Inschrift: „Am 28.7.1938 gefiel es dem Allmächtigen den hiesigen Landwirt<br />
Herrn Simon Ofenböck im 38. Lebensjahr durch einen Blitzschlag zu sich zu rufen. Er hinterläßt<br />
eine Frau und fünf Kinder. Der Name Gottes sei gelobt.“<br />
28 - Arbeitswelten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 28 31.08.2009 14:17:04 Uhr
» Geld haben wir nicht gebraucht «<br />
Karl Schulter, geb. 1918 in Ödenburg/Sopron (Ungarn), seit 1930 in Edlitz,<br />
arbeitete viele Jahre als Knecht, später bei der EVN<br />
Ich hab versteckt, was gegangen ist, eingegraben zum Teil. Ich hab zum Beispiel von der Bie-<br />
nenwirtschaft her, wie die Russen gekommen sind, vierzig Kilo Honig eingegraben. Ich hatte ein<br />
großes Häfen, das hab ich angefüllt und hinein in die Streuhütte und dann Streu drauf. Also, das<br />
hab ich schön erhalten und das hat mir nachher gut getaugt.<br />
Im 1942er-Jahr war ich das erste Mal auf die Gemeinde vorgeladen worden. Es waren zwei Offiziere<br />
da. Unbedingt hätte ich freiwillig einrücken sollen. Aber ich hab gesagt: „Na, i tua’s ned!“<br />
Jetzt sind sie hergegangen und haben mir, weil ich das nicht gemacht hab, die Kleiderkarte entzogen,<br />
die haben sie mir weggenommen. Ich hab keine gekriegt. Aber Gewand hab ich mehr gehabt<br />
als die Leute mit der Kleiderkarte. Wenn bei mir eine Bäuerin einen Honig hat haben wollen, hat<br />
sie ihn schon haben können, aber Geld hab ich nicht gebraucht, sondern Mehl und Schmalz. Ich<br />
weiß nicht, ob jemand die Eibensteiner noch kennt? Die war meine rechte Hand. Wenn ich den<br />
Rucksack voll gehabt hab mit so einem Zeug, bin ich mit ihr auf Wien gefahren. Sie hat da drinnen<br />
einen guten Bekannten gehabt, der hat genau gewusst, wo man durchkommt. Jedes Mal sind wir<br />
schön durchgekommen. Ich hab den ersten Radio gehabt in der Gegend oben, also einen Volksempfänger,<br />
so ein Kastl. Das hab ich damals erhandelt.<br />
Vom Bürgermeister Chaloupka hab ich auch eine Schreibmaschine bei mir gehabt, die hab ich<br />
der Gemeinde dann wieder zurückgegeben. Wie die Russen gekommen sind, habe ich vier Fahrradln<br />
gehabt, alle nur mit Honig eingehandelt. Geld haben wir nicht gebraucht. Das Wegnehmen<br />
der Kleiderkarte hat mir gar nicht wehgetan. Einmal hat die Handler-Mama oben gesagt, die war<br />
mit den Lienhart in Aspang recht gut bekannt: „Hearst, die will zehn Kilo Honig haben.“ Sag ich:<br />
„Ja, kann sie eh haben, aber koa Geld brauch i ned!“ „Na“, hat sie gesagt, „das macht nix!“ Sind<br />
wir raufgefahren, die Handler-Mutti ist mitgefahren, hab ich für die zehn Kilo Honig zwei schöne<br />
Anzüge gekriegt und einen Arbeitsanzug. Ich hab mir nur so geholfen.<br />
» aufgepasst, wie lange einer am Klo gewesen ist «<br />
Maria Mülleder, geb. 1920 in Schwarzau am Steinfeld, Nebenerwerbslandwirtin<br />
In der Nachkriegszeit war es schon tragisch. Mein Mann ist eigentlich nicht von einer Land-<br />
wirtschaft gewesen. Er war gewillt und hat mir geholfen, wo er können hat. Aber es war alles so<br />
schwer für ihn, das ganze Mähen. Damals hat man noch alles mit der Sense gemäht, alles mit der<br />
Hand. Wir haben ja zwei Kinder gehabt, und mein Mann, der Pepi, hat dann bald angefangen zu<br />
Arbeitswelten - 29<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 29 31.08.2009 14:17:04 Uhr
arbeiten. Zuerst hat er in Breitenau gearbeitet. Plötzlich haben sie dort hundert auf einmal entlas-<br />
sen, und da ist er auch dabei gewesen. Dann war eine Krise, er war arbeitslos und hat gesagt: „In<br />
28 Betrieben war ich, und ein jeder hat mich vertröstet: ‚In ein paar Wochen‘, aber aufgenommen<br />
hat mich keiner.“ Da war er so verzagt und hat gesagt: „Ich will wieder als Tischler arbeiten! Ich<br />
bin Tischler und will als Tischler arbeiten, ich will nicht als Hilfsarbeiter arbeiten.“ Da war er so<br />
verzagt, und auf einmal hab ich gesagt: „Weißt was, Pepi …“ Der Hasslinger in Wiener Neustadt,<br />
den es heute noch als Tischlerei gibt, hatte ihm damals schon ein paar Mal versprochen: „In drei<br />
Wochen“, und dann wieder: „In drei Wochen!“ Und genommen hat er ihn nie. Hab ich gesagt:<br />
„Am Montag fahr ich rein zum Hasslinger.“ Und ich bin reingefahren mit dem Radl und hab den<br />
Hasslinger, zum Glück war gerade der Chef da, angeheult. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt<br />
hab, aber auf jeden Fall hab ich geheult. Hat er zu mir gesagt: „Am Montag kann er anfangen!“<br />
Hat er am Montag anfangen können.<br />
Dann war wieder ein Problem: Einem Arbeiter ist Geld wegkommen, Zigarettengeld, zweimal<br />
schon. Und da hat einer gesagt: „Seit der Neue da ist, kommt alles weg.“ Und mein Mann hat<br />
irgendeinen Prügel in der Hand gehabt und hat dem schon eine über den Kopf schlagen wollen.<br />
Denn wenn wer so etwas zu einem sagt, und man hat nichts gemacht … Der andere hat ihn dann<br />
weggerissen. Der Pepi hat dann gesagt: „Da bleib ich nimmermehr. Ich bleib nicht mehr da, wo<br />
sie mich als Dieb verdächtigen.“ Dann hat der Kornfeld Hans, der hat beim Nemetz, das war eine<br />
Gießerei in Wiener Neustadt, gearbeitet, gesagt: „Hearst Pepi, magst du ned zu uns als Haustischler<br />
kommen? Wir bräuchten einen Haustischler.“ Ist der Pepi dorthin und hat gleich anfangen<br />
können. Der Hasslinger hat dann gesagt, er hätte meinen Mann gern gehabt, er wollte nicht, dass<br />
er weggeht. Denn stellt euch vor, was sie damals auch getan haben: Er war einer, der am allerkürzesten<br />
am Klo gesessen ist. Da ist die Uhrzeit gemessen worden. Sie haben geschaut und haben<br />
aufgepasst, wie lange einer am Klo gewesen ist.<br />
» haben wir uns so gefreut «<br />
Johanna Kahofer, geb. 1925 in Edlitz, Landwirtin<br />
Im Haushalt selber haben wir dann schön langsam eine Waschmaschine gekriegt, dass wir ha-<br />
ben waschen können. Butter hat die Mutter immer gemacht, da haben wir so ein hölzernes Fassl<br />
gehabt. Da ist noch nichts elektrisch gegangen, weil das elektrische Licht haben wir auch erst<br />
später gekriegt. Und wie das gekommen ist, da denke ich auch noch zurück, haben wir uns so gefreut.<br />
Zuerst hatten wir ja mit Benzinmotoren die ganze Arbeit gemacht und zum Beispiel Stroh<br />
geschnitten. Alles mit Benzinmotoren. Und dann haben wir einen Elektromotor gekriegt. Und da<br />
haben wir uns so gefreut.<br />
30 - Arbeitswelten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 30 31.08.2009 14:17:04 Uhr
Ochsengespanne in Hollenthon<br />
Beim Erdäpfellegen in Schwarzenbach am Schulauackerl<br />
Der Gullnbauer, einer<br />
der größten Bauern<br />
von Hollenthon, nennt<br />
vier Paar Ochsen sein<br />
Eigentum. Mit einem<br />
Erdhobel werden die<br />
Scherhaufen eingeebnet.<br />
von links:<br />
Emma und Helene Handler<br />
(Fürst), Männer unbekannt<br />
um 1940<br />
Foto: Josef Handler,<br />
Die Erdäpfel werden händisch<br />
in die Pflugspur gelegt.<br />
um 1966<br />
Foto: Annemarie Pairer, Krems<br />
Horndorf (Hollenthon)<br />
Arbeitswelten - 31<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 31 31.08.2009 14:17:05 Uhr
Feldarbeit in Edlitz Au<br />
von links: unbekannt, unbekannt, Julia Höller, Maria Puchegger, Hr. Puchegger 1930 Foto: Gemeinde Edlitz<br />
Ernte in Königsberg<br />
32 - Arbeitswelten<br />
Bauer und Bäuerin gehen zum Kornschnitt aus<br />
(Sense mit Körndlkrampen).<br />
von links:<br />
Engelbert und Maria Ringhofer am Lachhof in Königsberg<br />
1920<br />
Foto: Engelbert Ringhofer,<br />
Königsberg (Thomasberg)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 32 31.08.2009 14:17:06 Uhr
Ernte in Harmannsdorf<br />
unter Beteiligung der ganzen Familie Familie Freiler (vulgo Gregern)<br />
um 1930 Foto: Markus Wieser, Züggen (Hochneukirchen)<br />
Jausenzeit in Bad Schönau<br />
von links: Maria Riegler, Josefa Riegler, Maria Koder, unbekannt, Eleonore Koder (Reithofer),<br />
Martha Koder (Ungerböck), Josef Ungerböck, Jakob Koder 1953 Foto: Martha Ungerböck, Bad Schönau<br />
Arbeitswelten - 33<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 33 31.08.2009 14:17:07 Uhr
Arbeitsteilung in Grimmenstein<br />
Ernteabschluss in Reitersberg<br />
34 - Arbeitswelten<br />
von links:<br />
Johann und Maria Haiden<br />
Foto: Walter Pfeffer,<br />
Grimmenstein<br />
Die letzte Garbe Hafer<br />
wird beim Hofstätter<br />
geschmückt eingebracht.<br />
um 1935<br />
Foto: Regina Lechner,<br />
Gleißenfeld<br />
(Scheiblingkirchen-Thernberg)<br />
von links: Fr. Eichinger, Fr. Spanblöchl, Josef Baumgartner, Josefa Lechner (Gerhart), Josef Gerhart, Bäuerin Katharina Lechner,<br />
Johann Lechner, Karl Schatzer, Johanna Lechner, Franz Lechner, Fr. Baumgartner, Bauer Franz Lechner<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 34 31.08.2009 14:17:09 Uhr<br />
1950
Neue Dreschmaschine in Witzelsberg<br />
von links 1. Reihe: Franz Stangl sen., ein Sommerfrischlerkind, Ernst Kreuzinger, Franz Stangl jun.<br />
2. Reihe: Erntehelfer und Sommergäste<br />
Beim Blochmessen in Krumbach<br />
1928<br />
Foto: Edeltrude Stangl,<br />
Witzelsberg<br />
(Scheiblingkirchen-<br />
Thernberg)<br />
von links:<br />
Franz, Anna und<br />
Franziska Fuchs,<br />
Josef Luef<br />
1955<br />
Foto: Franz Fuchs,<br />
Krumbach<br />
Arbeitswelten - 35<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 35 31.08.2009 14:17:11 Uhr
In der Rebschule Katzelsdorf<br />
Schweinemast beim Rehgraber in Pengersdorf<br />
von links: Bäuerin Maria Dienbauer, Schwager Leopold Dienbauer aus Thomasberg<br />
36 - Arbeitswelten<br />
von links:<br />
unbekannt,<br />
Josefa Steiger,<br />
Fr. Huber,<br />
unbekannt<br />
1941<br />
Foto: Gemeinde<br />
Katzelsdorf<br />
Das Mastschwein<br />
mit etwa 400 kg<br />
war für die<br />
Verpflegung der<br />
Handwerker<br />
beim Stallbau<br />
vorgesehen.<br />
1955<br />
Foto: Maria Ostermann,<br />
Kirchschlag<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 36 31.08.2009 14:17:12 Uhr
Beim Dreschen in Hackbichl<br />
Wiederaufbau der Schwaigermühle in Bromberg<br />
von links:<br />
Halterbub, Mathias und<br />
Maria Hammerl,<br />
Maria Giefing,<br />
Georg Hammerl<br />
um 1940<br />
Foto: Gemeinde<br />
Hochwolkersdorf<br />
Foto: Emilie Gallei,<br />
Ohaberg (Bromberg)<br />
von links sitzend: Franz Stocker, Franziska Brandstätter, Maria Schwaiger, Kind Emilie Gallei (geb. Schwaiger), Rosalia Rottensteiner<br />
(geb. Brandstätter), Franz Schwaiger | stehend: unbekannt, unbekannt, Hr. Mayerhofer (Elektriker aus Walpersbach), unbekannt,<br />
Hr. Gruber, Johann Götzinger<br />
nach einem<br />
Bombeneinschlag<br />
1945<br />
Arbeitswelten - 37<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 37 31.08.2009 14:17:14 Uhr
Bau der Passionsspielhalle in Kirchschlag<br />
von links: Johann Hofbauer, unbekannt, Michael Ostermann, Pfarrer Lothar Kodeischka, unbekannt<br />
Hausbau in Hochwolkersdorf<br />
38 - Arbeitswelten<br />
freiwillige Helfer<br />
unter der Leitung von<br />
Pfarrer Kodeischka<br />
bei den<br />
Aushubarbeiten<br />
1957<br />
Foto: Archiv Vollnhofer-Wanek,<br />
Kirchschlag<br />
unter Einsatz der<br />
ganzen Familie<br />
von links:<br />
Alois (Bruder),<br />
Anna (Tante),<br />
Johann (Bauer und<br />
Hoferbe),<br />
Anna (Schwester) und<br />
Franz Kornfeld (Bruder)<br />
1954<br />
Foto: Gemeinde<br />
Hochwolkersdorf<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 38 31.08.2009 14:17:15 Uhr
Hausbau in Bad Erlach<br />
Hausbau in Pitten<br />
viele helfende Hände beim Hausbau der Familie Schnabel in der Oberen Feldstraße<br />
von links sitzend:<br />
Hr. Klee, Johann Sonnleitner,<br />
Adolf Windbichler,<br />
Hr. Spenger<br />
stehend: unbekannt,<br />
Hr. Besta, Eduard Jakubec,<br />
Franz Taschl, Johann Grill,<br />
Albine Karnthaler,<br />
Leopold Baumgartner<br />
(Bürgermeister), unbekannt<br />
um 1960<br />
um 1900 Foto: Museums- & Bildungsverein Pitten<br />
Foto: Johann Rädler, Bad Erlach<br />
Arbeitswelten - 39<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 39 31.08.2009 14:17:17 Uhr
Schneiderlehrlinge in Hollenthon<br />
Kaufhaus Parrer in Hochneukirchen<br />
40 - Arbeitswelten<br />
von links:<br />
Ernst Parrer und Elsa Orthofer aus Hochneukirchen,<br />
Johann Glatz aus Zöbersdorf<br />
Ostern 1935<br />
beim Nähen eines Rockes<br />
von links:<br />
Margarete Breitsching, Anton Grundtner<br />
um 1958<br />
Foto: Heinz Grundtner, Hollenthon<br />
Foto: Markus Wieser, Züggen (Hochneukirchen)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 40 31.08.2009 14:17:17 Uhr
Kaufhaus Hendling in Klingfurth<br />
„Küchenbrigade“ in Krumbach<br />
von links:<br />
Georg Hendling sen., Georg Hendling jun.,<br />
Monika Erhart, Maria Hendling<br />
1967<br />
Foto: Andrea Baumgartner,<br />
Klingfurth (Walpersbach)<br />
im Gasthaus Müller<br />
von links:<br />
Ludwig und Maria Nemec,<br />
Aloisia Doppler,<br />
Franziska Höller,<br />
Emma Pöll, Pauline Müller,<br />
Anna Ofenböck<br />
1958<br />
Foto: Volkmar Haberzettl,<br />
Katzelsdorf<br />
Arbeitswelten - 41<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 41 31.08.2009 14:17:18 Uhr
Kinder und Jugendliche<br />
Von einer Kindheit im heutigen Sinn konn-<br />
te in ländlichen Regionen wie der Buck-<br />
ligen Welt lange Zeit nicht die Rede sein.<br />
Kindheit zeichnet sich im modernen Verständnis<br />
unter anderem dadurch aus,<br />
dass Kinder (und Jugendliche) durch Ausbildung<br />
auf ein späteres Erwerbsleben<br />
vorbereitet werden, aber noch nicht selbst<br />
am Erwerbsleben teilnehmen. Bis in die<br />
1950er-Jahre war es dagegen selbstverständlich,<br />
dass viele Kinder aufgrund der<br />
wirtschaftlichen Not ihrer Eltern oder der<br />
oft alleinerziehenden Mütter im Alter von<br />
nicht einmal zehn Jahren zu fremden Bauern<br />
in den Dienst gingen. Oder sie mussten<br />
im kleinen Handwerksbetrieb oder im<br />
Geschäft ihrer Väter mithelfen.<br />
Viele Menschen in der Buckligen Welt<br />
erinnern sich noch heute intensiv an ihre<br />
eigenen Erfahrungen mit Kinderarbeit in<br />
früheren Jahren – die einen mehr an Verhältnisse<br />
der Ausbeutung, andere aber auch an abenteuerliche Erlebnisse, die beispielsweise die<br />
Tätigkeit als Kuhhalter gelegentlich mit sich brachte. Andere berichten darüber, wie sie mit dem<br />
Sammeln von Waldbeeren zum Familieneinkommen beitrugen. Einigen Jugendlichen war es nach<br />
Abschluss der Schule vergönnt, eine Lehre zu beginnen und abzuschließen – dies allerdings oft in<br />
Verhältnissen, die an Praktiken der Leibeigenschaft noch früherer Jahre erinnern.<br />
Auch die Fotos zeigen, dass Kinder schon früh in die Arbeitswelt eingeführt wurden. Selbstverständlich<br />
leisteten sie bei den Arbeiten der Erwachsenen kleine Hilfsdienste. Oft empfanden die Kinder<br />
das nicht als Belastung, sondern waren stolz, dass man sie schon „brauchen“ konnte, vor allem zur<br />
Beaufsichtigung der Nutztiere auf der Weide. Bereits junge Kinder waren Ochsenhalter, weil diese<br />
gutmütigen Zugtiere leicht zu beaufsichtigen waren. Schwieriger war schon das Halten der Kühe.<br />
Dabei traf man auch Nachbarskinder und spielte miteinander. Die Jugendlichen mussten schon früh<br />
bei den Feld- und Waldarbeiten sehr schwer arbeiten.<br />
42 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 42 31.08.2009 14:17:19 Uhr
» weil zu Hause nix zu essen war! «<br />
Maria Doppler, geb. 1910 in Geretschlag (Gemeinde Wiesmath),<br />
Nebenerwerbslandwirtin<br />
Ich bin schon mit zehn Jahren in den Dienst gekommen. Ich hab siebzehn Stück Vieh zum Halten<br />
gehabt! Die Linda ist schon mit sieben Jahren in Bromberg in den Dienst gekommen! Mit sieben<br />
Jahren! Auch Kühe halten. So etwas könnt ihr euch heute gar nicht mehr vorstellen – mit sieben<br />
Jahren! Als Kind in den Dienst, weil zu Hause nix zu essen war! Und dort haben sie aber genauso<br />
wenig gekriegt. Mein erster Dienstplatz war in Pürahöfen oben. Wir haben wenigstens genug Brot<br />
gekriegt und einen Most. In die Schule in Lichtenegg mit einem Stückel Brot, und dann sind wir<br />
von sieben in der Früh bis drei am Nachmittag in der Schule gewesen. Und danach wieder nach<br />
Hause. Von Lichtenegg nach Pürahöfen geht man lange, über eine Stunde bin ich gegangen.<br />
Im Sommer hat’s am Sonntag bei den Bauern genauso arbeiten geheißen. Im Feld und beim<br />
Heu. Da hat es kein Fortgehen gegeben! Von der schönen Jugend kann ich nichts erzählen, ich<br />
hab keine schöne Jugend gehabt. Gar nichts! In der Früh um vier aufstehen, zuerst in den Stall.<br />
Vorm Schulegehen hab ich müssen alle Viecher putzen, die im Kuhstall waren. Wir haben drei<br />
Ställe gehabt: einen Kalbsstall, einen Ochsenstall und einen Kuhstall. Und die Viecher im Kuhstall<br />
hab ich putzen müssen. Wenn ich fertig gewesen bin, hab ich ins Haus gehen können. Wenn’s<br />
einen Kaffee schon gegeben hat, hab ich einen trinken können, wenn nicht, hab ich meinen Besen<br />
nehmen müssen: die große Hausstube auskehren, die Küche auskehren, den Gang auskehren. Das<br />
hab ich alles müssen machen. Danach essen, und dann sind die anderen Kinder schon gekommen,<br />
um mich für die Schule abzuholen. Aber ich war noch nicht fertig. Die Trimmel, meine Chefin, hat<br />
ihre Kinder angezogen und hat gesagt: „Geht nur fort, das Miatzl dawischt euch schon!“ Ja, ich<br />
hab nachrennen müssen! Ich hab’s hart gehabt.<br />
» Mit acht Jahren bin ich hingekommen «<br />
Maria Beiglböck, geb. 1931 in Pichl (Gemeinde Zöbern), wohnt in Krumbach,<br />
arbeitete unter anderem als Landarbeiterin und im Kurhaus in Bad Schönau<br />
Meine erste Arbeitsstelle war bei einem Bauern. Mit acht Jahren bin ich hingekommen, und<br />
dort bin ich geblieben, bis ich sechzehn Jahre alt war. Da habe ich schon alles gearbeitet gehabt.<br />
Lohn hat es keinen gegeben, nur Essen, Gewand und Schuhe. Der Schuster ist im Winter ins Haus<br />
gekommen. Er ist auf die Stör gegangen, er hat den Fuß abgemessen, und dann hat er den Schuh<br />
gemacht, Schuhe aus der Kuhhaut. Mit denen sind wir in die Schule gegangen.<br />
Es war nicht immer ganz gut zwischen den Bauern und den Dienstknechten. Es hat Mägde gege-<br />
Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 43<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 43 31.08.2009 14:17:19 Uhr
en, wo sich der Bauernsohn heranmachte, und welche, die ein Verhältnis gehabt haben. Eine ist<br />
schwanger gewesen, sie hat das Kind am Bauernhof gebären müssen. In ein Krankenhaus hat man<br />
damals wegen solcher Sachen noch nicht zu gehen brauchen, heute gehen alle dorthin. Aber sobald<br />
sie wieder aufstehen konnte und auf den Füßen war, musste sie zu anderen Bauern gehen. Das Kind<br />
ist am Bauernhof geblieben und hat einen gesetzlichen Vater gehabt. Das war der Bauer. Und die<br />
Mutter von dem Kind hat eben irgendwo anders hingehen müssen, zu einem anderen Bauernhof. Das<br />
ist immer wieder vorgekommen.<br />
» Heuhäufeln gehen «<br />
Theresia Dienbauer, geb. 1927 in Wiesmath,<br />
aufgewachsen in einer Landwirtschaft<br />
Im Sommer haben wir müssen Heuhäufeln gehen, zusammenrechen. Dafür gab es einen großen<br />
Rechen, der war vielleicht eineinhalb Meter breit. Also, Heuhäufeln machen und dann aufladen<br />
am Leiterwagen, und einer hat müssen auf den Wagen steigen. Links und rechts aufhäufeln und<br />
in der Mitte zusammentreten. Und so sind wir gefahren, nicht so wie heute. Wir haben müssen<br />
hinten nachrechen, zusammenrechen. Das war beim Getreide auch so. Der Vater und der Großvater<br />
haben vorgemäht, und wir sind hintennach mit der Sichel, haben alles aufgehoben und haben<br />
es müssen weglegen. Wie’s dann trocken geworden ist, haben wir das bündeln und aufstellen<br />
müssen. Wie es dann in den Stadeln eingeschöbert wurde, haben wir angefangen, die Schöber zu<br />
dreschen. Das hat nach dem Takt gehen müssen: eins, zwei, drei – bis das Korn heraußen war.<br />
Und dann haben wir die Schöber noch einmal genommen und haben sie ausgebeutelt. Das schöne<br />
Stroh haben wir dann zusammengelegt.<br />
» Wir hätten uns oft gerne gespielt «<br />
Eduard Ringhofer, geb. 1927 in Untertiefenbach (Gemeinde Krumbach), Binder<br />
Kleinhäusler waren die, die nicht viel Grund hatten und zu den Großbauern arbeiten gingen. Bei<br />
uns war nicht so viel da, Grund hatten wir nicht viel: Eine Kuh, eine Sau haben wir uns gefüttert<br />
im Jahr. Das waren halt die Kleinhäusler. Es waren schlechte Zeiten, und wir hatten eben wenig<br />
daheim. Dann haben wir müssen in die Fremde gehen.<br />
Als Kuhhalter hast du in der Landwirtschaft mithelfen müssen: am Feld, da waren Kühe zum<br />
Halten. Du hast um die Viecher herumgehen müssen und aufpassen. Und dann war Schule gehen,<br />
44 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 44 31.08.2009 14:17:19 Uhr
die Aufgabe hast du dann schnell auf d’ Nacht nach der Arbeit gemacht. In der Früh hast müssen<br />
früh aufstehen und mithelfen im Stall, soweit es halt gegangen ist. Und dann hast du deine Schul-<br />
tasche genommen und bist in die Schule gerannt. Das war zirka eine halbe Stunde. Die Schule war<br />
recht lustig, wir waren da eine ganz einfache Klasse, drei Klassen waren beieinander. Und wie du<br />
dann am Nachmittag heimgekommen bist, hast du wieder die Viecher austreiben und mithelfen<br />
müssen.<br />
Der Taschenhof war ein ziemlich großer Besitz: drei Knechte und die eigenen Kinder, sie hatten<br />
Pferde und Ochsen. Einen Traktor hat es nicht gegeben, Spielzeug auch nicht. Wir hätten uns oft<br />
gerne gespielt, aber wir haben nichts gehabt. Da war es sehr mager. Am Taschenhof war ich vier<br />
Jahre. Im Sommer haben wir bloßfüßig rennen müssen. Die Schuhe haben wir müssen sparen.<br />
Als Belohnung haben wir dann meistens zu Weihnachten ein paar neue Schuhe oder Gewand gekriegt.<br />
Das war dein Jahresverdienst, den du als Kuhhalter gekriegt hast, und das Schlafen und<br />
das Mitessen.<br />
» Wennst Müch führen tust, kriegst a Radl. «<br />
Maria Lechner, geb. 1920 in Petersbaumgarten (Gemeinde Warth), Landwirtin<br />
Wir haben müssen Milch führen in die Nestlé hinauf, mit dem Ross. Und die Mutter hat gesagt:<br />
„Wennst Müch führen tust, kriegst a Radl.“ Und das Radl war mir wichtig. Jetzt bin ich immer<br />
hinaufgefahren mit dem Ross und hab die Milch in die Nestlé gefahren. Und am nächsten Tag hab<br />
ich die leeren Milchkannen wieder mitgenommen.<br />
» Da hat’s geheißen: ‚Gemma, gemma, gemma!‘ «<br />
Theresia Pichler, geb. 1920 in Hochegg (Gemeinde Grimmenstein), Landwirtin<br />
Wenn wir von der Schule heimgekommen sind, war immer: G’schwind essen und umziehen, das<br />
Alltagsgewand anziehen – und „gemma“. Da war so viel Arbeit, früher war ja so viel Handarbeit.<br />
Da hat’s geheißen: „Gemma, gemma, gemma!“ Wir waren jung und gesund, und uns hat’s eh nix<br />
ausgemacht. Das Wasser war im Hof unten, dort war der Brunnen. Mit den Schaffeln haben wir<br />
das Wasser heraufgetragen. Und Büttel haben wir auch gehabt. Das sind Handbüttel gewesen, mit<br />
denen haben wir das Wasser heraufgetragen.<br />
Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 45<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 45 31.08.2009 14:17:19 Uhr
» mitsamt dem Kind am Rücken «<br />
Hermine Reisenbauer, geb. 1916 in Kirchau (Gemeinde Warth),<br />
Arbeiterin und Hausfrau<br />
Meine Mutter hat ein Pflegekind gehabt, und unter den Ferien hat es die Frau zu ihr nehmen<br />
wollen. Mich hat sie dann mitgenommen zum Aufpassen. Ich war den ganzen Tag alleine. Da war<br />
ich zehn Jahre alt. Die Kleine hat aber nicht gehen wollen, ich hab sie am Rücken tragen müssen.<br />
Einmal hat mich die Frau Heidelbeeren pflücken geschickt. Dann hab ich das Kind halt auf einen<br />
Stock gesetzt, weil ich mir gedacht hab: „Da wird’s schon sitzen, derweil ich pflück.“ Dann hat’s<br />
aber zum Schreien angefangen. Ich hab Angst gehabt, die hören es und glauben, ich tue ihr was.<br />
Jetzt hab ich sie am Rücken genommen und hab die Heidelbeeren mitsamt dem Kind am Rücken<br />
gepflückt.<br />
» Da haben wir dann immer geraunzt «<br />
Johanna Fellner, geb. 1921 in Spratzeck (Gemeinde Hollenthon)<br />
Mein Vater war Leinenweber, und wir haben dann schon ein bissel mithelfen müssen. Der Vater<br />
ist am Webstuhl gesessen, und wir haben so kleine Spinderl machen müssen vom Garn, also vom<br />
Flachs. Das ist gesponnen worden. Das sind Fäden gewesen, die wir auf so kleine Spindeln haben<br />
aufspulen müssen. Der Vater hat das in die Schifferl hineingetan und hat’s gewebt. Der Vater hat<br />
mit Händen und Füßen arbeiten müssen, so dass das Garn immer auf und ab gegangen ist und hat<br />
das unterdessen vorn hineingeschoben in die Schifferl. Da haben wir dann immer geraunzt. Wir<br />
wären auch lieber wo herumgeflogen und haben aber spulen müssen, damit der Vater eine Arbeit<br />
hat.<br />
» Da hab ich mir dann schon ein paar Groschen verdient «<br />
Maria Beiglböck, geb. 1926 in Harmannsdorf<br />
(Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt), Landwirtin<br />
Meine Kindheit war ganz schön. Wir sind in die Züggen gekommen, und mit drei oder vier Jah-<br />
ren bin ich schon allerweil zum Nachbarn gegangen. Die haben mich so gern gehabt, die haben<br />
mir oft zu Weihnachten ein Körberl geflochten, das waren Korbflechter. Da haben sie mir viele<br />
Naschereien in das Körberl reingetan. Ich hab mich so viel gefreut. Und allerweil haben sie mir<br />
wieder was gegeben, wenn ich zu ihnen gekommen bin. Jetzt bin ich immer zu ihnen gekommen.<br />
46 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 46 31.08.2009 14:17:19 Uhr
Allerweil haben sie gesagt, ich soll kommen. Die haben mich so gern gehabt. Mit vier, fünf Jahren<br />
haben sie eine Kegelbahn gebaut, und da haben sie oft gerufen, wenn sie mich gesehen haben:<br />
„Miatzerl, komm auffa, Kegeln aufstellen!“ Da hab ich mir dann schon ein paar Groschen verdient.<br />
» mit den Eltern in den Wald «<br />
Margarete Schnabl, geb. 1925 in Bad Erlach, Verkäuferin, später eigenes Geschäft<br />
In den Ferien sind wir immer mit den Eltern in den Wald gegangen: Heidelbeeren pflücken,<br />
Schwammerln suchen, Erdbeeren brocken. Das haben wir dann am nächsten Tag müssen verkau-<br />
fen. Wir sind nach Pitten gegangen, denn dort waren so schöne Villen mit feinen Damen. Dann<br />
haben sie uns halt allerweil Gläser abgekauft. Mit dem, was wir nicht angebracht haben, sind wir<br />
zum Markt nach Wiener Neustadt zu Fuß gegangen. Da haben wir auch verkauft. Dort, wo jetzt<br />
der Hauptplatz ist, waren immer die Standln. Das war unsere Arbeit in den Ferien.<br />
» Wir haben Heidelbeerblätter gesammelt «<br />
Anna Buchegger, geb. 1933 in Krumbach,<br />
seit 1955 in Tiefenbach (Gemeinde Lichtenegg), Gastwirtin<br />
Unseren Turnunterricht hatten wir am Kirchenplatz. Aber es war Kriegszeit, und so mussten<br />
wir Blätter sammeln gehen. Das ist als Waldlehrausgang auch in den Turnunterricht gefallen. Wir<br />
haben Heidelbeerblätter gesammelt, Himbeerblätter, Ehrenpreis. Daraus ist Tee gemacht worden<br />
für die Lazarette. Am Schulboden haben wir’s getrocknet. Ich hab eine Liste führen müssen: Wir<br />
haben so eine Grammwaage gehabt, und da ist abgewogen worden, was ein jeder Schüler an Blättern<br />
bringt. Wir haben auch in der Freizeit, zu Hause, brocken müssen.<br />
» Dann bin ich halt im Geschäft gestanden «<br />
Henriette Streng, geb. 1928 in Walpersbach, Verkäuferin<br />
In der Landwirtschaft hab ich eigentlich während der gesamten Schulzeit mitgeholfen, das war<br />
eben so. Schule aus, nach Hause, essen, dann hat die Mutter noch das Geschirr stehen gelassen,<br />
weil sie aufs Feld gegangen ist, arbeiten, und der Vater war im Geschäft. Für uns Kinder war das<br />
Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 47<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 47 31.08.2009 14:17:19 Uhr
Essen im Backrohr. Das haben wir uns herausgenommen und gegessen. Dann ist natürlich das<br />
ganze Geschirr herumgestanden, weil die Mutter ja eilends aufs Feld ist. So hab ich das Geschirr<br />
abgewaschen. Und dann hat’s oft geheißen: „Du musst jetzt ins Geschäft, weil der Vater hat in<br />
der Landwirtschaft was zu tun!“ Dann bin ich halt im Geschäft gestanden. Im Geschäft haben wir<br />
einen Tisch gehabt, neben dem Fenster, und dort hab ich meine Aufgaben nebenbei gemacht. Der<br />
Geschäftsbetrieb war da nicht so, wie man sich das heute vorstellt. Und ansonsten hab ich, hauptsächlich<br />
während der Ferien, in der Landwirtschaft mitgeholfen.<br />
» stieß ein LKW meine Kuh ‚Berni’ unters Straßengeländer «<br />
Josef Walli, geb. 1941 in Innerschildgraben (Gem. Scheiblingkirchen-Thernberg),<br />
Geschäftsmann. Der folgende Text ist ein Auszug aus seinen schriftlichen Lebensund<br />
Familienerinnerungen, die er 2008 der „Dokumentation lebensgeschichtlicher<br />
Aufzeichnungen“ übergeben hat.<br />
Bedingt durch die Verletzung meines Bruders Bertl begann für mich früh der Ernst des Lebens:<br />
Wassertragen vom Brunnen im Garten ins Haus, Küchenbrennholz zum Herd bringen, oder im<br />
Stall und in der Scheune helfen waren bald meine täglichen Aufgaben. Mit sieben Jahren und<br />
anfänglicher Mithilfe meines Vaters musste ich die Kühe auf die Weide treiben. Im Frühjahr einmal<br />
am Nachmittag, in den Sommerferien in der Früh und am Nachmittag und im Herbst wieder<br />
am Nachmittag, bis in die späte Dämmerung. Im Sommer war das hart für mich. Damals waren<br />
Kinder von Sommerfrischlern im Dorf, und ich konnte durch meine Pflichten nicht überall mitspielen.<br />
Zwei Stunden Freizeit zu Mittag waren schon viel.<br />
Es gab aber auch sehr schöne, lehrreiche und interessante Erlebnisse in dieser Zeit. Die meisten<br />
Weidegründe waren entlang der Straße und des Schlattenbaches Richtung Scheiblingkirchen. Die<br />
Waldwiese war am weitesten entfernt vom Haus, oberhalb der damaligen Schlattenbachbrücke.<br />
Durch die beginnende Motorisierung wurde manches Pferdefuhrwerk durch LKW abgelöst. Motorräder<br />
kamen immer öfter auf der staubigen Landstraße angedonnert. Ein s-förmiger Straßenverlauf<br />
über die heimtückisch glitschige Bachbrücke – und so konnte ich immer wieder beobachten,<br />
wie so mancher stolze Steuermann mit seinem Vehikel zu Sturz kam. Hin und wieder krachte<br />
ein Auto ins Geländer oder kollerte in den Bach. Nicht alles ging gut aus. Beim Nachhausetreiben<br />
der Kühe von der Waldwiese gab es durch unbeherrschte Autofahrer große Ängste und Gefahren<br />
für mich und meine Anvertrauten. Einmal im Herbst stieß ein LKW bei einsetzender Dunkelheit<br />
meine Kuh „Berni“ unters Straßengeländer durch. Schwer verletzt rappelte sie sich später wieder<br />
hoch und kam nach Wochen wieder zusammen. Das abgestoßene Horn fanden wir im Frühjahr<br />
beim Ackern fünfzig Meter weit entfernt im Feld.<br />
48 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 48 31.08.2009 14:17:19 Uhr
» Er hat mich für älter gehalten «<br />
Johann Kögler, geb. 1910 in Schlatten (Gemeinde Bromberg), Landwirt in Haag<br />
(Gemeinde Hochwolkersdorf). Der folgende Text ist ein Ausschnitt aus seinem<br />
kurzen schriftlichen Erinnerungsbericht.<br />
Zu uns kam ein Mann aus Bromberg. Er hat die Milch von uns geholt und hat am Steinbruch<br />
in Warth gearbeitet. Da hab ich ihn gefragt, ob ich dort nicht arbeiten könnte. Er sagte, er wird<br />
fragen. Es war das Jahr 1924, ich hatte Schulferien im Juli und August. Mein zukünftiger Schwager,<br />
dem Lechner Gustl sein Bruder, hatte ein Fahrrad, er tät es mir leihen. Am Sonntag kam der<br />
Mann, und ich konnte mitfahren. Um halb drei Uhr in der Früh muss ich in Bromberg sein, um<br />
halb vier Uhr fängt die Arbeit an. Dort haben neunzig Mann auf zwei Schichten gearbeitet, und<br />
zwar von halb vier bis zwölf Uhr und von zwölf Uhr bis um halb neun Uhr abends. Der Partieführer<br />
hat mich angeschaut und sagte: „Du bist ein starker Bursch, du kannst schon arbeiten.“ Er<br />
hat mich für älter gehalten, ich war noch keine vierzehn Jahre alt. Ich konnte gleich mit einem<br />
anfangen, der um zehn Jahre älter war. Ich glaubte, der halbe Tag vergeht nicht, ich konnte keine<br />
fünf Minuten rasten. Um ein Uhr zu Mittag kam ich heim, da gab es wieder Arbeit bis neun Uhr<br />
am Abend. Für halb drei Uhr in der Früh habe ich den Wecker gerichtet. Wenn ich nicht gleich<br />
aufgestanden bin, hat die Mutter gesagt: „Hansl, du musst aufstehen!“ Da bin ich geschwind aufgestanden,<br />
habe den Kaffee getrunken und bin gefahren. Da war’s noch ganz finster. Die zweite<br />
Woche war es schon besser, da konnte ich länger schlafen.<br />
Im Steinbruch wurden fünfzehn bis zwanzig Stellen angebohrt und mit Pulver geladen. Da war<br />
eine Hütte. Wenn die Zündschnur angezündet wurde, wurde geläutet – alle in die Hütte, da kommen<br />
die Steine geflogen. Was man nicht heben konnte, wurde mit einem schweren Schlögel zertrümmert,<br />
auf einen Kipper geladen und zur Maschine geführt. Dort wurde grober und feiner<br />
Schotter gemacht. Die dritte Woche konnte ich zur Maschine, der zweite Arbeiter war ein Fleischhacker.<br />
Wir mussten den Schotter hinausführen mit den Kippern. Da waren große Fässer, wo<br />
man den Schotter hineingekippt hat. Ich war gerade dabei, einen Kipper hinauszufahren, da hat<br />
es geläutet, und ich konnte nicht mehr zurück. Da kamen die Steine geflogen, ein Stein hat den<br />
Hut erwischt und hat ihn dreißig Meter davongetragen. Wäre er fünf Zentimeter tiefer geflogen,<br />
hätte er mir den Kopf eingeschlagen. Nach einer bestimmten Menge wurde ein Fass Bier für die<br />
Arbeiter bezahlt.<br />
Für die zwei Monate, die ich dort gearbeitet habe, konnte ich mir ein Fahrrad kaufen. Das Rad<br />
war zu der Zeit mehr als heute ein Auto.<br />
Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 49<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 49 31.08.2009 14:17:19 Uhr
» Wenn’s recht heiß war, haben wir geschwitzt «<br />
Amalia Bleier, geb. 1913 in Krumbach, verzog später nach Bad Schönau,<br />
Landwirtin und Wirtin<br />
Was war dann nach der Schulzeit? Da sind wir halt in den Arbeitsprozess hineinkommen. Da<br />
hat man müssen in den Stall gehen, die Kühe halten, die Sau füttern und aufs Feld hinaus. Zu der<br />
Zeit sind viele Hackfrüchte angebaut worden, da musste man stundenlang in gebückter Stellung<br />
alles behauen. Wenn’s recht heiß war, haben wir geschwitzt. Einmal habe ich in den Hut hineingeweint,<br />
weil’s so heiß war. Aber das hat sein müssen. Die Arbeiten, die früher am Bauernhof waren,<br />
die gibt’s ja heute nimmermehr, die Maschinen haben das alles ersetzt.<br />
» Ich war zu arm dazu «<br />
Klaus Wilfinger, geb. 1922 in Oberpetersdorf (Burgenland),<br />
verzog später nach Schwarzenbach, Knecht, Gendarm und Baustoffhändler<br />
Meine Familie war: die Großmutter, meine Mutter, mein Onkel, die Tante und der Bruder. Die<br />
Tochter war schon verheiratet, und die anderen drei Brüder waren schon in der Wirtschaft, die<br />
waren schon teilweise ausgelernt. Ich konnte keinen Beruf erlernen, weil ich dazu keine Möglichkeit<br />
hatte. Ich war zu arm dazu, denn meine Mutter hatte kein Einkommen, und als ich zwölf<br />
Jahre alt war, war meine Großmutter gestorben. Dann war es ganz schlecht für mich. Sie hatte mir<br />
immer gut gekocht.<br />
» Die Mühle ist mit Wasser betrieben worden «<br />
Anton Pfneisl, geb. 1927 in Thal (Gemeinde Lichtenegg),<br />
Müller und Landmaschinenhändler<br />
Wie ich in der Mühle gelernt habe, ist schon alles mechanisch gegangen. Wir haben immer auch<br />
was hinauftragen müssen, aber die ganze Beförderung in der Mühle war schon mechanisch. Der<br />
Vater hat 1938 neu gebaut, also erneuert, denn das Gebäude ist schon zwanzig Jahre alt gewesen.<br />
Nur aufgestockt und neu eingerichtet. Die Mühle ist mit Wasser betrieben worden. Damals hat<br />
es nur Wasser gegeben. Wenn Wasserknappheit war, ging halt wenig. Eine Säge hatten wir auch<br />
dabei. Und was die Arbeitsgänge in der Mühle betrifft: Das war eine langwierige Angelegenheit.<br />
50 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 50 31.08.2009 14:17:19 Uhr
» So vieles wurde anders «<br />
Josef Weninger, geb. 1922 in Sonnberg (Gemeinde Edlitz), seit 1948 in Hollenthon,<br />
Zimmerer. Der folgende Text ist ein Auszug aus seinen 2008 aufgeschriebenen<br />
„Erinnerungen an die Kriegsjahre“.<br />
Die Volksschule besuchte ich in Edlitz und trat am 14. März 1936 von der Schule aus. Das war<br />
damals so, es zählte nicht die Vollendung des achten Schuljahres, so wie heute, sondern der 14.<br />
Geburtstag.<br />
Es war der Wunsch meiner Eltern, dass ich Schuhmacher werden soll, aber es war keine Lehrstelle<br />
zu finden. In der elterlichen Landwirtschaft wurde ich nicht mehr benötigt, so ging ich 1937<br />
zum Bruder meiner Mutter als Landhelfer. Dort wurde mir eine Monatsentlohnung von dreißig<br />
Schilling zuerkannt. Doch meine Eltern blieben weiterhin auf der Suche nach einer Lehrstelle für<br />
mich. Mein Vater erhielt für 1938 die Zusage, dass ich als Müllerlehrling beim „Sommerauer“, das<br />
war die Mandel-Mühle in der Spratzau, beginnen könnte. Doch mein Vater wollte nicht aufgeben,<br />
ging weiter auf Suche, um eine Lehrstelle in einer anderen Berufssparte zu finden, und kam mit<br />
seinem Neffen, der als Zimmermeister in Neunkirchen einen Witwerbetrieb führte, ins Gespräch.<br />
Dieser gab ihm die Zusage, dass ich im Frühjahr 1938 als Zimmermannslehrling bei ihm beginnen<br />
kann. Weil ich von Montag bis Samstagmittag arbeiten musste, mussten wir auf Quartiersuche<br />
gehen und fanden ein kleines Mansardenzimmer, in welchem wir zu viert Platz fanden. Weiters<br />
brauchte ich ein Fahrrad, um wöchentlich nach Neunkirchen zu fahren. Das Fahrrad bekam ich<br />
von meinem Halbbruder Michael. Doch ich musste erst Radfahren lernen. So musste ich dies in<br />
den Wintermonaten im Stadel trainieren. Somit waren die Vorbereitungen zur Lehre mit großer<br />
Freude abgeschlossen.<br />
Die Tage, bevor meine Lehre am 14. März 1938, meinem 16. Geburtstag, begann, sollten aber<br />
nicht nur für mich sehr bewegte werden. Am 12. März 1938 marschierten die deutschen Truppen<br />
mit unglaublichem Jubel in Österreich ein. Österreich wurde zur Ostmark. Der Schilling wurde<br />
durch die Reichsmark ersetzt, wir wurden zu deutschen Staatsbürgern. So vieles wurde anders, so<br />
dass es schien, als würden wir einer schönen Zukunft entgegengehen.<br />
Meine Lehrzeit endete mit der Gesellenprüfung im Mai 1941. Es war sehr wichtig, neben dem<br />
beruflichen Wissen auch über politisches Wissen zu verfügen. Auf die Fragen, die mir dabei gestellt<br />
wurden, kann ich mich heute noch genau erinnern: „Warum wurde der 9. November 1923<br />
zum Staatsfeiertag?“ Meine Antwort: „Marsch zur Feldherrnhalle“ – „Geburtstag und Geburtsort<br />
des Führers?“ Meine Antwort: „20. April 1889, Braunau am Inn“ – Wann begann der Frankreichfeldzug?“<br />
Meine Antwort: „10. Mai 1940“.<br />
Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 51<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 51 31.08.2009 14:17:19 Uhr
» einberufen worden zum Arbeitsdienst «<br />
Anna Steurer, geb. 1926 in Landsee (Burgenland), lebt in Krumbach,<br />
arbeitete zunächst als Dienstmädchen, später im Installateur- und<br />
Spenglereibetrieb des Ehemannes<br />
Dort, wo jetzt das Bad in Krumbach ist, ist früher eine Baracke gestanden, das war die Ar-<br />
beitsmaidenbaracke. Die Arbeitsmaiden sind von überall hergekommen. Da bist du mit achtzehn<br />
Jahren einberufen worden zum Arbeitsdienst, also die Mädchen. Die Buben sind auch zum Arbeitsdienst<br />
einberufen worden, aber die Mädchen waren hier im Lager. Bei uns sind viele Arbeitsmaiden<br />
von Kärnten, Tirol, von überall, gewesen. Sie haben exerzieren müssen. Sie haben auch<br />
zu den Landwirten oder zu jemandem, der wen gebraucht hat, arbeiten gehen müssen. Die sind in<br />
der Früh um acht Uhr zu den Leuten gegangen, die sie benötigt haben, und abends sind sie wieder<br />
nach Hause gegangen. Da haben sie dann wieder ihre Pflichten machen müssen. Das war so die<br />
Erziehung der Jugend, hat’s geheißen, der Arbeitsdienst.<br />
» zu Fuß nach Wiener Neustadt «<br />
Franz Gradwohl, geb. 1931 in Kaltenberg (Gemeinde Lichtenegg),<br />
Maurer und Fabrikarbeiter, später bei der Straßenverwaltung<br />
Ich hab eine Maurerlehre in Wiener Neustadt gemacht. Ich bin mit einem Rucksack am Montag<br />
in der Früh auf die Bahn herunter. Im Sackerl hab ich eine Einbrenn gehabt, die hatte ich mir<br />
selber gebrannt, mit einem bissel Fett, Mehl und ein paar Erdäpfeln. Um dreiviertel sechs ist der<br />
Zug gefahren, und um dreiviertel sieben waren wir draußen in Wiener Neustadt. Da hab ich in<br />
Wiener Neustadt gewohnt. Wir waren vier Lehrburschen und haben im Zehnerviertel ein Zimmerl<br />
gehabt, in der Mansarde oben. Selber haben wir uns eine Suppe gekocht, sonst haben wir nix gehabt.<br />
Eine Volksküche hat’s auch gegeben, dort hast du auch eine Einbrennsuppe gekriegt oder<br />
im Sommer eine Paradeisersuppe. Die Paradeiser haben wir zu der Zeit ja noch nicht gekannt. Die<br />
Paradeisersuppe hat mir aber nie geschmeckt.<br />
Im Erdgeschoss unten, ganz ebenerdig, waren die Russen drinnen, in der Mitte die Hausleute,<br />
und in der Mansarde waren wir Lehrburschen. Keiner hat von uns eine Uhr gehabt. In der Früh<br />
haben wir oft nicht gewusst, wann Zeit zum Fortgehen ist. Um sieben hat die Arbeit angefangen,<br />
da war’s im Winter ja noch finster. Wir haben aus den zusammengebombten Häusern die Parkettböden<br />
herausgerissen – und das haben wir verheizt. Am Samstag sind wir wieder heimgefahren.<br />
Eine Zeit lang ist im Winter von 1945/46 kein Zug gegangen. Dann sind wir am Montag in der<br />
Früh zu Fuß nach Wiener Neustadt, so elf, zwölf Stunden vielleicht.<br />
52 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 52 31.08.2009 14:17:20 Uhr
» wurden mir daraufhin zur Hölle «<br />
Luise Wöhrer, geb. 1937 in Hütten (vormals Warth, jetzt Gem. Grimmenstein),<br />
wohnt in Grimmenstein, Schneiderin. Den folgenden Text hat sie eigens für<br />
diesen Band geschrieben.<br />
Da meine Mutter sehr oft krank war, wollten wir unbedingt einen Lehrplatz in der Nähe. Diesen<br />
fanden wir dann in einer Schneiderei, aber nur unter der Bedingung, dass die Meisterin mir die<br />
volle Lehrlingsentschädigung in der Höhe von 35,10 Schilling pro Woche nicht bezahlen müsse<br />
und ich niemandem davon etwas sagen dürfe. Meine Lehre als Damenschneiderin begann am<br />
9. September 1951. In der Werkstätte arbeiteten die Meisterin, eine Gesellin, ein Lehrmädchen<br />
und ich. Einen Tag in der Woche musste ich in die Berufsschule nach Wiener Neustadt fahren. Ich<br />
war sehr strebsam, lernte fleißig und war eine der Besten in der Klasse. In der Schule hatten alle<br />
Geld, nur ich nicht. Sie fragten mich, was ich mit meinem Geld mache? Ich antwortete, dass ich<br />
alles zu Hause hergeben müsse. Gegen Weihnachten kam zum ersten Mal der Lehrlingsinspektor<br />
zur Kontrolle. Er fragte im Nebenraum die Meisterin, wie viel Lohn ich bekomme – und sie antwortete:<br />
„39,10 Schilling!“ Dieser sagte, dass sie bei der nächsten Zahlung, das, was sie zuviel gezahlt<br />
