25.10.2012 Aufrufe

Lebensspuren II

Lebensspuren II

Lebensspuren II

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Lebensspuren</strong> <strong>II</strong><br />

Arbeit und Freizeit<br />

im Land der tausend Hügel<br />

Bucklige Welt – Heimat in Europa<br />

herausgegeben von<br />

Johann Hagenhofer und Gert Dressel<br />

unter Mitarbeit von<br />

Friedrich Geiderer, Willibald Kornfeld, Roman Lechner,<br />

Maria Stangl und der<br />

„Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“<br />

an der Universität Wien<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 1 31.08.2009 14:16:47 Uhr


Fotonachweise:<br />

Titelfoto: Bei der Milchlieferung in Frohsdorf<br />

von links: Margarete und Fritz Haller, 1936<br />

Foto: Herbert Swoboda, Lanzenkirchen<br />

Rückseite:<br />

Foto oben: Beim Erdäpfelgraben in Edlitz<br />

von links: Theresia Stummer und Walpurger Müllner, geb. Stummer, 1940<br />

Foto: Familie Johann Reisenbauer, Edlitz<br />

Foto unten: USC Kirchschlag um 1967<br />

von links, hockend: Franz Zöberer, Stefan Schermann, Lenz Heidelberger, Alois Puhr, Herbert Reumann<br />

stehend: Hans Liebl, Josef Schier, Petschi Eresheim, Bertl Kraft, Pepi Korner, Kurt Klem<br />

Foto: Josef Korner, Kirchschlag<br />

Karte vorne:<br />

„General Karte des Erzherzogthums Österreich ob und unter der Enns von dem K.K. Generalquartiermeisterstabe.<br />

Nach der Specialkarte reduziert und gezeichnet.<br />

Die Veränderungen nachgetragen vom K.K. militärisch geographischen Institute zu Wien 1843;<br />

Teil unter der Enns Blatt I. Viertel unter dem Wiener Wald.“ Vorlage im Eigentum von Roman Lechner (Lichtenegg)<br />

Karte hinten:<br />

Tourismusverband Bucklige Welt; Entwurf Bernhard Dinhopl; aktualisierte Ausgabe Mai 2009.<br />

ISBN Nr.: 978-3-200-01980-5<br />

© Verein Gemeinsame Region Bucklige Welt, 2813 Lichtenegg, Ransdorf 20<br />

www.buckligewelt.at<br />

2009<br />

<strong>Lebensspuren</strong> <strong>II</strong>, 1. Auflage<br />

Gesamtauflage 5.000 Stück<br />

Layout: Bernhard Dinhopl<br />

Satz und Druck: Unternehmen Mayrhofer, 2860 Kirchschlag<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 2 31.08.2009 14:16:47 Uhr


Inhalt<br />

Zum Geleit<br />

Grußworte des Landeshauptmanns 4<br />

Grußworte des Regionsobmanns 5<br />

Zum Buch<br />

Johann Hagenhofer 6<br />

Gert Dressel 7<br />

1. Ortsansichten 8<br />

2. Arbeitswelten 20<br />

Kinder und Jugendliche 42<br />

Frauen 62<br />

Männer 80<br />

Alte Menschen 105<br />

Fremde – in der Fremde 113<br />

3. Freizeitwelten 135<br />

Kinder und Jugendliche 156<br />

Frauen 181<br />

Männer 190<br />

Alte Menschen 212<br />

Fremde – in der Fremde 219<br />

4. Die „große Welt“<br />

in der kleinen 232<br />

Danksagung 237<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 3 31.08.2009 14:16:47 Uhr


Erwin Pröll – Landeshauptmann von Niederösterreich<br />

Die Grenzregion Bucklige Welt im äußersten Südosten un-<br />

seres Bundeslandes ist alter geschichtlicher Boden mit einer<br />

bemerkenswerten Konzentration wichtiger historischer Denkmäler<br />

und Ereignisse in einer kleinen und überschaubaren<br />

Landschaft, dem Land der tausend Hügel. 23 Gemeinden<br />

dieses Gebietes haben sich in den letzten Jahren zur Gemeinsamen<br />

Region Bucklige Welt zusammengeschlossen. Viele neue<br />

Ideen und Projekte wurden dabei regional umgesetzt. „Sooo gut<br />

schmeckt die Bucklige Welt“ ist eine erfolgreiche kulinarische<br />

Marke geworden, und die Betriebe der Region treten gemeinsam<br />

unter dem Dach der Wirtschaftsplattform Bucklige Welt<br />

auf.<br />

Besonders aufwändig und für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Region besonders wichtig<br />

war das Projekt „Erlebbare Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel“. Unter der Leitung von<br />

Johann Hagenhofer arbeitete ein Team erfahrener Vertreterinnen und Vertreter aus Heimatforschung<br />

und Geschichtswissenschaft bei einem Projekt zusammen, das von allen Gemeinden und<br />

allen Schulen der Region unterstützt wurde. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. So wurden<br />

zweihundert gefilmte und transkribierte lebensgeschichtliche Interviews im Landesarchiv für die<br />

geschichtliche Forschung aufbewahrt. Und das gemeinsame Regionsbuch „<strong>Lebensspuren</strong>“ mit<br />

kurzen Passagen aus diesen Zeitzeugenberichten und historischen Fotos war ein derart großer<br />

Verkaufserfolg, dass sich das Buchteam zur Herausgabe des vorliegenden Folgebandes über Arbeit<br />

und Freizeit im Land der tausend Hügel entschlossen hat. Für diesen neuen Band wurden eine<br />

zweite Fotosammlung und eine sehr erfolgreiche Sammlung selbst verfasster Lebensgeschichten<br />

durchgeführt.<br />

Als Landeshauptmann habe ich alle diese Aktivitäten immer gerne unterstützt und auch meine<br />

Anerkennung für die Leistungen des gesamten Buchteams im Jahre 2008 durch die Verleihung<br />

des Kulturpreises des Landes Niederösterreich für Erwachsenenbildung zum Ausdruck gebracht.<br />

Ich hoffe, dass auch der zweite Band des Regionsbuches gut angenommen wird und somit<br />

einen weiteren Beitrag zur Stärkung der regionalen Identität in unserem immer größer werdenden<br />

Europa leistet. Ganz unter dem Motto des Buches: „Bucklige Welt – Heimat in Europa“.<br />

4 - Zum Geleit<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 4 31.08.2009 14:16:48 Uhr


Friedrich Trimmel – Obmann des Vereins<br />

„Gemeinsame Region Bucklige Welt“<br />

Die Bucklige Welt hat ihre Geschichte entdeckt und arbeitet in<br />

eindrucksvoller Weise das Schicksal ihrer Eltern und Großeltern<br />

auf. Vieles, was schon „verschüttet“ war, wird wieder lebendig; es<br />

ist ergreifend, wenn man sieht, mit welcher Freude unsere Zeitzeuginnen<br />

und Zeitzeugen ihre Lebensgeschichten erzählen.<br />

Was 2007 mit dem ersten Band der „<strong>Lebensspuren</strong>“ mit<br />

großem Erfolg begonnen hat, hat das Projektteam um Johann<br />

Hagenhofer in den letzten beiden Jahren in großartiger Weise fortgesetzt. Dazwischen liegt<br />

auch die Auszeichnung des Buchteams mit dem Niederösterreichischen Kulturpreis für Erwachsenenbildung<br />

– eine große Ehrung, zu der wir dem gesamten Team ganz herzlich gratulieren.<br />

Es war gleichzeitig der Ansporn, diese Arbeit zur Aufarbeitung der Alltags- und Heimatgeschichte<br />

unserer Region fortzusetzen. Der Schwerpunkt des zweiten Bandes liegt bei dem Thema<br />

„Arbeit und Freizeit“. Es ist auch diesmal wieder gelungen, die gesamte Region in die Erarbeitung<br />

einzubinden, vor allem die umfangreiche Fotosammlung in den Gemeinden hat historische<br />

Arbeits- und Freizeitwelten und somit das Schicksal der Generationen in den letzten hundert<br />

Jahren wieder lebendig werden lassen. In diesem Band ist nur eine kleine Auswahl enthalten.<br />

Zusätzlich ist es gelungen, eine umfangreiche Sammlung der Geschichte der Buckligen Welt<br />

anzulegen – Fotos sowie erzählte und niedergeschriebene Lebensgeschichten, die auch diesmal<br />

wieder unter dem wissenschaftlichen Auge der Universitäten Wien und Klagenfurt dokumentiert<br />

und damit für die Nachwelt erhalten worden sind.<br />

Mein Dank gilt dem Buchteam unter der Leitung von Johann Hagenhofer, das wieder tausende<br />

Stunden in dieses Buchprojekt investiert hat, aber auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

in den Gemeinden, all jenen, die ihre Lebensgeschichten erzählt oder aufgeschrieben<br />

haben, sowie dem Land Niederösterreich für die finanzielle Unterstützung.<br />

Drei Monate nach der Präsentation war das erste Buch ausverkauft und bereits ein Nachdruck<br />

notwendig. Ich bin sicher, dass auch der zweite Band an diesen Erfolg anschließen kann und<br />

in den Haushalten in und auch außerhalb der Buckligen Welt als unverzichtbares geschichtliches<br />

Dokument Eingang findet. Die Bucklige Welt kann stolz sein auf ihre Geschichte und die<br />

„<strong>Lebensspuren</strong>“-Bände „Bucklige Welt – Heimat in Europa“.<br />

Zum Geleit - 5<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 5 31.08.2009 14:16:48 Uhr


Johann Hagenhofer<br />

Ende 2007 wurde das Regionsbuch „<strong>Lebensspuren</strong>“ in der Kul-<br />

turhalle Krumbach vor siebenhundert Frauen und Männer prä-<br />

sentiert. Innerhalb weniger Monate war die erste Auflage in der<br />

Höhe von viertausend Stück verkauft; im Frühjahr 2008 erfolgte<br />

ein Nachdruck von tausend Exemplaren. Die „<strong>Lebensspuren</strong>“ erwiesen<br />

sich somit in der Region und in den angrenzenden Städten,<br />

Wiener Neustadt und Neunkirchen, als ein Bestseller.<br />

Die große Nachfrage und das positive Feedback veranlasste das<br />

Buchteam zur Herausgabe eines zweiten Bandes mit den Schwerpunkten<br />

Arbeit und Freizeit. Das bewährte Buchteam blieb mit Ausnahme von Gerda Walli, die<br />

inzwischen vor neuen beruflichen Aufgaben steht, unverändert. Gert Dressel aus Wien, Friedrich<br />

Geiderer aus Krumbach, Willibald Kornfeld aus Wiesmath, Roman Lechner aus Lichtenegg,<br />

Maria Stangl aus Scheiblingkirchen und ich aus Hochwolkersdorf sorgten für einen sehr differenzierten<br />

Zugang und eine gute Streuung über die ganze Region. Wir organisierten mit Unterstützung<br />

der Gemeinden eine zweite Fotosammlung und nahmen für diesen Band auch zahlreiche<br />

selbst verfasste lebensgeschichtliche Erinnerungen entgegen. Auch die „Dokumentation lebensgeschichtlicher<br />

Aufzeichnungen“ an der Universität Wien stellte zahlreiche Erinnerungstexte von<br />

Autorinnen und Autoren aus der Buckligen Welt zusammen. Wenn wir die Fotos aus der ersten<br />

Sammlung und die zweihundert Interviews aus dem Projekt „Erlebbare Zeitgeschichte im Land<br />

der tausend Hügel“ dazurechnen, verfügen wir inzwischen über ein außerordentliches Archiv von<br />

alltagsgeschichtlichen Quellen unserer Region.<br />

Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Personen, die uns ihre Fotos und Aufzeichnungen<br />

zur Verfügung gestellt haben, und bei allen Gemeinden für die organisatorische Unterstützung.<br />

Besonderer Dank gilt dem MBV Pitten, dem Kulturverein Seebenstein und Herbert Swoboda aus<br />

Lanzenkirchen für die Bereitstellung ihres gesamten Fotoarchivs. Ein Dank auch dem bewährten<br />

Buchteam, zu dem in der Endphase wiederum Bernhard Dinhopl sowie Anna Schiefer und<br />

Michael Aulabauer von der Firma Alois Mayrhofer dazu gekommen sind, für die ausgezeichnete<br />

Zusammenarbeit. Danken möchte ich auch allen weiteren Personen und Institutionen, die unser<br />

Projekt unterstützt haben.<br />

Ich wünsche uns allen, dass auch der zweite Band der <strong>Lebensspuren</strong> gut angenommen wird und<br />

dass alle Leserinnen und Leser viele Verwandte und gute Bekannte im Buch wiederfinden. Ich<br />

wünsche mir aber auch, dass durch unser Buch die Alltagskultur des vergangenen Jahrhunderts<br />

in Erinnerung bleibt und der Bekanntheitsgrad der Buckligen Welt weiterhin gesteigert wird.<br />

6 - Zum Buch<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 6 31.08.2009 14:16:49 Uhr


Gert Dressel<br />

Wenn in Wien ein wissenschaftliches Buch präsentiert wird,<br />

kann man sich als Autor oder Autorin glücklich schätzen, wenn<br />

sich zwanzig oder dreißig Interessierte zu der Veranstaltung einfinden.<br />

Und eine Auflage von mehr als fünfhundert Exemplaren ist<br />

da schon eine kleine Sensation. Angesichts des Erfolgs des ersten<br />

Bandes der „<strong>Lebensspuren</strong>“ bin ich daher als Städter und Universitätsangehöriger<br />

aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen.<br />

Beiden universitären Einrichtungen, denen ich angehöre und die<br />

das gesamte Projekt „Erlebbare Zeitgeschichte im Land der tausend<br />

Hügel“ unterstützt haben, sind bestrebt, Wissenschaft nicht ausschließlich<br />

für andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

zu produzieren. Uns geht es immer darum, mit anderen Bevölkerungsgruppen zu kommunizieren,<br />

unser Wissen als Angebot zur Reflexion historischer und gesellschaftlicher Vorgänge zur Verfügung<br />

zu stellen, gleichzeitig aber das viele Wissen über Geschichte und Alltag, das beispielsweise<br />

in einer Region vorhanden ist, auf- und ernstzunehmen. Letztlich geht es immer<br />

um einen gemeinsamen und wechselseitigen Lernprozess, bei dem alle Beteiligten „nachher“ etwas<br />

mehr oder anderes wissen als „vorher“. Der Erfolg, der dem von Johann Hagenhofer initiierten<br />

Projekt und dem ersten Band der „<strong>Lebensspuren</strong>“ in Form von aktiver Mitwirkung und öffentlicher<br />

Aufmerksamkeit zuteil wurde, ist auch in überregionaler Perspektive ein außerordentlicher. Daher<br />

musste ich nicht dazu überredet werden, auch beim zweiten Teil der „<strong>Lebensspuren</strong>“ mitzuwirken.<br />

Als grundlegende Struktur des neuen Bandes haben wir uns für eine Gliederung in „Arbeitswelten“<br />

und „Freizeitwelten“ entschieden. Dabei stellen wir diesmal in den einzelnen Unterkapiteln<br />

die Erfahrungen von verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den Mittelpunkt. Trotz der<br />

thematischen Trennung zwischen „Arbeitswelten“ und „Freizeitwelten“ soll deutlich werden, dass<br />

diese lange Zeit keine klar voneinander getrennten Lebensbereiche waren, wie auch Kindheit,<br />

Altsein, Frau- und Mannsein sowie Fremdheit und Fremdsein vor fünfzig oder hundert Jahren oft<br />

etwas anderes bedeuteten als heute.<br />

Sicherlich können wir es mit unserer Foto- und Textauswahl auch diesmal nicht allen recht<br />

machen. Aber wenn das Gespräch in der Region über Geschichte und Gegenwart durch dieses<br />

Buch fortgesetzt wird, wäre wieder viel gewonnen. Und vielleicht werden Sie ja (auch) diesmal<br />

über die Fotos oder Erinnerungstexte dazu angeregt, selbst persönliche Erinnerungen niederzuschreiben.<br />

Die „Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“ an der Universität Wien<br />

sammelt solche Texte:<br />

Tel.: 01/4277-41306 (Günter Müller), e-mail: Lebensgeschichten@univie.ac.at,<br />

http://www.MenschenSchreibenGeschichte.at<br />

Zum Buch - 7<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 7 31.08.2009 14:16:49 Uhr


Ortsansichten<br />

23 kleine Gemeinden<br />

mit großer Geschichte!<br />

Auch der Band „Lebens-<br />

spuren <strong>II</strong>“ widmet sich<br />

in erster Linie dem Alltag<br />

und den Lebensgeschichten<br />

der Menschen<br />

in unserer Region im 20.<br />

Jahrhundert. Wir möchten<br />

aber dennoch kurz<br />

darauf hinweisen, dass<br />

auch die sogenannte<br />

Schwarzau: „Kaiserhochzeit“ 1911 im Schloss der Bourbon-Parma,<br />

„große“ Geschichte die heute Strafanstalt für Frauen um 1910 Foto: Gemeinde Schwarzau am Steinfeld<br />

Bucklige Welt mehr als<br />

nur gestreift hat. Mittelbronzezeitliche Hügelgräber bei Pitten, die keltische Wallburg von Schwarzenbach<br />

und Einflüsse altgriechischer Medizin am Schädel von Katzelsdorf sind Spuren besonderer Ereignisse<br />

und der frühen Besiedelung im Land der tausend Hügel. Römerzeitliche Grabsteine zeigen<br />

sogar Portraits von damaligen Bewohnern. Die Christianisierung durch Salzburg bringt im Mittelalter<br />

die heutigen Siedlungen zum Wachsen; das Stift Reichersberg intensiviert, ausgehend von Bromberg<br />

und Edlitz, diesen Prozess. In der Schlacht bei Katzelsdorf fällt im Jahre 1246 der letzte Babenberger,<br />

Friedrich der Streitbare. Trutzige Burgen und eine große Anzahl gut ausgebauter Wehrkirchen<br />

sollten Schutz vor Einfällen der Türken und Kuruzzen bieten.<br />

Um 1825 kommt mit dem liberal denkenden Erzherzog Johann kurz die große Welt des Kaiserhofes<br />

in die Bucklige Welt – nach Thernberg. Revolutionen treiben die französischen Herrscher ins Exil auf<br />

Schloss Frohsdorf. 1911 heiraten Erzherzog Karl und Prinzessin Zita im Schloss Schwarzau.<br />

1921 bilden die erfolgreichen Kämpfe des österreichischen Bundesheeres bei Kirchschlag die Grundlage<br />

für die Zugehörigkeit des Burgenlandes (vormals „Deutsch-Westungarn“) zu Österreich. 1945<br />

befindet sich das Oberkommando sowjetischer Truppen in Hochwolkersdorf. Hier erhält Karl Renner<br />

von Stalin persönlich den Auftrag zur Bildung einer österreichischen Regierung. Somit kann sich<br />

Hochwolkersdorf mit Recht als Geburtsort der Zweiten Republik bezeichnen. Die Vorarbeiten für die<br />

Regierungsbildung leistet Renner im Schloss Eichbüchl bei Katzelsdorf.<br />

8 - Ortsansichten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 8 31.08.2009 14:16:49 Uhr


Bad Erlach<br />

von den Steinzeitsiedlungen im Löss über die Ziegelindustrie zum Thermenort<br />

um 1930 Foto: Johann Rädler, Bad Erlach<br />

Lanzenkirchen<br />

Sitz der Bourbonen im Exil – Fronleichnam in Frohsdorf um 1935 Foto: Herbert Swoboda, Lanzenkirchen<br />

Ortsansichten - 9<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 9 31.08.2009 14:16:50 Uhr


Katzelsdorf<br />

Nahe diesem Ort endete die Babenbergerherrschaft mit dem Tod Friedrichs <strong>II</strong>. –<br />

Hauptstraße mit Dorfkirche und ehemaligem Ortsbach 1920 Foto: Helmut Teubl, Katzelsdorf<br />

Walpersbach<br />

Sommerfrische Klingfurth mit berühmten Gästen – Ortsansicht Richtung Süden<br />

1912 Foto: Walter Reisinger, Walpersbach<br />

10 - Ortsansichten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 10 31.08.2009 14:16:51 Uhr


Bromberg<br />

Hochwolkersdorf<br />

Mutterpfarre der<br />

Reichersbergischen<br />

Pfarren<br />

um 1955<br />

Foto: Emilie Gallei, Bromberg<br />

Geburtsort der<br />

Zweiten Republik –<br />

Dorfstraße mit<br />

Waaghäusel<br />

um 1940<br />

Foto: Gemeinde<br />

Hochwolkersdorf<br />

Ortsansichten - 11<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 11 31.08.2009 14:16:54 Uhr


Schwarzenbach<br />

Ruine, Ortschaft und Keltenberg mit beeindruckenden Resten des großen keltischen Zentralortes<br />

1940er-Jahre Foto: Maria Hauptmann-Dutter, Schwarzenbach<br />

Wiesmath<br />

klassischer Marktort – Hauptstraße Richtung Kirche vor 1930 Foto: Karl Mühl, Wiesmath<br />

12 - Ortsansichten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 12 31.08.2009 14:16:55 Uhr


Hollenthon<br />

typischer zentraler Kirchort mit barockisierter Wehrkirche und vielen Rotten – Hauptstraße mit Kaufhaus<br />

um 1937 Foto: Johanna Spenger, Hollenthon<br />

Lichtenegg<br />

umfangreiche Wehrkirchenanlage – elektrische Straßenbeleuchtung mit Gleichstrom<br />

1937 Foto: Roman Lechner, Lichtenegg<br />

Ortsansichten - 13<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 13 31.08.2009 14:16:56 Uhr


Krumbach<br />

Kirchschlag<br />

Kämpfe gegen Ungarn 1921, Passionsspielort – Hauptplatz von der Burgruine gesehen<br />

1932 Foto: Archiv Vollnhofer-Wanek, Kirchschlag<br />

14 - Ortsansichten<br />

klassischer<br />

Marktort<br />

1956<br />

Foto:<br />

Pauline Groll,<br />

Krumbach<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 14 31.08.2009 14:16:57 Uhr


Bad Schönau<br />

Hochneukirchen-Gschaidt<br />

vom<br />

Bauerndorf<br />

über die<br />

Sommerfrische<br />

zum<br />

Kurort<br />

1955<br />

Foto:<br />

Kurt Gneist,<br />

Bad Schönau<br />

Wehrkirche und Aussichtswarte am Hutwisch um 1940 Foto: Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt<br />

Ortsansichten - 15<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 15 31.08.2009 14:16:58 Uhr


Zöbern<br />

Ortszentrum mit Kirche 1980 Foto: Gemeinde Zöbern<br />

Thomasberg<br />

Rotte Kienegg mit „Gmoabrunn“ an Stelle der heutigen Landesstraße 1933 Foto: Roman Lechner, Lichtenegg<br />

16 - Ortsansichten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 16 31.08.2009 14:16:59 Uhr


Edlitz<br />

Beginn der Wehrkirchenstraße – Windkraftanlage beim Haus Ferstl 1934 Foto: Johann Reisenbauer, Edlitz<br />

Grimmenstein<br />

vom ehemaligen Verkehrsknoten und Nestlé-Industrieort zum Sanatoriumsort um 1900 Foto: Gemeinde Grimmenstein<br />

Ortsansichten - 17<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 17 31.08.2009 14:17:00 Uhr


Warth<br />

bäuerliches Bildungszentrum der Region – ehemalige Schmiede Franz Wöhrer sen.<br />

1960 Foto: Johann Wöhrer, Grimmenstein<br />

Scheiblingkirchen<br />

18 - Ortsansichten<br />

auf der Burg Thernberg<br />

entwickelte Erzherzog<br />

Johann viele seiner<br />

in der Steiermark<br />

verwirklichten Ideen –<br />

Kirchenplatz<br />

1900<br />

Foto: Johann Kahofer,<br />

Scheiblingkirchen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 18 31.08.2009 14:17:02 Uhr


Seebenstein<br />

Pitten<br />

im Vormärz Sitz<br />

der Wildensteiner<br />

Ritterschaft auf der Burg<br />

mit prominenten<br />

Mitgliedern, um<br />

1900 Exilort der<br />

Grafen von Braganza<br />

(portugiesisches<br />

Herrscherhaus) –<br />

Burg, Kloster und<br />

Flussbad in der<br />

Sommerfrische an der<br />

Aspangbahn<br />

1905<br />

Foto: Irene Fritz, Seebenstein<br />

bedeutender Ort der Mittelbronzezeit mit Fürstengräbern, Urpfarre der Buckligen Welt – Schloss, Bergkirche, Schule<br />

um 1900 Foto: Museums- & Bildungsverein Pitten<br />

Ortsansichten - 19<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 19 31.08.2009 14:17:03 Uhr


Arbeitswelten<br />

Bis weit ins 20. Jahrhun-<br />

dert hinein war der Alltag<br />

der meisten Bevölkerungsgruppen<br />

vor allem von Arbeit<br />

dominiert. Der Großteil<br />

der Tätigkeiten der<br />

Menschen – ob jung oder<br />

alt, ob Frau oder Mann –<br />

diente dazu, sich selbst<br />

und den Angehörigen die<br />

Existenz zu sichern. In<br />

ländlichen Regionen wie<br />

der Buckligen Welt geschah dies vor allem in der Landwirtschaft und im Kleingewerbe. Mit der zunehmenden<br />

Technisierung der Arbeitswelten seit den 1950er-Jahren hat die Landwirtschaft ihre Rolle<br />

als Haupterwerbssektor eingebüßt, ebenso wie andere Formen des kleinräumlichen Wirtschaftens<br />

an Bedeutung verloren haben.<br />

Viele ältere Menschen erinnern sich an – mehr oder weniger – typische landwirtschaftliche Arbeiten<br />

im Jahreszyklus. Einige weisen dabei darauf hin, dass von einer „guten alten Zeit“ nicht die Rede<br />

sein kann: Die sozialen Unterschiede zwischen „Großbauern“ und landwirtschaftlichen Hilfskräften<br />

wie Mägden und Knechten waren gewaltig. Auch die Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren mit<br />

ihren folgenschweren Auswirkungen auf viele Menschen hat sich in das Gedächtnis eingebrannt.<br />

Aber ebenso oft wird über individuelle und erfolgreiche Überlebensstrategien in Notzeiten berichtet.<br />

Schließlich empfinden viele die Technisierung des Arbeitsalltags seit den 1950er-Jahren als eine<br />

enorme Erleichterung.<br />

Die Fotos zeigen Arbeiten im Laufe eines Jahres. Der Anbau, die Ernte mit „Schnidahahn“, das<br />

Einlagern des Getreides und das Dreschen im Winter wurden vielfach von Frauen und Männern<br />

gemeinsam bewältigt. Die Arbeiten waren meistens sehr schwer, die Arbeitszeiten sehr lang. Dennoch<br />

haben heute manche Menschen das Gefühl, dass es früher weniger Zeitdruck und Stress gab.<br />

Diesen Eindruck vermitteln auch die Fotos von den Greißlereien, die es in fast allen Ortschaften gab.<br />

Außer Salz, Zucker und Gewürzen gab es nur wenige Lebensmittel zu kaufen, weil es noch eine weitgehende<br />

Selbstversorgung gab. Daneben konnte man dort aber viele andere Dinge des täglichen<br />

Gebrauchs erwerben.<br />

20 - Arbeitswelten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 20 31.08.2009 14:17:03 Uhr


» bei der typischen Bauernarbeit «<br />

Josef Flasch, geb. 1936 in Pichl (Gemeinde Zöbern), Landwirt<br />

Wo fangen wir denn bei der typischen Bauernarbeit an? Im Frühjahr! Wenn das Frühjahr ge-<br />

kommen ist, hast schon das Holz zusammenräumen müssen, alles mit der Hand schneiden, Stau-<br />

den abschneiden. Brennholz hast mit der Hand abgeschnitten, das ist aufgeschlichtet worden.<br />

Dann ist gekommen: Eggen mit den Ochsen, Mistführen, ackern, wieder eggen. Du hast mit der<br />

Hand gesät, eingeackert. Wenn diese Arbeit vorbei gewesen ist, war eh nicht viel Zeit, dann ist das<br />

Küheaustreiben gekommen. Die waren nicht so wie heute eingezäunt, du musstest mitrennen mit<br />

ihnen. Zuerst hast sie zusammengehängt gehabt. Und dann, wenn’s schon länger ausgetrieben<br />

waren, hast sie ausgelassen. Weißt eh, hinten und vorne auf die Höh’, und du hinten nach. Hast<br />

müssen Kühehalten. Das war sowieso die Arbeit von den Kindern. Wenn die Kinder nicht aufgepasst<br />

haben, sind die Kühe abposcht – verschwunden.<br />

Danach ist die Heumahd gekommen. Hast müssen alles mit der Sengst abmähen, hintennach<br />

alles auseinanderbeuteln mit der Gabel. Dann hast es überdreht mit der Gabel. Dann hat’s das<br />

wahrscheinlich ein paar Mal angeregnet, weil das hat ja Tage gedauert, bis es fertig war. Dannach<br />

hast es wieder zusammengerichtet.<br />

Weizen haben wir auch angebaut, den hast du heimgeführt und in den Stadel hineingeschlichtet,<br />

alles schön zusammengelegt. Wenn du einen Samen gebraucht hast, hast müssen zuerst dort<br />

dreschen, dass du wenigstens wieder einen Samen hast anbauen können. Nicht so wie heute, dass<br />

du ins Lagerhaus fährst und dir das kaufst. Das ist damals alles selber wieder angebaut worden.<br />

Was wir notwendig gebraucht haben, haben sie im Herbst ausgedroschen, das andere ist erst im<br />

Winter gedroschen worden, wenn draußen die Arbeit fertig war.<br />

Dann ist das Troad gekommen, das war der zweite Schnitt. Da hast du eh nur mehr ein kleines<br />

Eckerl gehabt, das war der erste Klee, den hast du für die Kühe gebraucht. Im Herbst ist wieder<br />

das Mistführen gewesen, Ackern, die Grumbirn-Arbeiten. Das war auch alles mit der Hand. Du<br />

hast die Erdäpfel mit der Hand von den Furchen rausgeklaubt, eingefasst, dann hast das müssen<br />

sortieren. Danach ist eh schon Allerheiligen kommen. Rüben ausnehmen war vorher noch, die<br />

Krautrüben, die Burgunder, dann ist das Dreschen angegangen. Du hast müssen alle Tage dreschen<br />

gehen, hurra, bis Weihnachten hätten wir sollen fertig werden. Oft ist es eh nicht der Fall<br />

gewesen. Dann war noch vor Weihnachten das Rorategehen. Von jedem Haus hat müssen wer in<br />

die Rorate gehen. Und wenn du von der Kirche heimgekommen bist, dann hast dreschen gehen<br />

müssen. Das ist bis Weihnachten gewesen, und danach ist das Bandlmachen aus Roggenstrauch<br />

gekommen. Und im Winter haben die Frauen genäht bis Mitternacht oder noch länger. Bei der<br />

Jause ist gesungen worden, bei einem Apfel oder einem trockenen Brot.<br />

Arbeitswelten - 21<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 21 31.08.2009 14:17:03 Uhr


» Bauern zwar, aber Herrenbauern «<br />

Rosa Supper, geb. 1925 in Inneraigen bei Aspang,<br />

seit 1946 in Bad Erlach wohnhaft, kaufmännische Angestellte<br />

Das waren Herrenbauern, Bauern zwar, aber Herrenbauern. Da hat keiner was gearbeitet. Ich<br />

habe einmal die Minerl gefragt – da waren ganz oben so dreieckige Fenster, die ich geputzt habe:<br />

„Hearst, wie komm ich denn da dazu, wie kann ich das außen putzen?“ Hat sie gesagt: „Mich<br />

darfst nicht fragen, ich hab die noch nie geputzt.“ Dann hätte ich Geschirr abwaschen sollen. Und<br />

da hat mein Bruder gesagt: „Ich hab ja auch müssen nach dem Essen Geschirr abwaschen, jeden<br />

Tag. Sonst hat es ja niemand getan, auch nicht die Mutter von der Minerl und sie halt auch nicht.“<br />

– „Heute“, hat mein Bruder gesagt, „heute lässt du das Geschirr mal stehen. Wir haben so viel<br />

Arbeit draußen, wir gehen alle aussi und wir arbeiten.“ Ich hab nix gesagt, mir war das nur recht,<br />

ich habe mir gedacht: „Hearst, die zwei Frauen werden doch einmal das Geschirr abwaschen können!“<br />

Na ja, was haben sie gemacht, wie ich auf d’ Nacht vom Acker heimgekommen bin? Putzen<br />

sie mich zusammen: „Das Geschirr wäscht du jetzt ab!“ Das ist gestanden, wie wir es zu Mittag<br />

hingestellt hatten, kein Mensch hatte das angerührt. Ich habe es aber auch nicht abgewaschen,<br />

sondern ich habe angefangen zu weinen und bin in mein Zimmer gegangen. Ich habe dort am Hof<br />

so viel abgenommen. Meine Mutter hat dann gesagt: „Wenn du jetzt noch länger in Erlach bleibst,<br />

ist nix mehr da von dir.“ Darum bin ich ja dann auch fort, obwohl mir mein Bruder so leid getan<br />

hat.<br />

» Die Sonntagsarbeit frisst die Wochenarbeit «<br />

Alois Schwarz, geb. 1922 in Hollenthon, Landwirt,<br />

Vater von Bischof Alois Schwarz<br />

Wir haben einen Knecht und zwei Mägde gehabt. Die Mutter ist nie aufs Feld gegangen, sie ist<br />

immer daheim gewesen. Wir haben die leichte Arbeit gemacht, und die Knechte haben die schwe-<br />

re Arbeit gemacht. Und die Mägde haben im Haushalt geholfen. Jetzt hast du am Montag schon<br />

gewartet bis der Samstag kommt. Der Samstag war immer ein vorheiliger Tag vom Sonntag. An<br />

einem Samstagvormittag hast schon zusammenräumen müssen und ein wenig schauen, dass das<br />

alles in Ordnung ist. Nachmittag hast überhaupt nicht mehr viel gearbeitet, und am Sonntag hat’s<br />

nix gegeben, außer das Vieh. Ui, da waren meine Eltern, meine Großmutter und alle streng, oh<br />

mein Gott! Die haben ein Sprichwort gehabt: „Die Sonntagsarbeit frisst die Wochenarbeit.“ Wenn<br />

du am Sonntag gearbeitet hast, bringst du unter der Woche nix weiter.<br />

22 - Arbeitswelten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 22 31.08.2009 14:17:04 Uhr


» Und Eisenbahnerkühe haben wir gehabt «<br />

Aloisia Birnbaumer, geb. 1942 in Inzenhof (Gemeinde Pitten),<br />

seit 1964 in Bad Erlach, Landwirtin<br />

Wir haben vier oder fünf Kühe gehabt und ein paar Jungrinder. Und Eisenbahnerkühe haben<br />

wir gehabt. Das sind Ziegen. Die haben wir auch gehabt, aber nicht lange. Denn die – wir haben<br />

junge Bäumerl im Garten gesetzt gehabt – hatten nichts anderes zu tun, als die ganzen Bäumerln<br />

abzufressen. Da ist der Vater so zornig geworden. Sagt er: „Mit denen fahren wir ab.“ Weil die waren<br />

so schlimm, die fraßen alles ab. Es waren liebe Viecher, aber … Meistens hatten die Arbeiter<br />

halt die Eisenbahnerkühe, damit sie eine Milch und ein bissel Fleisch hatten. Die Jungen wurden<br />

dann oft zum Essen geschlachtet. Das waren die Eisenbahnerkühe, die kennt man heute gar nimmer.<br />

» die Bedürfnisse der Bevölkerung in der damaligen Zeit zu decken «<br />

Alois Mayerhofer, geb. 1921 in Wiesmath, Landwirt. Der folgende Text ist ein Auszug<br />

aus seinem Buch „Erinnerungen. Beiträge und Gedichte eines Brautführers<br />

und Mundartdichters aus der Buckligen Welt.“ Kirchschlag (Mayrhofer) 2004.<br />

Vier Kaufleute waren damals in Wiesmath ansässig, welche die Bedürfnisse der Bevölkerung in<br />

der damaligen Zeit befriedigten. Möchte betonen, dass das Angebot an Textilien, Leder und Kopf-<br />

bedeckungen größer war als heute. Drei Tischlermeister hatten voll zu tun, um den Bedarf der<br />

Bevölkerung zu decken. Musste doch alles von Hand angefertigt werden. So manches Schmuckstück<br />

in unserem Heim stammt noch aus dieser Zeit. Zwei Bäcker und zwei Fleischereibetriebe<br />

belieferten nicht nur unsere Gemeinde, sondern auch die ganze Umgebung mit ihren Erzeugnissen.<br />

Letztere waren mit den Pferden unterwegs, was man „Gaifahren“ nannte. Die heiße „Dürre“<br />

und die krachenden Debreziner waren „Gustostückerl“ dieser Zeit. Die sogenannten „Brotträger“<br />

waren mit dem Gebäck zu Fuß unterwegs und brachten es ins Haus. Die guten gebrechelten Brezen<br />

sind mir unvergesslich. Da die Bäckergesellen oft in der Nacht in der Backstube mitarbeiten<br />

mussten, waren sie selbstverständlich sehr müde. So ist es nicht verwunderlich, dass sie unter<br />

Bürde der Last zu Schlaf kamen. Dies war eine günstige Gelegenheit für die „Halterbuben“ aus<br />

der „Krax’n“, das war ein tiefer länglicher Korb, Gebäck zu stehlen. Neun Gasthäuser, davon fünf<br />

im geschlossenen Ort, sorgten für die kulinarischen Angebote. Dass damals eine große Konkurrenz<br />

bestand, ist leicht verständlich. Musste doch jeder Wirt das Beste geben, um seine Gäste zu<br />

halten. Die Speisen waren in Wiesmath damals nach dem Wahlspruch „Was sie haben wollen“<br />

auf der Tagesordnung. Neben einem reichlichen Speisenangebot „à la carte“ gab es auch die soge-<br />

Arbeitswelten - 23<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 23 31.08.2009 14:17:04 Uhr


nannte „Einmachsuppe“ und die „Kuttelfleck“.<br />

Zwei Schlosser waren ebenfalls ansässig, wovon ersterer hauptsächlich für Öfen und Herde so-<br />

wie für die Wasserversorgung der Gemeinde und Gehöfte, letzterer für die Gerätschaften zustän-<br />

dig war. Zwei Schmiedebetriebe hatten die Hände voll zu tun, um „Zug und Zeug“, oder besser ge-<br />

sagt „Pferd und Wagen“, in Schwung zu halten. Das Beschlagen der Pferde oder Ochsen war eine<br />

mühsame, schwere Arbeit. Auch das Beschlagen der Wirtschaftswagen erforderte viel Zeit und<br />

Geduld. Auch das Scharfmachen von Gabeln und Krampen war ein ständiger Arbeitsaufwand.<br />

Auch zwei Wagnerbetriebe waren notgedrungen in diesen Geschäftsbetriebsablauf eingebunden<br />

und mussten die Holzteile der Gerätschaften nicht nur herstellen, sondern auch instand halten<br />

Ein richtiger Stiel bei der Hacke oder Haue war Goldes wert, denn es ging nach dem Spruch „Wie<br />

der Herr, so auch’s Gscher“ (Geschirr). Drei Maschinenhändler versorgten die Betriebe mit den<br />

nötigen Geräten, Maschinen und Bestandteilen. Die beginnende Mechanisierung brachte für diesen<br />

Beruf einen gewaltigen Aufwind. Fast in jedes Haus kam ein Benzinmotor und so mussten<br />

auch sämtliche Gerätschaften dazu angeschafft werden. Hier war der Spruch angebracht: „Ein<br />

Keil treibt den anderen.“<br />

Auch ein Friseurmeister war damals schon in unsrer Gemeinde, der aber mehr mit den Herren<br />

zu tun hatte, weil die Damen noch teilweise stolz auf ihr langes Haar und auf die Zöpfe waren. Da<br />

sogar ein Uhrmachermeister hier ansässig war, wusste man immer, wie viel es geschlagen hat. Da<br />

es in der Branche zu dieser Zeit sehr viel Pfusch gegeben hat, dürfte es wenig ertragreich gewesen<br />

sein. Zwei Glasermeister sorgten für die ordentliche Sanierung, wenn etwas „in Scherben ging“.<br />

Ich weiß noch gut, dass die zwei nicht gut aufeinander zu sprechen waren. Da der eine mit dem<br />

Fahrrad fuhr, kam er immer schneller auf seinen Arbeitsplatz. Den Rauchfangkehrermeister will<br />

ich auch nicht vergessen, der damals zwei oder drei Gesellen beschäftigt hatte. Es ist mir noch<br />

gut in Erinnerung, wie schön die im Rauchfang gesungen haben. Dass auch die Binderei in Wiesmath<br />

ausgeübt wurde, dürfte der Grund sein, warum mir das „Binderlied“ noch immer in den<br />

Ohren klingt. Den größten Aufschwung hat wohl die Sodawassererzeugung genommen, die auch<br />

zu meiner Jugendzeit begonnen wurde. Das „spritzige Kracherl“ mit der Glaskugel werde ich nicht<br />

vergessen. Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass sich auch ein Sägewerksbetrieb<br />

vorübergehend in unserer Gemeinde befunden hat. Nicht vergessen sollen auch die Viehschneider<br />

sein, die damals von Wiesmath aus die ganze Umgebung betreuten. Die eine Familie war aus<br />

dem Raum Neunkirchen, die andere aus Salzburg hierher gezogen. Die Verständigung mit den<br />

Tierbesitzern funktionierte allerdings ausgezeichnet. Obwohl jeder eine andere Methode anwendete,<br />

waren die Bauern sehr zufrieden.<br />

Da dem Gewerbe in Wiesmath damals eine Vorreiterrolle zukam, ist es nicht verwunderlich,<br />

dass auch der Handel blühte. War doch dieser mit dem Gewerbe und der Landwirtschaft eng verbunden.<br />

So ist es auch zu verstehen, dass die „Stadthändler“ die Waren vom Bauern mit einem<br />

Fuhrwerk oder zu Fuß abholten. Dies waren Butter und Eier, Hühner und Gänse sowie Kanin-<br />

24 - Arbeitswelten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 24 31.08.2009 14:17:04 Uhr


chen. Im Sommer waren auch reichlich Beeren und Schwammerl zu befördern. Dies alles wurde<br />

dann mit einem Pferdefuhrwerk nach Wiener Neustadt gebracht und dort auf ihrem Standplatz<br />

angeboten. Viele Leute, die kein Fuhrwerk hatten, konnten hier nach Wiener Neustadt mitfahren.<br />

In kurzen Abständen fanden dort auch Pferd und Ferkelmärkte statt, die von unseren Züchtern<br />

beschickt wurden. Zu dieser Zeit wurden in Wiesmath drei Jahres- und vier Monatsviehmärkte<br />

abgehalten, wobei bis zu zweihundert Stück Rinder aufgetrieben wurden.<br />

» den Lein, aus dem man die Leinwand macht «<br />

Josef Vollnhofer, geb. 1926 in Zöbern, Landwirt<br />

Kennt ihr den Lein, aus dem man die Leinwand macht? Das ist ein eigenes Verfahren, ganz<br />

kompliziert. Die Leute haben davon Leinwand fürs Bett gekriegt. Dafür heißt es ja heute noch<br />

Leintuch. Der Lein war eine eigene Frucht. Kennt ihr den Lein nicht? Das war eine eigene Sache.<br />

Den hat man angebaut, man hat ihn nicht abgemäht, sondern ausgerissen. Für den Samen, das<br />

waren so Kapseln, hat man eine Vorrichtung gehabt, eine Art Rechen aus Eisen, da hat man den<br />

Lein durchgezogen, damit man die Kapseln heruntergekriegt. In der Kapsel war der Samen, damit<br />

fuhr man in die Mühle. Damals waren noch viele Mühlen in der Gegend. Die hat man auch<br />

gebraucht. Dort haben sie eigene Vorrichtungen mit schweren Pfosten gehabt, das hat sich Stampf<br />

genannt, das ist so auf- und abgegangen. Die Mühle, also das Wasser, hat die angetrieben. Die<br />

Samen hat man untergelegt, daraus ist dann ein Öl geworden, das Leinöl. Heute ist es wieder in<br />

Mode, weil es angeblich kein Cholesterin hat. Das hat man damals erzeugt. Mit den Rückständen<br />

hat man das Vieh gefüttert, das Öl hat man verkocht. Und das Stroh hat man auf der Wiese noch<br />

einmal aufgebreitet, dass es „moarb“ geworden ist, dass die Stängel mürbe geworden sind. Das<br />

ist im Wetter draußen gelegen, im Regen. Dann hat man es zusammengegeben und gebrechelt.<br />

Das war eine Vorrichtung mit zwei Brettern, und in die Mitte ist das hineingekommen. Die Hülse<br />

hat man heruntergeschlagen und innen war dann das Werch. Das ist die Faser, die schaut fast wie<br />

Haar aus. Das ist dann weiterverwendet worden. Man hat es auf ein Spinnradl gegeben und das<br />

Garn gesponnen. Das Garn wurde zum Weber gegeben, der hat das Leinen gemacht. Eine ganz<br />

arbeitsaufwändige Sache ist das gewesen. Heute denkt man gar nicht mehr daran, dass es das<br />

einmal gegeben hat.<br />

Arbeitswelten - 25<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 25 31.08.2009 14:17:04 Uhr


» betrieben in diesem Ort eine kleine Greißlerei «<br />

Anton Schweiger, geb. 1931 in Walpersbach,<br />

nach HAK-Matura Verkaufsleiter in Wien<br />

Wir waren insgesamt fünf Kinder und meine Eltern betrieben in diesem Ort eine kleine Greiß-<br />

lerei. Vielleicht wird der Name Greißlerei heute gar nichts mehr sagen. Es war ein Geschäft, wo<br />

die Ortsbevölkerung ihren täglichen Bedarf decken konnte. Und wenn ich dieses Geschäft ein<br />

bisschen beschreiben darf, ist das vielleicht auch nicht uninteressant, wie wir als Kinder gelebt<br />

haben.<br />

Es war ein Raum, etwa halb so groß wie dieses Klassenzimmer, etwa vierzig Quadratmeter, und<br />

in diesem Raum waren alle Waren untergebracht, die man eben zum täglichen Leben gebraucht<br />

hat. Es waren die Lebensmittel drinnen, es wurde Petroleum verkauft, es waren Eisenwaren drinnen,<br />

Lederwaren, Textilien, alles hat sich da gestapelt. Der Verkäufer ist hinter dem Verkaufspult<br />

gestanden, hat jeden einzelnen Gegenstand in die Hand genommen, den der Kunde eben zu kaufen<br />

wünschte, auf das Verkaufspult gelegt. Man hat einen Zettel genommen, den Preis aufgeschrieben.<br />

Wenn alle Waren ausgewählt wurden, hat man dann im Kopf zusammengerechnet und<br />

das Geld genommen und einfach in eine Schublade gelegt.<br />

Wie ist man eigentlich zu dieser Zeit zu den Waren gekommen, die die Menschen in diesem Ort<br />

gebraucht haben? Da ist einmal in der Woche ein Pferdewagen nach Wiener Neustadt gefahren.<br />

Man hat dort alle Gegenstände besorgt, ob das Pflugscharen waren oder Nägel oder Salz oder<br />

Pfeffer und was halt alles notwendig war, beladen, ist wieder zwei Stunden nach Hause gefahren.<br />

Die Waren wurden in diesem Raum aufgeschlichtet und standen so für die Kunden zur Verfügung.<br />

Nun muss man sich aber vorstellen, der Ort bestand durchwegs aus bäuerlicher Bevölkerung, und<br />

diese Bevölkerung hat natürlich einen Großteil der Lebensmittel selbst produziert. Das heißt, dass<br />

der Greißler von diesem Geschäft alleine nicht leben konnte. Daher war bei jedem Handwerksbetrieb<br />

oder jedem Geschäft dieser Art meistens auch eine kleine Landwirtschaft angeschlossen.<br />

Auch meine Eltern hatten so eine kleine Landwirtschaft, und daher ist es verständlich, dass wir als<br />

Kinder mit allen landwirtschaftlichen Arbeiten auch schon bestens vertraut waren. Wir konnten<br />

mit Pflug, Sense oder allen anderen Gegenständen, die halt in der Landwirtschaft zur Verfügung<br />

stehen, genauso gut umgehen wie Erwachsene.<br />

Es hat auch einen Juden gegeben, der eine Greißlerei betrieben hat. Das war natürlich ein ganz<br />

schreckliches Schicksal für ihn. Er wurde 1938 vertrieben, zwei Söhne konnten nach Bolivien<br />

flüchten, und die alten Eltern und, soweit ich mich erinnern kann, die Schwester sind einfach<br />

spurlos verschwunden und, wie man heute weiß, sicher in einem KZ umgekommen.<br />

26 - Arbeitswelten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 26 31.08.2009 14:17:04 Uhr


» Die haben nichts mehr gekriegt «<br />

Willibald Brandstätter, geb. 1929 in Zöbern, Lagerhausverwalter<br />

Damals in den 1930er-Jahren sind die Kinder noch hübsch in die Schule gegangen nach der<br />

Reihe. Es war so, dass man irgendwie das Letzte zusammengerafft hat, um die Kinder zu ernäh-<br />

ren. Aber es war die schreckliche Zeit. Da sind welche aus dem Industriegebiet von Ternitz oder<br />

Wimpassing gekommen, die arbeitslos und ausgesteuert worden waren. Die haben nichts mehr<br />

gekriegt. Ich kann mich noch erinnern: Sie sind gekommen und haben gesagt: „Kann ich ein paar<br />

Stückerl Brot haben für meine Kinder daheim?“ Das war so. An das kann ich mich noch gut erinnern.<br />

Wir haben immer etwas gegeben. Unsere Eltern waren sehr religiös und haben daher auch<br />

Verständnis gehabt für den Hunger.<br />

» Aber mein Vater hat trotzdem keine Arbeit gekriegt «<br />

Maria Giefing, geb. 1924 in Schwarzenbach<br />

Wie der Hitler gekommen ist, bin ich vierzehn Jahre alt gewesen. Weil die Zeiten so schlecht wa-<br />

ren, haben sich die Leute erhofft, dass jetzt bessere Zeiten kommen. Ich habe noch in Erinnerung,<br />

dass unten in Schwarzenbach die Leute auf der Straße gerufen haben: „Wer gibt uns Arbeit, wer<br />

gibt uns Brot?“ Und dann haben andere nur geschrien: „Unser Führer Adolf Hitler!“ Das haben<br />

wir von Schwarzenbach herunten bis auf die Schön hinauf gehört, so viele Leute waren da. Es war<br />

ja wirklich so, dass die Leute so arm waren, dass sie sich wirklich erhofft haben, dass jetzt eine<br />

bessere Zeit kommt. Aber mein Vater hat trotzdem keine Arbeit gekriegt.<br />

Weil wir so arm waren und kein Geld da war, musste das Essen bei uns aufgeteilt werden. Wenn<br />

meine Mutter mit dem Vater nach Wiener Neustadt im Herbst auf den Markt gefahren ist, hat sie<br />

eine Weintraube gekauft. Eine Traube hat sie heimgebracht und hat sie dann unter uns Kindern<br />

aufgeteilt. Da hat sie die Schere genommen – das sehe ich heute noch – und hat das durchgeschnitten.<br />

Und eine jede von uns hat vielleicht zehn Weintrauben gekriegt. Jetzt haben wir schon<br />

geschaut, wenn einer mehr gekriegt hat als der andere.<br />

Arbeitswelten - 27<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 27 31.08.2009 14:17:04 Uhr


» Mein Vater war sofort tot. «<br />

Simon Ofenböck, geb. 1934 in Boden (Gemeinde Thomasberg), Landwirt.<br />

Den folgenden Erinnerungstext hat er im Jahr 2008 niedergeschrieben.<br />

Im Jahre 1938 passierte am Hof ein großes Unglück. Als an einem Sommertag ein großes Unwet-<br />

ter aufzog, ging mein Vater mit seinem Schwager Florian Maierhofer noch schnell aufs Getreide-<br />

feld, um die Kornmandl näher zusammenzurücken und vor dem kommenden Regen zu schützen.<br />

Als beide Männer schon auf dem Feld waren, wollte der Schwager noch rasch ins Haus, um sich<br />

Hut und Rock als Regenschutz zu holen. In diesem Moment traf meinen Vater Simon Ofenböck,<br />

der auf dem Feld zurückblieb, ein gewaltiger Blitz. Der fuhr durch den ganzen Körper, zerfetzte<br />

den Hut, so dass nur die Krempe übrig blieb, und riss beim Verlassen des Körpers die Ferse weg.<br />

Mein Onkel, der durch die Wucht des Blitzes zu Boden geschleudert worden war, eilte sofort zu<br />

Hilfe, aber es war zu spät. Mein Vater war sofort tot. Der Onkel ging mit dem zerfransten Hut ins<br />

Haus. Als meine Mutter, die die neun Monate alte Schwester Anna am Arm trug, den Hut sah,<br />

wusste sie sofort, dass ein großes Unglück geschehen war. Sie stand nun mit fünf kleinen Kindern<br />

und dem Hof allein da. Meine älteste Schwester Theresia war erst sieben Jahre alt, meine jüngste<br />

Schwester Anna erst neun Monate.<br />

Wir Kinder mussten nun kräftig bei der Arbeit helfen, doch die Mutter schaffte ohne Mann und<br />

Bauer die Arbeit nicht, musste doch fast alles noch händisch bewältigt werden. 1940 heiratete<br />

sie den Besitzer des Nachbarhofes, Franz Pichlbauer (vulgo Peter im Boden Nr. 44). Die beiden<br />

Landwirtschaften, die nur etwa zweihundert Meter auseinanderliegen, wurden nun gemeinsam<br />

bewirtschaftet. Da die drei Brüder von Franz Pichlbauer im Krieg waren, fiel auf uns Kinder eine<br />

große Menge an Arbeit wie Kühe hüten oder Ochsen führen.<br />

Im Jahre 1960 heiratete ich und bekam mein Heimathaus als Erbe. Den „Peter im Boden“ erbte<br />

meine Schwester Martha, so sind die beiden landwirtschaftlichen Betriebe wieder getrennt. 1996<br />

ging ich in Pension und übergab den Hof meinem Sohn Gerhard.<br />

Ein Marterl am Wegrand vor dem Haus kündet von dem Unglück und zeigt im Bild Gewitterwolken<br />

und Blitz mit der Inschrift: „Am 28.7.1938 gefiel es dem Allmächtigen den hiesigen Landwirt<br />

Herrn Simon Ofenböck im 38. Lebensjahr durch einen Blitzschlag zu sich zu rufen. Er hinterläßt<br />

eine Frau und fünf Kinder. Der Name Gottes sei gelobt.“<br />

28 - Arbeitswelten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 28 31.08.2009 14:17:04 Uhr


» Geld haben wir nicht gebraucht «<br />

Karl Schulter, geb. 1918 in Ödenburg/Sopron (Ungarn), seit 1930 in Edlitz,<br />

arbeitete viele Jahre als Knecht, später bei der EVN<br />

Ich hab versteckt, was gegangen ist, eingegraben zum Teil. Ich hab zum Beispiel von der Bie-<br />

nenwirtschaft her, wie die Russen gekommen sind, vierzig Kilo Honig eingegraben. Ich hatte ein<br />

großes Häfen, das hab ich angefüllt und hinein in die Streuhütte und dann Streu drauf. Also, das<br />

hab ich schön erhalten und das hat mir nachher gut getaugt.<br />

Im 1942er-Jahr war ich das erste Mal auf die Gemeinde vorgeladen worden. Es waren zwei Offiziere<br />

da. Unbedingt hätte ich freiwillig einrücken sollen. Aber ich hab gesagt: „Na, i tua’s ned!“<br />

Jetzt sind sie hergegangen und haben mir, weil ich das nicht gemacht hab, die Kleiderkarte entzogen,<br />

die haben sie mir weggenommen. Ich hab keine gekriegt. Aber Gewand hab ich mehr gehabt<br />

als die Leute mit der Kleiderkarte. Wenn bei mir eine Bäuerin einen Honig hat haben wollen, hat<br />

sie ihn schon haben können, aber Geld hab ich nicht gebraucht, sondern Mehl und Schmalz. Ich<br />

weiß nicht, ob jemand die Eibensteiner noch kennt? Die war meine rechte Hand. Wenn ich den<br />

Rucksack voll gehabt hab mit so einem Zeug, bin ich mit ihr auf Wien gefahren. Sie hat da drinnen<br />

einen guten Bekannten gehabt, der hat genau gewusst, wo man durchkommt. Jedes Mal sind wir<br />

schön durchgekommen. Ich hab den ersten Radio gehabt in der Gegend oben, also einen Volksempfänger,<br />

so ein Kastl. Das hab ich damals erhandelt.<br />

Vom Bürgermeister Chaloupka hab ich auch eine Schreibmaschine bei mir gehabt, die hab ich<br />

der Gemeinde dann wieder zurückgegeben. Wie die Russen gekommen sind, habe ich vier Fahrradln<br />

gehabt, alle nur mit Honig eingehandelt. Geld haben wir nicht gebraucht. Das Wegnehmen<br />

der Kleiderkarte hat mir gar nicht wehgetan. Einmal hat die Handler-Mama oben gesagt, die war<br />

mit den Lienhart in Aspang recht gut bekannt: „Hearst, die will zehn Kilo Honig haben.“ Sag ich:<br />

„Ja, kann sie eh haben, aber koa Geld brauch i ned!“ „Na“, hat sie gesagt, „das macht nix!“ Sind<br />

wir raufgefahren, die Handler-Mutti ist mitgefahren, hab ich für die zehn Kilo Honig zwei schöne<br />

Anzüge gekriegt und einen Arbeitsanzug. Ich hab mir nur so geholfen.<br />

» aufgepasst, wie lange einer am Klo gewesen ist «<br />

Maria Mülleder, geb. 1920 in Schwarzau am Steinfeld, Nebenerwerbslandwirtin<br />

In der Nachkriegszeit war es schon tragisch. Mein Mann ist eigentlich nicht von einer Land-<br />

wirtschaft gewesen. Er war gewillt und hat mir geholfen, wo er können hat. Aber es war alles so<br />

schwer für ihn, das ganze Mähen. Damals hat man noch alles mit der Sense gemäht, alles mit der<br />

Hand. Wir haben ja zwei Kinder gehabt, und mein Mann, der Pepi, hat dann bald angefangen zu<br />

Arbeitswelten - 29<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 29 31.08.2009 14:17:04 Uhr


arbeiten. Zuerst hat er in Breitenau gearbeitet. Plötzlich haben sie dort hundert auf einmal entlas-<br />

sen, und da ist er auch dabei gewesen. Dann war eine Krise, er war arbeitslos und hat gesagt: „In<br />

28 Betrieben war ich, und ein jeder hat mich vertröstet: ‚In ein paar Wochen‘, aber aufgenommen<br />

hat mich keiner.“ Da war er so verzagt und hat gesagt: „Ich will wieder als Tischler arbeiten! Ich<br />

bin Tischler und will als Tischler arbeiten, ich will nicht als Hilfsarbeiter arbeiten.“ Da war er so<br />

verzagt, und auf einmal hab ich gesagt: „Weißt was, Pepi …“ Der Hasslinger in Wiener Neustadt,<br />

den es heute noch als Tischlerei gibt, hatte ihm damals schon ein paar Mal versprochen: „In drei<br />

Wochen“, und dann wieder: „In drei Wochen!“ Und genommen hat er ihn nie. Hab ich gesagt:<br />

„Am Montag fahr ich rein zum Hasslinger.“ Und ich bin reingefahren mit dem Radl und hab den<br />

Hasslinger, zum Glück war gerade der Chef da, angeheult. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt<br />

hab, aber auf jeden Fall hab ich geheult. Hat er zu mir gesagt: „Am Montag kann er anfangen!“<br />

Hat er am Montag anfangen können.<br />

Dann war wieder ein Problem: Einem Arbeiter ist Geld wegkommen, Zigarettengeld, zweimal<br />

schon. Und da hat einer gesagt: „Seit der Neue da ist, kommt alles weg.“ Und mein Mann hat<br />

irgendeinen Prügel in der Hand gehabt und hat dem schon eine über den Kopf schlagen wollen.<br />

Denn wenn wer so etwas zu einem sagt, und man hat nichts gemacht … Der andere hat ihn dann<br />

weggerissen. Der Pepi hat dann gesagt: „Da bleib ich nimmermehr. Ich bleib nicht mehr da, wo<br />

sie mich als Dieb verdächtigen.“ Dann hat der Kornfeld Hans, der hat beim Nemetz, das war eine<br />

Gießerei in Wiener Neustadt, gearbeitet, gesagt: „Hearst Pepi, magst du ned zu uns als Haustischler<br />

kommen? Wir bräuchten einen Haustischler.“ Ist der Pepi dorthin und hat gleich anfangen<br />

können. Der Hasslinger hat dann gesagt, er hätte meinen Mann gern gehabt, er wollte nicht, dass<br />

er weggeht. Denn stellt euch vor, was sie damals auch getan haben: Er war einer, der am allerkürzesten<br />

am Klo gesessen ist. Da ist die Uhrzeit gemessen worden. Sie haben geschaut und haben<br />

aufgepasst, wie lange einer am Klo gewesen ist.<br />

» haben wir uns so gefreut «<br />

Johanna Kahofer, geb. 1925 in Edlitz, Landwirtin<br />

Im Haushalt selber haben wir dann schön langsam eine Waschmaschine gekriegt, dass wir ha-<br />

ben waschen können. Butter hat die Mutter immer gemacht, da haben wir so ein hölzernes Fassl<br />

gehabt. Da ist noch nichts elektrisch gegangen, weil das elektrische Licht haben wir auch erst<br />

später gekriegt. Und wie das gekommen ist, da denke ich auch noch zurück, haben wir uns so gefreut.<br />

Zuerst hatten wir ja mit Benzinmotoren die ganze Arbeit gemacht und zum Beispiel Stroh<br />

geschnitten. Alles mit Benzinmotoren. Und dann haben wir einen Elektromotor gekriegt. Und da<br />

haben wir uns so gefreut.<br />

30 - Arbeitswelten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 30 31.08.2009 14:17:04 Uhr


Ochsengespanne in Hollenthon<br />

Beim Erdäpfellegen in Schwarzenbach am Schulauackerl<br />

Der Gullnbauer, einer<br />

der größten Bauern<br />

von Hollenthon, nennt<br />

vier Paar Ochsen sein<br />

Eigentum. Mit einem<br />

Erdhobel werden die<br />

Scherhaufen eingeebnet.<br />

von links:<br />

Emma und Helene Handler<br />

(Fürst), Männer unbekannt<br />

um 1940<br />

Foto: Josef Handler,<br />

Die Erdäpfel werden händisch<br />

in die Pflugspur gelegt.<br />

um 1966<br />

Foto: Annemarie Pairer, Krems<br />

Horndorf (Hollenthon)<br />

Arbeitswelten - 31<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 31 31.08.2009 14:17:05 Uhr


Feldarbeit in Edlitz Au<br />

von links: unbekannt, unbekannt, Julia Höller, Maria Puchegger, Hr. Puchegger 1930 Foto: Gemeinde Edlitz<br />

Ernte in Königsberg<br />

32 - Arbeitswelten<br />

Bauer und Bäuerin gehen zum Kornschnitt aus<br />

(Sense mit Körndlkrampen).<br />

von links:<br />

Engelbert und Maria Ringhofer am Lachhof in Königsberg<br />

1920<br />

Foto: Engelbert Ringhofer,<br />

Königsberg (Thomasberg)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 32 31.08.2009 14:17:06 Uhr


Ernte in Harmannsdorf<br />

unter Beteiligung der ganzen Familie Familie Freiler (vulgo Gregern)<br />

um 1930 Foto: Markus Wieser, Züggen (Hochneukirchen)<br />

Jausenzeit in Bad Schönau<br />

von links: Maria Riegler, Josefa Riegler, Maria Koder, unbekannt, Eleonore Koder (Reithofer),<br />

Martha Koder (Ungerböck), Josef Ungerböck, Jakob Koder 1953 Foto: Martha Ungerböck, Bad Schönau<br />

Arbeitswelten - 33<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 33 31.08.2009 14:17:07 Uhr


Arbeitsteilung in Grimmenstein<br />

Ernteabschluss in Reitersberg<br />

34 - Arbeitswelten<br />

von links:<br />

Johann und Maria Haiden<br />

Foto: Walter Pfeffer,<br />

Grimmenstein<br />

Die letzte Garbe Hafer<br />

wird beim Hofstätter<br />

geschmückt eingebracht.<br />

um 1935<br />

Foto: Regina Lechner,<br />

Gleißenfeld<br />

(Scheiblingkirchen-Thernberg)<br />

von links: Fr. Eichinger, Fr. Spanblöchl, Josef Baumgartner, Josefa Lechner (Gerhart), Josef Gerhart, Bäuerin Katharina Lechner,<br />

Johann Lechner, Karl Schatzer, Johanna Lechner, Franz Lechner, Fr. Baumgartner, Bauer Franz Lechner<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 34 31.08.2009 14:17:09 Uhr<br />

1950


Neue Dreschmaschine in Witzelsberg<br />

von links 1. Reihe: Franz Stangl sen., ein Sommerfrischlerkind, Ernst Kreuzinger, Franz Stangl jun.<br />

2. Reihe: Erntehelfer und Sommergäste<br />

Beim Blochmessen in Krumbach<br />

1928<br />

Foto: Edeltrude Stangl,<br />

Witzelsberg<br />

(Scheiblingkirchen-<br />

Thernberg)<br />

von links:<br />

Franz, Anna und<br />

Franziska Fuchs,<br />

Josef Luef<br />

1955<br />

Foto: Franz Fuchs,<br />

Krumbach<br />

Arbeitswelten - 35<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 35 31.08.2009 14:17:11 Uhr


In der Rebschule Katzelsdorf<br />

Schweinemast beim Rehgraber in Pengersdorf<br />

von links: Bäuerin Maria Dienbauer, Schwager Leopold Dienbauer aus Thomasberg<br />

36 - Arbeitswelten<br />

von links:<br />

unbekannt,<br />

Josefa Steiger,<br />

Fr. Huber,<br />

unbekannt<br />

1941<br />

Foto: Gemeinde<br />

Katzelsdorf<br />

Das Mastschwein<br />

mit etwa 400 kg<br />

war für die<br />

Verpflegung der<br />

Handwerker<br />

beim Stallbau<br />

vorgesehen.<br />

1955<br />

Foto: Maria Ostermann,<br />

Kirchschlag<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 36 31.08.2009 14:17:12 Uhr


Beim Dreschen in Hackbichl<br />

Wiederaufbau der Schwaigermühle in Bromberg<br />

von links:<br />

Halterbub, Mathias und<br />

Maria Hammerl,<br />

Maria Giefing,<br />

Georg Hammerl<br />

um 1940<br />

Foto: Gemeinde<br />

Hochwolkersdorf<br />

Foto: Emilie Gallei,<br />

Ohaberg (Bromberg)<br />

von links sitzend: Franz Stocker, Franziska Brandstätter, Maria Schwaiger, Kind Emilie Gallei (geb. Schwaiger), Rosalia Rottensteiner<br />

(geb. Brandstätter), Franz Schwaiger | stehend: unbekannt, unbekannt, Hr. Mayerhofer (Elektriker aus Walpersbach), unbekannt,<br />

Hr. Gruber, Johann Götzinger<br />

nach einem<br />

Bombeneinschlag<br />

1945<br />

Arbeitswelten - 37<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 37 31.08.2009 14:17:14 Uhr


Bau der Passionsspielhalle in Kirchschlag<br />

von links: Johann Hofbauer, unbekannt, Michael Ostermann, Pfarrer Lothar Kodeischka, unbekannt<br />

Hausbau in Hochwolkersdorf<br />

38 - Arbeitswelten<br />

freiwillige Helfer<br />

unter der Leitung von<br />

Pfarrer Kodeischka<br />

bei den<br />

Aushubarbeiten<br />

1957<br />

Foto: Archiv Vollnhofer-Wanek,<br />

Kirchschlag<br />

unter Einsatz der<br />

ganzen Familie<br />

von links:<br />

Alois (Bruder),<br />

Anna (Tante),<br />

Johann (Bauer und<br />

Hoferbe),<br />

Anna (Schwester) und<br />

Franz Kornfeld (Bruder)<br />

1954<br />

Foto: Gemeinde<br />

Hochwolkersdorf<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 38 31.08.2009 14:17:15 Uhr


Hausbau in Bad Erlach<br />

Hausbau in Pitten<br />

viele helfende Hände beim Hausbau der Familie Schnabel in der Oberen Feldstraße<br />

von links sitzend:<br />

Hr. Klee, Johann Sonnleitner,<br />

Adolf Windbichler,<br />

Hr. Spenger<br />

stehend: unbekannt,<br />

Hr. Besta, Eduard Jakubec,<br />

Franz Taschl, Johann Grill,<br />

Albine Karnthaler,<br />

Leopold Baumgartner<br />

(Bürgermeister), unbekannt<br />

um 1960<br />

um 1900 Foto: Museums- & Bildungsverein Pitten<br />

Foto: Johann Rädler, Bad Erlach<br />

Arbeitswelten - 39<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 39 31.08.2009 14:17:17 Uhr


Schneiderlehrlinge in Hollenthon<br />

Kaufhaus Parrer in Hochneukirchen<br />

40 - Arbeitswelten<br />

von links:<br />

Ernst Parrer und Elsa Orthofer aus Hochneukirchen,<br />

Johann Glatz aus Zöbersdorf<br />

Ostern 1935<br />

beim Nähen eines Rockes<br />

von links:<br />

Margarete Breitsching, Anton Grundtner<br />

um 1958<br />

Foto: Heinz Grundtner, Hollenthon<br />

Foto: Markus Wieser, Züggen (Hochneukirchen)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 40 31.08.2009 14:17:17 Uhr


Kaufhaus Hendling in Klingfurth<br />

„Küchenbrigade“ in Krumbach<br />

von links:<br />

Georg Hendling sen., Georg Hendling jun.,<br />

Monika Erhart, Maria Hendling<br />

1967<br />

Foto: Andrea Baumgartner,<br />

Klingfurth (Walpersbach)<br />

im Gasthaus Müller<br />

von links:<br />

Ludwig und Maria Nemec,<br />

Aloisia Doppler,<br />

Franziska Höller,<br />

Emma Pöll, Pauline Müller,<br />

Anna Ofenböck<br />

1958<br />

Foto: Volkmar Haberzettl,<br />

Katzelsdorf<br />

Arbeitswelten - 41<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 41 31.08.2009 14:17:18 Uhr


Kinder und Jugendliche<br />

Von einer Kindheit im heutigen Sinn konn-<br />

te in ländlichen Regionen wie der Buck-<br />

ligen Welt lange Zeit nicht die Rede sein.<br />

Kindheit zeichnet sich im modernen Verständnis<br />

unter anderem dadurch aus,<br />

dass Kinder (und Jugendliche) durch Ausbildung<br />

auf ein späteres Erwerbsleben<br />

vorbereitet werden, aber noch nicht selbst<br />

am Erwerbsleben teilnehmen. Bis in die<br />

1950er-Jahre war es dagegen selbstverständlich,<br />

dass viele Kinder aufgrund der<br />

wirtschaftlichen Not ihrer Eltern oder der<br />

oft alleinerziehenden Mütter im Alter von<br />

nicht einmal zehn Jahren zu fremden Bauern<br />

in den Dienst gingen. Oder sie mussten<br />

im kleinen Handwerksbetrieb oder im<br />

Geschäft ihrer Väter mithelfen.<br />

Viele Menschen in der Buckligen Welt<br />

erinnern sich noch heute intensiv an ihre<br />

eigenen Erfahrungen mit Kinderarbeit in<br />

früheren Jahren – die einen mehr an Verhältnisse<br />

der Ausbeutung, andere aber auch an abenteuerliche Erlebnisse, die beispielsweise die<br />

Tätigkeit als Kuhhalter gelegentlich mit sich brachte. Andere berichten darüber, wie sie mit dem<br />

Sammeln von Waldbeeren zum Familieneinkommen beitrugen. Einigen Jugendlichen war es nach<br />

Abschluss der Schule vergönnt, eine Lehre zu beginnen und abzuschließen – dies allerdings oft in<br />

Verhältnissen, die an Praktiken der Leibeigenschaft noch früherer Jahre erinnern.<br />

Auch die Fotos zeigen, dass Kinder schon früh in die Arbeitswelt eingeführt wurden. Selbstverständlich<br />

leisteten sie bei den Arbeiten der Erwachsenen kleine Hilfsdienste. Oft empfanden die Kinder<br />

das nicht als Belastung, sondern waren stolz, dass man sie schon „brauchen“ konnte, vor allem zur<br />

Beaufsichtigung der Nutztiere auf der Weide. Bereits junge Kinder waren Ochsenhalter, weil diese<br />

gutmütigen Zugtiere leicht zu beaufsichtigen waren. Schwieriger war schon das Halten der Kühe.<br />

Dabei traf man auch Nachbarskinder und spielte miteinander. Die Jugendlichen mussten schon früh<br />

bei den Feld- und Waldarbeiten sehr schwer arbeiten.<br />

42 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 42 31.08.2009 14:17:19 Uhr


» weil zu Hause nix zu essen war! «<br />

Maria Doppler, geb. 1910 in Geretschlag (Gemeinde Wiesmath),<br />

Nebenerwerbslandwirtin<br />

Ich bin schon mit zehn Jahren in den Dienst gekommen. Ich hab siebzehn Stück Vieh zum Halten<br />

gehabt! Die Linda ist schon mit sieben Jahren in Bromberg in den Dienst gekommen! Mit sieben<br />

Jahren! Auch Kühe halten. So etwas könnt ihr euch heute gar nicht mehr vorstellen – mit sieben<br />

Jahren! Als Kind in den Dienst, weil zu Hause nix zu essen war! Und dort haben sie aber genauso<br />

wenig gekriegt. Mein erster Dienstplatz war in Pürahöfen oben. Wir haben wenigstens genug Brot<br />

gekriegt und einen Most. In die Schule in Lichtenegg mit einem Stückel Brot, und dann sind wir<br />

von sieben in der Früh bis drei am Nachmittag in der Schule gewesen. Und danach wieder nach<br />

Hause. Von Lichtenegg nach Pürahöfen geht man lange, über eine Stunde bin ich gegangen.<br />

Im Sommer hat’s am Sonntag bei den Bauern genauso arbeiten geheißen. Im Feld und beim<br />

Heu. Da hat es kein Fortgehen gegeben! Von der schönen Jugend kann ich nichts erzählen, ich<br />

hab keine schöne Jugend gehabt. Gar nichts! In der Früh um vier aufstehen, zuerst in den Stall.<br />

Vorm Schulegehen hab ich müssen alle Viecher putzen, die im Kuhstall waren. Wir haben drei<br />