hatte, abzuziehen hätte. Mir platzte im Nebenzimmer wegen dieser falschen Aussage fast der<br />
Kragen, weil der Lohn für das erste Lehrjahr lediglich das Nähen eines Kleides für meine Mutter<br />
war. Im zweiten Lehrjahr blieben einmal beim Einkaufen von Nähseide und Knöpfen beim Zeilinger<br />
in Wiener Neustadt zehn Schilling übrig, die ich mir behalten durfte. Ich glaube, dass sich<br />
heute niemand über hundert Euro so freut, wie ich mich damals über diese zehn Schilling.<br />
Die Arbeitszeit war von sieben bis zwölf und von dreizehn bis achtzehn Uhr. Samstags war zwar<br />
grundsätzlich frei, aber wir mussten sehr oft, wenn es nötig war, arbeiten oder zusammenräumen.<br />
Zu Weihnachten und Ostern war immer viel Arbeit. Da jammerte die Meisterin immer, dass noch<br />
viel Arbeit sei und wir mit der Arbeit nicht fertig würden. So arbeiteten wir oft freiwillig ohne Bezahlung<br />
bis 21 Uhr. Wenn Kunden jammerten, dass sie sehr teuer sei, sagte sie, dass die Mädchen<br />
so viel kosten würden.<br />
Ich durfte nur immer windeln (Nähte sauber machen) und Kleidungsstücke zusammenheften.<br />
Wenn ich bei meiner Mutter darüber klagte, sagte sie immer: „Lehrzeit ist keine Herrenzeit“. Ich<br />
musste meiner Meisterin über alles, was ich in meiner Freizeit tat, Rede und Antwort stehen.<br />
Im Oktober 1954 bestand ich meine Gesellenprüfung mit Auszeichnung. Der Kommentar meiner<br />
Meisterin war lediglich: „Do hobn’s ane rutschn lossn!“ Nach der Prüfung bat meine Mutter<br />
für mich um Lohnzahlung nach dem Kollektivvertrag, was sie aber nicht tat. Ich bekam den Lohn,<br />
den ich in einer Woche bekommen sollte, lediglich im Monat. Die drei Monate, die sie mich weiter<br />
behalten musste, wurden mir daraufhin zur Hölle. Ich konnte ihr nichts mehr recht machen<br />
Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 53<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 53 31.08.2009 14:17:20 Uhr
und war nervlich bald so am Ende, dass ich in den Krankenstand gehen musste. Während des<br />
Krankenstandes bekam ich die Kündigung. Als ich mein Zeugnis von ihr abholte, musste ich un-<br />
terschreiben, drei Jahre lang die volle Lehrlingsentschädigung bekommen zu haben.<br />
» Na ja, der Lehrbub hat das machen müssen «<br />
Anton Schuster, geb. 1930 in Lichtenegg, aufgewachsen in Aigen<br />
(Gemeinde Kirchschlag), Spengler, Installateur und Gendarm<br />
Ich hab beim Lehrherrn geschlafen. Hinter der Werkstatt war so eine kleine Rumpelkammer,<br />
da war das ganze Zeug: die alten Häferln und Material. In diesem Kammerl hab ich geschlafen.<br />
Es war interessant: Es war die Küche, dann ein großer Raum, dann die Kammer und dann die<br />
Werkstatt. In dem Raum zwischen Küche und der Rumpelkammer hat die Frau Direktor Arbinger<br />
gewohnt. Es war natürlich unangenehm, denn ich musste durch das Zimmer, wo sie geschlafen<br />
hat, durchgehen. Da ist das Klavier gestanden, und das war praktisch ihr Zimmer. Natürlich unangenehm,<br />
wenn man da durchgehen muss, wo ein anderer schläft, und zudem ist sie eine Frau.<br />
Aber es wirft vielleicht ein Bild darauf, wie auch die Wohnungsverhältnisse in den Bürgerhäusern<br />
waren.<br />
Frau Arbinger hatte in Frohsdorf ein eigenes Haus. Aber das hatten die Russen niedergebrannt.<br />
Und das wurde ihr wieder aufgebaut. Kaum war ich in der Lehre und hab angefangen, meinen<br />
Beruf zu erlernen, musste ich hinausfahren. Ich war eine ganze Woche draußen und musste dort<br />
Maurer-Hilfsarbeiter machen. Solange die Maurer da waren, war ich in Ofenbach, bis das Haus<br />
wieder verputzt war. Das war damals halt so. Die Arbeitszeit war von sieben in der Früh bis um<br />
sieben am Abend. Am Samstag bis zu Mittag. Und nach dem Essen mussten wir, die Lehrbuben,<br />
die Gassen kehren. Die Gasse musste von den Leuten gereinigt werden. Na ja, der Lehrbub hat<br />
das machen müssen. Nicht nur ich, daneben war der Rauchfangkehrer, der jetzige Bürgermeister,<br />
sein Vater war damals auch einmal für kurze Zeit Bürgermeister. Der hat die Lehrbuben genauso<br />
behandelt. Das hat damals dazugehört. Und am Samstagvormittag arbeiten war eh eine Selbstverständlichkeit,<br />
und manchmal auch am Nachmittag.<br />
54 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 54 31.08.2009 14:17:20 Uhr
Sesselflechten in Schwarzenbach<br />
Bei der Schafschur in Aigen<br />
von links:<br />
Hr. Giefing-Werger<br />
(Wergerfeda),<br />
Anna Dutter<br />
1930<br />
Foto: Anna Dutter,<br />
Schwarzenbach<br />
um 1930<br />
Foto: Heimatmuseum<br />
Kirchschlag<br />
Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 55<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 55 31.08.2009 14:17:22 Uhr
Beim Weisen der Steaz´n in Hollenthon<br />
von links: Florian und Franz Piribauer<br />
Beim Kühehüten in Wiesmath<br />
56 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />
Die mit der Kette<br />
zusammengehängten<br />
Jungochsen müssen<br />
erst an das Joch<br />
gewöhnt werden.<br />
ca. 1922<br />
Foto: Leo und Hilde Danzler,<br />
Pürahöfen (Lichtenegg)<br />
von links:<br />
Willibald Kornfeld<br />
(stehend),<br />
Walter Seidl,<br />
Georg Fuchs,<br />
Karl Stampf<br />
1952<br />
Foto: Willibald Kornfeld,<br />
Wiesmath<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 56 31.08.2009 14:17:23 Uhr
Beim Ochsenweisen in Hochneukirchen<br />
Volksschulklasse in Thernberg<br />
Anton Ungerböck<br />
Foto: Maria Ungerböck,<br />
Harmannsdorf (Hochneukirchen)<br />
mit deutschen Kindern,<br />
die bei Familien in<br />
Thernberg einquartiert<br />
waren<br />
Foto: Josef Flonner,<br />
Ofenbach (Thernberg)<br />
von links 1. Reihe: Josef Lechner, Johann Stachl, Raimund Scherleitner, Josefine Pfeifer, Käthe Ehrenreich, unbekannt, Waltraud Nix,<br />
Maria Saam, Maria Lechner | 2. Reihe: Johann Leber, Karl Hillebrand, Karl Glöckl, unbekannt, Josef Saam, Klaus Ehrenreich,<br />
Theresia Scherleithner, Maria Stangl, Martha Saam, unbekannt, Lehrer Josef Sinabell | 3. Reihe: Johann Lindner, Johann Saam,<br />
Herbert Lang, Wilhelm Scherleitner, unbekannt, Martha Ofenböck, Maria Neumüller, Anna Pürrer, Johanna Krenn<br />
4. Reihe: Richard Kornfeld, Josef Lechner, Karl Flonner, Josef Flonner, Friedrich Scherleitner, drei unbekannte Kinder, Julia Fürst<br />
1941<br />
1944<br />
Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 57<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 57 31.08.2009 14:17:25 Uhr
Beim Eggen in Warth<br />
Volksschulklasse aus Gleichenbach<br />
58 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />
von links:<br />
Julius und<br />
Anna Ponholzer<br />
Foto: Anna Ponholzer, Warth<br />
mit Halterbuben aus<br />
Zöbern<br />
Foto: Walter Binder, Schäffern<br />
von links 1. Reihe: Heinrich Piribauer, Herbert Grill, Franz Reisner | 2. Reihe: Helmut Binder (Halterbub bei Franz Riegler),<br />
Maria Holzbauer, Ernst Grill, Johanna Koglbauer, Johanna Schuster, Rosa Lechner, Johann Bleier, Johann Grill, Peter Beisteiner,<br />
Walter Reisner | 3. Reihe: Lehrer Schmied, Hermine Vollnhofer, Theresia Schuster, Christiane Vollnhofer, Maria Handler,<br />
Ilse Lechner, Christiane Reisner, Gertraud Schwarz<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 58 31.08.2009 14:17:26 Uhr<br />
1958<br />
1957
Beim Ochsenweisen in Bromberg<br />
Beim Binden der Garben in Walpersbach<br />
Die Mitarbeit der Kinder<br />
bei der Feldarbeit war<br />
selbstverständlich.<br />
von links:<br />
Karl, Franz und<br />
Anton Haller<br />
1940<br />
Foto: Willibald Birnbauer,<br />
Bromberg<br />
von links:<br />
Maria Harather (Zehetner),<br />
Gisela Harather (Fuchs),<br />
Otto Harather,<br />
Maria Mayer (Harather)<br />
1942<br />
Foto: Gisela Fuchs, Walpersbach<br />
Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 59<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 59 31.08.2009 14:17:27 Uhr
Buben mit Pferd und Ochsengespann in Lichtenegg<br />
Beim Holzschneiden in Hochwolkersdorf<br />
60 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />
von links:<br />
Johann Holzer<br />
(im Zweiten Weltkrieg<br />
gefallen),<br />
unbekannt<br />
1934<br />
Foto: Fam. Mayrhofer<br />
(Wolfshof), Lichtenegg<br />
mit Buben<br />
als Zubringer<br />
von links:<br />
Johann, Herbert und<br />
Walter Weber<br />
um 1960<br />
Foto: Gemeinde<br />
Hochwolkersdorf<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 60 31.08.2009 14:17:30 Uhr
Fleischhauerlehrlinge in Seebenstein<br />
„Lehrlingsausbildung“ in Scheiblingkirchen<br />
Karl Treitler<br />
(Mitte),<br />
andere Personen<br />
unbekannt<br />
1912<br />
Foto: Rosa Stangl,<br />
Pitten<br />
Zimmerei Karner<br />
von links:<br />
Johann Ranharter,<br />
Alfred Edelhofer,<br />
Josef Ungerhofer<br />
1962<br />
Foto: Josef Ungerhofer,<br />
Gleißenfeld<br />
(Scheiblingkirchen-<br />
Thernberg)<br />
Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 61<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 61 31.08.2009 14:17:31 Uhr
Frauen<br />
Das bürgerlich geprägte Modell von<br />
Familie und (Erwerbs-)Arbeit weist<br />
Frauen einen eindeutigen Platz zu:<br />
nämlich im Haus und bei den Kindern.<br />
Seit den 1970er-Jahren wird in Österreich<br />
diese Rolle von Frauen als ausschließliche<br />
Hausfrauen und Mütter<br />
in Frage gestellt. Zudem waren historische<br />
Arbeitswelten von Frauen auch<br />
in der Buckligen Welt immer schon<br />
vielfältiger als in diesem Modell vorgesehen.<br />
Trotzdem blieb (und bleibt<br />
oft immer noch) die Verantwortung für<br />
Haushalts- und Kindererziehungsarbeit<br />
auf Frauen beschränkt. Und jene<br />
für Frauen zugänglichen Berufe, für die<br />
eine qualifizierte Ausbildung notwendig<br />
war und die eine gesellschaftliche Anerkennung genossen, stehen nicht zufällig mit Geburt und Erziehung<br />
in Zusammenhang.<br />
Viele ältere Frauen erinnern sich an zuweilen harte Arbeiten, die sie früher im Haus oder in der Nähe<br />
des Hauses verrichten mussten: zum Beispiel Wäschewaschen, Spinnen, Brotbacken oder auch Federnschleißen.<br />
Andere erzählen aber auch darüber, wie sie in familiären oder gesellschaftlichen Krisenzeiten<br />
(beispielsweise in Kriegs- und Nachkriegszeiten) Verantwortung für Arbeiten übernahmen,<br />
die gemeinhin den Männern vorbehalten waren. Schließlich wird über jene Berufe erzählt, die Frauen<br />
auch in früheren Zeiten ausüben konnten: Hebamme, Kindergärtnerin und Lehrerin.<br />
Fotos aus der Kriegs- und Nachkriegszeit machen deutlich, dass Frauen in allen Bereichen der<br />
Landwirtschaft, des Gewerbes und der Industrie ganz selbstverständlich jene Arbeiten übernahmen,<br />
die früher vor allem von Männern durchgeführt worden waren, beispielsweise Pflügen und Eggen,<br />
Holzarbeiten, Most machen, Schottergewinnung und das „Zureichen“ am Bau. Deutlich wird auch,<br />
wie hart das Waschen der Wäsche war. Etwas leichter war die Tätigkeit in der Küche. Und ganz<br />
besonders geschätzt waren die geselligen Zusammenkünfte beim Federnschleißen. Dabei wurden<br />
auch Neuigkeiten aus Nachbarschaft und Dorf besprochen und kommentiert.<br />
62 - Arbeitswelten - Frauen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 62 31.08.2009 14:17:31 Uhr
» Da hat sie für uns zwei sorgen müssen «<br />
Hermine Schwarz, geb. 1908 in Zöbern, seit 1959 in Krumbach,<br />
Wirtschafterin/Köchin<br />
Die Mutter hat müssen arbeiten gehen, weil ich ja auch noch einen Bruder gehabt habe. Er war<br />
um sechs Jahre älter als ich. Da hat sie für uns zwei sorgen müssen. Sie hat Bündeln gemacht, die<br />
sind in die Stadt reingekommen und dort verkauft worden. Jedes war so vier Meter lang. So viel<br />
sie gemacht hat, so viel hat sie halt gekriegt. Je mehr sie gehabt hat, desto mehr hat sie verdient.<br />
Das war im Sommer. Und im Winter hat sie bei den Bauern gesponnen. Leinenware hat man das<br />
genannt, das war so ein Leinen wie ein Zwirn, ein bisschen gröber. Dafür hat sie auch Lebensmittel<br />
gekriegt: Milch und Butter oder irgendwas. So hat sie sich halt durchgewurschtelt mit uns.<br />
Als mein Bruder älter war, war er bei Großmutter und Großvater. Dort hat er Kühe halten müssen.<br />
Und mit mir hat sich die Mutter halt weiter herumgewurschtelt. Weil sie arbeiten gegangen<br />
ist, bin ich allerweil allein gewesen, hab allein gespielt oder war bei meiner Freundin, die hat<br />
müssen Gänse hüten gehen. Meine Mutter hat allerweil gesagt: „Du, geh schön heim, die Lisel<br />
muss Gänse hüten gehen.“ Ich bin dann hinterrücks der Lisel nachgeschlichen. Dann haben wir<br />
miteinander Gänse gehalten, sind im Bach herumgekrabbelt, haben uns Steine herausgesucht, die<br />
haben wir eingewickelt. Das war was. Wenn ich so zurückdenke, unsere Kindheit, das war so ein<br />
natürliches Leben, alles von der Natur her. Aber meine Großmutter und die Mutter – jeden Tag<br />
sind sie fortgefahren.<br />
» Wenn wir die Mutter nicht gehabt hätten «<br />
Maria Giefing, geb. 1924 in Schwarzenbach<br />
Wenn wir die Mutter nicht gehabt hätten, hätten wir verhungern müssen, weil unser Vater keine<br />
Arbeit gehabt hat. Die Mutter ist in der Früh nach Bernstein und Landsee gegangen und hat Fer-<br />
kel bei einem Bauern gekauft. Dann hat sie sie heimgetragen. Wir waren auf der Schön daheim.<br />
Auf d’ Nacht ist sie mit den Ferkeln heimgekommen, oft ist ihr der Vater mit einer Stalllaterne<br />
entgegengegangen. Oft hat er die Mutter aber gar nicht mehr gefunden. Da ist sie schon daheim<br />
gewesen, und er ist erst dann mit der Laterne wieder gekommen. Am nächsten Tag in der Früh ist<br />
sie um drei, halb vier aufgestanden und hat die Ferkeln wieder in den Buckelkorb eingefasst. Da<br />
hat sie oft zu mir gesagt: „Morgen darfst ned in die Schule gehen, weil morgen musst mit mir nach<br />
Mattersburg mitgehen!“ Da hat sie die Ferkeln wieder genommen und hat sie nach Mattersburg<br />
gebracht. Das waren vier Stunden von der Schön bis Mattersburg! Und ich hab immer geweint,<br />
weil ich hab nicht mitgehen wollen! Ich wollte in die Schule gehen! Aber es ist mir nix anderes<br />
Frauen - Arbeitswelten - 63<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 63 31.08.2009 14:17:31 Uhr
über geblieben. Sie hat gesagt: „Wennst mir eines trägst, ist das schon was wert!“ Dann sind wir<br />
halt nach Mattersburg gegangen. Vor Mattersburg im Wald waren Zigeunerhäusel, dort haben<br />
die Zigeuner gelebt. Von dort ist es dann auch noch fast über eine Viertelstunde gewesen, bis wir<br />
wirklich in den Markt hineingekommen sind. Wenn ich heute da vorbeifahre, sag ich: „Mei, wie<br />
oft bin ich da gangen mit den Ferkeln!“ Wenn wir sie angebracht haben, also wenn wir sie verkaufen<br />
haben können, dann sind wir mit dem Autobus nach Sieggraben gefahren und von dort wieder<br />
heimgegangen auf die Schön.<br />
Wenn die Mutter sie angebracht hat, ist sie am nächsten Tag mit dem Geld wieder nach Bernstein,<br />
wo sie die Ferkel gekauft hatte, gegangen und hat dort die Ferkel bezahlt. Sie hat kein Geld<br />
gehabt, dass sie die Ferkel schon vorher hätte bezahlen können. Dort haben sie sie ja schon gekannt,<br />
haben gewusst, dass sie ihnen das Geld eh bringt. So hat sie den Weg eben zweimal machen<br />
müssen. Wenn sie die Ferkel nicht angebracht hat, ist sie hausieren gegangen, also von einem<br />
Haus zum anderen, und hat da geschaut. Dann hat sie mit dem Preis wieder runtergehen müssen.<br />
Wie sie das dann mit dem Bauern gemacht hat, das weiß ich nicht mehr. Wenn, dann sind höchstens<br />
ein paar Schilling über geblieben. Na, das war schon was. Wir haben wirklich eine sehr harte<br />
Zeit gehabt.<br />
Meine Mutter ist auch immer wieder nach Wiener Neustadt ins Versatzamt gegangen. Da hat sie<br />
Gewand hintragen können und hat dafür eventuell noch ein bisserl Geld gekriegt.<br />
» Derweil man jung und gesund ist «<br />
Theresia Pichler, geb. 1920 in Hochegg (Gemeinde Grimmenstein), Landwirtin<br />
Die Küche hat gesäubert werden müssen, und ich bin am Boden gekniet und habe geputzt. Brot<br />
gebacken hab ich grundsätzlich bei der Nacht. Zu Mittag, nach der Arbeit, hab ich’s angerührt.<br />
Und auf d‘ Nacht, wenn wir vom Feld hereingekommen oder vom Wald heraufgekommen sind,<br />
hab ich dann geknetet. Und derweil das Brot aufgegangen ist, das hat eh ein paar Stunden dauert,<br />
haben wir die Stallarbeit gemacht, und ich hab die Kinder niedergelegt. Und dann bin ich Brot<br />
backen gegangen. Gewaschen hab ich auch in der Nacht. Alles mit der Hand. Derweil man jung<br />
und gesund ist, geht so manches.<br />
64 - Arbeitswelten - Frauen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 64 31.08.2009 14:17:32 Uhr
» ein Spinnrad gehabt «<br />
Theresia Reisner, geb. 1918 in Aigen (Gemeinde Kirchschlag),<br />
seit 1937 in Gleichenbach (Gemeinde Hollenthon), Landwirtin<br />
Ich habe nie einen Beruf gelernt. Dass ich kochen, waschen und nähen konnte, als ich heiratete,<br />
das war alles! Und im Winter haben wir spinnen müssen. Wir haben ein Spinnrad gehabt. Es ist<br />
Flachs angebaut worden, der ist gebrechelt worden, dann haben wir ihn gesponnen und darauf<br />
haben wir’s abgewickelt. Daraus ist Hausleinen gemacht worden. Das ist etwas Grobes gewesen.<br />
Die Leintücher, die wir da gehabt haben, haben oft auf nackter Haut gekratzt. Was wir gesponnen<br />
haben, ist aber zunächst zum Weber getragen worden. Von Aigen haben wir auf Spratzeck zum<br />
Weber-Vater gehen müssen.<br />
» die Gänse reif zum Rupfen «<br />
Franz Linzer, geb. 1927 in Schwarzenbach, Maurer und Polier<br />
Zum Federnschleißen sind die Frauen zusammenkommen, zum Beispiel meine Gattin. Sie hat<br />
immer sieben, acht, zehn Gänse gehabt übers Jahr. Zweimal, dreimal sind die Gänse gerupft wor-<br />
den, wenn die Federn reif waren, wenn sie’s zum Verlieren angefangen haben, so dass sie leicht<br />
rausgegangen sind. Ansonsten hat man’s nicht dürfen, weil man sonst die Gänse verletzt hätte.<br />
Wenn man’s zu früh gerupft hat, haben sie Blut an den Federkielen gehabt. Das hat man gekannt:<br />
Wenn man einen Kiel herausgezogen hat und er ist nicht mehr blutig, dann sind die Gänse reif<br />
zum Rupfen. Die Federn sind dann geschlissen worden. Die Nachbarn, die Godl und die Tante<br />
sind gekommen und haben geschlissen. Da haben sie oft drei Wochen lang Federn geschlissen.<br />
Das war für die Kinder immer ein Erlebnis. Unser jüngerer Sohn, der Manfred, da hat’s schon die<br />
Kassettenrekorder geben, hat ihnen einmal heimlich einen Kassettenrekorder hingestellt. Und<br />
dann hat er ihnen ihre Tratscherei vorgeführt. Hat er gesagt: „Ihr tut’s ja eh sonst nix als tratschen<br />
und die Leut‘ ausrichten!“ Haben sich die Damen natürlich dagegen verwehrt.<br />
» Die waren sehr schwer zum Schwemmen «<br />
Johanna Trimmel, geb. 1928 in Bromberg, Landwirtin<br />
Mit den Waschmitteln war es ja ein Krampf. Man hat nur eine Seife zum Waschen gehabt. Hen-<br />
ko und Persil waren ja auch weniger als jetzt. Das war die Kriegszeit. Gewaschen hat man alles<br />
Frauen - Arbeitswelten - 65<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 65 31.08.2009 14:17:32 Uhr
mit der Hand, mit der Bürste gebürstet und dann im Kessel. Die Kochwäsche hat man im Kessel<br />
ausgekocht. Zum Schwemmen sind wir zum Bach gegangen. Im Winter haben wir das Eis einge-<br />
haut und haben geschwemmt. Dann haben wir die hausleinenen Leintücher gehabt. Die waren<br />
sehr schwer zum Schwemmen.<br />
» mit einer Doppelliterflasche meine Mutter niedergeschlagen «<br />
Wilhelm Müller, geb. 1937 in Klein Wolkersdorf (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />
aufgewachsen in einem Gasthaus, Dompfarrer in Wiener Neustadt<br />
Es war nicht ungefährlich, wenn meine Mutter alleine im Gastzimmer war und Besoffene ge-<br />
kommen sind. Ich kann mich noch gut erinnern, wie einer mit einer Doppelliterflasche meine<br />
Mutter niedergeschlagen hat, weil sie ihm nichts mehr geben wollte. Das sind schon so die Dinge,<br />
die man dann nicht sehr gerne hat. Manche hat sie mit der Schubkarre heimgeführt, damit sie,<br />
weil sie so besoffen waren und nicht mehr heimgehen konnten, die Besoffenen endlich los hatte.<br />
Das war die weniger schöne Zeit.<br />
» Die Lehrerin ist schon gekommen mit dem Staberl «<br />
Johann Birnbaumer, geb. 1932 in Bad Erlach, Landwirt und Musiker<br />
In der Schule unterm Hitler haben wir jede Woche den Wochenspruch lernen müssen und sonst<br />
nix. Der Wochenspruch war aufgehängt. Das war Pflicht. Der Berger-Lehrer war ja kein Honigle-<br />
cken: Er hat immer so einen viereckigen Meterprügel mitgehabt. Der hat gleich auf einen jeden<br />
hingedroschen, wenn einer nicht gespurt hat. Das war dem wurscht. Dann haben wir auch einen<br />
Walpersbacher Pfarrer gehabt, Augustin hat er geheißen, der war auch nicht ohne. Der hat dich<br />
auch hin- und hergedroschen in der Schule. Da hat es sich abgespielt.<br />
Wie ich in die sechste Schulstufe gekommen bin, hab ich die Rakozi-Lehrerin gehabt. Sie war<br />
eine Ungarin und eine Hantige. Jeder, der was angestellt hat, hat heraus an den Katheder müssen.<br />
Da hast nicht gewusst, haut sie her oder haut sie nicht her. Sie war eine fesche Frau. Und da<br />
hat’s nix gegeben, da hast immer schon drauf aufpasst. Die war so schnell, da hast du schon links<br />
und rechts deine Fotzen gehabt, dass du über den Katheder geflogen bist. Jeden Tag hat einer<br />
seine Fotzen gekriegt. Wir sind zu dritt in der ersten Reihe gesessen. Und einmal haben wir alle<br />
drei keine Aufgaben gehabt. Die Lehrerin ist schon gekommen mit dem Staberl. Alle drei haben<br />
wir die Finger hinhalten müssen. Im Winter haben wir einmal einen Ausflug gemacht zum Zie-<br />
66 - Arbeitswelten - Frauen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 66 31.08.2009 14:17:32 Uhr
gelofen, und wir haben Schneebälle geschossen. Nicht mit Absicht haben wir sie getroffen, ist eh<br />
klar. Na servas! Jeder hat die eiskalten Finger wieder so hinhalten müssen. Die hat das Staberl<br />
mitgehabt.<br />
» immer einige Kinder um sich gehabt «<br />
Johanna Preineder, geb. 1923 in Frohsdorf (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />
Kindergärtnerin<br />
Ich kann euch erzählen: Bei mir im Kindergarten Lanzenkirchen wurde uns 1941 eine Studentin<br />
zugeteilt, eine Mittelschülerin aus Wien. Die mussten über die Ferien entweder bei Bauern oder<br />
bei sozialen Einrichtungen arbeiten. Und mir wurde eine zugeteilt. Sie ist gekommen und hat<br />
gesagt, sie sei aus Wien, sie wohne aber jetzt in Klingfurth und käme täglich mit dem Rad. Sie hat<br />
Doris geheißen. Ich hab mich gefreut, sie hat einen netten Eindruck gemacht, und sie war sehr<br />
still, sie hat immer einige Kinder um sich gehabt. Und einmal, in der Früh, soll ich zum Postamt<br />
kommen, es wäre ein Anruf für mich da. Damals hat es ja keine Haustelefone gegeben. Also, ich<br />
renne zum Postamt, melde mich, murmelt da wer. Sag ich: „Bitte, wer spricht? Mit wem rede<br />
ich?“ Sagt er: „Attila Hörbiger.“ Sag ich: „Ja, dann ist hier die Kaiserin von China.“ Sagt er: „Bitte<br />
nehmen Sie mich ernst, meine Nichte Doris ist bei Ihnen im Kindergarten. Heute gießt es aus<br />
Schaffeln, sie kann mit dem Rad nicht kommen. Würden Sie sie entschuldigen?“ Na, da hab ich<br />
dreingeschaut. Die war so bescheiden, die hat nicht gesagt, dass sie die Nichte von der Paula Wessely<br />
ist. Sie hatten in Klingfurth eine Villa, dort hat sie über die Ferien gewohnt und hat bei mir<br />
gearbeitet. Dann hab ich geschimpft mit ihr. Hat sie gesagt: „Na ja!“ Aber einige Lanzenkirchner<br />
haben das eh gewusst, die sind schon um Autogramme zu ihr gekommen, die hat sie von der Tante<br />
besorgt. Na ja, ich hab das nicht gewusst. Da hab ich aber wirklich geschimpft mit ihr.<br />
» Ich konnte 1700 Kinder zur Taufe tragen «<br />
Magdalena Dienbauer, geb. 1900 in Tiefenbach (Gem. Thomasberg), Hebamme.<br />
Den folgenden Ausschnitt ihres Lebenslaufs hat sie 1990 niedergeschrieben.<br />
Acht Jahre Volksschule Krumbach, 1914 Weltkrieg: Bruder Anton 1916 gefallen, 1916 Bruder<br />
Josef muss einrücken. Ich musste mit den Eltern die Wirtschaft betreiben, um zwei Uhr aufste-<br />
hen, Gras mähen. 1924 besuchte ich sechs Monate die Haushaltungsschule Ebreichsdorf, 1930 die<br />
Hebammenschule Wien, 1932 bekam ich eine Wohnung bei Schandlbauer über der Post und war<br />
zwanzig Jahre dort, 1934 kaufte ich mir ein Fahrrad, 1939 kaufte ich ein Motorrad, aber das war<br />
entsetzlich, ich bekam kein Benzin, weil ich nicht bei der Partei war. 1945 bin ich täglich vierzig<br />
Frauen - Arbeitswelten - 67<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 67 31.08.2009 14:17:32 Uhr
Kilometer zu Fuß gegangen. In der Kotmühle hatten mir die Russen ein Kind, das ich zur Taufe<br />
trug, weggenommen, ich bekam es dann wieder. Von den vielen Fliegen hatten die Kinder der stil-<br />
lenden Mütter blutigen Stuhl bekommen. 1946: Bei einem Dienstweg hatte ich am Weg ein paar<br />
Schuhe liegen gesehen, ich wollte sie zur Seite legen, aber es waren auch Füße drinnen. Als ich<br />
ein Stück weiterging, sah ich in einer großen Grube drei Leichen. Ich war so erschrocken, dass ich<br />
diesen Weg nimmer gehen konnte. Ich habe diese Zeit gesund und unberührt überstanden. 1949<br />
kaufte ich einen Bauplatz und fing zum Hausbauen an.<br />
Der liebe Gott hat mir viel geholfen. Ich konnte 1 700 Kinder zur Taufe tragen. Es wurde keine<br />
Mutter krank, es kam auch keine Missbildung zur Welt. Fünf Mütter haben mir das Zutrauen<br />
nicht geschenkt. 1964: Schluss mit dem Beruf.<br />
» und hab müssen Bauer spielen «<br />
Berta Kornfehl, geb. 1923 in Edlitz, ehemalige Wirtin,<br />
aufgewachsen in einer Landwirtschaft<br />
Wir waren sechs Geschwister, vier Brüder und zwei Schwestern. Jeder hat was anderes gelernt,<br />
einer war Bäcker, einer Müller, einer Zuckerbäcker. Meine Schwester ist daheim geblieben beim<br />
Hof, und ich war auch am Hof, denn dann ist eh bald der Krieg gekommen. Die Brüder sind eingerückt.<br />
Der Fritz ist gefallen im 1939er-Jahr beim Feldzug in Polen. Der Poldl ist schwer verwundet<br />
worden am Kopf. Der Pepi, der Zuckerbäcker, hat müssen einrücken und das Geschäft<br />
in Wien im Stich lassen. Er ist schwer krank heimgekommen und hat dann müssen bald drauf<br />
sterben. Meine Geschwister, überhaupt alle, sind zeitig gestorben wegen Krankheit oder Krieg.<br />
Meine Schwester war daheim. Sie konnte auch nicht mehr so, weil sie so geschwollene Füße hatte.<br />
Eigentlich war dann ich die Hauptperson, als alle fort waren, und hab müssen Bauer spielen. Ich<br />
hab alles machen müssen: ob’s im Kuhstall war, mit der Milchwirtschaft, oder am Feld, alles anbauen,<br />
Getreide – alles, was der Bauer halt braucht. Ich war halt immer fleißig beschäftigt in der<br />
Landwirtschaft.<br />
» Ich muss in die Fabrik «<br />
Anna Steurer, geb. 1926 in Landsee (Burgenland), lebt in Krumbach,<br />
arbeitete zunächst als Dienstmädchen, später im Installateurund<br />
Spenglereibetrieb des Ehemannes<br />
Ich selbst hab damals bei einem Bauern, beim Piribauer, gearbeitet. Es waren auch Gefangene<br />
bei Bauern; beim Piribauer waren ein Pole und eine Polin, und ein Franzose war auch dort. Und<br />
68 - Arbeitswelten - Frauen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 68 31.08.2009 14:17:32 Uhr
plötzlich hat’s geheißen: Ich muss in die Fabrik. Da haben ich, die Graser Erna und die Frau Un-<br />
gerböck nach Hirtenberg in die Munitionsfabrik müssen. Das war im 1944er-Jahr. Zuerst haben<br />
wir in einem Lager in Stockbetten schlafen müssen. Ich bin oben gelegen und die Frau Ungerböck<br />
ist unten gelegen. Sie war ja auch schon eine ältere Dame. Das war furchtbar für sie. Wir haben<br />
immer vom Lager in die Fabrik gehen müssen. Wir haben in drei Schichten gearbeitet: Von sechs<br />
Uhr in der Früh bis zwei Uhr nachmittags, von zwei Uhr nachmittags bis zehn Uhr abends und<br />
von zehn Uhr abends bis sechs Uhr in der Früh. Ich hab dann geschaut, dass ich privat ein Zimmer<br />
kriege. In der Fabrik hab ich Patronen kontrollieren müssen. Wie ich da reingekommen bin in die<br />
Fabrik, hast nur Lärm gehört, nur Lärm. Meine erste Schicht war eine Nachtschicht, von zehn Uhr<br />
abends bis sechs Uhr in der Früh. Da hab ich einen Einsteller gehabt, der war eh Gott sei Dank ein<br />
junger Mensch. Ich bin halt dort gestanden und hab die Patronenhülsen kontrollieren müssen,<br />
ob die Länge und das alles in Ordnung ist. Ich wäre halt nebenbei fast eingeschlafen. Meine Nebenkontrolleurin,<br />
sie war eine ältere Dame, hat gesagt: „Na, zum Schlafen bist ned gekommen!“<br />
– „Ich entschuldige mi, ich kann mi ned halten!“ Der Ernst, der Einsteller, hat dann gesagt: „Aber<br />
tua nur, tua nur, bleib, ich helf dir schon!“ Er hat das eh eingesehen, aber die Frau war sehr kritisch.<br />
Aber ich hab das dann auch überstanden.<br />
» mein ganzes Haus gebaut «<br />
Elfriede Hofer, geb. 1932 in Scheiblingkirchen, Fleischhauerin und Verkäuferin<br />
Mein Vater war sehr tischlerisch tätig. Wenn ich ein Bub gewesen wäre, wäre ich Tischler wor-<br />
den. Wenn er gehobelt hat, bin ich bei ihm gestanden wie eine Eiche, und die Späne habe ich in<br />
meiner Schürze gehabt. Und wenn meine Mutter die Schürze entleert hat, hat sie immer gesagt.<br />
„Das darf nicht wahr sein, jetzt hat sie schon wieder Späne drinnen … Das darf nicht wahr sein!“<br />
Also, da hat sie sich immer echauffiert.<br />
Später habe ich eben mein ganzes Haus gebaut – ohne Mischmaschine. Mein Gatte war ja in<br />
Neunkirchen, und ich war zwanzig Jahre alt. Und dadurch, dass ich praktisch in dem Gewerbe<br />
aufgewachsen bin, muss ich sagen: Das ist mir nie abwegig vorgekommen, dass ich mich mehr mit<br />
dem Baugeschehen beschäftige als mit dem Haushalt. Der Bahnvorstand, das war mein Nachbar,<br />
ist oft zu mir herübergekommen, auf mein Grundstück, und ich mit Gummistiefeln bewaffnet,<br />
hab da gemischt und Beton gemacht. „Ah, das gibt’s ned, ich hab mir gedacht, da ist ein Mann<br />
drüben, derweil ist das eine Frau.“ Mir war das selbstverständlich daheim gelernt worden.<br />
Frauen - Arbeitswelten - 69<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 69 31.08.2009 14:17:32 Uhr
Jungbäuerin in Hollenthon<br />
Ausackern der Erdäpfel in Hochwolkersdorf<br />
70 - Arbeitswelten - Frauen<br />
Ochsen mit Maulkorb<br />
im Joch eingespannt<br />
Gottfrieda Pichler<br />
um 1940<br />
Foto: Gottfrieda Pichler,<br />
Spratzeck (Hollenthon)<br />
von links:<br />
Rosa, Erika und<br />
Maria Karner<br />
um 1965<br />
Foto: Gemeinde<br />
Hochwolkersdorf<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 70 31.08.2009 14:17:33 Uhr
Anbauen auf der Dreibuchenhöhe<br />
Letzte Erntegarbe in Grimmenstein<br />
von links:<br />
Mathias Trimmel,<br />
Friederike und<br />
Maria Hagenhofer<br />
1946<br />
Foto: Elisabeth Turner, Grimmenstein<br />
Foto: Josef Trimmel,<br />
Hochwolkersdorf<br />
von links: Gertrude Mach, Elisabeth Wöhrer<br />
1950<br />
Frauen - Arbeitswelten - 71<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 71 31.08.2009 14:17:35 Uhr
Erdäpfelausackern in Bad Schönau<br />
Bäumerlsetzen in Lanzenkirchen<br />
72 - Arbeitswelten - Frauen<br />
von links:<br />
Erna Suchanek,<br />
Fr. Pösinger, unbekannt<br />
1949<br />
Foto: Franz Heiling,<br />
Maierhöfen (Bad Schönau)<br />
von links:<br />
Dorothea Watzeck,<br />
Gertrude Rohl,<br />
Elli Dögl, Rosa Doria,<br />
Anna Fingerlos,<br />
Fr. Liesbauer<br />
1950<br />
Foto: Herbert Swoboda,<br />
Lanzenkirchen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 72 31.08.2009 14:17:36 Uhr
Burgunderputzen in Gleißenfeld<br />
Flachsspinnen in Stang<br />
Magdalena Mayerhofer<br />
1930<br />
Foto: Maria Lechner, Gleißenfeld<br />
(Scheiblingkirchen-Thernberg)<br />
von links:<br />
Frieda, Anna (Tochter) und<br />
Anna Doppler (Mutter)<br />
um 1940<br />
Foto: Maria Ostermann, Kirchschlag<br />
Frauen - Arbeitswelten - 73<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 73 31.08.2009 14:17:38 Uhr
Beim Mostmachen in Bromberg<br />
Federnschleißen in Walpersbach<br />
74 - Arbeitswelten - Frauen<br />
von links:<br />
Anna Stachl (geb. Steiner),<br />
Maria Birnbauer<br />
(geb. Pichler),<br />
Maria Flohner (geb. Steiner),<br />
Magdalena Beisteiner,<br />
Theresia Kampichler<br />
(geb. Sinabell)<br />
um 1968<br />
von links:<br />
Maria Birnbauer<br />
(Schwiegermutter),<br />
Maria Birnbauer<br />
(Schwiegertochter)<br />
1975<br />
Foto: Willibald Birnbauer,<br />
Bromberg<br />
Foto: Margit Rumpler, Klingfurth<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 74 31.08.2009 14:17:41 Uhr
Fortbildung für Bäuerinnen aus Hollenthon<br />
Foto: Maria Ostermann<br />
Kirchschlag<br />
von links 1. Reihe: Erna Schwarz (Mutter von Bischof Alois Schwarz), Maria Neumüller, Juliane Handler, Gertrude Baumgartner,<br />
Anna Schwarz, Anna Schwarz (Handelbauer), Maria Stangl, Anna Wagner (Horndorf), Johanna Gradwohl<br />
2. Reihe: Gertrude Seiberl, Friederike Schwarz, Maria Handler (Reindlbauer), Anna Gradwohl (Turmbauer), Maria Doppler,<br />
landwirtschaftliche Fachlehrerin, Maria Handler (Schöberl), Margarete Handler (Filzmichl), Elfriede Handler, Elfriede Reisner,<br />
Maria Schwarz (Spitzer), Maria Höller (Gleichenbach), Veronika Handler (Spratzeck), Anna Grill, Johanna Wagner<br />
Waschtag in Pitten<br />
Foto: Museums- & Bildungsverein Pitten<br />
in Bezirksbauernkammer<br />
Kirchschlag<br />
mit Thema<br />
„Feste und Gäste“<br />
1978<br />
mit Unterstützung der Tochter, die schon früh mit der<br />
Hausarbeit vertraut gemacht wird<br />
Mutter und Tochter Schnabel<br />
um 1940<br />
Frauen - Arbeitswelten - 75<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 75 31.08.2009 14:17:42 Uhr
Brotbacken in Lichtenegg<br />
Waschtag in Bad Schönau<br />
76 - Arbeitswelten - Frauen<br />
unter Mithilfe der Enkelkinder<br />
von links: Anna, Karin und Markus Schuh<br />
1997<br />
Foto: Anna Schuh, Pengersdorf (Lichtenegg)<br />
von links: Barbara Holzgethan, Fr. Donaberger<br />
1950<br />
Foto: Reinhold Holzgethan, Bad Schönau<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 76 31.08.2009 14:17:43 Uhr
Holzarbeit in Hochneukirchen<br />
Beim Kaffeereiben in Zöbern<br />
drei Töchter des damaligen Bürgermeisters Johann Strobl<br />
um 1940<br />
Foto: Markus Wieser, Züggen (Hochneukirchen)<br />
Maria Mayerhofer<br />
1960<br />
Foto: Fam. Mayerhofer, Stübegg (Zöbern)<br />
Frauen - Arbeitswelten - 77<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 77 31.08.2009 14:17:44 Uhr
Fleischhauerei Grill in Scheiblingkirchen<br />
Im Kaolinwerk Zöbern am Förderband<br />
78 - Arbeitswelten - Frauen<br />
von links:<br />
Hr. Lechner,<br />
Konstanzia Grill und<br />
deren Schwester<br />
1960<br />
Foto: Elisabeth Grill,<br />
Scheiblingkirchen<br />
von links:<br />
Frieda Kager,<br />
Erna Alabauer<br />
1956<br />
Foto: Ernst Schlögl,<br />
Stübegg (Zöbern)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 78 31.08.2009 14:17:45 Uhr
Ziegelarbeiterinnen in Bad Erlach<br />
Papierfabrik Hamburger in Pitten<br />
in der Ziegelei Jahn (heutige Markusgasse)<br />
von links:<br />
Margaretha Schafranek, Fr. Brandstätter,<br />
Agnes Mitteregger, Fr. Lang,<br />
Leopoldine Doppelreiter, unbekanntes Kind<br />
um 1950<br />
Foto: Wilhelm Kovacs, Bad Erlach<br />
Im Sortiersaal wurden die<br />
erzeugten Papierblätter<br />
sortiert, gezählt und<br />
abgepackt.<br />
um 1925<br />
Foto: Museums- & Bildungsverein<br />
Pitten<br />
Frauen - Arbeitswelten - 79<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 79 31.08.2009 14:17:46 Uhr
Männer<br />
Historische Arbeitswelten von Männern<br />
sind oft solche, die es heute in Mittel- und<br />
Westeuropa kaum mehr gibt. Zum einen<br />
sind sie von schwerer körperlicher Arbeit<br />
geprägt gewesen, und oft stieg mit dem<br />
Grad der körperlichen Anstrengung auch<br />
der soziale Status. Nach Mechanisierung<br />
und Automatisierung von Arbeitswelten<br />
spielt die Körperkraft in der postmodernen<br />
Dienstleistungsgesellschaft allerdings<br />
nur mehr eine untergeordnete Rolle. Zum<br />
anderen sind viele Handwerksberufe, die<br />
nur von Männern ausgeübt wurden, inzwischen<br />
geradezu ausgestorben.<br />
Viele erinnern sich daher an die Schwerstarbeit,<br />
die Männer in früheren Zeiten in der<br />
Landwirtschaft, aber auch beim Straßenbau<br />
und als Handwerker verrichten mussten. Es wird von Berufen erzählt, die man heute nur mehr<br />
in einigen Museen erleben kann: den Wagner beispielsweise. Über Tätigkeiten, die nicht einmal mehr<br />
museal konserviert werden können, berichten auch einige: das Störgehen etwa. Schließlich kommen<br />
solche zu Wort, die prestigeträchtige Berufe ausgeübt haben, die lange Zeit oder immer noch ausschließlich<br />
Männern vorbehalten waren und sind: Ärzte und Priester.<br />
Die Fotos zeigen die Männer in ihren Domänen: im Bereich der Landwirtschaft als Fuhrwerker mit<br />
Pferdegespannen, Traktorfahrer, Betreuer der neu aufgekommenen Dreschmaschinen und vor allem<br />
auch bei der Waldarbeit – eine anstrengende und oft auch gefährliche Tätigkeit. Für die Gastwirte<br />
waren die Eiskeller sehr wichtig. Daher gab es auch in fast allen Gemeinden kleine Eisteiche. Auch an<br />
den Fotos der Zimmerer, Tischler und Wagner sieht man, dass es kaum Maschinen gab. Viele Bilder<br />
zeigen Männer beim Straßenbau. Mit der aufkommenden Motorisierung wurden die bisherigen Karrenwege<br />
durch Straßen ersetzt. Was damals viele Straßenbauarbeiter mit Krampen, Schaufeln und<br />
Scheibtruhen über Monate erledigten, schafft heute ein einziger Baggerfahrer in wenigen Tagen.<br />
80 - Arbeitswelten - Männer<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 80 31.08.2009 14:17:47 Uhr
» Die Männer haben Schwerstarbeit geleistet «<br />
Gertrude Schwarz, geb. 1930 in Walpersbach, Landwirtin<br />
Die Männer haben Schwerstarbeit geleistet. Einer musste das Korn auf den Boden tragen, ein<br />
Sack hatte mindestens fünfzig Kilo. Das hat kein Schwächling tun können, das hat ein starker<br />
Mann sein müssen. Vier Säcke sind an der Maschine drauf gewesen. Kaum dass ein Sack voll war,<br />
haben sie ihn wegbringen und auf den Hausboden tragen müssen. Aber mit dem Maschinenzeitalter,<br />
das dann angebrochen ist, ist für alle die Arbeit viel leichter geworden. Aber ihr sollt nicht<br />
glauben, dass es weniger geworden ist. Die Arbeit bleibt sie ist da und bleibt da.<br />
» beim Vater als Knecht eingestellt «<br />
Josef Riegler, geb. 1931 in Kirchschlag,<br />
Maurer, Bautechniker, Bankangestellter und Prokurist<br />
Der Vater ist 1889 geboren und die Mutter 1895. Von dieser Zeit her soll man das jetzt ein biss-<br />
chen aufrollen. Ich möchte vorausschicken, dass diese Zeit keine wunderbare Zeit war. Es war<br />
eine miese Zeit, und die Eltern haben sicher ganz schwierige Zeiten durchgemacht, um die Kinder<br />
großzuziehen. Der Vater war ein Bauernsohn, er war der Erstgeborene. Nun war es damals so,<br />
dass interessanterweise viele Bäuerinnen gestorben sind. Auch in unserer Familie war es so. Der<br />
Großvater hatte drei Frauen, dem Vater seine Mutter starb, und er musste sich wieder um eine<br />
Bäuerin umschauen. Aus dieser zweiten Ehe ging ebenfalls ein Kind hervor, und zwar eine Tochter.<br />
In der dritten Ehe sind noch zwei Buben zur Welt gekommen.<br />
Normalerweise wäre es so, dass der Erstgeborene immer den Hof übernehmen sollte. Aber in<br />
diesem Fall war es anders. Das ist sicher zur damaligen Zeit kein Einzelfall gewesen, sondern<br />
mehrfach vorgekommen. So hat der jüngste Sohn den Bauernhof übernommen. Mein Vater musste<br />
eigentlich ganz zeitig einer Arbeit nachgehen, um sich über die Runden zu bringen. Größtenteils<br />
war er eh beim Vater als Knecht eingestellt, aber später war er Tagelöhner und vor allem Pferdekutscher.<br />
Der Vater musste 1914 in den Krieg und kam 1918 zurück, aber ziemlich ausgebrannt.<br />
Er war krank und mehrere Monate in häuslicher Pflege, bis er sich wieder soweit erholt hatte, dass<br />
er einer Arbeit nachgehen konnte. 1927 hat er geheiratet und eine Familie gegründet. Der Vater<br />
ging dann wieder einer Arbeit nach, vielfach half er auf verschiedenen Bauernhöfen. Er ist in der<br />
Landwirtschaft aufgewachsen und hat natürlich die Arbeit in der Landwirtschaft bestens gekannt.<br />
Die Mutter war für den Haushalt da und praktisch für die Erziehung verantwortlich.<br />
Männer - Arbeitswelten - 81<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 81 31.08.2009 14:17:47 Uhr
» Ich bin praktisch auf die Stör gegangen «<br />
Anton Kerschbaumer, geb. 1926 in Thomasberg,<br />
verzog später nach Grimmenstein, Landarbeiter<br />
Nach der Schule war ich zu Hause, bin aber Schuhe flicken gegangen zu den Bauern; fünf, sechs<br />
Bauern hab ich gehabt. Das hab ich mir selber erlernt. Bei den Hausschustern hab ich mir dann<br />
schon allerhand abgeschaut. Ich bin praktisch auf die Stör gegangen. Ich hab die Schuhe gedoppelt<br />
und geflickt. Aber heute kannst ja nix mehr machen bei den Turnpatschen, die sind ja nur<br />
zusammengepickt. Die gehen auseinander, da hilft nix mehr.<br />
Dann bin ich beim Puchegger arbeiten gegangen. Der Alte hat gesagt: „Na hearst, oiwäu wüst<br />
eh ned dahoam bleiben. Du kriegst eh nix als wie a Pflichtteil!“ Arbeit haben sie beim Puchegger<br />
genug gehabt: Wirtschaft, Stallwirtschaft, Sau füttern, Kühe füttern, Stiere haben sie gezüchtet.<br />
Fünfzehn, sechzehn, siebzehn Viecher haben sie gehabt. Für mich war’s genug. Beim Vieh war ich<br />
allein. In der Früh und auf d‘ Nacht füttern, Sonntag auch. Nur hie und da hat es einen freien Tag<br />
gegeben.<br />
» mit der Bauernschläue «<br />
Josef Sinabell, geb. 1939 in Klingfurth (Gemeinde Walpersbach), Landwirt<br />
Später, als die Arbeitskräfte schon rarer wurden, haben wir zwei Paar Ochsen durch ein Paar<br />
Pferde ersetzt. Dieses Paar Pferde war in allem – beim Pflügen, beim Eggen, bei der Fahrt in den<br />
Wald um Brennholz – um so viel schneller, dass wir uns die Ochsen sparen konnten. Wobei,<br />
Ochsen sparen! Wir haben dann die Ochsen als Nebenerwerb gezüchtet, zur Schlachtung für den<br />
Fleischhauer. Hin und wieder mussten wir auch Ochsen kaufen, wenn die Jungen, die wir nachgezüchtet<br />
hatten, nicht zum Einspannen geeignet waren. Das kam auch vor. Dann machten wir uns<br />
auf den Weg, um Ochsen zu kaufen, in der halben Buckligen Welt. Sehr zeitig in der Früh fingen<br />
wir irgendwo an, der eine Bauer weiß den nächsten wieder, wo es etwas gibt.<br />
Einmal kauften wir nur zur Züchtung eine Kuh. In dem Stall, in dem wir waren, war sie eigentlich<br />
eine von den kleinsten Kühen. Ich sagte noch zu dem Bauern: „Die Kuh soll so gut sein? Die<br />
gibt so viel Milch?“ Sagt er: „Ja, die gibt mehr Milch als die größere, die wir da haben. Man soll<br />
es nicht glauben.“ Wir brachten diese Kuh dann nach Hause, am nächsten Tag die große Enttäuschung:<br />
Die hat nicht viel Milch gegeben. Jetzt sind wir natürlich gleich wieder zu dem Bauern<br />
gegangen und haben gesagt: „He! Sie haben gesagt, die gibt mehr Milch als die große da.“ – „Ja“,<br />
sagt er, „ich habe aber auch dazu gesagt: ‚Man soll es nicht glauben!‘“ Mit solchen Sachen, mit der<br />
Bauernschläue, wird man auch manchmal konfrontiert.<br />