Ställe gehabt: einen Kalbsstall, einen Ochsenstall und einen Kuhstall. Und die Viecher im Kuhstall<br />

hab ich putzen müssen. Wenn ich fertig gewesen bin, hab ich ins Haus gehen können. Wenn’s<br />

einen Kaffee schon gegeben hat, hab ich einen trinken können, wenn nicht, hab ich meinen Besen<br />

nehmen müssen: die große Hausstube auskehren, die Küche auskehren, den Gang auskehren. Das<br />

hab ich alles müssen machen. Danach essen, und dann sind die anderen Kinder schon gekommen,<br />

um mich für die Schule abzuholen. Aber ich war noch nicht fertig. Die Trimmel, meine Chefin, hat<br />

ihre Kinder angezogen und hat gesagt: „Geht nur fort, das Miatzl dawischt euch schon!“ Ja, ich<br />

hab nachrennen müssen! Ich hab’s hart gehabt.<br />

» Mit acht Jahren bin ich hingekommen «<br />

Maria Beiglböck, geb. 1931 in Pichl (Gemeinde Zöbern), wohnt in Krumbach,<br />

arbeitete unter anderem als Landarbeiterin und im Kurhaus in Bad Schönau<br />

Meine erste Arbeitsstelle war bei einem Bauern. Mit acht Jahren bin ich hingekommen, und<br />

dort bin ich geblieben, bis ich sechzehn Jahre alt war. Da habe ich schon alles gearbeitet gehabt.<br />

Lohn hat es keinen gegeben, nur Essen, Gewand und Schuhe. Der Schuster ist im Winter ins Haus<br />

gekommen. Er ist auf die Stör gegangen, er hat den Fuß abgemessen, und dann hat er den Schuh<br />

gemacht, Schuhe aus der Kuhhaut. Mit denen sind wir in die Schule gegangen.<br />

Es war nicht immer ganz gut zwischen den Bauern und den Dienstknechten. Es hat Mägde gege-<br />

Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 43<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 43 31.08.2009 14:17:19 Uhr


en, wo sich der Bauernsohn heranmachte, und welche, die ein Verhältnis gehabt haben. Eine ist<br />

schwanger gewesen, sie hat das Kind am Bauernhof gebären müssen. In ein Krankenhaus hat man<br />

damals wegen solcher Sachen noch nicht zu gehen brauchen, heute gehen alle dorthin. Aber sobald<br />

sie wieder aufstehen konnte und auf den Füßen war, musste sie zu anderen Bauern gehen. Das Kind<br />

ist am Bauernhof geblieben und hat einen gesetzlichen Vater gehabt. Das war der Bauer. Und die<br />

Mutter von dem Kind hat eben irgendwo anders hingehen müssen, zu einem anderen Bauernhof. Das<br />

ist immer wieder vorgekommen.<br />

» Heuhäufeln gehen «<br />

Theresia Dienbauer, geb. 1927 in Wiesmath,<br />

aufgewachsen in einer Landwirtschaft<br />

Im Sommer haben wir müssen Heuhäufeln gehen, zusammenrechen. Dafür gab es einen großen<br />

Rechen, der war vielleicht eineinhalb Meter breit. Also, Heuhäufeln machen und dann aufladen<br />

am Leiterwagen, und einer hat müssen auf den Wagen steigen. Links und rechts aufhäufeln und<br />

in der Mitte zusammentreten. Und so sind wir gefahren, nicht so wie heute. Wir haben müssen<br />

hinten nachrechen, zusammenrechen. Das war beim Getreide auch so. Der Vater und der Großvater<br />

haben vorgemäht, und wir sind hintennach mit der Sichel, haben alles aufgehoben und haben<br />

es müssen weglegen. Wie’s dann trocken geworden ist, haben wir das bündeln und aufstellen<br />

müssen. Wie es dann in den Stadeln eingeschöbert wurde, haben wir angefangen, die Schöber zu<br />

dreschen. Das hat nach dem Takt gehen müssen: eins, zwei, drei – bis das Korn heraußen war.<br />

Und dann haben wir die Schöber noch einmal genommen und haben sie ausgebeutelt. Das schöne<br />

Stroh haben wir dann zusammengelegt.<br />

» Wir hätten uns oft gerne gespielt «<br />

Eduard Ringhofer, geb. 1927 in Untertiefenbach (Gemeinde Krumbach), Binder<br />

Kleinhäusler waren die, die nicht viel Grund hatten und zu den Großbauern arbeiten gingen. Bei<br />

uns war nicht so viel da, Grund hatten wir nicht viel: Eine Kuh, eine Sau haben wir uns gefüttert<br />

im Jahr. Das waren halt die Kleinhäusler. Es waren schlechte Zeiten, und wir hatten eben wenig<br />

daheim. Dann haben wir müssen in die Fremde gehen.<br />

Als Kuhhalter hast du in der Landwirtschaft mithelfen müssen: am Feld, da waren Kühe zum<br />

Halten. Du hast um die Viecher herumgehen müssen und aufpassen. Und dann war Schule gehen,<br />

44 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 44 31.08.2009 14:17:19 Uhr


die Aufgabe hast du dann schnell auf d’ Nacht nach der Arbeit gemacht. In der Früh hast müssen<br />

früh aufstehen und mithelfen im Stall, soweit es halt gegangen ist. Und dann hast du deine Schul-<br />

tasche genommen und bist in die Schule gerannt. Das war zirka eine halbe Stunde. Die Schule war<br />

recht lustig, wir waren da eine ganz einfache Klasse, drei Klassen waren beieinander. Und wie du<br />

dann am Nachmittag heimgekommen bist, hast du wieder die Viecher austreiben und mithelfen<br />

müssen.<br />

Der Taschenhof war ein ziemlich großer Besitz: drei Knechte und die eigenen Kinder, sie hatten<br />

Pferde und Ochsen. Einen Traktor hat es nicht gegeben, Spielzeug auch nicht. Wir hätten uns oft<br />

gerne gespielt, aber wir haben nichts gehabt. Da war es sehr mager. Am Taschenhof war ich vier<br />

Jahre. Im Sommer haben wir bloßfüßig rennen müssen. Die Schuhe haben wir müssen sparen.<br />

Als Belohnung haben wir dann meistens zu Weihnachten ein paar neue Schuhe oder Gewand gekriegt.<br />

Das war dein Jahresverdienst, den du als Kuhhalter gekriegt hast, und das Schlafen und<br />

das Mitessen.<br />

» Wennst Müch führen tust, kriegst a Radl. «<br />

Maria Lechner, geb. 1920 in Petersbaumgarten (Gemeinde Warth), Landwirtin<br />

Wir haben müssen Milch führen in die Nestlé hinauf, mit dem Ross. Und die Mutter hat gesagt:<br />

„Wennst Müch führen tust, kriegst a Radl.“ Und das Radl war mir wichtig. Jetzt bin ich immer<br />

hinaufgefahren mit dem Ross und hab die Milch in die Nestlé gefahren. Und am nächsten Tag hab<br />

ich die leeren Milchkannen wieder mitgenommen.<br />

» Da hat’s geheißen: ‚Gemma, gemma, gemma!‘ «<br />

Theresia Pichler, geb. 1920 in Hochegg (Gemeinde Grimmenstein), Landwirtin<br />

Wenn wir von der Schule heimgekommen sind, war immer: G’schwind essen und umziehen, das<br />

Alltagsgewand anziehen – und „gemma“. Da war so viel Arbeit, früher war ja so viel Handarbeit.<br />

Da hat’s geheißen: „Gemma, gemma, gemma!“ Wir waren jung und gesund, und uns hat’s eh nix<br />

ausgemacht. Das Wasser war im Hof unten, dort war der Brunnen. Mit den Schaffeln haben wir<br />

das Wasser heraufgetragen. Und Büttel haben wir auch gehabt. Das sind Handbüttel gewesen, mit<br />

denen haben wir das Wasser heraufgetragen.<br />

Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 45<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 45 31.08.2009 14:17:19 Uhr


» mitsamt dem Kind am Rücken «<br />

Hermine Reisenbauer, geb. 1916 in Kirchau (Gemeinde Warth),<br />

Arbeiterin und Hausfrau<br />

Meine Mutter hat ein Pflegekind gehabt, und unter den Ferien hat es die Frau zu ihr nehmen<br />

wollen. Mich hat sie dann mitgenommen zum Aufpassen. Ich war den ganzen Tag alleine. Da war<br />

ich zehn Jahre alt. Die Kleine hat aber nicht gehen wollen, ich hab sie am Rücken tragen müssen.<br />

Einmal hat mich die Frau Heidelbeeren pflücken geschickt. Dann hab ich das Kind halt auf einen<br />

Stock gesetzt, weil ich mir gedacht hab: „Da wird’s schon sitzen, derweil ich pflück.“ Dann hat’s<br />

aber zum Schreien angefangen. Ich hab Angst gehabt, die hören es und glauben, ich tue ihr was.<br />

Jetzt hab ich sie am Rücken genommen und hab die Heidelbeeren mitsamt dem Kind am Rücken<br />

gepflückt.<br />

» Da haben wir dann immer geraunzt «<br />

Johanna Fellner, geb. 1921 in Spratzeck (Gemeinde Hollenthon)<br />

Mein Vater war Leinenweber, und wir haben dann schon ein bissel mithelfen müssen. Der Vater<br />

ist am Webstuhl gesessen, und wir haben so kleine Spinderl machen müssen vom Garn, also vom<br />

Flachs. Das ist gesponnen worden. Das sind Fäden gewesen, die wir auf so kleine Spindeln haben<br />

aufspulen müssen. Der Vater hat das in die Schifferl hineingetan und hat’s gewebt. Der Vater hat<br />

mit Händen und Füßen arbeiten müssen, so dass das Garn immer auf und ab gegangen ist und hat<br />

das unterdessen vorn hineingeschoben in die Schifferl. Da haben wir dann immer geraunzt. Wir<br />

wären auch lieber wo herumgeflogen und haben aber spulen müssen, damit der Vater eine Arbeit<br />

hat.<br />

» Da hab ich mir dann schon ein paar Groschen verdient «<br />

Maria Beiglböck, geb. 1926 in Harmannsdorf<br />

(Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt), Landwirtin<br />

Meine Kindheit war ganz schön. Wir sind in die Züggen gekommen, und mit drei oder vier Jah-<br />

ren bin ich schon allerweil zum Nachbarn gegangen. Die haben mich so gern gehabt, die haben<br />

mir oft zu Weihnachten ein Körberl geflochten, das waren Korbflechter. Da haben sie mir viele<br />

Naschereien in das Körberl reingetan. Ich hab mich so viel gefreut. Und allerweil haben sie mir<br />

wieder was gegeben, wenn ich zu ihnen gekommen bin. Jetzt bin ich immer zu ihnen gekommen.<br />

46 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 46 31.08.2009 14:17:19 Uhr


Allerweil haben sie gesagt, ich soll kommen. Die haben mich so gern gehabt. Mit vier, fünf Jahren<br />

haben sie eine Kegelbahn gebaut, und da haben sie oft gerufen, wenn sie mich gesehen haben:<br />

„Miatzerl, komm auffa, Kegeln aufstellen!“ Da hab ich mir dann schon ein paar Groschen verdient.<br />

» mit den Eltern in den Wald «<br />

Margarete Schnabl, geb. 1925 in Bad Erlach, Verkäuferin, später eigenes Geschäft<br />

In den Ferien sind wir immer mit den Eltern in den Wald gegangen: Heidelbeeren pflücken,<br />

Schwammerln suchen, Erdbeeren brocken. Das haben wir dann am nächsten Tag müssen verkau-<br />

fen. Wir sind nach Pitten gegangen, denn dort waren so schöne Villen mit feinen Damen. Dann<br />

haben sie uns halt allerweil Gläser abgekauft. Mit dem, was wir nicht angebracht haben, sind wir<br />

zum Markt nach Wiener Neustadt zu Fuß gegangen. Da haben wir auch verkauft. Dort, wo jetzt<br />

der Hauptplatz ist, waren immer die Standln. Das war unsere Arbeit in den Ferien.<br />

» Wir haben Heidelbeerblätter gesammelt «<br />

Anna Buchegger, geb. 1933 in Krumbach,<br />

seit 1955 in Tiefenbach (Gemeinde Lichtenegg), Gastwirtin<br />

Unseren Turnunterricht hatten wir am Kirchenplatz. Aber es war Kriegszeit, und so mussten<br />

wir Blätter sammeln gehen. Das ist als Waldlehrausgang auch in den Turnunterricht gefallen. Wir<br />

haben Heidelbeerblätter gesammelt, Himbeerblätter, Ehrenpreis. Daraus ist Tee gemacht worden<br />

für die Lazarette. Am Schulboden haben wir’s getrocknet. Ich hab eine Liste führen müssen: Wir<br />

haben so eine Grammwaage gehabt, und da ist abgewogen worden, was ein jeder Schüler an Blättern<br />

bringt. Wir haben auch in der Freizeit, zu Hause, brocken müssen.<br />

» Dann bin ich halt im Geschäft gestanden «<br />

Henriette Streng, geb. 1928 in Walpersbach, Verkäuferin<br />

In der Landwirtschaft hab ich eigentlich während der gesamten Schulzeit mitgeholfen, das war<br />

eben so. Schule aus, nach Hause, essen, dann hat die Mutter noch das Geschirr stehen gelassen,<br />

weil sie aufs Feld gegangen ist, arbeiten, und der Vater war im Geschäft. Für uns Kinder war das<br />

Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 47<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 47 31.08.2009 14:17:19 Uhr


Essen im Backrohr. Das haben wir uns herausgenommen und gegessen. Dann ist natürlich das<br />

ganze Geschirr herumgestanden, weil die Mutter ja eilends aufs Feld ist. So hab ich das Geschirr<br />

abgewaschen. Und dann hat’s oft geheißen: „Du musst jetzt ins Geschäft, weil der Vater hat in<br />

der Landwirtschaft was zu tun!“ Dann bin ich halt im Geschäft gestanden. Im Geschäft haben wir<br />

einen Tisch gehabt, neben dem Fenster, und dort hab ich meine Aufgaben nebenbei gemacht. Der<br />

Geschäftsbetrieb war da nicht so, wie man sich das heute vorstellt. Und ansonsten hab ich, hauptsächlich<br />

während der Ferien, in der Landwirtschaft mitgeholfen.<br />

» stieß ein LKW meine Kuh ‚Berni’ unters Straßengeländer «<br />

Josef Walli, geb. 1941 in Innerschildgraben (Gem. Scheiblingkirchen-Thernberg),<br />

Geschäftsmann. Der folgende Text ist ein Auszug aus seinen schriftlichen Lebensund<br />

Familienerinnerungen, die er 2008 der „Dokumentation lebensgeschichtlicher<br />

Aufzeichnungen“ übergeben hat.<br />

Bedingt durch die Verletzung meines Bruders Bertl begann für mich früh der Ernst des Lebens:<br />

Wassertragen vom Brunnen im Garten ins Haus, Küchenbrennholz zum Herd bringen, oder im<br />

Stall und in der Scheune helfen waren bald meine täglichen Aufgaben. Mit sieben Jahren und<br />

anfänglicher Mithilfe meines Vaters musste ich die Kühe auf die Weide treiben. Im Frühjahr einmal<br />

am Nachmittag, in den Sommerferien in der Früh und am Nachmittag und im Herbst wieder<br />

am Nachmittag, bis in die späte Dämmerung. Im Sommer war das hart für mich. Damals waren<br />

Kinder von Sommerfrischlern im Dorf, und ich konnte durch meine Pflichten nicht überall mitspielen.<br />

Zwei Stunden Freizeit zu Mittag waren schon viel.<br />

Es gab aber auch sehr schöne, lehrreiche und interessante Erlebnisse in dieser Zeit. Die meisten<br />

Weidegründe waren entlang der Straße und des Schlattenbaches Richtung Scheiblingkirchen. Die<br />

Waldwiese war am weitesten entfernt vom Haus, oberhalb der damaligen Schlattenbachbrücke.<br />

Durch die beginnende Motorisierung wurde manches Pferdefuhrwerk durch LKW abgelöst. Motorräder<br />

kamen immer öfter auf der staubigen Landstraße angedonnert. Ein s-förmiger Straßenverlauf<br />

über die heimtückisch glitschige Bachbrücke – und so konnte ich immer wieder beobachten,<br />

wie so mancher stolze Steuermann mit seinem Vehikel zu Sturz kam. Hin und wieder krachte<br />

ein Auto ins Geländer oder kollerte in den Bach. Nicht alles ging gut aus. Beim Nachhausetreiben<br />

der Kühe von der Waldwiese gab es durch unbeherrschte Autofahrer große Ängste und Gefahren<br />

für mich und meine Anvertrauten. Einmal im Herbst stieß ein LKW bei einsetzender Dunkelheit<br />

meine Kuh „Berni“ unters Straßengeländer durch. Schwer verletzt rappelte sie sich später wieder<br />

hoch und kam nach Wochen wieder zusammen. Das abgestoßene Horn fanden wir im Frühjahr<br />

beim Ackern fünfzig Meter weit entfernt im Feld.<br />

48 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 48 31.08.2009 14:17:19 Uhr


» Er hat mich für älter gehalten «<br />

Johann Kögler, geb. 1910 in Schlatten (Gemeinde Bromberg), Landwirt in Haag<br />

(Gemeinde Hochwolkersdorf). Der folgende Text ist ein Ausschnitt aus seinem<br />

kurzen schriftlichen Erinnerungsbericht.<br />

Zu uns kam ein Mann aus Bromberg. Er hat die Milch von uns geholt und hat am Steinbruch<br />

in Warth gearbeitet. Da hab ich ihn gefragt, ob ich dort nicht arbeiten könnte. Er sagte, er wird<br />

fragen. Es war das Jahr 1924, ich hatte Schulferien im Juli und August. Mein zukünftiger Schwager,<br />

dem Lechner Gustl sein Bruder, hatte ein Fahrrad, er tät es mir leihen. Am Sonntag kam der<br />

Mann, und ich konnte mitfahren. Um halb drei Uhr in der Früh muss ich in Bromberg sein, um<br />

halb vier Uhr fängt die Arbeit an. Dort haben neunzig Mann auf zwei Schichten gearbeitet, und<br />

zwar von halb vier bis zwölf Uhr und von zwölf Uhr bis um halb neun Uhr abends. Der Partieführer<br />

hat mich angeschaut und sagte: „Du bist ein starker Bursch, du kannst schon arbeiten.“ Er<br />

hat mich für älter gehalten, ich war noch keine vierzehn Jahre alt. Ich konnte gleich mit einem<br />

anfangen, der um zehn Jahre älter war. Ich glaubte, der halbe Tag vergeht nicht, ich konnte keine<br />

fünf Minuten rasten. Um ein Uhr zu Mittag kam ich heim, da gab es wieder Arbeit bis neun Uhr<br />

am Abend. Für halb drei Uhr in der Früh habe ich den Wecker gerichtet. Wenn ich nicht gleich<br />

aufgestanden bin, hat die Mutter gesagt: „Hansl, du musst aufstehen!“ Da bin ich geschwind aufgestanden,<br />

habe den Kaffee getrunken und bin gefahren. Da war’s noch ganz finster. Die zweite<br />

Woche war es schon besser, da konnte ich länger schlafen.<br />

Im Steinbruch wurden fünfzehn bis zwanzig Stellen angebohrt und mit Pulver geladen. Da war<br />

eine Hütte. Wenn die Zündschnur angezündet wurde, wurde geläutet – alle in die Hütte, da kommen<br />

die Steine geflogen. Was man nicht heben konnte, wurde mit einem schweren Schlögel zertrümmert,<br />

auf einen Kipper geladen und zur Maschine geführt. Dort wurde grober und feiner<br />

Schotter gemacht. Die dritte Woche konnte ich zur Maschine, der zweite Arbeiter war ein Fleischhacker.<br />

Wir mussten den Schotter hinausführen mit den Kippern. Da waren große Fässer, wo<br />

man den Schotter hineingekippt hat. Ich war gerade dabei, einen Kipper hinauszufahren, da hat<br />

es geläutet, und ich konnte nicht mehr zurück. Da kamen die Steine geflogen, ein Stein hat den<br />

Hut erwischt und hat ihn dreißig Meter davongetragen. Wäre er fünf Zentimeter tiefer geflogen,<br />

hätte er mir den Kopf eingeschlagen. Nach einer bestimmten Menge wurde ein Fass Bier für die<br />

Arbeiter bezahlt.<br />

Für die zwei Monate, die ich dort gearbeitet habe, konnte ich mir ein Fahrrad kaufen. Das Rad<br />

war zu der Zeit mehr als heute ein Auto.<br />

Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 49<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 49 31.08.2009 14:17:19 Uhr


» Wenn’s recht heiß war, haben wir geschwitzt «<br />

Amalia Bleier, geb. 1913 in Krumbach, verzog später nach Bad Schönau,<br />

Landwirtin und Wirtin<br />

Was war dann nach der Schulzeit? Da sind wir halt in den Arbeitsprozess hineinkommen. Da<br />

hat man müssen in den Stall gehen, die Kühe halten, die Sau füttern und aufs Feld hinaus. Zu der<br />

Zeit sind viele Hackfrüchte angebaut worden, da musste man stundenlang in gebückter Stellung<br />

alles behauen. Wenn’s recht heiß war, haben wir geschwitzt. Einmal habe ich in den Hut hineingeweint,<br />

weil’s so heiß war. Aber das hat sein müssen. Die Arbeiten, die früher am Bauernhof waren,<br />

die gibt’s ja heute nimmermehr, die Maschinen haben das alles ersetzt.<br />

» Ich war zu arm dazu «<br />

Klaus Wilfinger, geb. 1922 in Oberpetersdorf (Burgenland),<br />

verzog später nach Schwarzenbach, Knecht, Gendarm und Baustoffhändler<br />

Meine Familie war: die Großmutter, meine Mutter, mein Onkel, die Tante und der Bruder. Die<br />

Tochter war schon verheiratet, und die anderen drei Brüder waren schon in der Wirtschaft, die<br />

waren schon teilweise ausgelernt. Ich konnte keinen Beruf erlernen, weil ich dazu keine Möglichkeit<br />

hatte. Ich war zu arm dazu, denn meine Mutter hatte kein Einkommen, und als ich zwölf<br />

Jahre alt war, war meine Großmutter gestorben. Dann war es ganz schlecht für mich. Sie hatte mir<br />

immer gut gekocht.<br />

» Die Mühle ist mit Wasser betrieben worden «<br />

Anton Pfneisl, geb. 1927 in Thal (Gemeinde Lichtenegg),<br />

Müller und Landmaschinenhändler<br />

Wie ich in der Mühle gelernt habe, ist schon alles mechanisch gegangen. Wir haben immer auch<br />

was hinauftragen müssen, aber die ganze Beförderung in der Mühle war schon mechanisch. Der<br />

Vater hat 1938 neu gebaut, also erneuert, denn das Gebäude ist schon zwanzig Jahre alt gewesen.<br />

Nur aufgestockt und neu eingerichtet. Die Mühle ist mit Wasser betrieben worden. Damals hat<br />

es nur Wasser gegeben. Wenn Wasserknappheit war, ging halt wenig. Eine Säge hatten wir auch<br />

dabei. Und was die Arbeitsgänge in der Mühle betrifft: Das war eine langwierige Angelegenheit.<br />

50 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 50 31.08.2009 14:17:19 Uhr


» So vieles wurde anders «<br />

Josef Weninger, geb. 1922 in Sonnberg (Gemeinde Edlitz), seit 1948 in Hollenthon,<br />

Zimmerer. Der folgende Text ist ein Auszug aus seinen 2008 aufgeschriebenen<br />

„Erinnerungen an die Kriegsjahre“.<br />

Die Volksschule besuchte ich in Edlitz und trat am 14. März 1936 von der Schule aus. Das war<br />

damals so, es zählte nicht die Vollendung des achten Schuljahres, so wie heute, sondern der 14.<br />

Geburtstag.<br />

Es war der Wunsch meiner Eltern, dass ich Schuhmacher werden soll, aber es war keine Lehrstelle<br />

zu finden. In der elterlichen Landwirtschaft wurde ich nicht mehr benötigt, so ging ich 1937<br />

zum Bruder meiner Mutter als Landhelfer. Dort wurde mir eine Monatsentlohnung von dreißig<br />

Schilling zuerkannt. Doch meine Eltern blieben weiterhin auf der Suche nach einer Lehrstelle für<br />

mich. Mein Vater erhielt für 1938 die Zusage, dass ich als Müllerlehrling beim „Sommerauer“, das<br />

war die Mandel-Mühle in der Spratzau, beginnen könnte. Doch mein Vater wollte nicht aufgeben,<br />

ging weiter auf Suche, um eine Lehrstelle in einer anderen Berufssparte zu finden, und kam mit<br />

seinem Neffen, der als Zimmermeister in Neunkirchen einen Witwerbetrieb führte, ins Gespräch.<br />

Dieser gab ihm die Zusage, dass ich im Frühjahr 1938 als Zimmermannslehrling bei ihm beginnen<br />

kann. Weil ich von Montag bis Samstagmittag arbeiten musste, mussten wir auf Quartiersuche<br />

gehen und fanden ein kleines Mansardenzimmer, in welchem wir zu viert Platz fanden. Weiters<br />

brauchte ich ein Fahrrad, um wöchentlich nach Neunkirchen zu fahren. Das Fahrrad bekam ich<br />

von meinem Halbbruder Michael. Doch ich musste erst Radfahren lernen. So musste ich dies in<br />

den Wintermonaten im Stadel trainieren. Somit waren die Vorbereitungen zur Lehre mit großer<br />

Freude abgeschlossen.<br />

Die Tage, bevor meine Lehre am 14. März 1938, meinem 16. Geburtstag, begann, sollten aber<br />

nicht nur für mich sehr bewegte werden. Am 12. März 1938 marschierten die deutschen Truppen<br />

mit unglaublichem Jubel in Österreich ein. Österreich wurde zur Ostmark. Der Schilling wurde<br />

durch die Reichsmark ersetzt, wir wurden zu deutschen Staatsbürgern. So vieles wurde anders, so<br />

dass es schien, als würden wir einer schönen Zukunft entgegengehen.<br />

Meine Lehrzeit endete mit der Gesellenprüfung im Mai 1941. Es war sehr wichtig, neben dem<br />

beruflichen Wissen auch über politisches Wissen zu verfügen. Auf die Fragen, die mir dabei gestellt<br />

wurden, kann ich mich heute noch genau erinnern: „Warum wurde der 9. November 1923<br />

zum Staatsfeiertag?“ Meine Antwort: „Marsch zur Feldherrnhalle“ – „Geburtstag und Geburtsort<br />

des Führers?“ Meine Antwort: „20. April 1889, Braunau am Inn“ – Wann begann der Frankreichfeldzug?“<br />

Meine Antwort: „10. Mai 1940“.<br />

Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 51<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 51 31.08.2009 14:17:19 Uhr


» einberufen worden zum Arbeitsdienst «<br />

Anna Steurer, geb. 1926 in Landsee (Burgenland), lebt in Krumbach,<br />

arbeitete zunächst als Dienstmädchen, später im Installateur- und<br />

Spenglereibetrieb des Ehemannes<br />

Dort, wo jetzt das Bad in Krumbach ist, ist früher eine Baracke gestanden, das war die Ar-<br />

beitsmaidenbaracke. Die Arbeitsmaiden sind von überall hergekommen. Da bist du mit achtzehn<br />

Jahren einberufen worden zum Arbeitsdienst, also die Mädchen. Die Buben sind auch zum Arbeitsdienst<br />

einberufen worden, aber die Mädchen waren hier im Lager. Bei uns sind viele Arbeitsmaiden<br />

von Kärnten, Tirol, von überall, gewesen. Sie haben exerzieren müssen. Sie haben auch<br />

zu den Landwirten oder zu jemandem, der wen gebraucht hat, arbeiten gehen müssen. Die sind in<br />

der Früh um acht Uhr zu den Leuten gegangen, die sie benötigt haben, und abends sind sie wieder<br />

nach Hause gegangen. Da haben sie dann wieder ihre Pflichten machen müssen. Das war so die<br />

Erziehung der Jugend, hat’s geheißen, der Arbeitsdienst.<br />

» zu Fuß nach Wiener Neustadt «<br />

Franz Gradwohl, geb. 1931 in Kaltenberg (Gemeinde Lichtenegg),<br />

Maurer und Fabrikarbeiter, später bei der Straßenverwaltung<br />

Ich hab eine Maurerlehre in Wiener Neustadt gemacht. Ich bin mit einem Rucksack am Montag<br />

in der Früh auf die Bahn herunter. Im Sackerl hab ich eine Einbrenn gehabt, die hatte ich mir<br />

selber gebrannt, mit einem bissel Fett, Mehl und ein paar Erdäpfeln. Um dreiviertel sechs ist der<br />

Zug gefahren, und um dreiviertel sieben waren wir draußen in Wiener Neustadt. Da hab ich in<br />

Wiener Neustadt gewohnt. Wir waren vier Lehrburschen und haben im Zehnerviertel ein Zimmerl<br />

gehabt, in der Mansarde oben. Selber haben wir uns eine Suppe gekocht, sonst haben wir nix gehabt.<br />

Eine Volksküche hat’s auch gegeben, dort hast du auch eine Einbrennsuppe gekriegt oder<br />

im Sommer eine Paradeisersuppe. Die Paradeiser haben wir zu der Zeit ja noch nicht gekannt. Die<br />

Paradeisersuppe hat mir aber nie geschmeckt.<br />

Im Erdgeschoss unten, ganz ebenerdig, waren die Russen drinnen, in der Mitte die Hausleute,<br />

und in der Mansarde waren wir Lehrburschen. Keiner hat von uns eine Uhr gehabt. In der Früh<br />

haben wir oft nicht gewusst, wann Zeit zum Fortgehen ist. Um sieben hat die Arbeit angefangen,<br />

da war’s im Winter ja noch finster. Wir haben aus den zusammengebombten Häusern die Parkettböden<br />

herausgerissen – und das haben wir verheizt. Am Samstag sind wir wieder heimgefahren.<br />

Eine Zeit lang ist im Winter von 1945/46 kein Zug gegangen. Dann sind wir am Montag in der<br />

Früh zu Fuß nach Wiener Neustadt, so elf, zwölf Stunden vielleicht.<br />

52 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 52 31.08.2009 14:17:20 Uhr


» wurden mir daraufhin zur Hölle «<br />

Luise Wöhrer, geb. 1937 in Hütten (vormals Warth, jetzt Gem. Grimmenstein),<br />

wohnt in Grimmenstein, Schneiderin. Den folgenden Text hat sie eigens für<br />

diesen Band geschrieben.<br />

Da meine Mutter sehr oft krank war, wollten wir unbedingt einen Lehrplatz in der Nähe. Diesen<br />

fanden wir dann in einer Schneiderei, aber nur unter der Bedingung, dass die Meisterin mir die<br />

volle Lehrlingsentschädigung in der Höhe von 35,10 Schilling pro Woche nicht bezahlen müsse<br />

und ich niemandem davon etwas sagen dürfe. Meine Lehre als Damenschneiderin begann am<br />

9. September 1951. In der Werkstätte arbeiteten die Meisterin, eine Gesellin, ein Lehrmädchen<br />

und ich. Einen Tag in der Woche musste ich in die Berufsschule nach Wiener Neustadt fahren. Ich<br />

war sehr strebsam, lernte fleißig und war eine der Besten in der Klasse. In der Schule hatten alle<br />

Geld, nur ich nicht. Sie fragten mich, was ich mit meinem Geld mache? Ich antwortete, dass ich<br />

alles zu Hause hergeben müsse. Gegen Weihnachten kam zum ersten Mal der Lehrlingsinspektor<br />

zur Kontrolle. Er fragte im Nebenraum die Meisterin, wie viel Lohn ich bekomme – und sie antwortete:<br />

„39,10 Schilling!“ Dieser sagte, dass sie bei der nächsten Zahlung, das, was sie zuviel gezahlt<br />

hatte, abzuziehen hätte. Mir platzte im Nebenzimmer wegen dieser falschen Aussage fast der<br />

Kragen, weil der Lohn für das erste Lehrjahr lediglich das Nähen eines Kleides für meine Mutter<br />

war. Im zweiten Lehrjahr blieben einmal beim Einkaufen von Nähseide und Knöpfen beim Zeilinger<br />

in Wiener Neustadt zehn Schilling übrig, die ich mir behalten durfte. Ich glaube, dass sich<br />

heute niemand über hundert Euro so freut, wie ich mich damals über diese zehn Schilling.<br />

Die Arbeitszeit war von sieben bis zwölf und von dreizehn bis achtzehn Uhr. Samstags war zwar<br />

grundsätzlich frei, aber wir mussten sehr oft, wenn es nötig war, arbeiten oder zusammenräumen.<br />

Zu Weihnachten und Ostern war immer viel Arbeit. Da jammerte die Meisterin immer, dass noch<br />

viel Arbeit sei und wir mit der Arbeit nicht fertig würden. So arbeiteten wir oft freiwillig ohne Bezahlung<br />

bis 21 Uhr. Wenn Kunden jammerten, dass sie sehr teuer sei, sagte sie, dass die Mädchen<br />

so viel kosten würden.<br />

Ich durfte nur immer windeln (Nähte sauber machen) und Kleidungsstücke zusammenheften.<br />

Wenn ich bei meiner Mutter darüber klagte, sagte sie immer: „Lehrzeit ist keine Herrenzeit“. Ich<br />

musste meiner Meisterin über alles, was ich in meiner Freizeit tat, Rede und Antwort stehen.<br />

Im Oktober 1954 bestand ich meine Gesellenprüfung mit Auszeichnung. Der Kommentar meiner<br />

Meisterin war lediglich: „Do hobn’s ane rutschn lossn!“ Nach der Prüfung bat meine Mutter<br />

für mich um Lohnzahlung nach dem Kollektivvertrag, was sie aber nicht tat. Ich bekam den Lohn,<br />

den ich in einer Woche bekommen sollte, lediglich im Monat. Die drei Monate, die sie mich weiter<br />

behalten musste, wurden mir daraufhin zur Hölle. Ich konnte ihr nichts mehr recht machen<br />

Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 53<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 53 31.08.2009 14:17:20 Uhr


und war nervlich bald so am Ende, dass ich in den Krankenstand gehen musste. Während des<br />

Krankenstandes bekam ich die Kündigung. Als ich mein Zeugnis von ihr abholte, musste ich un-<br />

terschreiben, drei Jahre lang die volle Lehrlingsentschädigung bekommen zu haben.<br />

» Na ja, der Lehrbub hat das machen müssen «<br />

Anton Schuster, geb. 1930 in Lichtenegg, aufgewachsen in Aigen<br />

(Gemeinde Kirchschlag), Spengler, Installateur und Gendarm<br />

Ich hab beim Lehrherrn geschlafen. Hinter der Werkstatt war so eine kleine Rumpelkammer,<br />

da war das ganze Zeug: die alten Häferln und Material. In diesem Kammerl hab ich geschlafen.<br />

Es war interessant: Es war die Küche, dann ein großer Raum, dann die Kammer und dann die<br />

Werkstatt. In dem Raum zwischen Küche und der Rumpelkammer hat die Frau Direktor Arbinger<br />

gewohnt. Es war natürlich unangenehm, denn ich musste durch das Zimmer, wo sie geschlafen<br />

hat, durchgehen. Da ist das Klavier gestanden, und das war praktisch ihr Zimmer. Natürlich unangenehm,<br />

wenn man da durchgehen muss, wo ein anderer schläft, und zudem ist sie eine Frau.<br />

Aber es wirft vielleicht ein Bild darauf, wie auch die Wohnungsverhältnisse in den Bürgerhäusern<br />

waren.<br />

Frau Arbinger hatte in Frohsdorf ein eigenes Haus. Aber das hatten die Russen niedergebrannt.<br />

Und das wurde ihr wieder aufgebaut. Kaum war ich in der Lehre und hab angefangen, meinen<br />

Beruf zu erlernen, musste ich hinausfahren. Ich war eine ganze Woche draußen und musste dort<br />

Maurer-Hilfsarbeiter machen. Solange die Maurer da waren, war ich in Ofenbach, bis das Haus<br />

wieder verputzt war. Das war damals halt so. Die Arbeitszeit war von sieben in der Früh bis um<br />

sieben am Abend. Am Samstag bis zu Mittag. Und nach dem Essen mussten wir, die Lehrbuben,<br />

die Gassen kehren. Die Gasse musste von den Leuten gereinigt werden. Na ja, der Lehrbub hat<br />

das machen müssen. Nicht nur ich, daneben war der Rauchfangkehrer, der jetzige Bürgermeister,<br />

sein Vater war damals auch einmal für kurze Zeit Bürgermeister. Der hat die Lehrbuben genauso<br />

behandelt. Das hat damals dazugehört. Und am Samstagvormittag arbeiten war eh eine Selbstverständlichkeit,<br />

und manchmal auch am Nachmittag.<br />

54 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 54 31.08.2009 14:17:20 Uhr


Sesselflechten in Schwarzenbach<br />

Bei der Schafschur in Aigen<br />

von links:<br />

Hr. Giefing-Werger<br />

(Wergerfeda),<br />

Anna Dutter<br />

1930<br />

Foto: Anna Dutter,<br />

Schwarzenbach<br />

um 1930<br />

Foto: Heimatmuseum<br />

Kirchschlag<br />

Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 55<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 55 31.08.2009 14:17:22 Uhr


Beim Weisen der Steaz´n in Hollenthon<br />

von links: Florian und Franz Piribauer<br />

Beim Kühehüten in Wiesmath<br />

56 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />

Die mit der Kette<br />

zusammengehängten<br />

Jungochsen müssen<br />

erst an das Joch<br />

gewöhnt werden.<br />

ca. 1922<br />

Foto: Leo und Hilde Danzler,<br />

Pürahöfen (Lichtenegg)<br />

von links:<br />

Willibald Kornfeld<br />

(stehend),<br />

Walter Seidl,<br />

Georg Fuchs,<br />

Karl Stampf<br />

1952<br />

Foto: Willibald Kornfeld,<br />

Wiesmath<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 56 31.08.2009 14:17:23 Uhr


Beim Ochsenweisen in Hochneukirchen<br />

Volksschulklasse in Thernberg<br />

Anton Ungerböck<br />

Foto: Maria Ungerböck,<br />

Harmannsdorf (Hochneukirchen)<br />

mit deutschen Kindern,<br />

die bei Familien in<br />

Thernberg einquartiert<br />

waren<br />

Foto: Josef Flonner,<br />

Ofenbach (Thernberg)<br />

von links 1. Reihe: Josef Lechner, Johann Stachl, Raimund Scherleitner, Josefine Pfeifer, Käthe Ehrenreich, unbekannt, Waltraud Nix,<br />

Maria Saam, Maria Lechner | 2. Reihe: Johann Leber, Karl Hillebrand, Karl Glöckl, unbekannt, Josef Saam, Klaus Ehrenreich,<br />

Theresia Scherleithner, Maria Stangl, Martha Saam, unbekannt, Lehrer Josef Sinabell | 3. Reihe: Johann Lindner, Johann Saam,<br />

Herbert Lang, Wilhelm Scherleitner, unbekannt, Martha Ofenböck, Maria Neumüller, Anna Pürrer, Johanna Krenn<br />

4. Reihe: Richard Kornfeld, Josef Lechner, Karl Flonner, Josef Flonner, Friedrich Scherleitner, drei unbekannte Kinder, Julia Fürst<br />

1941<br />

1944<br />

Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 57<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 57 31.08.2009 14:17:25 Uhr


Beim Eggen in Warth<br />

Volksschulklasse aus Gleichenbach<br />

58 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />

von links:<br />

Julius und<br />

Anna Ponholzer<br />

Foto: Anna Ponholzer, Warth<br />

mit Halterbuben aus<br />

Zöbern<br />

Foto: Walter Binder, Schäffern<br />

von links 1. Reihe: Heinrich Piribauer, Herbert Grill, Franz Reisner | 2. Reihe: Helmut Binder (Halterbub bei Franz Riegler),<br />

Maria Holzbauer, Ernst Grill, Johanna Koglbauer, Johanna Schuster, Rosa Lechner, Johann Bleier, Johann Grill, Peter Beisteiner,<br />

Walter Reisner | 3. Reihe: Lehrer Schmied, Hermine Vollnhofer, Theresia Schuster, Christiane Vollnhofer, Maria Handler,<br />

Ilse Lechner, Christiane Reisner, Gertraud Schwarz<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 58 31.08.2009 14:17:26 Uhr<br />

1958<br />

1957


Beim Ochsenweisen in Bromberg<br />

Beim Binden der Garben in Walpersbach<br />

Die Mitarbeit der Kinder<br />

bei der Feldarbeit war<br />

selbstverständlich.<br />

von links:<br />

Karl, Franz und<br />

Anton Haller<br />

1940<br />

Foto: Willibald Birnbauer,<br />

Bromberg<br />

von links:<br />

Maria Harather (Zehetner),<br />

Gisela Harather (Fuchs),<br />

Otto Harather,<br />

Maria Mayer (Harather)<br />

1942<br />

Foto: Gisela Fuchs, Walpersbach<br />

Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 59<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 59 31.08.2009 14:17:27 Uhr


Buben mit Pferd und Ochsengespann in Lichtenegg<br />

Beim Holzschneiden in Hochwolkersdorf<br />

60 - Arbeitswelten - Kinder und Jugendliche<br />

von links:<br />

Johann Holzer<br />

(im Zweiten Weltkrieg<br />

gefallen),<br />

unbekannt<br />

1934<br />

Foto: Fam. Mayrhofer<br />

(Wolfshof), Lichtenegg<br />

mit Buben<br />

als Zubringer<br />

von links:<br />

Johann, Herbert und<br />

Walter Weber<br />

um 1960<br />

Foto: Gemeinde<br />

Hochwolkersdorf<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 60 31.08.2009 14:17:30 Uhr


Fleischhauerlehrlinge in Seebenstein<br />

„Lehrlingsausbildung“ in Scheiblingkirchen<br />

Karl Treitler<br />

(Mitte),<br />

andere Personen<br />

unbekannt<br />

1912<br />

Foto: Rosa Stangl,<br />

Pitten<br />

Zimmerei Karner<br />

von links:<br />

Johann Ranharter,<br />

Alfred Edelhofer,<br />

Josef Ungerhofer<br />

1962<br />

Foto: Josef Ungerhofer,<br />

Gleißenfeld<br />

(Scheiblingkirchen-<br />

Thernberg)<br />

Kinder und Jugendliche - Arbeitswelten - 61<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 61 31.08.2009 14:17:31 Uhr


Frauen<br />

Das bürgerlich geprägte Modell von<br />

Familie und (Erwerbs-)Arbeit weist<br />

Frauen einen eindeutigen Platz zu:<br />

nämlich im Haus und bei den Kindern.<br />

Seit den 1970er-Jahren wird in Österreich<br />

diese Rolle von Frauen als ausschließliche<br />

Hausfrauen und Mütter<br />

in Frage gestellt. Zudem waren historische<br />

Arbeitswelten von Frauen auch<br />

in der Buckligen Welt immer schon<br />

vielfältiger als in diesem Modell vorgesehen.<br />

Trotzdem blieb (und bleibt<br />

oft immer noch) die Verantwortung für<br />

Haushalts- und Kindererziehungsarbeit<br />

auf Frauen beschränkt. Und jene<br />

für Frauen zugänglichen Berufe, für die<br />

eine qualifizierte Ausbildung notwendig<br />

war und die eine gesellschaftliche Anerkennung genossen, stehen nicht zufällig mit Geburt und Erziehung<br />

in Zusammenhang.<br />

Viele ältere Frauen erinnern sich an zuweilen harte Arbeiten, die sie früher im Haus oder in der Nähe<br />

des Hauses verrichten mussten: zum Beispiel Wäschewaschen, Spinnen, Brotbacken oder auch Federnschleißen.<br />

Andere erzählen aber auch darüber, wie sie in familiären oder gesellschaftlichen Krisenzeiten<br />

(beispielsweise in Kriegs- und Nachkriegszeiten) Verantwortung für Arbeiten übernahmen,<br />

die gemeinhin den Männern vorbehalten waren. Schließlich wird über jene Berufe erzählt, die Frauen<br />

auch in früheren Zeiten ausüben konnten: Hebamme, Kindergärtnerin und Lehrerin.<br />

Fotos aus der Kriegs- und Nachkriegszeit machen deutlich, dass Frauen in allen Bereichen der<br />

Landwirtschaft, des Gewerbes und der Industrie ganz selbstverständlich jene Arbeiten übernahmen,<br />

die früher vor allem von Männern durchgeführt worden waren, beispielsweise Pflügen und Eggen,<br />

Holzarbeiten, Most machen, Schottergewinnung und das „Zureichen“ am Bau. Deutlich wird auch,<br />

wie hart das Waschen der Wäsche war. Etwas leichter war die Tätigkeit in der Küche. Und ganz<br />

besonders geschätzt waren die geselligen Zusammenkünfte beim Federnschleißen. Dabei wurden<br />

auch Neuigkeiten aus Nachbarschaft und Dorf besprochen und kommentiert.<br />

62 - Arbeitswelten - Frauen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 62 31.08.2009 14:17:31 Uhr


» Da hat sie für uns zwei sorgen müssen «<br />

Hermine Schwarz, geb. 1908 in Zöbern, seit 1959 in Krumbach,<br />

Wirtschafterin/Köchin<br />

Die Mutter hat müssen arbeiten gehen, weil ich ja auch noch einen Bruder gehabt habe. Er war<br />

um sechs Jahre älter als ich. Da hat sie für uns zwei sorgen müssen. Sie hat Bündeln gemacht, die<br />

sind in die Stadt reingekommen und dort verkauft worden. Jedes war so vier Meter lang. So viel<br />

sie gemacht hat, so viel hat sie halt gekriegt. Je mehr sie gehabt hat, desto mehr hat sie verdient.<br />

Das war im Sommer. Und im Winter hat sie bei den Bauern gesponnen. Leinenware hat man das<br />

genannt, das war so ein Leinen wie ein Zwirn, ein bisschen gröber. Dafür hat sie auch Lebensmittel<br />

gekriegt: Milch und Butter oder irgendwas. So hat sie sich halt durchgewurschtelt mit uns.<br />

Als mein Bruder älter war, war er bei Großmutter und Großvater. Dort hat er Kühe halten müssen.<br />

Und mit mir hat sich die Mutter halt weiter herumgewurschtelt. Weil sie arbeiten gegangen<br />

ist, bin ich allerweil allein gewesen, hab allein gespielt oder war bei meiner Freundin, die hat<br />

müssen Gänse hüten gehen. Meine Mutter hat allerweil gesagt: „Du, geh schön heim, die Lisel<br />

muss Gänse hüten gehen.“ Ich bin dann hinterrücks der Lisel nachgeschlichen. Dann haben wir<br />

miteinander Gänse gehalten, sind im Bach herumgekrabbelt, haben uns Steine herausgesucht, die<br />

haben wir eingewickelt. Das war was. Wenn ich so zurückdenke, unsere Kindheit, das war so ein<br />

natürliches Leben, alles von der Natur her. Aber meine Großmutter und die Mutter – jeden Tag<br />

sind sie fortgefahren.<br />

» Wenn wir die Mutter nicht gehabt hätten «<br />

Maria Giefing, geb. 1924 in Schwarzenbach<br />

Wenn wir die Mutter nicht gehabt hätten, hätten wir verhungern müssen, weil unser Vater keine<br />

Arbeit gehabt hat. Die Mutter ist in der Früh nach Bernstein und Landsee gegangen und hat Fer-<br />

kel bei einem Bauern gekauft. Dann hat sie sie heimgetragen. Wir waren auf der Schön daheim.<br />

Auf d’ Nacht ist sie mit den Ferkeln heimgekommen, oft ist ihr der Vater mit einer Stalllaterne<br />

entgegengegangen. Oft hat er die Mutter aber gar nicht mehr gefunden. Da ist sie schon daheim<br />

gewesen, und er ist erst dann mit der Laterne wieder gekommen. Am nächsten Tag in der Früh ist<br />

sie um drei, halb vier aufgestanden und hat die Ferkeln wieder in den Buckelkorb eingefasst. Da<br />

hat sie oft zu mir gesagt: „Morgen darfst ned in die Schule gehen, weil morgen musst mit mir nach<br />

Mattersburg mitgehen!“ Da hat sie die Ferkeln wieder genommen und hat sie nach Mattersburg<br />

gebracht. Das waren vier Stunden von der Schön bis Mattersburg! Und ich hab immer geweint,<br />

weil ich hab nicht mitgehen wollen! Ich wollte in die Schule gehen! Aber es ist mir nix anderes<br />

Frauen - Arbeitswelten - 63<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 63 31.08.2009 14:17:31 Uhr


über geblieben. Sie hat gesagt: „Wennst mir eines trägst, ist das schon was wert!“ Dann sind wir<br />

halt nach Mattersburg gegangen. Vor Mattersburg im Wald waren Zigeunerhäusel, dort haben<br />

die Zigeuner gelebt. Von dort ist es dann auch noch fast über eine Viertelstunde gewesen, bis wir<br />

wirklich in den Markt hineingekommen sind. Wenn ich heute da vorbeifahre, sag ich: „Mei, wie<br />

oft bin ich da gangen mit den Ferkeln!“ Wenn wir sie angebracht haben, also wenn wir sie verkaufen<br />

haben können, dann sind wir mit dem Autobus nach Sieggraben gefahren und von dort wieder<br />

heimgegangen auf die Schön.<br />

Wenn die Mutter sie angebracht hat, ist sie am nächsten Tag mit dem Geld wieder nach Bernstein,<br />

wo sie die Ferkel gekauft hatte, gegangen und hat dort die Ferkel bezahlt. Sie hat kein Geld<br />

gehabt, dass sie die Ferkel schon vorher hätte bezahlen können. Dort haben sie sie ja schon gekannt,<br />

haben gewusst, dass sie ihnen das Geld eh bringt. So hat sie den Weg eben zweimal machen<br />

müssen. Wenn sie die Ferkel nicht angebracht hat, ist sie hausieren gegangen, also von einem<br />

Haus zum anderen, und hat da geschaut. Dann hat sie mit dem Preis wieder runtergehen müssen.<br />

Wie sie das dann mit dem Bauern gemacht hat, das weiß ich nicht mehr. Wenn, dann sind höchstens<br />

ein paar Schilling über geblieben. Na, das war schon was. Wir haben wirklich eine sehr harte<br />

Zeit gehabt.<br />

Meine Mutter ist auch immer wieder nach Wiener Neustadt ins Versatzamt gegangen. Da hat sie<br />

Gewand hintragen können und hat dafür eventuell noch ein bisserl Geld gekriegt.<br />

» Derweil man jung und gesund ist «<br />

Theresia Pichler, geb. 1920 in Hochegg (Gemeinde Grimmenstein), Landwirtin<br />

Die Küche hat gesäubert werden müssen, und ich bin am Boden gekniet und habe geputzt. Brot<br />

gebacken hab ich grundsätzlich bei der Nacht. Zu Mittag, nach der Arbeit, hab ich’s angerührt.<br />

Und auf d‘ Nacht, wenn wir vom Feld hereingekommen oder vom Wald heraufgekommen sind,<br />

hab ich dann geknetet. Und derweil das Brot aufgegangen ist, das hat eh ein paar Stunden dauert,<br />

haben wir die Stallarbeit gemacht, und ich hab die Kinder niedergelegt. Und dann bin ich Brot<br />

backen gegangen. Gewaschen hab ich auch in der Nacht. Alles mit der Hand. Derweil man jung<br />

und gesund ist, geht so manches.<br />

64 - Arbeitswelten - Frauen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 64 31.08.2009 14:17:32 Uhr


» ein Spinnrad gehabt «<br />

Theresia Reisner, geb. 1918 in Aigen (Gemeinde Kirchschlag),<br />

seit 1937 in Gleichenbach (Gemeinde Hollenthon), Landwirtin<br />

Ich habe nie einen Beruf gelernt. Dass ich kochen, waschen und nähen konnte, als ich heiratete,<br />

das war alles! Und im Winter haben wir spinnen müssen. Wir haben ein Spinnrad gehabt. Es ist<br />

Flachs angebaut worden, der ist gebrechelt worden, dann haben wir ihn gesponnen und darauf<br />

haben wir’s abgewickelt. Daraus ist Hausleinen gemacht worden. Das ist etwas Grobes gewesen.<br />

Die Leintücher, die wir da gehabt haben, haben oft auf nackter Haut gekratzt. Was wir gesponnen<br />

haben, ist aber zunächst zum Weber getragen worden. Von Aigen haben wir auf Spratzeck zum<br />

Weber-Vater gehen müssen.<br />

» die Gänse reif zum Rupfen «<br />

Franz Linzer, geb. 1927 in Schwarzenbach, Maurer und Polier<br />

Zum Federnschleißen sind die Frauen zusammenkommen, zum Beispiel meine Gattin. Sie hat<br />

immer sieben, acht, zehn Gänse gehabt übers Jahr. Zweimal, dreimal sind die Gänse gerupft wor-<br />

den, wenn die Federn reif waren, wenn sie’s zum Verlieren angefangen haben, so dass sie leicht<br />

rausgegangen sind. Ansonsten hat man’s nicht dürfen, weil man sonst die Gänse verletzt hätte.<br />

Wenn man’s zu früh gerupft hat, haben sie Blut an den Federkielen gehabt. Das hat man gekannt:<br />

Wenn man einen Kiel herausgezogen hat und er ist nicht mehr blutig, dann sind die Gänse reif<br />

zum Rupfen. Die Federn sind dann geschlissen worden. Die Nachbarn, die Godl und die Tante<br />

sind gekommen und haben geschlissen. Da haben sie oft drei Wochen lang Federn geschlissen.<br />

Das war für die Kinder immer ein Erlebnis. Unser jüngerer Sohn, der Manfred, da hat’s schon die<br />

Kassettenrekorder geben, hat ihnen einmal heimlich einen Kassettenrekorder hingestellt. Und<br />

dann hat er ihnen ihre Tratscherei vorgeführt. Hat er gesagt: „Ihr tut’s ja eh sonst nix als tratschen<br />

und die Leut‘ ausrichten!“ Haben sich die Damen natürlich dagegen verwehrt.<br />

» Die waren sehr schwer zum Schwemmen «<br />

Johanna Trimmel, geb. 1928 in Bromberg, Landwirtin<br />

Mit den Waschmitteln war es ja ein Krampf. Man hat nur eine Seife zum Waschen gehabt. Hen-<br />

ko und Persil waren ja auch weniger als jetzt. Das war die Kriegszeit. Gewaschen hat man alles<br />

Frauen - Arbeitswelten - 65<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 65 31.08.2009 14:17:32 Uhr


mit der Hand, mit der Bürste gebürstet und dann im Kessel. Die Kochwäsche hat man im Kessel<br />

ausgekocht. Zum Schwemmen sind wir zum Bach gegangen. Im Winter haben wir das Eis einge-<br />

haut und haben geschwemmt. Dann haben wir die hausleinenen Leintücher gehabt. Die waren<br />

sehr schwer zum Schwemmen.<br />

» mit einer Doppelliterflasche meine Mutter niedergeschlagen «<br />

Wilhelm Müller, geb. 1937 in Klein Wolkersdorf (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />

aufgewachsen in einem Gasthaus, Dompfarrer in Wiener Neustadt<br />

Es war nicht ungefährlich, wenn meine Mutter alleine im Gastzimmer war und Besoffene ge-<br />

kommen sind. Ich kann mich noch gut erinnern, wie einer mit einer Doppelliterflasche meine<br />

Mutter niedergeschlagen hat, weil sie ihm nichts mehr geben wollte. Das sind schon so die Dinge,<br />

die man dann nicht sehr gerne hat. Manche hat sie mit der Schubkarre heimgeführt, damit sie,<br />

weil sie so besoffen waren und nicht mehr heimgehen konnten, die Besoffenen endlich los hatte.<br />

Das war die weniger schöne Zeit.<br />

» Die Lehrerin ist schon gekommen mit dem Staberl «<br />

Johann Birnbaumer, geb. 1932 in Bad Erlach, Landwirt und Musiker<br />

In der Schule unterm Hitler haben wir jede Woche den Wochenspruch lernen müssen und sonst<br />

nix. Der Wochenspruch war aufgehängt. Das war Pflicht. Der Berger-Lehrer war ja kein Honigle-<br />

cken: Er hat immer so einen viereckigen Meterprügel mitgehabt. Der hat gleich auf einen jeden<br />

hingedroschen, wenn einer nicht gespurt hat. Das war dem wurscht. Dann haben wir auch einen<br />

Walpersbacher Pfarrer gehabt, Augustin hat er geheißen, der war auch nicht ohne. Der hat dich<br />

auch hin- und hergedroschen in der Schule. Da hat es sich abgespielt.<br />

Wie ich in die sechste Schulstufe gekommen bin, hab ich die Rakozi-Lehrerin gehabt. Sie war<br />

eine Ungarin und eine Hantige. Jeder, der was angestellt hat, hat heraus an den Katheder müssen.<br />

Da hast nicht gewusst, haut sie her oder haut sie nicht her. Sie war eine fesche Frau. Und da<br />

hat’s nix gegeben, da hast immer schon drauf aufpasst. Die war so schnell, da hast du schon links<br />

und rechts deine Fotzen gehabt, dass du über den Katheder geflogen bist. Jeden Tag hat einer<br />

seine Fotzen gekriegt. Wir sind zu dritt in der ersten Reihe gesessen. Und einmal haben wir alle<br />

drei keine Aufgaben gehabt. Die Lehrerin ist schon gekommen mit dem Staberl. Alle drei haben<br />

wir die Finger hinhalten müssen. Im Winter haben wir einmal einen Ausflug gemacht zum Zie-<br />

66 - Arbeitswelten - Frauen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 66 31.08.2009 14:17:32 Uhr


gelofen, und wir haben Schneebälle geschossen. Nicht mit Absicht haben wir sie getroffen, ist eh<br />

klar. Na servas! Jeder hat die eiskalten Finger wieder so hinhalten müssen. Die hat das Staberl<br />

mitgehabt.<br />

» immer einige Kinder um sich gehabt «<br />

Johanna Preineder, geb. 1923 in Frohsdorf (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />

Kindergärtnerin<br />

Ich kann euch erzählen: Bei mir im Kindergarten Lanzenkirchen wurde uns 1941 eine Studentin<br />

zugeteilt, eine Mittelschülerin aus Wien. Die mussten über die Ferien entweder bei Bauern oder<br />

bei sozialen Einrichtungen arbeiten. Und mir wurde eine zugeteilt. Sie ist gekommen und hat<br />

gesagt, sie sei aus Wien, sie wohne aber jetzt in Klingfurth und käme täglich mit dem Rad. Sie hat<br />

Doris geheißen. Ich hab mich gefreut, sie hat einen netten Eindruck gemacht, und sie war sehr<br />

still, sie hat immer einige Kinder um sich gehabt. Und einmal, in der Früh, soll ich zum Postamt<br />

kommen, es wäre ein Anruf für mich da. Damals hat es ja keine Haustelefone gegeben. Also, ich<br />

renne zum Postamt, melde mich, murmelt da wer. Sag ich: „Bitte, wer spricht? Mit wem rede<br />

ich?“ Sagt er: „Attila Hörbiger.“ Sag ich: „Ja, dann ist hier die Kaiserin von China.“ Sagt er: „Bitte<br />

nehmen Sie mich ernst, meine Nichte Doris ist bei Ihnen im Kindergarten. Heute gießt es aus<br />

Schaffeln, sie kann mit dem Rad nicht kommen. Würden Sie sie entschuldigen?“ Na, da hab ich<br />

dreingeschaut. Die war so bescheiden, die hat nicht gesagt, dass sie die Nichte von der Paula Wessely<br />

ist. Sie hatten in Klingfurth eine Villa, dort hat sie über die Ferien gewohnt und hat bei mir<br />

gearbeitet. Dann hab ich geschimpft mit ihr. Hat sie gesagt: „Na ja!“ Aber einige Lanzenkirchner<br />

haben das eh gewusst, die sind schon um Autogramme zu ihr gekommen, die hat sie von der Tante<br />

besorgt. Na ja, ich hab das nicht gewusst. Da hab ich aber wirklich geschimpft mit ihr.<br />

» Ich konnte 1700 Kinder zur Taufe tragen «<br />

Magdalena Dienbauer, geb. 1900 in Tiefenbach (Gem. Thomasberg), Hebamme.<br />

Den folgenden Ausschnitt ihres Lebenslaufs hat sie 1990 niedergeschrieben.<br />

Acht Jahre Volksschule Krumbach, 1914 Weltkrieg: Bruder Anton 1916 gefallen, 1916 Bruder<br />

Josef muss einrücken. Ich musste mit den Eltern die Wirtschaft betreiben, um zwei Uhr aufste-<br />

hen, Gras mähen. 1924 besuchte ich sechs Monate die Haushaltungsschule Ebreichsdorf, 1930 die<br />

Hebammenschule Wien, 1932 bekam ich eine Wohnung bei Schandlbauer über der Post und war<br />

zwanzig Jahre dort, 1934 kaufte ich mir ein Fahrrad, 1939 kaufte ich ein Motorrad, aber das war<br />

entsetzlich, ich bekam kein Benzin, weil ich nicht bei der Partei war. 1945 bin ich täglich vierzig<br />

Frauen - Arbeitswelten - 67<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 67 31.08.2009 14:17:32 Uhr


Kilometer zu Fuß gegangen. In der Kotmühle hatten mir die Russen ein Kind, das ich zur Taufe<br />

trug, weggenommen, ich bekam es dann wieder. Von den vielen Fliegen hatten die Kinder der stil-<br />

lenden Mütter blutigen Stuhl bekommen. 1946: Bei einem Dienstweg hatte ich am Weg ein paar<br />

Schuhe liegen gesehen, ich wollte sie zur Seite legen, aber es waren auch Füße drinnen. Als ich<br />

ein Stück weiterging, sah ich in einer großen Grube drei Leichen. Ich war so erschrocken, dass ich<br />

diesen Weg nimmer gehen konnte. Ich habe diese Zeit gesund und unberührt überstanden. 1949<br />

kaufte ich einen Bauplatz und fing zum Hausbauen an.<br />

Der liebe Gott hat mir viel geholfen. Ich konnte 1 700 Kinder zur Taufe tragen. Es wurde keine<br />

Mutter krank, es kam auch keine Missbildung zur Welt. Fünf Mütter haben mir das Zutrauen<br />

nicht geschenkt. 1964: Schluss mit dem Beruf.<br />

» und hab müssen Bauer spielen «<br />

Berta Kornfehl, geb. 1923 in Edlitz, ehemalige Wirtin,<br />

aufgewachsen in einer Landwirtschaft<br />

Wir waren sechs Geschwister, vier Brüder und zwei Schwestern. Jeder hat was anderes gelernt,<br />

einer war Bäcker, einer Müller, einer Zuckerbäcker. Meine Schwester ist daheim geblieben beim<br />

Hof, und ich war auch am Hof, denn dann ist eh bald der Krieg gekommen. Die Brüder sind eingerückt.<br />

Der Fritz ist gefallen im 1939er-Jahr beim Feldzug in Polen. Der Poldl ist schwer verwundet<br />

worden am Kopf. Der Pepi, der Zuckerbäcker, hat müssen einrücken und das Geschäft<br />

in Wien im Stich lassen. Er ist schwer krank heimgekommen und hat dann müssen bald drauf<br />

sterben. Meine Geschwister, überhaupt alle, sind zeitig gestorben wegen Krankheit oder Krieg.<br />

Meine Schwester war daheim. Sie konnte auch nicht mehr so, weil sie so geschwollene Füße hatte.<br />

Eigentlich war dann ich die Hauptperson, als alle fort waren, und hab müssen Bauer spielen. Ich<br />

hab alles machen müssen: ob’s im Kuhstall war, mit der Milchwirtschaft, oder am Feld, alles anbauen,<br />

Getreide – alles, was der Bauer halt braucht. Ich war halt immer fleißig beschäftigt in der<br />

Landwirtschaft.<br />

» Ich muss in die Fabrik «<br />

Anna Steurer, geb. 1926 in Landsee (Burgenland), lebt in Krumbach,<br />

arbeitete zunächst als Dienstmädchen, später im Installateurund<br />

Spenglereibetrieb des Ehemannes<br />

Ich selbst hab damals bei einem Bauern, beim Piribauer, gearbeitet. Es waren auch Gefangene<br />

bei Bauern; beim Piribauer waren ein Pole und eine Polin, und ein Franzose war auch dort. Und<br />

68 - Arbeitswelten - Frauen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 68 31.08.2009 14:17:32 Uhr


plötzlich hat’s geheißen: Ich muss in die Fabrik. Da haben ich, die Graser Erna und die Frau Un-<br />

gerböck nach Hirtenberg in die Munitionsfabrik müssen. Das war im 1944er-Jahr. Zuerst haben<br />

wir in einem Lager in Stockbetten schlafen müssen. Ich bin oben gelegen und die Frau Ungerböck<br />

ist unten gelegen. Sie war ja auch schon eine ältere Dame. Das war furchtbar für sie. Wir haben<br />

immer vom Lager in die Fabrik gehen müssen. Wir haben in drei Schichten gearbeitet: Von sechs<br />

Uhr in der Früh bis zwei Uhr nachmittags, von zwei Uhr nachmittags bis zehn Uhr abends und<br />

von zehn Uhr abends bis sechs Uhr in der Früh. Ich hab dann geschaut, dass ich privat ein Zimmer<br />

kriege. In der Fabrik hab ich Patronen kontrollieren müssen. Wie ich da reingekommen bin in die<br />

Fabrik, hast nur Lärm gehört, nur Lärm. Meine erste Schicht war eine Nachtschicht, von zehn Uhr<br />

abends bis sechs Uhr in der Früh. Da hab ich einen Einsteller gehabt, der war eh Gott sei Dank ein<br />

junger Mensch. Ich bin halt dort gestanden und hab die Patronenhülsen kontrollieren müssen,<br />

ob die Länge und das alles in Ordnung ist. Ich wäre halt nebenbei fast eingeschlafen. Meine Nebenkontrolleurin,<br />

sie war eine ältere Dame, hat gesagt: „Na, zum Schlafen bist ned gekommen!“<br />

– „Ich entschuldige mi, ich kann mi ned halten!“ Der Ernst, der Einsteller, hat dann gesagt: „Aber<br />

tua nur, tua nur, bleib, ich helf dir schon!“ Er hat das eh eingesehen, aber die Frau war sehr kritisch.<br />

Aber ich hab das dann auch überstanden.<br />

» mein ganzes Haus gebaut «<br />

Elfriede Hofer, geb. 1932 in Scheiblingkirchen, Fleischhauerin und Verkäuferin<br />

Mein Vater war sehr tischlerisch tätig. Wenn ich ein Bub gewesen wäre, wäre ich Tischler wor-<br />

den. Wenn er gehobelt hat, bin ich bei ihm gestanden wie eine Eiche, und die Späne habe ich in<br />

meiner Schürze gehabt. Und wenn meine Mutter die Schürze entleert hat, hat sie immer gesagt.<br />

„Das darf nicht wahr sein, jetzt hat sie schon wieder Späne drinnen … Das darf nicht wahr sein!“<br />

Also, da hat sie sich immer echauffiert.<br />

Später habe ich eben mein ganzes Haus gebaut – ohne Mischmaschine. Mein Gatte war ja in<br />

Neunkirchen, und ich war zwanzig Jahre alt. Und dadurch, dass ich praktisch in dem Gewerbe<br />

aufgewachsen bin, muss ich sagen: Das ist mir nie abwegig vorgekommen, dass ich mich mehr mit<br />

dem Baugeschehen beschäftige als mit dem Haushalt. Der Bahnvorstand, das war mein Nachbar,<br />

ist oft zu mir herübergekommen, auf mein Grundstück, und ich mit Gummistiefeln bewaffnet,<br />

hab da gemischt und Beton gemacht. „Ah, das gibt’s ned, ich hab mir gedacht, da ist ein Mann<br />

drüben, derweil ist das eine Frau.“ Mir war das selbstverständlich daheim gelernt worden.<br />

Frauen - Arbeitswelten - 69<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 69 31.08.2009 14:17:32 Uhr


Jungbäuerin in Hollenthon<br />

Ausackern der Erdäpfel in Hochwolkersdorf<br />

70 - Arbeitswelten - Frauen<br />

Ochsen mit Maulkorb<br />

im Joch eingespannt<br />

Gottfrieda Pichler<br />

um 1940<br />

Foto: Gottfrieda Pichler,<br />

Spratzeck (Hollenthon)<br />

von links:<br />

Rosa, Erika und<br />

Maria Karner<br />

um 1965<br />

Foto: Gemeinde<br />

Hochwolkersdorf<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 70 31.08.2009 14:17:33 Uhr


Anbauen auf der Dreibuchenhöhe<br />

Letzte Erntegarbe in Grimmenstein<br />

von links:<br />

Mathias Trimmel,<br />

Friederike und<br />

Maria Hagenhofer<br />

1946<br />

Foto: Elisabeth Turner, Grimmenstein<br />

Foto: Josef Trimmel,<br />

Hochwolkersdorf<br />

von links: Gertrude Mach, Elisabeth Wöhrer<br />

1950<br />

Frauen - Arbeitswelten - 71<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 71 31.08.2009 14:17:35 Uhr


Erdäpfelausackern in Bad Schönau<br />

Bäumerlsetzen in Lanzenkirchen<br />

72 - Arbeitswelten - Frauen<br />

von links:<br />

Erna Suchanek,<br />

Fr. Pösinger, unbekannt<br />

1949<br />

Foto: Franz Heiling,<br />

Maierhöfen (Bad Schönau)<br />

von links:<br />

Dorothea Watzeck,<br />

Gertrude Rohl,<br />

Elli Dögl, Rosa Doria,<br />

Anna Fingerlos,<br />

Fr. Liesbauer<br />

1950<br />

Foto: Herbert Swoboda,<br />

Lanzenkirchen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 72 31.08.2009 14:17:36 Uhr


Burgunderputzen in Gleißenfeld<br />

Flachsspinnen in Stang<br />

Magdalena Mayerhofer<br />

1930<br />

Foto: Maria Lechner, Gleißenfeld<br />

(Scheiblingkirchen-Thernberg)<br />

von links:<br />

Frieda, Anna (Tochter) und<br />

Anna Doppler (Mutter)<br />

um 1940<br />

Foto: Maria Ostermann, Kirchschlag<br />

Frauen - Arbeitswelten - 73<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 73 31.08.2009 14:17:38 Uhr


Beim Mostmachen in Bromberg<br />

Federnschleißen in Walpersbach<br />

74 - Arbeitswelten - Frauen<br />

von links:<br />

Anna Stachl (geb. Steiner),<br />

Maria Birnbauer<br />

(geb. Pichler),<br />

Maria Flohner (geb. Steiner),<br />

Magdalena Beisteiner,<br />

Theresia Kampichler<br />

(geb. Sinabell)<br />

um 1968<br />

von links:<br />

Maria Birnbauer<br />

(Schwiegermutter),<br />

Maria Birnbauer<br />

(Schwiegertochter)<br />

1975<br />

Foto: Willibald Birnbauer,<br />

Bromberg<br />

Foto: Margit Rumpler, Klingfurth<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 74 31.08.2009 14:17:41 Uhr


Fortbildung für Bäuerinnen aus Hollenthon<br />

Foto: Maria Ostermann<br />

Kirchschlag<br />

von links 1. Reihe: Erna Schwarz (Mutter von Bischof Alois Schwarz), Maria Neumüller, Juliane Handler, Gertrude Baumgartner,<br />

Anna Schwarz, Anna Schwarz (Handelbauer), Maria Stangl, Anna Wagner (Horndorf), Johanna Gradwohl<br />

2. Reihe: Gertrude Seiberl, Friederike Schwarz, Maria Handler (Reindlbauer), Anna Gradwohl (Turmbauer), Maria Doppler,<br />

landwirtschaftliche Fachlehrerin, Maria Handler (Schöberl), Margarete Handler (Filzmichl), Elfriede Handler, Elfriede Reisner,<br />

Maria Schwarz (Spitzer), Maria Höller (Gleichenbach), Veronika Handler (Spratzeck), Anna Grill, Johanna Wagner<br />

Waschtag in Pitten<br />

Foto: Museums- & Bildungsverein Pitten<br />

in Bezirksbauernkammer<br />

Kirchschlag<br />

mit Thema<br />

„Feste und Gäste“<br />

1978<br />

mit Unterstützung der Tochter, die schon früh mit der<br />

Hausarbeit vertraut gemacht wird<br />

Mutter und Tochter Schnabel<br />

um 1940<br />

Frauen - Arbeitswelten - 75<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 75 31.08.2009 14:17:42 Uhr


Brotbacken in Lichtenegg<br />

Waschtag in Bad Schönau<br />

76 - Arbeitswelten - Frauen<br />

unter Mithilfe der Enkelkinder<br />

von links: Anna, Karin und Markus Schuh<br />

1997<br />

Foto: Anna Schuh, Pengersdorf (Lichtenegg)<br />

von links: Barbara Holzgethan, Fr. Donaberger<br />

1950<br />

Foto: Reinhold Holzgethan, Bad Schönau<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 76 31.08.2009 14:17:43 Uhr


Holzarbeit in Hochneukirchen<br />

Beim Kaffeereiben in Zöbern<br />

drei Töchter des damaligen Bürgermeisters Johann Strobl<br />

um 1940<br />

Foto: Markus Wieser, Züggen (Hochneukirchen)<br />

Maria Mayerhofer<br />

1960<br />

Foto: Fam. Mayerhofer, Stübegg (Zöbern)<br />

Frauen - Arbeitswelten - 77<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 77 31.08.2009 14:17:44 Uhr


Fleischhauerei Grill in Scheiblingkirchen<br />

Im Kaolinwerk Zöbern am Förderband<br />

78 - Arbeitswelten - Frauen<br />

von links:<br />

Hr. Lechner,<br />

Konstanzia Grill und<br />

deren Schwester<br />

1960<br />

Foto: Elisabeth Grill,<br />

Scheiblingkirchen<br />

von links:<br />

Frieda Kager,<br />

Erna Alabauer<br />

1956<br />

Foto: Ernst Schlögl,<br />

Stübegg (Zöbern)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 78 31.08.2009 14:17:45 Uhr


Ziegelarbeiterinnen in Bad Erlach<br />

Papierfabrik Hamburger in Pitten<br />

in der Ziegelei Jahn (heutige Markusgasse)<br />

von links:<br />

Margaretha Schafranek, Fr. Brandstätter,<br />

Agnes Mitteregger, Fr. Lang,<br />

Leopoldine Doppelreiter, unbekanntes Kind<br />

um 1950<br />

Foto: Wilhelm Kovacs, Bad Erlach<br />

Im Sortiersaal wurden die<br />

erzeugten Papierblätter<br />

sortiert, gezählt und<br />

abgepackt.<br />

um 1925<br />

Foto: Museums- & Bildungsverein<br />

Pitten<br />

Frauen - Arbeitswelten - 79<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 79 31.08.2009 14:17:46 Uhr


Männer<br />

Historische Arbeitswelten von Männern<br />

sind oft solche, die es heute in Mittel- und<br />

Westeuropa kaum mehr gibt. Zum einen<br />

sind sie von schwerer körperlicher Arbeit<br />

geprägt gewesen, und oft stieg mit dem<br />

Grad der körperlichen Anstrengung auch<br />

der soziale Status. Nach Mechanisierung<br />

und Automatisierung von Arbeitswelten<br />

spielt die Körperkraft in der postmodernen<br />

Dienstleistungsgesellschaft allerdings<br />

nur mehr eine untergeordnete Rolle. Zum<br />

anderen sind viele Handwerksberufe, die<br />

nur von Männern ausgeübt wurden, inzwischen<br />

geradezu ausgestorben.<br />

Viele erinnern sich daher an die Schwerstarbeit,<br />

die Männer in früheren Zeiten in der<br />

Landwirtschaft, aber auch beim Straßenbau<br />

und als Handwerker verrichten mussten. Es wird von Berufen erzählt, die man heute nur mehr<br />

in einigen Museen erleben kann: den Wagner beispielsweise. Über Tätigkeiten, die nicht einmal mehr<br />

museal konserviert werden können, berichten auch einige: das Störgehen etwa. Schließlich kommen<br />

solche zu Wort, die prestigeträchtige Berufe ausgeübt haben, die lange Zeit oder immer noch ausschließlich<br />