82 - Arbeitswelten - Männer<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 82 31.08.2009 14:17:47 Uhr
» mit seinem Buckelkorb zu den einzelnen Bauernhöfen «<br />
Anna Ferner, geb. 1934 in Lichtenegg, lebt in Wiener Neustadt.<br />
Die folgende Erinnerung hat sie schriftlich festgehalten.<br />
Mein Vater war Landesproduktenhändler (Eier- und Buttersammler). Oft ging er schon um fünf<br />
Uhr früh mit seinem Buckelkorb zu den einzelnen Bauernhöfen. Eine besonders lange Strecke<br />
führte ihn von Lichtenegg zum „Maurer in der Leitn“ über Feichten, Kühbach nach Thal und sogar<br />
bis nach Aigen bei Kirchschlag. In Thal wurde beim Thalwirt Station gemacht. Die Eier, welche<br />
er bei den Bauern gesammelt hatte, wurden vom Buckelkorb in Kisten, in denen 360 Stück Platz<br />
hatten, umgeschlichtet. Dann ging es weiter zu den umliegenden Bauernhöfen. Die Kinder, die<br />
noch nicht zur Schule gingen, warteten schon immer sehnsüchtig auf ihn, weil er für sie jedes<br />
Mal Zuckerl bei sich hatte – für die Kinder damals eine Kostbarkeit! Er wurde aber auch überall<br />
freundlich empfangen und von den Bäuerinnen bewirtet.<br />
Während der Kriegszeit mussten die Eier abgeliefert werden. Wenn kein Schnee lag, kam ein<br />
Lieferwagen und holte die Produkte. Im Winter wurden die Kisten mit den Eiern mit einem Pferdeschlitten<br />
nach Kirchschlag gebracht.<br />
Einmal – ich war damals fünf oder sechs Jahre alt – durfte ich mitfahren. Das Problem war,<br />
dass es zwar starke Verwehungen gab, aber auf den Straßen wenig Schnee lag. So musste statt<br />
mit dem Schlitten mit einem Bretterwagen gefahren werden. Bei Aigen war die Straße verweht, so<br />
musste der Kutscher von der Straße weg und auf ein Feld fahren. Der Wagen sank auf einer Seite<br />
ein, die Pferde erschraken und gingen durch. Dabei fiel ich von vorne hinunter und blieb in den<br />
Seilen hängen. Der Kutscher brachte erst nach längerer Zeit die Pferde zum Stehen. Ich schrie<br />
vor Angst und beruhigte mich erst, als wir schon fast in Kirchschlag waren. Ich muss damals viele<br />
Schutzengel gehabt haben. Wäre ich nicht in den Seilen hängen geblieben, hätte mich der Wagen<br />
überfahren.<br />
» Die Wagnerei ist ein sehr interessanter Beruf «<br />
Josef Schabauer, geb. 1931 in Hollenthon, Wagnermeister und Mechaniker<br />
Die Wagnerei ist ein sehr interessanter Beruf. Denn man hat viele verschiedene Sachen ma-<br />
chen müssen: Räder für einen Wagen, das gibt’s heute nimmermehr. Denn wo gibt’s heute noch<br />
ein hölzernes Radl? Heute hat alles Gummibereifung. Wägen – einen Leiterwagen, Truhenwagen<br />
oder ein Handwagerl – hat man früher viel gebraucht. Denn die Kleinhäusler haben ja ihr Futter<br />
heimführen müssen. Für einen Pflug hat man Pfluggrindel machen müssen. Dann hat es für den<br />
Pflug auch einen Pfluggräter gegeben. Das ist das Gestell, wo der Pflug aufliegt. Es war auf jeden<br />
Fall eine sehr umfangreiche, interessante Arbeit.<br />
Männer - Arbeitswelten - 83<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 83 31.08.2009 14:17:47 Uhr
» Mein Vater als Steinmetz «<br />
Elfriede Hofer, geb. 1932 in Scheiblingkirchen, Fleischhauerin und Verkäuferin<br />
Mein Vater war Steinmetz und hat mich in seine Werkstätte mitgenommen. Da ist zum Bei-<br />
spiel auf einem Grabstein oder Monument die Gravur in Granit oder Marmor gewesen. Das hat<br />
mich wahnsinnig interessiert. Ich war sozusagen seine stille Hilfe, habe Werkzeug hingegeben.<br />
Die Gravur und das Vergolden waren eine unheimliche Prozedur. Aber das wäre heute für manche<br />
jungen Menschen ein Beruf: künstlerisch, kreativ, gleichzeitig wär’s ein Geld.<br />
Ich möchte auch sagen: Mein Vater war sehr genau. Und Blattgold auflegen war ja das Highlight.<br />
Von früher gibt’s noch viele Grabsteine, die ich mit meinem Vater mit Blattgold verziert habe. Er<br />
hat mich gelehrt, dieses Blattgold zu schlagen. Er hat mir alles erklärt und gezeigt und die Bücher<br />
dazu gehabt. Mit dem Pinsel ist das übertragen worden. Vorher hat man die Buchstaben total gut<br />
reinigen müssen, und dann ist es mit einem Öl, mit verschiedenen Pasten, bestrichen worden. Das<br />
ist eingetrocknet, und dann hast du das Blattgold mit einem Pinsel übertragen. Das ist dann mit<br />
einem Fischbein glatt gestrichen worden.<br />
» Für dreizehn Eier eine Nachgeburt «<br />
Walther Klem, geb. 1920 in Wien, nach 1945 Tierarzt in Kirchschlag<br />
In einem Haus in Steingraben habe ich einmal in der Nachkriegszeit eine Nachgeburt abgenom-<br />
men. Und der Bauer sagt: „Was sind wir schuldig?“ Ich habe damals gesagt: „Vierzig Schilling.“<br />
Er hatte aber kein Geld. Sag ich: „Ja Franz, hast du nicht ein paar Eier?“ Sagt er: „Ich habe schon<br />
so zehn Eier.“ Er gibt mir die und sagt wieder: „Was bin ich schuldig?“ – „Dreißig Schilling.“ Da<br />
gibt er mir noch drei Eier … Das werde ich nie vergessen, das Haus kenne ich heute noch, wenn<br />
ich vorbeifahre, denk ich immer daran. Für dreizehn Eier eine Nachgeburt.<br />
» Da habe ich eine abenteuerliche Geschichte «<br />
Gottfried Eysank, geb. 1920 in Wien, nach 1945 praktischer Arzt in Kirchschlag<br />
Damals, man kann sich das gar nicht vorstellen, sind wir mit dem Schlitten nach Pilgersdorf ins<br />
Burgenland hinuntergefahren, in der Nacht, wie der Schnee war. Es waren ja die Straßen so, dass<br />
fast keine Autos gefahren sind, weil einfach keine da waren. Und die Straßen waren hoch verschneit.<br />
Damals war von Schneepflügen keine Rede. Die anderen Wege waren holprige Straßen,<br />
84 - Arbeitswelten - Männer<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 84 31.08.2009 14:17:48 Uhr
von Asphalt keine Rede. Und so ist man halt als Landarzt da herumgefahren: mit dem Schlitten<br />
und mit den Pferden dahingaloppiert, wo es halt gegangen ist, und hat so die Patienten versorgt.<br />
Da haben wir allerhand erlebt. Das war ganz interessant.<br />
Da habe ich eine abenteuerliche Geschichte, aber ich muss sie wegen der Jugend sehr vorsichtig<br />
erzählen: Es war ein Sturm, ein fürchterlicher Sturm, da hat ein Tor zu wackeln angefangen,<br />
und daraufhin ist die Bäuerin dort hin und hat dieses Tor fixiert. Wie sie vom Tor weggehen will,<br />
kommt wieder eine Sturmböe und reißt das Tor heraus. Es fällt ihr auf den Rücken, rückwärts,<br />
und sie bricht sich einen Wirbel. Ab zum Doktor, röntgen, Wirbelbruch, aufgehängt. Früher hat<br />
man die Patienten aufhängen müssen. Da wurde der Kopf angehängt und die Wirbelsäule durchgebogen.<br />
Die Beine werden fixiert, dann richtet sich der gebrochene Wirbel durch den Zug wieder<br />
auf. Dann wird der Gips angelegt. Der Gips wird so angelegt, dass diese Stellung erhalten bleibt.<br />
Im Schambereich und im Rücken wird das gleichsam wie ein Mieder angelegt, dann wird das<br />
Ganze geputzt. Wenn er trocken ist, wird hinten noch ein Schlitz hinein gemacht, bei der Wirbelsäule<br />
ungefähr, und damit ist der Fall erledigt. Na, ich bestelle die Patientin am nächsten Tag, sie<br />
kommt, alles in Ordnung. Bestelle sie drei Tage später, vier Tage später, schauen wir wieder nach,<br />
schaue den Gips an, tadellos. Wie ich in eine andere Gegend schaue, die Druckstelle, war dort was<br />
weggeschnitten. Ich bin ins Wartezimmer hinaus, habe den anwesenden Ehegatten beschimpft:<br />
„Sie sind ein Mörder, Sie sind ein Verbrecher!“ Bei mir ist die Galle so hochgestiegen, dass sie<br />
übergegangen ist. Der war schüchtern, hat Reue gezeigt. Ich habe den Gips runtergenommen, sie<br />
wieder aufgehängt, einen neuen Gips raufgetan, das ist wunderbar geheilt. Sie ist über achtzig<br />
Jahre alt geworden und hat noch im hohen Alter die Milchkannen getragen. Also, es war geheilt.<br />
» Die Pittener gaben ihm den Namen ‚Schloss-Poldl‘ «<br />
Hans Pichler, geb. 1940 in Walpersbach, lebt jetzt in Hochwolkersdorf,<br />
Oberförster. Der folgende Text ist ein Auszug aus seinen in Arbeit<br />
befindlichen „Schlosserinnerungen“.<br />
Es war am 16. November 1957, als ich meinen Dienst als Forstgehilfe auf Schloss Pitten antrat.<br />
Meine zweijährige, befristete Forstpraktikumszeit bei der städtischen Forstverwaltung in Wiener<br />
Neustadt war am 16. November 1957 abgelaufen. Zu dieser Zeit wurde auf Schloss Pitten eine<br />
forstliche Hilfe zur Unterstützung des Forstverwalters, hauptsächlich für den Außendienst, gesucht.<br />
Der in meinem Heimatort Walpersbach tätige Oberförster Kohlmann, der das Revier Walpersbach<br />
für die Herrschaft Pitten leitete, hatte meinen beruflichen Einstieg auf Schloss Pitten<br />
erfolgreich befürwortet.<br />
Natürlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt, dass der Eigentümer ein Adeliger ist. Es war Leopold<br />
Alphons Habsburg-Lothringen-Lorraine. Mein Vorgesetzter, Forstverwalter Franz Handler, der<br />
Männer - Arbeitswelten - 85<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 85 31.08.2009 14:17:48 Uhr
mich damals in meinen Aufgabenbereich einführte, machte mich eindringlichst darauf aufmerk-<br />
sam, dass der Gutsherr mit „Kaiserliche Hoheit“ anzusprechen wäre. Mich, knapp siebzehnjähri-<br />
gen Burschen, erstaunte das sehr. Nie hätte ich mir gedacht, in diesem Zeitalter noch jemanden<br />
mit „Kaiserliche Hoheit“ anzusprechen. Es war nur kurz nach meinem Dienstantritt, als der Gutsherr<br />
auf seinem Besitz, Schloss Pitten, erschien. Mein Chef, Verwalter Handler, stellte mich ihm<br />
vor und ich begrüßte ihn zum ersten Mal mit „Kaiserliche Hoheit“.<br />
Nach Aussagen meines Chefs – Verwalter Handler – war unser Gutsherr Leopold Habsburg von<br />
der österreichischen Habsburgerdynastie so gut wie nicht anerkannt. Geschätzt wurde Leopold<br />
Habsburg jedoch in seiner neuen Heimat Pitten. Hier lebte er nach dem Motto: „Leben und leben<br />
lassen!“ Das war auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Leopold Habsburg zuvor fast<br />
sein ganzes Leben lang in ärmlichen Verhältnissen gelebt hatte. Die Pittener gaben ihm den Namen<br />
„Schloss-Poldl“, was meinen Gutsherrn überhaupt nicht störte. Zu mir sagte er eines Tages:<br />
„Herr Pichler, sagen Sie nicht ‚Kaiserliche Hoheit’ zu mir. Sagen Sie einfach ‚Herr Habsburg‘!“<br />
Doch das befolgte ich nicht.<br />
Er war in den Gaststätten von Pitten ein gern gesehener Gast. Seine Großzügigkeit war bekannt.<br />
So lud er immer wieder oft zu mehreren Lokalrunden ein. Allerdings kostete sein aufwändiger<br />
Lebensstil auch Geld, das erst erwirtschaftet werde musste. So hatte der Gutsverwalter Handler<br />
öfters seine liebe Not mit dem Gutsherrn. Es kam vor, dass Leopold Habsburg, ohne Absprache<br />
mit dem Verwalter, zum Sägewerksbesitzer Hammer nach Erlach ging, von diesem größere<br />
Summen Geld verlangte und mit dem Sägewerksbesitzer vereinbarte, dass dieser dafür Holz von<br />
seinem Forstbetrieb geliefert bekomme. Der ahnungslose Verwalter war dann immer wieder aufs<br />
Neue überrascht, wenn er vom Sägewerker Hammer gefragt wurde, wann denn nun endlich das<br />
versprochene Holz für das vorgestreckte Geld geliefert wird. Dieser Lebensstil war von den Erträgen<br />
der Forstwirtschaft alleine nicht zu finanzieren.<br />
Leider hatte unser Gutsherr nicht sehr lange die Möglichkeit, sein geerbtes Vermögen in vollen<br />
Zügen zu genießen. Im Dezember 1957 oder im Jänner 1958 reiste Leopold Habsburg wieder in<br />
die Vereinigten Staaten. Er war sehr krank und wollte von amerikanischen Ärzten wissen, wie<br />
schwer seine Krankheit sei und wie lange er noch zu leben habe. Bald nach seiner Ankunft in<br />
den USA bekam seine langjährige Lebensgefährtin Agathe von Planner die niederschmetternde<br />
telefonische Nachricht, dass Leopold Habsburg nur mehr wenige Monate zu leben habe. Leider<br />
stimmten die Prognosen der amerikanischen Ärzte. Leopold Habsburg starb am 14. März 1958<br />
im 62. Lebensjahr in Connecticut in den USA. Er wurde eingeäschert und seine Urne nach Pitten<br />
gebracht, wo sie im Schloss so lange aufbewahrt wurde, bis die Habsburgdynastie es gestattete,<br />
dass Leopold Habsburg seine letzte Ruhestätte in der Kapuzinergruft finden konnte.<br />
Heute erinnert die Straßenbenennung auf der Hofwiesensiedlung „Leopold-Lothringen-Straße“<br />
an den volksnahen, lebenslustigen und großzügigen Habsburger von Schloss Pitten.<br />
86 - Arbeitswelten - Männer<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 86 31.08.2009 14:17:48 Uhr
» und ich wollte Priester werden «<br />
Michael Hammer, geb. 1933 in Schlag (Gemeinde Bromberg), Pfarrer<br />
Mein Vater war überhaupt nicht begeistert. Er war Schuhmacher. Nach dem Krieg war es so-<br />
wieso schwierig für alle Handwerker, denn damals kam die maschinelle Umstellung. Mein Vater<br />
war also Schuhmacher, und er war nicht begeistert, dass ich gesagt habe: „Ich möchte studieren.“<br />
Eines freilich muss ich da auch dazu sagen: Dieses Studierenwollen hat etwas bedeutet. Das hat<br />
für uns Buben damals bedeutet, Priester zu werden. In einem einzigen Augenblick war die Idee<br />
mit dem Rauchfangkehrer verflogen – und ich wollte Priester werden.<br />
» bei der Tochter die Windeln gewaschen «<br />
Josef Giefing, geb. 1930 in Wiener Neustadt,<br />
lebt in Lanzenkirchen, Schlosser und ÖBB-Bediensteter<br />
Heute sagen sie: „Halbe-Halbe.“ Das hab ich schon lange gemacht. Ich hab genauso bei der<br />
Tochter die Windeln mit der Hand gewaschen, wenn sie voll waren, und hab sie ausgekocht, auf-<br />
gehängt und gebügelt. Das hab ich alles genauso gemacht. Na klar!<br />
Männer - Arbeitswelten - 87<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 87 31.08.2009 14:17:48 Uhr
Pflügen mit Pferden in Katzelsdorf<br />
Neuer Traktor in Scheiblingkirchen<br />
88 - Arbeitswelten - Männer<br />
Johann Hendling<br />
1938<br />
Foto: Friedrich Farkas,<br />
Katzelsdorf<br />
Franz Ungersböck<br />
1930<br />
Foto: Josef Schrammel,<br />
Gleißenfeld<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 88 31.08.2009 14:17:49 Uhr
Beim Mistausführen in Zöbern<br />
Ausführen der Jauche in Thomasberg<br />
Josef Punkl (vulgo Stoabauer)<br />
1955<br />
Foto: Fam. Punkl, Stübegg (Zöbern)<br />
mit Ochsenzager und<br />
Holzfass am Thalerhof<br />
der Familie Otterer in<br />
Hottmannsgraben<br />
um 1935<br />
Foto: Engelbert Ringhofer,<br />
Königsberg (Thomasberg)<br />
Männer - Arbeitswelten - 89<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 89 31.08.2009 14:17:51 Uhr
Dengeln der Sense in Wiesmath<br />
Labung in Warth<br />
90 - Arbeitswelten - Männer<br />
Patriz Rath<br />
1937<br />
Foto: Josef Rath, Kulm<br />
von links:<br />
Georg Plochberger, unbekannt<br />
1950<br />
Foto: Maria Senft, Wiesmath<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 90 31.08.2009 14:17:53 Uhr
Bindemäher in Thomasberg<br />
Waldarbeit in Hochwolkersdorf<br />
Die Hafergarben<br />
werden von den<br />
Bewohnern<br />
des Hauses Kletten 19<br />
zum Trocknen<br />
aufgestellt.<br />
1960<br />
Foto: Karl Pfneisl, Kletten<br />
von links:<br />
Martin Kabinger,<br />
Josef Kornfeld,<br />
Franz Zehetner<br />
mit Zugsäge<br />
und Hacke<br />
um 1960<br />
Foto: Gemeinde<br />
Hochwolkersdorf<br />
Männer - Arbeitswelten - 91<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 91 31.08.2009 14:17:55 Uhr
Holzarbeit in Olbersdorf<br />
Mobile Holzschneidemaschine in Seebenstein<br />
92 - Arbeitswelten - Männer<br />
Gemeinde Thomasberg<br />
von links: Franz Puchinger, Michael Blecha<br />
1954<br />
Foto: Franz Puchinger, Grimmenstein<br />
von links:<br />
Alois Treitler, unbekannt<br />
1940<br />
Foto: Irene Fritz, Seebenstein<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 92 31.08.2009 14:17:55 Uhr
Milchführer aus Hattmannsdorf<br />
Eistransport in Hochwolkersdorf<br />
Alois Kager<br />
(Kager auf der Höh)<br />
um 1955<br />
Foto: Markus Wieser,<br />
Züggen (Hochneukirchen)<br />
vom Eisteich zum<br />
Gasthaus Hammerl<br />
mit den<br />
Norikerpferden<br />
von links:<br />
Herbert Steiner,<br />
Josef Kornfeld<br />
(Briefträger)<br />
um 1960<br />
Foto: Gemeinde<br />
Hochwolkersdorf<br />
Männer - Arbeitswelten - 93<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 93 31.08.2009 14:17:58 Uhr
In der Zimmerei Seebenstein<br />
Zimmereibetrieb Karner in Gleißenfeld<br />
von links 1. Reihe: unbekannt, Franz Stocker, Anton Trimmel, Johann Piribauer, unbekannt<br />
2. Reihe: zwei unbekannt, Hr. Ofenböck<br />
94 - Arbeitswelten - Männer<br />
von links:<br />
unbekannt, unbekannt,<br />
Hans Depil sen.,<br />
Alois Winbüchler,<br />
Fritz Riegler,<br />
Hr. Trimmel sen.<br />
1930<br />
Foto: Erwin Fenz,<br />
Seebenstein<br />
eingemietet im<br />
Bauernhof Schlögl<br />
1930<br />
Foto: Pius Karner,<br />
Gleißenfeld (Scheiblingkirchen-Thernberg)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 94 31.08.2009 14:17:59 Uhr
Wirt aus Warth beim Weinkauf<br />
Fassbinder in Krumbach<br />
Foto: Walter Binder, Schäffern<br />
Transport mit LKW<br />
380er-Steyr<br />
von links:<br />
Georg Klampfer (Weinbauer),<br />
Hr. Gansterer (Wirt aus<br />
Warth), unbekannt<br />
um 1950<br />
von links: Karl Gamperl (Loipersdorf),<br />
Ernst Grünbauer (Elsenau),<br />
Karl Steghofer (Meister),<br />
Walter Binder (Halterbub aus Stübegg),<br />
Katharina Steghofer<br />
1947<br />
Foto: Karl Korntheuer, Edlitz<br />
Männer - Arbeitswelten - 95<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 95 31.08.2009 14:18:00 Uhr
Beim Kerzenziehen in Hochneukirchen<br />
Wagnerei in Seebenstein<br />
96 - Arbeitswelten - Männer<br />
Anton Schabauer<br />
(Grandltoni)<br />
Foto: Markus Wieser,<br />
Züggen (Hochneukirchen)<br />
Johann Kornfeld sen.<br />
stürmte 1917 als erster<br />
Soldat über den Isonzo<br />
und erhielt die goldene<br />
Tapferkeitsmedaille.<br />
Von 1919 bis 1938 war<br />
er Bürgermeister und<br />
Feuerwehrhauptmann<br />
von Seebenstein.<br />
um 1925<br />
Foto: Regina Lechner,<br />
Gleißenfeld<br />
(Scheiblingkirchen-Thernberg)<br />
von links: Geselle Josef, Johann Kornfeld jun., Maria Kornfeld, unbekannter Geselle, Wagnermeister Johann Kornfeld sen.<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 96 31.08.2009 14:18:02 Uhr<br />
1928
Hufschmiedearbeiten in Katzelsdorf<br />
Sattlerei in Erlach<br />
von links:<br />
Johann Tikowsky<br />
(Schmiedemeister),<br />
Franz Zehetner,<br />
Josef Steiger<br />
1937<br />
Foto: Gemeinde Katzelsdorf<br />
von links:<br />
unbekannt,<br />
Franz Wagner<br />
um 1938<br />
Foto: Wilhelm Hofer,<br />
Bad Erlach<br />
Männer - Arbeitswelten - 97<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 97 31.08.2009 14:18:05 Uhr
Schottergewinnung in der Leitha<br />
Bau der Panoramastraße Aigen – Kirchschlag<br />
98 - Arbeitswelten - Männer<br />
von links:<br />
Dominik Schwarz<br />
aus Frohsdorf und<br />
Franz Rehberger<br />
aus Schwarzenbach<br />
um 1950<br />
Foto: Herbert Swoboda,<br />
Lanzenkirchen<br />
von links:<br />
Josef Pichler,<br />
Ludwig Freiler,<br />
Hermann Geyer,<br />
unbekannt,<br />
Hr. Panzenböck,<br />
Ernst Ungerböck,<br />
Hr. Brandl, unbekannt<br />
1960<br />
Foto: Hermann Ungerböck,<br />
Bad Schönau<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 98 31.08.2009 14:18:06 Uhr
Bau der Platzbrücke in Schwarzenbach<br />
Straßenpflasterung in Hochneukirchen<br />
von links:<br />
Franz Weber,<br />
Hr. Kampichler,<br />
Michael Tritremmel,<br />
Franz Reisner,<br />
Josef Kleinrath,<br />
Josef Reisner,<br />
Karl Giefing,<br />
Michael Dutter<br />
um 1952<br />
Foto: Anna Dutter,<br />
Schwarzenbach<br />
Alois Weber (mit der<br />
Scheibtruhe fahrend)<br />
1957<br />
Foto: Markus Wieser,<br />
Züggen (Hochneukirchen)<br />
Männer - Arbeitswelten - 99<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 99 31.08.2009 14:18:07 Uhr
Wehrbau bei der Kraftfabrik in Warth<br />
Bau der Kienegger Straße<br />
100 - Arbeitswelten - Männer<br />
Foto: Anna Kogelbauer,<br />
Sauerbichl (Thomasberg)<br />
von links 1. Reihe: unbekannt, Matthias Lechner, Hr. Rinzner, unbekannt, Hr. Kager (Straßenmeister), unbekannt, unbekannt,<br />
Hr. Blecha, zwei unbekannt | 2. Reihe: Hr. Wedl, drei unbekannt, Peter Tagwerker, drei unbekannt, Hr. Jeitler, zwei unbekannt<br />
3. Reihe: Franz Krautschneider, drei unbekannt, Hr. Mautner, Franz Spenger, unbekannt, Hr. Hallbauer, fünf unbekannt,<br />
Josef Tagwerker<br />
um 1930<br />
Foto: Hugo Mika, Warth<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 100 31.08.2009 14:18:09 Uhr<br />
1934
Abbrucharbeiten in Bad Erlach<br />
Bau der Schlager Straße<br />
im Areal des ehemaligen<br />
Gasthauses<br />
Johann Fromwald<br />
(heutiges Gasthaus<br />
Mayerhofer)<br />
um 1952<br />
Foto: Johann Rädler, Bad Erlach<br />
Foto: Franz Fürst, Bromberg<br />
von links sitzend: Hr. Ulrich, vorne kniend Josef Vollnhofer (Vater von Propst Eberhard) | stehend: Hr. Graf, Johann Pammer,<br />
Johann Rosenberger, Peter Ofenböck (Koch mit weißer Haube), Josef Pammer, Alois Scherz aus Schlag,<br />
Schmiedemeister Hallbauer (mit Hut), Alois Schwarz vom Ziegelberg, unbekannt (Walzenführer)<br />
Arbeiter bei der Mittagspause<br />
vor der Bauhütte<br />
am Berghof<br />
1958<br />
Männer - Arbeitswelten - 101<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 101 31.08.2009 14:18:11 Uhr
Eisschneider am Eisteich in Erlach<br />
Besenbinder in Schwarzau<br />
102 - Arbeitswelten - Männer<br />
Jakob Lechner<br />
1937<br />
um 1920<br />
Foto: Franz Fuchs, Schwarzau am Steinfeld<br />
Foto: Wilhelm Hofer, Bad Erlach<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 102 31.08.2009 14:18:12 Uhr
Bäcker in Seebenstein<br />
Briefträger in Krumbach<br />
in der Backstube beim Bereiten des Teiges<br />
Franz Windbacher<br />
1965<br />
Foto: Maria Bauer, Seebenstein<br />
bei der Postzustellung vor<br />
dem Haidbauerhof<br />
Felix Bleier<br />
1965<br />
Foto: Volkmar Haberzettl,<br />
Katzelsdorf<br />
Männer - Arbeitswelten - 103<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 103 31.08.2009 14:18:15 Uhr
Paketzusteller in Kirchschlag<br />
Totengräber in Schwarzau<br />
104 - Arbeitswelten - Männer<br />
Eugen Lilpop<br />
1940er-Jahre<br />
Foto: Archiv Vollnhofer-Wanek,<br />
Kirchschlag<br />
Franz Jeitler<br />
um 1960<br />
Foto: Verena Fuchs,<br />
Schwarzau am Steinfeld<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 104 31.08.2009 14:18:16 Uhr
Alte Menschen<br />
Um die vorletzte Jahr-<br />
hundertwende betrug der<br />
Anteil der Menschen, die<br />
65 Jahre und älter waren,<br />
an der österreichischen<br />
Gesamtbevölkerung erst<br />
knapp über fünf Prozent,<br />
1951 waren es etwas mehr<br />
als zehn Prozent, heute<br />
sind es 17,1 Prozent.<br />
Dass ältere Menschen –<br />
heute nennt man sie unter<br />
anderem Seniorinnen und<br />
Senioren – gesamtgesellschaftlich<br />
und auch politisch zu einem Thema und zu einer relevanten Wählergröße geworden sind,<br />
hat mit dieser fortschreitenden Alterung der Gesellschaften in Mittel- und Westeuropa zu tun. Eine<br />
Pensionsvorsorge, die alten Menschen ihre Existenz und Unabhängigkeit sichert, wurde in Österreich<br />
umfassend erst in der Zweiten Republik etabliert. Viele alte Menschen, denen in ländlichen Räumen<br />
bestenfalls im Rahmen des Ausgedinges eine Grundversorgung (Wohnen, Nahrungsmittel und<br />
Kleider) zugesichert wurde, mussten daher Arbeitsleistungen für ihren Lebensunterhalt vollbringen.<br />
Von dieser Notwendigkeit wird auch in den wenigen Erzählungen aus der Buckligen Welt berichtet,<br />
die sich mit alten Menschen in früheren Zeiten befassen. Aber es ist ebenso davon die Rede, wie alte<br />
Menschen selbstverständlich in Arbeitsvorgänge integriert blieben.<br />
Auf den Fotos erscheinen ältere Menschen meistens schon sehr gebrechlich – gezeichnet von der<br />
schweren körperlichen Arbeit und der geringen medizinischen Betreuung. Diese wurde aus finanziellen<br />
Gründen nur dann in Anspruch genommen, wenn die altbewährten Hausmittel versagten.<br />
Typische Arbeiten für ältere Personen waren die Beaufsichtigung von Kleinkindern, leichte Holzarbeiten<br />
an der Heinzelbank, das Flechten von Körben und Simperln, das Spinnen der Schafwolle, das<br />
Besenbinden, das Füttern der Haustiere und die Beaufsichtigung von Ziegen und Schafen.<br />
Alte Menschen - Arbeitswelten - 105<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 105 31.08.2009 14:18:17 Uhr
» die hat ein bissel geschneidert «<br />
Johanna Trimmel, geb. 1928 in Bromberg, Landwirtin<br />
Unterm Krieg waren die Kleiderkarten und die Lebensmittelkarten. Wir haben eine alte Frau ge-<br />
habt, die hat ein bissel geschneidert, nur dass sie was zum Essen gehabt hat, weil sie alleinstehend<br />
und krank war. Wir haben einen Damenrock gemacht, dann eine Jacke dazu, ein Kostüm, auch<br />
ein Kleid. Und da hat sie ein bissel was draufgestickt.<br />
» Er hat ihr den Zahn nicht ziehen können «<br />
Franziska Ungerböck, geb. 1921 in Harmannsdorf (Gemeinde Hochneukirchen-<br />
Gschaidt), Näherin und Landarbeiterin. Der folgende Text ist ein Ausschnitt aus<br />
ihren 1993 niedergeschriebenen Lebenserinnerungen und ist unter anderem in<br />
der „Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“ aufbewahrt.<br />
Wir sind ja ganz in der Einschicht aufgewachsen. Hundert Meter weit weg waren unsere Nach-<br />
barn. Zu den Jungen sagten wir: „Nachbars Vetter und Moahm“, zu den Seniors: „Großvater und<br />
Großmutter“ – sie waren’s aber nicht! Da sind wir oft drüben gewesen. Auch wenn wir etwas angestellt<br />
hatten, haben wir uns hinübergeflüchtet.<br />
Nachbars Großvater hat den Leuten, wenn sie Zahnweh hatten, auch Zähne gezogen. Einmal<br />
waren wir gerade drüben, ist von Harmannsdorf die Metzner Resl zu ihm gekommen, einen Zahn<br />
reißen. Sie musste sich dabei auf einen Melkstuhl setzen. Als er den Zahn ziehen wollte, ist sie<br />
dabei immer aufgestanden. Er hat ihr den Zahn nicht ziehen können. Sie ist unverrichteter Dinge<br />
nach Hause. Ich sehe sie noch heute, wie sie damals fortging.<br />
Bei unserer Großmutter im Stübl wohnte auch unsere Tante Franziska. Sie hörte und sprach<br />
schlecht. Sie hatte sich als Kind, als sie Blindekuh spielten, Holzstäbchen ins Ohr gesteckt. Als<br />
sie niederfiel, hat sie sich eins ins Ohr gestoßen. Sie hat dann schlecht gehört und musste eine<br />
Sonderschule besuchen. Wir hatten sie sehr gerne. Dann war auch noch Tante Maria bei der Großmutter.<br />
106 - Arbeitswelten - Alte Menschen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 106 31.08.2009 14:18:17 Uhr
» Der alte Mann übersah mich «<br />
Karl Glatz, geb. 1916 in Frohsdorf (Gemeinde Lanzenkirchen), zog später nach<br />
Pitten und arbeitete als leitender Angestellter. Es folgt ein Ausschnitt aus seinen<br />
schriftlichen Erinnerungen, die er 1997 der „Dokumentation lebensgeschichtlicher<br />
Aufzeichnungen“ zukommen ließ.<br />
Nun muss ich nochmals auf meinen Großvater zurückkommen und zwar im Zusammenhang<br />
damit, dass er mir, natürlich unbeabsichtigt, beinahe den Schädel gespalten hätte. Das ereignete<br />
sich so: Es war in jener Zeit üblich, Bauholz, zum Beispiel für Dachstühle, nicht zu schneiden, sondern<br />
mit Hacke und Breitbeil zuzurichten. Hierzu wurde der zu bearbeitende Holzstamm auf zwei<br />
Holzblöcke gelegt und mit Eisenklampfen befestigt. Dann wurden die Längsseiten des Stammes<br />
mit einer großen Hacke grob ausgehackt. Anschließend erfolgte mit dem Breitbeil die Feinarbeit.<br />
Um hierbei eine gerade Linie zu erzielen, wurde eine dünne Schnur, nachdem man sie in einem<br />
Topf durch trockene, rote Farbe gezogen hatte, an beiden Enden des Stammes angelegt. Sodann<br />
wurde die straff gespannte Schnur etwas angehoben und ruckartig losgelassen, wodurch sie auf<br />
das Holz aufschlug und einen roten Strich hinterließ.<br />
Als ich etwa drei Jahre zählte, war mein Großvater mit einer solchen Arbeit im Hofe unseres Anwesens<br />
beschäftigt, während ich unter dem Holzstamm umherkroch und die Holzscharten (Späne)<br />
einsammelte beziehungsweise damit spielte. Der alte Mann übersah mich und traf mich mit<br />
dem scharfen Breitbeil mitten in der Stirn. Wäre es tiefer eingedrungen, ich säße jetzt nicht hier<br />
und schriebe. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass man mich sofort unter den Brunnen<br />
gehalten und das Blut abgewaschen hat. Geblieben ist eine kleine Narbe auf der Stirn, die heute<br />
noch zu sehen ist.<br />
Bald danach starb der Großvater – die Großmutter war schon vorher gestorben.<br />
» Sie hat auch auf einem Acker gewirtschaftet «<br />
Johann Schatzer, geb. 1918 in Pitten, Privatangestellter<br />
Pitten diente für unsere Familie zunächst nur für die Sommermonate als Erholungsort. Es gab<br />
hier Obst, es wurde Gemüse angebaut. Und meine Großmutter hat ja die ganze Zeit hier in die-<br />
sem Haus bis zu ihrem Tode gelebt. Um die soziale Situation zu schildern: Meine Großmutter ist<br />
84 Jahre alt geworden, sie war sehr früh Witwe geworden. Mein Großvater war Werkmeister bei<br />
Böhler in Kapfenberg und Werkmeister in einer Papierfabrik in Edlitz gewesen. Aber eine Pension<br />
hatte er nicht und hatte meine Großmutter auch nicht. Damals mussten die Eltern von den Kindern<br />
erhalten werden. Meine Großmutter war eine sehr bescheidene Frau und hat meinem Vater<br />
Alte Menschen - Arbeitswelten - 107<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 107 31.08.2009 14:18:17 Uhr
sicherlich keine große Belastung gebracht. Zum anderen hat sie hier Gemüse angebaut. Wir hat-<br />
ten einen Acker, der so halb unserer Familie gehörte. Sie hat auch auf einem Acker gewirtschaf-<br />
tet. Hühner waren da, Hasen waren da, also es gab eine gewisse Lebensgrundlage. Wenn man so<br />
bescheiden war wie diese Frau, konnte man schon durchkommen. Dann hat sie noch anderen<br />
Leuten geholfen, hat mitgearbeitet bei ihnen.<br />
» Wir brauchen keine Pension! «<br />
Anna Holzer, geb. 1911 in Schwarzau am Steinfeld, Köchin und Näherin<br />
Als wir in Neuhofen waren, bin ich bei einem Bauern gewesen. Die Frau ist mit den Dienstboten<br />
aufs Feld gegangen, und ich bin mit dem Bauer allein daheim gewesen. Hat er geschimpft: „Den<br />
Roten haben wir alles zu verdanken, dass eine Pension da ist. Aber zu was brauchen wir denn eine<br />
Pension? Wir brauchen keine Pension!“ Sag ich: „Hearst, Brand“, Brandstetter hat er geheißen,<br />
„was haben Sie denn getan mit den Dienstboten, wenn die krank waren oder wenn …“ Hat er<br />
gesagt: „Da haben wir sie ein jeder gehabt, acht Tage, ich habe sie gehabt, dann haben sie’s auf<br />
Ding raufgebracht, wieder acht Tage, wieder acht Tage dort bei dem Bauern.“ – „Mein Gott im<br />
Himmel“, habe ich gesagt, „wenn da eine krank gewesen ist, die ist ja gestorben, bei so einem Umeinanderschupfen.“<br />
Sagt er: „Wir haben’s allerweil so gemacht“ – und hat gelacht. Das werde ich<br />
nie vergessen. Hat er gelacht und gesagt: „Hab ich sie halt aufs Leiterwagerl gelegt, den Sautrog<br />
auffi, hab’s einigelegt. Und wie ich hingekommen bin, haben sie sich nimmer umdraht.“ Wissen<br />
Sie, was das heißt? Mein Lieber, so was vergisst man nimmer!<br />
» ich mach’s halt noch, derweil es noch geht «<br />
Maria Beiglböck, geb. 1926 in Harmannsdorf<br />
(Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt), Landwirtin in Offenegg<br />
Ich tu alle Woche backen. Was ich schon Brot gebacken hab, das könnte ich gar nicht erzählen.<br />
Ich hab einmal für den Wirt in Offenegg – die haben einmal ein Mostwirtshaus gehabt – in vier-<br />
zehn Tagen 140 Laib Brot gebacken. Aber in unseren Ofen gehen nicht mehr als zehn rein. Mein<br />
Bruder, der Peter, hat den Ofen gemauert. Ich hab den Ofen immer noch, ich hab noch keinen<br />
Elektroofen. Ich hab auch keine Knetmaschine, ich knete noch händisch. Das ist zwar viel Arbeit,<br />
aber ich mach’s halt noch, derweil es noch geht.<br />
108 - Arbeitswelten - Alte Menschen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 108 31.08.2009 14:18:17 Uhr
Neunzigjähriger Wegebauer in Edlitz<br />
Wagnermeister bei der Arbeit in Zöbern<br />
Mathäus Reisenbauer<br />
1998<br />
Foto: Familie<br />
Johann Reisenbauer, Edlitz<br />
von links:<br />
Robert Klenkhart,<br />
Jakob Pichlbauer<br />
1945<br />
Foto: Johann Simeth, Zöbern<br />
Alte Menschen - Arbeitswelten - 109<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 109 31.08.2009 14:18:18 Uhr
Beim Korbflechten in Bromberg<br />
Beaufsichtigung der Ziegen in Schwarzau<br />
110 - Arbeitswelten - Alte Menschen<br />
Michael Koglbauer<br />
um 1970<br />
Foto: Gregor Schauber,<br />
Stift Reichersberg<br />
von links:<br />
Theresia Öhler<br />
(geb. Blach),<br />
Maria Batz<br />
1941<br />
Foto: Verena Fuchs,<br />
Schwarzau<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 110 31.08.2009 14:18:20 Uhr
Beim Spinnen am Zottlhof in Warth<br />
Fr. Kerschbaumer<br />
1930er-Jahre<br />
Foto: Josef Flonner, Bromberg<br />
Beim Füttern des Mastschweines in Grimmenstein<br />
Maria Kager<br />
1949<br />
Foto: Elisabeth Turner,<br />
Grimmenstein<br />
Alte Menschen - Arbeitswelten - 111<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 111 31.08.2009 14:18:21 Uhr
Großmutter mit Enkelkindern in Bad Schönau<br />
Der Opa beim Kinderhüten in Warth<br />
112 - Arbeitswelten - Alte Menschen<br />
von links:<br />
Markus Ungersböck mit Enkelkind Hansi<br />
1937<br />
Foto: Johann Ungersböck, Petersbaumgarten<br />
vor der Küchentür<br />
von links:<br />
Peter, Mathias, Anna,<br />
Walter und Michael Dorner<br />
1943<br />
Foto: Michael Dorner, Schlägen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 112 31.08.2009 14:18:21 Uhr
Fremde – in der Fremde<br />
Nicht erst in der allerjüngsten Vergangen-<br />
heit sind Mobilität und Migration Massen-<br />
phänomene in Österreich. Im Zuge des ge-<br />
samten 20. Jahrhunderts sind Menschen<br />
„aus der Fremde“ – freiwillig und unfreiwillig<br />
– gekommen, um unter anderem in der<br />
Buckligen Welt zu arbeiten. Zugleich haben<br />
Menschen immer auch die Region verlassen,<br />
um andernorts ihr Auskommen und<br />
vielleicht eine neue Heimat zu finden. Insbesondere<br />
im Zuge der Wirtschaftskrise in<br />
den 1930er-Jahren und im Zuge der Auswirkungen<br />
des Nationalsozialismus und des<br />
Zweiten Weltkriegs haben Menschen ihre<br />
Heimat verlassen, oft verlassen müssen.<br />
Wobei „Fremde“ und „Fremder“ immer relativ<br />
ist. Fremd können auch schon die Großstadt<br />
oder „die Großstädter“ und zuweilen<br />
auch das nächste Dorf sein.<br />
Zahlreiche ältere Menschen erinnern sich an<br />
die vielen „Fremden“, die noch in der Zwischenkriegszeit<br />
von Haus zu Haus, von Hof<br />
zu Hof zogen, um sich Kost und Quartier oder ein wenig Geld zu verdienen. Andere erzählen über<br />
die vielen in der NS-Zeit zur Arbeit gezwungenen Kriegsgefangenen und verschleppten sogenannten<br />
„Ostarbeiterinnen“, mit denen zum Teil freundschaftliche Beziehungen bis heute bestehen. Wieder<br />
andere berichten über ihre Erfahrungen außerhalb der Buckligen Welt, unter anderem in der Zeit des<br />
Nationalsozialismus. Einige hat es in den 1950er-Jahren sogar bis nach Australien verschlagen.<br />
Wenn man den Fotos glaubt, haben viele Sommerfrischler bei verschiedenen Arbeiten ihrer Quartiergeber<br />
mitgeholfen. Allerdings tragen sie zuweilen eine eher unpassende Kleidung. Es scheint, als<br />
haben manche Sommerfrischler die Arbeit für ein Erinnerungsfoto vorgetäuscht. Zahlreiche Aufnahmen<br />
existieren von den sogenannten Fremdarbeitern im Zweiten Weltkrieg. Viele von ihnen wurden<br />
in ihren Familien gut aufgenommen, obwohl das von den politisch Verantwortlichen gar nicht gern<br />
gesehen wurde.<br />
Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 113<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 113 31.08.2009 14:18:22 Uhr
» Höhepunkte waren, wenn fremde Leute kamen «<br />
Ernestine Holzbauer, geb. 1935 in Krumbach, Büroangestellte.<br />
Den folgenden Text hat sie 2008 niedergeschrieben.<br />
Meine Eltern und ich lebten bis 1946 bei den Großeltern in der „Sägemühle“ (Gemeinde Krum-<br />
bach). Sägemühle deshalb, weil es dort neben einem Gasthaus mit einer Fleischhauerei und einer<br />
Landwirtschaft auch eine Mühle und ein Sägewerk gab. Eigentlich hieß die Rotte „Löder“. Die<br />
Landwirtschaft und das Gasthaus waren von meinen Großeltern Alois und Theresia Gremel gepachtet.<br />
Trotz Krieg und sehr bescheidenen Verhältnissen hatte ich eine schöne Kindheit. Es gab<br />
in der Nachbarschaft viele Kinder, und nachdem wir uns immer selbst überlassen waren – die<br />
Väter im Krieg, die Mütter auf den Feldern –,waren wir immer im Rudel unterwegs.<br />
Höhepunkte waren, wenn fremde Leute kamen, zum Beispiel Bosniaken mit ihren riesigen<br />
Bauchläden. Man konnte dort vom Schuhband über Rasierklingen bis zum Schmuck so ziemlich<br />
alles erwerben. Ich erinnere mich noch sehr genau an ein Paar Goldringe – tropfenförmig mit<br />
blauem Stein. Ich bettelte meine Mutter an, sie zu kaufen – ohne Erfolg. Unser Dienstmädchen,<br />
die Grete, kaufte sie. Am nächsten Tag kam sie mit kohlschwarzen Ohrringen daher, das Gold hatte<br />
sich über Nacht in Nichts aufgelöst. Vor jedem Tragen wurden diese Ohrringe dann mit Sidol<br />
poliert.<br />
In ebenfalls guter Erinnerung sind mir noch die sogenannten „Fechter“ oder „Umageher“. Das<br />
waren meist ehemalige Knechte oder Mägde, die aufgrund ihres Alters oder wegen eines Gebrechens<br />
von ihrem Hof weggeschickt worden waren. Sie gingen von Bauernhaus zu Bauernhaus,<br />
manche Häuser ließen sie allerdings aus, weil sie dort nichts „erwarteten“. Sie erbettelten sich<br />
Essen und ein Nachtquartier. Nachdem meine Großmutter dafür bekannt war, dass sie jedem, der<br />
anklopfte, etwas gab, war halt fast jeden Tag ein Fechter bei ihr zu Gast. In der Küche stand etwas<br />
abseits ein Tisch mit ein paar Sesseln, an dem diese Leute ihre Suppe löffelten. Das war der Fechtertisch.<br />
Abseits mussten sie deshalb sitzen, weil sie meist Flöhe hatten. Manche dieser Umageher<br />
und Fechter wussten sehr viel von der Welt draußen zu erzählen, wenn auch ihre Geschichten<br />
nicht immer der Wahrheit entsprachen. Nachtquartier bekamen sie im Stall, in der Strohhütte<br />
oder auf dem Heuboden. Vorher nahm ihnen Großvater aber sämtliche Zünder ab, damit sie das<br />
Haus nicht durch einen Brand gefährden konnten.<br />
Vom Burgenland kamen immer wieder Händler mit ihren Pferdewagen. Wir nannten sie einheitlich<br />
„Krowoden“, auch wenn sie vielleicht nicht immer der Volksgruppe der Kroaten angehörten.<br />
Sie brachten Körbe, riesige Siebe zum Reinigen des Getreides und allerlei Kleingeräte für<br />
den Haushalt mit. Viele Waren befestigten sie an den Außenwänden ihrer Planwagen, man konnte<br />
von weitem schon das Scheppern hören. Meist waren diese Familien auch Scherenschleifer oder<br />
Kesselflicker. Diesen fahrenden Händlern wurde aber auch nachgesagt, dass sie durchaus „manch<br />
loses Gut“ aus den Häusern ohne Bezahlung mitgehen ließen, besonders beliebt waren Hühner.<br />
114 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 114 31.08.2009 14:18:22 Uhr
Die „Lumpensammler“, auch „Hadernsammler“ genannt, zogen durchs Land und machten sich<br />
durch lautes Rufen bemerkbar: „Lumpn, Hosnheitl, d’ Lumpensammler san do!“ Sie sammelten<br />
Rohstoffe für die Papier- und Ledererzeugung.<br />
Durch die Motorisierung endete die Zeit dieser Wanderhändler sehr rasch in den 1960er-Jahren.<br />
Manche Umageher und Fechter konnte man aber noch in den 1990er-Jahren beobachten, so<br />
den „Dübelmann“, der zahlreiche große Talgwucherungen am Kopf hatte, und den „Blumenmann<br />
oder Blumenhansl“, der mit zahlreichen Kunstblumen seine Kleidung verzierte.<br />
» aus dem Burgenland und fallweise auch aus Ungarn «<br />
Alois Mayerhofer, geb. 1921 in Wiesmath, Landwirt. Der folgende Text ist ein Ausschnitt<br />
aus seinem Buch „Erinnerungen. Beiträge und Gedichte eines Brautführers<br />
und Mundartdichters aus der Buckligen Welt.“ Kirchschlag (Mayrhofer) 2004.<br />
Als Halterbuben holte man sich fünfzehn- bis zwanzigjährige Jugendliche aus dem Burgenland<br />
und fallweise auch aus Ungarn. Besonders aus den kroatischen und ungarischen Gemeinden ka-<br />
men viele, um „Deutsch“ zu lernen. So wurden auch Mädchen aufgenommen, die aber haupt-<br />
sächlich im Haushalt mithelfen mussten. Während die Halterbuben meistens im Stall schliefen,<br />
hatten die Mädchen ihre Schlafstelle in einem Tischbett in der Küche. Die Halterbubenmärkte in<br />
den größeren Gemeinden, wie zum Beispiel Kirchschlag, sollen nicht unerwähnt bleiben.<br />
Dass es mit der Sprache anfangs Verständigungsschwierigkeiten gab, ist verständlich. Diese<br />
Dienstboten hatten ihr eigenes Geschirr, Besteck und Handtücher. Obwohl wir uns mit ihnen viel<br />
befasst und bei Spielen mitgetan haben, blieb das Heimweh nicht ganz aus. Die Tiere kannten ihren<br />
Hüter bald sehr gut und folgten seinen Rufen. Da unser Weidegebiet im Tal lag, kam der Widerhall<br />
der gegenüberliegenden nachbarlichen Leiten sehr gut zum Ausdruck. Unser Kühhüter hatte mit denen<br />
der Nachbarn Kontakt aufgenommen, und so ging der Wechselgesang los. Dass man das fremde<br />
Sprachengelalle oft nicht verstehen konnte, liegt auf der Hand. Auch ich habe ein kroatisches Lied<br />
mitgelernt. Und wenn ich gut aufgelegt bin, singe ich es der heutigen Generation vor.<br />
» Das war eine schwierige Zeit «<br />
Anton Pollak, geb. 1924 in Krumbach, Maurer<br />
Wo heute das Ringhofer-Haus ist, waren auch Juden. Das war ein Geschäftshaus. Und wo heute<br />
das Gemeindehaus ist: Das hat dem Fritz Blum gehört, er lebt in Paris. Er ist der Einzige, der über<br />
Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 115<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 115 31.08.2009 14:18:22 Uhr
geblieben ist. Den Rudi und die Isi haben sie erschossen, die sind alle verschwunden. Genauso<br />
wie die Zigeuner! Zu uns sind viele Zigeuner gekommen und waren über Nacht da. Ganze Rudel<br />
von Zigeunern sind geblieben bei uns über Nacht. Im Stall haben sie geschlafen und dort, wo wir<br />
Drischel gedroschen haben. Uns ist nie was von den Zigeunern gestohlen worden. Einen Häfen<br />
voller Milchsuppe und ein Brot haben sie gekriegt. Das haben sie sich aufgeteilt und gegessen.<br />
Dann sind sie wieder gegangen. So war das.<br />
Auch die Arbeitslosen waren damals in den 1930er-Jahren ganz arm. Ganze Gruppen von Ternitz<br />
sind unterwegs gewesen und haben einmal eine Musikkapelle zusammengestellt. Sie sind von<br />
Haus zu Haus gegangen und haben ein paar Stückeln gespielt, damit man ihnen was zu essen gibt.<br />
So schwierige Zeiten waren das. Sie waren ausgesteuert, haben keine Unterstützung gekriegt, die<br />
waren auf freien Fuß gestellt. Das war eine schwierige Zeit. So ist das halt gelaufen. Das war für<br />
die Nazis eine wahnsinnige Propaganda. Aber wie die dann gewirtschaftet haben: alles auf Kriegsaufbau!<br />
Zum Beispiel hat es eine Zeit gegeben: Wenn du fünfzig deutsche Mark eingezahlt hast,<br />
haben sie dir versprochen, dass du in neun Monaten oder so einen VW kriegst. Aber alles Geld ist<br />
verschwunden. Kein Mensch hat einen gekriegt, das Geld ist alles in die Rüstung gekommen. Kein<br />