Männern vorbehalten waren und sind: Ärzte und Priester.<br />

Die Fotos zeigen die Männer in ihren Domänen: im Bereich der Landwirtschaft als Fuhrwerker mit<br />

Pferdegespannen, Traktorfahrer, Betreuer der neu aufgekommenen Dreschmaschinen und vor allem<br />

auch bei der Waldarbeit – eine anstrengende und oft auch gefährliche Tätigkeit. Für die Gastwirte<br />

waren die Eiskeller sehr wichtig. Daher gab es auch in fast allen Gemeinden kleine Eisteiche. Auch an<br />

den Fotos der Zimmerer, Tischler und Wagner sieht man, dass es kaum Maschinen gab. Viele Bilder<br />

zeigen Männer beim Straßenbau. Mit der aufkommenden Motorisierung wurden die bisherigen Karrenwege<br />

durch Straßen ersetzt. Was damals viele Straßenbauarbeiter mit Krampen, Schaufeln und<br />

Scheibtruhen über Monate erledigten, schafft heute ein einziger Baggerfahrer in wenigen Tagen.<br />

80 - Arbeitswelten - Männer<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 80 31.08.2009 14:17:47 Uhr


» Die Männer haben Schwerstarbeit geleistet «<br />

Gertrude Schwarz, geb. 1930 in Walpersbach, Landwirtin<br />

Die Männer haben Schwerstarbeit geleistet. Einer musste das Korn auf den Boden tragen, ein<br />

Sack hatte mindestens fünfzig Kilo. Das hat kein Schwächling tun können, das hat ein starker<br />

Mann sein müssen. Vier Säcke sind an der Maschine drauf gewesen. Kaum dass ein Sack voll war,<br />

haben sie ihn wegbringen und auf den Hausboden tragen müssen. Aber mit dem Maschinenzeitalter,<br />

das dann angebrochen ist, ist für alle die Arbeit viel leichter geworden. Aber ihr sollt nicht<br />

glauben, dass es weniger geworden ist. Die Arbeit bleibt sie ist da und bleibt da.<br />

» beim Vater als Knecht eingestellt «<br />

Josef Riegler, geb. 1931 in Kirchschlag,<br />

Maurer, Bautechniker, Bankangestellter und Prokurist<br />

Der Vater ist 1889 geboren und die Mutter 1895. Von dieser Zeit her soll man das jetzt ein biss-<br />

chen aufrollen. Ich möchte vorausschicken, dass diese Zeit keine wunderbare Zeit war. Es war<br />

eine miese Zeit, und die Eltern haben sicher ganz schwierige Zeiten durchgemacht, um die Kinder<br />

großzuziehen. Der Vater war ein Bauernsohn, er war der Erstgeborene. Nun war es damals so,<br />

dass interessanterweise viele Bäuerinnen gestorben sind. Auch in unserer Familie war es so. Der<br />

Großvater hatte drei Frauen, dem Vater seine Mutter starb, und er musste sich wieder um eine<br />

Bäuerin umschauen. Aus dieser zweiten Ehe ging ebenfalls ein Kind hervor, und zwar eine Tochter.<br />

In der dritten Ehe sind noch zwei Buben zur Welt gekommen.<br />

Normalerweise wäre es so, dass der Erstgeborene immer den Hof übernehmen sollte. Aber in<br />

diesem Fall war es anders. Das ist sicher zur damaligen Zeit kein Einzelfall gewesen, sondern<br />

mehrfach vorgekommen. So hat der jüngste Sohn den Bauernhof übernommen. Mein Vater musste<br />

eigentlich ganz zeitig einer Arbeit nachgehen, um sich über die Runden zu bringen. Größtenteils<br />

war er eh beim Vater als Knecht eingestellt, aber später war er Tagelöhner und vor allem Pferdekutscher.<br />

Der Vater musste 1914 in den Krieg und kam 1918 zurück, aber ziemlich ausgebrannt.<br />

Er war krank und mehrere Monate in häuslicher Pflege, bis er sich wieder soweit erholt hatte, dass<br />

er einer Arbeit nachgehen konnte. 1927 hat er geheiratet und eine Familie gegründet. Der Vater<br />

ging dann wieder einer Arbeit nach, vielfach half er auf verschiedenen Bauernhöfen. Er ist in der<br />

Landwirtschaft aufgewachsen und hat natürlich die Arbeit in der Landwirtschaft bestens gekannt.<br />

Die Mutter war für den Haushalt da und praktisch für die Erziehung verantwortlich.<br />

Männer - Arbeitswelten - 81<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 81 31.08.2009 14:17:47 Uhr


» Ich bin praktisch auf die Stör gegangen «<br />

Anton Kerschbaumer, geb. 1926 in Thomasberg,<br />

verzog später nach Grimmenstein, Landarbeiter<br />

Nach der Schule war ich zu Hause, bin aber Schuhe flicken gegangen zu den Bauern; fünf, sechs<br />

Bauern hab ich gehabt. Das hab ich mir selber erlernt. Bei den Hausschustern hab ich mir dann<br />

schon allerhand abgeschaut. Ich bin praktisch auf die Stör gegangen. Ich hab die Schuhe gedoppelt<br />

und geflickt. Aber heute kannst ja nix mehr machen bei den Turnpatschen, die sind ja nur<br />

zusammengepickt. Die gehen auseinander, da hilft nix mehr.<br />

Dann bin ich beim Puchegger arbeiten gegangen. Der Alte hat gesagt: „Na hearst, oiwäu wüst<br />

eh ned dahoam bleiben. Du kriegst eh nix als wie a Pflichtteil!“ Arbeit haben sie beim Puchegger<br />

genug gehabt: Wirtschaft, Stallwirtschaft, Sau füttern, Kühe füttern, Stiere haben sie gezüchtet.<br />

Fünfzehn, sechzehn, siebzehn Viecher haben sie gehabt. Für mich war’s genug. Beim Vieh war ich<br />

allein. In der Früh und auf d‘ Nacht füttern, Sonntag auch. Nur hie und da hat es einen freien Tag<br />

gegeben.<br />

» mit der Bauernschläue «<br />

Josef Sinabell, geb. 1939 in Klingfurth (Gemeinde Walpersbach), Landwirt<br />

Später, als die Arbeitskräfte schon rarer wurden, haben wir zwei Paar Ochsen durch ein Paar<br />

Pferde ersetzt. Dieses Paar Pferde war in allem – beim Pflügen, beim Eggen, bei der Fahrt in den<br />

Wald um Brennholz – um so viel schneller, dass wir uns die Ochsen sparen konnten. Wobei,<br />

Ochsen sparen! Wir haben dann die Ochsen als Nebenerwerb gezüchtet, zur Schlachtung für den<br />

Fleischhauer. Hin und wieder mussten wir auch Ochsen kaufen, wenn die Jungen, die wir nachgezüchtet<br />

hatten, nicht zum Einspannen geeignet waren. Das kam auch vor. Dann machten wir uns<br />

auf den Weg, um Ochsen zu kaufen, in der halben Buckligen Welt. Sehr zeitig in der Früh fingen<br />

wir irgendwo an, der eine Bauer weiß den nächsten wieder, wo es etwas gibt.<br />

Einmal kauften wir nur zur Züchtung eine Kuh. In dem Stall, in dem wir waren, war sie eigentlich<br />

eine von den kleinsten Kühen. Ich sagte noch zu dem Bauern: „Die Kuh soll so gut sein? Die<br />

gibt so viel Milch?“ Sagt er: „Ja, die gibt mehr Milch als die größere, die wir da haben. Man soll<br />

es nicht glauben.“ Wir brachten diese Kuh dann nach Hause, am nächsten Tag die große Enttäuschung:<br />

Die hat nicht viel Milch gegeben. Jetzt sind wir natürlich gleich wieder zu dem Bauern<br />

gegangen und haben gesagt: „He! Sie haben gesagt, die gibt mehr Milch als die große da.“ – „Ja“,<br />

sagt er, „ich habe aber auch dazu gesagt: ‚Man soll es nicht glauben!‘“ Mit solchen Sachen, mit der<br />

Bauernschläue, wird man auch manchmal konfrontiert.<br />

82 - Arbeitswelten - Männer<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 82 31.08.2009 14:17:47 Uhr


» mit seinem Buckelkorb zu den einzelnen Bauernhöfen «<br />

Anna Ferner, geb. 1934 in Lichtenegg, lebt in Wiener Neustadt.<br />

Die folgende Erinnerung hat sie schriftlich festgehalten.<br />

Mein Vater war Landesproduktenhändler (Eier- und Buttersammler). Oft ging er schon um fünf<br />

Uhr früh mit seinem Buckelkorb zu den einzelnen Bauernhöfen. Eine besonders lange Strecke<br />

führte ihn von Lichtenegg zum „Maurer in der Leitn“ über Feichten, Kühbach nach Thal und sogar<br />

bis nach Aigen bei Kirchschlag. In Thal wurde beim Thalwirt Station gemacht. Die Eier, welche<br />

er bei den Bauern gesammelt hatte, wurden vom Buckelkorb in Kisten, in denen 360 Stück Platz<br />

hatten, umgeschlichtet. Dann ging es weiter zu den umliegenden Bauernhöfen. Die Kinder, die<br />

noch nicht zur Schule gingen, warteten schon immer sehnsüchtig auf ihn, weil er für sie jedes<br />

Mal Zuckerl bei sich hatte – für die Kinder damals eine Kostbarkeit! Er wurde aber auch überall<br />

freundlich empfangen und von den Bäuerinnen bewirtet.<br />

Während der Kriegszeit mussten die Eier abgeliefert werden. Wenn kein Schnee lag, kam ein<br />

Lieferwagen und holte die Produkte. Im Winter wurden die Kisten mit den Eiern mit einem Pferdeschlitten<br />

nach Kirchschlag gebracht.<br />

Einmal – ich war damals fünf oder sechs Jahre alt – durfte ich mitfahren. Das Problem war,<br />

dass es zwar starke Verwehungen gab, aber auf den Straßen wenig Schnee lag. So musste statt<br />

mit dem Schlitten mit einem Bretterwagen gefahren werden. Bei Aigen war die Straße verweht, so<br />

musste der Kutscher von der Straße weg und auf ein Feld fahren. Der Wagen sank auf einer Seite<br />

ein, die Pferde erschraken und gingen durch. Dabei fiel ich von vorne hinunter und blieb in den<br />

Seilen hängen. Der Kutscher brachte erst nach längerer Zeit die Pferde zum Stehen. Ich schrie<br />

vor Angst und beruhigte mich erst, als wir schon fast in Kirchschlag waren. Ich muss damals viele<br />

Schutzengel gehabt haben. Wäre ich nicht in den Seilen hängen geblieben, hätte mich der Wagen<br />

überfahren.<br />

» Die Wagnerei ist ein sehr interessanter Beruf «<br />

Josef Schabauer, geb. 1931 in Hollenthon, Wagnermeister und Mechaniker<br />

Die Wagnerei ist ein sehr interessanter Beruf. Denn man hat viele verschiedene Sachen ma-<br />

chen müssen: Räder für einen Wagen, das gibt’s heute nimmermehr. Denn wo gibt’s heute noch<br />

ein hölzernes Radl? Heute hat alles Gummibereifung. Wägen – einen Leiterwagen, Truhenwagen<br />

oder ein Handwagerl – hat man früher viel gebraucht. Denn die Kleinhäusler haben ja ihr Futter<br />

heimführen müssen. Für einen Pflug hat man Pfluggrindel machen müssen. Dann hat es für den<br />

Pflug auch einen Pfluggräter gegeben. Das ist das Gestell, wo der Pflug aufliegt. Es war auf jeden<br />

Fall eine sehr umfangreiche, interessante Arbeit.<br />

Männer - Arbeitswelten - 83<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 83 31.08.2009 14:17:47 Uhr


» Mein Vater als Steinmetz «<br />

Elfriede Hofer, geb. 1932 in Scheiblingkirchen, Fleischhauerin und Verkäuferin<br />

Mein Vater war Steinmetz und hat mich in seine Werkstätte mitgenommen. Da ist zum Bei-<br />

spiel auf einem Grabstein oder Monument die Gravur in Granit oder Marmor gewesen. Das hat<br />

mich wahnsinnig interessiert. Ich war sozusagen seine stille Hilfe, habe Werkzeug hingegeben.<br />

Die Gravur und das Vergolden waren eine unheimliche Prozedur. Aber das wäre heute für manche<br />

jungen Menschen ein Beruf: künstlerisch, kreativ, gleichzeitig wär’s ein Geld.<br />

Ich möchte auch sagen: Mein Vater war sehr genau. Und Blattgold auflegen war ja das Highlight.<br />

Von früher gibt’s noch viele Grabsteine, die ich mit meinem Vater mit Blattgold verziert habe. Er<br />

hat mich gelehrt, dieses Blattgold zu schlagen. Er hat mir alles erklärt und gezeigt und die Bücher<br />

dazu gehabt. Mit dem Pinsel ist das übertragen worden. Vorher hat man die Buchstaben total gut<br />

reinigen müssen, und dann ist es mit einem Öl, mit verschiedenen Pasten, bestrichen worden. Das<br />

ist eingetrocknet, und dann hast du das Blattgold mit einem Pinsel übertragen. Das ist dann mit<br />

einem Fischbein glatt gestrichen worden.<br />

» Für dreizehn Eier eine Nachgeburt «<br />

Walther Klem, geb. 1920 in Wien, nach 1945 Tierarzt in Kirchschlag<br />

In einem Haus in Steingraben habe ich einmal in der Nachkriegszeit eine Nachgeburt abgenom-<br />

men. Und der Bauer sagt: „Was sind wir schuldig?“ Ich habe damals gesagt: „Vierzig Schilling.“<br />

Er hatte aber kein Geld. Sag ich: „Ja Franz, hast du nicht ein paar Eier?“ Sagt er: „Ich habe schon<br />

so zehn Eier.“ Er gibt mir die und sagt wieder: „Was bin ich schuldig?“ – „Dreißig Schilling.“ Da<br />

gibt er mir noch drei Eier … Das werde ich nie vergessen, das Haus kenne ich heute noch, wenn<br />

ich vorbeifahre, denk ich immer daran. Für dreizehn Eier eine Nachgeburt.<br />

» Da habe ich eine abenteuerliche Geschichte «<br />

Gottfried Eysank, geb. 1920 in Wien, nach 1945 praktischer Arzt in Kirchschlag<br />

Damals, man kann sich das gar nicht vorstellen, sind wir mit dem Schlitten nach Pilgersdorf ins<br />

Burgenland hinuntergefahren, in der Nacht, wie der Schnee war. Es waren ja die Straßen so, dass<br />

fast keine Autos gefahren sind, weil einfach keine da waren. Und die Straßen waren hoch verschneit.<br />

Damals war von Schneepflügen keine Rede. Die anderen Wege waren holprige Straßen,<br />

84 - Arbeitswelten - Männer<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 84 31.08.2009 14:17:48 Uhr


von Asphalt keine Rede. Und so ist man halt als Landarzt da herumgefahren: mit dem Schlitten<br />

und mit den Pferden dahingaloppiert, wo es halt gegangen ist, und hat so die Patienten versorgt.<br />

Da haben wir allerhand erlebt. Das war ganz interessant.<br />

Da habe ich eine abenteuerliche Geschichte, aber ich muss sie wegen der Jugend sehr vorsichtig<br />

erzählen: Es war ein Sturm, ein fürchterlicher Sturm, da hat ein Tor zu wackeln angefangen,<br />

und daraufhin ist die Bäuerin dort hin und hat dieses Tor fixiert. Wie sie vom Tor weggehen will,<br />

kommt wieder eine Sturmböe und reißt das Tor heraus. Es fällt ihr auf den Rücken, rückwärts,<br />

und sie bricht sich einen Wirbel. Ab zum Doktor, röntgen, Wirbelbruch, aufgehängt. Früher hat<br />

man die Patienten aufhängen müssen. Da wurde der Kopf angehängt und die Wirbelsäule durchgebogen.<br />

Die Beine werden fixiert, dann richtet sich der gebrochene Wirbel durch den Zug wieder<br />

auf. Dann wird der Gips angelegt. Der Gips wird so angelegt, dass diese Stellung erhalten bleibt.<br />

Im Schambereich und im Rücken wird das gleichsam wie ein Mieder angelegt, dann wird das<br />

Ganze geputzt. Wenn er trocken ist, wird hinten noch ein Schlitz hinein gemacht, bei der Wirbelsäule<br />

ungefähr, und damit ist der Fall erledigt. Na, ich bestelle die Patientin am nächsten Tag, sie<br />

kommt, alles in Ordnung. Bestelle sie drei Tage später, vier Tage später, schauen wir wieder nach,<br />

schaue den Gips an, tadellos. Wie ich in eine andere Gegend schaue, die Druckstelle, war dort was<br />

weggeschnitten. Ich bin ins Wartezimmer hinaus, habe den anwesenden Ehegatten beschimpft:<br />

„Sie sind ein Mörder, Sie sind ein Verbrecher!“ Bei mir ist die Galle so hochgestiegen, dass sie<br />

übergegangen ist. Der war schüchtern, hat Reue gezeigt. Ich habe den Gips runtergenommen, sie<br />

wieder aufgehängt, einen neuen Gips raufgetan, das ist wunderbar geheilt. Sie ist über achtzig<br />

Jahre alt geworden und hat noch im hohen Alter die Milchkannen getragen. Also, es war geheilt.<br />

» Die Pittener gaben ihm den Namen ‚Schloss-Poldl‘ «<br />

Hans Pichler, geb. 1940 in Walpersbach, lebt jetzt in Hochwolkersdorf,<br />

Oberförster. Der folgende Text ist ein Auszug aus seinen in Arbeit<br />

befindlichen „Schlosserinnerungen“.<br />

Es war am 16. November 1957, als ich meinen Dienst als Forstgehilfe auf Schloss Pitten antrat.<br />

Meine zweijährige, befristete Forstpraktikumszeit bei der städtischen Forstverwaltung in Wiener<br />

Neustadt war am 16. November 1957 abgelaufen. Zu dieser Zeit wurde auf Schloss Pitten eine<br />

forstliche Hilfe zur Unterstützung des Forstverwalters, hauptsächlich für den Außendienst, gesucht.<br />

Der in meinem Heimatort Walpersbach tätige Oberförster Kohlmann, der das Revier Walpersbach<br />

für die Herrschaft Pitten leitete, hatte meinen beruflichen Einstieg auf Schloss Pitten<br />

erfolgreich befürwortet.<br />

Natürlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt, dass der Eigentümer ein Adeliger ist. Es war Leopold<br />

Alphons Habsburg-Lothringen-Lorraine. Mein Vorgesetzter, Forstverwalter Franz Handler, der<br />

Männer - Arbeitswelten - 85<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 85 31.08.2009 14:17:48 Uhr


mich damals in meinen Aufgabenbereich einführte, machte mich eindringlichst darauf aufmerk-<br />

sam, dass der Gutsherr mit „Kaiserliche Hoheit“ anzusprechen wäre. Mich, knapp siebzehnjähri-<br />

gen Burschen, erstaunte das sehr. Nie hätte ich mir gedacht, in diesem Zeitalter noch jemanden<br />

mit „Kaiserliche Hoheit“ anzusprechen. Es war nur kurz nach meinem Dienstantritt, als der Gutsherr<br />

auf seinem Besitz, Schloss Pitten, erschien. Mein Chef, Verwalter Handler, stellte mich ihm<br />

vor und ich begrüßte ihn zum ersten Mal mit „Kaiserliche Hoheit“.<br />

Nach Aussagen meines Chefs – Verwalter Handler – war unser Gutsherr Leopold Habsburg von<br />

der österreichischen Habsburgerdynastie so gut wie nicht anerkannt. Geschätzt wurde Leopold<br />

Habsburg jedoch in seiner neuen Heimat Pitten. Hier lebte er nach dem Motto: „Leben und leben<br />

lassen!“ Das war auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Leopold Habsburg zuvor fast<br />

sein ganzes Leben lang in ärmlichen Verhältnissen gelebt hatte. Die Pittener gaben ihm den Namen<br />

„Schloss-Poldl“, was meinen Gutsherrn überhaupt nicht störte. Zu mir sagte er eines Tages:<br />

„Herr Pichler, sagen Sie nicht ‚Kaiserliche Hoheit’ zu mir. Sagen Sie einfach ‚Herr Habsburg‘!“<br />

Doch das befolgte ich nicht.<br />

Er war in den Gaststätten von Pitten ein gern gesehener Gast. Seine Großzügigkeit war bekannt.<br />

So lud er immer wieder oft zu mehreren Lokalrunden ein. Allerdings kostete sein aufwändiger<br />

Lebensstil auch Geld, das erst erwirtschaftet werde musste. So hatte der Gutsverwalter Handler<br />

öfters seine liebe Not mit dem Gutsherrn. Es kam vor, dass Leopold Habsburg, ohne Absprache<br />

mit dem Verwalter, zum Sägewerksbesitzer Hammer nach Erlach ging, von diesem größere<br />

Summen Geld verlangte und mit dem Sägewerksbesitzer vereinbarte, dass dieser dafür Holz von<br />

seinem Forstbetrieb geliefert bekomme. Der ahnungslose Verwalter war dann immer wieder aufs<br />

Neue überrascht, wenn er vom Sägewerker Hammer gefragt wurde, wann denn nun endlich das<br />

versprochene Holz für das vorgestreckte Geld geliefert wird. Dieser Lebensstil war von den Erträgen<br />

der Forstwirtschaft alleine nicht zu finanzieren.<br />

Leider hatte unser Gutsherr nicht sehr lange die Möglichkeit, sein geerbtes Vermögen in vollen<br />

Zügen zu genießen. Im Dezember 1957 oder im Jänner 1958 reiste Leopold Habsburg wieder in<br />

die Vereinigten Staaten. Er war sehr krank und wollte von amerikanischen Ärzten wissen, wie<br />

schwer seine Krankheit sei und wie lange er noch zu leben habe. Bald nach seiner Ankunft in<br />

den USA bekam seine langjährige Lebensgefährtin Agathe von Planner die niederschmetternde<br />

telefonische Nachricht, dass Leopold Habsburg nur mehr wenige Monate zu leben habe. Leider<br />

stimmten die Prognosen der amerikanischen Ärzte. Leopold Habsburg starb am 14. März 1958<br />

im 62. Lebensjahr in Connecticut in den USA. Er wurde eingeäschert und seine Urne nach Pitten<br />

gebracht, wo sie im Schloss so lange aufbewahrt wurde, bis die Habsburgdynastie es gestattete,<br />

dass Leopold Habsburg seine letzte Ruhestätte in der Kapuzinergruft finden konnte.<br />

Heute erinnert die Straßenbenennung auf der Hofwiesensiedlung „Leopold-Lothringen-Straße“<br />

an den volksnahen, lebenslustigen und großzügigen Habsburger von Schloss Pitten.<br />

86 - Arbeitswelten - Männer<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 86 31.08.2009 14:17:48 Uhr


» und ich wollte Priester werden «<br />

Michael Hammer, geb. 1933 in Schlag (Gemeinde Bromberg), Pfarrer<br />

Mein Vater war überhaupt nicht begeistert. Er war Schuhmacher. Nach dem Krieg war es so-<br />

wieso schwierig für alle Handwerker, denn damals kam die maschinelle Umstellung. Mein Vater<br />

war also Schuhmacher, und er war nicht begeistert, dass ich gesagt habe: „Ich möchte studieren.“<br />

Eines freilich muss ich da auch dazu sagen: Dieses Studierenwollen hat etwas bedeutet. Das hat<br />

für uns Buben damals bedeutet, Priester zu werden. In einem einzigen Augenblick war die Idee<br />

mit dem Rauchfangkehrer verflogen – und ich wollte Priester werden.<br />

» bei der Tochter die Windeln gewaschen «<br />

Josef Giefing, geb. 1930 in Wiener Neustadt,<br />

lebt in Lanzenkirchen, Schlosser und ÖBB-Bediensteter<br />

Heute sagen sie: „Halbe-Halbe.“ Das hab ich schon lange gemacht. Ich hab genauso bei der<br />

Tochter die Windeln mit der Hand gewaschen, wenn sie voll waren, und hab sie ausgekocht, auf-<br />

gehängt und gebügelt. Das hab ich alles genauso gemacht. Na klar!<br />

Männer - Arbeitswelten - 87<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 87 31.08.2009 14:17:48 Uhr


Pflügen mit Pferden in Katzelsdorf<br />

Neuer Traktor in Scheiblingkirchen<br />

88 - Arbeitswelten - Männer<br />

Johann Hendling<br />

1938<br />

Foto: Friedrich Farkas,<br />

Katzelsdorf<br />

Franz Ungersböck<br />

1930<br />

Foto: Josef Schrammel,<br />

Gleißenfeld<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 88 31.08.2009 14:17:49 Uhr


Beim Mistausführen in Zöbern<br />

Ausführen der Jauche in Thomasberg<br />

Josef Punkl (vulgo Stoabauer)<br />

1955<br />

Foto: Fam. Punkl, Stübegg (Zöbern)<br />

mit Ochsenzager und<br />

Holzfass am Thalerhof<br />

der Familie Otterer in<br />

Hottmannsgraben<br />

um 1935<br />

Foto: Engelbert Ringhofer,<br />

Königsberg (Thomasberg)<br />

Männer - Arbeitswelten - 89<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 89 31.08.2009 14:17:51 Uhr


Dengeln der Sense in Wiesmath<br />

Labung in Warth<br />

90 - Arbeitswelten - Männer<br />

Patriz Rath<br />

1937<br />

Foto: Josef Rath, Kulm<br />

von links:<br />

Georg Plochberger, unbekannt<br />

1950<br />

Foto: Maria Senft, Wiesmath<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 90 31.08.2009 14:17:53 Uhr


Bindemäher in Thomasberg<br />

Waldarbeit in Hochwolkersdorf<br />

Die Hafergarben<br />

werden von den<br />

Bewohnern<br />

des Hauses Kletten 19<br />

zum Trocknen<br />

aufgestellt.<br />

1960<br />

Foto: Karl Pfneisl, Kletten<br />

von links:<br />

Martin Kabinger,<br />

Josef Kornfeld,<br />

Franz Zehetner<br />

mit Zugsäge<br />

und Hacke<br />

um 1960<br />

Foto: Gemeinde<br />

Hochwolkersdorf<br />

Männer - Arbeitswelten - 91<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 91 31.08.2009 14:17:55 Uhr


Holzarbeit in Olbersdorf<br />

Mobile Holzschneidemaschine in Seebenstein<br />

92 - Arbeitswelten - Männer<br />

Gemeinde Thomasberg<br />

von links: Franz Puchinger, Michael Blecha<br />

1954<br />

Foto: Franz Puchinger, Grimmenstein<br />

von links:<br />

Alois Treitler, unbekannt<br />

1940<br />

Foto: Irene Fritz, Seebenstein<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 92 31.08.2009 14:17:55 Uhr


Milchführer aus Hattmannsdorf<br />

Eistransport in Hochwolkersdorf<br />

Alois Kager<br />

(Kager auf der Höh)<br />

um 1955<br />

Foto: Markus Wieser,<br />

Züggen (Hochneukirchen)<br />

vom Eisteich zum<br />

Gasthaus Hammerl<br />

mit den<br />

Norikerpferden<br />

von links:<br />

Herbert Steiner,<br />

Josef Kornfeld<br />

(Briefträger)<br />

um 1960<br />

Foto: Gemeinde<br />

Hochwolkersdorf<br />

Männer - Arbeitswelten - 93<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 93 31.08.2009 14:17:58 Uhr


In der Zimmerei Seebenstein<br />

Zimmereibetrieb Karner in Gleißenfeld<br />

von links 1. Reihe: unbekannt, Franz Stocker, Anton Trimmel, Johann Piribauer, unbekannt<br />

2. Reihe: zwei unbekannt, Hr. Ofenböck<br />

94 - Arbeitswelten - Männer<br />

von links:<br />

unbekannt, unbekannt,<br />

Hans Depil sen.,<br />

Alois Winbüchler,<br />

Fritz Riegler,<br />

Hr. Trimmel sen.<br />

1930<br />

Foto: Erwin Fenz,<br />

Seebenstein<br />

eingemietet im<br />

Bauernhof Schlögl<br />

1930<br />

Foto: Pius Karner,<br />

Gleißenfeld (Scheiblingkirchen-Thernberg)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 94 31.08.2009 14:17:59 Uhr


Wirt aus Warth beim Weinkauf<br />

Fassbinder in Krumbach<br />

Foto: Walter Binder, Schäffern<br />

Transport mit LKW<br />

380er-Steyr<br />

von links:<br />

Georg Klampfer (Weinbauer),<br />

Hr. Gansterer (Wirt aus<br />

Warth), unbekannt<br />

um 1950<br />

von links: Karl Gamperl (Loipersdorf),<br />

Ernst Grünbauer (Elsenau),<br />

Karl Steghofer (Meister),<br />

Walter Binder (Halterbub aus Stübegg),<br />

Katharina Steghofer<br />

1947<br />

Foto: Karl Korntheuer, Edlitz<br />

Männer - Arbeitswelten - 95<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 95 31.08.2009 14:18:00 Uhr


Beim Kerzenziehen in Hochneukirchen<br />

Wagnerei in Seebenstein<br />

96 - Arbeitswelten - Männer<br />

Anton Schabauer<br />

(Grandltoni)<br />

Foto: Markus Wieser,<br />

Züggen (Hochneukirchen)<br />

Johann Kornfeld sen.<br />

stürmte 1917 als erster<br />

Soldat über den Isonzo<br />

und erhielt die goldene<br />

Tapferkeitsmedaille.<br />

Von 1919 bis 1938 war<br />

er Bürgermeister und<br />

Feuerwehrhauptmann<br />

von Seebenstein.<br />

um 1925<br />

Foto: Regina Lechner,<br />

Gleißenfeld<br />

(Scheiblingkirchen-Thernberg)<br />

von links: Geselle Josef, Johann Kornfeld jun., Maria Kornfeld, unbekannter Geselle, Wagnermeister Johann Kornfeld sen.<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 96 31.08.2009 14:18:02 Uhr<br />

1928


Hufschmiedearbeiten in Katzelsdorf<br />

Sattlerei in Erlach<br />

von links:<br />

Johann Tikowsky<br />

(Schmiedemeister),<br />

Franz Zehetner,<br />

Josef Steiger<br />

1937<br />

Foto: Gemeinde Katzelsdorf<br />

von links:<br />

unbekannt,<br />

Franz Wagner<br />

um 1938<br />

Foto: Wilhelm Hofer,<br />

Bad Erlach<br />

Männer - Arbeitswelten - 97<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 97 31.08.2009 14:18:05 Uhr


Schottergewinnung in der Leitha<br />

Bau der Panoramastraße Aigen – Kirchschlag<br />

98 - Arbeitswelten - Männer<br />

von links:<br />

Dominik Schwarz<br />

aus Frohsdorf und<br />

Franz Rehberger<br />

aus Schwarzenbach<br />

um 1950<br />

Foto: Herbert Swoboda,<br />

Lanzenkirchen<br />

von links:<br />

Josef Pichler,<br />

Ludwig Freiler,<br />

Hermann Geyer,<br />

unbekannt,<br />

Hr. Panzenböck,<br />

Ernst Ungerböck,<br />

Hr. Brandl, unbekannt<br />

1960<br />

Foto: Hermann Ungerböck,<br />

Bad Schönau<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 98 31.08.2009 14:18:06 Uhr


Bau der Platzbrücke in Schwarzenbach<br />

Straßenpflasterung in Hochneukirchen<br />

von links:<br />

Franz Weber,<br />

Hr. Kampichler,<br />

Michael Tritremmel,<br />

Franz Reisner,<br />

Josef Kleinrath,<br />

Josef Reisner,<br />

Karl Giefing,<br />

Michael Dutter<br />

um 1952<br />

Foto: Anna Dutter,<br />

Schwarzenbach<br />

Alois Weber (mit der<br />

Scheibtruhe fahrend)<br />

1957<br />

Foto: Markus Wieser,<br />

Züggen (Hochneukirchen)<br />

Männer - Arbeitswelten - 99<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 99 31.08.2009 14:18:07 Uhr


Wehrbau bei der Kraftfabrik in Warth<br />

Bau der Kienegger Straße<br />

100 - Arbeitswelten - Männer<br />

Foto: Anna Kogelbauer,<br />

Sauerbichl (Thomasberg)<br />

von links 1. Reihe: unbekannt, Matthias Lechner, Hr. Rinzner, unbekannt, Hr. Kager (Straßenmeister), unbekannt, unbekannt,<br />

Hr. Blecha, zwei unbekannt | 2. Reihe: Hr. Wedl, drei unbekannt, Peter Tagwerker, drei unbekannt, Hr. Jeitler, zwei unbekannt<br />

3. Reihe: Franz Krautschneider, drei unbekannt, Hr. Mautner, Franz Spenger, unbekannt, Hr. Hallbauer, fünf unbekannt,<br />

Josef Tagwerker<br />

um 1930<br />

Foto: Hugo Mika, Warth<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 100 31.08.2009 14:18:09 Uhr<br />

1934


Abbrucharbeiten in Bad Erlach<br />

Bau der Schlager Straße<br />

im Areal des ehemaligen<br />

Gasthauses<br />

Johann Fromwald<br />

(heutiges Gasthaus<br />

Mayerhofer)<br />

um 1952<br />

Foto: Johann Rädler, Bad Erlach<br />

Foto: Franz Fürst, Bromberg<br />

von links sitzend: Hr. Ulrich, vorne kniend Josef Vollnhofer (Vater von Propst Eberhard) | stehend: Hr. Graf, Johann Pammer,<br />

Johann Rosenberger, Peter Ofenböck (Koch mit weißer Haube), Josef Pammer, Alois Scherz aus Schlag,<br />

Schmiedemeister Hallbauer (mit Hut), Alois Schwarz vom Ziegelberg, unbekannt (Walzenführer)<br />

Arbeiter bei der Mittagspause<br />

vor der Bauhütte<br />

am Berghof<br />

1958<br />

Männer - Arbeitswelten - 101<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 101 31.08.2009 14:18:11 Uhr


Eisschneider am Eisteich in Erlach<br />

Besenbinder in Schwarzau<br />

102 - Arbeitswelten - Männer<br />

Jakob Lechner<br />

1937<br />

um 1920<br />

Foto: Franz Fuchs, Schwarzau am Steinfeld<br />

Foto: Wilhelm Hofer, Bad Erlach<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 102 31.08.2009 14:18:12 Uhr


Bäcker in Seebenstein<br />

Briefträger in Krumbach<br />

in der Backstube beim Bereiten des Teiges<br />

Franz Windbacher<br />

1965<br />

Foto: Maria Bauer, Seebenstein<br />

bei der Postzustellung vor<br />

dem Haidbauerhof<br />

Felix Bleier<br />

1965<br />

Foto: Volkmar Haberzettl,<br />

Katzelsdorf<br />

Männer - Arbeitswelten - 103<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 103 31.08.2009 14:18:15 Uhr


Paketzusteller in Kirchschlag<br />

Totengräber in Schwarzau<br />

104 - Arbeitswelten - Männer<br />

Eugen Lilpop<br />

1940er-Jahre<br />

Foto: Archiv Vollnhofer-Wanek,<br />

Kirchschlag<br />

Franz Jeitler<br />

um 1960<br />

Foto: Verena Fuchs,<br />

Schwarzau am Steinfeld<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 104 31.08.2009 14:18:16 Uhr


Alte Menschen<br />

Um die vorletzte Jahr-<br />

hundertwende betrug der<br />

Anteil der Menschen, die<br />

65 Jahre und älter waren,<br />

an der österreichischen<br />

Gesamtbevölkerung erst<br />

knapp über fünf Prozent,<br />

1951 waren es etwas mehr<br />

als zehn Prozent, heute<br />

sind es 17,1 Prozent.<br />

Dass ältere Menschen –<br />

heute nennt man sie unter<br />

anderem Seniorinnen und<br />

Senioren – gesamtgesellschaftlich<br />

und auch politisch zu einem Thema und zu einer relevanten Wählergröße geworden sind,<br />

hat mit dieser fortschreitenden Alterung der Gesellschaften in Mittel- und Westeuropa zu tun. Eine<br />

Pensionsvorsorge, die alten Menschen ihre Existenz und Unabhängigkeit sichert, wurde in Österreich<br />

umfassend erst in der Zweiten Republik etabliert. Viele alte Menschen, denen in ländlichen Räumen<br />

bestenfalls im Rahmen des Ausgedinges eine Grundversorgung (Wohnen, Nahrungsmittel und<br />

Kleider) zugesichert wurde, mussten daher Arbeitsleistungen für ihren Lebensunterhalt vollbringen.<br />

Von dieser Notwendigkeit wird auch in den wenigen Erzählungen aus der Buckligen Welt berichtet,<br />

die sich mit alten Menschen in früheren Zeiten befassen. Aber es ist ebenso davon die Rede, wie alte<br />

Menschen selbstverständlich in Arbeitsvorgänge integriert blieben.<br />

Auf den Fotos erscheinen ältere Menschen meistens schon sehr gebrechlich – gezeichnet von der<br />

schweren körperlichen Arbeit und der geringen medizinischen Betreuung. Diese wurde aus finanziellen<br />

Gründen nur dann in Anspruch genommen, wenn die altbewährten Hausmittel versagten.<br />

Typische Arbeiten für ältere Personen waren die Beaufsichtigung von Kleinkindern, leichte Holzarbeiten<br />

an der Heinzelbank, das Flechten von Körben und Simperln, das Spinnen der Schafwolle, das<br />

Besenbinden, das Füttern der Haustiere und die Beaufsichtigung von Ziegen und Schafen.<br />

Alte Menschen - Arbeitswelten - 105<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 105 31.08.2009 14:18:17 Uhr


» die hat ein bissel geschneidert «<br />

Johanna Trimmel, geb. 1928 in Bromberg, Landwirtin<br />

Unterm Krieg waren die Kleiderkarten und die Lebensmittelkarten. Wir haben eine alte Frau ge-<br />

habt, die hat ein bissel geschneidert, nur dass sie was zum Essen gehabt hat, weil sie alleinstehend<br />

und krank war. Wir haben einen Damenrock gemacht, dann eine Jacke dazu, ein Kostüm, auch<br />

ein Kleid. Und da hat sie ein bissel was draufgestickt.<br />

» Er hat ihr den Zahn nicht ziehen können «<br />

Franziska Ungerböck, geb. 1921 in Harmannsdorf (Gemeinde Hochneukirchen-<br />

Gschaidt), Näherin und Landarbeiterin. Der folgende Text ist ein Ausschnitt aus<br />

ihren 1993 niedergeschriebenen Lebenserinnerungen und ist unter anderem in<br />

der „Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“ aufbewahrt.<br />

Wir sind ja ganz in der Einschicht aufgewachsen. Hundert Meter weit weg waren unsere Nach-<br />

barn. Zu den Jungen sagten wir: „Nachbars Vetter und Moahm“, zu den Seniors: „Großvater und<br />

Großmutter“ – sie waren’s aber nicht! Da sind wir oft drüben gewesen. Auch wenn wir etwas angestellt<br />

hatten, haben wir uns hinübergeflüchtet.<br />

Nachbars Großvater hat den Leuten, wenn sie Zahnweh hatten, auch Zähne gezogen. Einmal<br />

waren wir gerade drüben, ist von Harmannsdorf die Metzner Resl zu ihm gekommen, einen Zahn<br />

reißen. Sie musste sich dabei auf einen Melkstuhl setzen. Als er den Zahn ziehen wollte, ist sie<br />

dabei immer aufgestanden. Er hat ihr den Zahn nicht ziehen können. Sie ist unverrichteter Dinge<br />

nach Hause. Ich sehe sie noch heute, wie sie damals fortging.<br />

Bei unserer Großmutter im Stübl wohnte auch unsere Tante Franziska. Sie hörte und sprach<br />

schlecht. Sie hatte sich als Kind, als sie Blindekuh spielten, Holzstäbchen ins Ohr gesteckt. Als<br />

sie niederfiel, hat sie sich eins ins Ohr gestoßen. Sie hat dann schlecht gehört und musste eine<br />

Sonderschule besuchen. Wir hatten sie sehr gerne. Dann war auch noch Tante Maria bei der Großmutter.<br />

106 - Arbeitswelten - Alte Menschen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 106 31.08.2009 14:18:17 Uhr


» Der alte Mann übersah mich «<br />

Karl Glatz, geb. 1916 in Frohsdorf (Gemeinde Lanzenkirchen), zog später nach<br />

Pitten und arbeitete als leitender Angestellter. Es folgt ein Ausschnitt aus seinen<br />

schriftlichen Erinnerungen, die er 1997 der „Dokumentation lebensgeschichtlicher<br />

Aufzeichnungen“ zukommen ließ.<br />

Nun muss ich nochmals auf meinen Großvater zurückkommen und zwar im Zusammenhang<br />

damit, dass er mir, natürlich unbeabsichtigt, beinahe den Schädel gespalten hätte. Das ereignete<br />

sich so: Es war in jener Zeit üblich, Bauholz, zum Beispiel für Dachstühle, nicht zu schneiden, sondern<br />

mit Hacke und Breitbeil zuzurichten. Hierzu wurde der zu bearbeitende Holzstamm auf zwei<br />

Holzblöcke gelegt und mit Eisenklampfen befestigt. Dann wurden die Längsseiten des Stammes<br />

mit einer großen Hacke grob ausgehackt. Anschließend erfolgte mit dem Breitbeil die Feinarbeit.<br />

Um hierbei eine gerade Linie zu erzielen, wurde eine dünne Schnur, nachdem man sie in einem<br />

Topf durch trockene, rote Farbe gezogen hatte, an beiden Enden des Stammes angelegt. Sodann<br />

wurde die straff gespannte Schnur etwas angehoben und ruckartig losgelassen, wodurch sie auf<br />

das Holz aufschlug und einen roten Strich hinterließ.<br />

Als ich etwa drei Jahre zählte, war mein Großvater mit einer solchen Arbeit im Hofe unseres Anwesens<br />

beschäftigt, während ich unter dem Holzstamm umherkroch und die Holzscharten (Späne)<br />

einsammelte beziehungsweise damit spielte. Der alte Mann übersah mich und traf mich mit<br />

dem scharfen Breitbeil mitten in der Stirn. Wäre es tiefer eingedrungen, ich säße jetzt nicht hier<br />

und schriebe. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass man mich sofort unter den Brunnen<br />

gehalten und das Blut abgewaschen hat. Geblieben ist eine kleine Narbe auf der Stirn, die heute<br />

noch zu sehen ist.<br />

Bald danach starb der Großvater – die Großmutter war schon vorher gestorben.<br />

» Sie hat auch auf einem Acker gewirtschaftet «<br />

Johann Schatzer, geb. 1918 in Pitten, Privatangestellter<br />

Pitten diente für unsere Familie zunächst nur für die Sommermonate als Erholungsort. Es gab<br />

hier Obst, es wurde Gemüse angebaut. Und meine Großmutter hat ja die ganze Zeit hier in die-<br />

sem Haus bis zu ihrem Tode gelebt. Um die soziale Situation zu schildern: Meine Großmutter ist<br />

84 Jahre alt geworden, sie war sehr früh Witwe geworden. Mein Großvater war Werkmeister bei<br />

Böhler in Kapfenberg und Werkmeister in einer Papierfabrik in Edlitz gewesen. Aber eine Pension<br />

hatte er nicht und hatte meine Großmutter auch nicht. Damals mussten die Eltern von den Kindern<br />

erhalten werden. Meine Großmutter war eine sehr bescheidene Frau und hat meinem Vater<br />

Alte Menschen - Arbeitswelten - 107<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 107 31.08.2009 14:18:17 Uhr


sicherlich keine große Belastung gebracht. Zum anderen hat sie hier Gemüse angebaut. Wir hat-<br />

ten einen Acker, der so halb unserer Familie gehörte. Sie hat auch auf einem Acker gewirtschaf-<br />

tet. Hühner waren da, Hasen waren da, also es gab eine gewisse Lebensgrundlage. Wenn man so<br />

bescheiden war wie diese Frau, konnte man schon durchkommen. Dann hat sie noch anderen<br />

Leuten geholfen, hat mitgearbeitet bei ihnen.<br />

» Wir brauchen keine Pension! «<br />

Anna Holzer, geb. 1911 in Schwarzau am Steinfeld, Köchin und Näherin<br />

Als wir in Neuhofen waren, bin ich bei einem Bauern gewesen. Die Frau ist mit den Dienstboten<br />

aufs Feld gegangen, und ich bin mit dem Bauer allein daheim gewesen. Hat er geschimpft: „Den<br />

Roten haben wir alles zu verdanken, dass eine Pension da ist. Aber zu was brauchen wir denn eine<br />

Pension? Wir brauchen keine Pension!“ Sag ich: „Hearst, Brand“, Brandstetter hat er geheißen,<br />

„was haben Sie denn getan mit den Dienstboten, wenn die krank waren oder wenn …“ Hat er<br />

gesagt: „Da haben wir sie ein jeder gehabt, acht Tage, ich habe sie gehabt, dann haben sie’s auf<br />

Ding raufgebracht, wieder acht Tage, wieder acht Tage dort bei dem Bauern.“ – „Mein Gott im<br />

Himmel“, habe ich gesagt, „wenn da eine krank gewesen ist, die ist ja gestorben, bei so einem Umeinanderschupfen.“<br />

Sagt er: „Wir haben’s allerweil so gemacht“ – und hat gelacht. Das werde ich<br />

nie vergessen. Hat er gelacht und gesagt: „Hab ich sie halt aufs Leiterwagerl gelegt, den Sautrog<br />

auffi, hab’s einigelegt. Und wie ich hingekommen bin, haben sie sich nimmer umdraht.“ Wissen<br />

Sie, was das heißt? Mein Lieber, so was vergisst man nimmer!<br />

» ich mach’s halt noch, derweil es noch geht «<br />

Maria Beiglböck, geb. 1926 in Harmannsdorf<br />

(Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt), Landwirtin in Offenegg<br />

Ich tu alle Woche backen. Was ich schon Brot gebacken hab, das könnte ich gar nicht erzählen.<br />

Ich hab einmal für den Wirt in Offenegg – die haben einmal ein Mostwirtshaus gehabt – in vier-<br />

zehn Tagen 140 Laib Brot gebacken. Aber in unseren Ofen gehen nicht mehr als zehn rein. Mein<br />

Bruder, der Peter, hat den Ofen gemauert. Ich hab den Ofen immer noch, ich hab noch keinen<br />

Elektroofen. Ich hab auch keine Knetmaschine, ich knete noch händisch. Das ist zwar viel Arbeit,<br />

aber ich mach’s halt noch, derweil es noch geht.<br />

108 - Arbeitswelten - Alte Menschen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 108 31.08.2009 14:18:17 Uhr


Neunzigjähriger Wegebauer in Edlitz<br />

Wagnermeister bei der Arbeit in Zöbern<br />

Mathäus Reisenbauer<br />

1998<br />

Foto: Familie<br />

Johann Reisenbauer, Edlitz<br />

von links:<br />

Robert Klenkhart,<br />

Jakob Pichlbauer<br />

1945<br />

Foto: Johann Simeth, Zöbern<br />

Alte Menschen - Arbeitswelten - 109<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 109 31.08.2009 14:18:18 Uhr


Beim Korbflechten in Bromberg<br />

Beaufsichtigung der Ziegen in Schwarzau<br />

110 - Arbeitswelten - Alte Menschen<br />

Michael Koglbauer<br />

um 1970<br />

Foto: Gregor Schauber,<br />

Stift Reichersberg<br />

von links:<br />

Theresia Öhler<br />

(geb. Blach),<br />

Maria Batz<br />

1941<br />

Foto: Verena Fuchs,<br />

Schwarzau<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 110 31.08.2009 14:18:20 Uhr


Beim Spinnen am Zottlhof in Warth<br />

Fr. Kerschbaumer<br />

1930er-Jahre<br />

Foto: Josef Flonner, Bromberg<br />

Beim Füttern des Mastschweines in Grimmenstein<br />

Maria Kager<br />

1949<br />

Foto: Elisabeth Turner,<br />

Grimmenstein<br />

Alte Menschen - Arbeitswelten - 111<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 111 31.08.2009 14:18:21 Uhr


Großmutter mit Enkelkindern in Bad Schönau<br />

Der Opa beim Kinderhüten in Warth<br />

112 - Arbeitswelten - Alte Menschen<br />

von links:<br />

Markus Ungersböck mit Enkelkind Hansi<br />

1937<br />

Foto: Johann Ungersböck, Petersbaumgarten<br />

vor der Küchentür<br />

von links:<br />

Peter, Mathias, Anna,<br />

Walter und Michael Dorner<br />

1943<br />

Foto: Michael Dorner, Schlägen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 112 31.08.2009 14:18:21 Uhr


Fremde – in der Fremde<br />

Nicht erst in der allerjüngsten Vergangen-<br />

heit sind Mobilität und Migration Massen-<br />

phänomene in Österreich. Im Zuge des ge-<br />

samten 20. Jahrhunderts sind Menschen<br />

„aus der Fremde“ – freiwillig und unfreiwillig<br />

– gekommen, um unter anderem in der<br />

Buckligen Welt zu arbeiten. Zugleich haben<br />

Menschen immer auch die Region verlassen,<br />

um andernorts ihr Auskommen und<br />

vielleicht eine neue Heimat zu finden. Insbesondere<br />

im Zuge der Wirtschaftskrise in<br />

den 1930er-Jahren und im Zuge der Auswirkungen<br />

des Nationalsozialismus und des<br />

Zweiten Weltkriegs haben Menschen ihre<br />

Heimat verlassen, oft verlassen müssen.<br />

Wobei „Fremde“ und „Fremder“ immer relativ<br />

ist. Fremd können auch schon die Großstadt<br />

oder „die Großstädter“ und zuweilen<br />

auch das nächste Dorf sein.<br />

Zahlreiche ältere Menschen erinnern sich an<br />

die vielen „Fremden“, die noch in der Zwischenkriegszeit<br />

von Haus zu Haus, von Hof<br />

zu Hof zogen, um sich Kost und Quartier oder ein wenig Geld zu verdienen. Andere erzählen über<br />

die vielen in der NS-Zeit zur Arbeit gezwungenen Kriegsgefangenen und verschleppten sogenannten<br />

„Ostarbeiterinnen“, mit denen zum Teil freundschaftliche Beziehungen bis heute bestehen. Wieder<br />

andere berichten über ihre Erfahrungen außerhalb der Buckligen Welt, unter anderem in der Zeit des<br />

Nationalsozialismus. Einige hat es in den 1950er-Jahren sogar bis nach Australien verschlagen.<br />

Wenn man den Fotos glaubt, haben viele Sommerfrischler bei verschiedenen Arbeiten ihrer Quartiergeber<br />

mitgeholfen. Allerdings tragen sie zuweilen eine eher unpassende Kleidung. Es scheint, als<br />

haben manche Sommerfrischler die Arbeit für ein Erinnerungsfoto vorgetäuscht. Zahlreiche Aufnahmen<br />

existieren von den sogenannten Fremdarbeitern im Zweiten Weltkrieg. Viele von ihnen wurden<br />

in ihren Familien gut aufgenommen, obwohl das von den politisch Verantwortlichen gar nicht gern<br />

gesehen wurde.<br />

Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 113<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 113 31.08.2009 14:18:22 Uhr


» Höhepunkte waren, wenn fremde Leute kamen «<br />

Ernestine Holzbauer, geb. 1935 in Krumbach, Büroangestellte.<br />

Den folgenden Text hat sie 2008 niedergeschrieben.<br />

Meine Eltern und ich lebten bis 1946 bei den Großeltern in der „Sägemühle“ (Gemeinde Krum-<br />

bach). Sägemühle deshalb, weil es dort neben einem Gasthaus mit einer Fleischhauerei und einer<br />

Landwirtschaft auch eine Mühle und ein Sägewerk gab. Eigentlich hieß die Rotte „Löder“. Die<br />

Landwirtschaft und das Gasthaus waren von meinen Großeltern Alois und Theresia Gremel gepachtet.<br />

Trotz Krieg und sehr bescheidenen Verhältnissen hatte ich eine schöne Kindheit. Es gab<br />

in der Nachbarschaft viele Kinder, und nachdem wir uns immer selbst überlassen waren – die<br />

Väter im Krieg, die Mütter auf den Feldern –,waren wir immer im Rudel unterwegs.<br />

Höhepunkte waren, wenn fremde Leute kamen, zum Beispiel Bosniaken mit ihren riesigen<br />

Bauchläden. Man konnte dort vom Schuhband über Rasierklingen bis zum Schmuck so ziemlich<br />

alles erwerben. Ich erinnere mich noch sehr genau an ein Paar Goldringe – tropfenförmig mit<br />

blauem Stein. Ich bettelte meine Mutter an, sie zu kaufen – ohne Erfolg. Unser Dienstmädchen,<br />

die Grete, kaufte sie. Am nächsten Tag kam sie mit kohlschwarzen Ohrringen daher, das Gold hatte<br />

sich über Nacht in Nichts aufgelöst. Vor jedem Tragen wurden diese Ohrringe dann mit Sidol<br />

poliert.<br />

In ebenfalls guter Erinnerung sind mir noch die sogenannten „Fechter“ oder „Umageher“. Das<br />

waren meist ehemalige Knechte oder Mägde, die aufgrund ihres Alters oder wegen eines Gebrechens<br />

von ihrem Hof weggeschickt worden waren. Sie gingen von Bauernhaus zu Bauernhaus,<br />

manche Häuser ließen sie allerdings aus, weil sie dort nichts „erwarteten“. Sie erbettelten sich<br />

Essen und ein Nachtquartier. Nachdem meine Großmutter dafür bekannt war, dass sie jedem, der<br />

anklopfte, etwas gab, war halt fast jeden Tag ein Fechter bei ihr zu Gast. In der Küche stand etwas<br />

abseits ein Tisch mit ein paar Sesseln, an dem diese Leute ihre Suppe löffelten. Das war der Fechtertisch.<br />

Abseits mussten sie deshalb sitzen, weil sie meist Flöhe hatten. Manche dieser Umageher<br />

und Fechter wussten sehr viel von der Welt draußen zu erzählen, wenn auch ihre Geschichten<br />

nicht immer der Wahrheit entsprachen. Nachtquartier bekamen sie im Stall, in der Strohhütte<br />

oder auf dem Heuboden. Vorher nahm ihnen Großvater aber sämtliche Zünder ab, damit sie das<br />

Haus nicht durch einen Brand gefährden konnten.<br />

Vom Burgenland kamen immer wieder Händler mit ihren Pferdewagen. Wir nannten sie einheitlich<br />

„Krowoden“, auch wenn sie vielleicht nicht immer der Volksgruppe der Kroaten angehörten.<br />

Sie brachten Körbe, riesige Siebe zum Reinigen des Getreides und allerlei Kleingeräte für<br />

den Haushalt mit. Viele Waren befestigten sie an den Außenwänden ihrer Planwagen, man konnte<br />

von weitem schon das Scheppern hören. Meist waren diese Familien auch Scherenschleifer oder<br />

Kesselflicker. Diesen fahrenden Händlern wurde aber auch nachgesagt, dass sie durchaus „manch<br />

loses Gut“ aus den Häusern ohne Bezahlung mitgehen ließen, besonders beliebt waren Hühner.<br />

114 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 114 31.08.2009 14:18:22 Uhr


Die „Lumpensammler“, auch „Hadernsammler“ genannt, zogen durchs Land und machten sich<br />

durch lautes Rufen bemerkbar: „Lumpn, Hosnheitl, d’ Lumpensammler san do!“ Sie sammelten<br />

Rohstoffe für die Papier- und Ledererzeugung.<br />

Durch die Motorisierung endete die Zeit dieser Wanderhändler sehr rasch in den 1960er-Jahren.<br />

Manche Umageher und Fechter konnte man aber noch in den 1990er-Jahren beobachten, so<br />

den „Dübelmann“, der zahlreiche große Talgwucherungen am Kopf hatte, und den „Blumenmann<br />

oder Blumenhansl“, der mit zahlreichen Kunstblumen seine Kleidung verzierte.<br />

» aus dem Burgenland und fallweise auch aus Ungarn «<br />

Alois Mayerhofer, geb. 1921 in Wiesmath, Landwirt. Der folgende Text ist ein Ausschnitt<br />

aus seinem Buch „Erinnerungen. Beiträge und Gedichte eines Brautführers<br />

und Mundartdichters aus der Buckligen Welt.“ Kirchschlag (Mayrhofer) 2004.<br />

Als Halterbuben holte man sich fünfzehn- bis zwanzigjährige Jugendliche aus dem Burgenland<br />

und fallweise auch aus Ungarn. Besonders aus den kroatischen und ungarischen Gemeinden ka-<br />

men viele, um „Deutsch“ zu lernen. So wurden auch Mädchen aufgenommen, die aber haupt-<br />

sächlich im Haushalt mithelfen mussten. Während die Halterbuben meistens im Stall schliefen,<br />

hatten die Mädchen ihre Schlafstelle in einem Tischbett in der Küche. Die Halterbubenmärkte in<br />

den größeren Gemeinden, wie zum Beispiel Kirchschlag, sollen nicht unerwähnt bleiben.<br />

Dass es mit der Sprache anfangs Verständigungsschwierigkeiten gab, ist verständlich. Diese<br />

Dienstboten hatten ihr eigenes Geschirr, Besteck und Handtücher. Obwohl wir uns mit ihnen viel<br />

befasst und bei Spielen mitgetan haben, blieb das Heimweh nicht ganz aus. Die Tiere kannten ihren<br />

Hüter bald sehr gut und folgten seinen Rufen. Da unser Weidegebiet im Tal lag, kam der Widerhall<br />

der gegenüberliegenden nachbarlichen Leiten sehr gut zum Ausdruck. Unser Kühhüter hatte mit denen<br />

der Nachbarn Kontakt aufgenommen, und so ging der Wechselgesang los. Dass man das fremde<br />

Sprachengelalle oft nicht verstehen konnte, liegt auf der Hand. Auch ich habe ein kroatisches Lied<br />

mitgelernt. Und wenn ich gut aufgelegt bin, singe ich es der heutigen Generation vor.<br />

» Das war eine schwierige Zeit «<br />

Anton Pollak, geb. 1924 in Krumbach, Maurer<br />

Wo heute das Ringhofer-Haus ist, waren auch Juden. Das war ein Geschäftshaus. Und wo heute<br />

das Gemeindehaus ist: Das hat dem Fritz Blum gehört, er lebt in Paris. Er ist der Einzige, der über<br />

Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 115<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 115 31.08.2009 14:18:22 Uhr


geblieben ist. Den Rudi und die Isi haben sie erschossen, die sind alle verschwunden. Genauso<br />

wie die Zigeuner! Zu uns sind viele Zigeuner gekommen und waren über Nacht da. Ganze Rudel<br />

von Zigeunern sind geblieben bei uns über Nacht. Im Stall haben sie geschlafen und dort, wo wir<br />

Drischel gedroschen haben. Uns ist nie was von den Zigeunern gestohlen worden. Einen Häfen<br />

voller Milchsuppe und ein Brot haben sie gekriegt. Das haben sie sich aufgeteilt und gegessen.<br />

Dann sind sie wieder gegangen. So war das.<br />

Auch die Arbeitslosen waren damals in den 1930er-Jahren ganz arm. Ganze Gruppen von Ternitz<br />

sind unterwegs gewesen und haben einmal eine Musikkapelle zusammengestellt. Sie sind von<br />

Haus zu Haus gegangen und haben ein paar Stückeln gespielt, damit man ihnen was zu essen gibt.<br />

So schwierige Zeiten waren das. Sie waren ausgesteuert, haben keine Unterstützung gekriegt, die<br />

waren auf freien Fuß gestellt. Das war eine schwierige Zeit. So ist das halt gelaufen. Das war für<br />

die Nazis eine wahnsinnige Propaganda. Aber wie die dann gewirtschaftet haben: alles auf Kriegsaufbau!<br />

Zum Beispiel hat es eine Zeit gegeben: Wenn du fünfzig deutsche Mark eingezahlt hast,<br />

haben sie dir versprochen, dass du in neun Monaten oder so einen VW kriegst. Aber alles Geld ist<br />

verschwunden. Kein Mensch hat einen gekriegt, das Geld ist alles in die Rüstung gekommen. Kein<br />

Mensch hat ein Auto gekriegt! Und so ist das weitergegangen.<br />

» Die Franzosen kommen «<br />

Margarete Braunstorfer, geb. 1934 in Wiesmath, Kauffrau<br />

Dann hat es geheißen: „Die Franzosen kommen!“ Da waren wir als Kinder ganz aufgeregt. Die<br />

haben sie in dem Jud-Haus einquartiert. Die Gemeinde hat ja alle Judenhäuser bekommen. In<br />

den großen Geschäftsraum sind 1940 oder 1941 die Franzosen hineingekommen, 20 oder 25. Ein<br />

Nachbar war Aufseher von den Franzosen, und die Franzosen haben in diesem Raum schlafen<br />

dürfen. Dort haben sie lauter Feldbetten gehabt, wie man’s halt unter dem Krieg gehabt hat. Die<br />

sind dann in der Früh arbeiten gegangen, und am Abend haben sie wieder in dem Jud-Haus sein<br />

müssen. Denn der hat die in der Nacht beaufsichtigen müssen, dass keiner geflüchtet ist.<br />

Die Franzosen sind dann aber 1943 oder 1944 zu den Bauern gekommen. Da haben sie keine<br />

Aufseher mehr gehabt. Da haben ja alle einrücken müssen, auch die Menschen mit den gefrorenen<br />

Füßen. Das war ihnen egal. Da sind also die Franzosen zu den Bauern gekommen. Und dann<br />

sind auch schon die ersten Polen gekommen und die Russen, die Gefangenen. Wir haben einen<br />

Polen gehabt. Die haben sie dann zugeteilt, wenn eine alleinstehende Frau war, oder wenn ältere<br />

Leute waren. Die haben alle einen Polen gekriegt oder eine Russin. Wir haben hier sehr viele Polen<br />

gehabt. Ein junger Pole, das war ja ein kleiner und ein lieber Kerl, hat sich sofort den Burschen<br />

angeschlossen. Den haben sie wirklich gern gehabt. Und vis-à-vis zum Nachbarn ist eine Russin<br />

116 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 116 31.08.2009 14:18:22 Uhr


gekommen, die hat überhaupt nicht Deutsch gekonnt und hat nur geweint. Da hat meine Mutter<br />

gesagt: „Weißt du was? Gehst ummi und redest mit ihr ein bissel.“ Weil für die Kinder haben sie<br />

recht viel übrig gehabt. Die hat dann so ein Zutrauen gekriegt und hat ganz langsam angefangen<br />

Deutsch zu lernen. Ich war damals in der dritten Volksschulklasse. Da haben wir gestrickt. Und<br />

dann hat sie mir gesagt, sie möchte das auch lernen, sie möchte sich einen Pullover stricken. Das<br />

weiß ich noch. Jeden Tag am Abend hat sie zur Mutter herübergehen dürfen, denn untertags durfte<br />

sie ja nicht fortgehen. Die ersten zehn Zeilen waren wie gepanzert, so fest hat sie gestrickt. Mit<br />

der Zeit hat sie das dann so gut können und hat sich wirklich einen Pullover gestrickt. Das war die<br />

Russin.<br />

» Dann haben sie sie mitgenommen «<br />

Maria Lechner, geb. 1920 in Petersbaumgarten (Gemeinde Warth), Landwirtin<br />

Im Krieg hatten wir eine Ukrainerin, die ganz brav und fleißig war. Sie war anstatt ihres Bruders<br />

gefahren. Der Bruder hätte fahren sollen, aber sie hat gesagt: „Na, ich fahre auf ein paar Monate.“<br />

Derweil hat das Jahre gedauert. Sie war dann schwanger von einem anderen Ukrainer, der beim<br />

Steinbauer war. Sie wollte da bleiben, jetzt hat sie sich immer im Wald versteckt. Wir haben ihr<br />

Brot mitgegeben. Irgendwer muss sie verraten haben. Dann haben sie sie mitgenommen.<br />

» Warum Hanka nicht schreibt? «<br />

Gisela Haberhofer, geb. 1928 in Hochwolkersdorf, Landwirtin.<br />

Der folgende Text ist ihren schriftlichen Lebenserinnerungen entnommen.<br />

Die beiden Ukrainerinnen Hanka und Stasi wurden uns im Sommer 1941 in mein Elternhaus<br />

gebracht. Sie wurden von den damaligen Behörden als Arbeitskräfte zugeteilt. Stasi brauchten wir<br />

für die Feldarbeit. Hanka, etwa vierzehn Jahre alt, war mit den Kühen und Kälbern beschäftigt.<br />

Dazu gehörte auch, mit ihnen vormittags und nachmittags für jeweils drei Stunden auf die Weide<br />

zu gehen. Stasi arbeitete fleißig, war aber nicht für Gespräche zu haben. Sie war eher verschlossen<br />

und konnte sich nicht so schnell an die Fremde und uns gewöhnen. Hanka war fröhlicher, wollte<br />

alles wissen und kam auch mit unserer Sprache ganz gut zurecht. Nach ein paar Monaten konnte<br />

man schon sehr verständlich mit ihr reden. Gegessen haben wir immer gemeinsam. Zum Schlafen<br />

hatten die beiden ein Zimmer neben unserem Mädchenzimmer. So konnte im Winter für sie<br />

mitgeheizt werden. Zu Weihnachten bekamen auch sie, soweit dies in der Kriegszeit möglich war,<br />

Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 117<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 117 31.08.2009 14:18:22 Uhr


Geschenke. Noch heute spricht Hanka von dem schönen roten Kleid, welches unsere Mutter ihr<br />

schenkte.<br />

Sie sagte uns, dass sie in Lemberg geboren sei. Eine Schule besuchte sie nie, sie hat weder ihre<br />

Mutter noch sonstige Angehörige je gesehen. Daher war sie sehr anhänglich und wünschte sich,<br />

dass unsere Mutter auch die ihre sein könnte. Die Tiere waren ihre Lieblinge. Katzen und Kälber<br />

hatte sie besonders gern. Wurde ein Kalb verkauft, weinte sie immer. Von unserem Vater hielt sie<br />

sich gern ein wenig abseits. Einmal schlief sie auf der Weide ein und die Kühe waren auf dem Haferfeld.<br />

Vater sah es, ging hinüber und weckte Hanka auf. Sie war sehr erschrocken und meinte,<br />

Vater würde sie schlagen. Es war aber nicht so. Er sagte ihr, sie solle besser auf die Kühe schauen<br />

und statt zu schlafen lieber auf der Mundharmonika spielen, die er ihr auch später gab. Diese Begebenheit<br />

hat sie bis heute nicht vergessen.<br />

So gingen die schrecklichen Kriegsjahre dahin. Viele Familien verloren Väter, Söhne oder nahe<br />

Angehörige. Unsere Arbeitskräfte aus der Ukraine blieben im Haus und versorgten mit uns den<br />

Bauernhof. Am Ostermontag, 2. April 1945, mussten wir erleben, was es heißt, mitten in der Front<br />

zu leben und mit Gottes Hilfe zu überleben. Unsere Arbeiter aus dem Osten wollten in ihre Heimatorte<br />

zurück. Sie gingen und mussten mit den russischen Militärfahrzeugen mitfahren. Weg<br />

waren sie.<br />

Die Jahre nach dem Krieg waren nicht leicht. An Hanka Symcitsch, wie ihr voller Name war,<br />

dachten wir oft. Sie war so anhänglich gewesen, und wir konnten mit ihr gut sprechen. Unsere<br />

Mutter wartete immer, und oft meinte sie: „Warum Hanka nicht schreibt?“ Diese hatte das des<br />

Öfteren probiert, doch kein Brief kam durch. Erst unter Präsident Gorbatschow gingen Briefe ins<br />

Ausland. Das erste Schreiben von Hanka kam am 22. Oktober 1985 in mein Elternhaus. Es war<br />

der erste Tag nach dem Tod unserer guten Mutter. Wir schrieben ihr einen langen Brief zurück.<br />

Sie freute sich so sehr, dass sie damit in ihrem Dorf auf die Straße lief und vor Freude lachte und<br />

weinte. Eine Lehrerin übersetzte für sie, so konnten wir schriftlichen Kontakt aufbauen.<br />

Meine Schwester Anna bekam zu ihrem 60. Geburtstag im Jahr 1987 von ihrer Familie eine<br />

Russlandreise geschenkt. Mit einer Reisegruppe flogen sie und ihr Mann Fritz nach Moskau und<br />

St. Petersburg. Eine gut deutsch sprechende Reiseleiterin brachte die Gruppe zu vielen Sehenswürdigkeiten<br />

dieser beiden Städte. Meine Schwester fragte die Reiseleiterin, ob sie nicht Hanka<br />

treffen könne, sie wohne nur zirka zwanzig Kilometer von Moskau entfernt. Die Frau half Anna,<br />

ein Telegramm zu schicken. Hanka kam dann tatsächlich ins Hotel. Nach 42 Jahren sahen sie einander<br />

– Anna und Hanka erkannten sich sofort. Die Einladung zum Essen lehnte sie ab – Hanka<br />

konnte vor Aufregung nichts essen. Beim Abschied ging sie mit zum Bus, sie weinte so viel und<br />

die ganze Reisegruppe mit ihr.<br />

In Russland wurden die Bedingungen für eine Ausreise etwas lockerer. Wir konnten Hanka eine<br />

Einladung schicken. Damit übernahmen wir die Verpflichtung, sie für die Zeit ihres Aufenthaltes<br />

mit allem Notwendigen zu versorgen. So konnte sie 1988 das erste Mal wieder nach Österreich<br />

118 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 118 31.08.2009 14:18:22 Uhr


kommen. 44 Stunden saß sie dafür im Zug. Anna und Fritz holten sie um sieben Uhr früh vom<br />

Bahnhof ab und brachten sie nach Hochwolkersdorf. Sie konnte es kaum fassen, dass nun Wirk-<br />

lichkeit war, worauf sie all die Jahre gehofft hatte. Unsere Sprache hatte sie nicht verlernt, sie<br />

hat mit ihren Ziegen immer deutsch gesprochen. Essen wollte sie so gerne Knödel, Schmarren,<br />

Schöberl und Verschiedenes, das unsere Mutter gekocht hatte, als Hanka noch Arbeiterin bei uns<br />

gewesen war. Sie erzählte viel aus ihrem Leben. Oft hätte sie uns geschrieben, doch alle Briefe<br />

waren zurückgekommen.<br />

Hanka konnte in den folgenden Jahren noch zehn Mal nach Österreich kommen. Sie brachte<br />

einmal ihre Tochter Tamara, einmal Sohn Viktor, einmal Schwiegersohn Jevgeni mit. Ihre Enkelinnen<br />

Irina und ein anderes Mal Natascha waren auch schon da.<br />

» Wenn du die Hamsterer gesehen hast, mein Lieber! «<br />

Josef Flasch, geb. 1936 in Pichl (Gemeinde Zöbern), Landwirt<br />

Dann war halt die Hamsterzeit. Schon während des Krieges und vor allem nach dem Krieg sind<br />

sie oft von Wien gekommen. Die Wiener waren vor dem Krieg ja Sommergäste gewesen. Jetzt<br />

kamen sie hamstern. Die waren froh, wenn sie einen ordentlichen Erdäpfelsterz zum Essen bekamen,<br />

Fleisch war eh eine Rarität. Und bei den Bauern war’s dann oft so: Als die erste Ernte gewesen<br />

ist, im 1945er-Jahr, sind oft die Leute von der Stadt gekommen und haben Ähren geklaubt,<br />

nämlich die Ähren, die runtergefallen sind. Die haben sie ausgeklopft. Wenn du die Hamsterer<br />

gesehen hast, mein Lieber! Da sind sie zur Mühle mit dem, was sie gesammelt haben, und haben<br />

dem Müller fünf, sechs Kilo Körndln gegeben. Dafür haben sie zwei Kilo Mehl gekriegt, damit sie<br />

was zum Essen gehabt haben. Oder zu den Bauern sind sie gekommen um Eier oder eine Henne.<br />

Da hat einer mal eine Kreissäge dafür gekriegt. Hat ein Hamsterer eine Kreissäge hergegeben,<br />

damit er eine schöne Henne kriegt. Wenn es eine junge gewesen ist, ist es eh gut gewesen, aber<br />

wenn’s eine dreijährige war, war sie schon zach. Oder Katzen haben wir als Kinder den Russen<br />

verkauft, Schädel weggeschnitten und gesagt: „Das ist ein Hase.“ Die Leute haben früher alles<br />

gegessen in der Not. Das glaubt man heute nicht, aber das war so.<br />

Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 119<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 119 31.08.2009 14:18:23 Uhr


» aus meiner Heimat verschleppt «<br />

Josef Starosta, geb. 1924 in Olszowa (Polen), wohnte in Krumbach, Maurer.<br />

Den folgenden Text hat er kurz vor seinem Tod 1995 geschrieben.<br />

Im Juli 1940 wurde ich sechzehnjährig aus meiner Heimat verschleppt und in ein Sammellager<br />

gebracht. Von dort wurde ich mit zirka vierhundert Personen nach Österreich ins Lager Manners-<br />

dorf-Sommerein überstellt, wo ich als Hilfsarbeiter eingesetzt wurde. Da ich noch Jugendlicher<br />

war, wurde ich Bauern zugeteilt. Ich kam nach Hattmannsdorf bei Hochneukirchen zum Landwirt<br />

Edelhofer. Dort war ich zwei Jahre im Dienst. 1942 kam ich nach Krumbach und wurde von Familie<br />

Schandlbauer als Pferde-Stallbursche und Landwirtschaftsarbeiter aufgenommen, wo ich die<br />

restlichen Jahre verblieb.<br />

Im April 1945 war Krumbach Durchzugsgebiet von Flüchtlingen. Die Angst vor den nachkommenden<br />

Russen war so groß, dass unser Markt von vielen Einwohnern verlassen wurde, die ich<br />

im Auftrag von Herrn Schandlbauer in höher gelegene Bauernhöfe bringen musste. Im alten Gemeindehaus<br />

wurde die Kommandantur der Russen eingerichtet, und ich wurde von der Gemeinde<br />

aufgefordert, für sie zu dolmetschen. Das war eine harte Zeit für Krumbach, da es Brandstiftungen<br />

und viele Plünderungen gab. Nach einigen Wochen hat sich alles wieder so weit normalisiert, dass<br />

ich bis 1951 bei Familie Schandlbauer weiterarbeiten konnte. In dieser Zeit lernte ich meine Frau<br />

kennen und entschloss mich, in Österreich zu bleiben.<br />

» in der Buckligen Welt Arbeitskräfte gesucht «<br />

Anna Glier, geb. 1929 in Untertannowitz/Dolní Dunajovice<br />

(Tschechische Republik), wohnt in Krumbach, Landwirtin.<br />

Der folgende Text wurde von ihrer Enkelin Veronika Koll aufgezeichnet.<br />

Ich wuchs in der Tschechoslowakei – um genau zu sein, in Südmähren – auf. In dieser Region<br />

lebten zu dieser Zeit hauptsächlich Sudetendeutsche. Meine Kindheit war eine sehr glückliche, da<br />

ich behütet in meinem Heimatort Untertannowitz bei meinen Eltern und meinen vier jüngeren<br />