Mensch hat ein Auto gekriegt! Und so ist das weitergegangen.<br />
» Die Franzosen kommen «<br />
Margarete Braunstorfer, geb. 1934 in Wiesmath, Kauffrau<br />
Dann hat es geheißen: „Die Franzosen kommen!“ Da waren wir als Kinder ganz aufgeregt. Die<br />
haben sie in dem Jud-Haus einquartiert. Die Gemeinde hat ja alle Judenhäuser bekommen. In<br />
den großen Geschäftsraum sind 1940 oder 1941 die Franzosen hineingekommen, 20 oder 25. Ein<br />
Nachbar war Aufseher von den Franzosen, und die Franzosen haben in diesem Raum schlafen<br />
dürfen. Dort haben sie lauter Feldbetten gehabt, wie man’s halt unter dem Krieg gehabt hat. Die<br />
sind dann in der Früh arbeiten gegangen, und am Abend haben sie wieder in dem Jud-Haus sein<br />
müssen. Denn der hat die in der Nacht beaufsichtigen müssen, dass keiner geflüchtet ist.<br />
Die Franzosen sind dann aber 1943 oder 1944 zu den Bauern gekommen. Da haben sie keine<br />
Aufseher mehr gehabt. Da haben ja alle einrücken müssen, auch die Menschen mit den gefrorenen<br />
Füßen. Das war ihnen egal. Da sind also die Franzosen zu den Bauern gekommen. Und dann<br />
sind auch schon die ersten Polen gekommen und die Russen, die Gefangenen. Wir haben einen<br />
Polen gehabt. Die haben sie dann zugeteilt, wenn eine alleinstehende Frau war, oder wenn ältere<br />
Leute waren. Die haben alle einen Polen gekriegt oder eine Russin. Wir haben hier sehr viele Polen<br />
gehabt. Ein junger Pole, das war ja ein kleiner und ein lieber Kerl, hat sich sofort den Burschen<br />
angeschlossen. Den haben sie wirklich gern gehabt. Und vis-à-vis zum Nachbarn ist eine Russin<br />
116 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 116 31.08.2009 14:18:22 Uhr
gekommen, die hat überhaupt nicht Deutsch gekonnt und hat nur geweint. Da hat meine Mutter<br />
gesagt: „Weißt du was? Gehst ummi und redest mit ihr ein bissel.“ Weil für die Kinder haben sie<br />
recht viel übrig gehabt. Die hat dann so ein Zutrauen gekriegt und hat ganz langsam angefangen<br />
Deutsch zu lernen. Ich war damals in der dritten Volksschulklasse. Da haben wir gestrickt. Und<br />
dann hat sie mir gesagt, sie möchte das auch lernen, sie möchte sich einen Pullover stricken. Das<br />
weiß ich noch. Jeden Tag am Abend hat sie zur Mutter herübergehen dürfen, denn untertags durfte<br />
sie ja nicht fortgehen. Die ersten zehn Zeilen waren wie gepanzert, so fest hat sie gestrickt. Mit<br />
der Zeit hat sie das dann so gut können und hat sich wirklich einen Pullover gestrickt. Das war die<br />
Russin.<br />
» Dann haben sie sie mitgenommen «<br />
Maria Lechner, geb. 1920 in Petersbaumgarten (Gemeinde Warth), Landwirtin<br />
Im Krieg hatten wir eine Ukrainerin, die ganz brav und fleißig war. Sie war anstatt ihres Bruders<br />
gefahren. Der Bruder hätte fahren sollen, aber sie hat gesagt: „Na, ich fahre auf ein paar Monate.“<br />
Derweil hat das Jahre gedauert. Sie war dann schwanger von einem anderen Ukrainer, der beim<br />
Steinbauer war. Sie wollte da bleiben, jetzt hat sie sich immer im Wald versteckt. Wir haben ihr<br />
Brot mitgegeben. Irgendwer muss sie verraten haben. Dann haben sie sie mitgenommen.<br />
» Warum Hanka nicht schreibt? «<br />
Gisela Haberhofer, geb. 1928 in Hochwolkersdorf, Landwirtin.<br />
Der folgende Text ist ihren schriftlichen Lebenserinnerungen entnommen.<br />
Die beiden Ukrainerinnen Hanka und Stasi wurden uns im Sommer 1941 in mein Elternhaus<br />
gebracht. Sie wurden von den damaligen Behörden als Arbeitskräfte zugeteilt. Stasi brauchten wir<br />
für die Feldarbeit. Hanka, etwa vierzehn Jahre alt, war mit den Kühen und Kälbern beschäftigt.<br />
Dazu gehörte auch, mit ihnen vormittags und nachmittags für jeweils drei Stunden auf die Weide<br />
zu gehen. Stasi arbeitete fleißig, war aber nicht für Gespräche zu haben. Sie war eher verschlossen<br />
und konnte sich nicht so schnell an die Fremde und uns gewöhnen. Hanka war fröhlicher, wollte<br />
alles wissen und kam auch mit unserer Sprache ganz gut zurecht. Nach ein paar Monaten konnte<br />
man schon sehr verständlich mit ihr reden. Gegessen haben wir immer gemeinsam. Zum Schlafen<br />
hatten die beiden ein Zimmer neben unserem Mädchenzimmer. So konnte im Winter für sie<br />
mitgeheizt werden. Zu Weihnachten bekamen auch sie, soweit dies in der Kriegszeit möglich war,<br />
Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 117<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 117 31.08.2009 14:18:22 Uhr
Geschenke. Noch heute spricht Hanka von dem schönen roten Kleid, welches unsere Mutter ihr<br />
schenkte.<br />
Sie sagte uns, dass sie in Lemberg geboren sei. Eine Schule besuchte sie nie, sie hat weder ihre<br />
Mutter noch sonstige Angehörige je gesehen. Daher war sie sehr anhänglich und wünschte sich,<br />
dass unsere Mutter auch die ihre sein könnte. Die Tiere waren ihre Lieblinge. Katzen und Kälber<br />
hatte sie besonders gern. Wurde ein Kalb verkauft, weinte sie immer. Von unserem Vater hielt sie<br />
sich gern ein wenig abseits. Einmal schlief sie auf der Weide ein und die Kühe waren auf dem Haferfeld.<br />
Vater sah es, ging hinüber und weckte Hanka auf. Sie war sehr erschrocken und meinte,<br />
Vater würde sie schlagen. Es war aber nicht so. Er sagte ihr, sie solle besser auf die Kühe schauen<br />
und statt zu schlafen lieber auf der Mundharmonika spielen, die er ihr auch später gab. Diese Begebenheit<br />
hat sie bis heute nicht vergessen.<br />
So gingen die schrecklichen Kriegsjahre dahin. Viele Familien verloren Väter, Söhne oder nahe<br />
Angehörige. Unsere Arbeitskräfte aus der Ukraine blieben im Haus und versorgten mit uns den<br />
Bauernhof. Am Ostermontag, 2. April 1945, mussten wir erleben, was es heißt, mitten in der Front<br />
zu leben und mit Gottes Hilfe zu überleben. Unsere Arbeiter aus dem Osten wollten in ihre Heimatorte<br />
zurück. Sie gingen und mussten mit den russischen Militärfahrzeugen mitfahren. Weg<br />
waren sie.<br />
Die Jahre nach dem Krieg waren nicht leicht. An Hanka Symcitsch, wie ihr voller Name war,<br />
dachten wir oft. Sie war so anhänglich gewesen, und wir konnten mit ihr gut sprechen. Unsere<br />
Mutter wartete immer, und oft meinte sie: „Warum Hanka nicht schreibt?“ Diese hatte das des<br />
Öfteren probiert, doch kein Brief kam durch. Erst unter Präsident Gorbatschow gingen Briefe ins<br />
Ausland. Das erste Schreiben von Hanka kam am 22. Oktober 1985 in mein Elternhaus. Es war<br />
der erste Tag nach dem Tod unserer guten Mutter. Wir schrieben ihr einen langen Brief zurück.<br />
Sie freute sich so sehr, dass sie damit in ihrem Dorf auf die Straße lief und vor Freude lachte und<br />
weinte. Eine Lehrerin übersetzte für sie, so konnten wir schriftlichen Kontakt aufbauen.<br />
Meine Schwester Anna bekam zu ihrem 60. Geburtstag im Jahr 1987 von ihrer Familie eine<br />
Russlandreise geschenkt. Mit einer Reisegruppe flogen sie und ihr Mann Fritz nach Moskau und<br />
St. Petersburg. Eine gut deutsch sprechende Reiseleiterin brachte die Gruppe zu vielen Sehenswürdigkeiten<br />
dieser beiden Städte. Meine Schwester fragte die Reiseleiterin, ob sie nicht Hanka<br />
treffen könne, sie wohne nur zirka zwanzig Kilometer von Moskau entfernt. Die Frau half Anna,<br />
ein Telegramm zu schicken. Hanka kam dann tatsächlich ins Hotel. Nach 42 Jahren sahen sie einander<br />
– Anna und Hanka erkannten sich sofort. Die Einladung zum Essen lehnte sie ab – Hanka<br />
konnte vor Aufregung nichts essen. Beim Abschied ging sie mit zum Bus, sie weinte so viel und<br />
die ganze Reisegruppe mit ihr.<br />
In Russland wurden die Bedingungen für eine Ausreise etwas lockerer. Wir konnten Hanka eine<br />
Einladung schicken. Damit übernahmen wir die Verpflichtung, sie für die Zeit ihres Aufenthaltes<br />
mit allem Notwendigen zu versorgen. So konnte sie 1988 das erste Mal wieder nach Österreich<br />
118 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 118 31.08.2009 14:18:22 Uhr
kommen. 44 Stunden saß sie dafür im Zug. Anna und Fritz holten sie um sieben Uhr früh vom<br />
Bahnhof ab und brachten sie nach Hochwolkersdorf. Sie konnte es kaum fassen, dass nun Wirk-<br />
lichkeit war, worauf sie all die Jahre gehofft hatte. Unsere Sprache hatte sie nicht verlernt, sie<br />
hat mit ihren Ziegen immer deutsch gesprochen. Essen wollte sie so gerne Knödel, Schmarren,<br />
Schöberl und Verschiedenes, das unsere Mutter gekocht hatte, als Hanka noch Arbeiterin bei uns<br />
gewesen war. Sie erzählte viel aus ihrem Leben. Oft hätte sie uns geschrieben, doch alle Briefe<br />
waren zurückgekommen.<br />
Hanka konnte in den folgenden Jahren noch zehn Mal nach Österreich kommen. Sie brachte<br />
einmal ihre Tochter Tamara, einmal Sohn Viktor, einmal Schwiegersohn Jevgeni mit. Ihre Enkelinnen<br />
Irina und ein anderes Mal Natascha waren auch schon da.<br />
» Wenn du die Hamsterer gesehen hast, mein Lieber! «<br />
Josef Flasch, geb. 1936 in Pichl (Gemeinde Zöbern), Landwirt<br />
Dann war halt die Hamsterzeit. Schon während des Krieges und vor allem nach dem Krieg sind<br />
sie oft von Wien gekommen. Die Wiener waren vor dem Krieg ja Sommergäste gewesen. Jetzt<br />
kamen sie hamstern. Die waren froh, wenn sie einen ordentlichen Erdäpfelsterz zum Essen bekamen,<br />
Fleisch war eh eine Rarität. Und bei den Bauern war’s dann oft so: Als die erste Ernte gewesen<br />
ist, im 1945er-Jahr, sind oft die Leute von der Stadt gekommen und haben Ähren geklaubt,<br />
nämlich die Ähren, die runtergefallen sind. Die haben sie ausgeklopft. Wenn du die Hamsterer<br />
gesehen hast, mein Lieber! Da sind sie zur Mühle mit dem, was sie gesammelt haben, und haben<br />
dem Müller fünf, sechs Kilo Körndln gegeben. Dafür haben sie zwei Kilo Mehl gekriegt, damit sie<br />
was zum Essen gehabt haben. Oder zu den Bauern sind sie gekommen um Eier oder eine Henne.<br />
Da hat einer mal eine Kreissäge dafür gekriegt. Hat ein Hamsterer eine Kreissäge hergegeben,<br />
damit er eine schöne Henne kriegt. Wenn es eine junge gewesen ist, ist es eh gut gewesen, aber<br />
wenn’s eine dreijährige war, war sie schon zach. Oder Katzen haben wir als Kinder den Russen<br />
verkauft, Schädel weggeschnitten und gesagt: „Das ist ein Hase.“ Die Leute haben früher alles<br />
gegessen in der Not. Das glaubt man heute nicht, aber das war so.<br />
Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 119<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 119 31.08.2009 14:18:23 Uhr
» aus meiner Heimat verschleppt «<br />
Josef Starosta, geb. 1924 in Olszowa (Polen), wohnte in Krumbach, Maurer.<br />
Den folgenden Text hat er kurz vor seinem Tod 1995 geschrieben.<br />
Im Juli 1940 wurde ich sechzehnjährig aus meiner Heimat verschleppt und in ein Sammellager<br />
gebracht. Von dort wurde ich mit zirka vierhundert Personen nach Österreich ins Lager Manners-<br />
dorf-Sommerein überstellt, wo ich als Hilfsarbeiter eingesetzt wurde. Da ich noch Jugendlicher<br />
war, wurde ich Bauern zugeteilt. Ich kam nach Hattmannsdorf bei Hochneukirchen zum Landwirt<br />
Edelhofer. Dort war ich zwei Jahre im Dienst. 1942 kam ich nach Krumbach und wurde von Familie<br />
Schandlbauer als Pferde-Stallbursche und Landwirtschaftsarbeiter aufgenommen, wo ich die<br />
restlichen Jahre verblieb.<br />
Im April 1945 war Krumbach Durchzugsgebiet von Flüchtlingen. Die Angst vor den nachkommenden<br />
Russen war so groß, dass unser Markt von vielen Einwohnern verlassen wurde, die ich<br />
im Auftrag von Herrn Schandlbauer in höher gelegene Bauernhöfe bringen musste. Im alten Gemeindehaus<br />
wurde die Kommandantur der Russen eingerichtet, und ich wurde von der Gemeinde<br />
aufgefordert, für sie zu dolmetschen. Das war eine harte Zeit für Krumbach, da es Brandstiftungen<br />
und viele Plünderungen gab. Nach einigen Wochen hat sich alles wieder so weit normalisiert, dass<br />
ich bis 1951 bei Familie Schandlbauer weiterarbeiten konnte. In dieser Zeit lernte ich meine Frau<br />
kennen und entschloss mich, in Österreich zu bleiben.<br />
» in der Buckligen Welt Arbeitskräfte gesucht «<br />
Anna Glier, geb. 1929 in Untertannowitz/Dolní Dunajovice<br />
(Tschechische Republik), wohnt in Krumbach, Landwirtin.<br />
Der folgende Text wurde von ihrer Enkelin Veronika Koll aufgezeichnet.<br />
Ich wuchs in der Tschechoslowakei – um genau zu sein, in Südmähren – auf. In dieser Region<br />
lebten zu dieser Zeit hauptsächlich Sudetendeutsche. Meine Kindheit war eine sehr glückliche, da<br />
ich behütet in meinem Heimatort Untertannowitz bei meinen Eltern und meinen vier jüngeren<br />
Geschwistern aufwuchs. Als ich sechzehn Jahre alt war, der Krieg war soeben zu Ende gegangen,<br />
hörte man überall Gerüchte, dass Jugendliche im Alter zwischen fünfzehn und zwanzig Jahren<br />
ins Landesinnere verschleppt wurden. Meine Eltern beschlossen daher, dass ich vorübergehend<br />
ins grenznahe Österreich gehen sollte, da wir in Wien eine Verwandte hatten. In einer Nacht- und<br />
Nebelaktion gingen wir – mein Cousin, meine Cousine und zwei Schulfreunde – über die Grenze<br />
nach Österreich. Nach zwei Wochen hielt ich das Heimweh nicht mehr aus und ich schlich wieder<br />
zurück über die Grenze zu meinem Elternhaus. Meine Familie freute sich, als sie mich wieder sah,<br />
120 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />
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aber noch viel größer war die Angst, dass mich jemand verschleppen könnte. Schweren Herzens<br />
brachte mich mein Vater wieder zur Grenze und redete mir ins Gewissen, dass ich wieder zurück<br />
zu meinen Freunden gehen sollte. Zu fünft machten wir uns auf den weiten Weg nach Wien, teilweise<br />
zu Fuß, teilweise konnten wir bei jemandem mitfahren. In Wien angekommen konnte ich<br />
für ein paar Wochen bei meiner Verwandten unterkommen. Ihr Ehemann duldete mich allerdings<br />
nicht länger, und daher musste ich mir wieder etwas Neues suchen.<br />
Von meinem Schulkollegen erfuhr ich, dass in der Buckligen Welt Arbeitskräfte gesucht wurden.<br />
Zuerst bin ich beim Traint in Hosien in Dienst gekommen. Zu dieser Zeit fand in Unterhaus eine<br />
Unterhaltung statt, und dort habe ich meinen Ehemann Heinrich zum ersten Mal getroffen. Er<br />
war ein gut aussehender, junger Mann und hat mich damals zum Tanzen aufgefordert, obwohl<br />
weder er noch ich tanzen konnten. Heinrich meinte auch, dass ich nicht in Hosien bleiben sollte.<br />
Er wusste, dass der Strobl in Buchegg (Kager), einer der größten Bauern in der Gegend, Arbeiter<br />
suchte. Für die nächsten dreieinhalb Jahre musste ich sehr hart arbeiten – größtenteils Feld- und<br />
Waldarbeit, denn in der Küche wollte mich die Bäuerin nicht sehen. Eines muss ich dem Bauern<br />
zugute halten: Hunger musste ich keinen leiden.<br />
Heinrich war zu dieser Zeit beim Bucher (Heinrich Binder) in Buchegg Knecht, und aus diesem<br />
Grund konnten wir uns oft treffen. 1948 wurde ich mit meiner ersten Tochter schwanger. Der<br />
Strobl wollte allerdings nicht, dass ich mein Kind bei ihnen auf dem Hof bekomme. Gott sei Dank<br />
hat mich Heinrichs Tante aufgenommen – Frau Leitner aus der Sägemühle. Sie war eine herzensgute<br />
Frau, und ich werde ihr nie vergessen, was sie damals für mich getan hat. Nach zwei Monaten<br />
war es für mich wieder an der Zeit zu arbeiten. So kam ich wieder zum Strobl auf den Hof. Dort<br />
hielt ich es allerdings nicht mehr länger aus, und der Bucher (Glier) beschloss, mich endgültig zu<br />
ihnen auf den Hof zu holen.<br />
Mittlerweile waren sieben Jahre vergangen, dass ich meine Familie zum letzten Mal gesehen,<br />
geschweige denn, etwas von ihnen gehört hatte. Was ich zu dieser Zeit nicht wusste: Meine Eltern<br />
hatten mich bereits seit längerem über das Rote Kreuz gesucht. Für mich war es praktisch<br />
unmöglich, sie ausfindig zu machen, da sie ein gutes halbes Jahr nach mir aus der Tschechoslowakei<br />
nach Deutschland vertrieben worden waren. Unsere Hochzeit war im Jahr 1952, und nur<br />
ein paar Wochen vorher hatten mich meine Eltern gefunden. Sie waren von Baden-Württemberg<br />
in die Bucklige Welt gekommen, nur aufgrund einer Vermutung des Roten Kreuzes. In St. Corona<br />
feierten wir nun im Beisein meiner Eltern Hochzeit. Anstelle einer Kutsche oder eines schönen<br />
Autos, wie es heute üblich ist, fuhren wir mit einem Viehwagen von Krumbach nach St. Corona in<br />
die Kirche. Einige Zeit nach meiner Hochzeit fuhren wir mit dem Zug nach Deutschland, wo ich<br />
endlich nach sieben Jahren meine inzwischen erwachsenen Geschwister wiedersah.<br />
Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 121<br />
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» natürlich alle in die Fremde «<br />
Josef Riegler, geb. 1931 in Kirchschlag,<br />
Maurer, Bautechniker, Bankangestellter und Prokurist<br />
In den 1920er- und 1930er-Jahren war eine große Arbeitslosigkeit in Österreich. Viele Leu-<br />
te sind nach Amerika ausgewandert, so auch aus meiner Familie. Meine Mutter hatte neun Ge-<br />
schwister, das kann man sich ja heute überhaupt nimmer vorstellen. Sobald die ein bisschen dem<br />
Kindesalter entwachsen waren, kamen natürlich alle in die Fremde, arbeiteten dort als Kindermädchen<br />
oder Hausgehilfin oder Ähnliches, bis sie dann heirateten. Ein paar Geschwister von ihr<br />
waren ausgewandert. Die eine Schwester nach Kanada, der Bruder ist nach Amerika hinüber, hat<br />
eine gute Arbeit gefunden und hat’s so weit gebracht, dass er letzten Endes eine Fabrik sein Eigen<br />
nennen konnte.<br />
Die Schwester, die in Kanada war, hatte ein uneheliches Kind. Das war zur damaligen Zeit in<br />
Österreich etwas Furchtbares und hatte sie letzten Endes dazu gezwungen, ebenfalls auszuwandern.<br />
Dort haben sie sich eine Farm aufgebaut. Dem Foto nach, das ich gesehen habe, war das ein<br />
kleines Dörfchen, viel Verhüttelung war dort. Sie hat natürlich auch kein Honiglecken drüben gehabt.<br />
Wie sie einmal wieder hier war, hat sie mir erzählt: Sie hatte anfangs geglaubt, es geht nicht.<br />
Es war teilweise notwendig, das Land dort urbar zu machen, bis sie endlich eine wunderbare Farm<br />
gehabt haben. Dann haben sie eigentlich eh ein gutes Leben führen können.<br />
» ich wäre sofort dabei gewesen «<br />
Maria Mülleder, geb. 1920 in Schwarzau am Steinfeld, Nebenerwerbslandwirtin<br />
Ich war in der Blumauergasse im zweiten Bezirk in Wien. Da war ich bei Juden. Mir ist es dort<br />
nicht schlecht gegangen. 25 Schilling im Monat haben wir Lohn gekriegt, aber die Anfängerinnen<br />
haben nirgends mehr gekriegt, überall nur 25 Schilling. Wie sie den Juden dann alles weggenommen<br />
haben, haben sie mich wieder zu anderen Juden vermittelt. Das war ein junges Ehepaar.<br />
Ausgerechnet im 1938er-Jahr haben sie ein Baby kriegen müssen. Sie haben mir so leidgetan. Warum?<br />
Die Frau ist immer im Bad gesessen, und ich hab das alles gehört. Sie hat so verzweifelt geweint,<br />
so verzweifelt hat sie immer geweint. Sie wird sich Vorwürfe gemacht haben, denn damals<br />
ist es so gewesen: Er war ein Halbjude und sie eine Jüdin. Und weil sie verheiratet waren, hat er<br />
als Jude gegolten. Aber sie haben einen Plan gehabt: Nach England wollten sie auswandern, und<br />
da hätten sie mich mitnehmen wollen. Da war ich so abenteuerlustig. Ich wäre sofort dabei gewesen,<br />
mit den Juden nach England mitzugehen. Da hatte ich schon meinen Lebenslauf geschrieben.<br />
Ich hab aber nicht gedacht, dass mich der Hitler ja gar nicht mit den Juden hat ausreisen lassen.<br />
122 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 122 31.08.2009 14:18:23 Uhr
» Wir sind nach Schlesien gekommen «<br />
Anna Fritz, geb. 1923 in Grimmenstein, Geschäftsinhaberin<br />
Im 1938er-Jahr haben wir alle ein Pflichtjahr machen müssen. Wir sind nach Deutschland hi-<br />
nausgekommen. Wir haben ein Pflichtjahr machen müssen, bevor man einen Lehrplatz kriegt. Sie<br />
haben gesagt, wir kommen in ein Lager, und wir müssen nur arbeiten gehen. Natürlich sind wir<br />
nicht in ein Lager gekommen, sondern auf einen Bauernhof. Wir sind nach Schlesien gekommen.<br />
Da hat uns der Bauer, wo ich hingekommen bin, vom Bahnhof abgeholt. Zunächst hätte ich zu einer<br />
Frau kommen sollen, auch die Seger Reserl und die Ungersböck Anni hätte sie mitgenommen.<br />
Als wir drei mit ihr gegangen sind, hat sie zu mir gesagt: „Siehst, da musst du arbeiten und da<br />
musst einmal arbeiten, da ist unser Feld.“ Sind wir drei hinten geblieben und haben gesagt: „Mit<br />
der Frau geh ich nicht mit!“ Wir haben uns umgedreht und sind zum Bahnhof zurückgegangen.<br />
Wirklich wahr! Am Bahnhof waren noch die, die uns eingeteilt haben. Jetzt haben die herumtelefonieren<br />
müssen, dass sie uns angebracht haben. Dann ist der Konrad heruntergekommen. Jetzt<br />
hat er mich genommen und bin so auf seinen Bauernhof gekommen. Die Ungersböck Anni ist<br />
auf einem Bauernhof und in einer Fleischhackerei gewesen, und die Seger Reserl war bei einem<br />
Bauern und in einem Gasthaus. Und ich bin nur zu einem Bauern gekommen. Ein Jahr waren wir<br />
draußen.<br />
Eigentlich ist es mir recht gut ergangen. Ich hab Kühe melken müssen und das alles, aber ich<br />
hab nicht ausmisten müssen. Da waren noch zwei Burschen und zwei Mädchen, das war eine<br />
große Wirtschaft. Das Essen war auch gut. Ich hab nichts Separates gekriegt, ich hab immer mit<br />
ihnen mitessen können. Da waren sie wirklich in Ordnung.<br />
Ich hab die Familie im 1943er-Jahr noch einmal besucht. Als ich mein erstes Gehalt als Angestellte<br />
gekriegt habe, bin ich noch einmal hinausgefahren und hab sie besucht. Wie ich in Breslau<br />
umgestiegen bin, hat man schon das Schießen von der Ostfront gehört. Später haben sie alles<br />
liegen und stehen lassen müssen – und jetzt sind sie in Westdeutschland. In Westdeutschland hat<br />
der Bauer dann in einer Fabrik gearbeitet. Das sind halt so Erinnerungen.<br />
» Das war ein Überlebenskampf «<br />
Josef Kotoucek, geb. 1924 in Wien, seit der Kindheit in Warth,<br />
Arbeiter bei Schöller-Bleckmann<br />
In Russland haben wir mit Spaten und Gewehrkolben einen Schützengraben machen müssen.<br />
In der ganzen darauf folgenden Nacht lagen wir dort und hörten russische Panzer. Und am näch-<br />
sten Tag kommt ein Panzer aus dem Wald gefahren, die Bäume sind zusammengeklappt, und der<br />
Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 123<br />
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ist direkt auf unser Schützenloch zu. Das war das Übel von den Russen: Wenn die ein Schützen-<br />
loch gesehen haben, sind sie einfach so lange drübergefahren, bis nix mehr da war. Das haben<br />
wir gefürchtet. Wir waren ja in dem Loch drin. Der Panzer war vielleicht zweihundert Meter. Er<br />
genau auf uns zu, vielleicht noch hundert Meter weg von uns. „Jetzt sind wir erledigt!“ Zum Glück<br />
war aber hinter uns die Flak in Stellung – und der Panzer war schon in Fetzen! Aber das war ein<br />
Überlebenskampf. Die Flak hinter uns hat uns gerettet.<br />
» als Neuaustralier fühlte man sich so frei «<br />
Karl Kohlberger, geb. 1933 in Hochwolkersdorf, Schuhmacher und Heizer.<br />
Den folgenden Text hat er schriftlich verfasst.<br />
So einfach und problemlos war einst das Auswandern nach Australien. Anfang der 1950er-Jahre<br />
wurde viel Werbung gemacht: I.C.E.M. (International Commission Emigration Mission) – die<br />
Auswanderungskommission: Land der Zukunft, bestes Land der Welt, Vierzig-Stunden-Woche,<br />
hoher Verdienst usw. Australien wollte nur Personen aus Europa. Bei den Bezirkshauptmannschaften<br />
konnte man sich die erforderlichen Formulare besorgen. Zur Anmeldung brauchte man<br />
einen Staatsbürgerschaftsnachweis sowie einen handgeschriebenen Lebenslauf, Unbescholtenheit<br />
und ein polizeiliches Führungszeugnis, die vorgeschriebenen Impfungen, Gesundenuntersuchung<br />
von einem australischen und österreichischen Arzt.<br />
1954 meldete ich mich zum ersten Mal als Schuhmachergeselle an. Ich wurde leider enttäuscht<br />
und es wurde nichts daraus. 1955 nahm ich einen zweiten Anlauf aus Krieglach (britische Zone),<br />
wo ich arbeitete und auch gemeldet war, diesmal als Hilfsarbeiter. Nach nur drei Monaten war<br />
die Auswanderung für mich möglich. Anscheinend bestand damals von der russischen Zone keine<br />
Genehmigung, da mein Bruder bereits 1952 von Eferding in Oberösterreich ausgewandert war.<br />
Herr Georg Braumüller aus Hochwolkersdorf ist mit dem gleichen Schiff M.S. AURELIA beim<br />
nächsten Transport ausgewandert wie ich. Die Überfahrt war kostenlos, man musste sich bloß für<br />
zwei Jahre verpflichten und einen Seekostenbeitrag von tausend Schilling bezahlen. Als Auswanderer<br />
waren zirka vierhundert Personen von Österreich, dreihundert Malteser und vierhundert<br />
Italiener auf dem Schiff. Australien hatte damals von Europa tausende Facharbeiter, Hilfsarbeiter,<br />
sowie Leute von den Flüchtlingslagern aufgenommen. Es gab eigene italienische und griechische<br />
Auswanderungsschiffe. Reisedauer: 29 bis 30 Tage übers Meer.<br />
In Salzburg war das Sammellager der I.C.E.M.-Auswanderungskommission. Von dort fuhren<br />
wir mit einem Sonderzug am 12. Mai 1955 nach Triest. Am 13. Mai Einschiffung, dann nach Malta,<br />
15. Mai nach Port Said, 18. bis 21. Mai Rast (Motorschaden), 7. Juni Äquator-Taufe, 17. Juni in<br />
Freemantle, West Australien, 17. bis 20. Juni Rast (Motorschaden), am 26. Juni zu Mittag endlich<br />
124 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 124 31.08.2009 14:18:23 Uhr
das Ziel in Melbourne erreicht, am 27. Juni Abfahrt mit Zug nach Bornegilla (Sammellager).<br />
Viele gingen zur Eisenbahn, manche ins Radiumbergwerk. Ich zum Beispiel bevorzugte eine<br />
Butter- und Käsefabrik (Farmers Union) in Murray Bridge in Südaustralien, wobei ich das Glück<br />
hatte, in der Hauptsaison sechs Tage zu arbeiten: am Samstag fünfzig Prozent, am Sonntag hundert<br />
Prozent Zuschlag, so dass ich beinahe einen doppelten Wochenlohn hatte. Nach elf Monaten<br />
hatten wir am Fluss Murray ein Jahrhundert-Hochwasser. Die ganze Fabrik stand wochenlang<br />
unter Wasser.<br />
Mein nächster Arbeitsplatz war in einer großen Mühle. Zwei Jahre Schichtarbeit: von acht Uhr<br />
früh bis sechzehn Uhr sowie von 24 Uhr bis acht Uhr früh Mehlsäcke mit 150 Pfund verpacken<br />
und zunähen. Produktion in 24 Stunden: 1 200 Säcke Mehl. Die gleiche Firma Noske Brothers<br />
baute dann eine Futtermittelfabrik, wobei ich die Kesselwärterprüfung für Hochdruck machte<br />
und anschließend nur den Dampfkessel und die Presse zu bedienen hatte.<br />
Das erste halbe Jahr war etwas schwierig ohne Englischkenntnisse. Doch Fischen und Jagen<br />
war damals noch frei. Überhaupt als Neuaustralier fühlte man sich so frei. Es war für mich meine<br />
zweite Heimat. Wohnung absperren war nicht üblich, und manche ließen sogar den Autoschlüssel<br />
stecken, damit er bei der Arbeit nicht verloren geht.<br />
Die meisten Junggesellen hatten großes Heimweh. Nach drei Jahren Junggesellenleben ließ ich<br />
mir meine Brieffreundin aus Wiesmath mit dem Schiff nachkommen. Freie Überfahrt, tausend<br />
Schilling Seekostenbeitrag und in zwei Wochen war Hochzeit auf australisch. Zum Glück hatte<br />
meine Frau nie Heimweh und fühlte sich in der neuen Heimat vom ersten Tag an wohl. Und im<br />
Laufe der Zeit lernte sie auch Englisch.<br />
Dann brachen die Vollbeschäftigung und die Wirtschaft in Australien zusammen. Vollbeschäftigung<br />
hatte es bis 1960 gegeben. Dann plötzlich im Jänner 1961 über Nacht Kreditsperre. Es folgte<br />
eine große Arbeitslosigkeit. Ich musste Auto, Bauplatz und alles andere billig verschleudern, als<br />
wir wieder nach Österreich zurückkehrten. Nach sechsjährigem Aufenthalt verließen wir mit zwei<br />
in Australien geborenen Kindern das gelobte Land Australien wehmütig und kehrten wieder in die<br />
alte Heimat zurück, da wir das Elternhaus mit Kleinwirtschaft übernehmen mussten.<br />
Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 125<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 125 31.08.2009 14:18:23 Uhr
Hamsterer in Kirchschlag<br />
Landdienst in Lanzenkirchen<br />
von links: Angehöriger des Landdienstes, Anna Polatscheck, Angehöriger des Landdienstes,<br />
Maria Rodler, Johann Penall, Aurelia Pennal, Hr. Amminger<br />
126 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />
beim Ansturm auf den Postautobus<br />
während des Ersten Weltkrieges<br />
1916<br />
Foto: Archiv Vollnhofer-Wanek,<br />
Kirchschlag<br />
bei der Feldarbeit<br />
1940<br />
Foto: Herbert Swoboda,<br />
Lanzenkirchen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 126 31.08.2009 14:18:25 Uhr
Maid vom Arbeitslager in Schwarzau<br />
Ehemaliger Zwangsarbeiter als Rossknecht in Krumbach<br />
beim Wäschewaschen in<br />
der Schwarza<br />
1943<br />
Foto: Josef u. Anna Gamperl,<br />
Schwarzau am Steinfeld<br />
Josef Starosta 1948 Foto: Ingrid Starosta, Krumbach<br />
Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 127<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 127 31.08.2009 14:18:27 Uhr
Geflüchtete Sudetendeutsche in Krumbach<br />
Serbischer Kriegsgefangener in Thomasberg<br />
128 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />
von links:<br />
Heinrich Glier,<br />
Josef Kager, Anna Müller<br />
(Glier) aus Sudetenland,<br />
Walter Suchy (Knecht),<br />
Johann Leitner,<br />
Alois Haas (Knecht)<br />
1950<br />
Foto: Robert Müller, Krumbach<br />
beim Steineklauben<br />
mit Holzbütteln am<br />
Königsberg<br />
von links:<br />
Maria Heissenberger,<br />
Georg Schwarz,<br />
serbischer<br />
Kriegsgefangener<br />
um 1943<br />
Foto: Engelbert Ringhofer,<br />
Königsberg (Thomasberg)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 128 31.08.2009 14:18:28 Uhr
Zwangsarbeiter im Sägewerk Gallei in Scheiblingkirchen<br />
1940er-Jahre Foto: Josefa Gallei, Scheiblingkirchen<br />
„Umageher“ in Zöbern<br />
Der Kropfbertl bzw. Hundsbertl übernachtete mit seinen Hunden<br />
im Stall und verwendete für sich und seine Tiere das gleiche<br />
Essgeschirr. Für die Verpflegung verrichtete er auch kleine Arbeiten<br />
in seinen Stammhäusern.<br />
1958<br />
Foto: Franz Pölzlbauer, Kampichl (Zöbern)<br />
Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 129<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 129 31.08.2009 14:18:29 Uhr
Aussiedler in Wiesmath<br />
am Weg von der Neuris in die Kindlmühle um 1950 Foto: Josef Schwarz, Neuris (Wiesmath)<br />
Rote Armee in Erlach<br />
130 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />
vor der ehemaligen<br />
Wollwarenfabrik<br />
1945<br />
Foto: Johann Rädler, Bad Erlach<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 130 31.08.2009 14:18:30 Uhr
Auswanderer aus Hochwolkersdorf in Australien<br />
Fremdenlegionär aus Hochwolkersdorf in Vietnam<br />
bei zusätzlicher<br />
Wochenendarbeit<br />
von links: ein Australier,<br />
Karl Kohlberger und<br />
ein Kärntner beim<br />
Säckenähen<br />
1956<br />
Foto: Karl Kohlberger,<br />
Hochwolkersdorf<br />
Felix Ribisch mit<br />
einem Buben in Hanoi<br />
1954<br />
Foto: Maria Ribisch,<br />
Hochwolkersdorf<br />
Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 131<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 131 31.08.2009 14:18:32 Uhr
Lanzenkirchnerinnen bei der Musterung<br />
von links 1. Reihe: Johanna Preineder, Fr. Holzapfel (Dienstmädchen in Ofenbach), Maria Herzog,<br />
Aloisia Plochberger, Maria Wallner | 2. Reihe: Maria Lechner, Maria Stifter, Theresia Dögl,<br />
Johanna Ecker, Maria Ecker, Emma Kirchsteiger | 3. Reihe: Hansi Kornfeld, Anni Flechl<br />
BDM-Mädchen aus Hollenthon<br />
Foto: Maria Wödl, Hollenthon<br />
132 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />
bei der Schuhkontrolle im Lager<br />
1941<br />
für den Arbeitsdienst<br />
1941<br />
Foto: Herbert Swoboda,<br />
Lanzenkirchen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 132 31.08.2009 14:18:33 Uhr
Jagdflieger aus Schwarzenbach in Russland<br />
Edlitzer bei Bunkerarbeiten in Frankreich<br />
Foto: Familie Reisenbauer, Edlitz<br />
Engelbert Markus<br />
von links:<br />
Engelbert Markus,<br />
unbekannt<br />
1943<br />
Foto: Engelbert Markus jun.,<br />
Schwarzenbach<br />
von links: zwei unbekannt, Mathäus Reisenbauer<br />
1942<br />
Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 133<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 133 31.08.2009 14:18:35 Uhr
Walpersbacher bei Infanterieausbildung<br />
Offenes Kriegsgrab<br />
134 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />
mit zwanzig Särgen im Bereich der Westfront aus dem<br />
Infanterie-Regiment 125, von denen zwei nach der<br />
Kreideaufschrift identifizierbar sind: Josef Bertels (3/125)<br />
und Erich Birk (2/125)<br />
1940<br />
Foto: Karl u. Marianna Sanz, Lichtenegg<br />
an der Atlantikküste<br />
in Frankreich<br />
von links:<br />
Alois Kabicher,<br />
Johann Schwarz<br />
1943<br />
Foto: Helga Spies, Walpersbach<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 134 31.08.2009 14:18:36 Uhr
Freizeitwelten<br />
Dass Freizeit ein alltäglicher,<br />
von der Arbeit abgegrenzter<br />
Bereich ist, ist historisch<br />
noch sehr jung. Gerade in<br />
agrarisch geprägten Lebensverhältnissen<br />
war Freizeit<br />
auf wenige Stunden an<br />
Sonn-, Fest- und Feiertagen<br />
begrenzt. Oft wurden<br />
aber „Freizeitaktivitäten“ in<br />
Arbeitsvorgänge eingegliedert.<br />
Erst mit gesetzlichen<br />
und sozialpartnerschaftlichen<br />
Regelungen der Arbeitszeiten<br />
und der fortschreitenden Technisierung ist Freizeit seit den 1950er-Jahren mehr und mehr<br />
nicht nur zu einem Massenphänomen geworden, sondern zu einer wichtigen ökonomischen Größe<br />
in der Konsumgesellschaft.<br />
Zahlreiche ältere Menschen aus der Buckligen Welt erinnern sich vor allem an die Fest- und Feiertage<br />
im landwirtschaftlich und religiös geprägten Jahresablauf. Der „Schnidahahn“ am Ende der<br />
Ernte gehört ebenso dazu wie Hochzeiten, Kirtage und Faschingsbälle. Viele weisen auch darauf<br />
hin, wie Radio und Kino schon ab den 1930er-Jahren zunehmend zu einem Freizeitangebot wurden<br />
und neue Informations- und Erfahrungsräume schufen, mit denen bislang unbekannte – reale und<br />
fiktive – Welten in die eigene Lebenswelt Einzug hielten. Und während der Urlaub an der adriatischen<br />
Mittelmeerküste heutzutage oft eine alljährliche Selbstverständlichkeit ist, war ein solcher in den<br />
1950er- und 1960er-Jahren immer noch etwas Außergewöhnliches.<br />
Die Fotos dokumentieren eine vielfältige Gestaltung der grundsätzlich sehr knapp bemessenen Freizeit.<br />
Deutlich wird, dass eine aktive Freizeitgestaltung vor allem bei Männern akzeptiert war. Freizeit<br />
bedeutete etwa, dass man sich an Sonn- und Feiertagen festlich anzog und am Gottesdienst teilnahm.<br />
Freizeit hieß aber auch, dass man kleine Ausfahrten mit Pferdekutschen, Fahrrädern oder<br />
Motorrädern unternahm. Oder dass man sich einfach mit den Nachbarn auf Bänken in der Dorfstraße<br />
zusammensetzte und plauderte. Ganz wichtig waren die Theateraufführungen, das Volkstanzen<br />
und die Brauchtumspflege, die meistens von kirchlichen Organisationen getragen wurden.<br />
Freizeitwelten - 135<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 135 31.08.2009 14:18:37 Uhr
» Feste, die wir gehabt haben «<br />
Ernestine Holzbauer, geb. 1935 in Krumbach, Büroangestellte<br />
Jetzt erzähle ich euch über unsere Feste, die wir gehabt haben. Zu Neujahr sind wir Neujahr-<br />
wünschen gegangen und haben dafür Geld gekriegt: „Ich wünsch ein glückliches neues Jahr, weil<br />
das alte ist schon gar!“ Am 6. Jänner, Heilige Drei Könige, sind wir räuchern gegangen, wie man<br />
das jetzt noch macht. Wir haben Glut in ein Reinderl hineingegeben und Weihrauch drauf und<br />
Weihwasser. Und mit den Palmkatzerln, die man noch gehabt hat, hat man die Tiere besprengt<br />
und in jedes Zimmer hineingesprengt. Die Tiere haben ein besonderes, gutes Futter gekriegt, weil<br />
in dieser Nacht können ja die Tiere reden, da muss man aufpassen, dass sie nichts Böses sagen.<br />
Dann war Lichtmess, am 2. Februar, das war eigentlich ein ganz wichtiger Tag im bäuerlichen<br />
Leben. Erstens einmal sind die Kerzen in der Kirche geweiht worden, die hat man zum Anzünden<br />
gebraucht, wenn ein Gewitter war und wenn wer gestorben ist. Und zweitens war dann für die<br />
Bauern das Arbeitsjahr vorbei. Da sind die Dienstleute „umgebracht“ worden. Umgebracht heißt<br />
aber nicht gewalttätig, sondern von einem Dienstplatz zum anderen „umabracht“ worden. Da sind<br />
sie halt mit ihrem Koffer und Buckelkorb – oder mancher hat sogar schon einen Kasten gehabt,<br />
die waren schon die besseren Dienstleute – gegangen. Ich habe noch von meinem Onkel einen<br />
zerlegbaren Kasten am Boden stehen. Den haben sie sich mitgenommen. Wenn wer einen Kasten<br />
gehabt hat, war das schon ganz was Besonderes.<br />
Am Fasching sind wir Kinder „faschingsnarrner“ gegangen. Das war auch ganz wichtig, denn da<br />
haben wir alles Mögliche gekriegt: Eier, Krapfen haben zwar nicht viele gehabt, aber doch Lebensmittel.<br />
Die Mütter waren ganz froh, wenn wir so etwas heimgebracht haben. Wir haben halt unsere<br />
Verserl aufgesagt. Am Faschingsdienstag, wie dann die Zeit schon besser gewesen ist, waren die<br />
Unterhaltungen. Am Faschingsmontag war der Bauernball, das war ein ganz nobler Ball. Und am<br />
Faschingsdienstag haben auch schon die Jüngeren gehen dürfen. Da ist das Sprichwort gegangen:<br />
„Am Faschingsdienstag führt der Bauer den Mist aus.“ „Mist“ waren die jungen Mäderln, die mitgehen<br />
haben dürfen. Und jeder Freitag war ein strenger Fasttag. Jeder Freitag in der Fastenzeit<br />
und jeder Freitag im Jahr überhaupt, und in der Fastenzeit war es ganz arg.<br />
Dann am Palmsonntag war die Palmweihe, und wenn man den Palmbesen getragen hat, hat<br />
man Würschtel und ein Kracherl gekriegt. Das war ganz etwas Wertvolles. Manchmal haben sie<br />
so schöne Palmbuschen gehabt, so riesige, dass sogar die Knechte sie haben tragen müssen. Das<br />
hat ein Kind gar nicht tragen können. Dort war ein Laub drinnen, und jeder hat das schöne Laub<br />
vom anderen herausgezupft. Da haben sie in der Kirche öfter einmal eine Rauferei gehabt, sie haben<br />
oft gerauft. Und einmal hat der Pfarrer bei der Palmweihe einschreiten müssen. Da haben sie<br />
gleich mit den Palmbesen hingedroschen.<br />
Am Gründonnerstag, da fliegen die Glocken nach Rom. Da bin ich allerweil gestanden und hab<br />
geschaut, ob ich sie einmal fliegen sehe, aber ich hab sie nie gesehen. Das war ein strenger Fasttag.<br />
136 - Freizeitwelten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 136 31.08.2009 14:18:37 Uhr
Da hat es zu Mittag nur einen Brennnesselspinat und einen Erdäpfelschmarren gegeben. Kennt<br />
ihr einen Brennnesselspinat? Mhm, guat! Am Karfreitag hat es eine Bohnensuppe gegeben. Und<br />
früher war es so, dass man am Karsamstag schon die Auferstehung gefeiert hat, da war auch die<br />
Feuerweihe. Man hat den Ofen komplett ausgekehrt und gereinigt und die Glut gebracht. Mit der<br />
geweihten Glut ist das Weihfleisch gekocht worden, und am nächsten Tag ist das Fleisch geweiht<br />
worden. Dann hat man als erste Speise in der Früh ein Ei gekriegt und einen Schinken, also ein<br />
Geselchtes und einen Kren und ein Weihbrot, das war die erste Mahlzeit des Tages. Nach dem<br />
Mittagessen zu Ostern ist man in die „Groa“ gegangen, das kennt ihr. Ins Grüne heißt das, man<br />
geht über die Felder und steckt Palmzweigeln hinein, die Palmbesen, damit die Ernte gedeiht.<br />
Dann war das Maibaumaufstellen, das Maibaumumschneiden und das Maibaumstehlen. Und<br />
dann ist die Ernte gekommen, der Ernteabschluss. Da hat man die Garben heimgeführt zum Dreschen,<br />
eine schöne Hafergarbe hat man geschmückt wie eine Braut, also mit Blumen und allem,<br />
das war die Haferbraut. Die hat man der Bäuerin daheim übergeben als Abschluss der Ernte, und<br />
die Bäuerin hat dann irgendein gutes Essen gekocht für die Schnitter. Das war der Schnidahahn!<br />
Dann war der Kleinfasching bis 25. November, und dann hat es geheißen: „Kathrein sperrt den<br />
Tanz ein.“ Dann hast du den ganzen Advent nimmer tanzen dürfen. Am 4. Dezember waren die<br />
Barbarazweige zum Abschneiden. Der Thomastag, die Thomasnacht, ist auch eine von den Rauhnächten.<br />
Da muss man sich zum Bett hinstellen und aufs Bett hintreten: „Heiliger Thomas, ich<br />
bitt dich, schick mir einen Traum von meinem zukünftigen Maun.“ Das waren solche Scherze.<br />
Weihnachten war immer sehr feierlich. Es hat nicht viel gegeben. Ein Buch habe ich immer gekriegt<br />
und eine Kleinigkeit noch dazu, und dann hat es einen Teller mit gebackenen Keksen gegeben<br />
und ein paar Orangen. Dann war das Jahr aus.<br />
» Dann ist groß aufgekocht worden «<br />
Amalia Bleier, geb. 1913 in Krumbach, verzog später nach Bad Schönau,<br />
Landwirtin und Wirtin<br />
Schnidahahn war der Abschluss, wenn die Ernte eingebracht gewesen war. Die letzte „Garm“ hat<br />
man zu so einem Binkerl von der Frucht gesagt. Die ist aufgeputzt worden, ist auf einen Wagen<br />
hinaufgekommen, und das ist heimgeführt worden. Das war’s dann. Danach ist groß aufgekocht<br />
worden für die ganzen Leute, die geholfen haben, weil früher ja alles händisch am Feld gearbeitet<br />
worden ist. Und einen Wein hat’s gegeben. Wie ich Kind war, habe ich um einen Gumpoldskirchner<br />
in das Gasthaus gehen müssen. Aufschnitt hat’s gegeben, Schnitzel und alles Mögliche halt.<br />
Auch ein Harmonikaspieler war dabei. Man hat getanzt. Das war nur der Ausklang vom Schnitt,<br />
Freizeitwelten - 137<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 137 31.08.2009 14:18:37 Uhr
weil dann die Hauptarbeit beendet war. Das war meist im August. Im September ist’s dann schon<br />
wieder angegangen am Feld zum Arbeiten, die Wintersaat.<br />
» viele Maschkerer «<br />
Theresia Reisner, geb. 1918 in Aigen (Gemeinde Kirchschlag),<br />
seit 1937 in Gleichenbach (Gemeinde Hollenthon), Landwirtin<br />
In Gleichenbach hab ich geheiratet. Von Aigen aus sind wir zu Fuß gegangen. Geregnet hat’s<br />
auch. Auf dem Weg ist alles voller Dreck gewesen. Angelegt hab ich das Brautkleid dann in Glei-<br />
chenbach. Ich hab eine schöne Hochzeit gehabt. Wie’s halt war, waren viele Maschkerer. Die Glei-<br />
chenbacher sind dort schon maschkern gegangen, aber wer da war, das weiß ich eigentlich heute<br />
nicht mehr, die Jungen halt. Die Doppler-Mutter ist oft gekommen und hat gesagt: „Mei, ich muss<br />
dir jetzt was sagen!“ – „Ja“, sag ich, „was ist denn leicht?“ Sagt sie: „Bei eurer Hochzeit haben die<br />
Maschkerer auch was zu essen und was zu trinken gekriegt. Das ist die erste Hochzeit, wo das<br />
war!“ Ob’s wahr ist, weiß ich nicht. Die Doppler-Mutter hat mir das halt erzählt. Sie lebt schon<br />
lange nicht mehr.<br />
» Die Annakirtage gleichen jetzt mehr einem Jahrmarkt «<br />
Alois Mayerhofer, geb. 1921 in Wiesmath, Landwirt. Der folgende Text ist ein Auszug<br />
aus seinem Buch „Erinnerungen. Beiträge und Gedichte eines Brautführers<br />
und Mundartdichters aus der Buckligen Welt.“ Kirchschlag (Mayrhofer) 2004.<br />
Die Kirtage wurden damals erst nach Einbringung der Ernte abgehalten. Die heilige Mutter<br />
Anna galt als Patronin der Mütter, und so kam es, dass diese Kirtage auf Ende Juli fielen. Daher<br />
wurde am Annatag und am Sonntag danach gründlich gefeiert. Andere Feste waren damals nur<br />
selten und beschränkten sich hauptsächlich auf den Fasching. An diesen beiden Tagen strömten<br />
Gläubige aus allen Himmelsrichtungen zur Annakirche. (…) Singend und betend zogen sie dann<br />
in die Kirche ein, wo die heilige Messe gestaltet wurde. Viele ehemalige Wiesmather nutzten die<br />
Gelegenheit, um die Gräber ihrer Angehörigen zu besuchen. Die Pflege dieser Gräber war eine<br />
mühsame Angelegenheit, da das Wasser von weit her gebracht werden musste. Nach der kirchlichen<br />
Feier hatten viele Gläubige Andenken mitgenommen, um sie in ihrem Heim zu verehren.<br />
Oft waren es nur ein paar Heiligenbilder.<br />
Die Marktfahrer nutzten die Gelegenheit, um ihre Waren anzubieten. Teilweise kamen sie schon<br />
138 - Freizeitwelten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 138 31.08.2009 14:18:37 Uhr
am Vortag und mussten in den Gasthäusern oder auch bei einem Bauern übernachten. Da in den<br />
meisten Häusern zu dieser Zeit noch Tiere gehalten wurden, hatte man für ein Paar Pferde oft<br />
noch Platz. Der Andrang zu diesem Kirtag war so groß, dass sogar Autobusse eingesetzt werden<br />
mussten, welche die Besucher vom Annaberg in den Markt und wieder zurückbrachten. Die Firma<br />
Partsch, die damals bereits eine Linie über Wiesmath besaß, besorgte dies vorzüglich im Abstand<br />
von zehn Minuten.<br />
Der Annakirtag entwickelte sich mehr und mehr zu einem Volksfest, bei dem Jung und Alt auf<br />
ihre Rechnung kamen. Es mag im Jahr 1926 gewesen sein, als mir meine Eltern zwei Spielrösser<br />
aus Blech kauften. Manches Begehren wurde mir abgewiesen, aber einen Stoppelrevolver musste<br />
ich mir erbitten, als ich in die Schule kam, damit ich mit den anderen Klassenkameraden mithalten<br />
konnte. Auch Zauberkarten konnte ich mir erwerben, mit denen ich große Freude hatte. Ich<br />
kann mich noch gut erinnern, als die ersten Eisverkäufer gerufen haben: „Echt amerikanisches<br />
Kunsteis, Tausend-Kronen-Portionen.“ Gemeint waren aber zehn Groschen. Der Metstand war<br />
auch alle Jahre vertreten. Dort gab es allerlei Süßigkeiten, wie Lebkuchen, Türkischen Honig usw.<br />
Da die Jugendlichen meist wenig Geld hatten, waren die Wespen dort die eifrigsten Besucher.<br />
Die sogenannten „Schleudererwastler“ waren auch nicht zu überhören. Allgemein wurde vielerlei<br />
Bäckerei angeboten, Schaumrollen gab es nur selten. Vom Obst wurden damals die sogenannten<br />
„Annabirnen“ und auch Ringlotten feilgeboten. Paradeiser waren erst im Kommen.<br />
Für die Unterhaltung gab es jedes Jahr etwas Neues. Die Schießbuden waren eine Selbstverständlichkeit.<br />
Großen Andrang gab es bei den Ringelspielen. Während das kleine von uns Schülern<br />
selbst angetrieben wurde, musste das große mit einem Benzinmotor in Bewegung gebracht<br />
werden. Auch ein paar Schaukeln waren stets in Verwendung. Wer seine Zukunft erfragen wollte,<br />
hatte dazu bei einem Stand mit Papageien oder anderen Vögeln reichlich Gelegenheit. Auch weiße<br />
Mäuse und andere Tiere zeigten um Geld gerne ihre Künste.<br />
Aber auch für die Erwachsenen war der Annakirtag eine willkommene Abwechslung. Waren<br />
viele, die auf „Schnitt aus waren“, ja erst heimgekommen und konnten ihr hart verdientes Geld für<br />
Kleider und dergleichen anwenden oder auch „billig loswerden“. Manche Gartenbesitzer in günstigen<br />
Lagen der Umgebung hatten durch Kirschenverkauf und Kirschenpflücken mäßige Einnahmen,<br />
die sie in Waren umsetzen konnten. Besonders das Angebot auf dem Textilsektor war sehr<br />
groß, man konnte sich von Kopf bis Fuß einkleiden. Da damals Mann und Frau Schürzen trugen,<br />
war der „Blaudruck“ sehr beliebt. Aber auch mit Seilerwaren aller Art und mit Peitschen konnte<br />
man sich eindecken. Die verschiedensten Decken für Mensch und Pferd durften auch nicht fehlen.<br />
Aber auch für die Hausfrauen gab es stets Neuigkeiten, angefangen vom Geschirr aller Art, dazu<br />
gehörten „Milchhäferl“ zur Rahmgewinnung. Es gab auch hübsche Korbwaren und so genannte<br />
„Schwingen“, die man zur Kartoffel- und Rübenernte benötigte.<br />
Mittelpunkt des ganzen Geschehens war aber das Gasthaus. Hier tummelte sich nach den Messen<br />
schon eine große Menschenmenge, um einen guten Schweinsbraten zu bekommen, da der<br />
Freizeitwelten - 139<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 139 31.08.2009 14:18:37 Uhr
Wirt ein Schwein geschlachtet hatte. Schnitzel waren damals noch nicht üblich. Vor dem Gast-<br />
haus standen durstige Schlangen, da der Wirt ein Fass Bier angeschlagen hatte. Am frühen Nach-<br />
mittag, um zirka ein Uhr, begann dann die „Freimusik“, welche immer gut besucht war. Bei die-<br />
ser Tanzmusik, bei der auch viele fremde Jugendliche herkamen, wurden oft freundschaftliche<br />
Beziehungen angeknüpft. Diese Unterhaltung wurde meist vom Lärm der „Kegelbudel“ übertönt.<br />
Hier herrschte seit dem frühen Vormittag rege Tätigkeit. Die Spieler, und besonders auch die<br />
„Kegelaufsteller“, die manchmal das meiste gewonnen hatten, kamen gelegentlich, um sich ein<br />
Glas Bier zu holen. Von kleinen Wortgefechten abgesehen, verliefen diese Kirtage im angenehmen<br />
Rahmen. Die ältere Generation hat diese Großveranstaltung noch in guter Erinnerung.<br />
Durch den Zweiten Weltkrieg wurde diese Wallfahrertradition unterbrochen und konnte in diesem<br />
Ausmaß nicht wiederbelebt werden. Die Annakirtage gleichen jetzt mehr einem Jahrmarkt,<br />
und mit der Schließung des Gasthauses ging ein Stück Gemütlichkeit verloren.<br />
» Höre im Radio recht lustig «<br />
Alois Sagmeister, geb. 1872 in Pitten, Jurist.<br />
Sagmeister hat zeit seines Lebens ausführlich Tagebuch geführt.<br />
Am „Sonntag, d. 7. April 29“ schreibt er beispielsweise:<br />
„Stürmischer Wind und kalt. Höre im Radio recht lustig ein Fußballspiel Wien gegen Italien<br />
(3:0), sodann einen Lappland-Vortrag und erfahre mit Staunen, dass man im Autobus durch den<br />
Norden Finnlands bis zum Eismeer oder Motorboot befahrenen Seen und Flüssen fährt.“<br />
» Volksempfänger haben die geheißen «<br />
Elfriede Hofer, geb. 1932 in Scheiblingkirchen, Fleischhauerin und Verkäuferin<br />
Im Krieg haben wir auch einen Radio gehabt, Volksempfänger haben die geheißen. Vom Hitler<br />
haben wir den sozusagen zur Verfügung gestellt gekriegt. Aber du hast keinen anderen Sender<br />
hören dürfen, denn das war ja gefährlich. Also wirklich, es hat Spitzel gegeben. Da haben wir auch<br />
etwas gelernt, wo gesagt worden ist: „Nicht denunzieren!“ Viele wurden verraten, zum Beispiel:<br />
Mein Nachbar hat auch die Nachbarin verraten. Sie hat sich hitlerfeindlich geäußert, die ist ins<br />
KZ gegangen.<br />
140 - Freizeitwelten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 140 31.08.2009 14:18:37 Uhr
» wir haben uns am Abend mit Grammeln angegessen «<br />
Margaretha Brósch-Fohraheim, geb. 1896 in Wien, lebte mehrere Jahre<br />
mit ihrer Familie in Pitten. Der folgende Text ist ein Auszug aus ihrem<br />
Tagebuch vom April und Mai 1945, das sie als einen Brief an ihren Vater,<br />
den Baumeister Ignaz Endlweber, geschrieben hat.<br />
Heute in der Früh hörten wir durch das Radio, dass Präsident Roosevelt gestorben ist. Ebenso<br />
hörten wir, dass die Feldmarschälle Sperrle und Richthofen gefangen seien, und dass in Süd-<br />
deutschland 85 hohe und höchste Offiziere der Luftwaffe hingerichtet wurden.<br />
Bei uns ist es schon relativ normal; gestern haben Manhalters eine Sau abgestochen und wir<br />
haben uns am Abend mit Grammeln angegessen. Heute Abend habe ich drei Schüsseln voll Sulz<br />
gemacht, und im Keller liegt noch Fleisch für ein fettes Reisfleisch. Nachmittags muss Gustl noch<br />
um unser rationiertes Fleisch gehen, und wir bekommen außer der Gebührenmilch noch extra<br />
Milch von Manhalter, so dass Mutter Kaffee (natürlich aus spitzen Bohnen) und Milchpapperl<br />
bekommt. Wenn wir von dem guten Essen nur unseren Leuten in Wien etwas zukommen lassen<br />
könnten!<br />
» Programm war nur ein paar Stunden «<br />
Markus Schneeweis, geb. 1933 in Edlitz, aufgewachsen in Wiesmath, Landwirt<br />
Im Kino hab ich gerne Heimatfilme geschaut, die Western waren auch schon da. Unterm Krieg<br />
gab es die Gaufilmstelle. Jedes Monat gab es einen neuen Film. Das waren auch oft Heimatfilme.<br />
Aber hauptsächlich gab es die Wochenschau. Da haben sie alles vom Krieg gezeigt. Die Wochenschau<br />
war das Interessanteste.<br />
Den ersten Fernseher in Wiesmath hat der Ernst gehabt. Da sind wir hingegangen, um zu schauen.<br />
Selber haben wir uns den ersten Fernseher im 1965er-Jahr gekauft. Das war schwarz-weiß<br />
damals. Programm war nur ein paar Stunden. Da war ja nur auf d’ Nacht ein wenig was. Beim<br />
Tag ist ein Testbild gewesen, damit, wenn du dir einen Fernseher gekauft hast, den einstellen hast<br />
können. Zum Schluss haben sie die Bundeshymne gespielt – und dann war’s aus.<br />
Freizeitwelten - 141<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 141 31.08.2009 14:18:38 Uhr
» Jugoslawien, wunderschön! «<br />
Josef Giefing, geb. 1930 in Wiener Neustadt, lebt in Lanzenkirchen,<br />
Schlosser und ÖBB-Bediensteter<br />
Dann haben wir angefangen, in den Urlaub zu fahren. Wir haben uns einen Sunbeam gekauft<br />
mit 70 PS. Wir, das waren noch eine Schwägerin, die ist in Traiskirchen zu Hause, und mein Bru-<br />
der. Wir haben gesagt: „Wir fahren campen!“ Und die Schwägerin hat schon gewusst wohin: nach<br />
Jugoslawien. Das war eine Aktion! Jetzt haben wir kein Zelt gehabt. Hat die Schwägerin gesagt:<br />
„Macht nix, meine Tante hat eh ein Zelt, das leiht sie uns.“ Leiht sie uns das Zelt, jetzt haben wir’s<br />
eingepackt, den Kofferraum voll angefüllt, eine Dachgalerie gekauft, angefüllt, die drei Kinder<br />
auf der hinteren Bank. Die sind dann pünktlich in der Früh da gewesen von Traiskirchen, und<br />
dann sind wir über die Steiermark – da hat’s keine Autobahn gegeben – über die Landesstraße<br />
gefahren. Na, wie sind wir da aufgelebt! Jugoslawien, wunderschön! Dann hat der Bruder kein<br />
Zelt gehabt. Haben wir gesagt: „Kaufen wir in Jugoslawien das Zelt.“ Was soll ich euch sagen?<br />
Marburg, wie heißt das auf jugoslawisch? Ach ja, Maribor! Dort sind wir stehen geblieben, überall<br />
sind wir Zelt kaufen gegangen – haben aber nie eines gekriegt. „Na guat“, haben wir gesagt,<br />
„fahren wir weiter.“<br />
In Crikvenica haben wir übernachten müssen, weil es da schon finster gewesen ist. In die Pensionen<br />
gegangen: „Ja, da! Da noch Platz frei!“ Haben wir gesagt. „Zimmer zum Schlafen!“ – „Wie<br />
lange?“ – „Ganze Woche!“ Ist keine ganze Woche geworden. Wir ins Zimmer hinauf, reingefallen<br />
ins Bett und geschlafen. Dann werde ich um vier in der Nacht munter und muss aufs Klo gehen.<br />
Ich hab schon vorher geschaut, wo das Klo ist, geh ich heraus da im Finstern, das Licht hat nicht<br />
gebrannt, renne ich mit einem mitten in der Nacht zusammen. Er redet mich auf Deutsch an und<br />
ich ihn auch. Sag ich: „Hearst, dich kenn ich ja!“ – „Ich kenn dich auch!“ Jetzt haben wir uns dann<br />
schön vorgestellt, war’s der Baumgartner-Wirt, der Sepperl von oben. Als ob wir uns sonst nicht<br />
hätten treffen können.<br />
Dann haben wir zwei Nächte dort geschlafen. Wir haben so einen kleinen Kocher gehabt. Kochen<br />
haben wir aber nicht dürfen im Zimmer, sind wir rausgefahren und haben Suppe gekocht. Dann<br />
sind wir wieder heimgegangen und haben dort was gegessen, sind spazieren gegangen, und dann<br />
haben wir gesagt: „Morgen fahren wir weiter! Nach Zadar wollen wir.“ Sind zu einer Hotelanlage<br />
plus Campingplatz gefahren. Na, was machen wir? Zelt haben wir nur eines. Haben wir gesagt:<br />
„Schlafen halt ein paar im Auto, und der Rest haut sich ins Zelt eini.“ Na ja, wie? Die Kinder und<br />
die Frauen ins Zelt hinein, und mein Bruder und ich sind im Fahrzeug gelegen. Kopf und die Haxen<br />
haben wir herausgehalten. Haben wir gesagt: „Wenn da einer geht, der rennt eh gleich davon,<br />
wenn wir die Füße aussihalten.“ Es ist aber eh nix gewesen. Da haben wir den Urlaub also so verbracht<br />
mit dem einen Zelt. Und wir haben eine Mordsgaudi gehabt. Es ist wunderschön gewesen.<br />
Wir sind dann heimgefahren und sind dann noch zwanzig Mal nach Jugoslawien gefahren.<br />
142 - Freizeitwelten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 142 31.08.2009 14:18:38 Uhr
Erzherzogin Zita im Maierhof Frohsdorf<br />
Sonntagsausfahrt in Bad Erlach<br />
von links:<br />
drei unbekannt,<br />
Don Jaime,<br />
Erzherzogin Zita,<br />
unbekannt<br />
1910<br />
Foto: Herbert<br />
Swoboda,<br />
Lanzenkirchen<br />
von links:<br />
zwei unbekannt,<br />
Theresia und<br />
Franz Hammer<br />
1942<br />
Foto: Wilhelm Kovacs,<br />
Bad Erlach<br />
Freizeitwelten - 143<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 143 31.08.2009 14:18:38 Uhr
Im Flussbad Seebenstein<br />
Winterfreuden am Weißjackl in Pitten<br />
144 - Freizeitwelten<br />
1930<br />
Foto: Theresia Malainer, Seebenstein<br />
1933<br />
Foto: Museums- &<br />
Bildungsverein Pitten<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 144 31.08.2009 14:18:39 Uhr
Beim Troadbeten in Bromberg<br />
Weinlesefest in Katzelsdorf<br />
von links: Fritz Wallner, Julius Ofenböck, Karl Gruber, Maria Wallner, Johann Woltran,<br />
Martin Zehetner, Josef Kornfeld, Maria Hahn, Alfred Wallner, Rosa Hochstätter, Karl Hahn<br />
von links:<br />
Juliana Fürst,<br />
Franz Fürst (Berghof),<br />
Elisabeth Fürst,<br />
Franz Fürst,<br />
Christine Fürst<br />
(Ponweiser),<br />
Annemarie Piribauer<br />
(Pölzelbauer),<br />
Martin Fürst,<br />
Gertraud Fürst<br />
1968<br />
Foto: Gregor Schauber,<br />
Stift Reichersberg<br />
1948<br />
Foto:<br />
Gemeinde Katzelsdorf<br />
Freizeitwelten - 145<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 145 31.08.2009 14:18:41 Uhr
Sonntagsszene in Schwarzenbach<br />
Beim Tischgebet in Schwarzau<br />
146 - Freizeitwelten<br />
von links:<br />
Erna, Maria, Hedwig,<br />
Hans, Franz sen. und<br />
Franz jun. Dutter<br />
1937<br />
Foto: Josef Dutter,<br />
Eggenbuch (Schwarzenbach)<br />
Foto: Franz Fuchs,<br />
Schwarzau am Steinfeld<br />
von links stehend: Maria Lechner, Katharina Lechner (Fuchs), Franziska Lechner (Ofenböck), Jakob Lechner jun., Johann Lechner,<br />
Jakob Lechner sen. | sitzend: Gerda Schmid (Sommerfrischlerin aus Wien)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 146 31.08.2009 14:18:44 Uhr<br />
1948
Sonntagsruhe in Hochwolkersdorf<br />
vor dem Haus Ernst in der Hauptstraße 1945 Foto: Gemeinde Hochwolkersdorf<br />
von links: unbekannt, Karl Zehetner, Theresia Steiner, Rosalia Steiner, Maria Blank, Johann Blank, Karl Blank, Franz Manninger,<br />
Josef Steiner, Anna Steiner, Hermine Manninger mit Brigitte Manninger<br />
Beim Sauschädelessen in Kaltenberg<br />
zu Silvester 1959 im<br />
Gasthaus Neumüller<br />
von links:<br />
Anna Stangl,<br />
Viktoria Handler,<br />
unbekannt,<br />
Heinrich Steiner,<br />
Johann Handler,<br />
Karl Höller<br />
1959<br />
Foto: Fam. Neumüller,<br />
Kaltenberg (Lichtenegg)<br />
Freizeitwelten - 147<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 147 31.08.2009 14:18:45 Uhr
Fröhliche Wirtshausrunde in Schwarzenbach<br />
Kirchenchorprobe in Wiesmath<br />
148 - Freizeitwelten<br />
von links:<br />
Elfriede Eidler,<br />
Leopoldine Pusits,<br />
Maria und<br />
Josef Eidler,<br />
Gottfried Hammerl<br />
1974<br />
Foto: Heliodora<br />
Kerschner, St. Veit<br />
von links: Willibald Kornfeld, Karl Weber, Anna Handler (Kogelmüller), Hermine Leitner (Schwarz), Helene Houszka (Seidl),<br />
Johanna Mann, Maria Benckendorf (Beisteiner), Katharina Dienbauer, Friedrich Dienbauer<br />
1958 Foto: Lorenz Dienbauer, Wiesmath<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 148 31.08.2009 14:18:47 Uhr
Kirchenchor Bad Erlach<br />
von links stehend: Theresia Berger, Hugo Berger, Anton Jedlicka, Walter Eder, Erna Linzer, Josef Kremsl, Margareta Scharnagl,<br />
Willi Fuchs | sitzend: Herta Karall, Anna Friebel, Berta Chladek, Elfriede Woltran um 1950 Foto: Wilhelm Hofer, Bad Erlach<br />
Theatergruppe in Lichtenegg<br />
von links 1. Reihe: Heinrich Steiner, unbekannt, Franz Neumüller | 2. Reihe: Walpurga Binder, Josef Strobl, Johann Höller,<br />
Theresia Stangl, Friedrich Tanzl, Karl Ringhofer, Walpurga Schwarz, Johann Stangl<br />
1953 Foto: Fam. Neumüller, Kaltenberg (Lichtenegg)<br />
Freizeitwelten - 149<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 149 31.08.2009 14:18:48 Uhr
Landjugend Edlitz im Sprengelheim<br />
Fensterln in Schiltern<br />
150 - Freizeitwelten<br />
beim „Kleinen Fenz“<br />
um 1950<br />
Foto: Emma und Leopold Geigner, Seebenstein<br />
von links: 1. Reihe: Franz Pichlbauer,<br />
Johann Höller, Karl Fischer<br />
2. Reihe: Lehrerin Theresia Hammer,<br />
Hanni Scherleithner, Hermine Wagner,<br />
Anna Ringhofer, Anna Wagner,<br />
Anna Motsch<br />
3. Reihe: Josef Ungerhofer,<br />
Theresia Winkler, Anna Kader,<br />
Anna Glatz, Christine Ringhofer<br />
4. Reihe: Lehrer Binder, Franz Winkler,<br />
Johann Schwarz, Willi Höller,<br />
Franz Reithofer, Johann Fuchs<br />
1969<br />
Foto: Johann Höller, Edlitz<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 150 31.08.2009 14:18:49 Uhr
Kirtag in Wiesfleck<br />
Sonntagsausflug der Krumbacher<br />
mit<br />
Sonntagsgesellschaft<br />
vor dem Gasthaus<br />
Riegler<br />
am Motorrad<br />
Ambros Stangl, vulgo<br />
„Laschober“, aus Amlos<br />
und als Beifahrer sein<br />
Vater Franz Stangl,<br />
vulgo „Raifegger“<br />
um 1950<br />
Foto: Fam. Stangl<br />
(Laschober) und Amlos<br />
(Lichtenegg)<br />
am Schneeberg<br />
von links:<br />
Anton Stacherl (Edlitz),<br />
Pauline Schrenk (Wedl),<br />
Elfriede Trenker<br />
(Lepold),<br />
Anna Knezek<br />
(Ostermann),<br />
August Glatz<br />
1954<br />
Foto: Volkmar Haberzettl,<br />
Katzelsdorf<br />
Freizeitwelten - 151<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 151 31.08.2009 14:18:51 Uhr
Reigentanz am Damm in Kirchschlag<br />
Sonnwendfeier in Katzelsdorf<br />
Volkstanzgruppe der Katholischen Jugend unter der Leitung von Nationalrat Josef Ofenböck<br />
152 - Freizeitwelten<br />
1923<br />
Foto: Eva und<br />
Johann Hofbauer,<br />
Kirchschlag<br />
1960er-Jahre Foto: Gemeinde Katzelsdorf<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 152 31.08.2009 14:18:52 Uhr
Theater in Seebenstein<br />
Maibaumumschnitt in Wiesmath<br />
Szene aus dem Stück „Die Junggesellensteuer“<br />
von links:<br />
Heinrich Ungersböck, Richard Scherz,<br />
Martin Ringhofer<br />
1960er-Jahre<br />
Foto: Heinz Ungersböck, Seebenstein<br />
Leitnerkapelle am Wagen<br />
1967<br />
Foto: Karl Mühl, Wiesmath<br />
Freizeitwelten - 153<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 153 31.08.2009 14:18:53 Uhr
Weihe eines Tanklöschfahrzeuges in Schwarzau<br />
von links: Bgm. Engelbert Reiterer, Hr. Gamperl (BH Neunkirchen), Vizebgm. Josef Rosenbichler, Bezirksfeuerwehrkommandant<br />
Fuchs, Fahrzeugpatin Alice Rosenbichler, Anton Rehberger, Kommandant Karl Bader, Hanni Lauinger (Fenz), Anton Fenz,<br />
Unterabschnittskommandant Hans-Georg Bauer, Kommandantstellvertreter Franz Fuchs<br />
1976 Foto: Franz Fuchs, Schwarzau am Steinfeld<br />
Begräbnis in Walpersbach<br />
154 - Freizeitwelten<br />
Bürgermeister Herold<br />
1962<br />
Foto: Helga Spies, Walpersbach<br />
von links: 1. Reihe: Josef Fuchs sen. (mit Kranz), Johann Gmeiner | 2. Reihe: Josef Schauer, Josefine Sinabell, Johann Woltron<br />
3. Reihe: Anton Gneist, Roman Wagenhofer | 4. Reihe: Ernst Grimm, Josef Hendling | 5. Reihe: Alois Grundtner, Franz Schmid<br />
6. Reihe: Johann Schwarz, Gemeindediener Matthias Braunstorfer | 7. Reihe: Josef Hochleithner, Matthias Grill<br />
8. Reihe: Pfarrer Konrad Foissner, Ministrant<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 154 31.08.2009 14:18:54 Uhr
„Kaiserliche Hoheit“ am Jägerball in Pitten<br />
von links: Oberförster Josef Kohlmann, Oberförster Matthias Harather, Leopold Habsburg-Lothringen-Lorraine,<br />
Bürgermeister Höller, Agathe von Planner<br />
Berühmter Hochzeitsgast in Krumbach<br />
um 1955<br />
Foto: Hans Pichler,<br />
Hochwolkersdorf<br />
von links:<br />
Franz Reichvater,<br />
Anton Karas (Musiker),<br />
Johanna Handler (Braut),<br />
Anton Gärtner<br />
1959<br />
Foto: Walter Handler,<br />
Ödhöfen-Berg (Krumbach)<br />
Freizeitwelten - 155<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 155 31.08.2009 14:18:57 Uhr
Kinder und Jugendliche<br />
Kindheit und Freizeit werden heutzutage oft<br />
zusammengedacht. Gerade Kindern (und<br />
Jugendlichen), die sich ja noch nicht im Erwerbsleben<br />
befinden, wird zugestanden,<br />
über alltägliche Freiräume und Freizeiten verfügen<br />
zu können. Kindern und Jugendlichen<br />
in früheren Zeiten war dies dagegen weniger<br />
vergönnt. Sie wurden wie selbstverständlich<br />
neben – und oft statt – der Schule zu Arbeiten,<br />
vor allem in der Landwirtschaft, herangezogen.<br />
Freilich fanden sich auch im Rahmen<br />
dieser Arbeiten für Kinder und Jugendliche<br />
Möglichkeiten, sich spielerisch die Umgebung<br />
anzueignen. Übrigens: Auch in unserer<br />
gegenwärtigen Leistungsgesellschaft decken<br />
sich Anspruch und Realität nicht immer. Für<br />
viele Kinder und Jugendliche bleiben neben<br />
Schule, Hausübungen, Nachhilfestunden und<br />
„Hobbypflichten“ nur mehr wenig Freiräume.<br />
Viele ältere Menschen erinnern sich daran,<br />
dass sie in ihrer Kindheit und Jugend kaum<br />
Freizeit gehabt haben. Dennoch heben sie<br />
hervor, wie sie quasi jede freie Minute zum Spielen „mit den einfachsten Mitteln“ genutzt haben.<br />
Manche weisen in ihren Erinnerungen darauf hin, wie Freizeit für Kinder und Jugendliche im 20.<br />
Jahrhundert immer mehr organisiert und institutionalisiert wurde. Dies konnte man mal mehr als Kontrolle,<br />
mal mehr als neuen Freiraum empfinden. Und wieder andere erzählen, wie vor allem Burschen<br />
Kriegs- und Nachkriegszeit weniger als leidvoll, sondern vielmehr als Abenteuerspielplatz erlebten.<br />
Die Fotos zeigen die Kinder beim „spielzeuglosen“ Spielen und beim Baden. Im Winter durften zunächst<br />
nur die Buben Ski fahren; die Mädchen begnügten sich eher mit dem Rodeln. Fußballklubs<br />
gab es in der Zwischenkriegszeit nur in den größeren Ortschaften. Die Pfarrjugend lockte mit Volkstanzen,<br />
Theaterspiel und Ausflügen, die Hitlerjugend mit vormilitärischer Ausbildung. Männliche Jugendliche<br />
trafen einander schon immer im Gasthaus.<br />
156 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 156 31.08.2009 14:18:58 Uhr
» Einer war dem anderen genug «<br />
Maria Gamauf, geb. 1928 in Zöbern, arbeitete später auf Schloss Krumbach<br />
Wir haben fast keine Freizeit gehabt; wir haben Kühe gehalten, Holz getragen und Obst ge-<br />
klaubt. Gespielt haben wir schon, derweil ich noch nicht in die Schule gegangen bin. Da waren wir<br />
ja wirklich noch kleine Kinder, mit denen man noch nicht viel anfangen konnte. Mit den Nachbarkindern<br />
haben wir immer mit den zwei Kühen, die wir gehabt haben, gespielt. Wir haben uns oft<br />
wunderbar gespielt, aber immer nur eine Viertel- oder Halbestunde. Dann hat das Nachbarmädel<br />
schon heimgehen müssen, weil sie kleine Geschwister gehabt hat. Da ist aus dem Stüberl des<br />
Hauses geschrien worden: „Martha!“ Und wenn sie nicht gleich heimgegangen ist, hat sie schon<br />
eine Tetschen gehabt. Jetzt mussten wir unser schönes Spiel schon wieder abbrechen, und bis<br />
wir wieder dazu gekommen sind, hat das eine Weile gedauert. Also, man kann nicht sagen: eine<br />
goldene alte Zeit! Ja, es war gemütlicher, einer war dem anderen gut genug. Aber dass das eine<br />
schöne Zeit war, will ich nicht sagen.<br />
» Wir haben halt im Wald gespielt «<br />
Hermine Reisenbauer, geb. 1916 in Kirchau (Gemeinde Warth), Arbeiterin<br />
Wir haben gespielt, nicht so wie heute mit dem modernen Zeug. Wir haben halt im Wald ge-<br />
spielt: mit Steinen und mit Moos. Ausgelegtes Moos waren die Sitze, und ein großer Stein war der<br />
Tisch. Raubritter haben wir gespielt. Wir haben ja neben der Burg gewohnt.<br />
» aber wir haben gespielt «<br />
Anton Pollak, geb. 1924 in Krumbach, wohnt in Bad Schönau, Maurer<br />
Im Verhältnis zu heute sind wir auf einer ganz niederen Stufe aufgewachsen, wir waren noch<br />
ganz hinten, etwa die Ausstattung in der Landwirtschaft. Auch persönlich haben wir sehr viel mit-<br />
machen müssen, es hat aber einfach nix anderes gegeben. Wir haben kein Spielzeug gehabt, nur<br />
primitives, aber wir haben gespielt. Wir haben dann so Spiele gehabt wie Tempelhupfen und Kugerlnscheiben.<br />
Und es waren irre viele Nachbarskinder. Wir haben uns dann zusammengefunden,<br />
getroffen und haben uns unterhalten. Es hat keinen Strom gegeben, wir haben keinen Fernseher<br />
und keinen Radio gehabt. Erst vor dem Krieg, nach der Eingliederung ins Nazi-Reich, 1938, haben<br />
wir den ersten Radio gehabt, das war ein Propagandagerät für die politische Werbung.<br />
Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 157<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 157 31.08.2009 14:18:58 Uhr
» mit der Rodel runtergefahren «<br />
Josef Steiner, geb. 1920 in Gleißenfeld (Gemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg),<br />
Produktionsleiter bei der Firma Hamburger<br />
Wir sind immer Schlittenfahren gegangen, beim Gasthaus Tauchner hinten. Die haben im Win-<br />
ter den Mist ausgeführt, den sie das ganze Jahr im Stall gemacht hatten. Der Mist ist im Winter<br />
auf einen Schlitten aufgeladen worden, und sie haben ihn mit den Ochsen bis hinten zum Wald<br />
hingeführt. Und die Spur sind wir mit der Rodel heruntergefahren. Da sind wir vorgefahren bis<br />
zum Gasthaus, ist ja kein Verkehr gewesen, ist kein Auto gefahren und nix. Am Abend sind wir<br />
natürlich nach Hause gegangen durch das Dorf runter. Meistens sind wir zum Schmied, der war<br />
mitten im Ort, hereingegangen, und da haben wir den Blasbalg getreten, wo er das Eisen erhitzt<br />
hat zum Formen. Damit wir die Schuhe ein bissel haben trocknen können, haben wir den Blasbalg<br />
getreten.<br />
Wenn wir zu Hause waren, haben wir rudelweise gespielt: „Teiferl im Graben“. In Gleißenfeld<br />
ist eine Wildbachverbauung, so ein Gerinne, dort beim Spritzenhaus. Da war einer der Teufel, der<br />
ist im Graben unten gewesen. Und wir haben müssen durch, und drüben wieder raufkraxeln. Und<br />
der, den es erwischt hat, war dann der Teufel. Sind wir da hin und her gerannt. Oder sonst: „Zur<br />
Suppe, zur Suppe, die Knödel sind heiß!“ Ein kleiner Ball ist in ein Körberl oder in eine Grube<br />
hineingelegt worden, und einer ist dort gestanden, der das Kommando geführt hat. Was er alles<br />
gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Da hat er aufgerufen: „Russen! Polen! Tschechen!“, irgendwelche<br />
Völker. Und jeder war wer anderer, ich war zum Beispiel meistens der Türke, denn ich hab<br />
unterm Türkensturz gewohnt. Wenn er das aufgerufen hat, hat man müssen hinrennen, den Ball<br />
schnappen und einen anschießen. Wenn man getroffen hat, war er erledigt und hat nicht mehr<br />
mitspielen dürfen. Das waren die Spiele.<br />
» Lauter so Blödheiten haben wir gemacht «<br />
Johann Birnbaumer, geb. 1932 in Bad Erlach, Landwirt und Musiker<br />
Wenn wir im Herbst Kühe gehalten haben auf den Wiesen, haben wir allerweil Feuer geheizt,<br />
Erdäpfel gestohlen oder Kukuruz gebraten und lauter solche Sachen. Und einmal haben wir –<br />
blöd wie wir waren – einen Haufen Munition gefunden, die ist schachtelweise herumgelegen:<br />
„Hau ma Patronen eini ins Feuer!“ Eh ahgezählt, Patronen reingehaut, zehne, und wir sind in Deckung<br />
gegangen. Na, da sind sie schon losgegangen, eine nach der anderen, posch, posch, posch!<br />
Wir haben mitgezählt bis neun, die zehnte geht nicht los. „Da hamma uns verzählt!“ Wir sind<br />
aufgestanden und sind zum Feuer gegangen, auf einmal macht es einen Poscher, und der neben<br />
158 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 158 31.08.2009 14:18:58 Uhr
uns hat schon geplärrt, hat schon einen Streifschuss am Knie gehabt. Aber daheim hat sich keiner<br />
was sagen getraut, wo er das her hat und wie das passiert ist, gar nix, weil da hast ja nicht einmal<br />
einen Doktor oder was gehabt. Da haben wir zusammengehalten, da hat’s überhaupt nix gegeben.<br />
Der hatte einen Streifschuss, lebt aber heute auch noch, glaub ich.<br />
Lauter so Blödheiten haben wir gemacht, beim Kühehalten praktisch. Aber normalerweise dürfte<br />
ich das hier gar nicht sagen, denn sonst macht das noch jemand nach.<br />
» selbstverständlich nackt «<br />
Willibald Ponweiser, geb. 1931 in Pitten, Gemeindesekretär in Pitten<br />
Wir haben den Frühling herbeigesehnt, den 1. Mai. Denn da war es Pflicht, dass wir bei der gro-<br />
ßen Wehranlage in Leiding, wo der Leidingbach eingemündet hat, einmal baden gegangen sind.<br />
Selbstverständlich nackt. Dann haben wir uns dort, wenn die Sonne geschienen hat, auf die warmen<br />
Bretter gelegt und haben uns trocknen lassen, auch die Kleidung natürlich, weil sie nass war.<br />
» was auf den Christbaum draufgekommen ist «<br />
Helene Wieser, geb. 1914 in Hochneukirchen, Landwirtin<br />
Mein Gott, was hat man zu Weihnachten gefeiert? Der Keks war im Vordergrund, und was auf<br />
den Christbaum draufgekommen ist. Das Wichtigste war, dass man etwas am Baum gehabt hat.<br />
Und das war alles. Wenige Zuckerln und sonst hast du nur Kekse gehabt. Die hat man zum Essen<br />
auch hergestellt. Sonst hat man eh nix gehabt. Da hast du ja nix kaufen können, hast kein Geld<br />
gehabt. Das Geld war immer zu wenig. Sonst hat es keine Feiern gegeben, gar nix. Niemand hat<br />
Geburtstag gefeiert. Weihnachten und Ostern waren die Feiertage – und das war alles!<br />
Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 159<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 159 31.08.2009 14:18:58 Uhr
» dass nicht das Christkind die Geschenke brachte «<br />
Margaretha Lechner, geb. 1922 in Thann (Gemeinde Warth), wohnt in Gleißenfeld<br />
(Gemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg), viele Jahre im Dienst. Der folgende<br />
Text ist ein Ausschnitt aus ihren 2006 niedergeschriebenen Lebenserinnerungen.<br />
Einmal war der Vater wieder in Neunkirchen, und als er heimkam, hatte er ein Packerl, das er<br />
versteckte. Er sagte uns nicht, was es ist. Natürlich ließ mich die Neugierde nicht in Ruhe. Heim-<br />
lich, wenn ich allein daheim war, ging ich auf Suche, und eines Tages hatte ich Glück und fand,<br />
was mich neugierig machte. Es war ein wunderschöner Ball! Ich sagte natürlich davon nichts und<br />
wartete, wann ich den Ball bekommen würde.<br />
Es war bald Weihnachten, und wir warteten schon sehnsüchtig auf das Christkind. Große Geschenke<br />
bekamen wir ja nicht, dazu reichte das Geld nicht. Aber wir freuten uns trotzdem! Am<br />
Heiligen Abend mussten wir schon früh schlafen gehen, denn in der Nacht kam ja das Christkind!<br />
In der Früh mussten wir schon sehr früh aufstehen, um fünf Uhr war die heilige Christmette und<br />
die mussten wir immer besuchen! Das Aufstehen fiel uns da nicht schwer, weil ja das Christkind<br />
da war! Und siehe da, was lag unter dem Christbaum? Es war der schöne Ball! Ich freute mich riesig.<br />
Und doch war ich auch traurig, weil ich jetzt wusste, dass nicht das Christkind die Geschenke<br />
brachte und meine Mitschüler recht hatten!<br />
» Von fünf bis vierzehn habe ich geraucht «<br />
Wilhelm Müller, geb. 1937 in Klein Wolkersdorf (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />
aufgewachsen in einem Gasthaus, Dompfarrer in Wiener Neustadt<br />
Angeblich soll ich mit fünf Jahren gesagt haben: „Ich werde einmal Pfarrer!“ Zum Gaudium aller<br />
Gäste, die wirklich alles versucht haben, mir das abzugewöhnen. Sie haben mir das Rauchen bei-<br />
gebracht, ich habe meinen ersten Rausch mit fünf gehabt und alle diese Dinge. Das hat aber den<br />
Erfolg gehabt, dass ich nur bis vierzehn geraucht habe. Mit vierzehn habe ich dann aufgehört. Von<br />
fünf bis vierzehn habe ich geraucht, zum Entsetzen meiner Mutter. Also, wenn ich heute daran<br />
denke, wird mir schlecht.<br />
160 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 160 31.08.2009 14:18:58 Uhr
» am Abend unterm Polster das Buch «<br />
Anna Buchegger, geb. 1933 in Krumbach, seit 1955 in Lichtenegg,<br />
ehemalige Gastwirtin<br />
Ich hab sehr viel und gern gelesen: Märchen- und Sagenbücher und vieles mehr. Wir hatten noch<br />
kein elektrisches Licht, da hatte ich am Abend unterm Polster das Buch. Die Mutter schimpfte,<br />
weil das für die Augen nicht gut war. Aber wenn sie draußen war, holte ich das Buch wieder hervor.<br />
Manche Bücher – ich hab manche heute noch – hab ich drei oder viermal gelesen. Die haben<br />
mich so fasziniert. Ich hab dadurch auch gut Aufsatz schreiben gelernt. Oft hab ich einen Einser<br />
gehabt, weil ich gut erzählt hab. Das kam durch das Lesen. Das wäre auch heute sehr wichtig.<br />
» Da sind viele Kirtagbäume gefallen «<br />
Johann Schwarz, geb. 1925 in Walpersbach, Landwirt<br />
Wenn Kirtag war, suchten wir schon ein halbes Jahr vorher im Schleinzer Wald, was es gibt. Wir<br />
haben Kirtagsbäume bis 35 Meter Länge heimgeführt. Bei der Schule haben wir ihn aufgestellt.<br />
Das hat hauptsächlich die Feuerwehr und die Burschenschaft gemacht. Das Aufstellen war ein<br />
langer Weg. Das ist unvorstellbar, einen Baum mit 35 Metern mit der Hand aufzustellen.<br />
Wenn der Baum dann stand, war das Bewachen natürlich sehr wichtig. Das war aber wieder<br />
Schabernack. Den Baum haben wir mit Eisenketten beschlagen, weil man gewusst hat, in der<br />
Nachbarortschaft ist heute oder morgen Kirtagbaumumschnitt. Da hat’s passieren können, dass<br />
die bösen Buben von der Nachbarortschaft den bei der Nacht umgeschnitten haben. Das war mehr<br />
Hetz. Da sind viele Kirtagbäume gefallen. Beim Umschnitt war dann ein großes Fest wie heute der<br />
Faschingsumzug. Da sind alle Dummheiten, die einem eingefallen sind, vorgekommen. Der ist<br />
nach vier, fünf Wochen, oder wie halt die Zeit gepasst hat, mit Musik und Trara umgeschnitten<br />
worden. Dann hat man ihn versteigert, oder es hat ihn wer gewonnen, der ihn wieder dem Verein<br />
geschenkt hat. Der hat ihn dann verkauft, damit auch ein bissel was über geblieben ist.<br />
» Ich war so begeistert «<br />
Helene Wiesbauer, geb. 1922 in Warth, spätere Musikschuldirektorin<br />
Ich hab mir mit zehn Jahren unbedingt eine Zither gewünscht. Die habe ich dann auch gekriegt.<br />
Ich hab beim Leitner Franzl gelernt, der es aber selber eigentlich nicht können hat. Ich hab mit<br />
Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 161<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 161 31.08.2009 14:18:59 Uhr
einer wahren Begeisterung gespielt! Er war begeistert, ich war begeistert, nur war’s nicht immer<br />
richtig. Und was hat er dann immer gesagt, wenn was war? „Lass dir das von der Mama vorsingen,<br />
weil die kann das eh!“ Und ich hätt’s nachspielen sollen. Ich war so begeistert, dass ich gleich von<br />
der Stunde heimgegangen bin, zum Schwarz hineingegangen bin und zum Gruber, und überall<br />
hab ich alles vorgespielt, was ich gelernt hab. Ich war sehr begeistert.<br />
Mein späterer Mann ist ja schon immer zum Schnapsen gekommen. Hie und da haben mein<br />
Bruder und ich mitschnapsen dürfen, sonst haben sie halt ohne uns geschnapst. Er war auch sehr<br />
musikalisch. Und meine Mama hat gesagt: „Spiel ihm was vor.“ Das hab ich ja gefürchtet! Denn<br />
wenn ich was vorgespielt hab, hat er gesagt: „Das geht falsch.“ Zeigen hat er mir es aber auch nicht<br />
können, weil er es ja selber nicht können hat. Nur, dass es falsch ist, aber das hab ich selber auch<br />
gewusst. Später war ich schon aufsässig und hab gesagt: „Des is ja wurscht!“<br />
» Man hat gehen müssen «<br />
Anna Seidl, geb. 1910 in Schwarzenbach, Landesproduktenhändlerin<br />
Der Sonntag? Na, am Sonntag hat uns der Vater allerweil in die Kirche gejaukt, auch wenn wir<br />
nicht wollten. Man hat gehen müssen. Und nach dem Essen sind wir spielen gegangen, wenn wir<br />
durften. Allerweil haben wir eh nicht dürfen. Sonst haben wir müssen die Kühe halten gehen.<br />
» Aber man hat das ertragen «<br />
Anton Schweiger, geb. 1931 in Walpersbach,<br />
war nach HAK-Matura Verkaufsleiter in Wien<br />
Ab dem zehnten Lebensjahr war es dann indirekt Pflicht, dass man in dem kleinen Ort zu den<br />
Ministranten ging. Hier ist auch zu erwähnen, dass das Ministrantensein zu dieser Zeit ganz an-<br />
ders ausgesehen hat als heute. Der Organist war zum Beispiel spielunfähig, wenn nicht der Blas-<br />
balg getreten wurde. Oder: Wenn man vorne vor dem Altar ministriert hat, war es eine Selbst-<br />
verständlichkeit, dass man während der Messe auf den Altarstufen knien musste. Oder eine ganz<br />
schreckliche Tätigkeit war, wenn man zur Weihnachtsmette, die um Mitternacht war, das Messbuch,<br />
wenn der Priester das Weihnachtsevangelium gelesen hat, auf den Händen liegen hatte und<br />
stehen musste, bis endlich dieses Weihnachtsevangelium zu Ende gelesen war. Aber man hat das<br />
ertragen, und heute würde man sagen, es hat nur gestählt. Ich muss aber sagen, das Ministrantensein<br />
hat auch seine guten Seiten gehabt: Wir haben pro Messe einen Pfennig bekommen. Da<br />
muss ich erwähnen dazu: Zu dieser Zeit hat Österreich nicht mehr bestanden, sondern war dem<br />
162 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 162 31.08.2009 14:18:59 Uhr
sogenannten Deutschen Reich angegliedert, und wir hatten die Reichsmark-Währung. Und ein<br />
Pfennig war sehr viel Geld und eine sehr wertvolle Aufbesserung des Taschengeldes.<br />
Anfänglich nahmen wir Kinder ja den Krieg überhaupt nicht zur Kenntnis. Konfrontiert damit<br />
waren wir nur als Ministranten, wenn in der Kirche ein Grabhügel aufgebaut wurde mit einem Bir-<br />
kenkreuz davor und wieder eine Totenmesse für einen jungen gefallenen Gemeindebürger gelesen<br />
wurde. Da haben wir auch als Kinder mitbekommen, was da eigentlich wirklich vor sich geht. Ich<br />
muss sagen, diese Szenen sind mir eigentlich bis zum heutigen Tag sehr intensiv in Erinnerung.<br />
» bei der Pfarrjugend vollaktiv «<br />
Johann Karnthaler, geb. 1929 in Haderswörth (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />
Landwirt<br />
Ich war dann als Erstes bei der Pfarrjugend vollaktiv, also mitwirkend, immer wieder, so wie<br />
alle anderen, bis das Landwirtschaftliche Fortbildungswerk gegründet worden ist. Dann waren<br />
wir teilweise dort. Bei der Pfarrjugend war alle Monat mindestens einmal ein Heimabend, der<br />
wurde meistens durchgeführt vom Herrn Dechant Zika. Da ist gesungen worden und sind Spiele<br />
gemacht worden. Dann haben wir uns natürlich getroffen und auch gesellschaftlich getanzt. Zum<br />
Teil haben wir mit Volkstanzen angefangen. Die Sonnenwendfeiern sind dann gepflegt worden.<br />
Und wenn wer geheiratet hat, haben wir angefangen zum Maschkern. Volkstanzen: Da haben wir<br />
einen Lanzenkirchner gehabt, der hatte schon vor dem Krieg – zehn, fünfzehn Jahre vorher schon<br />
– immer Jugendgruppen geführt und hatte auch so verschiedene Tänze mit anderen eintrainiert<br />
und auch das Schuhplatteln. So haben wir dann eben eine Gruppe gebildet. Und die, die am besten<br />
durchgehalten haben, waren immer wieder mit dabei. Auch bei der Sonnenwendfeier haben<br />
wir einen Volkstanz gemacht mit den Mädchen, entweder einen Bandltanz oder was halt dann in<br />
freier Natur besser aufführbar war. Oder eventuell einen Plattler. Da hat es die Plattler geben:<br />
den Latschenplattler und den Holzhacker, das waren halt die zwei attraktivsten. Es gab auch den<br />
Mahder, aber der war halt ein leichterer Tanz. Wenn mehr vorgeführt worden ist, ist der auch<br />
mitaufgeführt worden.<br />
Bei der Pfarrjugend ist dann neben dem Volkstanz und der Brauchtumspflege auch Theater gespielt<br />
worden. Weil da waren Vorgänger, ältere Männer und Frauen, die noch vor der Hitler-Zeit<br />
und in ihrer Jugendzeit gespielt hatten. Die haben dann das wieder ein bisserl angeheuert. In der<br />
Pfarrjugend war alles gemischt: die Landwirtskinder und auch die Kinder der Landarbeiter, halt<br />
alle Berufsgruppen. Beim Landwirtschaftlichen Fortbildungswerk waren am Anfang überwiegend<br />
nur die Kinder von Landwirten. Es waren natürlich auch welche, die in der Landwirtschaft beschäftigt<br />
waren, aber man hat dann auch laufend andere mitgenommen.<br />
Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 163<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 163 31.08.2009 14:18:59 Uhr
» im Kirchenchor mitgespielt «<br />
Johann Bleier, geb. 1922 in Gleichenbach (Gemeinde Hollenthon), Landwirt<br />
Freizeit? Ich hab nicht viel Freizeit gehabt. Da hat’s arbeiten geheißen. Am Sonntag haben wir<br />
ein paar Stunden frei gehabt. Da sind wir in die Kirche gegangen, meistens nach Landsee. Mein<br />
Vater ist nach Hollenthon gegangen, weil der war Gemeinderat und der hat dort geschaut, was es<br />
Neues gibt. In der Früh hat er mir füttern geholfen, und dann hab ich fertig füttern müssen. Denn<br />
in Hollenthon war die Messe um halb acht und in Landsee war’s um halb zehn. Und wir sind meist<br />
nach Landsee gegangen. Wenn ich fertig war mit dem Füttern, war’s eh schon halb acht oder acht.<br />
Ich hab geigen können, und vor dem Krieg haben wir in Landsee im Kirchenchor mitgespielt.<br />
Ich und der Fally Sepp, der ist später gefallen. Den Pfarrer haben wir gut gekannt. Wir sind ja<br />
meistens nur wegen dem nach Landsee gegangen, weil’s näher war, um zwanzig Minuten oder<br />
eine halbe Stunde näher. Da hat uns der Pfarrer einmal angeredet, ob wir nicht im Kirchenchor<br />
mitspielen möchten. Haben wir gesagt: „Ja, ist nichts dabei, können wir schon machen.“ Zu den<br />
größeren Feiertagen immer: zu Weihnachten, zu Ostern, zu Pfingsten. Zu den Feiertagen haben<br />
wir am Kirchenchor oben geigen müssen. Das war schön. Zu Mittag haben sie uns mit den Chorsängerinnen<br />
zum Essen eingeladen. Nachmittag um zwei war der Segen, da haben wir auch noch<br />
mitgegeigt mit dem Kirchenchor. Das war schön. Bei dem Fally – er war zehn Jahre älter wie ich<br />
– hatte ich auch geigen gelernt. Wir haben Hefte gehabt. Alle Wochen bin ich ein paar Mal hin zu<br />
ihm. Wir haben auch ein wenig dafür bezahlt.<br />
» Es war ein Priesterseminar «<br />
Ferdinand Zahlner, geb. 1936 in Laa an der Thaya, seit 1948 in Katzelsdorf,<br />
Pater und AHS-Lehrer für Biologie und Umweltkunde<br />
Der Tagesablauf, das bedeutete zunächst: sehr früh aufstehen. Es war ein Priesterseminar, ein<br />
kleines Seminar. Also die, die hergekommen waren, hatten zumindest den Wunsch, Priester zu<br />
werden – ob sie es dann tatsächlich später geworden sind oder werden wollten, weggegangen sind<br />
oder zum Teil auch weggeschickt worden sind. Es gab jeden Tag eine Eucharistiefeier, eine Messe<br />