Geschwistern aufwuchs. Als ich sechzehn Jahre alt war, der Krieg war soeben zu Ende gegangen,<br />

hörte man überall Gerüchte, dass Jugendliche im Alter zwischen fünfzehn und zwanzig Jahren<br />

ins Landesinnere verschleppt wurden. Meine Eltern beschlossen daher, dass ich vorübergehend<br />

ins grenznahe Österreich gehen sollte, da wir in Wien eine Verwandte hatten. In einer Nacht- und<br />

Nebelaktion gingen wir – mein Cousin, meine Cousine und zwei Schulfreunde – über die Grenze<br />

nach Österreich. Nach zwei Wochen hielt ich das Heimweh nicht mehr aus und ich schlich wieder<br />

zurück über die Grenze zu meinem Elternhaus. Meine Familie freute sich, als sie mich wieder sah,<br />

120 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 120 31.08.2009 14:18:23 Uhr


aber noch viel größer war die Angst, dass mich jemand verschleppen könnte. Schweren Herzens<br />

brachte mich mein Vater wieder zur Grenze und redete mir ins Gewissen, dass ich wieder zurück<br />

zu meinen Freunden gehen sollte. Zu fünft machten wir uns auf den weiten Weg nach Wien, teilweise<br />

zu Fuß, teilweise konnten wir bei jemandem mitfahren. In Wien angekommen konnte ich<br />

für ein paar Wochen bei meiner Verwandten unterkommen. Ihr Ehemann duldete mich allerdings<br />

nicht länger, und daher musste ich mir wieder etwas Neues suchen.<br />

Von meinem Schulkollegen erfuhr ich, dass in der Buckligen Welt Arbeitskräfte gesucht wurden.<br />

Zuerst bin ich beim Traint in Hosien in Dienst gekommen. Zu dieser Zeit fand in Unterhaus eine<br />

Unterhaltung statt, und dort habe ich meinen Ehemann Heinrich zum ersten Mal getroffen. Er<br />

war ein gut aussehender, junger Mann und hat mich damals zum Tanzen aufgefordert, obwohl<br />

weder er noch ich tanzen konnten. Heinrich meinte auch, dass ich nicht in Hosien bleiben sollte.<br />

Er wusste, dass der Strobl in Buchegg (Kager), einer der größten Bauern in der Gegend, Arbeiter<br />

suchte. Für die nächsten dreieinhalb Jahre musste ich sehr hart arbeiten – größtenteils Feld- und<br />

Waldarbeit, denn in der Küche wollte mich die Bäuerin nicht sehen. Eines muss ich dem Bauern<br />

zugute halten: Hunger musste ich keinen leiden.<br />

Heinrich war zu dieser Zeit beim Bucher (Heinrich Binder) in Buchegg Knecht, und aus diesem<br />

Grund konnten wir uns oft treffen. 1948 wurde ich mit meiner ersten Tochter schwanger. Der<br />

Strobl wollte allerdings nicht, dass ich mein Kind bei ihnen auf dem Hof bekomme. Gott sei Dank<br />

hat mich Heinrichs Tante aufgenommen – Frau Leitner aus der Sägemühle. Sie war eine herzensgute<br />

Frau, und ich werde ihr nie vergessen, was sie damals für mich getan hat. Nach zwei Monaten<br />

war es für mich wieder an der Zeit zu arbeiten. So kam ich wieder zum Strobl auf den Hof. Dort<br />

hielt ich es allerdings nicht mehr länger aus, und der Bucher (Glier) beschloss, mich endgültig zu<br />

ihnen auf den Hof zu holen.<br />

Mittlerweile waren sieben Jahre vergangen, dass ich meine Familie zum letzten Mal gesehen,<br />

geschweige denn, etwas von ihnen gehört hatte. Was ich zu dieser Zeit nicht wusste: Meine Eltern<br />

hatten mich bereits seit längerem über das Rote Kreuz gesucht. Für mich war es praktisch<br />

unmöglich, sie ausfindig zu machen, da sie ein gutes halbes Jahr nach mir aus der Tschechoslowakei<br />

nach Deutschland vertrieben worden waren. Unsere Hochzeit war im Jahr 1952, und nur<br />

ein paar Wochen vorher hatten mich meine Eltern gefunden. Sie waren von Baden-Württemberg<br />

in die Bucklige Welt gekommen, nur aufgrund einer Vermutung des Roten Kreuzes. In St. Corona<br />

feierten wir nun im Beisein meiner Eltern Hochzeit. Anstelle einer Kutsche oder eines schönen<br />

Autos, wie es heute üblich ist, fuhren wir mit einem Viehwagen von Krumbach nach St. Corona in<br />

die Kirche. Einige Zeit nach meiner Hochzeit fuhren wir mit dem Zug nach Deutschland, wo ich<br />

endlich nach sieben Jahren meine inzwischen erwachsenen Geschwister wiedersah.<br />

Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 121<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 121 31.08.2009 14:18:23 Uhr


» natürlich alle in die Fremde «<br />

Josef Riegler, geb. 1931 in Kirchschlag,<br />

Maurer, Bautechniker, Bankangestellter und Prokurist<br />

In den 1920er- und 1930er-Jahren war eine große Arbeitslosigkeit in Österreich. Viele Leu-<br />

te sind nach Amerika ausgewandert, so auch aus meiner Familie. Meine Mutter hatte neun Ge-<br />

schwister, das kann man sich ja heute überhaupt nimmer vorstellen. Sobald die ein bisschen dem<br />

Kindesalter entwachsen waren, kamen natürlich alle in die Fremde, arbeiteten dort als Kindermädchen<br />

oder Hausgehilfin oder Ähnliches, bis sie dann heirateten. Ein paar Geschwister von ihr<br />

waren ausgewandert. Die eine Schwester nach Kanada, der Bruder ist nach Amerika hinüber, hat<br />

eine gute Arbeit gefunden und hat’s so weit gebracht, dass er letzten Endes eine Fabrik sein Eigen<br />

nennen konnte.<br />

Die Schwester, die in Kanada war, hatte ein uneheliches Kind. Das war zur damaligen Zeit in<br />

Österreich etwas Furchtbares und hatte sie letzten Endes dazu gezwungen, ebenfalls auszuwandern.<br />

Dort haben sie sich eine Farm aufgebaut. Dem Foto nach, das ich gesehen habe, war das ein<br />

kleines Dörfchen, viel Verhüttelung war dort. Sie hat natürlich auch kein Honiglecken drüben gehabt.<br />

Wie sie einmal wieder hier war, hat sie mir erzählt: Sie hatte anfangs geglaubt, es geht nicht.<br />

Es war teilweise notwendig, das Land dort urbar zu machen, bis sie endlich eine wunderbare Farm<br />

gehabt haben. Dann haben sie eigentlich eh ein gutes Leben führen können.<br />

» ich wäre sofort dabei gewesen «<br />

Maria Mülleder, geb. 1920 in Schwarzau am Steinfeld, Nebenerwerbslandwirtin<br />

Ich war in der Blumauergasse im zweiten Bezirk in Wien. Da war ich bei Juden. Mir ist es dort<br />

nicht schlecht gegangen. 25 Schilling im Monat haben wir Lohn gekriegt, aber die Anfängerinnen<br />

haben nirgends mehr gekriegt, überall nur 25 Schilling. Wie sie den Juden dann alles weggenommen<br />

haben, haben sie mich wieder zu anderen Juden vermittelt. Das war ein junges Ehepaar.<br />

Ausgerechnet im 1938er-Jahr haben sie ein Baby kriegen müssen. Sie haben mir so leidgetan. Warum?<br />

Die Frau ist immer im Bad gesessen, und ich hab das alles gehört. Sie hat so verzweifelt geweint,<br />

so verzweifelt hat sie immer geweint. Sie wird sich Vorwürfe gemacht haben, denn damals<br />

ist es so gewesen: Er war ein Halbjude und sie eine Jüdin. Und weil sie verheiratet waren, hat er<br />

als Jude gegolten. Aber sie haben einen Plan gehabt: Nach England wollten sie auswandern, und<br />

da hätten sie mich mitnehmen wollen. Da war ich so abenteuerlustig. Ich wäre sofort dabei gewesen,<br />

mit den Juden nach England mitzugehen. Da hatte ich schon meinen Lebenslauf geschrieben.<br />

Ich hab aber nicht gedacht, dass mich der Hitler ja gar nicht mit den Juden hat ausreisen lassen.<br />

122 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 122 31.08.2009 14:18:23 Uhr


» Wir sind nach Schlesien gekommen «<br />

Anna Fritz, geb. 1923 in Grimmenstein, Geschäftsinhaberin<br />

Im 1938er-Jahr haben wir alle ein Pflichtjahr machen müssen. Wir sind nach Deutschland hi-<br />

nausgekommen. Wir haben ein Pflichtjahr machen müssen, bevor man einen Lehrplatz kriegt. Sie<br />

haben gesagt, wir kommen in ein Lager, und wir müssen nur arbeiten gehen. Natürlich sind wir<br />

nicht in ein Lager gekommen, sondern auf einen Bauernhof. Wir sind nach Schlesien gekommen.<br />

Da hat uns der Bauer, wo ich hingekommen bin, vom Bahnhof abgeholt. Zunächst hätte ich zu einer<br />

Frau kommen sollen, auch die Seger Reserl und die Ungersböck Anni hätte sie mitgenommen.<br />

Als wir drei mit ihr gegangen sind, hat sie zu mir gesagt: „Siehst, da musst du arbeiten und da<br />

musst einmal arbeiten, da ist unser Feld.“ Sind wir drei hinten geblieben und haben gesagt: „Mit<br />

der Frau geh ich nicht mit!“ Wir haben uns umgedreht und sind zum Bahnhof zurückgegangen.<br />

Wirklich wahr! Am Bahnhof waren noch die, die uns eingeteilt haben. Jetzt haben die herumtelefonieren<br />

müssen, dass sie uns angebracht haben. Dann ist der Konrad heruntergekommen. Jetzt<br />

hat er mich genommen und bin so auf seinen Bauernhof gekommen. Die Ungersböck Anni ist<br />

auf einem Bauernhof und in einer Fleischhackerei gewesen, und die Seger Reserl war bei einem<br />

Bauern und in einem Gasthaus. Und ich bin nur zu einem Bauern gekommen. Ein Jahr waren wir<br />

draußen.<br />

Eigentlich ist es mir recht gut ergangen. Ich hab Kühe melken müssen und das alles, aber ich<br />

hab nicht ausmisten müssen. Da waren noch zwei Burschen und zwei Mädchen, das war eine<br />

große Wirtschaft. Das Essen war auch gut. Ich hab nichts Separates gekriegt, ich hab immer mit<br />

ihnen mitessen können. Da waren sie wirklich in Ordnung.<br />

Ich hab die Familie im 1943er-Jahr noch einmal besucht. Als ich mein erstes Gehalt als Angestellte<br />

gekriegt habe, bin ich noch einmal hinausgefahren und hab sie besucht. Wie ich in Breslau<br />

umgestiegen bin, hat man schon das Schießen von der Ostfront gehört. Später haben sie alles<br />

liegen und stehen lassen müssen – und jetzt sind sie in Westdeutschland. In Westdeutschland hat<br />

der Bauer dann in einer Fabrik gearbeitet. Das sind halt so Erinnerungen.<br />

» Das war ein Überlebenskampf «<br />

Josef Kotoucek, geb. 1924 in Wien, seit der Kindheit in Warth,<br />

Arbeiter bei Schöller-Bleckmann<br />

In Russland haben wir mit Spaten und Gewehrkolben einen Schützengraben machen müssen.<br />

In der ganzen darauf folgenden Nacht lagen wir dort und hörten russische Panzer. Und am näch-<br />

sten Tag kommt ein Panzer aus dem Wald gefahren, die Bäume sind zusammengeklappt, und der<br />

Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 123<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 123 31.08.2009 14:18:23 Uhr


ist direkt auf unser Schützenloch zu. Das war das Übel von den Russen: Wenn die ein Schützen-<br />

loch gesehen haben, sind sie einfach so lange drübergefahren, bis nix mehr da war. Das haben<br />

wir gefürchtet. Wir waren ja in dem Loch drin. Der Panzer war vielleicht zweihundert Meter. Er<br />

genau auf uns zu, vielleicht noch hundert Meter weg von uns. „Jetzt sind wir erledigt!“ Zum Glück<br />

war aber hinter uns die Flak in Stellung – und der Panzer war schon in Fetzen! Aber das war ein<br />

Überlebenskampf. Die Flak hinter uns hat uns gerettet.<br />

» als Neuaustralier fühlte man sich so frei «<br />

Karl Kohlberger, geb. 1933 in Hochwolkersdorf, Schuhmacher und Heizer.<br />

Den folgenden Text hat er schriftlich verfasst.<br />

So einfach und problemlos war einst das Auswandern nach Australien. Anfang der 1950er-Jahre<br />

wurde viel Werbung gemacht: I.C.E.M. (International Commission Emigration Mission) – die<br />

Auswanderungskommission: Land der Zukunft, bestes Land der Welt, Vierzig-Stunden-Woche,<br />

hoher Verdienst usw. Australien wollte nur Personen aus Europa. Bei den Bezirkshauptmannschaften<br />

konnte man sich die erforderlichen Formulare besorgen. Zur Anmeldung brauchte man<br />

einen Staatsbürgerschaftsnachweis sowie einen handgeschriebenen Lebenslauf, Unbescholtenheit<br />

und ein polizeiliches Führungszeugnis, die vorgeschriebenen Impfungen, Gesundenuntersuchung<br />

von einem australischen und österreichischen Arzt.<br />

1954 meldete ich mich zum ersten Mal als Schuhmachergeselle an. Ich wurde leider enttäuscht<br />

und es wurde nichts daraus. 1955 nahm ich einen zweiten Anlauf aus Krieglach (britische Zone),<br />

wo ich arbeitete und auch gemeldet war, diesmal als Hilfsarbeiter. Nach nur drei Monaten war<br />

die Auswanderung für mich möglich. Anscheinend bestand damals von der russischen Zone keine<br />

Genehmigung, da mein Bruder bereits 1952 von Eferding in Oberösterreich ausgewandert war.<br />

Herr Georg Braumüller aus Hochwolkersdorf ist mit dem gleichen Schiff M.S. AURELIA beim<br />

nächsten Transport ausgewandert wie ich. Die Überfahrt war kostenlos, man musste sich bloß für<br />

zwei Jahre verpflichten und einen Seekostenbeitrag von tausend Schilling bezahlen. Als Auswanderer<br />

waren zirka vierhundert Personen von Österreich, dreihundert Malteser und vierhundert<br />

Italiener auf dem Schiff. Australien hatte damals von Europa tausende Facharbeiter, Hilfsarbeiter,<br />

sowie Leute von den Flüchtlingslagern aufgenommen. Es gab eigene italienische und griechische<br />

Auswanderungsschiffe. Reisedauer: 29 bis 30 Tage übers Meer.<br />

In Salzburg war das Sammellager der I.C.E.M.-Auswanderungskommission. Von dort fuhren<br />

wir mit einem Sonderzug am 12. Mai 1955 nach Triest. Am 13. Mai Einschiffung, dann nach Malta,<br />

15. Mai nach Port Said, 18. bis 21. Mai Rast (Motorschaden), 7. Juni Äquator-Taufe, 17. Juni in<br />

Freemantle, West Australien, 17. bis 20. Juni Rast (Motorschaden), am 26. Juni zu Mittag endlich<br />

124 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 124 31.08.2009 14:18:23 Uhr


das Ziel in Melbourne erreicht, am 27. Juni Abfahrt mit Zug nach Bornegilla (Sammellager).<br />

Viele gingen zur Eisenbahn, manche ins Radiumbergwerk. Ich zum Beispiel bevorzugte eine<br />

Butter- und Käsefabrik (Farmers Union) in Murray Bridge in Südaustralien, wobei ich das Glück<br />

hatte, in der Hauptsaison sechs Tage zu arbeiten: am Samstag fünfzig Prozent, am Sonntag hundert<br />

Prozent Zuschlag, so dass ich beinahe einen doppelten Wochenlohn hatte. Nach elf Monaten<br />

hatten wir am Fluss Murray ein Jahrhundert-Hochwasser. Die ganze Fabrik stand wochenlang<br />

unter Wasser.<br />

Mein nächster Arbeitsplatz war in einer großen Mühle. Zwei Jahre Schichtarbeit: von acht Uhr<br />

früh bis sechzehn Uhr sowie von 24 Uhr bis acht Uhr früh Mehlsäcke mit 150 Pfund verpacken<br />

und zunähen. Produktion in 24 Stunden: 1 200 Säcke Mehl. Die gleiche Firma Noske Brothers<br />

baute dann eine Futtermittelfabrik, wobei ich die Kesselwärterprüfung für Hochdruck machte<br />

und anschließend nur den Dampfkessel und die Presse zu bedienen hatte.<br />

Das erste halbe Jahr war etwas schwierig ohne Englischkenntnisse. Doch Fischen und Jagen<br />

war damals noch frei. Überhaupt als Neuaustralier fühlte man sich so frei. Es war für mich meine<br />

zweite Heimat. Wohnung absperren war nicht üblich, und manche ließen sogar den Autoschlüssel<br />

stecken, damit er bei der Arbeit nicht verloren geht.<br />

Die meisten Junggesellen hatten großes Heimweh. Nach drei Jahren Junggesellenleben ließ ich<br />

mir meine Brieffreundin aus Wiesmath mit dem Schiff nachkommen. Freie Überfahrt, tausend<br />

Schilling Seekostenbeitrag und in zwei Wochen war Hochzeit auf australisch. Zum Glück hatte<br />

meine Frau nie Heimweh und fühlte sich in der neuen Heimat vom ersten Tag an wohl. Und im<br />

Laufe der Zeit lernte sie auch Englisch.<br />

Dann brachen die Vollbeschäftigung und die Wirtschaft in Australien zusammen. Vollbeschäftigung<br />

hatte es bis 1960 gegeben. Dann plötzlich im Jänner 1961 über Nacht Kreditsperre. Es folgte<br />

eine große Arbeitslosigkeit. Ich musste Auto, Bauplatz und alles andere billig verschleudern, als<br />

wir wieder nach Österreich zurückkehrten. Nach sechsjährigem Aufenthalt verließen wir mit zwei<br />

in Australien geborenen Kindern das gelobte Land Australien wehmütig und kehrten wieder in die<br />

alte Heimat zurück, da wir das Elternhaus mit Kleinwirtschaft übernehmen mussten.<br />

Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 125<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 125 31.08.2009 14:18:23 Uhr


Hamsterer in Kirchschlag<br />

Landdienst in Lanzenkirchen<br />

von links: Angehöriger des Landdienstes, Anna Polatscheck, Angehöriger des Landdienstes,<br />

Maria Rodler, Johann Penall, Aurelia Pennal, Hr. Amminger<br />

126 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />

beim Ansturm auf den Postautobus<br />

während des Ersten Weltkrieges<br />

1916<br />

Foto: Archiv Vollnhofer-Wanek,<br />

Kirchschlag<br />

bei der Feldarbeit<br />

1940<br />

Foto: Herbert Swoboda,<br />

Lanzenkirchen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 126 31.08.2009 14:18:25 Uhr


Maid vom Arbeitslager in Schwarzau<br />

Ehemaliger Zwangsarbeiter als Rossknecht in Krumbach<br />

beim Wäschewaschen in<br />

der Schwarza<br />

1943<br />

Foto: Josef u. Anna Gamperl,<br />

Schwarzau am Steinfeld<br />

Josef Starosta 1948 Foto: Ingrid Starosta, Krumbach<br />

Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 127<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 127 31.08.2009 14:18:27 Uhr


Geflüchtete Sudetendeutsche in Krumbach<br />

Serbischer Kriegsgefangener in Thomasberg<br />

128 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />

von links:<br />

Heinrich Glier,<br />

Josef Kager, Anna Müller<br />

(Glier) aus Sudetenland,<br />

Walter Suchy (Knecht),<br />

Johann Leitner,<br />

Alois Haas (Knecht)<br />

1950<br />

Foto: Robert Müller, Krumbach<br />

beim Steineklauben<br />

mit Holzbütteln am<br />

Königsberg<br />

von links:<br />

Maria Heissenberger,<br />

Georg Schwarz,<br />

serbischer<br />

Kriegsgefangener<br />

um 1943<br />

Foto: Engelbert Ringhofer,<br />

Königsberg (Thomasberg)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 128 31.08.2009 14:18:28 Uhr


Zwangsarbeiter im Sägewerk Gallei in Scheiblingkirchen<br />

1940er-Jahre Foto: Josefa Gallei, Scheiblingkirchen<br />

„Umageher“ in Zöbern<br />

Der Kropfbertl bzw. Hundsbertl übernachtete mit seinen Hunden<br />

im Stall und verwendete für sich und seine Tiere das gleiche<br />

Essgeschirr. Für die Verpflegung verrichtete er auch kleine Arbeiten<br />

in seinen Stammhäusern.<br />

1958<br />

Foto: Franz Pölzlbauer, Kampichl (Zöbern)<br />

Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 129<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 129 31.08.2009 14:18:29 Uhr


Aussiedler in Wiesmath<br />

am Weg von der Neuris in die Kindlmühle um 1950 Foto: Josef Schwarz, Neuris (Wiesmath)<br />

Rote Armee in Erlach<br />

130 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />

vor der ehemaligen<br />

Wollwarenfabrik<br />

1945<br />

Foto: Johann Rädler, Bad Erlach<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 130 31.08.2009 14:18:30 Uhr


Auswanderer aus Hochwolkersdorf in Australien<br />

Fremdenlegionär aus Hochwolkersdorf in Vietnam<br />

bei zusätzlicher<br />

Wochenendarbeit<br />

von links: ein Australier,<br />

Karl Kohlberger und<br />

ein Kärntner beim<br />

Säckenähen<br />

1956<br />

Foto: Karl Kohlberger,<br />

Hochwolkersdorf<br />

Felix Ribisch mit<br />

einem Buben in Hanoi<br />

1954<br />

Foto: Maria Ribisch,<br />

Hochwolkersdorf<br />

Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 131<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 131 31.08.2009 14:18:32 Uhr


Lanzenkirchnerinnen bei der Musterung<br />

von links 1. Reihe: Johanna Preineder, Fr. Holzapfel (Dienstmädchen in Ofenbach), Maria Herzog,<br />

Aloisia Plochberger, Maria Wallner | 2. Reihe: Maria Lechner, Maria Stifter, Theresia Dögl,<br />

Johanna Ecker, Maria Ecker, Emma Kirchsteiger | 3. Reihe: Hansi Kornfeld, Anni Flechl<br />

BDM-Mädchen aus Hollenthon<br />

Foto: Maria Wödl, Hollenthon<br />

132 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />

bei der Schuhkontrolle im Lager<br />

1941<br />

für den Arbeitsdienst<br />

1941<br />

Foto: Herbert Swoboda,<br />

Lanzenkirchen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 132 31.08.2009 14:18:33 Uhr


Jagdflieger aus Schwarzenbach in Russland<br />

Edlitzer bei Bunkerarbeiten in Frankreich<br />

Foto: Familie Reisenbauer, Edlitz<br />

Engelbert Markus<br />

von links:<br />

Engelbert Markus,<br />

unbekannt<br />

1943<br />

Foto: Engelbert Markus jun.,<br />

Schwarzenbach<br />

von links: zwei unbekannt, Mathäus Reisenbauer<br />

1942<br />

Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 133<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 133 31.08.2009 14:18:35 Uhr


Walpersbacher bei Infanterieausbildung<br />

Offenes Kriegsgrab<br />

134 - Arbeitswelten - Fremde – in der Fremde<br />

mit zwanzig Särgen im Bereich der Westfront aus dem<br />

Infanterie-Regiment 125, von denen zwei nach der<br />

Kreideaufschrift identifizierbar sind: Josef Bertels (3/125)<br />

und Erich Birk (2/125)<br />

1940<br />

Foto: Karl u. Marianna Sanz, Lichtenegg<br />

an der Atlantikküste<br />

in Frankreich<br />

von links:<br />

Alois Kabicher,<br />

Johann Schwarz<br />

1943<br />

Foto: Helga Spies, Walpersbach<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 134 31.08.2009 14:18:36 Uhr


Freizeitwelten<br />

Dass Freizeit ein alltäglicher,<br />

von der Arbeit abgegrenzter<br />

Bereich ist, ist historisch<br />

noch sehr jung. Gerade in<br />

agrarisch geprägten Lebensverhältnissen<br />

war Freizeit<br />

auf wenige Stunden an<br />

Sonn-, Fest- und Feiertagen<br />

begrenzt. Oft wurden<br />

aber „Freizeitaktivitäten“ in<br />

Arbeitsvorgänge eingegliedert.<br />

Erst mit gesetzlichen<br />

und sozialpartnerschaftlichen<br />

Regelungen der Arbeitszeiten<br />

und der fortschreitenden Technisierung ist Freizeit seit den 1950er-Jahren mehr und mehr<br />

nicht nur zu einem Massenphänomen geworden, sondern zu einer wichtigen ökonomischen Größe<br />

in der Konsumgesellschaft.<br />

Zahlreiche ältere Menschen aus der Buckligen Welt erinnern sich vor allem an die Fest- und Feiertage<br />

im landwirtschaftlich und religiös geprägten Jahresablauf. Der „Schnidahahn“ am Ende der<br />

Ernte gehört ebenso dazu wie Hochzeiten, Kirtage und Faschingsbälle. Viele weisen auch darauf<br />

hin, wie Radio und Kino schon ab den 1930er-Jahren zunehmend zu einem Freizeitangebot wurden<br />

und neue Informations- und Erfahrungsräume schufen, mit denen bislang unbekannte – reale und<br />

fiktive – Welten in die eigene Lebenswelt Einzug hielten. Und während der Urlaub an der adriatischen<br />

Mittelmeerküste heutzutage oft eine alljährliche Selbstverständlichkeit ist, war ein solcher in den<br />

1950er- und 1960er-Jahren immer noch etwas Außergewöhnliches.<br />

Die Fotos dokumentieren eine vielfältige Gestaltung der grundsätzlich sehr knapp bemessenen Freizeit.<br />

Deutlich wird, dass eine aktive Freizeitgestaltung vor allem bei Männern akzeptiert war. Freizeit<br />

bedeutete etwa, dass man sich an Sonn- und Feiertagen festlich anzog und am Gottesdienst teilnahm.<br />

Freizeit hieß aber auch, dass man kleine Ausfahrten mit Pferdekutschen, Fahrrädern oder<br />

Motorrädern unternahm. Oder dass man sich einfach mit den Nachbarn auf Bänken in der Dorfstraße<br />

zusammensetzte und plauderte. Ganz wichtig waren die Theateraufführungen, das Volkstanzen<br />

und die Brauchtumspflege, die meistens von kirchlichen Organisationen getragen wurden.<br />

Freizeitwelten - 135<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 135 31.08.2009 14:18:37 Uhr


» Feste, die wir gehabt haben «<br />

Ernestine Holzbauer, geb. 1935 in Krumbach, Büroangestellte<br />

Jetzt erzähle ich euch über unsere Feste, die wir gehabt haben. Zu Neujahr sind wir Neujahr-<br />

wünschen gegangen und haben dafür Geld gekriegt: „Ich wünsch ein glückliches neues Jahr, weil<br />

das alte ist schon gar!“ Am 6. Jänner, Heilige Drei Könige, sind wir räuchern gegangen, wie man<br />

das jetzt noch macht. Wir haben Glut in ein Reinderl hineingegeben und Weihrauch drauf und<br />

Weihwasser. Und mit den Palmkatzerln, die man noch gehabt hat, hat man die Tiere besprengt<br />

und in jedes Zimmer hineingesprengt. Die Tiere haben ein besonderes, gutes Futter gekriegt, weil<br />

in dieser Nacht können ja die Tiere reden, da muss man aufpassen, dass sie nichts Böses sagen.<br />

Dann war Lichtmess, am 2. Februar, das war eigentlich ein ganz wichtiger Tag im bäuerlichen<br />

Leben. Erstens einmal sind die Kerzen in der Kirche geweiht worden, die hat man zum Anzünden<br />

gebraucht, wenn ein Gewitter war und wenn wer gestorben ist. Und zweitens war dann für die<br />

Bauern das Arbeitsjahr vorbei. Da sind die Dienstleute „umgebracht“ worden. Umgebracht heißt<br />

aber nicht gewalttätig, sondern von einem Dienstplatz zum anderen „umabracht“ worden. Da sind<br />

sie halt mit ihrem Koffer und Buckelkorb – oder mancher hat sogar schon einen Kasten gehabt,<br />

die waren schon die besseren Dienstleute – gegangen. Ich habe noch von meinem Onkel einen<br />

zerlegbaren Kasten am Boden stehen. Den haben sie sich mitgenommen. Wenn wer einen Kasten<br />

gehabt hat, war das schon ganz was Besonderes.<br />

Am Fasching sind wir Kinder „faschingsnarrner“ gegangen. Das war auch ganz wichtig, denn da<br />

haben wir alles Mögliche gekriegt: Eier, Krapfen haben zwar nicht viele gehabt, aber doch Lebensmittel.<br />

Die Mütter waren ganz froh, wenn wir so etwas heimgebracht haben. Wir haben halt unsere<br />

Verserl aufgesagt. Am Faschingsdienstag, wie dann die Zeit schon besser gewesen ist, waren die<br />

Unterhaltungen. Am Faschingsmontag war der Bauernball, das war ein ganz nobler Ball. Und am<br />

Faschingsdienstag haben auch schon die Jüngeren gehen dürfen. Da ist das Sprichwort gegangen:<br />

„Am Faschingsdienstag führt der Bauer den Mist aus.“ „Mist“ waren die jungen Mäderln, die mitgehen<br />

haben dürfen. Und jeder Freitag war ein strenger Fasttag. Jeder Freitag in der Fastenzeit<br />

und jeder Freitag im Jahr überhaupt, und in der Fastenzeit war es ganz arg.<br />

Dann am Palmsonntag war die Palmweihe, und wenn man den Palmbesen getragen hat, hat<br />

man Würschtel und ein Kracherl gekriegt. Das war ganz etwas Wertvolles. Manchmal haben sie<br />

so schöne Palmbuschen gehabt, so riesige, dass sogar die Knechte sie haben tragen müssen. Das<br />

hat ein Kind gar nicht tragen können. Dort war ein Laub drinnen, und jeder hat das schöne Laub<br />

vom anderen herausgezupft. Da haben sie in der Kirche öfter einmal eine Rauferei gehabt, sie haben<br />

oft gerauft. Und einmal hat der Pfarrer bei der Palmweihe einschreiten müssen. Da haben sie<br />

gleich mit den Palmbesen hingedroschen.<br />

Am Gründonnerstag, da fliegen die Glocken nach Rom. Da bin ich allerweil gestanden und hab<br />

geschaut, ob ich sie einmal fliegen sehe, aber ich hab sie nie gesehen. Das war ein strenger Fasttag.<br />

136 - Freizeitwelten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 136 31.08.2009 14:18:37 Uhr


Da hat es zu Mittag nur einen Brennnesselspinat und einen Erdäpfelschmarren gegeben. Kennt<br />

ihr einen Brennnesselspinat? Mhm, guat! Am Karfreitag hat es eine Bohnensuppe gegeben. Und<br />

früher war es so, dass man am Karsamstag schon die Auferstehung gefeiert hat, da war auch die<br />

Feuerweihe. Man hat den Ofen komplett ausgekehrt und gereinigt und die Glut gebracht. Mit der<br />

geweihten Glut ist das Weihfleisch gekocht worden, und am nächsten Tag ist das Fleisch geweiht<br />

worden. Dann hat man als erste Speise in der Früh ein Ei gekriegt und einen Schinken, also ein<br />

Geselchtes und einen Kren und ein Weihbrot, das war die erste Mahlzeit des Tages. Nach dem<br />

Mittagessen zu Ostern ist man in die „Groa“ gegangen, das kennt ihr. Ins Grüne heißt das, man<br />

geht über die Felder und steckt Palmzweigeln hinein, die Palmbesen, damit die Ernte gedeiht.<br />

Dann war das Maibaumaufstellen, das Maibaumumschneiden und das Maibaumstehlen. Und<br />

dann ist die Ernte gekommen, der Ernteabschluss. Da hat man die Garben heimgeführt zum Dreschen,<br />

eine schöne Hafergarbe hat man geschmückt wie eine Braut, also mit Blumen und allem,<br />

das war die Haferbraut. Die hat man der Bäuerin daheim übergeben als Abschluss der Ernte, und<br />

die Bäuerin hat dann irgendein gutes Essen gekocht für die Schnitter. Das war der Schnidahahn!<br />

Dann war der Kleinfasching bis 25. November, und dann hat es geheißen: „Kathrein sperrt den<br />

Tanz ein.“ Dann hast du den ganzen Advent nimmer tanzen dürfen. Am 4. Dezember waren die<br />

Barbarazweige zum Abschneiden. Der Thomastag, die Thomasnacht, ist auch eine von den Rauhnächten.<br />

Da muss man sich zum Bett hinstellen und aufs Bett hintreten: „Heiliger Thomas, ich<br />

bitt dich, schick mir einen Traum von meinem zukünftigen Maun.“ Das waren solche Scherze.<br />

Weihnachten war immer sehr feierlich. Es hat nicht viel gegeben. Ein Buch habe ich immer gekriegt<br />

und eine Kleinigkeit noch dazu, und dann hat es einen Teller mit gebackenen Keksen gegeben<br />

und ein paar Orangen. Dann war das Jahr aus.<br />

» Dann ist groß aufgekocht worden «<br />

Amalia Bleier, geb. 1913 in Krumbach, verzog später nach Bad Schönau,<br />

Landwirtin und Wirtin<br />

Schnidahahn war der Abschluss, wenn die Ernte eingebracht gewesen war. Die letzte „Garm“ hat<br />

man zu so einem Binkerl von der Frucht gesagt. Die ist aufgeputzt worden, ist auf einen Wagen<br />

hinaufgekommen, und das ist heimgeführt worden. Das war’s dann. Danach ist groß aufgekocht<br />

worden für die ganzen Leute, die geholfen haben, weil früher ja alles händisch am Feld gearbeitet<br />

worden ist. Und einen Wein hat’s gegeben. Wie ich Kind war, habe ich um einen Gumpoldskirchner<br />

in das Gasthaus gehen müssen. Aufschnitt hat’s gegeben, Schnitzel und alles Mögliche halt.<br />

Auch ein Harmonikaspieler war dabei. Man hat getanzt. Das war nur der Ausklang vom Schnitt,<br />

Freizeitwelten - 137<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 137 31.08.2009 14:18:37 Uhr


weil dann die Hauptarbeit beendet war. Das war meist im August. Im September ist’s dann schon<br />

wieder angegangen am Feld zum Arbeiten, die Wintersaat.<br />

» viele Maschkerer «<br />

Theresia Reisner, geb. 1918 in Aigen (Gemeinde Kirchschlag),<br />

seit 1937 in Gleichenbach (Gemeinde Hollenthon), Landwirtin<br />

In Gleichenbach hab ich geheiratet. Von Aigen aus sind wir zu Fuß gegangen. Geregnet hat’s<br />

auch. Auf dem Weg ist alles voller Dreck gewesen. Angelegt hab ich das Brautkleid dann in Glei-<br />

chenbach. Ich hab eine schöne Hochzeit gehabt. Wie’s halt war, waren viele Maschkerer. Die Glei-<br />

chenbacher sind dort schon maschkern gegangen, aber wer da war, das weiß ich eigentlich heute<br />

nicht mehr, die Jungen halt. Die Doppler-Mutter ist oft gekommen und hat gesagt: „Mei, ich muss<br />

dir jetzt was sagen!“ – „Ja“, sag ich, „was ist denn leicht?“ Sagt sie: „Bei eurer Hochzeit haben die<br />

Maschkerer auch was zu essen und was zu trinken gekriegt. Das ist die erste Hochzeit, wo das<br />

war!“ Ob’s wahr ist, weiß ich nicht. Die Doppler-Mutter hat mir das halt erzählt. Sie lebt schon<br />

lange nicht mehr.<br />

» Die Annakirtage gleichen jetzt mehr einem Jahrmarkt «<br />

Alois Mayerhofer, geb. 1921 in Wiesmath, Landwirt. Der folgende Text ist ein Auszug<br />

aus seinem Buch „Erinnerungen. Beiträge und Gedichte eines Brautführers<br />

und Mundartdichters aus der Buckligen Welt.“ Kirchschlag (Mayrhofer) 2004.<br />

Die Kirtage wurden damals erst nach Einbringung der Ernte abgehalten. Die heilige Mutter<br />

Anna galt als Patronin der Mütter, und so kam es, dass diese Kirtage auf Ende Juli fielen. Daher<br />

wurde am Annatag und am Sonntag danach gründlich gefeiert. Andere Feste waren damals nur<br />

selten und beschränkten sich hauptsächlich auf den Fasching. An diesen beiden Tagen strömten<br />

Gläubige aus allen Himmelsrichtungen zur Annakirche. (…) Singend und betend zogen sie dann<br />

in die Kirche ein, wo die heilige Messe gestaltet wurde. Viele ehemalige Wiesmather nutzten die<br />

Gelegenheit, um die Gräber ihrer Angehörigen zu besuchen. Die Pflege dieser Gräber war eine<br />

mühsame Angelegenheit, da das Wasser von weit her gebracht werden musste. Nach der kirchlichen<br />

Feier hatten viele Gläubige Andenken mitgenommen, um sie in ihrem Heim zu verehren.<br />

Oft waren es nur ein paar Heiligenbilder.<br />

Die Marktfahrer nutzten die Gelegenheit, um ihre Waren anzubieten. Teilweise kamen sie schon<br />