oben in dieser Kapelle, dann Frühstück, dann noch Frühstudium. Um halb acht waren wir schon<br />
vorbereitet, mir war’s angenehm, deswegen bin ich auch früher schlafen gegangen. Heute geh ich<br />
so um Mitternacht schlafen, damals sind wir natürlich mit den Hühnern ins Bett. Abends war der<br />
Präfekt da und las noch eine Geschichte vor, oft eine Geistergeschichte. Dann wurde abgedreht,<br />
dann war’s finster. Zumindest in der Unterstufe noch, die Größeren durften dann auch länger<br />
aufbleiben.<br />
164 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 164 31.08.2009 14:18:59 Uhr
Nach dem Unterricht: Mittagessen unten, der Speisesaal ist heute noch der gleiche Raum. Dann<br />
war eigentlich freie Zeit draußen im Park. Die Spiel- und Sportplätze wurden erst allmählich ge-<br />
staltet. Wir waren sehr viel in der Leitha-Au. Ich erinnere mich an einen strengen Wintertag und<br />
einige Schüler waren schon verkühlt. Wir sind direkt im Schneesturm nach Ofenbach hinauf in<br />
ein Gasthaus: Tee mit Rum, ausnahmsweise Tee mit Rum, das hat uns wieder angefeuert. Krankheiten<br />
konnten wir uns nicht leisten. Und sonst war‘s natürlich schon streng.<br />
» Den Erich haben wir immer mitspielen lassen «<br />
Elfriede Klinglmüller, geb. 1925 in Scheiblingkirchen,<br />
Wirtstochter, Eierhändlerin<br />
Wir haben Nachbarn gehabt, das waren Juden. Sie waren sehr, sehr nett; sie haben wirklich für<br />
die Leute alles gegeben. Sie haben den Leuten, die kein Geld gehabt haben, Ware gegeben. Sie<br />
haben ihnen Suppen geschenkt oder Mehl oder Zucker oder Kaffee, den es damals nur wenig gab.<br />
Das waren wirklich sehr, sehr gute Leute. Löbel haben sie geheißen.<br />
Wir sind jeden Samstag rüber und haben gebettelt, da hat‘s dieses weiße Brot gegeben, Mazzes.<br />
Das ist ungesäuertes Brot, und da sind wir immer rüber und haben gebettelt um so ein Stückel.<br />
Wir hatten eh ein anderes Brot, aber das Mazzesbrot wollten wir haben. Ich kann mich noch sehr<br />
gut erinnern: Ich war so fasziniert, wie ich das erste Mal den Friedl beten sah. In der Küche war<br />
eine Nische, davor ist er gestanden, ein Kappel auf und das Gebetszeichen, dort ist er immer so<br />
gestanden. Waren wir begeistert von dem! Das hat uns gefallen. Da hab ich das erste Mal einen<br />
beten gesehen. Das war etwas ganz Spektakuläres. Der Erich war immer bei uns, er war von der<br />
alten Frau Löbel von einem Sohn der Sohn. Den Erich haben wir immer mitspielen lassen. Wenn<br />
wir recht lästig waren, haben wir gesagt: „Erich, geh heim und hol eine Schokolade, dann darfst<br />
wieder mitspielen.“ Dann ist er heimgegangen, hat das geholt, dann hat er wieder mitspielen<br />
dürfen. Wir waren so richtige Erpresser. Aber wir haben mit den Leuten ein sehr gutes Verhältnis<br />
gehabt. Aber dann sind von Seebenstein zwei SA-Männer gekommen …<br />
» im Geheimen dazu gegangen «<br />
Amalia Brandstetter, geb. 1929 in Krumbach, Landwirtin<br />
Uns hat’s Spaß gemacht, weil wir das Ganze nicht verstanden haben. Die Kinder sind aufgenom-<br />
men worden zur Hitlerjugend. Das hat mir so imponiert, da wäre ich auch so gern dabei gewesen.<br />
Da hat es Heimstunden gegeben, und es ist gebastelt und gespielt worden, Völkerball zum Bei-<br />
Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 165<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 165 31.08.2009 14:18:59 Uhr
spiel. Jetzt bin ich halt im Geheimen dazu gegangen und habe das auch gemacht. Dann habe ich<br />
das daheim erzählt. Na, die waren so entgeistert, und die Mama ist dann in die Schule gegangen.<br />
Die hat halt gesagt: Da ist keine Zeit dazu, wir müssten ja Kühe halten, wenn wir heimkommen!<br />
Aber das war nun gar nicht mehr möglich. Jetzt habe ich dabei bleiben müssen.<br />
» Dort haben sie über den Hitler erzählt «<br />
Johanna Kahofer, geb. 1925 in Edlitz, Landwirtin<br />
Als der Hitler im 1938er-Jahr gekommen ist, sind die Mädchen auch zum BDM gekommen:<br />
Bund deutscher Mädel. Und die Buben waren die Hitlerjugend. Da haben wir öfters Versamm-<br />
lungen in der Schule gehabt, am Nachmittag halt. Dort haben sie über den Hitler erzählt, wie gut<br />
der ist. Haben sie halt Reklame gemacht damit, dass jetzt die guten Zeiten kommen, und dass<br />
das für die Jugend schön ist und so. Da haben sie Reklame gemacht, an das kann ich mich noch<br />
erinnern. Aber in Wirklichkeit …<br />
» Ist ja lächerlich so etwas! «<br />
Josef Giefing, geb. 1930 in Wiener Neustadt, lebt in Lanzenkirchen,<br />
Schlosser und ÖBB-Bediensteter<br />
In der HJ bist du auf den Krieg vorbereitet worden: Marschieren, Geländespiele, Skikurs und<br />
Schießen natürlich. Aber für Kultur haben sie nicht viel übrig gehabt. Ich war in einem HJ-Wehrertüchtigungslager.<br />
Da bist aufgestanden, zum Morgenappell angetreten, die Fahne gehisst –<br />
„Sieg heil!“ Dann ist die Tageslosung ausgegeben worden, und danach hast halt angefangen zu<br />
marschieren oder hast irgendeine Übung gemacht oder Schießen mit Luftdruckgewehr und dann<br />
wieder einen Dauerlauf. Wehrertüchtigung! Da bist gerannt oder gelaufen und lauter so Sachen,<br />
dass du halt körperlich fit bist, geistig in eine Richtung gedrillt, nur für den Krieg und „Heil Hitler“.<br />
Ist ja lächerlich so etwas! Heute lacht dich schon ein jedes Kind aus, wenn so etwas ist. Mit<br />
sechzehneinhalb oder siebzehn Jahren sind sie dann richtig eingerückt. Beim Volkssturm waren<br />
unsere Ortsnazis auch dabei, und die haben das Ganze kommandieren wollen – und sind als<br />
Erstes davongerannt. Wir haben nix gelernt, wir haben nur schießen gelernt, aber sonst gar nix –<br />
außer Leute umbringen. Ist ja lächerlich so etwas!<br />
166 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 166 31.08.2009 14:18:59 Uhr
» Es war ein faszinierendes Schauspiel «<br />
Alfred Höller, geb. 1931 in Lichtenegg,<br />
ehemaliger Direktor der Hauptschule Lichtenegg<br />
Ich kam 1942 nach Wien. Ab 1944, bis zum Ende des Krieges, wurde Wien immer öfter bom-<br />
bardiert. Und was war naheliegend? Als Bub möchte ich das, wie man heute so schön sagt, live<br />
miterleben. In unserem Haus war eine Stiege, eine Eisenleiter, die sehe ich heute noch vor mir.<br />
Sie ging auf den Dachboden hinaus, und von dort war wieder eine Leiter zum Dach. Das war ein<br />
Flachdach mit einem Eisengeländer. Und was war als Bub naheliegender, als zu sehen, was spielt<br />
sich da ab, wie wird eine Stadt angegriffen, wie wird sie bombardiert? Ohne zu denken, wie leicht<br />
man dabei selber zu Schaden kommen könnte. Warum? Es war ein faszinierendes Schauspiel, wie<br />
die feindlichen Bomber ihre Bombenlast abwarfen. Die deutsche Flak hat versucht, Flugzeuge<br />
abzuschießen, und ich stand mitten im Geschehen. Faszinierend! Da hat sich was getan, hier sind<br />
Flugzeuge abgestürzt, dort wurde ein Haus getroffen. Ohne zu bedenken, dass das eigene Haus<br />
dabei sein hätte können.<br />
Im Jahr 1945 war ich wieder in Lichtenegg. Am Karsamstag, fünfzehn Uhr, ich werde das nie<br />
vergessen, ich war damals dreizehneinhalb Jahre alt. Man hörte von den älteren Leuten, denn die<br />
Väter waren eingerückt, die Russen kommen von Kirchschlag, sie sind schon in Aigen, sie nähern<br />
sich schon Thal. Wer anderer hat behauptet, sie sind schon beim Schiefer, also in der Feichten.<br />
Und in dem Augenblick ist die Nachricht eingetroffen: „Die Annakirche in Wiesmath brennt!“<br />
Was war naheliegend für uns Buben? Das muss man gesehen haben! Meine Mutter natürlich in<br />
Sorge, die hatte schon alles gerichtet gehabt, um zu fliehen. Ich sehe heute noch eine Tasche mit<br />
den Habseligkeiten. Was hat man schon gehabt: eine Uhr, Ohrringerl, Ketterl. Diese wertvollen<br />
Sachen hatte man verstaut, um rasch fliehen zu können, wenn die Russen den Ort betreten. In<br />
dem Augenblick hatten wir, mein Cousin, der Herr Aigner, und ich, nichts Eiligeres zu tun als: Das<br />
müssen wir sehen! Meine Mutter hat gesagt: „Bitte, bleib da, wir müssen fliehen, die Russen kommen<br />
in Kürze!“ Nein, ich habe mir noch ein Fahrradl ausgeborgt, das war schon im Heu versteckt.<br />
Eine Frau aus dem Ort war so gut und hat mir das Rad geborgt. Und so bin ich mit meinem Cousin<br />
Richtung Schlag rausgefahren. Wir haben dort gesehen: Tatsächlich, die Annakirche brennt. Sie<br />
stand in hellen Flammen. Das war faszinierend. Und damit man das alles gut beobachten kann,<br />
hatte ich mir noch von meinem Vater einen Feldstecher genommen, einen Gucker, wie man sagt.<br />
Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 167<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 167 31.08.2009 14:18:59 Uhr
» Das war ein gutes Geschäft «<br />
Johann Halling, geb. 1933 in Eichbüchl (Gemeinde Katzelsdorf), Landwirt<br />
Wir haben als Kinder gute Geschäfte mit den russischen Soldaten gemacht. Zum Beispiel: Ich<br />
habe ein viereckiges, glänzendes Feuerzeug gehabt. Wenn du da gedrückt hast, ist es hinaufge-<br />
schnappt und hat gebrannt. Ein Russe sieht das Feuerzeug und will es haben, aber ich habe es<br />
nicht hergegeben. Er hat da bei der Leitha, wo wir Rinder gehalten haben, fünfzig Pferde gehalten,<br />
vom Lazarett. Hab ich gesagt: „Gib mir das Pferd, dann gebe ich dir das Feuerzeug.“ Ich hab ihm<br />
das Feuerzeug gegeben und bin mit dem Pferd nach Hause. Das war ein gutes Geschäft.<br />
» Da haben wir unsere Hetz gehabt «<br />
Franz Giefing, geb. 1935 in Hochwolkersdorf, Landwirt<br />
In Wiesmath war ein Kino. Das ist, glaube ich, Anfang der 1950er-Jahre gebaut worden. Da<br />
sind wir dann mit den Radln hingefahren. Ab 1951 war auch in Hollenthon ein Kino, im Gasthaus<br />
Steiner, der hat ein Kino gehabt, in dem großen Saal. Da sind wir auch mit dem Radl hingefahren,<br />
im Winter mit dem Autobus. Und in der Nacht sind wir von Hollenthon heimgegangen. Da war<br />
ich sechzehn, siebzehn Jahre, wir waren eine ganze Partie natürlich. Da haben wir unsere Hetz<br />
gehabt, das war recht unterhaltsam, das Heimgehen oft mehr wie das Kino.<br />
» Ich bin begeistert! «<br />
Willibald Brandstätter, geb. 1929 in Zöbern, Lagerhausverwalter<br />
Wenn ich gefragt werde, was ich von der heutigen Jugend halte, sag ich: „Ich bin begeistert!“<br />
Also, bei uns in Zöbern ist die Jugend wirklich tüchtig. Ich bin froh, dass in so einer ländlichen<br />
Gemeinde die Jugend noch so fröhlich ist. Zum Großteil in den Vereinen und zum Großteil auch,<br />
weil sie lustig ist.<br />
168 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 168 31.08.2009 14:18:59 Uhr
Spaziergang in Bad Schönau<br />
von links:<br />
Geschwisterliches Gebet in Schwarzau<br />
Anton und Hermann Ungerböck<br />
1950<br />
Foto: Hermann Ungerböck, Bad Schönau<br />
von links:<br />
Franz Fuchs, Anna Fuchs (Gamperl)<br />
um 1941<br />
Foto: Josef und Anna Gamperl, Schwarzau<br />
Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 169<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 169 31.08.2009 14:19:01 Uhr
Badetag in Bromberg<br />
Waschtrogregatta im Zöbernbach<br />
170 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
von links:<br />
Foto: Anna Heissenberger, Zöbern<br />
im großen Sautrog<br />
von links:<br />
Karl Heissenberger,<br />
Helga Ramharter,<br />
Monika Heissenberger<br />
1963<br />
Foto: Karl Heissenberger,<br />
Breitenbuch (Bromberg)<br />
Anna Pichelbauer (Heissenberger), Hubert Pichelbauer<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 170 31.08.2009 14:19:02 Uhr<br />
1937
Badetag in Warth<br />
Bubenfuhrwerk in Lanzenkirchen<br />
in der Pitten bei Petersbaumgarten, wobei die Piloten<br />
im Hintergrund als Uferschutz dienten<br />
von links:<br />
Franz Ofenböck, Maria Ungersböck, Hilde Lechner,<br />
Maria Ungersböck<br />
um 1940<br />
Foto: Maria Ungersböck, Petersbaumgarten (Warth)<br />
von links:<br />
Otto Haindl, Peter Taschl, Johann Karner<br />
30. Juli 1940<br />
Foto: Herbert Swoboda, Lanzenkirchen<br />
Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 171<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 171 31.08.2009 14:19:04 Uhr
Mädchen mit Damenfahrrad in Schwarzau<br />
Kinderspiele in Seebenstein<br />
172 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
Renate Taschner<br />
um 1965<br />
Foto: Renate Taschner,<br />
Schwarzau am Steinfeld<br />
auf der Spielwiese des Kindergartens Herminenstift um 1930 Foto: Theresia Malainer, Seebenstein<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 172 31.08.2009 14:19:06 Uhr
Vorführung eines Tanzbären in Wiesmath<br />
Großfamilie aus Hollenthon<br />
von links: Leopoldine Reithofer (Mutter), Hilda und Michael Reithofer, Margit Handler (Nachbarskind),<br />
Poldi, Mitzi, Hans, Lisi, Moni, Christl, Waltraud und Ingrid Reithofer, Michael Reithofer (Vater)<br />
um 1930<br />
Foto: Gemeinde Wiesmath<br />
rund um den Tisch<br />
um 1965<br />
Foto: Leopoldine Reithofer,<br />
Spratzau (Hollenthon)<br />
Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 173<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 173 31.08.2009 14:19:07 Uhr
Kindergartenfest in Schwarzenbach<br />
von links: Franz Giefing, Bertram Frühwirth, Kindergartenpädagogin Fr. Klosterer,<br />
Alois Oberger (Kind an Händen der Kindergärtnerin), unbekannt<br />
Fußballspieler der Volksschule Lichtenegg<br />
174 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
von links:<br />
um 1942<br />
Foto: Alois Oberger,<br />
Schwarzenbach<br />
1. Reihe: Johann Piribauer,<br />
Johann Haselgruber,<br />
Peter Lechner,<br />
Stefan Ganauser<br />
2. Reihe: Karl Blochberger,<br />
Josef Leitner, unbekannt,<br />
Willibald Weninger<br />
3. Reihe: Anton Rasner,<br />
Franz Ostermann,<br />
Johann Mayrhofer<br />
4. Reihe: Alfred Höller<br />
1967<br />
Foto: Chronik der Volksschule<br />
Lichtenegg<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 174 31.08.2009 14:19:08 Uhr
Ausflug der Lanzenkirchner Ministranten<br />
mit dem Fahrrad auf die Hohe Wand<br />
von links:<br />
Josef Fuchs, Kaplan Rudolf Neumaier, Josef Haller,<br />
Ludwig Kögler, Johann Rupp<br />
1940<br />
Foto: Herbert Swoboda, Lanzenkirchen<br />
Grimmensteiner Familie im Herrgottswinkel<br />
von links:<br />
Maria, Johann, Aloisia, Johanna und Aloisia Haiden<br />
1940er-Jahre<br />
Foto: Walter Pfeffer, Grimmenstein<br />
Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 175<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 175 31.08.2009 14:19:11 Uhr
Rodelpartie in Wiesmath<br />
Beim Eislaufen in Pitten<br />
176 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
1934<br />
Foto: Gemeinde Wiesmath<br />
auf dem zugefrorenen<br />
Badevorwärmer<br />
von links:<br />
Monika Kampichler (Grohal),<br />
unbekannt,<br />
Roswitha Fox (Seidl)<br />
um 1956<br />
Foto: Museums- & Bildungsverein<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 176 31.08.2009 14:19:11 Uhr<br />
Pitten
Wintersport in Klingfurth<br />
von links: Elfriede Gneist (Wiedenhofer), Monika Hendling (Erhart), Franz Grundtner<br />
Bei der Mopedreparatur in Krumbach<br />
mit Rodeln<br />
für die Mädchen<br />
und Schi für<br />
den Buben<br />
1954<br />
Foto: Elfriede<br />
Wiedenhofer,<br />
Klingfurth<br />
(Walpersbach)<br />
von links:<br />
Friedrich und<br />
Alfred Geiderer<br />
1958<br />
Foto: Friedrich<br />
Geiderer, Krumbach<br />
Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 177<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 177 31.08.2009 14:19:12 Uhr
Heimwehrnachwuchs aus Grimmenstein<br />
9. Bub von links: Alois Wöhrer 1920er-Jahre Foto: Elisabeth Turner, Grimmenstein<br />
Hitlerjugend aus Lichtenegg<br />
Alois Wöhrer (9. Bub von links)<br />
178 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
Ein Hr. Ernst aus<br />
Wiesmath kam<br />
zweimal pro Woche<br />
nach Lichtenegg und<br />
lehrte den „Pimpfen“<br />
das Marschieren und<br />
„richtiges“ militärisches<br />
Verhalten.<br />
von links:<br />
Franz Neumüller,<br />
Josef Pichler<br />
1940<br />
Foto: Fam. Neumüller,<br />
Kaltenberg (Lichtenegg)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 178 31.08.2009 14:19:13 Uhr
Jungschargruppe Walpersbach<br />
Foto: Gisela Fuchs, Walpersbach<br />
von links: 1. Reihe: Franz Schwarzl, Franz Schmid, Leonhard Schöberl, | 2. Reihe: Berta Kollmann (Lehrerin), Maria Schwarz<br />
(Kleisz), Josef Hochleithner jun., Elisabeth Hochleithner, Josef Krenn, Gertrud Fuchs (Buchner), Karl Heinz Buchner,<br />
Christine Birnbaumer (Baumgartner) | 3. Reihe: Ernestine Schwarzl (Plochberger), Josef Swoboda<br />
Beim Kartenspiel im Schloss Katzelsdorf<br />
bei Fest anlässlich der<br />
250-Jahr-Feier der<br />
Pfarrkirche Walpersbach<br />
um 1968<br />
1920<br />
Foto: Gemeinde Katzelsdorf<br />
Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 179<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 179 31.08.2009 14:19:17 Uhr
Wirtshausrunde in Thomasberg<br />
Kochkurs in Volksschule Schwarzenbach<br />
180 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />
von links rund um den Tisch:<br />
Josef Motsch, Josef Lakinger,<br />
Brigitte Hosch, Franz Winkler,<br />
Engelbert Ringhofer,<br />
Kaplan Lambert Wiesbauer,<br />
Theresia List, Willibald Mayrhofer,<br />
Johann Fuchs, Maria Wagner,<br />
Willibald Seidl, Gerhard Philip,<br />
Heinrich Schwarz, Christine Seidl,<br />
Josef Mayrhofer<br />
1973<br />
Foto: Engelbert Ringhofer,<br />
Königsberg (Thomasberg)<br />
Lehrerin Antonia Ilchman<br />
von links: 1. Reihe: Erika Gruber,<br />
Hermine Bernhart, Maria Grill,<br />
Annemarie Giefing, Maria Faber,<br />
Helga Theuerweckl,<br />
Gertraud Rottensteiner<br />
2. Reihe: Anna Schwarz,<br />
Herta Kühteubl, Elfriede Geyer,<br />
Gerlinde Oberger, Christine<br />
Reisner, Johanna Führinger,<br />
Maria Gneist, Theresia Dutter<br />
1960<br />
Foto: Johanna Handler, Pesendorf (Lichtenegg)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 180 31.08.2009 14:19:17 Uhr
Frauen<br />
Nicht nur in historischen,<br />
sondern ebenso in gegenwärtigen<br />
gesellschaftlichen<br />
Ordnungen und Hierarchien<br />
wird die Verantwortung für<br />
den Hausarbeits- und Familienbereich<br />
immer noch<br />
und vor allem den Frauen<br />
zugeschrieben. Da viele<br />
Frauen zugleich stets auch<br />
einer Erwerbsarbeit nachgingen<br />
und -gehen, waren<br />
und sind die Möglichkeiten<br />
für Freiräume und Freizeiten für viele Frauen begrenzt. Auch die Mitwirkung in lokalen Vereinen war<br />
und ist oft Männern vorbehalten. Dagegen existierten aber immer schon spezielle Tätigkeitsfelder,<br />
vor allem im sozialen Bereich, die durch das ehrenamtliche Engagement von Frauen getragen wurden<br />
und werden.<br />
Viele Frauen, die über ihre Lebensgeschichte in der Buckligen Welt erzählen, berichten dann auch<br />
nur spärlich über Freizeitaktivitäten im Erwachsenenalter. Das mag zwar einerseits damit zusammenhängen,<br />
dass in den Interviews vor allem nach Kindheits- und Jugenderfahrungen gefragt wurde.<br />
Andererseits weisen viele Erzählerinnen mit Nachdruck darauf hin, wie nach Jugendzeit, Hochzeit<br />
und der Gründung einer eigenen Familie keine oder kaum mehr Zeit für Freizeit bleib. Einzelne jedoch<br />
erinnern sich, wie sie sich persönlich doch immer wieder Freiräume geschaffen haben. Und andere<br />
heben ihr jahrzehntelanges Mitwirken und Engagement bei Kirchenchor und Caritas hervor.<br />
Bei der Zusammenstellung der Fotos zeigte sich, dass es kaum Motive aus dem Freizeitbereich<br />
der Frauen gibt. Frauen hatten eben normalerweise kaum freie Zeit. Manche Fotos dokumentieren<br />
„Mischbereiche“: etwa die Zusammenkunft und der gemeinsame Umtrunk beim Federnschleißen.<br />
Bei diversen Festen durften die Frauen bei den Vorbereitungen mithelfen; und nur bei ganz besonderen<br />
Anlässen und Festivitäten begleiteten sie ihre Männer ins Wirtshaus. Sehr viel Courage bewiesen<br />
die Frauen, die ohne männliche Begleitung mit den Fahrrädern nach Mariazell fuhren. Und geradezu<br />
revolutionär erscheint eine Damenrunde beim Kartenspielen im Wirtshaus.<br />
Frauen - Freizeitwelten - 181<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 181 31.08.2009 14:19:18 Uhr
» keine Freizeit gehabt «<br />
Theresia Reisner, geb. 1918 in Aigen (Gemeinde Kirchschlag),<br />
seit 1937 in Gleichenbach (Gemeinde Hollenthon), Landwirtin<br />
Ich hab keine Freizeit gehabt. Wenn Freizeit gewesen ist, dann hab ich meinen Kindern alles<br />
zusammenrichten müssen, flicken und stopfen. Da haben wir ja nicht so ein Gewand gehabt wie<br />
heute.<br />
» Freizeit hab ich nicht viel gehabt «<br />
Johanna Kahofer, geb. 1925 in Edlitz, Landwirtin<br />
Freizeit hab ich nicht viel gehabt, weil es war eh immer die Arbeit. Am Sonntagnachmittag hab<br />
ich wieder müssen die Wäsche richten für die ganze Woche. Wir waren ja gläubige Menschen, wir<br />
sind jeden Sonntag in die Kirche gegangen, herunter eine Stunde, zurück fünf Viertelstunden,<br />
im Winter eineinhalb Stunden. Eine hat müssen daheim bleiben, Haus hüten. Die hat derweil<br />
gekocht, bis wir wieder heimgekommen sind. Die anderen sind in die Kirche gegangen, und dann<br />
sind sie wieder heim. Oft, wenn nachmittags um zwei Kongregationsversammlung von den Mädchen<br />
war, sind wir zweimal hinunter und heim. Man hat alles zu Fuß gehen müssen.<br />
» oft mit dem Rad ausgefahren «<br />
Franziska Ungerböck, geb. 1921 in Harmannsdorf (Gemeinde Hochneukirchen-<br />
Gschaidt), Näherin und Landarbeiterin. Der folgende Textausschnitt ist aufgrund<br />
eines Schreibaufrufs der „Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“<br />
zum Thema „Faszination des Fahrens“ im Jahre 2002 entstanden.<br />
Die Ostermann Leni und ich sind oft mit dem Rad ausgefahren. Einmal, es war kurz nach dem<br />
Krieg, sind wir nach Pinggau gefahren. Da konnte man schon etwas ohne Bezugsschein kaufen.<br />
Leni hatte einen Koffer dabei, sie hatte Rexgläser eingekauft. Als wir von Pinggau nach Schäffernsteg<br />
kommen, sagte Leni: „Ich hab im hintern Rad keine Luft mehr.“ Da war guter Rat teuer.<br />
Pickzeug hatten wir auch keines dabei. In Schäffernsteg ist ein Gasthaus, da ging Leni hinein und<br />
fragte, ob sie uns helfen könnten. Sie verneinten, meinten aber, nebenan seien Soldaten einquartiert,<br />
vielleicht könnten die uns helfen. Die waren damals zur Bewachung der burgenländischen<br />
Grenze eingesetzt. Leni ging hinein und fragte sie um Hilfe. Es waren drei junge, fesche Männer,<br />
182 - Freizeitwelten - Frauen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 182 31.08.2009 14:19:18 Uhr
und die konnten uns helfen. Sie haben den Schlauch gepickt. Und weil wir noch nach Pinkafeld<br />
fahren wollten, bat Leni sie, ob sie ihren Koffer, er war ja schwer, derweil dalassen könnte. Sie<br />
sagten: „Ja, selbstverständlich!“<br />
Als wir dann zurückkamen und den Koffer haben wollten, sagten sie: „Der Koffer ist gestohlen<br />
worden, wir müssen Anzeige erstatten. Einer ging zur Schreibmaschine und sagte: „Ich brauche<br />
Namen und Adresse.“ Leni – sie war für jeden Spaß zu haben – sagte irgendeine Adresse an. Dann<br />
stellte sie sich hinter den Schreibenden und tippte immer auf irgendeine Taste. Er deckte dann<br />
die Schreibmaschine mit der Hand ab. Wenn er wieder schreiben wollte, machte sie es wieder. Ich<br />
habe mich köstlich amüsiert dabei. Am meisten habe ich gelacht, als er schrieb, dass ein Koffer<br />
gestohlen wurde und sie immer wieder sagte: „Der neue Koffer!“ Dabei war er schon alt und hatte<br />
ein Loch.<br />
Es wurde dann schon dämmrig, da sagte Leni: „Bitte, gebt uns den Koffer heraus, wir müssen<br />
nach Hause, es wird ja finster.“ Da gaben sie ihn heraus. Wir mussten ja das Rad den steilen Berg<br />
nach Ulrichsdorf hinaufschieben. Das brauchte Zeit. Straße war damals noch keine von Ulrichsdorf<br />
nach Gschaidt. Der Weg war eben, aber dreckig. Wir mussten auch da die Räder schieben. Es<br />
wurde dann ganz finster, bis wir nach Hause kamen. Zu Hause sorgten sie sich schon um uns. Es<br />
ist aber ein schönes Erlebnis gewesen.<br />
» ein Kinofilm gedreht «<br />
Theresia Dienbauer, geb. 1927 in Wiesmath, aufgewachsen in einer Landwirtschaft<br />
In den 1950er-Jahren wurde in Wiesmath ein Kinofilm gedreht: „Schicksal am Lenkrad“. In<br />
Wiesmath haben sie dann Statisten gesucht, also Leute, die da mittun. Da waren wir dabei. In<br />
der Früh sind wir alle gerannt. Haben sie gesagt: „Meldets euch an!“ Es hat ja niemand gewusst,<br />
dass wir auf d’ Nacht ein Geld kriegen. Und wie man das dann gewusst hat, sind beim zweiten Mal<br />
schon mehr gekommen. Einmal haben wir über die Kirchenstiegen müssen runtergehen, hab ich<br />
einen Rosenkranz in der Hand halten müssen. In der Kirche haben sie Frauen mit einem Tüchl<br />
gesucht. Aber wenn du einen Film siehst, dann siehst halt nicht viel. Du siehst einen Moment, und<br />
schon ist’s wieder weg. Aber wir waren alle begeistert.<br />
Frauen - Freizeitwelten - 183<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 183 31.08.2009 14:19:18 Uhr
» Aber so hab ich es mir gut gehen lassen «<br />
Hildegard Kornfeld, geb. 1929 in Wiener Neustadt,<br />
aufgewachsen und wohnhaft in Lanzenkirchen, Schneiderin<br />
Was ich zu Hause alles gemacht hab? Wenn ich von der Arbeit heimkommen bin, hab ich mich<br />
niedergelegt. Da hab ich nichts gearbeitet. Ich hab auch nicht Wäsche waschen müssen. Ja, als<br />
die Mutter krank geworden ist, hab ich schon auch müssen Wäsche waschen, aber so hab ich<br />
nichts mehr gearbeitet. Denn wir haben ja keinen Garten und nichts gehabt. Aber als wir zum<br />
Bauen begonnen haben im 1961er-Jahr, hab ich schon arbeiten müssen. Da hab ich mir drei oder<br />
vier Zementsackeln auf eine Scheibtruhe aufgeladen und bin gefahren. Und die, die mir geholfen<br />
haben beim Arbeiten, sind angerannt kommen: „Bist narrisch? So schwer!“ Aber ich hätte sie ja<br />
bezahlen müssen. Das hab ich nicht können, weil ich auch kein Geld gehabt habe. Ich hab auch<br />
sparen müssen beim Bauen. Da hab ich dann schon viel arbeiten müssen. Aber so hab ich es mir<br />
gut gehen lassen, ich hab so nichts gearbeitet. Ich bin nirgends hingegangen arbeiten oder was.<br />
Denn ich hab gesagt: „Ich tu eh acht Stunden arbeiten, ich hab eh genug!“ Und mit dem Geld haben<br />
wir das halt so einteilen müssen, damit es gegangen ist.<br />
Aber als wir dann den Roller gehabt haben, sind wir schon alle Jahre in den Urlaub gefahren.<br />
Und was gab es sonst an Unterhaltungsmöglichkeiten? Alle Samstag eine Tanzerei! Da sind wir<br />
bis nach Wiener Neustadt oder Katzelsdorf gefahren. Eine Disco war das noch nicht, das war lauter<br />
so ein Tschimbum, aber das war ja wurscht. Fortgekommen sind wir.<br />
» Und so war ich fünfzig Jahre dabei «<br />
Elfriede Klinglmüller, geb. 1925 in Scheiblingkirchen, Wirtstochter, Eierhändlerin<br />
Ich hab mit fünf Jahren beim Kirchenchor angefangen, weil ich mit fünf Jahren angefangen<br />
hab Klavier zu spielen. Da war in Gleißenfeld die Frau von Schuster, die hat am Weg zum Tür-<br />
kensturz rauf gewohnt, links das Haus, das dann einem Wiener Neustädter gehört hat. Bei der<br />
hab ich Klavierstunden gekriegt. Und ich hab eine Lederschultasche gekriegt, auf die hab ich<br />
mich immer, wenn Schnee war, drauf gesetzt und bin hinuntergerutscht, weil es so stark bergab<br />
gegangen ist dort. Meine Mutter hat sich immer gewundert, dass die Schultasche so ausschaut.<br />
„Du gehst doch nur so ein Stückl in die Schule, wieso schaut die Schultasche so aus?“ Bis ich es ihr<br />
einmal gestanden habe, dass ich da immer bei der Frau von Schuster, Edle von Schuster hat sie<br />
geheißen, runtergerutscht bin. Das sind auch allerhand Sachen, die nicht richtig sind. Und da hab<br />
ich eben schon mit fünf Jahren beim Kirchenchor angefangen. Der Herr Walli war der Organist,<br />
er war immer viel bei uns. Auch der Pfarrer war alle Tag bei uns, er war der Nachbar und hat bei<br />
uns gegessen und der Herr Walli ist halt auch immer gekommen. Und da hat er gesagt: „Elfi, du<br />
184 - Freizeitwelten - Frauen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 184 31.08.2009 14:19:19 Uhr
kennst schon die Noten. Ich bräuchte so notwendig wen zum Requiemsingen.“ Und da haben wir<br />
Requiemsingen dürfen. Da war die Ella Scherleitner, dann die Diblik Franzi und ich. Uns hat er<br />
halt immer geholt. So sind wir in den Kirchenchor hineingewachsen. Und so war ich fünfzig Jahre<br />
dabei. Ich habe eine Auszeichnung gekriegt, die liegt in der Lade. Es war eine schöne Zeit.<br />
» Ich brauche kein Kino, ich brauche kein Theater «<br />
Elfriede Böhm, geb. 1930 in Eichbüchl (Gemeinde Katzelsdorf)<br />
Mein Mann, der Bürgermeister war, hatte ja nicht viel Geld gehabt damals, er hatte 1 800 Schil-<br />
ling im Monat. Und ich bin alle vierzehn Tage ins Krankenhaus gegangen, habe alle besucht, ob<br />
reich oder arm, rot oder schwarz. Darum haben wir bei der Bürgermeisterwahl auch immer mehr<br />
Stimmen gehabt als bei der Nationalratswahl. Ich mache Caritas, Ortscaritas, besuche die alten<br />
Leute, zu Weihnachten, auch heute noch. Viele Leute schätzen das heute noch bei mir. Ich brauche<br />
kein Kino, ich brauche kein Theater. Ich brauche keinen Luxus und nix, ich tue lieber was<br />
Gutes, und das gibt mir viel mehr.<br />
» immer für andere etwas getan «<br />
Johanna Preineder, geb. 1923 in Frohsdorf (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />
Kindergärtnerin<br />
Meine erste Urlaubsreise war mit der Freundin Wanda 1943 nach Vorarlberg und zwar zu einer<br />
Familie in Schruns, in Vorarlberg, die wir gekannt haben. Der Mann dieser Familie war hier ein-<br />
gerückt und war an der Front und hat gesagt: „Wenn’s einmal wollts, fahrt zu uns, da ist es noch<br />
besser. Bei uns gibt es noch allerhand zu essen, nicht so wenig wie bei euch in Niederdonau.“ Niederdonau<br />
hat es ja geheißen, nicht Niederösterreich. Und das war ganz, ganz toll.<br />
Später war ich beim Kirchenchor, auch bei der Caritas, ich war fünfzehn Jahre lang Caritas-<br />
Leiterin, war fünfzehn Jahre im Pfarrgemeinderat, dann war ich siebzehn Jahre Seniorenbund-<br />
Obfrau. Was hab ich noch alles öffentlich getan? Es war so viel, dass ich gar nicht weiß, was das<br />
alles war.<br />
Für die Öffentlichkeit etwas zu tun ist ganz wichtig. Man muss sich einbringen und man muss<br />
etwas tun. Mein ganzes Leben hab ich immer für andere etwas getan. Ich hab mit der Landjugend<br />
Theater geprobt, die sagen immer: „Wir haben dich brauchen können, du hast uns geholfen!“ Als<br />
der Pfarrer Zach hergekommen ist, hat er gesagt: „Du warst die erste Person, von der man was<br />
haben hat können. Du hast sofort gesagt: ‚Ja, das mach ich, das tu ich!’ Du hast dich eingebracht!“<br />
Das soll man im Leben auch.<br />
Frauen - Freizeitwelten - 185<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 185 31.08.2009 14:19:19 Uhr
Beim Federnschleißen in Wiesmath<br />
von links: Anna Fuchs, Theresia Leitner, Theresia Lange, Theresia Castanetto, Maria Kornfehl (Ernst), Leopoldine Kaupa,<br />
Karoline Schwarz, Elisabeth Bernhard, Maria Ernst um 1950 Foto: Gemeinde Wiesmath<br />
Essen aus einer Schüssel in Wiesmath<br />
von links: Theresia Leitner, Karoline Schwarz, Anna Fuchs, Hannelore Schwarz (Mann), Johanna Galley,<br />
Theresia Weninger, Theresia Castanetto, Leopoldine Kaupa um 1954 Foto: Hannelore Schwarz, Wiesmath<br />
186 - Freizeitwelten - Frauen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 186 31.08.2009 14:19:19 Uhr
Erntekrone für das Erntedankfest in Walpersbach<br />
Vor dem Gasthaus Fröch in Katzelsdorf<br />
von links:<br />
1. Reihe: Helene Heppe<br />
(Neubauer),<br />
Sieglinde Schwarz<br />
(Kerschbaumer)<br />
2. Reihe:<br />
Rosa Breitsching<br />
(Mayrhofer),<br />
Angela Langecker (Weber),<br />
Maria Fuchs (Fromwald),<br />
Maria Schatzer (Steurer)<br />
3. Reihe:<br />
Marianne Schneeweis<br />
(Kerschbaumer)<br />
1954<br />
Foto: Franz Breitsching,<br />
Walpersbach<br />
Familie Ofenböck 1930er-Jahre Foto: Gemeinde Katzelsdorf<br />
Frauen - Freizeitwelten - 187<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 187 31.08.2009 14:19:24 Uhr
Fahrradausflug Edlitz – Hochneukirchen<br />
Auf der „Maschin“ in Hochneukirchen<br />
188 - Freizeitwelten - Frauen<br />
von links:<br />
Anna Stummer<br />
(Reisenbauer),<br />
Maria Scheibenreif<br />
(Stummer),<br />
Aloisia Handler<br />
(Korntheuer),<br />
Aloisia Stummer<br />
um 1930<br />
Foto: Familie<br />
Johann Reisenbauer,<br />
Edlitz<br />
von links:<br />
Maria Ungerböck<br />
mit Anton,<br />
Maria Heissenberger<br />
mit<br />
Maria Ungerböck<br />
1959<br />
Foto: Maria Ungerböck<br />
Harmannsdorf<br />
(Hochneukirchen)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 188 31.08.2009 14:19:25 Uhr
Anfänge der Mutterberatung in Hochwolkersdorf<br />
von links: Anna Korzil, Wilma Kornfeld, Theresia Weber, Fr. Abinger (Lehrerin), Anna Blank, Cäcilia Richtar,<br />
Aloisia Kabinger, Fr. Birnbauer, Fr. Gneist, Fürsorgerin, Arzt<br />
Damenschnapsen im Gasthaus Ecker in Frohsdorf<br />
von links: Rudolf Stettner, Willi Kabinger, unbekannt, Theresia Jägerhofer, Maria Stubner, Heinrich Bischof,<br />
Berta Valentincic, Frau Rasinger, Georg Stubner, Josef Valentincic<br />
um 1925<br />
Foto: Gemeinde<br />
Hochwolkersdorf<br />
mit Männern,<br />
die kiebitzen<br />
dürfen<br />
1950<br />
Foto: Herbert Swoboda,<br />
Lanzenkirchen<br />
Frauen - Freizeitwelten - 189<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 189 31.08.2009 14:19:27 Uhr
Männer<br />
Viele Jahrzehnte waren<br />
die Freizeitaktivitäten von<br />
Männern in ländlichen<br />
Räumen wie der Buckligen<br />
Welt vor allem durch<br />
das rege Vereinsleben geprägt.<br />
Dazu gehört das<br />
Engagement bei der Freiwilligen<br />
Feuerwehr ebenso<br />
wie die Mitwirkung in den<br />
zahlreichen Musik- und<br />
Sportvereinen. Auch die<br />
Jagd nimmt im Freizeitleben<br />
vieler Österreicher (wie auch im Bereich der Vernetzung zwischen politischen und wirtschaftlichen<br />
Entscheidungsträgern) einen wichtigen Stellenwert ein. Das Wirtshaus schließlich war ein zentraler<br />
Ort männlicher Geselligkeit. Wiewohl das Vereinswesen in ländlichen Regionen noch heutzutage bedeutend<br />
ist, hat sich auch das Freizeitverhalten von Männern in gewisser Weise individualisiert und<br />
von lokalen und regionalen Strukturen gelöst. Das eigene Auto oder das ganz persönliche Hobby<br />
haben an Bedeutung gewonnen, und zahlreiche Wirtshäuser wurden inzwischen zugesperrt.<br />
Viele heute ältere Männer erinnern sich nicht zufällig an ihr Engagement, das meist nicht nur auf einen<br />
Verein beschränkt war. Der Jagd kommt in einigen Lebenserinnerungen ein wichtiger Stellenwert zu.<br />
Eine ehemalige Gastwirtin erzählt aus ihrem persönlichen Blickwinkel über das Wirtshaus und dessen<br />
Besucher. Darüber hinaus weist ein Zeitzeuge darauf hin, wie schwer nach jahrelanger Abwesenheit<br />
durch Krieg und Kriegsgefangenschaft die Rückkehr in das lokale Freizeitleben sein konnte.<br />
Und schließlich erzählen manche über ihre persönlichen Hobbys.<br />
Die Wirtshausfotos zeigen uns, dass hier mit Ausnahme der Wirtin und weiblicher Angestellter nur<br />
Männer verkehrten. Diese tranken vor allem Wein, spielten Karten und erzählten sich Neuigkeiten. In<br />
den Wirtshäusern wurden auch das Aufstellen der Maibäume und das Böllerschießen bei Hochzeiten<br />
organisiert. Bei den Vereinen hatten die Feuerwehren, Jagdgenossenschaften, Musikvereine und die<br />
vielen neu gegründeten Fußballvereine die meisten Mitglieder. Überdies wurden nach den Kriegen in<br />
vielen Gemeinden Ortsgruppen des Kameradschaftsbundes gegründet.<br />
190 - Freizeitwelten - Männer<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 190 31.08.2009 14:19:28 Uhr
» Eine Hetz und eine Gaudi «<br />
Margarete Braunstorfer, geb. 1934 in Wiesmath, Kauffrau<br />
Es hat geheißen: „Der Hitler fängt den Krieg an. Alle müssen raus nach Wiener Neustadt zur<br />
Musterung.“ Da haben sie die Männer dann geholt. Die sind mit dem Autobus gefahren, sonst hat<br />
es ja keine Autos gegeben in Wiesmath. Eine Hetz und eine Gaudi. Heimgekommen sind sie mit<br />
den großen Sträußerln, alle haben Hüte aufgehabt. Mein Onkel war beim Bundesheer gewesen,<br />
das waren die Ersten, die einrücken mussten. Die Burschen haben immer eine Abschiedsfeier gemacht<br />
in einem Gasthaus: „Sie verabschieden sich, weil sie wissen nicht, wann sie heimkommen.“<br />
Später haben wir dann gehört, dass mein Onkel gesagt hatte: „Jetzt feier ich mit meinen Freunden,<br />
und dann fahre ich nach Frankreich und gehe über die Brücke marschieren.“ Das haben sie<br />
dann später erzählt, das habe ich von meiner Mutter. Am 10. Mai 1940 haben die Kämpfe gegen<br />
Frankreich angefangen, und am 15. Mai ist mein Onkel gestorben. Er ist über Belgien nach Frankreich,<br />
dort ist er über eine Brücke gegangen und hat einen Bauchschuss gekriegt – und er war tot.<br />
Er war der erste Wiesmather, der gefallen ist. Das war für mich etwas ganz Arges, denn er war der<br />
Lieblingsonkel. Er war Koch gewesen und hatte von der Konditorei immer Zuckerl, Süßigkeiten<br />
und alles Mögliche gebracht. Das war fürchterlich, als er gefallen war.<br />
» haben ganz einfach die Männer geholt «<br />
Elfriede Klinglmüller, geb. 1925 in Scheiblingkirchen, Wirtstochter<br />
Frauen waren damals nie im Gasthaus. Sie haben vielleicht die Männer geholt. Das ist öfters<br />
vorgekommen. Das war ganz schön wild manchmal. Wenn die Männer nicht heimgekommen<br />
sind, sind die Frauen ins Gasthaus gekommen und haben ganz einfach die Männer geholt. Ich<br />
weiß nicht, was sie ihnen gesagt haben, das hab ich nicht mitkriegt. Na, bei ein paar Männern hab<br />
ich es schon mitkriegt, aber die sind schon lange, lange tot.<br />
Viele Männer sind nach der Kirche gekommen, da haben sie immer gegessen. Meine Mutter hat<br />
noch sehr gut Beuschel kochen können, Bruckfleisch, was man heute ja fast nirgends mehr kriegt.<br />
Da war das Gasthaus immer voll, aber das war halt unsere einzige Einnahme in der ganzen Woche.<br />
Samstagabends war immer eine Kartenpartie. Später war auch am Sonntag immer eine Kartenpartie.<br />
Wenn es zwölf geschlagen hat, haben sie alle die Karten hingelegt. Wir haben Schnitten<br />
gehabt, „Hoferschnitten“ haben die geheißen. Die sind vom Pischinger gewesen, und jedes Gasthaus<br />
hat da seinen Namen drauf gehabt. Ein jeder von diesen Herren hat so eine Schnitte gekauft,<br />
und mit der sind sie dann nach Hause gegangen.<br />
Männer - Freizeitwelten - 191<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 191 31.08.2009 14:19:28 Uhr
» endlich ein normaler Mensch sein konnte «<br />
Karl Heissenberger, geb. 1926 in Breitenbuch (Gemeinde Bromberg). Tischler.<br />
Der folgende Text ist ein Ausschnitt aus seinen schriftlichen Lebenserinnerungen,<br />
die auf seinem Tagebuch basieren.<br />
Nach der Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft 1946 begann für mich eine schöne Zeit. Der Fa-<br />
sching ging zwar seinem Ende zu, aber das Wiedersehen und das Faschingstreiben wollte ich mit<br />
den früheren Jugendfreunden feiern. Es war zwar nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte: Viele<br />
waren gefallen oder noch nicht zu Hause, andere trauerten um Angehörige, auch gab es fast nichts<br />
zum Essen und Trinken. Tanzen konnte ich auch nicht. Ich war zwar noch nie ein guter Tänzer,<br />
aber noch war ich zu schwach, um an einem Tanz eine Freude zu haben. Ich ging auch im heurigen<br />
Fasching nicht mehr tanzen. Ich widmete mich in nächster Zeit der Musik, das machte mir<br />
mehr Spaß. Die Mutter verwöhnte mich mit so vielen Köstlichkeiten, dass ich in zehn Tagen acht<br />
Kilo zunahm. Dadurch schwollen mir meine Beine derart, dass ich einen Arzt aufsuchen musste.<br />
Mir wurde vorerst eine Reduktionskost verordnet, eine normale leichte Kost, weniger Fett und<br />
Fleisch, sowie eine Entwässerungskur. Ich war, mit einem Wort gesagt, nur überfressen. Diese<br />
Fressgier marterte mich nicht nur am Tag, auch in der Nacht im Traum überwältigte mich die<br />
Gier. Das dauerte fast zwei Monate, bis ich diese Alpträume loswurde und endlich ein normaler<br />
Mensch sein konnte. Die beiden Kameraden aus der Kriegsgefangenschaft, welche in unserer<br />
Nähe wohnten, das waren Fahrner Ludwig sowie Besta Franz aus Erlach, wurden von meinen<br />
Eltern zu einem Festmahl eingeladen. Es war ein schöner Nachmittag, besonders für Besta Franz,<br />
der konnte sich auch endlich einmal richtig satt essen. Zu Hause hatten sie fast nichts zu essen,<br />
daher gab ihm meine Mutter noch ein schönes Lebensmittelpaket mit auf den Heimweg.<br />
» Instrumente hat es auch keine gegeben «<br />
Ernst Reithofer, geb. 1926 in Gschaidt (Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt),<br />
Landwirt<br />
Im 1947er-Jahr gründete der Simon von Burgerschlag eine Musikkapelle. Vorher hatte es auch<br />
eine Musikkapelle in Gschaidt gegeben, aber durch den Krieg war ja alles weg. Mein Bruder und<br />
ich haben uns auch zu der neuen Musikkapelle gemeldet. Jetzt muss man sich aber vorstellen: Es<br />
hat ja nichts gegeben, weder Musiklehrer noch eine Musikschule. Instrumente hat es auch keine<br />
gegeben. Instrumente haben wir uns mit Lebensmitteln eingetauscht. Der Simon war ein Klarinettist,<br />
er hat mir das ein wenig beigebracht, die Griffe aufgeschrieben: „So, jetzt übe daheim, so<br />
gut es geht, und schau, weil nächstes Jahr müssen wir spielen.“ Gut, recht und schlecht ist das<br />
gegangen. Wir haben wirklich ein Jahr drauf schon gespielt.<br />
192 - Freizeitwelten - Männer<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 192 31.08.2009 14:19:28 Uhr
» mit der Tanzmusik angefangen «<br />
Anton Schabauer, geb. 1928 in Hattmannsdorf<br />
(Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt), Wagner und Taxi-Unternehmer<br />
Im 1949er-Jahr hab ich dann eigentlich mit der Tanzmusik angefangen. Damals spielten wir<br />
Tanzmusik, da waren wir oft zu sechst. Und wir haben ja so viel auf Hochzeiten gespielt. Soll ich<br />
kurz erzählen, was bei einer Hochzeit so los war? Da haben wir in der Früh zuerst bei der Braut<br />
ein Stückel spielen müssen. Dann sind wir zum Bräutigam gegangen, dann wieder zu der Braut<br />
hin. Die Hochzeit hat meistens gedauert vom Vormittag bis zum nächsten Tag Vormittag. Und<br />
nachdem die Tafel zu Ende war, ist eigentlich das „Wiegenholzführen“ gekommen, so hat das<br />
geheißen. Die haben so einen Baum gehabt, auf der einen Seite haben die Frauen gezogen und<br />
auf der anderen die Männer. Da hat es geheißen: „Wenn die Frauen die Stärkeren sind, dann ist<br />
das nächste Kind, das kommt, ein Madl. Und wenn die Männer gewinnen, dann ist es ein Bua.“<br />
Natürlich, wenn die Frauen etwas schwächer waren, dann haben sie geschrien: „Musi geht’s her,<br />
helfts uns anziehen!“ Dann sind sie hergegangen und haben den Stamm abgemessen, wie lang der<br />
ist. So und so viel Wiegenholz geht dann heraus. Wenn das vorbei war, sind wir zum Haus, wo die<br />
Frau hingeheiratet hat, gegangen, haben die Frau dort „hingespielt“. Das war auch interessant: Da<br />
hat dann bei der Bauernhochzeit die alte Frau von dem Bauernhaus einen Kochlöffel genommen<br />
und hat gesagt: „Pass auf, bis jetzt hab ich da gekocht in dem Haus.“ Dann hat sie der neuen Frau<br />
den Kochlöffel übergeben und hat gesagt: „Von jetzt an bist du da die Frau, von jetzt an tust du<br />
kochen!“ Das war dann praktisch der Abschluss der Hochzeit.<br />
» viele schöne Tage erlebt in der Jägerei «<br />
Johann Schick, geb. 1928 in Kirchau (Gemeinde Warth), Landwirt<br />
Ein schönes Hobby, das ich habe, ist die Jägerei. Ich hab schon ganz jung mit dem Großvater<br />
mitgehen dürfen. Der ist am 20. Mai 1944 gestorben, und genau am gleichen Tag hab ich die erste<br />
Jagdkarte gekriegt, mit sechzehn Jahren. Hat der Vater unterschreiben müssen. Ich habe viele<br />
schöne Tage erlebt in der Jägerei. Wir haben nicht nur geschossen, wir haben etwas anderes auch<br />
tun dürfen – und heute noch: das Hegen und Pflegen, das Füttern.<br />
Männer - Freizeitwelten - 193<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 193 31.08.2009 14:19:28 Uhr
» Zwei Brände haben wir gehabt «<br />
Walter Glatz, geb. 1928 in Krumbach, Schneidermeister in Bad Schönau<br />
Ich war bei der Feuerwehr und bei der Jagd. Jagen bin ich gern gegangen, weil ich die ganze<br />
Woche eh drinnen gesessen bin. Auf d’ Nacht bin ich ins Revier gegangen. Manchmal hat man was<br />
geschossen, manchmal hat man nix geschossen. Aber schön war’s draußen im Wald. Überhaupt in<br />
der Früh, da fängt der Wald so zu leben an.<br />
Was die Feuerwehr betrifft: Die haben gesagt, ich soll dazugehen, dann bin ich halt dazugegangen.<br />
Die haben wen gebraucht, sie waren zu wenig, dann bin ich halt dazugegangen. Zwei Brände<br />
haben wir gehabt, was ich weiß. Die haben wir gleich gelöscht.<br />
» habe ich sehr viele Vereine gebildet «<br />
Wilhelm Strobel, geb. 1924 in Schwarzau am Steinfeld,<br />
gelernter Friseur, Wassermeister<br />
25 Jahre war ich für die Gemeinde tätig. Ich bin 1959 zur Partei dazugekommen, und in den<br />
1960er-Jahren waren dann die Wahlen. Dann bin ich im Gemeinderat gewesen bis in die 1980er-<br />
Jahre.<br />
In meiner Zeit als Schulausschussobmann habe ich sehr viele Vereine gebildet. Das Erste war<br />
das Frauenturnen, der Koglbauer hat das gemacht, dann haben sich die anderen dazugesellt, auch<br />
Tischtennisspielen und Kinderturnen. Das hat sich halt damals so ergeben, dass die Turnhalle die<br />
ganze Woche besetzt war. Wir haben dann im Schulausschuss festgelegt, dass die eine Kleinigkeit<br />
bezahlen müssen. Das hat sich dann eh alles gut entwickelt. Die Turnhalle ist benutzt worden,<br />
denn es wäre ja schade gewesen, wenn die Turnhalle nur für die Schulstunden zum Turnen verwendet<br />
worden wäre und sonst leer gestanden wäre.<br />
Was den Fußball betrifft: Schon vor dem Krieg war von der kirchlichen Stelle aus ein Verein<br />
gegründet worden. Das hatte sich durch den Zusammenschluss mit Deutschland in der Nazizeit<br />
erledigt. Und nach Kriegsende haben es natürlich wieder junge Leute versucht. Es ist dann auch<br />
gelungen, einen Fußballverein aufzubauen. Da war am Anfang gleich der Streng Franzi Obmann.<br />
Schöne Spiele sind durchgeführt worden, und die Rivalität war dann natürlich eine breite. Die<br />
Rivalität war hauptsächlich mit Erlach und Pitten. Wer hat die bessere Mannschaft?<br />
194 - Freizeitwelten - Männer<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 194 31.08.2009 14:19:28 Uhr
» Das Auto ist immer größer und besser geworden «<br />
Rudolf Zottl, geb. 1939 in Bad Erlach, Tischler<br />
Dann hab ich mir mein erstes Moped kaufen können. In Walpersbach war ein Lebensmittel-<br />
geschäft, und das hat alles verkaufen können. Bei dem hab ich das Moped gekauft. Das war eine<br />
blaue Puch, ein Zweisitzer. Natürlich auf Raten, weil anders wäre das nicht gegangen. Die Puch<br />
hat damals 5 000 Schilling gekostet, das war viel Geld. Am Bau hab ich schön verdient, also hab<br />
ich mir die Raten leisten können. So ist das dann weitergegangen: ein zweites Moped, ein drittes<br />
Moped. Nur bis zum Auto hat’s nicht gereicht. Erst wie ich geheiratet hab, hab ich den Führerschein<br />
gemacht. Und dann haben wir uns das erste Auto geleistet, ein kleines, ein Goggomobil, ein<br />
liebes Auto. Aber es hat vier Radeln gehabt, und das war wichtig. Dann ist es halt immer besser<br />
geworden, man hat gespart, gespart. Das Auto ist immer größer und besser geworden. Und so ist<br />
das weitergegangen. Heute sind in jedem Haushalt schon drei, vier Autos. Heute ist das ja kein<br />
Problem, ein Problem ist nur das Zahlen.<br />
» So dass man einem Besuch etwas aufwarten konnte «<br />
Karl Lackner, geb. 1946 in Thomasberg, lebt in Hattmannsdorf (Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt).<br />
Der folgende Text ist ein Auszug seiner umfangreichen<br />
schriftlichen Lebenserinnerungen, die in der „Dokumentation lebensgeschichtlicher<br />
Aufzeichnungen“ archiviert sind.<br />
Irgendwann in dieser Zeit besuchte ich meinen nunmehrigen Tischler, und da sah ich in seiner<br />
Werkstatt einen nicht ganz fertigen Barschrank. Einen solchen wollte ich nun auch haben, er<br />
könnte gut zwischen meinem Kasten und der rechten Außenmauer unter die Dachschräge hineinpassen.<br />
Ein paar Wochen später konnte ich das gute Stück abholen, es bestand aus drei Etagen.<br />
Oben hatte er ein gebrauchtes Röhrenradio samt „magischem Auge“ eingebaut, links und rechts<br />
davon je einen Lautsprecher mit blauem Stoffbezug. Darunter ein Leerfach, passend für mein<br />
Tonbandgerät, und im unteren Teil war die Bar untergebracht: innen mit Spiegeln ausgekleidet,<br />
gläserne Schiebetüren, wobei beim Öffnen der linken Tür eine grüne Beleuchtung anging, und bei<br />
der rechten kam rotes Licht. Mit ein paar Likören und entsprechenden Gläsern war die Vitrine<br />
bald beschickt, so dass man einem Besuch etwas aufwarten konnte. Um diesen Barschrank hat<br />
mich mein Jugendfreund Gustl vom Berg oben stets beneidet. Auch auf das Tonbandgerät hatte<br />
er ein Auge geworfen, und wollte es mir abkaufen. „Vorläufig nicht“, sagte ich. Aber als dann im<br />
Herbst von einem Versandhaus in Wien ein Katalog kam mit Geräten auf dem neuesten Stand<br />
der Tonbandtechnik, da war es so weit. Gustl bekam mein Altgerät, und ich bestellte ein neues,<br />
Männer - Freizeitwelten - 195<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 195 31.08.2009 14:19:28 Uhr
größeres: Hornyphon-Automatic-Super. Fast 3 950 Schilling kostete es und riss ein beträchtliches<br />
Loch in mein bescheidenes Budget.<br />
» eher so ein Privathobby von mir «<br />
Ferdinand Zahlner, geb. 1936 in Laa an der Thaya, seit 1948 in Katzelsdorf,<br />
Pater und AHS-Lehrer für Biologie und Umweltkunde<br />
Weißt du, was die Parapsychologie ist? In den Schulfächern wird das ja nicht unterrichtet. Das<br />
ist eher so ein Privathobby von mir. Ich muss dazu etwas weiter ausholen: Ich habe einen lieben<br />
Mitbruder und Kollegen: Andreas Resch, er ist ein Südtiroler. Er war kurze Zeit hier am Gymnasium,<br />
da haben wir uns kennen gelernt. Er kam von Bozen herauf. Wir sind draufgekommen, dass<br />
wir beide die gleichen Interessen haben: die sogenannten okkulten Phänomene, also das Geheimnisvolle,<br />
Verborgene, die sozusagen in der normalen Wissenschaft nicht unterrichtet werden, zum<br />
Beispiel die Parapsychologie. Und so haben wir auf diesem Gebiet privat Literatur studiert. Die<br />
Wege haben sich getrennt: Ich kam nach Wien, und er kam nach Freiburg. Er hat dort studiert<br />
und in Innsbruck dann seine Dissertation geschrieben über das „Siderische Pendel“ und über den<br />
Traum, also ein theologisches Thema, der Traum im Heilsplan Gottes – ganz interessant. Und<br />
ich kam dann in Kontakt mit der Katholischen Akademie, wo ich schon vorher den Leiter einer<br />
Arbeitsgemeinschaft kennen gelernt hatte, Peter Hohenwarter, er ist Kärntner und inzwischen<br />
schon gestorben. Dadurch kam ich hinein und hab die Leitung dieser Arbeitsgemeinschaft übernommen,<br />
die sich mit solchen Grenzfragen beschäftigt. Wie etwa mit Spuk- und Geisterphänomenen<br />
oder eben mit Uri Geller.<br />
Dieser Israeli war damals sehr bekannt. Er war kein Zauberer, sondern er hatte mentale Fähigkeiten,<br />
auf Gegenstände der Umwelt einzuwirken, zum Beispiel Besteck zu verbiegen. Es gab<br />
damals im ORF eine Fernsehsendung; einschlägige Sender waren vorher schon da gewesen, die<br />
ARD zum Beispiel. Da war ich dabei. Ich kann mich noch erinnern, als ich in der Wiener Universitätsbibliothek<br />
war und mir ein Buch ausborgte. Sagt der Angestellte: „Waren Sie nicht im<br />
Fernsehen?“ Sag ich: „Ja, wieso?“ – „Beim Uri Geller, ich hab Sie ja gesehen!“ Spricht mich gleich<br />
an. Die Leute sind damals am Fernseher gesessen: „Aha, ist das ein Zauberer, kann der was?“ Wir<br />
haben ein Besteck gehabt, und es war eigentlich enttäuschend, es hat sich nicht viel ereignet. Sie<br />
haben einen Vertreter der Uhrmacherinnung da gehabt, dann noch einen Psychologen aus Graz,<br />
einer von Ö3 war dabei und Hellmut Hofmann, der Universitätsprofessor war. Jedenfalls, in der<br />
Sendung selbst hat sich nicht viel getan. Es wurde eine Uhr hingelegt, die war blockiert. Das<br />
konnte er, glaube ich, schon lösen. Und dann war ein Gespräch, und ich war eigentlich nur dazu<br />
eingeladen: „Was sagt die Kirche dazu?“ Irgendwas hab ich gesagt, was weiß ich, wo Gottes Kräfte<br />
überall wirken und so.<br />
196 - Freizeitwelten - Männer<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 196 31.08.2009 14:19:28 Uhr
Beim Eisschießen in Pitten<br />
Schijöring in Wiesmath<br />
Im Winter wurde<br />
der Tennisplatz beim<br />
Bad zum Einschießen<br />
verwendet.<br />
Hans Georg Bauer<br />
(3. von links),<br />
Willi Wagner (ganz rechts)<br />
1971<br />
Foto: Museums- &<br />
Bildungsverein Pitten<br />
auf der Hauptstraße<br />
1948<br />
Foto: Margarete Braunstorfer,<br />
Wiesmath<br />
Männer - Freizeitwelten - 197<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 197 31.08.2009 14:19:29 Uhr
Musikverein Warth<br />
von links: 1. Reihe: Hr. Ries, Johann Wagner, Karl Ungersböck | 2. Reihe: Hermann Walli, Karl Kindlmayer, Josef Hattenhofer,<br />
Friedrich Schrei, Rudolf Gausterer (Obmann), Patritz Hattenhofer sen., Franz Schrammel, Josef Hanler, Anton Varga<br />
3. Reihe: Hr. Scherleitner sen., Willi Scherleitner, Patritz Hattenhofer jun., Karl Flonner, Johann Scherleitner, Franz Scherleitner,<br />
Friedrich Wiesbauer, Felix Holzer | 4. Reihe: Heinrich Kugler, Eduard Steiner, Georg Scherleitner, Karl Lechner,<br />
Johann Scherleitner, Josef Platzer, Alois Neumüller, Franz Pürrer<br />
Freiwillige Feuerwehr Zöbern<br />
198 - Freizeitwelten - Männer<br />
1951<br />
Foto: Hauptschule Scheiblingkirchen<br />
Foto: Freiwillige Feuerwehr Zöbern<br />
von links: 1. Reihe: Johann Kader, Gustav Sippel (Bäckermeister), Wilhelm Kollenhofer, Albert Schandlbauer, Christian Prenner<br />
(Schmied), Karl Leeb | 2. Reihe: Franz Flasch, Anton Rottensteiner, Karl Winklbauer, Alois Ostermann, Hubert Heissenberger,<br />
Josef Gamauf, Josef Dorner, Alois Spieß, Franz Prenner jun. (Schmied)<br />
nach einer Übung bei<br />
Grasel (Stüber) in<br />
Kampichl<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 198 31.08.2009 14:19:34 Uhr<br />
1954
Feuerwehrkameraden aus Katzelsdorf<br />
Foto: J. Wallner, Katzelsdorf<br />
von links: vorne sitzend: Felix Böhm, Rudolf Muster | 1. Reihe sitzend: Florian Binder, Michael Grieer, Johann Tikowsky,<br />
Hans Theuerweckl, Leopold Hofstätter, Lorenz Püttner, Peter Handler, Josef Binder, Engelbert Schöberl, Leopold Binder<br />
1. Reihe stehend: unbekannt, Franz Hofer, Franz Gerstacker, Franz Binderitsch, Johann Wallegger, August Handler,<br />
Peter Hendling, unbekannt, Leopold Giefing-Gnam, unbekannt, Franz Braunstorfer, Gottfried Püttner, unbekannt, Walter Beiglböck,<br />
Alois Gnam, Franz Gerstacker, Franz Gerstacker | 2. Reihe stehend: Ludwig Nemeth, Franz Steiger, Paul Puhr, Hr. Bauer,<br />
Julius Binder, Hermann Haberl, Hr. Wagner, Peter Gerstacker, Johann Putz<br />
50 Jahre SV Erlach<br />
1951<br />
vor dem Spiel gegen die<br />
Altinternationalen, das<br />
1:1 endete; Torschütze für<br />
Erlach: Helmut Rothmann<br />
17. August 1969<br />
Foto: Adolf Tauchner, Bad Erlach<br />
von links: stehend: Adi Mayer, Höfer, Gerhard Wolf, Swerak, Franz Radakovits, Halla, Karl Stachl, Hans Pletz, Xandl Bauer,<br />
Leopold Swoboda, Barschandt, Helmut Doppelreiter, Hans Puffitsch, Gieber, Oslansky, Franz Tauchner, Pelikan<br />
gebückt: Adi Tauchner | hockend: Helmut Rothmann, Franz Reis, H. Wagner, T. Wagner, Horak, Hof, Franz Jakubec,<br />
Hasenkopf, Sabetzer, Rudi Kovacs<br />
Männer - Freizeitwelten - 199<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 199 31.08.2009 14:19:39 Uhr
30 Jahre SC Schwarzenbach<br />
200 - Freizeitwelten - Männer<br />
Foto: Anton Weidinger,<br />
Schwarzenbach<br />
von links: sitzend: Johann Mössner, Josef Mössner (Präsident), Josef Kühteubl, Franz Oberger | stehend: Franz Giefing,<br />
Michael Kühteubl, Josef Faber, Franz Bammer, Helmut Linzer, Erich Klein, Anton Faber, Johann Gneist, Josef Sagmeister,<br />
Anton Bernhart, Fritz Kühteubl, Emil Rottensteiner, Anton Weidinger<br />
Meistermannschaft aus Grimmenstein<br />
von links: 1. Reihe: Herbert Kager, Josef Stampf, Anton Seidl, Manfred Traint, Franz Höller<br />
1963<br />
der 2. Klasse Wechsel im<br />
Spieljahr 1964/1965<br />
Foto: Adolf Aulabauer, Grimmenstein<br />
2. Reihe: Adolf Aulabauer, Ernst Reisenbauer, Bruno Schlager, Markus Aulabauer, Ernst Handler, Franz Metzenbauer (Keli)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 200 31.08.2009 14:19:41 Uhr<br />
1965
Fußballmannschaft SC Katzelsdorf<br />
von links: 1. Reihe: Peter Gerstacker, Alfred Herzog, Erich Windbüchler, Robert Gerstacker, Josef Wallner<br />
Foto: Friedrich Farkas,<br />
Katzelsdorf<br />
2. Reihe: Alfred und Hermann Handler, Johann Hanny, Karl Lenz, Friedrich Farkas, Franz Langer, Direktor Johann Steidler<br />
Musikkapelle Hochneukirchen<br />
1959<br />
Foto: Johann Kager,<br />
Hochneukirchen<br />
von links: Josef Schabauer, Franz Weber, Josef Pernsteiner, Ernst Strobl, Johann Kager, Josef Beiglböck, Alois Stübegger,<br />
Hermann Geyer, unbekannt, Johann Riegler, Hermann Geyer<br />
um 1950<br />
Männer - Freizeitwelten - 201<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 201 31.08.2009 14:19:42 Uhr
Meister auf der Klarinette aus Bad Schönau<br />
Musikverein Breitenau<br />
202 - Freizeitwelten - Männer<br />
eine weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannte<br />
Persönlichkeit<br />
Ernst Ungerböck<br />
1980<br />
Foto: Hermann Ungerböck, Bad Schönau<br />
mit Mitgliedern aus<br />
Breitenau und Schwarzau<br />
beim letzten Parkkonzert<br />
im Schloss Schwarzau<br />
Foto: Elisabeth und Willibald<br />
Schebach, Schwarzau am Steinfeld<br />
am Boden sitzend: Willibald Schebach | von links sitzend: Eduard Fuczek, Roman Reisner, Johann Maier (Kapellenmeister und<br />
Komponist des Breitenauer Bürgermarsches), Josef Duskanich (Obmann), Franz Strebinger, Kurt Berger | stehend: Johann Plank,<br />
Franz Fuchs, August Saumwald, Hermann Maier, Anton Pogatschnig, Gottfried Menschik, Franz Lesjak, Josef Batz, Karl Blach,<br />
Felix Saumwald, Franz Berger, Oswald Maier<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 202 31.08.2009 14:19:46 Uhr<br />
1951
Blasmusikkapelle der Freiwilligen Feuerwehr Kirchschlag<br />
Jägerquintett aus Hochneukirchen<br />
von links:<br />
1927<br />
Foto: Archiv Vollnhofer-Wanek,<br />
Kirchschlag<br />
1. Reihe: Wilhelm Konlechner, Ernst Ungerböck<br />
2. Reihe: Franz und Anton Ungerböck,<br />
Erich Milchrahm<br />
1970<br />
Foto: Maria Ungerböck, Hochneukirchen<br />
Männer - Freizeitwelten - 203<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 203 31.08.2009 14:19:47 Uhr
Tanzmusik Bad Schönau<br />
Männerwallfahrt aus Scheiblingkirchen<br />
204 - Freizeitwelten - Männer<br />
von links:<br />
Hermann Ungerböck,<br />
Josef Konlechner,<br />
Johann Ungerböck<br />
(Altkapellmeister),<br />
Anton Maierhofer<br />
(am Schlagzeug),<br />
Franz Bleier,<br />
Ernst Ungerböck<br />
1962<br />
Foto: Hermann Ungerböck,<br />
Bad Schönau<br />
mit den Fahrrädern<br />
nach Mariazell<br />
von links:<br />
Josef Flonner,<br />
unbekannt,<br />
Franz Leber,<br />
Johann Gallei,<br />
Josef Leber<br />
1925<br />
Foto: Josef Flonner,<br />
Ofenbach (Thernberg)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 204 31.08.2009 14:19:48 Uhr
Sonntagsausflug in Bad Schönau<br />
Sonntagsausflug mit der Puch<br />
Rudolf Bleier<br />
1930<br />
Foto: Reinhold Holzgethan, Bad Schönau<br />
Karl Koller (Zottlhof)<br />
1950er-Jahre<br />
Foto: Michaela Walla, Warth<br />
Männer - Freizeitwelten - 205<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 205 31.08.2009 14:19:49 Uhr
Bromberger Wirtshausrunde<br />
von links: 1. Reihe: Johann Piribauer (Gabelmacher), Franz Berger, Josef Riegler, Franz Gabler<br />
2. Reihe: Theresia Pürbauer (Wirtin), Irma Lessiak (Kellnerin), Franz Leitner (bekannter Musikant)<br />
Wirtshausszene in Zöbern<br />
206 - Freizeitwelten - Männer<br />
im Gasthaus<br />
Pürbauer (Jeitler)<br />
in Ober-Schlatten<br />
1956<br />
Foto: Willibald Birnbauer,<br />
Bromberg<br />
vor dem<br />
Gasthaus Schuh<br />
in Stübegg<br />
von links:<br />
vier unbekannt,<br />
Matthias Trimmel (Wirt),<br />
Michael Feigl<br />
mit Kinderwagen<br />
und Söhnen Otto<br />
und Michael<br />
1931<br />
Foto: Otto Feigl,<br />
Stübegg (Zöbern)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 206 31.08.2009 14:19:51 Uhr
Vor dem Böllerschießen in Zöbern<br />
Nach dem Böllerschießen in Edlitz<br />
bei der Hochzeit von<br />
Anton und Maria Reithofer<br />
(Rieglbauer)<br />
von links:<br />
Karl Kronaus (Maierhöfen),<br />
Josef Höller (Kampichl),<br />
Josef Brandstätter (Fuchsbauer)<br />
1952<br />
Foto: Johann Höller, Edlitz<br />
Foto: Familie Höller,<br />
Kampichl (Zöbern)<br />
von links: Johann Riegler, Erich Zax,<br />
Johann Höller, Josef Markon, Franz Pichlbauer<br />
um 1970<br />
Männer - Freizeitwelten - 207<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 207 31.08.2009 14:19:52 Uhr
Ballkomitee aus Hochwolkersdorf<br />
208 - Freizeitwelten - Männer<br />
beim Einzug<br />
der Maskierten<br />
ins Gasthaus<br />
Foto: Gemeinde<br />
Hochwolkersdorf<br />
von links: Josef Steiner, Josef Hofleitner, Ernst Fürst, Karl Hagenhofer, Franz Richtar, Martin Kabinger, Franz Hofleitner<br />
Erstes Oktoberfest in Bad Erlach<br />
1958<br />
organisiert von der<br />
Freiwilligen Feuerwehr<br />
und dem Männergesangsverein<br />
Erlach<br />
1967<br />
Foto: Wilhelm Hofer,<br />
Bad Erlach<br />
von links: Wilhelm Hofer mit seinen vier Enkerln, Hr. Spenger, Hr. Linhart, Franz Hofer, Mathias Mayerhofer, Karl Trimmel<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 208 31.08.2009 14:19:54 Uhr
Festakt für einen Thomasberger<br />
Funktionäre der Bezirksbauernkammer Aspang mit Josef Dienbauer 1. Reihe: 4. v. l. Josef Dienbauer<br />
Männergesangsverein „Eintracht Walpersbach“<br />
anlässlich der<br />
Verleihung des<br />
Titels Ökonomierat<br />
in Aspang an<br />
Josef Dienbauer,<br />
Bürgermeister<br />
von Thomasberg<br />
und Abg. zum<br />
NÖ Landtag<br />
1953<br />
Foto: Josef Dienbauer,<br />
Tiefenbach (Thomasberg)<br />
Foto: Franz Breitsching,<br />
Walpersbach<br />
von links: 1. Reihe: Franz Jägerhofer, Johann Schwarz, Josef Schwarz, Herr Preussler, Dir. Jedlitschka (Chorleiter), unbekannt,<br />
Johann Breitsching, Hr. Kovacs | 2. Reihe: Matthias Mayerhofer, Anton Wally, Anton Gneist, Matthias Braunstorfer,<br />
Ernst Schweiger, Johann Schwarz, Adolf Wagner, Josef Doppelreiter | 3. Reihe: Anton Schweiger, Heinrich Braunstorfer,<br />
Johann Fromwald, Leopold Braunstorfer, Josef Breitsching, Josef Mayrhofer, unbekannt, Herbert Abseher, Franz Kacal, unbekannt<br />
1950<br />
Männer - Freizeitwelten - 209<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 209 31.08.2009 14:19:55 Uhr
Nach der Jagd in Pitten<br />
Ausflug der Grimmensteiner Gemeinderäte<br />
210 - Freizeitwelten - Männer<br />
von links:<br />
Matthias Harather (Förster), Schlossverwalter Handler,<br />
Jagdgast<br />
1950er-Jahre<br />
Foto: Museums- & Bildungsverein Pitten<br />
in die Firma Durisol in Wels<br />
von links:<br />
Direktor der Firma Durisol,<br />
Bruno Schlager, unbekannt,<br />
Karl Schwarz, Franz Puchinger,<br />
Josef Weninger, Alfred<br />
Horaczek, Bgm. Anton Gneist,<br />
Franz Mayrhofer, Alois Handler<br />
1968<br />
Foto: Franz Puchinger, Grimmenstein<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 210 31.08.2009 14:19:56 Uhr
Kameradschaftsbund Edlitz<br />
1100-Jahrfeier in Pitten<br />
von links:<br />
Gerhard Philipp, Karl Gebhart,<br />
Alfred Bauer (Bgm. von Thomasberg),<br />
Franz Gebhart, Alois Rodax,<br />
Karl Gradwohl, Robert Koglbauer,<br />
Anton Rosenstingl, Martin Mühlbichler,<br />
Johann Grundtner, Johann Reisenbauer,<br />
Josef Kampichler,<br />
Josef Ernst (Bgm. von Edlitz)<br />
1992<br />
Foto: Gemeinde Edlitz<br />
Foto: Museums- & Bildungsverein Pitten<br />
Bürgermeister Schagerer (links) übernimmt den Becher von Graf Baudissin Zinzendorf (rechts) und seinem Sohn<br />
Bei dieser Gelegenheit kam<br />
der Mundbecher, den der<br />
Ungarnkönig Matthias Corvinus<br />
dem Burgverweser Wolfgang<br />
Teufel in Anerkennung seiner<br />
Tapferkeit geschenkt hatte,<br />
wieder nach Pitten zurück.<br />
Ein Nachkomme von Wolfgang<br />
Teufel, der Graf Baudissin<br />
Zinzendorf, machte an Pitten<br />
eine Schenkung.<br />
1969<br />
Männer - Freizeitwelten - 211<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 211 31.08.2009 14:19:57 Uhr
Alte Menschen<br />
Dass ältere und alte Menschen in<br />
früheren Zeiten eine Pension be-<br />
zogen, war mehr oder weniger<br />
ein Luxus und nur wenigen sozial<br />
und ökonomisch besser Gestellten<br />
vorbehalten. Die meisten alten<br />
Menschen in ländlichen Regionen<br />
wie der Buckligen Welt lebten im<br />
Ausgedinge und bezogen ihr Altenteil.<br />
Das war meist nicht mehr<br />
als zur minimalen Abdeckung der<br />
Grundbedürfnisse (Wohnen, Nahrung,<br />
Kleidung) nötig war. Erst<br />
durch die sozialstaatlichen Errungenschaften<br />
der vergangenen<br />
Jahrzehnte sind viele ältere Menschen<br />
finanziell unabhängig und zu aktiven Seniorinnen und Senioren geworden, die engagiert ihren<br />
ganz persönlichen Bedürfnissen und Hobbys nachgehen können.<br />
Erinnerungstexte über Freizeitwelten alter Menschen aus früheren Zeiten zu finden, ist daher zugegebenermaßen<br />
schwierig gewesen. Einige wenige haben über ihre Großeltern erzählt oder geschrieben.<br />
Von Freizeit im heutigen Sinne kann dabei aber nicht die Rede sein. Dagegen finden sich in manchen<br />
Erinnerungen Hinweise darauf, dass im Zuge der Sommerfrische, die sich in manchen Orten der<br />
Buckligen Welt etabliert hatte, sich auch einige ältere, meist gut situierte Menschen in der Region niederließen.<br />
Alle Interviewpartnerinnen und -partner sind inzwischen natürlich selbst in Pension – und<br />
nicht wenige von ihnen kann man getrost als aktive Seniorinnen und Senioren bezeichnen.<br />
Es gibt keine historischen Fotos, die ältere Menschen bei einer organisierten Freizeitaktivität zeigen.<br />
Turnen oder gemeinsame Ausflüge waren undenkbar. Bei besonderen Anlässen (etwa „Goldene<br />
Hochzeit“, hohe Geburtstage) wurden ältere Menschen oft durch ein kleines Fest in der Kirche geehrt.<br />
Sonst lebten sie zurückgezogen in ihrem Altenzimmer oder Ausnahmsstöckl. Ein typisches Bild<br />
sind die alten Männer, die mit ihrer Pfeife auf einer Bank vor dem Haus saßen. Ein Foto mit einer alten<br />
Frau in ihrem Zimmer dokumentiert die Bescheidenheit und Armut vieler alter Menschen.<br />
212 - Freizeitwelten - Alte Menschen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 212 31.08.2009 14:19:59 Uhr
» Ich mochte meinen Großvater sehr «<br />
Anna Handler, geb. 1920 in Ofenberg (Gemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg),<br />
Landwirtin in Bromberg. Der folgende Text ist ein Ausschnitt aus ihren<br />
umfangreichen schriftlichen Lebenserinnerungen, die unter anderem in der<br />
„Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“ aufbewahrt sind.<br />
Meine ersten Erinnerungen stammen noch aus Großvaters Zeiten aus dem Jahre 1924. Als ich<br />
vier Jahre zählte, war ich viel mit Großvater zusammen. Ich ging oft mit ihm aus, er musste an<br />
der Hand geführt werden, er war fast erblindet. Wenn er seine Kammertür öffnete, rief er: „Gelt<br />
Nannerl, du führst mich in den Keller!“ Er trug ein blaues Häferl aus Blech, das ich heute noch<br />
erkennen würde. In dieses schenkte er sich Most ein. Zuerst verstand ich nicht, warum er den<br />
Finger in das Häferl hielt. Nach langem Fragen erklärte er mir: „Nur so kann ich erkennen, wenn<br />
es vollgelaufen ist!“ Diese schwierige Aufgabe nahm ich ihm bald ab. Leider war es oft nicht bis<br />
an den Rand gefüllt, da konnte er böse werden, denn seine Kehle trocknete schnell aus, was bei<br />
seiner fleißigen Besenbinderei und dem Qualm des alten Ofens, der in seiner Kammer stand, immer<br />
der Fall war.<br />
Ich mochte meinen Großvater sehr, spürte ich doch, dass er mich brauchte und liebte. Meine<br />
größeren Geschwister wollten ihn nicht, er sah immer ungepflegt aus und kaute Tabak. Seine<br />
Ungepflegtheit störte mich weniger, man konnte nichts dagegen tun. Dann war ich noch zu klein,<br />
aber seine Arbeit mit den Besen und diese große Unordnung, die er in seiner Kammer machte,<br />
störte mich damals schon gewaltig, wenn ich bei ihm Ordnung machen wollte, was ich ganz bestimmt<br />
nie zuwege gebracht hätte. Das wollte er nicht, schnell lenkte er mich ab, indem er mit<br />
mir ausging. Bei diesen Spaziergängen erzählte und erklärte er mir viele Dinge, die er noch von<br />
früher kannte und wusste. Damals verstand ich nicht, wie schwer es ist, nicht zu sehen. Im Mai<br />
1926 starb mein Großvater.<br />
» Der Großvater erzählte gerne Hexengeschichten «<br />
Frieda Gamperl, geb. 1929 in Hochneukirchen, Volkschuldirektorin<br />
Ich war gerne bei meiner Schulfreundin, beim Pernsteiner in Hochneukirchen, Hausname Pa-<br />
tritzler. Sie hatte auch Großeltern, die uns viel aus der früheren Zeit erzählten. Der Großvater<br />
erzählte gerne Hexengeschichten, so dass wir uns manchmal am Abend, wenn es zum Nachhausegehen<br />
war, recht fürchteten. Denn da sagte er immer: „Habt ihr ein Gebetbuch oder einen Rosenkranz<br />
mit?“ Wir meinten: „Nein.“ – „Na, dann schaut aber schnell, bevor es Gebet läutet, dass<br />
ihr nach Hause kommt, sonst machen die Hexen einen Zaun nach dem anderen, und ihr kommt<br />
nicht nach Hause.“<br />
Alte Menschen - Freizeitwelten - 213<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 213 31.08.2009 14:19:59 Uhr
» eine sogenannte Pensionopolis «<br />
Johann Schatzer, geb. 1918 in Pitten, Privatangestellter<br />
Pitten war, wenn man dieses Scherzwort verwenden darf, eine sogenannte Pensionopolis. Es<br />
gab eine Menge Pensionisten hier, auch einige ehemalige Offiziere der Monarchie, die sich hier<br />
niedergelassen hatten und die sich natürlich eingebildet haben, die Crème de la Crème zu bilden.<br />
» Ich gehe heute noch gerne jagen «<br />
Gottfried Eysank, geb. 1920 in Wien, nach 1945 praktischer Arzt in Kirchschlag<br />
Früher haben wir in Wiener Neustadt zwar das Haus gehabt, aber ich habe es vorgezogen hier<br />
in Kirchschlag bei der Tante zu sein und jagen zu gehen – und jagen zu gehen und wieder jagen<br />
zu gehen. Man hängt sich ein Gewehr um, geht hinaus, wartet, dass was kommt, kommt nix, geht<br />
man wieder heim. Oder man wartet so lange, bis was kommt, und dann wird geschossen. Einmal<br />
trifft man, einmal nicht, so ist es halt. Ich hab schon früh mit dem Jagen angefangen. Nächstes<br />
Jahr ist es siebzig Jahre her, dass ich die erste Jagdkarte gekriegt habe, also mit sechzehn. Ich<br />
bin wahnsinnig gerne jagen gegangen. Ich gehe heute noch gerne jagen, aber ich bin schon viel<br />
ruhiger.<br />
» dann später als Heimatforscher angefangen «<br />
Markus Wieser, geb. 1934 auf der „Züggenhöh“<br />
(Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt), Landwirt<br />
So habe ich dann eigentlich alle Pflanzen kennen gelernt. Das Erste, was ich daheim gemacht<br />
habe, war, dass ich die ganzen Pflanzen aufgenommen habe, die in unserer Gegend wachsen. Die<br />
habe ich alle so nach und nach registriert. Zuerst einmal die in der nächsten Umgebung und dann<br />
eigentlich vom Hochneukirchner Bach bis zum Stubener Bach, das ganze Gebiet dazwischen, das<br />
ganze Gelände.<br />
Auch von der Heimatkunde habe ich dort viel gelernt, denn die Tochter vom Direktor hat damals<br />
die Dissertation geschrieben, und aus der ist ein Buch geworden: die Siedlungsgeschichte<br />
der Grafschaft Pitten auf namenkundlicher Grundlage, also das hat auf dem Sprachlichem aufgebaut.<br />
Da der Hochneukirchner Dialekt ja eine ziemliche alte Art hat, hat sie immer wissen wollen,<br />
wie wir jenes oder dieses Wort aussprechen, den Namen oder jenen. Da sind wir oft beieinander<br />
214 - Freizeitwelten - Alte Menschen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 214 31.08.2009 14:19:59 Uhr
gesessen und haben debattiert über das. Natürlich hab ich dann auch mitgekriegt, was sie macht.<br />
Wie ich dann später als Heimatforscher anfing, lieh ich mir ihr Buch erst einmal aus. Ich habe<br />
eigentlich fast ein Jahr warten müssen, so viel ist das vergeben gewesen, dass ich es von der Universitätsbibliothek<br />
gekriegt habe.<br />
» Rat gebe ich meiner Jugend eigentlich schon «<br />
Charlotte Chalaupka, geb. 1922 in Wien, war in der Kindheit als Sommerfrischlerin<br />
regelmäßig bei ihren Großeltern in Pitten, wo sie heute auch lebt<br />
Rat gebe ich meiner Jugend eigentlich schon, also meinen Enkelkindern. Ich will mich nicht<br />
hervortun, aber ich nehme mir schon Zeit, mit meinen Enkelkindern zu plaudern, zu sprechen<br />
über verschiedene Themen. Da hat mir unlängst einmal der Georg gesagt: „Oma, ich danke dir für<br />
das Gespräch.“ Ich war momentan perplex. Aber da siehst du: Sie brauchen das.<br />
» hab ich gerne Bücher geschrieben «<br />
Johanna Preineder, geb. 1923 in Frohsdorf (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />
Kindergärtnerin<br />
Nachdem ich in Pension gegangen war, hab ich gerne Bücher geschrieben. Da war der Verschö-<br />
nerungsverein oder der Dorferneuerungsverein von Klein Wolkersdorf. Die sind da gestanden<br />
ohne Geld. Und dann hab ich gesagt: „Wisst ihr was, ich schreib ein Buch zu euren Gunsten, mit<br />
allen meinen Gedichten, die ich da gemacht hab. Geben wir das heraus.“ Die Frau Hallbauer war<br />
und ist noch immer die Obfrau von dem Dorferneuerungsverein, und die hat dann ihren Namen<br />
hergegeben. Ich hab das Geld vorgestreckt, die haben mir das Geld dann zurückgegeben, und<br />
dann haben wir das Buch herausgegeben. Das soll eine Erinnerung sein, was alles war. Und mit<br />
diesem Geld hat sich der Dorferneuerungsverein ein wenig helfen können. Dann, später einmal,<br />
haben sie beim Pfarrgemeinderat gesagt: „Hearst, du hast so viele Gedichte g’macht, du könntest<br />
ja auch für uns was machen.“ Und dann hab ich das Buch „Kindermund“ geschrieben, zu Gunsten<br />
des Pfarrheims, weil der Herr Pfarrer so viele Schulden gehabt hat. Da sind etliche Schillinge –<br />
20 000, 30 000 Schilling – übrig geblieben. Dann hat der Kindergarten in Frohsdorf, der Privatkindergarten,<br />
gesagt: „Na, wir hätten auch ein Geld braucht.“ Dann hab ich müssen denen helfen.<br />
Also habe ich noch einmal ein Buch geschrieben.<br />
Alte Menschen - Freizeitwelten - 215<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 215 31.08.2009 14:19:59 Uhr
Spaziergänger in Lanzenkirchen<br />
Die letzte Hebamme Krumbachs<br />
216 - Freizeitwelten - Alte Menschen<br />
Magdalena Dienbauer<br />
1970<br />
Foto: Martha Bleier, Krumbach<br />
mit seiner Gans<br />
Alois Jursitzky<br />
(Friseurmeister)<br />
1956<br />
Foto: Herbert Swoboda,<br />
Lanzenkirchen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 216 31.08.2009 14:20:00 Uhr
Mutterkreuzverleihung in Kirchschlag<br />
Hundertjähriger Geburtstag in Hollenthon<br />
für Mütter mit<br />
mindestens vier<br />
Kindern in der<br />
NS-Zeit<br />
1939<br />
Foto: Herta Freiler,<br />
Kirchschlag<br />
von links vorne:<br />
Josef Rasner (Sohn),<br />
Magdalena Szivos<br />
(Jubilarin aus<br />
Obereck),<br />
Johanna Leitner<br />
(Tochter)<br />
1963<br />
Foto: Johanna Spenger,<br />
Hollenthon<br />
Alte Menschen - Freizeitwelten - 217<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 217 31.08.2009 14:20:04 Uhr
Ausnehmer aus Thomasberg<br />
Tapfere Frau aus Lichtenegg<br />
218 - Freizeitwelten - Alte Menschen<br />
auf der Gredn zum Stübel des Lachhofes<br />
am Königsberg, zwischen Hauseingang<br />
(links) und Stalleingang (rechts)<br />
Engelbert Ringhofer (1854 bis 1938)<br />
um 1936<br />
Foto: Engelbert Ringhofer,<br />
Königsberg (Thomasberg)<br />
in ihrem einfachen Zimmer im Alter von<br />
94 Jahren. Auch im hohen Alter ging Resl<br />
Bachmann noch jeden Sonntag fünf Kilometer<br />
vom Schlagergraben nach Lichtenegg zur<br />
Messe. Zwischen 1938 und 1945 hatte sie<br />
ihre behinderte Nichte Anna vor den Nazis<br />
versteckt.<br />
1975<br />
Foto: Karl und Maria Sanz, Lichtenegg<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 218 31.08.2009 14:20:05 Uhr
Fremde – in der Fremde<br />
Wenn Menschen in<br />
früheren Zeiten ihre<br />
Herkunftsregion für eine<br />
gewisse Zeit oder für<br />
immer verließen, dann<br />
hatte dies meist existenzielle<br />
Gründe. Nicht aus<br />
Vergnügen ging man in<br />
die Fremde, sondern<br />
um ein Auskommen zu<br />
finden. Erst mit dem<br />
Entstehen eines städtischen<br />
Bürgertums im<br />
19. Jahrhundert wurde<br />
das Reisen zur Freizeit<br />
– zunächst freilich nur für jene, die es sich auch leisten konnten. Auch die Sommerfrischler in der<br />
Buckligen Welt gehörten lange Zeit meist einem mehr oder weniger betuchten Wiener Bürgertum an.<br />
Im Nationalsozialismus und infolge alltäglicher Not in Kriegs- und Nachkriegszeit gerieten viele Menschen<br />
freiwillig und unfreiwillig erstmals in für sie fremde Gegenden. Und das Reisen als freizeitliches<br />
Massenphänomen geht Hand in Hand mit dem wachsenden Wohlstand der Bevölkerung und dem<br />
Ausbau der verkehrstechnischen Infrastruktur seit den 1950er-Jahren.<br />
Vor allem Menschen aus den Sommerfrische-Gemeinden der Buckligen Welt erinnern sich noch<br />
an die zahlreichen Gäste aus Wien. Was für die Sommerfrischler Freizeit war, war für die Einheimischen<br />
Arbeit. Bei anderen haben sich Erlebnisse in der Fremde tief im Gedächtnis verankert. Lebhaft<br />
schildern sie, wie sie als Kinder in der NS-Zeit oder in Zeiten der Knappheit nach 1945 „verschickt“<br />
worden sind.<br />
Interessanterweise gibt es von den Sommerfrischlern nur wenige Fotos, die sie bei ihren Freizeitaktivitäten<br />
zeigen. Sie unternahmen ausgedehnte Spaziergänge und kehrten auch gerne bei Mostheurigen<br />
und in Gasthäusern ein. In den Wirtshäusern von Lichtenegg gab es zum Beispiel zu Mittag<br />
zwei Essenstermine, damit alle Gäste verpflegt werden konnten. Höhepunkte für die Sommergäste<br />
waren auch Theateraufführungen von Laiengruppen und verschiedene Feste und Brauchtumsveranstaltungen.<br />
Einige wenige Fotos zeigen deutsche und sowjetische Soldaten.<br />
Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 219<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 219 31.08.2009 14:20:06 Uhr
» Das waren reiche Leute «<br />
Anna Heissenberger, geb. 1926 in Zöbern, kaufmännische Angestellte<br />
Die Mutter hat die Zimmer vermietet, damit Geld reinkommt. Und mit dem Geld hat sie wieder<br />
Bettwäsche oder so etwas gekauft. Die Männer haben manchmal am Heuboden geschlafen, und<br />
wir Frauen haben halt alle in einem Zimmer geschlafen. Ja, der Schlumberger, das weiß ich noch<br />
gut, auf den hat die Mutter immer viel gehalten. Der Schlumberger-Sekt ist ja bekannt. Das waren<br />
reiche Leute, die mieteten immer auf zwei Monate die Wohnung. Die hatten nur ein Zimmer<br />
damals. Der Schlumberger ist hier immer auf die Jagd gegangen. Er hatte schon im Vorhinein der<br />
Mutter das Geld für die zwei Monate gegeben. Das war eine große Hilfe.<br />
» Hat ja eh keiner was gehabt. «<br />
Ernst Vycital, geb. 1924 in Wien, seit 1975 in Hochegg (Gemeinde Grimmenstein),<br />
selbstständiger Unternehmer<br />
1930 war ich mit meiner Großmutter in Kienegg. Dort wohnten wir privat. Das war ein Mini-<br />
mum: Ich musste bei meiner Großmutter im Bett schlafen, denn man hat nach Bett bezahlen<br />
müssen bei dem Beisteiner. Ich weiß nur eines noch: Dort war von außen so ein Stiegenaufgang<br />
in ein Dachstübel, da war nur ein Bett drinnen und ein Kasten. Hat ja eh keiner was gehabt. Später,<br />
als ich verheiratet war, wohnten wir auch privat. Nur waren wir dann finanziell unabhängig.<br />
Da ist man halt zum Handler essen gegangen. Aber damals, als ich mit meiner Großmutter war,<br />
hatte sie einen Spiritusbrenner. Und sie hat so ein Papperl gemacht. Ich weiß nicht, was da alles<br />
drinnen war, man hat’s gegessen und man hat’s überlebt. Aber wie gesagt, im Großen und<br />
Ganzen war das natürlich sehr spärlich. Mittags hat man mitgegessen, da werden wir auch ein<br />
Minimum bezahlt haben. So haben wir bei dem Beisteiner eine Suppe oder das, was die gekocht<br />
haben, halt mitgegessen. Eine Mahlzeit war das, und alles andere war fliegend. Also Schwammerl<br />
suchen, Erdbeeren suchen, Heidelbeeren suchen, Zucker drauf. Wir haben so auch überlebt und<br />
sind durchgekommen.<br />
Und jetzt ist es schön, Grimmensteiner zu sein. Man fühlt sich wohl, die Luft! Ich fühle mich<br />
rundum wohl. Als Zugereister ist das Schöne, dass man in Grimmenstein nicht abgestoßen wird.<br />
Oft bist du ja als Zugereister kein Dazugehöriger, da bist du Mensch zweiter Kategorie. Aber das<br />
gibt es in Grimmenstein nicht. Denn ich glaub, in Grimmenstein gibt es an und für sich viel Mischkulanz.<br />
220 - Freizeitwelten - Fremde – in der Fremde<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 220 31.08.2009 14:20:06 Uhr
» eine Messe nur für die Ausländer «<br />
Paula Koglbauer, geb. 1931 in Schlatten (Gemeinde Bromberg), Pfarrhaushälterin<br />
Im Pfarrhof ist eine Polin gewesen, als ich hingekommen bin. Die eingeborenen Männer sind<br />
überhaupt alle fort gewesen. Die Polin ist aber dann auch im 1945er-Jahr wie alle anderen weg.<br />
Es hat ja damals viele Fremdarbeiter gegeben. Das waren schon schiache Zeiten. Die Polin hat<br />
damals erzählt: Sie und der Vater waren am Feld gewesen, und es kamen deutsche Soldaten, die<br />
sagten, sie müssten mitfahren. Dann sind sie nach Österreich gekommen, sie ist vom Vater getrennt<br />
worden und hat in der Landwirtschaft arbeiten müssen. Die war also mit mir am Pfarrhof,<br />
und wir haben uns recht gut verstanden.<br />
Die erste Zeit sind die Ausländer auch in die katholische Kirche gegangen, und dann hat der<br />
Pfarrer eine Anzeige gekriegt: „Das darf nicht sein, die Ausländer dürfen nicht in die Kirche gehen!“<br />
Dann haben sie aber gesagt: „Einmal im Monat darf der Pfarrer zusätzlich eine Messe nur<br />
für die Ausländer machen.“ Das war dann auch.<br />
» unterm Krieg ein paar Familien zu uns «<br />
Franz Giefing, geb. 1935 in Hochwolkersdorf, Landwirt<br />
Wir haben wirklich sehr schöne Zeiten gehabt. Wir waren fünf Geschwister, und unterm Krieg<br />
sind noch ein paar Familien zu uns gekommen. Wir haben ein relativ großes Haus gehabt, und<br />
es sind zwei Familien, eine aus Wien, gekommen. Das waren keine Flüchtlinge. Eine war eine<br />
verwandte Familie von uns mit drei Kindern und eine uns bekannte Familie, die hatten auch drei<br />
Kinder. Wir haben ein Ausnahmestübel gehabt, und dort haben sie gewohnt. Wir, die Kinder, gingen<br />
natürlich immer zusammen, und wenn eine Arbeit war, halfen sie uns. Und wenn’s zum Kühehalten<br />
war, gingen sie mit. Wenn wir gespielt haben, sind sie natürlich auch dabei gewesen. Wir<br />
haben oft Versteckerln gespielt – in unserem Haus, in den Wirtschaftsgebäuden, im Stall und auf<br />
dem Heuboden. Möglichkeiten zum Verstecken gab es genug. Das war natürlich wunderschön. Im<br />
Sommer haben wir im Hof Fußball oder Völkerball gespielt.<br />
» Wir haben fast immer gewonnen gegen die Russen «<br />
Wilhelm Müller, geb. 1937 in Klein Wolkersdorf (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />
Dompfarrer in Wiener Neustadt<br />
Die Russen hier haben sich einquartiert, haben unsere Wohnung beschlagnahmt, haben uns<br />
nur ein Zimmer gelassen. In der Wohnung hat der Kommandant mit seiner Familie gewohnt.<br />
Das waren insofern ganz interessante Zeiten, weil die russischen Soldaten uns eigentlich auch<br />
Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 221<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 221 31.08.2009 14:20:06 Uhr
wieder sehr verwöhnt haben. Der eine hat Wladimir geheißen, an den kann ich mich noch gut er-<br />
innern, der hat so ein bissel den Ersatzvater für mich gespielt. In diesen Tagen bin ich, glaub ich,<br />
Österreicher geworden, nämlich insofern, weil wir mit den Russenkindern – sie haben ja, als die<br />
Kampftruppen weg waren, ihre Familie mitgehabt – große Schlachten um die Leitha aufgeführt<br />
haben. Wem gehört die Leitha, uns oder den Russen? Wir haben Steinschlachten gefochten, und<br />
die deutschen Soldaten konnten ja auch nicht alle ihre Waffen mitnehmen, da lag noch genug herum.<br />
Da waren so Stäbe, die man anzünden und werfen konnte. Wir haben fast immer gewonnen<br />
gegen die Russen. Wir waren mehr, wir waren stärker.<br />
» ein Wunschtraum meines Gatten «<br />
Wilhelmine Hinner, geb. 1923 in Wien. Zwischen 1965 und 1975 hatte sie mit<br />
ihrer Familie ein Haus in Harmannsdorf (Gem. Hochneukirchen-Gschaidt)<br />
gemietet. Folgende Passage ist der Auszug eines Textes, den sie nach der Lektüre<br />
der „<strong>Lebensspuren</strong>“ 2007 „zum Andenken an Eduard und Maria Milchrahm“ in<br />
Harmannsdorf für die „Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“<br />
niedergeschrieben hat.<br />
Es war immer schon ein Wunschtraum meines Gatten‚ in dieser Gegend ein Häuschen zu be-<br />
wohnen. Durch liebe Freunde bekamen wir Gelegenheit‚ uns für ein Häuschen in Miete zu inte-<br />
ressieren. Jetzt war es so weit, wir waren da und sahen uns um. Hier oben war es wunderbar! So<br />
weit das Auge reicht ein klarer Himmel und im Dunst der Ferne Hügel und weite Ebenen. Es war<br />
ein herrlicher Sonntagmorgen, die Luft würzig und mit vielen Düften – und diese Stille! Für uns<br />
Stadtmenschen etwas Ungewohntes. Der Weg hier herauf zu diesem Anwesen war ein schmaler<br />
Privatweg, welcher oberhalb des Bauernhauses dann bergab durch den Wald in die nahegelegene<br />
Ortschaft führte. Wir gingen einige Schritte bergab dem Hause zu. Es war aber niemand daheim.<br />
Die Bauersleute werden wohl in der Kirche sein? Zuallererst sahen wir uns um. Ein großer<br />
schwarzer Hund lag an der Kette vor seiner Hundehütte. Anstatt dass er uns vorbellte, begrüßte er<br />
uns sehr freundlich. Er ließ sich sogar streicheln! Da stand nun das Bauernhaus, das schon etwas<br />
älter war. Wir warfen noch einen Blick in den Stall und nachher einen Blick durch die Fenster des<br />
zu mietenden Häuschens. Es war neu erbaut und stand gegenüber vom Bauernhaus. Das sollte<br />
für später einmal das Ausgedinge der alten Leute sein. Es gefiel uns sehr gut, wir waren gleich<br />
begeistert‚ doch wir mussten noch lange warten.<br />
Wir setzten uns auf die Wiese hinter dem Haus, ließen uns sonnen und hofften, dass es liebe<br />
Leute seien und wir hier in Miete bleiben könnten. Endlich, unsere Uhr zeigte schon dreizehn Uhr,<br />
hörten wir ein Auto den Berg herauffahren und in die Zufahrt zum Haus einbiegen. Diese Zufahrt<br />
222 - Freizeitwelten - Fremde – in der Fremde<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 222 31.08.2009 14:20:06 Uhr
konnten wir nicht erkennen. Als sie uns sahen, lachten sie uns freundlich an und baten uns, in ihr<br />
Haus zu kommen. Beide waren sehr sympathisch, sie war eine stattliche, große Frau, und er war<br />
ein etwas untersetzter, kräftiger Mann. Wir gefielen ihnen. Frau Milchrahm meinte sogleich, wir<br />
wären die „Richtigen“. Sie führten uns um ihr Anwesen herum, und wir gingen anschließend in<br />
das kleine, gegenüberliegende Häuschen. Eine kleine Küche mit einer gemütlichen Sitzecke beim<br />
Fenster, auch ein kleiner Herd war vorhanden und nebenan ein größeres Zimmer mit zwei Betten‚<br />
Nachtkästchen und einem alten Bauernkasten. Innen hatte er an der Seite Laden und Fächer. Wir<br />
waren sehr begeistert. Wir einigten uns, für zehn Jahre zu bleiben!<br />
» Ich war eine ganz andere. «<br />
Johanna Trimmel, geb. 1928 in Bromberg, Landwirtin<br />
Aus Schlatten hinausgekommen bin ich ganz wenig, praktisch eigentlich nur, wenn wir in die<br />
Kirche nach Bromberg oder Wiesmath gegangen sind. Aber 1938, wie der Hitler gekommen ist,<br />
hat der Herr Lehrer in der Schule Kinder ausgesucht. Unter anderen war auch ich dabei und hab<br />
nach Deutschland fahren dürfen. Das war schon einmal eine lange Fahrt. Das erste Mal mit dem<br />
Zug gefahren! Ich weiß nicht wie lang, aber mies ist mir geworden, weil ich es nicht gewohnt war.<br />
Aber ich habe es doch durchgestanden. In Deutschland sind wir zu Pflegeeltern gekommen. Sie<br />
haben mir dort das Radlfahren gelernt, und gern haben sie mich gehabt, die Kinder haben mich<br />
alle gern gehabt. Von einer Gasse haben zwar manche gespöttelt, die gesagt haben: „Du österreichisches<br />
Mädchen!“ In Deutschland hab ich den ersten Mähdrescher gesehen. Da hab ich solche<br />
Augen gemacht! Ich war nämlich ziemlich am Stadtrand, und die Familie ist mit mir immer<br />
ein bissel außer Haus gegangen. Der Vater war in einer Eisenfabrik angestellt, der musste auch<br />
schwer arbeiten. Der Sohn musste am Dachboden schlafen, damit ich bei ihnen herunten in der<br />
Wohnung schlafen konnte. Mir ist es so gut gegangen, und so gutes Essen und Sachen hab ich gekriegt.<br />
Die Konservendosen! Ich hab das erste Mal gesehen, dass man eine Milch so konservieren<br />
kann. Die waren schon weit voraus. Damals war ich zehn Jahre alt. Die Frau hat mich recht gern<br />
gehabt, meine Haare hat sie gleich abgeschnitten und einen Bubikopf gemacht. Und Kleiderl hat<br />
sie mir genäht und Schürzerln und so viel Sockerl.<br />
Wie ich aus Deutschland heimgekommen bin, war ich wie ausgewechselt. Ich war eine ganz<br />
andere. Ich bin nicht mehr bloßfüßig in die Schule gegangen wie so manche andere Kinder. Und<br />
früher war ja der Brauch: Da ist die Suppe angerichtet worden oder das Sauerkraut und oben<br />
drauf das Geselchte. Und jeder hat mit dem Löffel daraus gegessen. Und dann hab ich mir aber<br />
gedacht: „Nein, das passt mir nicht!“ Ich hab einen Teller geholt und hab extra gegessen. Dann<br />
Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 223<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 223 31.08.2009 14:20:06 Uhr
haben sie gesagt, ich bräuchte eine Extrawurscht. Hab ich gesagt: „Mir ist das wurscht, wie ihr<br />
esst, ich wasch mir meinen Teller selber ab!“ Und es hat nicht lang gedauert, haben wir alle Teller<br />
gehabt. Ich hab mir in Deutschland allerhand abgeschaut, was mir gefallen hat.<br />
» gibt es auch positive Erinnerungen «<br />
Franz Grundtner, geb. 1921 in Wiesmath, Schmiedemeister. Der folgende Text<br />
ist ein Auszug aus seinen schriftlichen Erinnerungen an Kriegszeit und<br />
Kriegsgefangenschaft; über sich selbst schreibt er in der dritten Person.<br />
Am 10. Februar 1941 wird F.G. zur deutschen Wehrmacht einberufen. Die ersten Stationen sind<br />
Kempten/Allgäu und die Gebirgsjägerkaserne in Brannenburg am Inn, nahe Kufstein. Die Erin-<br />
nerungen daran sind gemischt. Einerseits harter Drill, tagelange kilometerweite Fußmärsche mit<br />
Marschgepäck, hart-militärische Grundausbildung, Reitausbildung. Zum anderen gibt es auch<br />
positive Erinnerungen, mit Wanderungen in die bayerische Gebirgswelt, insbesondere am Wendelstein,<br />
Ausflüge in benachbarte Dörfer, etwa nach Erl/Tirol, wo die jungen hungrigen Soldaten<br />
von der Bevölkerung fallweise großzügig eingeladen werden zu Speise und Trank, zu Most, Presswurst,<br />
Speck. In der Kommisküche lernt F.G. Puddingsauce kennen und lieben.<br />
» ich hatte richtig ‚Schwyzer Dütsch’ gesprochen «<br />
Erika Brandstetter, geb. 1938 in Schlag (Gemeinde Zöbern),<br />
Schneiderin und Pensionsbesitzerin. Der folgende Text ist ein Auszug<br />
aus ihren schriftlichen „Erinnerungen von 1945 – 1955“.<br />
Im Jahre 1947 bekamen wir einen Brief aus der Schweiz. Es waren Freunde meiner Eltern, wel-<br />
che sich erkundigten, wie es uns in den Kriegswirren ergangen war. Als sie erfuhren, dass mein<br />
Vater durch die Hand eines Russen gefallen, machten sie uns das Angebot, eines von uns drei<br />
Mädchen für drei Monate aufzunehmen. Die Wahl fiel auf mich, da ich die Kleinste war und in<br />
der Schule nicht so viel versäumen würde. Aber wie kam ich in die Schweiz? Es gingen Hilfszüge<br />
mit armen, bedürftigen Kindern, welche Erholung brauchten, in die Schweiz, doch niemand nahm<br />
mich mit. Mein Gesicht war zu rund, ich schaute zu gut aus.<br />
So ergab es sich, dass die Fürsorgerin von Aspang, Frau Stundl, zu ihren Verwandten nach<br />
Vorarlberg fuhr und mich mitnahm. Nun wurde emsig hergerichtet. Ferstl Mitzi nähte aus einem<br />
Hemd des Vaters ein Nachthemd für mich. Unsere Nachbarin, die Schneiderin Frau Pichlbauer<br />
224 - Freizeitwelten - Fremde – in der Fremde<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 224 31.08.2009 14:20:06 Uhr
nähte mir ein hübsches weißes Kleid mit blauen Tupfen und einer blauen Schürze. Mit einem<br />
kleinen Handkoffer ging die Reise Anfang Juni los. Mama organisierte eine Pferdekutsche, mit<br />
der mich alle bis zum Bahnhof Aspang brachten. Frau Stundl empfing mich, und wir hatten gleich<br />
nach unserer Begrüßung einen Sitzplatz ergattert. Voll Stolz nahm ich die Fotografien aus meinem<br />
Koffer, die Mama mir eingepackt hatte. Der Zug pfiff, und Frau Stundl kam herein: “Um Gottes<br />
willen! Du musst ja noch allen winken, die wollen dich ja noch einmal sehen!“ Da flogen die Bilder<br />
zu Boden und ich winkte.<br />
Wir fuhren zwei Tage bis nach Vorarlberg. An der Grenze zwischen Niederösterreich und<br />
Oberösterreich in Enns (Demarkationslinie zwischen Russen und Amerikanern) wurde der Zug<br />
von beiden Mächten gründlich durchsucht. Ich hatte schon selber einen Pass, der genau kontrolliert<br />
wurde, auch mein kleines Kofferl.<br />
In Feldkirch angekommen suchten wir ein Kloster mit Spital auf. Dort bekam Frau Stundl in<br />
einem winzigen Zimmer ein Bett, und ich sollte im finsteren Gang, wo auch Kranke lagen und vor<br />
Schmerzen stöhnten, schlafen. Eine Zumutung für ein neunjähriges Mädchen! Da fühlte ich mich<br />
erstmals von allen verlassen. Frau Stundl trocknete mir die Tränen, und es wurde mir am Fußboden<br />
vor Frau Stundls Bett ein Lager gerichtet.<br />
Nächsten Tag ging es mit einer Rotkreuzschwester weiter über die schweizerische Grenze. In<br />
Buchs war man ratlos, wie ich weiterkommen würde. So hängte man mir ein großes Taferl um<br />
den Hals, darauf stand: „Bitte helfen Sie dem Kind Erika Hofer aus Österreich bis zur Bahnstation<br />
Bern, dort wird sie von einer Frau Stucki abgeholt!“ So saß ich nun ganz allein in einem fremden<br />
Land, in einem fremden elektrischen Zug (diese waren damals in Österreich noch nicht in<br />
Betrieb). Die Leute waren sehr freundlich zu mir. Sie gaben mir Schokolade, andere wieder ein<br />
Marzipankäferl und eine Orange. In Zürich musste ich noch dazu umsteigen. Ein nettes Ehepaar<br />
nahm sich meiner an und so kam ich zum Hauptbahnhof Bern. Dort empfing mich Trude, die<br />
Tochter der Familie Stucki, welche ich von Fotografien her kannte. Ich bedankte mich bei dem<br />
Ehepaar und Trude, und wir fuhren ins Berner Oberland, nach Heimberg bei Thun, zu Familie<br />
Stucki. Die Hausleute und die Nachbarn wollten alle die Österreicherin sehen und brachten kleine<br />
Geschenke mit. Meine Pflegeeltern hatten einen kleinen Kaufmannsladen. Ich sah zum ersten Mal<br />
einen riesigen Emmentaler-Laib. Auch das gute Birchermüsli wurde abends angesetzt und morgens<br />
zum Frühstück gegessen. Im Hause hatte ich einen Spielkameraden, den Pauli, er war fünf<br />
Jahre alt und er bekam im Juli eine kleine Schwester, die Christine.<br />
Die Familie machte mit mir schöne Ausflüge in die Berge und zu Wasserschluchten. Einmal<br />
durfte ich mit den Schulkindern einen Ausflug auf den Berg Niesen mitmachen. Die halbe Strecke<br />
fuhren wir mit der Bergbahn, die andere Hälfte gingen wir zu Fuß. Am Abend hatte ich Blasen an<br />
den Fersen, denn die alten geerbten Halbschuhe von meinen Schwestern waren steif und abgetragen.<br />
Nach Hause fuhren wir über den Thunersee, und ich sah zum ersten Mal eine Frau mit Kind<br />
eine Banane essen. Einmal schrieb ich nach Hause, dass ich gut angekommen sei und es mir gut<br />
Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 225<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 225 31.08.2009 14:20:06 Uhr
gehe. In der Nähe des Ortes gab es einen Flugplatz mit regem Flugverkehr. So schrieb ich im Brief<br />
weiter: „Da fliegen die Flieger wie die Fliegen!“<br />
Nach drei wunderbaren Monaten Aufenthalts in der Schweiz schickten mich meine Pflegeeltern<br />
gut genährt mit einem großen Koffer und einer großen Tasche nach Hause. Der Koffer war voll mit<br />
Gewand, wie selbstgestrickte Strümpfe, Pullover, Faltenröcke und Kleider. Ich war für den kommenden<br />
Winter eingekleidet. In der Tasche waren Andenken und Süßigkeiten, wie Schokolade,<br />
die man in Österreich nur schwer bekam.<br />
Der Abschied war herzlich, und ich hatte richtig „Schwyzer Dütsch“ gesprochen. Die jüngere<br />
Tochter Helene brachte mich wieder bis zur Grenze. An der Grenze empfing mich das Wiener Ehepaar<br />
Schätz. Der Herr war am Westbahnhof Stationsvorstand und mit meinen Eltern gut bekannt.<br />
Auch ihre Tochter war auf Erholung in der Schweiz, und wir mussten einen Tag lang warten,<br />
bis sie an der Grenze ankam. Die Nacht verbrachten wir in einem großen Warteraum. Auf Holzpritschen<br />
machten wir ein Nickerchen, von Schlafen war keine Rede, da viele Leute durcheinander<br />
sprachen, und die Karbidlampen machten einen furchtbaren Gestank. Herr Schätz begleitete<br />
mich bis nach Aspang, wo ich mit großer Freude von meiner Familie empfangen wurde. Anfangs<br />
lachten alle über mein „Schwyzer Dütsch“, und ich kränkte mich sehr.<br />
» eine ganz andere Sprache «<br />
Norbert Schröder, geb. 1941 in Katzelsdorf, AHS-Lehrer<br />
1947 bin ich in den Lungau gekommen. Meine Mutter hat sich im Lungau mit mir mehr oder we-<br />
niger alleine durchbringen müssen, hat da und dort ausgeholfen. Oft hatte ich einen sehr weiten<br />
Schulweg. Es ist teilweise ein Schulweg gewesen, wo du eine Strecke als Erwachsener im Sommer<br />
drei Stunden gehst. Das war oft so, dass ich spätabends nach Hause gekommen bin, und in der<br />
Früh um halb vier oder vier war’s schon wieder zum Aufstehen und zu Fuß stapfen. Besonders<br />
interessant war das im Winter. Man hatte ja keine gute Kleidung. Man muss sich vorstellen: kurze<br />
Hose, die war vielleicht irgendwo von einem Kind eine lange, die verkürzt worden war, und dann<br />
hat man so wollene Strümpfe gehabt und Schuhe, die vier Generationen Kinderbeine getragen<br />
hatten. Es war immer Wasser drinnen, ich habe gefrorene Zehen, Füße gehabt, ich habe bis zum<br />
sechzehnten Lebensjahr unter Frostbeulen gelitten. Das war also eine ganz tolle Zeit.<br />
Aber bemerkenswert war, das ist wirklich etwas, was man erlebt haben muss: Da kommt man<br />
in eine neue Gesellschaft hinein, und die sprechen eigentlich eine ganz andere Sprache mit ganz<br />
anderen Vokabeln. Und das ist ganz interessant: Ich kann noch das alte Lungauerisch, das sind<br />
Vokabeln, die man hier nicht kennt, das ist einfach eine ganz andere Sprache. Und du sprichst<br />
etwas anders, die verstehen dich zwar, ich habe nach der Schrift gesprochen, da wirst du jetzt als<br />
226 - Freizeitwelten - Fremde – in der Fremde<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 226 31.08.2009 14:20:07 Uhr
Außenseiter gesehen. Das hat natürlich zu heftigen Konflikten geführt. Aber es war so, dass ich<br />
meist der Schnellste war, ich verteidigte mich also schnell. Und dann trieb ich mindestens zehn<br />
hinter mir her, und ich war eigentlich immer schneller, Gott sei Dank. Aber solche Dinge muss<br />
man schon erlebt haben. Man ist dort eine Zeit lang wirklich Außenseiter, einfach nur der Sprache<br />
wegen. Da hat es auch andere gegeben. Ich erinnere mich an einen, der einen Wasserkopf hatte,<br />
aber wie der verspottet wurde! Und da habe ich eine Ader entwickelt, damals als Sechs-, Siebenoder<br />
Achtjähriger, einfach zu sagen: „Halt, das dürft ihr nicht tun, lasst den in Ruh!“ Ich setzte<br />
mich dann schon selber durch, das musste man auch, und daher spielte ich dann sehr häufig den<br />
Sheriff. Das ist auch später noch weitergegangen. Aber es war damals so, dass es mir äußerst missfiel,<br />
wenn solche Situationen auftraten. So viel zum Lungau und der Situation, die auf der einen<br />
Seite sehr, sehr hart war, auf der anderen Seite eine unheimliche Lebensschule.<br />
» Diese Erholung war eigentlich für die Katz «<br />
Herbert Swoboda, geb. 1938 in Walpersbach, die Familie zog 1942 nach Frohsdorf<br />
(Gemeinde Lanzenkirchen), Schuhmacher<br />
Im 1945er-Jahr bin ich durch die Caritas nach Oberösterreich gekommen. Sechzehn Buben aus<br />
der Gemeinde auf Erholung. Als ich nach zwei Monaten wieder heimkam, war ich voller Läuse,<br />
hatte Mumps und abgenommen. Sie hatten’s gut gemeint, aber da wurde viel Schindluder getrieben.<br />
Wir waren in einem Studentenheim einquartiert, in die Schule mussten wir gehen, wir sind<br />
aber eh nie in die Schule gegangen. Es war so kalt da oben, da hat uns der Hausdiener von der<br />
Post in den Keller reingelassen. Da waren wir den ganzen Tag in einem Keller, in Eferding auf der<br />
alten Post. Alle haben miteinander gespielt und gesungen da drinnen. Stehlen haben wir gelernt<br />
in Oberösterreich, das muss ich sagen, denn da sind die Kisten Äpfel gestanden, die haben hundertprozentig<br />
uns gehört.<br />
Geschlafen haben wir in einem Zimmer, da waren sechzehn Kinder drinnen, ein großer Saal, eiskalt<br />
war es dort. Der 1945er-Winter war sehr kalt. Da sind wir zu zweit oder zu dritt in einem Bett<br />
gelegen, damit wir drei Decken gehabt haben, weil sonst hat jeder nur eine gehabt. So war’s halt.<br />
Und wenn du Äpfel gesehen hast, dann hast dir schnell einen Apfel beim Vorbeigehen gestohlen,<br />
dass wir was gehabt haben. Auch zum Fleischhacker sind wir stehlen gegangen. Man muss so<br />
aufpassen, die Zeit war sehr hart, der Hunger tut weh. Und beim Fleischhacker: Zwei, drei sind<br />
halt rein, haben dort umeinander granzelt, dann haben sie uns wieder gejaukt, wenn sie uns wo<br />
erwischt haben. Aber ich muss sagen: Diese Erholung war eigentlich für die Katz.<br />
Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 227<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 227 31.08.2009 14:20:07 Uhr
Sommerfrischler in Krumbach<br />
von links: Johanna Blochberger (Reisenbauer), Franz Blochberger jun., Theresia Blochberger, Franz Blochberger sen.,<br />
Josef (im Arm des Vaters), Ernestine Blochberger (spätere Ordensfrau Schwester Digna), unbekannte Sommergäste<br />
Letzter Erntewagen in Bromberg<br />
auf dem Wagen: Gusti Kaiser, Juliane Hahn und Schwester Anna<br />
von links: Trude Sulek, unbekannt, Großvater Lechner, Kurt Sulek, Fr. Sulek, Karl und Elisabeth Ringhofer<br />
228 - Freizeitwelten - Fremde – in der Fremde<br />
bei Familie Blochberger<br />
1954<br />
Foto: Franz Blochberger, Krumbach<br />
beim Anwesen Lechner in<br />
Hofstätten<br />
1942<br />
Foto: Johann und Juliane Hahn,<br />
Unterbromberg (Thernberg)<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 228 31.08.2009 14:20:08 Uhr
Sommerfrischler in Seebenstein<br />
helfen bei der Heuernte mit von links: Knecht, Grete Schagginger, Alois Schagginger, Toni Puchegger, Sommergast,<br />
Cäcilia Schagginger, Dienstmädchen, Cäcilia Depil (auf dem Heuwagen) 1924 Foto: Emma und Leopold Geigner, Seebenstein<br />
Wiener Sommergäste in Thomasberg<br />
beim Kartenspiel neben<br />
dem Gmoabrunn in<br />
Kienegg<br />
Mitglieder der Familien Rosa<br />
und Andreas Benesch sowie<br />
Holub sen. und jun.<br />
vor 1938<br />
Foto: Roman Lechner, Lichtenegg<br />
Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 229<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 229 31.08.2009 14:20:09 Uhr
Hollenthoner Soldat<br />
Letzter Abschied in Lichtenegg<br />
230 - Freizeitwelten - Fremde – in der Fremde<br />
spielt auf seiner<br />
Ziehharmonika vor<br />
einem Bunkereingang<br />
von links:<br />
Anton Panis,<br />
zwei unbekannt<br />
1943<br />
Foto: Karl u. Marianna Sanz, Schlagergraben (Lichtenegg)<br />
Foto: Anton Panis, Hollenthon<br />
nach dem Heimaturlaub bei den Eltern im Schlagergraben<br />
von links: Anna, Johann und Hans Bachmann (gefallen 2.11.1942)<br />
1942<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 230 31.08.2009 14:20:10 Uhr
Sowjetischer Leutnant in Pitten<br />
war mit seiner Ordonnanz im Wohnhaus der<br />
Familie Ponweiser einquartiert. Zum Schluss sollte<br />
der Leutnant eine Entschädigung zahlen. Da er nicht<br />
mehr so viel Geld hatte, hinterließ er für die Differenz<br />
seinen Hund. Familie Ponweiser akzeptierte.<br />
von links: Leutnant, Willibald Ponweiser<br />
um 1950<br />
Foto: Museums- & Bildungsverein Pitten<br />
Mädchen aus Edlitz zwischen sowjetischen Offizieren<br />
Die Familie Korntheuer-Mayrhofer war nach der Flucht<br />
vor der Roten Armee bei Verwandten im Mühlviertel<br />
einquartiert.<br />
Trude Korntheuer (Kronaus) mit Angehörigen der Roten Armee<br />
1945<br />
Foto: Karl Korntheuer, Edlitz<br />
Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 231<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 231 31.08.2009 14:20:13 Uhr
Die „große Welt“ in der kleinen<br />
Jede Region hat ihre Prominenz – auch die Bucklige Welt. Einige Menschen, die hier geboren wur-<br />
den, regelmäßig zu Besuch kommen oder inzwischen hier zu Hause sind, sind weit über die Grenzen<br />
der Region hinaus bekannt. Das Buchteam hat für „<strong>Lebensspuren</strong> <strong>II</strong>“ weitere Prominente gebeten,<br />
persönliche Erinnerungen, die mit der Buckligen Welt in Verbindung stehen, niederzuschreiben oder<br />
zu erzählen. Wir danken allen Autorinnen und Autoren, die dieser Bitte nachgekommen sind.<br />
Franz Blochberger, geb. 1942 in Krumbach, langjähriger ÖVP-Politiker<br />
und Landesrat in Niederösterreich<br />
» Ich bin ein Bauernbub aus der Buckligen Welt «<br />
Eine meiner ersten Kindheitserinnerungen ist die gemeinsame<br />
Flucht meiner Mutter mit meinen zwei Schwestern<br />
und mir zu Ostern 1945 in eine Holzhütte im Wald. In der<br />
Aufregung meiner Mutter spürte ich, dass eine besondere<br />
Gefahr drohte – der Einmarsch der russischen Truppen.<br />
Meine zweite Erinnerung ist an einen russischen Offizier,<br />
welcher bei uns stationiert war, um die Zivilbevölkerung<br />
vor der Plünderung der russischen Soldaten zu schützen. Er<br />
schenkte mir ein kleines Taschenmesser, worüber ich mich besonders freute und Tränen weinte,<br />
als ich es verlor. Am Schulweg nach Krumbach (dreieinhalb Kilometer zu Fuß) säumten unseren<br />
Schulweg immer wieder russische Soldaten mit Jeep und Zigeunerkutschenwagen mit Pferdegespann.<br />
Wir hatten davor große Angst. Mein Schulweg war vor allem in den Wintermonaten, bei<br />
völlig mit Schnee zugewehten Hohlwegen, sehr beschwerlich.<br />
Nach dem Besuch der Volks- und Hauptschule in Krumbach und der landwirtschaftlichen Berufs-<br />
und Fachschule in Warth mit Abschluss der Meisterprüfung 1966 kam ich mit fünfzehn<br />
Jahren schon zur Landjugend. Damals gab es erstmals auch einen Redewettbewerb, an dem<br />
ich natürlich teilnahm. Der Besuch der Katholischen Sozialakademie prägte mein weiteres persönliches<br />
und politisches Leben. Von 1966 bis 1967 war ich Landesobmann der Niederösterreichischen<br />
Landjugend. Mein erster großer Auftritt war beim Erntedankfest in Kirchschlag, wo ich<br />
als damals Siebzehnjähriger in Anwesenheit von Bundeskanzler Figl meine erste Ansprache hal-<br />
232 - Die „große Welt“ in der kleinen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 232 31.08.2009 14:20:13 Uhr
ten durfte. Nach dem frühzeitigen Tod meines Vaters im Jahr 1967 führte ich mit meiner Mutter<br />
bis zur Verehelichung im Oktober 1969 unseren Hof. Ich lernte auch in unserer Gemeinde meine<br />
Frau Maria, die Mutter unserer fünf Söhne und die Begleiterin durch mein Leben, kennen, und<br />
wir heirateten am 26. Oktober 1969.<br />
Mein politischer Aufstieg begann sehr früh. 1969 kam ich mit kaum 27 Jahren als Abgeordneter<br />
in den Niederösterreichischen Landtag. Gemeinsam mit den Bürgermeistern versuchten wir unsere<br />
Region weiter aufzubauen. Damals gab es kaum asphaltierte Straßen, kein Telefon und auch<br />
der elektrische Strom fehlte in verschiedenen Rotten. Mit 38 Jahren wurde ich in die Niederösterreichische<br />
Landesregierung als Landesrat berufen. Diese Funktion übte ich zwanzig Jahre aus. Als<br />
Obmann des Niederösterreichischen Bauernbundes war ich für die Bauern und somit auch für alle<br />
Menschen im Lande Hoffnungs- und Verantwortungsträger. Neue Projekte mit Freunden umzusetzen<br />
und Menschen zu helfen, war die Triebfeder meiner politischen Tätigkeit.<br />
Ich holte mir all meine Kraft für die großen politischen Aufgaben aus meiner Familie beziehungsweise<br />
aus meiner Heimat, der Buckligen Welt. Ich war mit Leib und Seele Bauer und schätze<br />
besonders die Schönheiten unserer Heimat: die Einzelhöfe, von Wald umrandet und mit blühenden<br />
Obstbäumen im Frühjahr, woraus guter Most und Schnaps produziert wird. Die Bucklige<br />
Welt ist sozusagen das geheime „Mostviertel“ in unserem Land. Hier gibt es noch in Takt befindliche<br />
Familien und auch sehr lebendige Dorfgemeinschaften, woraus ich sehr viel Kraft schöpfen<br />
konnte. Lassen wir uns daher diese Einstellung zu unserer Heimat, zu unserem Glauben und<br />
unserem lebendigen Dorfgemeinschaften von niemandem nehmen.<br />
Herbert Schimetschek, geb. 1938 in Wien, war unter anderem 2003 bis 2008<br />
Präsident der Österreichischen Nationalbank.<br />
Er verbrachte einige Jahre seiner Kindheit bei seinen Großeltern in Kirchschlag.<br />
» Eine Jugend in Kirchschlag «<br />
Unser ebenerdiges, über dreihundert Jahre altes Haus, das heute nicht mehr existiert, lag am<br />
Äußeren Markt. Der Tagesablauf am Äußeren Markt war stark von Geräuschen beeinflusst. Vor<br />
unserem Haus pflegte der Autobus der Firma Partsch zu parken, dessen Chauffeur im benachbarten<br />
Gasthof übernachtete. Um etwa fünf Uhr früh wurde dieses Fahrzeug jeden Morgen mit großer<br />
Lärmentwicklung gestartet, bevor es seine morgendliche Route über Stang und Wiesmath nach<br />
Wiener Neustadt in Angriff nahm. Sofern ein Einschlafen nochmals möglich war, wurde man spätestens<br />
eine Stunde später nochmals geweckt, wenn die „Milchführer“ auf ihren mit zahlreichen<br />
Milchkannen beladenen Pferdewagen am Haus vorbeifuhren. Und etwas später kündigte sich mit<br />
lautem Peitschenknallen der „Halter“ an, der die Kühe aus unserem Ortsteil auf den Anger an der<br />
Die „große Welt“ in der kleinen - 233<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 233 31.08.2009 14:20:13 Uhr
Günserstraße trieb, während seine Frau oder eines seiner Kinder dieselbe<br />
Aufgabe im Inneren Markt übernahm. Dann öffneten sich die Tore vieler<br />
Häuser und jeweils eine, zwei oder drei Kühe trotteten heraus und schlossen<br />
sich der immer größer werdenden Herde an.<br />
Den ganzen Tag über war am Äußeren Markt der Klang der Schmiedehämmer<br />
zu hören. An den beiden Enden des Marktes befand sich je eine der<br />
zwei Kirchschlager Dorfschmieden, was dazu führte, dass es immer wieder<br />
zu einem „Verkehrschaos“ kam, wenn die Milchführer und die Bauern mit<br />
ihren Wagen darauf warteten, dass sie mit ihren Pferden für eine Reparatur<br />
oder der Anbringung neuer Hufeisen an die Reihe kämen. Ich habe Stunden<br />
und Stunden damit verbracht, dem Meister und seinen Gesellen dabei zuzusehen,<br />
wenn die Eisen in der Esse erhitzt wurden, das glühende Metall in das<br />
kalte Wasser tauchte oder die Hufe der Pferde für das Beschlagen vorbereitet<br />
wurden. Und den Klang der für mich riesigen Hämmer, die im Takt auf den Amboss niederfielen,<br />
wenn abwechselnd Meister und Geselle zuschlugen, habe ich noch heute im Ohr.<br />
Den größten Teil unserer Sommerzeit verbrachten wir im Schwimmbad nahe der damaligen<br />
Hauptschule am Reissenbach. Das Betonbecken wurde durch den nahen Bach gespeist. Da es<br />
keine Filteranlage gab, musste in heißen Sommern das Wasser öfter wieder ausgelassen und das<br />
Becken neu gefüllt werden, was jeweils zu einer ein- bis zweitägigen Zwangspause bei unserer<br />
Lieblingsbeschäftigung führte. Die Einrichtung des Bades, Kabinen und Umkleideräume und die<br />
„Pritschen“ waren aus Holz, schon ein wenig verwittert und altmodisch, aber dennoch war das Bad<br />
und die Zeit, die wir dort an warmen Sommertagen verlebten, für uns das Paradies auf Erden.<br />
Die beruflichen und familiären Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Freunde von einst<br />
in viele Richtungen entflogen sind, einige weilen auch nicht mehr unter uns. Aber die Erinnerung<br />
an eine herrliche Jugendzeit in Kirchschlag lebt wohl in uns allen!<br />
Friedrich Peloschek, geb. 1953 in Wien, mehr als 25 Jahre arbeitete er unter<br />
anderem für die Weltbank in den USA. Seine Großeltern erwarben 1938<br />
den Stanghof bei Thernberg.<br />
» Bucklige Welt. Heimat eines ehemaligen Ausreißers «<br />
In meiner Jugend war ich häufig mit meinen Eltern und meiner Schwester am Stanghof, und<br />
schon früh begann ich mich für das Landleben und die bäuerliche Arbeit zu interessieren. Es gab<br />
so viele Aspekte, die mich anzogen und faszinierten. In meiner kindlichen Art schien es mir, als<br />
234 - Die „große Welt“ in der kleinen<br />
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ob sich die Gepflogenheiten des ländlichen Lebens an der<br />
Umwelt und deren Beschaffenheit direkt inspirierten und<br />
nicht an einer mir unverständlichen Konvention, wie das<br />
meine Erfahrung in der Großstadt war. Am deutlichsten<br />
war dies an der Kleidung festzustellen. Während ich in<br />
Wien immer ein wenig das korrigierende Diktat zu hören<br />
bekam, wie man sich für einen Anlass kleidet, war dies, wie<br />
mir schien, bei den Bauern nur eine Frage der Nützlichkeit<br />
und Funktionalität.<br />
Als Zwölfjähriger, nachdem ich schon des Öfteren am<br />
Kotflügel sitzend dem Herrn Schwarz Josef sen. beim Fahren des Traktors zugesehen, ja, studiert<br />
hatte, forderte mich dieser eines Tages auf, einmal selbst den Traktor zu lenken, was ich auch tat.<br />
Es war dies ein unglaubliches Ereignis für mich, den Halbwüchsigen aus der Großstadt. Nicht nur<br />
war es ein enormes Erfolgserlebnis, sondern auch die Realisierung, dass ich bei nützlicher Arbeit<br />
dienlich sein könne. In der Folge half ich oft für den Rest meiner Schulzeit bei der Getreideernte<br />
im Juli und beim Pflügen im Herbst mit.<br />
Ich wurde mir also schon früh, wie das im Jargon der 1960er-Jahre benannt wurde, der entfremdenden<br />
Existenz in der Großstadt bewusst, und ich projizierte in die Bucklige Welt eine dem<br />
Leben viel nähere, mir natürlicher erscheinende Welt, die bisweilen große Phantasien anregte.<br />
Auch war es der Platz, an dem viele Geschichten meiner Großeltern und auch meiner Eltern beheimatet<br />
waren.<br />
Im Jahr 1979 bin ich nach Jusstudium, Gerichtsjahr, Zivildienst und einem Teil der Konzipientenzeit<br />
ins Ausland gegangen. Es war mir eigentlich egal, wohin. Ich suchte das Weite. In New<br />
York bekam ich einen Job bei einer Anwaltsfirma. Nach fast zwei Jahren bin ich nach Washington<br />
DC übersiedelt, um einen Job bei der Weltbank anzutreten. Ich reiste andauernd, wenn nicht<br />
geschäftlich so privat. Immer wieder kam in mir die Frage auf: Wo bist du eigentlich zu Hause?<br />
Während ich diese Frage eine Zeit lang dahingehend beantwortete, dass ich mir sagte: In<br />
Washington DC, aber auch in New York, oder vielleicht doch Paris, wobei meine Heimatstadt<br />
ja doch Wien war? Dieser Umgang mit dem Heimatbegriff war beeinflusst von zwei Faktoren:<br />
der Suche nach einer Heimat, die frei sei von der schwierigen geschichtlichen Problematik<br />
Österreichs und das Sich-Sehnen nach der wunderbaren Erfahrung der Vielfalt und des Unbekannten.<br />
Auch war ich damals überzeugt von der Richtigkeit eines Zitats der großen Ethnologin<br />
Margaret Mead, die meinte: Nur wenn man an mindestens drei Orten zu Hause ist, ist man frei.<br />
Derzeit lebe ich in Wien und bin so oft wie möglich am Wochenende und während der Ferien in<br />
der Buckligen Welt. Meine Familie, aber auch viele Freunde erfreuen sich an und verlangen nach<br />
Fleisch, Wurst, Apfelschaumwein und Fruchtsäften vom Stanghof und anderen Produkten aus<br />
der Palette „Sooo gut schmeckt die Bucklige Welt“.<br />
Die „große Welt“ in der kleinen - 235<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 235 31.08.2009 14:20:14 Uhr
Maria Loley, geb. 1924 in Poysdorf (Weinviertel), international ausgezeichnete<br />
Flüchtlingshelferin, aufgrund ihres Engagements 1995 Opfer einer Briefbombe,<br />
lebte zwischen 2003 und 2009 in Pitten, jetzt in Laa an der Thaya.<br />
» hier Freunde gefunden «<br />
Die Landschaft ist eine Blickrichtung, die für mich immer bedeutend<br />
ist: Wie sehe ich die Landschaft, die Heimat vieler Menschen? Und die<br />
Landschaft empfinde ich hier schön. Es hat schon eine gewisse Ähnlichkeit<br />
mit dem Weinviertel. Die vielen Hügel hier sind natürlich anders wie<br />
die Hügel im Weinviertel. Aber auch das Weinviertel ist keine Ebene. Die<br />
Bucklige Welt ist mir zur Heimat geworden. Dass ich das sagen kann, ist<br />
ein sehr tief greifender Prozess. Ich habe ja meine frühere Heimat zurückgelassen.<br />
Wichtig ist: Wo kommt mir in der Natur Offenheit entgegen, und zwar im weitesten Sinn des<br />
Wortes. Die Offenheit, wie sie hier im Winter erlebbar ist, im aufkeimenden Frühjahrsleben und<br />
im Reifen, in der Hitze des Sommers, den Ährenfeldern oder wo auch immer. Hier zum Beispiel:<br />
das Wachsen im Frühjahr, wie die Bäume sich auch im Duft verströmen, wenn es geregnet hat<br />
und wenn die Wärme nicht Hitze ist, wenn das also langsam sich heben kann. Das ist wunderschön!<br />
Weil von der Landschaft her so viel Lieblichkeit vorhanden ist, ist es hier schön zu leben.<br />
Ich hab hier auch mit den Menschen sehr positive Erfahrungen gemacht; ich hab hier Freunde<br />
gefunden. In Hochwolkersdorf beispielsweise hab ich wunderbare Menschen erlebt. Ich war zu<br />
einem Vortrag eingeladen: von einer Gruppe von Frauen, die mir sehr gefallen haben, die mir sehr<br />
sympathisch wurden. Mir kommt man hier mit viel Herz entgegen. Drum ist es schön hier.<br />
Arabella Kiesbauer, geb. 1969 in Wien, Fernsehmoderatorin und ebenso 1995 Ziel<br />
eines Briefbombenattentats. Sie besitzt ein Haus in der Buckligen Welt.<br />
» Hier lässt sich’s leben! «<br />
Die Bucklige Welt – was für ein wunderschönes Fleckchen Erde! Ich bin<br />
sehr glücklich, mit Ihnen die Freude an dieser einzigartigen Landschaft teilen<br />
zu dürfen. Im Sommer erkunde ich am liebsten mit dem Fahrrad und mit<br />
Ausdauer die sanften Hügel, genieße von den Anhöhen die weiten Ausblicke<br />
und kehre gerne in den gepflegten Landgasthöfen der Region ein. Hier lässt<br />
sich’s leben!<br />
236 - Die „große Welt“ in der kleinen<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 236 31.08.2009 14:20:15 Uhr
Danksagung<br />
Die Herausgabe der „<strong>Lebensspuren</strong> <strong>II</strong>“<br />
war wieder nur durch die ausgezeichnete<br />
Zusammenarbeit und Hilfestellung zahlreicher<br />
Institutionen und Personen möglich.<br />
Ihnen allen gilt der große Dank der<br />
beiden Herausgeber Johann Hagenhofer<br />
und Gert Dressel sowie des gesamten<br />
Buchteams.<br />
Land Niederösterreich<br />
finanzielle Unterstützung durch Mittel aus der Kulturabteilung<br />
Verein „Gemeinsame Region Bucklige Welt“<br />
Übernahme der Projektträgerschaft und organisatorische Unterstützung durch<br />
Obmann Friedrich Trimmel und Regionsbetreuer Florian Kerschbaumer<br />
Bildungs- und Heimatwerk Bucklige Welt<br />
organisatorische Unterstützung<br />
Tourismusverband Bucklige Welt<br />
finanzielle Unterstützung bei der Fotoaktion und organisatorische Hilfestellung<br />
alle 23 Gemeinden der „Gemeinsamen Region Bucklige Welt“<br />
finanzielle Unterstützung sowie organisatorische und inhaltliche Hilfestellungen (bspw. Sammlung von<br />
Fotos und lebensgeschichtlichen Texten sowie Korrektur der Interviews) durch professionelle und ehrenamtliche<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinden während des gesamten Projektverlaufs<br />
Die Gemeinden und ihre Bürgermeisterinnen und Bürgermeister:<br />
Bad Erlach: Johann Rädler, Bad Schönau: Josef Riegler, Bromberg: Franz Fahrner, Edlitz:<br />
Manfred Schuh, Grimmenstein: Engelbert Pichler, Hochneukirchen-Gschaidt: Thomas Heissenberger,<br />
Hochwolkersdorf: Traude Gruber, Hollenthon: Josef Birnbauer, Katzelsdorf: Hannelore Handler-Woltran,<br />
Danksagung - 237<br />
BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 237 31.08.2009 14:20:16 Uhr
Kirchschlag: Franz Pichler-Holzer, Krumbach: Josef Freiler, Lanzenkirchen: Rudolf Nitschmann,<br />
Lichtenegg: Franz Rennhofer, Pitten: Günter Moraw, Scheiblingkirchen-Thernberg: Karl Stangl,<br />
Schwarzau am Steinfeld: Alfred Filz, Schwarzenbach: Johann Giefing, Seebenstein: Walter Endl,<br />
Thomasberg: Engelbert Ringhofer, Walpersbach: Franz Breitsching, Warth: Michaela Walla,<br />
Wiesmath: Roland Weber, Zöbern: Johann Nagl<br />
Besonders wertvoll war die Unterstützung durch den Museums- und Bildungsverein Pitten<br />
(Elfriede Oswald), den Fremdenverkehrs- und Dorferneuerungsverein Seebenstein (Rudi Putz,<br />
Martin Ringhofer) sowie durch Herbert Swoboda (Lanzenkirchen).<br />
238 - Danksagung<br />
Universitäten Wien und Klagenfurt<br />
wissenschaftliche Betreuung durch den Verein „Dokumentation lebensgeschichtlicher<br />
Aufzeichnungen“ am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der<br />
Universität Wien unter Leitung von Günter Müller und durch das Institut für<br />
Wissenschaftskommunikation und Hochschulforschung an der IFF Wien<br />
(Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der<br />
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt).<br />
Autorinnen und Autoren lebensgeschichtlicher Erinnerungstexte<br />
Den über zweihundert Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die im Rahmen des Projekts<br />
„Erlebbare Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel“ interviewt worden sind, haben wir bereits im<br />
ersten Band der „<strong>Lebensspuren</strong>“ mit der Nennung aller Namen gedankt. Für „<strong>Lebensspuren</strong> <strong>II</strong>“ haben<br />
darüber hinaus weitere Zeitzeuginnen und Zeitzeugen oder deren Nachkommen schriftlich verfasste<br />
Lebenserinnerungen zur Verfügung gestellt. Auch wenn wir nicht alle Texte berücksichtigen konnten –<br />
allen Autorinnen und Autoren sei an dieser Stelle herzlich gedankt:<br />
Sepp Birnbauer (Hollenthon), Erika Brandstetter (Zöbern), Margaretha Brósch-Fohraheim (Pitten<br />
bzw. Wien), Magdalena Dienbauer (Thomasberg), Michael Dorner (Bad Schönau), Anna Ferner<br />
(Wiener Neustadt), Franz Fürst (Bromberg), Karl Glatz (Pitten), Anna Glier (Krumbach),<br />
Franz Grundtner (Wiesmath), Gisela Haberhofer (Hochwolkersdorf), Anna Handler (Bromberg),<br />
Johanna Handler (Bad Schönau), Anna Heissenberger (Zöbern), Karl Heissenberger (Bromberg),<br />
Wilhelmine Hinner (Wien), Alfred Höller (Lichtenegg), Erna Holzbauer (Krumbach), Johann Kögler<br />
(Hochwolkersdorf), Karl Kohlberger (Hochwolkersdorf), Josef Krenn (Bad Schönau), Karl Lackner<br />
(Hochneukirchen-Gschaidt), Margaretha Lechner (Scheiblingkirchen-Thernberg), Rudolf Manhalter<br />
(Pitten), Alois Mayerhofer (Wiesmath), Gertraud Mitterecker (Pitten), Josef Motsch (Warth),<br />
Leopold Neubauer (Schwarzau), Simon Ofenböck (Thomasberg),<br />
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Karl Pichelbauer (Lichtenegg), Hans Pichler (Hochwolkersdorf), Leopoldine Riegler (Scheiblingkirchen-<br />
Thernberg), Alois Sagmeister (Pitten), Herbert Schanda (Wiener Neustadt), Josef Starosta<br />
(Krumbach), Franziska Ungerböck (Hochneukirchen-Gschaidt), Johanna Waldherr (Bromberg),<br />
Josef Walli (Scheiblingkirchen-Thernberg), Josef Weninger (Hollenthon), Franz Windbacher<br />
(Seebenstein), Luise Wöhrer (Grimmenstein)<br />
Schülerinnen und Schüler<br />
Abschließend möchten wir noch allen Schülerinnen und Schülern danken, die von 2004 bis 2006<br />
an der Durchführung der Zeitzeugeninterviews maßgeblich beteiligt waren:<br />
Hauptschule Bad Erlach: Raffaela Auer, Fabian Birnbaumer, Janine Bittermann,<br />
Magdalena Braunstorfer, Felix Breitsching, Michelle Ebner, Jaqueline Eschler, Julia Filz,<br />
Christina Fochler, Christina Götzinger, Vahdeta Halilcevic, Kevin Höller, Lina Hong, Katrin Horvath,<br />
Simona Krussig, Rahel Lasselsberger, Stefanie Lechner, Pia Luger, Andreas Pichl, Patrick Pongratz,<br />
Daniela Putz, Jan Rohorzka, Pamela Ruschil, Tanja Schrammel, Patrick Sonnleitner, Melanie Stockerer,<br />
Sandra Stulik, Christina Szokolszky, Sabrina Thonhauser, Manuel Tschauner, Ferdinand Voitl,<br />
Jaqueline Wagner, Sonja Weisse, Thomas Windbichler, Dominik Zottl, Marlene Zottl<br />
Hauptschule Edlitz: Andrea Crnjak, Daniel Csank, Denise Gallista, Romana Gremmel,<br />
Bernhard Hlavka, Angelika Höller, Thomas Lurger, Bettina Prenner, Bianca Rosenberger,<br />
Lisa-Marie Schrammel, Sandra Wiesbauer, Caroline Wöhrer, Daniela Zax<br />
Hauptschule Hochneukirchen: Rene Beiglböck, Katharina Edelhofer, Carmen Fasching,<br />
Dietmar Kager, Katrin Kager, Stephanie Koder, Christian Leitner, Vanessa Prandstätter,<br />
Christoph Ringhofer, Kevin Schabauer, Thomas Trenker, Christoph Ungerböck<br />
Klemens Maria Hofbauer Gymnasium Katzelsdorf: Marina Buchberger, Alexander Graf,<br />
Klara Heidenwolf, Anita Lesjak, Nikolaus List, Philipp Lizzi, Peter Mossig, Barbara Ortner, Teresa Posch,<br />
Dominik Splitek, Maxi Wanzenböck, Stefan Wappel<br />
Hauptschule Kirchschlag: Stefanie Dorner, Elisabeth Heissenberger, Raphael Konlechner,<br />
Elisabeth Morth, Nicolas Pratscher, Lisa Schwarz, David Wieser, Frederic Wieser<br />
Hauptschule Krumbach: Christoph Bauer, Antonia Buchegger, Michael Fassl, Daniel Flasch,<br />
Dominik Flasch, Patrick Grabensteiner, Iris Handler, Walter Hanke, Birgit Heissenberger,<br />
Manuel Heissenberger, Julia Kager, Manuel Kager, Christian Koder, Gerald Kölbel, Florian Knorr,<br />
Thomas Kornfeld, Magdalena Lackner, David Mandl, Kevin Markon, Melanie Pichelbauer,<br />
Danksagung - 239<br />
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Lisa Maria Pürrer, Magdalena Ringhofer, Kerstin Schützenhofer, Christoph Schuh, Patrick Steinreiber,<br />
Sandra Straßgütl, Ines Trenker, Christian Uterlutsch<br />
Hauptschule Lanzenkirchen: Marion Auinger, Lisa Birnbaumer, Elisabeth Dorfstetter, Stefanie Ecker,<br />
Hans-Peter Ernst, Sabrina Flatischler, Florian Fries, Marie-Christin Muster,<br />
Julia Nitschmann, Carina Rohmeis, Andrea Scherz, Melanie Schwarz, Sebastian Steiner, Lisa Wistermayer<br />
Hauptschule Lichtenegg: Stefan Bachhofner, Viviane Beier, Theresa Buchegger,<br />
Roman Dienbauer, Daniela Dopler, Johanna Fasching, Johannes Fritz, Martina Fuchs, Marion Fuchs,<br />
Bernadette Gradwohl, Tanja Grill, Julia Grundtner, Lukas Hafenscher, Christian Handler,<br />
Manuela Handler, Silvia Handler, Michael Höller, Markus Kamper, Josef Kornfell, Carmen Lechner,<br />
Isabella Lechner, Lucas Lechner, Michaela Mandl, Josef Pichler, Elisabeth Piribauer,<br />
Magdalena Piribauer, Manuel Sanz, Simon Schiefer, Roman Schuster, Claudia Schwarz, Petra Stangl,<br />
Alexandra Strobl, Rene Tyraj, Jennifer Ungermann, Verena Vollnhofer, Lukas Wagner, Bianca Waldherr,<br />
Patrick Wojtanowicz<br />
Hauptschule Scheiblingkirchen: Matthias Flonner, Christiane Geisl, Patrick Gneist, Kerstin Haller,<br />
Silvia Heuer, Jürgen Höllwieser, Bernd Kögler, Christoph Lechner, Theresa Lechner, Elisabeth Lindner,<br />
Kathrin Panis, Steffi Polgar, Robert Pölzlbauer, Robert Ponweiser, Viktoria Ponweiser, Tanja Pürrer,<br />
Daniel Rehbichler, Raphael Schandl, Judith Schmied, Martin Schrammel, Harald Schwarz, Josef Schwarz,<br />
Kristof Steinbrecher, Patrick Stocker, Patrick Stoffel, Doris Trimmel, Mario Trimmel, Viktoria Waldherr,<br />
Claudia Wöhrer<br />
Hauptschule Wiesmath: Katrin Bauer, Greta Beisteiner, Daniela Birkl, Ines Dutter,<br />
Stefanie Eisinger, Elisabeth Fellner, Jennifer Gallei, Katrin Giefing, Tina Gneist, Bianca Grill,<br />
Corinna Gruber, Jasmin Gubala, Elisa Handler, Elisabeth Hofleitner-Bartmann,<br />
Judith Hofleitner-Bartmann, Martin Hofleitner-Bartmann, Bianca Kabinger, Lisa Karner,<br />
Nicole Katzgraber, Lisa Kleinrad, Ines Kögler, Ria Mössner, Jasmin Neumüller, Barbara Puchegger,<br />
Julia Roschitz, Claudia Rosenkranz, Simone Schrammel, Verena Schrammel, Daniela Schwarz,<br />
Lena Schwarzl, Denise Steiner, Julia Steiner<br />
Hauptschule Zöbern: Carina Brandstetter, Kerstin Grabner, Jennifer Gräf, Michael Gräf,<br />
Bianca Handler, Eva Kranawetter, Lisa Petz, Lukas Spitzer, Tamara Wachabauer<br />
240 - Danksagung<br />
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