138 - Freizeitwelten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 138 31.08.2009 14:18:37 Uhr


am Vortag und mussten in den Gasthäusern oder auch bei einem Bauern übernachten. Da in den<br />

meisten Häusern zu dieser Zeit noch Tiere gehalten wurden, hatte man für ein Paar Pferde oft<br />

noch Platz. Der Andrang zu diesem Kirtag war so groß, dass sogar Autobusse eingesetzt werden<br />

mussten, welche die Besucher vom Annaberg in den Markt und wieder zurückbrachten. Die Firma<br />

Partsch, die damals bereits eine Linie über Wiesmath besaß, besorgte dies vorzüglich im Abstand<br />

von zehn Minuten.<br />

Der Annakirtag entwickelte sich mehr und mehr zu einem Volksfest, bei dem Jung und Alt auf<br />

ihre Rechnung kamen. Es mag im Jahr 1926 gewesen sein, als mir meine Eltern zwei Spielrösser<br />

aus Blech kauften. Manches Begehren wurde mir abgewiesen, aber einen Stoppelrevolver musste<br />

ich mir erbitten, als ich in die Schule kam, damit ich mit den anderen Klassenkameraden mithalten<br />

konnte. Auch Zauberkarten konnte ich mir erwerben, mit denen ich große Freude hatte. Ich<br />

kann mich noch gut erinnern, als die ersten Eisverkäufer gerufen haben: „Echt amerikanisches<br />

Kunsteis, Tausend-Kronen-Portionen.“ Gemeint waren aber zehn Groschen. Der Metstand war<br />

auch alle Jahre vertreten. Dort gab es allerlei Süßigkeiten, wie Lebkuchen, Türkischen Honig usw.<br />

Da die Jugendlichen meist wenig Geld hatten, waren die Wespen dort die eifrigsten Besucher.<br />

Die sogenannten „Schleudererwastler“ waren auch nicht zu überhören. Allgemein wurde vielerlei<br />

Bäckerei angeboten, Schaumrollen gab es nur selten. Vom Obst wurden damals die sogenannten<br />

„Annabirnen“ und auch Ringlotten feilgeboten. Paradeiser waren erst im Kommen.<br />

Für die Unterhaltung gab es jedes Jahr etwas Neues. Die Schießbuden waren eine Selbstverständlichkeit.<br />

Großen Andrang gab es bei den Ringelspielen. Während das kleine von uns Schülern<br />

selbst angetrieben wurde, musste das große mit einem Benzinmotor in Bewegung gebracht<br />

werden. Auch ein paar Schaukeln waren stets in Verwendung. Wer seine Zukunft erfragen wollte,<br />

hatte dazu bei einem Stand mit Papageien oder anderen Vögeln reichlich Gelegenheit. Auch weiße<br />

Mäuse und andere Tiere zeigten um Geld gerne ihre Künste.<br />

Aber auch für die Erwachsenen war der Annakirtag eine willkommene Abwechslung. Waren<br />

viele, die auf „Schnitt aus waren“, ja erst heimgekommen und konnten ihr hart verdientes Geld für<br />

Kleider und dergleichen anwenden oder auch „billig loswerden“. Manche Gartenbesitzer in günstigen<br />

Lagen der Umgebung hatten durch Kirschenverkauf und Kirschenpflücken mäßige Einnahmen,<br />

die sie in Waren umsetzen konnten. Besonders das Angebot auf dem Textilsektor war sehr<br />

groß, man konnte sich von Kopf bis Fuß einkleiden. Da damals Mann und Frau Schürzen trugen,<br />

war der „Blaudruck“ sehr beliebt. Aber auch mit Seilerwaren aller Art und mit Peitschen konnte<br />

man sich eindecken. Die verschiedensten Decken für Mensch und Pferd durften auch nicht fehlen.<br />

Aber auch für die Hausfrauen gab es stets Neuigkeiten, angefangen vom Geschirr aller Art, dazu<br />

gehörten „Milchhäferl“ zur Rahmgewinnung. Es gab auch hübsche Korbwaren und so genannte<br />

„Schwingen“, die man zur Kartoffel- und Rübenernte benötigte.<br />

Mittelpunkt des ganzen Geschehens war aber das Gasthaus. Hier tummelte sich nach den Messen<br />

schon eine große Menschenmenge, um einen guten Schweinsbraten zu bekommen, da der<br />

Freizeitwelten - 139<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 139 31.08.2009 14:18:37 Uhr


Wirt ein Schwein geschlachtet hatte. Schnitzel waren damals noch nicht üblich. Vor dem Gast-<br />

haus standen durstige Schlangen, da der Wirt ein Fass Bier angeschlagen hatte. Am frühen Nach-<br />

mittag, um zirka ein Uhr, begann dann die „Freimusik“, welche immer gut besucht war. Bei die-<br />

ser Tanzmusik, bei der auch viele fremde Jugendliche herkamen, wurden oft freundschaftliche<br />

Beziehungen angeknüpft. Diese Unterhaltung wurde meist vom Lärm der „Kegelbudel“ übertönt.<br />

Hier herrschte seit dem frühen Vormittag rege Tätigkeit. Die Spieler, und besonders auch die<br />

„Kegelaufsteller“, die manchmal das meiste gewonnen hatten, kamen gelegentlich, um sich ein<br />

Glas Bier zu holen. Von kleinen Wortgefechten abgesehen, verliefen diese Kirtage im angenehmen<br />

Rahmen. Die ältere Generation hat diese Großveranstaltung noch in guter Erinnerung.<br />

Durch den Zweiten Weltkrieg wurde diese Wallfahrertradition unterbrochen und konnte in diesem<br />

Ausmaß nicht wiederbelebt werden. Die Annakirtage gleichen jetzt mehr einem Jahrmarkt,<br />

und mit der Schließung des Gasthauses ging ein Stück Gemütlichkeit verloren.<br />

» Höre im Radio recht lustig «<br />

Alois Sagmeister, geb. 1872 in Pitten, Jurist.<br />

Sagmeister hat zeit seines Lebens ausführlich Tagebuch geführt.<br />

Am „Sonntag, d. 7. April 29“ schreibt er beispielsweise:<br />

„Stürmischer Wind und kalt. Höre im Radio recht lustig ein Fußballspiel Wien gegen Italien<br />

(3:0), sodann einen Lappland-Vortrag und erfahre mit Staunen, dass man im Autobus durch den<br />

Norden Finnlands bis zum Eismeer oder Motorboot befahrenen Seen und Flüssen fährt.“<br />

» Volksempfänger haben die geheißen «<br />

Elfriede Hofer, geb. 1932 in Scheiblingkirchen, Fleischhauerin und Verkäuferin<br />

Im Krieg haben wir auch einen Radio gehabt, Volksempfänger haben die geheißen. Vom Hitler<br />

haben wir den sozusagen zur Verfügung gestellt gekriegt. Aber du hast keinen anderen Sender<br />

hören dürfen, denn das war ja gefährlich. Also wirklich, es hat Spitzel gegeben. Da haben wir auch<br />

etwas gelernt, wo gesagt worden ist: „Nicht denunzieren!“ Viele wurden verraten, zum Beispiel:<br />

Mein Nachbar hat auch die Nachbarin verraten. Sie hat sich hitlerfeindlich geäußert, die ist ins<br />

KZ gegangen.<br />

140 - Freizeitwelten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 140 31.08.2009 14:18:37 Uhr


» wir haben uns am Abend mit Grammeln angegessen «<br />

Margaretha Brósch-Fohraheim, geb. 1896 in Wien, lebte mehrere Jahre<br />

mit ihrer Familie in Pitten. Der folgende Text ist ein Auszug aus ihrem<br />

Tagebuch vom April und Mai 1945, das sie als einen Brief an ihren Vater,<br />

den Baumeister Ignaz Endlweber, geschrieben hat.<br />

Heute in der Früh hörten wir durch das Radio, dass Präsident Roosevelt gestorben ist. Ebenso<br />

hörten wir, dass die Feldmarschälle Sperrle und Richthofen gefangen seien, und dass in Süd-<br />

deutschland 85 hohe und höchste Offiziere der Luftwaffe hingerichtet wurden.<br />

Bei uns ist es schon relativ normal; gestern haben Manhalters eine Sau abgestochen und wir<br />

haben uns am Abend mit Grammeln angegessen. Heute Abend habe ich drei Schüsseln voll Sulz<br />

gemacht, und im Keller liegt noch Fleisch für ein fettes Reisfleisch. Nachmittags muss Gustl noch<br />

um unser rationiertes Fleisch gehen, und wir bekommen außer der Gebührenmilch noch extra<br />

Milch von Manhalter, so dass Mutter Kaffee (natürlich aus spitzen Bohnen) und Milchpapperl<br />

bekommt. Wenn wir von dem guten Essen nur unseren Leuten in Wien etwas zukommen lassen<br />

könnten!<br />

» Programm war nur ein paar Stunden «<br />

Markus Schneeweis, geb. 1933 in Edlitz, aufgewachsen in Wiesmath, Landwirt<br />

Im Kino hab ich gerne Heimatfilme geschaut, die Western waren auch schon da. Unterm Krieg<br />

gab es die Gaufilmstelle. Jedes Monat gab es einen neuen Film. Das waren auch oft Heimatfilme.<br />

Aber hauptsächlich gab es die Wochenschau. Da haben sie alles vom Krieg gezeigt. Die Wochenschau<br />

war das Interessanteste.<br />

Den ersten Fernseher in Wiesmath hat der Ernst gehabt. Da sind wir hingegangen, um zu schauen.<br />

Selber haben wir uns den ersten Fernseher im 1965er-Jahr gekauft. Das war schwarz-weiß<br />

damals. Programm war nur ein paar Stunden. Da war ja nur auf d’ Nacht ein wenig was. Beim<br />

Tag ist ein Testbild gewesen, damit, wenn du dir einen Fernseher gekauft hast, den einstellen hast<br />

können. Zum Schluss haben sie die Bundeshymne gespielt – und dann war’s aus.<br />

Freizeitwelten - 141<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 141 31.08.2009 14:18:38 Uhr


» Jugoslawien, wunderschön! «<br />

Josef Giefing, geb. 1930 in Wiener Neustadt, lebt in Lanzenkirchen,<br />

Schlosser und ÖBB-Bediensteter<br />

Dann haben wir angefangen, in den Urlaub zu fahren. Wir haben uns einen Sunbeam gekauft<br />

mit 70 PS. Wir, das waren noch eine Schwägerin, die ist in Traiskirchen zu Hause, und mein Bru-<br />

der. Wir haben gesagt: „Wir fahren campen!“ Und die Schwägerin hat schon gewusst wohin: nach<br />

Jugoslawien. Das war eine Aktion! Jetzt haben wir kein Zelt gehabt. Hat die Schwägerin gesagt:<br />

„Macht nix, meine Tante hat eh ein Zelt, das leiht sie uns.“ Leiht sie uns das Zelt, jetzt haben wir’s<br />

eingepackt, den Kofferraum voll angefüllt, eine Dachgalerie gekauft, angefüllt, die drei Kinder<br />

auf der hinteren Bank. Die sind dann pünktlich in der Früh da gewesen von Traiskirchen, und<br />

dann sind wir über die Steiermark – da hat’s keine Autobahn gegeben – über die Landesstraße<br />

gefahren. Na, wie sind wir da aufgelebt! Jugoslawien, wunderschön! Dann hat der Bruder kein<br />

Zelt gehabt. Haben wir gesagt: „Kaufen wir in Jugoslawien das Zelt.“ Was soll ich euch sagen?<br />

Marburg, wie heißt das auf jugoslawisch? Ach ja, Maribor! Dort sind wir stehen geblieben, überall<br />

sind wir Zelt kaufen gegangen – haben aber nie eines gekriegt. „Na guat“, haben wir gesagt,<br />

„fahren wir weiter.“<br />

In Crikvenica haben wir übernachten müssen, weil es da schon finster gewesen ist. In die Pensionen<br />

gegangen: „Ja, da! Da noch Platz frei!“ Haben wir gesagt. „Zimmer zum Schlafen!“ – „Wie<br />

lange?“ – „Ganze Woche!“ Ist keine ganze Woche geworden. Wir ins Zimmer hinauf, reingefallen<br />

ins Bett und geschlafen. Dann werde ich um vier in der Nacht munter und muss aufs Klo gehen.<br />

Ich hab schon vorher geschaut, wo das Klo ist, geh ich heraus da im Finstern, das Licht hat nicht<br />

gebrannt, renne ich mit einem mitten in der Nacht zusammen. Er redet mich auf Deutsch an und<br />

ich ihn auch. Sag ich: „Hearst, dich kenn ich ja!“ – „Ich kenn dich auch!“ Jetzt haben wir uns dann<br />

schön vorgestellt, war’s der Baumgartner-Wirt, der Sepperl von oben. Als ob wir uns sonst nicht<br />

hätten treffen können.<br />

Dann haben wir zwei Nächte dort geschlafen. Wir haben so einen kleinen Kocher gehabt. Kochen<br />

haben wir aber nicht dürfen im Zimmer, sind wir rausgefahren und haben Suppe gekocht. Dann<br />

sind wir wieder heimgegangen und haben dort was gegessen, sind spazieren gegangen, und dann<br />

haben wir gesagt: „Morgen fahren wir weiter! Nach Zadar wollen wir.“ Sind zu einer Hotelanlage<br />

plus Campingplatz gefahren. Na, was machen wir? Zelt haben wir nur eines. Haben wir gesagt:<br />

„Schlafen halt ein paar im Auto, und der Rest haut sich ins Zelt eini.“ Na ja, wie? Die Kinder und<br />

die Frauen ins Zelt hinein, und mein Bruder und ich sind im Fahrzeug gelegen. Kopf und die Haxen<br />

haben wir herausgehalten. Haben wir gesagt: „Wenn da einer geht, der rennt eh gleich davon,<br />

wenn wir die Füße aussihalten.“ Es ist aber eh nix gewesen. Da haben wir den Urlaub also so verbracht<br />

mit dem einen Zelt. Und wir haben eine Mordsgaudi gehabt. Es ist wunderschön gewesen.<br />

Wir sind dann heimgefahren und sind dann noch zwanzig Mal nach Jugoslawien gefahren.<br />

142 - Freizeitwelten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 142 31.08.2009 14:18:38 Uhr


Erzherzogin Zita im Maierhof Frohsdorf<br />

Sonntagsausfahrt in Bad Erlach<br />

von links:<br />

drei unbekannt,<br />

Don Jaime,<br />

Erzherzogin Zita,<br />

unbekannt<br />

1910<br />

Foto: Herbert<br />

Swoboda,<br />

Lanzenkirchen<br />

von links:<br />

zwei unbekannt,<br />

Theresia und<br />

Franz Hammer<br />

1942<br />

Foto: Wilhelm Kovacs,<br />

Bad Erlach<br />

Freizeitwelten - 143<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 143 31.08.2009 14:18:38 Uhr


Im Flussbad Seebenstein<br />

Winterfreuden am Weißjackl in Pitten<br />

144 - Freizeitwelten<br />

1930<br />

Foto: Theresia Malainer, Seebenstein<br />

1933<br />

Foto: Museums- &<br />

Bildungsverein Pitten<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 144 31.08.2009 14:18:39 Uhr


Beim Troadbeten in Bromberg<br />

Weinlesefest in Katzelsdorf<br />

von links: Fritz Wallner, Julius Ofenböck, Karl Gruber, Maria Wallner, Johann Woltran,<br />

Martin Zehetner, Josef Kornfeld, Maria Hahn, Alfred Wallner, Rosa Hochstätter, Karl Hahn<br />

von links:<br />

Juliana Fürst,<br />

Franz Fürst (Berghof),<br />

Elisabeth Fürst,<br />

Franz Fürst,<br />

Christine Fürst<br />

(Ponweiser),<br />

Annemarie Piribauer<br />

(Pölzelbauer),<br />

Martin Fürst,<br />

Gertraud Fürst<br />

1968<br />

Foto: Gregor Schauber,<br />

Stift Reichersberg<br />

1948<br />

Foto:<br />

Gemeinde Katzelsdorf<br />

Freizeitwelten - 145<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 145 31.08.2009 14:18:41 Uhr


Sonntagsszene in Schwarzenbach<br />

Beim Tischgebet in Schwarzau<br />

146 - Freizeitwelten<br />

von links:<br />

Erna, Maria, Hedwig,<br />

Hans, Franz sen. und<br />

Franz jun. Dutter<br />

1937<br />

Foto: Josef Dutter,<br />

Eggenbuch (Schwarzenbach)<br />

Foto: Franz Fuchs,<br />

Schwarzau am Steinfeld<br />

von links stehend: Maria Lechner, Katharina Lechner (Fuchs), Franziska Lechner (Ofenböck), Jakob Lechner jun., Johann Lechner,<br />

Jakob Lechner sen. | sitzend: Gerda Schmid (Sommerfrischlerin aus Wien)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 146 31.08.2009 14:18:44 Uhr<br />

1948


Sonntagsruhe in Hochwolkersdorf<br />

vor dem Haus Ernst in der Hauptstraße 1945 Foto: Gemeinde Hochwolkersdorf<br />

von links: unbekannt, Karl Zehetner, Theresia Steiner, Rosalia Steiner, Maria Blank, Johann Blank, Karl Blank, Franz Manninger,<br />

Josef Steiner, Anna Steiner, Hermine Manninger mit Brigitte Manninger<br />

Beim Sauschädelessen in Kaltenberg<br />

zu Silvester 1959 im<br />

Gasthaus Neumüller<br />

von links:<br />

Anna Stangl,<br />

Viktoria Handler,<br />

unbekannt,<br />

Heinrich Steiner,<br />

Johann Handler,<br />

Karl Höller<br />

1959<br />

Foto: Fam. Neumüller,<br />

Kaltenberg (Lichtenegg)<br />

Freizeitwelten - 147<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 147 31.08.2009 14:18:45 Uhr


Fröhliche Wirtshausrunde in Schwarzenbach<br />

Kirchenchorprobe in Wiesmath<br />

148 - Freizeitwelten<br />

von links:<br />

Elfriede Eidler,<br />

Leopoldine Pusits,<br />

Maria und<br />

Josef Eidler,<br />

Gottfried Hammerl<br />

1974<br />

Foto: Heliodora<br />

Kerschner, St. Veit<br />

von links: Willibald Kornfeld, Karl Weber, Anna Handler (Kogelmüller), Hermine Leitner (Schwarz), Helene Houszka (Seidl),<br />

Johanna Mann, Maria Benckendorf (Beisteiner), Katharina Dienbauer, Friedrich Dienbauer<br />

1958 Foto: Lorenz Dienbauer, Wiesmath<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 148 31.08.2009 14:18:47 Uhr


Kirchenchor Bad Erlach<br />

von links stehend: Theresia Berger, Hugo Berger, Anton Jedlicka, Walter Eder, Erna Linzer, Josef Kremsl, Margareta Scharnagl,<br />

Willi Fuchs | sitzend: Herta Karall, Anna Friebel, Berta Chladek, Elfriede Woltran um 1950 Foto: Wilhelm Hofer, Bad Erlach<br />

Theatergruppe in Lichtenegg<br />

von links 1. Reihe: Heinrich Steiner, unbekannt, Franz Neumüller | 2. Reihe: Walpurga Binder, Josef Strobl, Johann Höller,<br />

Theresia Stangl, Friedrich Tanzl, Karl Ringhofer, Walpurga Schwarz, Johann Stangl<br />

1953 Foto: Fam. Neumüller, Kaltenberg (Lichtenegg)<br />

Freizeitwelten - 149<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 149 31.08.2009 14:18:48 Uhr


Landjugend Edlitz im Sprengelheim<br />

Fensterln in Schiltern<br />

150 - Freizeitwelten<br />

beim „Kleinen Fenz“<br />

um 1950<br />

Foto: Emma und Leopold Geigner, Seebenstein<br />

von links: 1. Reihe: Franz Pichlbauer,<br />

Johann Höller, Karl Fischer<br />

2. Reihe: Lehrerin Theresia Hammer,<br />

Hanni Scherleithner, Hermine Wagner,<br />

Anna Ringhofer, Anna Wagner,<br />

Anna Motsch<br />

3. Reihe: Josef Ungerhofer,<br />

Theresia Winkler, Anna Kader,<br />

Anna Glatz, Christine Ringhofer<br />

4. Reihe: Lehrer Binder, Franz Winkler,<br />

Johann Schwarz, Willi Höller,<br />

Franz Reithofer, Johann Fuchs<br />

1969<br />

Foto: Johann Höller, Edlitz<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 150 31.08.2009 14:18:49 Uhr


Kirtag in Wiesfleck<br />

Sonntagsausflug der Krumbacher<br />

mit<br />

Sonntagsgesellschaft<br />

vor dem Gasthaus<br />

Riegler<br />

am Motorrad<br />

Ambros Stangl, vulgo<br />

„Laschober“, aus Amlos<br />

und als Beifahrer sein<br />

Vater Franz Stangl,<br />

vulgo „Raifegger“<br />

um 1950<br />

Foto: Fam. Stangl<br />

(Laschober) und Amlos<br />

(Lichtenegg)<br />

am Schneeberg<br />

von links:<br />

Anton Stacherl (Edlitz),<br />

Pauline Schrenk (Wedl),<br />

Elfriede Trenker<br />

(Lepold),<br />

Anna Knezek<br />

(Ostermann),<br />

August Glatz<br />

1954<br />

Foto: Volkmar Haberzettl,<br />

Katzelsdorf<br />

Freizeitwelten - 151<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 151 31.08.2009 14:18:51 Uhr


Reigentanz am Damm in Kirchschlag<br />

Sonnwendfeier in Katzelsdorf<br />

Volkstanzgruppe der Katholischen Jugend unter der Leitung von Nationalrat Josef Ofenböck<br />

152 - Freizeitwelten<br />

1923<br />

Foto: Eva und<br />

Johann Hofbauer,<br />

Kirchschlag<br />

1960er-Jahre Foto: Gemeinde Katzelsdorf<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 152 31.08.2009 14:18:52 Uhr


Theater in Seebenstein<br />

Maibaumumschnitt in Wiesmath<br />

Szene aus dem Stück „Die Junggesellensteuer“<br />

von links:<br />

Heinrich Ungersböck, Richard Scherz,<br />

Martin Ringhofer<br />

1960er-Jahre<br />

Foto: Heinz Ungersböck, Seebenstein<br />

Leitnerkapelle am Wagen<br />

1967<br />

Foto: Karl Mühl, Wiesmath<br />

Freizeitwelten - 153<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 153 31.08.2009 14:18:53 Uhr


Weihe eines Tanklöschfahrzeuges in Schwarzau<br />

von links: Bgm. Engelbert Reiterer, Hr. Gamperl (BH Neunkirchen), Vizebgm. Josef Rosenbichler, Bezirksfeuerwehrkommandant<br />

Fuchs, Fahrzeugpatin Alice Rosenbichler, Anton Rehberger, Kommandant Karl Bader, Hanni Lauinger (Fenz), Anton Fenz,<br />

Unterabschnittskommandant Hans-Georg Bauer, Kommandantstellvertreter Franz Fuchs<br />

1976 Foto: Franz Fuchs, Schwarzau am Steinfeld<br />

Begräbnis in Walpersbach<br />

154 - Freizeitwelten<br />

Bürgermeister Herold<br />

1962<br />

Foto: Helga Spies, Walpersbach<br />

von links: 1. Reihe: Josef Fuchs sen. (mit Kranz), Johann Gmeiner | 2. Reihe: Josef Schauer, Josefine Sinabell, Johann Woltron<br />

3. Reihe: Anton Gneist, Roman Wagenhofer | 4. Reihe: Ernst Grimm, Josef Hendling | 5. Reihe: Alois Grundtner, Franz Schmid<br />

6. Reihe: Johann Schwarz, Gemeindediener Matthias Braunstorfer | 7. Reihe: Josef Hochleithner, Matthias Grill<br />

8. Reihe: Pfarrer Konrad Foissner, Ministrant<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 154 31.08.2009 14:18:54 Uhr


„Kaiserliche Hoheit“ am Jägerball in Pitten<br />

von links: Oberförster Josef Kohlmann, Oberförster Matthias Harather, Leopold Habsburg-Lothringen-Lorraine,<br />

Bürgermeister Höller, Agathe von Planner<br />

Berühmter Hochzeitsgast in Krumbach<br />

um 1955<br />

Foto: Hans Pichler,<br />

Hochwolkersdorf<br />

von links:<br />

Franz Reichvater,<br />

Anton Karas (Musiker),<br />

Johanna Handler (Braut),<br />

Anton Gärtner<br />

1959<br />

Foto: Walter Handler,<br />

Ödhöfen-Berg (Krumbach)<br />

Freizeitwelten - 155<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 155 31.08.2009 14:18:57 Uhr


Kinder und Jugendliche<br />

Kindheit und Freizeit werden heutzutage oft<br />

zusammengedacht. Gerade Kindern (und<br />

Jugendlichen), die sich ja noch nicht im Erwerbsleben<br />

befinden, wird zugestanden,<br />

über alltägliche Freiräume und Freizeiten verfügen<br />

zu können. Kindern und Jugendlichen<br />

in früheren Zeiten war dies dagegen weniger<br />

vergönnt. Sie wurden wie selbstverständlich<br />

neben – und oft statt – der Schule zu Arbeiten,<br />

vor allem in der Landwirtschaft, herangezogen.<br />

Freilich fanden sich auch im Rahmen<br />

dieser Arbeiten für Kinder und Jugendliche<br />

Möglichkeiten, sich spielerisch die Umgebung<br />

anzueignen. Übrigens: Auch in unserer<br />

gegenwärtigen Leistungsgesellschaft decken<br />

sich Anspruch und Realität nicht immer. Für<br />

viele Kinder und Jugendliche bleiben neben<br />

Schule, Hausübungen, Nachhilfestunden und<br />

„Hobbypflichten“ nur mehr wenig Freiräume.<br />

Viele ältere Menschen erinnern sich daran,<br />

dass sie in ihrer Kindheit und Jugend kaum<br />

Freizeit gehabt haben. Dennoch heben sie<br />

hervor, wie sie quasi jede freie Minute zum Spielen „mit den einfachsten Mitteln“ genutzt haben.<br />

Manche weisen in ihren Erinnerungen darauf hin, wie Freizeit für Kinder und Jugendliche im 20.<br />

Jahrhundert immer mehr organisiert und institutionalisiert wurde. Dies konnte man mal mehr als Kontrolle,<br />

mal mehr als neuen Freiraum empfinden. Und wieder andere erzählen, wie vor allem Burschen<br />

Kriegs- und Nachkriegszeit weniger als leidvoll, sondern vielmehr als Abenteuerspielplatz erlebten.<br />

Die Fotos zeigen die Kinder beim „spielzeuglosen“ Spielen und beim Baden. Im Winter durften zunächst<br />

nur die Buben Ski fahren; die Mädchen begnügten sich eher mit dem Rodeln. Fußballklubs<br />

gab es in der Zwischenkriegszeit nur in den größeren Ortschaften. Die Pfarrjugend lockte mit Volkstanzen,<br />

Theaterspiel und Ausflügen, die Hitlerjugend mit vormilitärischer Ausbildung. Männliche Jugendliche<br />

trafen einander schon immer im Gasthaus.<br />

156 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 156 31.08.2009 14:18:58 Uhr


» Einer war dem anderen genug «<br />

Maria Gamauf, geb. 1928 in Zöbern, arbeitete später auf Schloss Krumbach<br />

Wir haben fast keine Freizeit gehabt; wir haben Kühe gehalten, Holz getragen und Obst ge-<br />

klaubt. Gespielt haben wir schon, derweil ich noch nicht in die Schule gegangen bin. Da waren wir<br />

ja wirklich noch kleine Kinder, mit denen man noch nicht viel anfangen konnte. Mit den Nachbarkindern<br />

haben wir immer mit den zwei Kühen, die wir gehabt haben, gespielt. Wir haben uns oft<br />

wunderbar gespielt, aber immer nur eine Viertel- oder Halbestunde. Dann hat das Nachbarmädel<br />

schon heimgehen müssen, weil sie kleine Geschwister gehabt hat. Da ist aus dem Stüberl des<br />

Hauses geschrien worden: „Martha!“ Und wenn sie nicht gleich heimgegangen ist, hat sie schon<br />

eine Tetschen gehabt. Jetzt mussten wir unser schönes Spiel schon wieder abbrechen, und bis<br />

wir wieder dazu gekommen sind, hat das eine Weile gedauert. Also, man kann nicht sagen: eine<br />

goldene alte Zeit! Ja, es war gemütlicher, einer war dem anderen gut genug. Aber dass das eine<br />

schöne Zeit war, will ich nicht sagen.<br />

» Wir haben halt im Wald gespielt «<br />

Hermine Reisenbauer, geb. 1916 in Kirchau (Gemeinde Warth), Arbeiterin<br />

Wir haben gespielt, nicht so wie heute mit dem modernen Zeug. Wir haben halt im Wald ge-<br />

spielt: mit Steinen und mit Moos. Ausgelegtes Moos waren die Sitze, und ein großer Stein war der<br />

Tisch. Raubritter haben wir gespielt. Wir haben ja neben der Burg gewohnt.<br />

» aber wir haben gespielt «<br />

Anton Pollak, geb. 1924 in Krumbach, wohnt in Bad Schönau, Maurer<br />

Im Verhältnis zu heute sind wir auf einer ganz niederen Stufe aufgewachsen, wir waren noch<br />

ganz hinten, etwa die Ausstattung in der Landwirtschaft. Auch persönlich haben wir sehr viel mit-<br />

machen müssen, es hat aber einfach nix anderes gegeben. Wir haben kein Spielzeug gehabt, nur<br />

primitives, aber wir haben gespielt. Wir haben dann so Spiele gehabt wie Tempelhupfen und Kugerlnscheiben.<br />

Und es waren irre viele Nachbarskinder. Wir haben uns dann zusammengefunden,<br />

getroffen und haben uns unterhalten. Es hat keinen Strom gegeben, wir haben keinen Fernseher<br />

und keinen Radio gehabt. Erst vor dem Krieg, nach der Eingliederung ins Nazi-Reich, 1938, haben<br />

wir den ersten Radio gehabt, das war ein Propagandagerät für die politische Werbung.<br />

Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 157<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 157 31.08.2009 14:18:58 Uhr


» mit der Rodel runtergefahren «<br />

Josef Steiner, geb. 1920 in Gleißenfeld (Gemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg),<br />

Produktionsleiter bei der Firma Hamburger<br />

Wir sind immer Schlittenfahren gegangen, beim Gasthaus Tauchner hinten. Die haben im Win-<br />

ter den Mist ausgeführt, den sie das ganze Jahr im Stall gemacht hatten. Der Mist ist im Winter<br />

auf einen Schlitten aufgeladen worden, und sie haben ihn mit den Ochsen bis hinten zum Wald<br />

hingeführt. Und die Spur sind wir mit der Rodel heruntergefahren. Da sind wir vorgefahren bis<br />

zum Gasthaus, ist ja kein Verkehr gewesen, ist kein Auto gefahren und nix. Am Abend sind wir<br />

natürlich nach Hause gegangen durch das Dorf runter. Meistens sind wir zum Schmied, der war<br />

mitten im Ort, hereingegangen, und da haben wir den Blasbalg getreten, wo er das Eisen erhitzt<br />

hat zum Formen. Damit wir die Schuhe ein bissel haben trocknen können, haben wir den Blasbalg<br />

getreten.<br />

Wenn wir zu Hause waren, haben wir rudelweise gespielt: „Teiferl im Graben“. In Gleißenfeld<br />

ist eine Wildbachverbauung, so ein Gerinne, dort beim Spritzenhaus. Da war einer der Teufel, der<br />

ist im Graben unten gewesen. Und wir haben müssen durch, und drüben wieder raufkraxeln. Und<br />

der, den es erwischt hat, war dann der Teufel. Sind wir da hin und her gerannt. Oder sonst: „Zur<br />

Suppe, zur Suppe, die Knödel sind heiß!“ Ein kleiner Ball ist in ein Körberl oder in eine Grube<br />

hineingelegt worden, und einer ist dort gestanden, der das Kommando geführt hat. Was er alles<br />

gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Da hat er aufgerufen: „Russen! Polen! Tschechen!“, irgendwelche<br />

Völker. Und jeder war wer anderer, ich war zum Beispiel meistens der Türke, denn ich hab<br />

unterm Türkensturz gewohnt. Wenn er das aufgerufen hat, hat man müssen hinrennen, den Ball<br />

schnappen und einen anschießen. Wenn man getroffen hat, war er erledigt und hat nicht mehr<br />

mitspielen dürfen. Das waren die Spiele.<br />

» Lauter so Blödheiten haben wir gemacht «<br />

Johann Birnbaumer, geb. 1932 in Bad Erlach, Landwirt und Musiker<br />

Wenn wir im Herbst Kühe gehalten haben auf den Wiesen, haben wir allerweil Feuer geheizt,<br />

Erdäpfel gestohlen oder Kukuruz gebraten und lauter solche Sachen. Und einmal haben wir –<br />

blöd wie wir waren – einen Haufen Munition gefunden, die ist schachtelweise herumgelegen:<br />

„Hau ma Patronen eini ins Feuer!“ Eh ahgezählt, Patronen reingehaut, zehne, und wir sind in Deckung<br />

gegangen. Na, da sind sie schon losgegangen, eine nach der anderen, posch, posch, posch!<br />

Wir haben mitgezählt bis neun, die zehnte geht nicht los. „Da hamma uns verzählt!“ Wir sind<br />

aufgestanden und sind zum Feuer gegangen, auf einmal macht es einen Poscher, und der neben<br />

158 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 158 31.08.2009 14:18:58 Uhr


uns hat schon geplärrt, hat schon einen Streifschuss am Knie gehabt. Aber daheim hat sich keiner<br />

was sagen getraut, wo er das her hat und wie das passiert ist, gar nix, weil da hast ja nicht einmal<br />

einen Doktor oder was gehabt. Da haben wir zusammengehalten, da hat’s überhaupt nix gegeben.<br />

Der hatte einen Streifschuss, lebt aber heute auch noch, glaub ich.<br />

Lauter so Blödheiten haben wir gemacht, beim Kühehalten praktisch. Aber normalerweise dürfte<br />

ich das hier gar nicht sagen, denn sonst macht das noch jemand nach.<br />

» selbstverständlich nackt «<br />

Willibald Ponweiser, geb. 1931 in Pitten, Gemeindesekretär in Pitten<br />

Wir haben den Frühling herbeigesehnt, den 1. Mai. Denn da war es Pflicht, dass wir bei der gro-<br />

ßen Wehranlage in Leiding, wo der Leidingbach eingemündet hat, einmal baden gegangen sind.<br />

Selbstverständlich nackt. Dann haben wir uns dort, wenn die Sonne geschienen hat, auf die warmen<br />

Bretter gelegt und haben uns trocknen lassen, auch die Kleidung natürlich, weil sie nass war.<br />

» was auf den Christbaum draufgekommen ist «<br />

Helene Wieser, geb. 1914 in Hochneukirchen, Landwirtin<br />

Mein Gott, was hat man zu Weihnachten gefeiert? Der Keks war im Vordergrund, und was auf<br />

den Christbaum draufgekommen ist. Das Wichtigste war, dass man etwas am Baum gehabt hat.<br />

Und das war alles. Wenige Zuckerln und sonst hast du nur Kekse gehabt. Die hat man zum Essen<br />

auch hergestellt. Sonst hat man eh nix gehabt. Da hast du ja nix kaufen können, hast kein Geld<br />

gehabt. Das Geld war immer zu wenig. Sonst hat es keine Feiern gegeben, gar nix. Niemand hat<br />

Geburtstag gefeiert. Weihnachten und Ostern waren die Feiertage – und das war alles!<br />

Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 159<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 159 31.08.2009 14:18:58 Uhr


» dass nicht das Christkind die Geschenke brachte «<br />

Margaretha Lechner, geb. 1922 in Thann (Gemeinde Warth), wohnt in Gleißenfeld<br />

(Gemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg), viele Jahre im Dienst. Der folgende<br />

Text ist ein Ausschnitt aus ihren 2006 niedergeschriebenen Lebenserinnerungen.<br />

Einmal war der Vater wieder in Neunkirchen, und als er heimkam, hatte er ein Packerl, das er<br />

versteckte. Er sagte uns nicht, was es ist. Natürlich ließ mich die Neugierde nicht in Ruhe. Heim-<br />

lich, wenn ich allein daheim war, ging ich auf Suche, und eines Tages hatte ich Glück und fand,<br />

was mich neugierig machte. Es war ein wunderschöner Ball! Ich sagte natürlich davon nichts und<br />

wartete, wann ich den Ball bekommen würde.<br />

Es war bald Weihnachten, und wir warteten schon sehnsüchtig auf das Christkind. Große Geschenke<br />

bekamen wir ja nicht, dazu reichte das Geld nicht. Aber wir freuten uns trotzdem! Am<br />

Heiligen Abend mussten wir schon früh schlafen gehen, denn in der Nacht kam ja das Christkind!<br />

In der Früh mussten wir schon sehr früh aufstehen, um fünf Uhr war die heilige Christmette und<br />

die mussten wir immer besuchen! Das Aufstehen fiel uns da nicht schwer, weil ja das Christkind<br />

da war! Und siehe da, was lag unter dem Christbaum? Es war der schöne Ball! Ich freute mich riesig.<br />

Und doch war ich auch traurig, weil ich jetzt wusste, dass nicht das Christkind die Geschenke<br />

brachte und meine Mitschüler recht hatten!<br />

» Von fünf bis vierzehn habe ich geraucht «<br />

Wilhelm Müller, geb. 1937 in Klein Wolkersdorf (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />

aufgewachsen in einem Gasthaus, Dompfarrer in Wiener Neustadt<br />

Angeblich soll ich mit fünf Jahren gesagt haben: „Ich werde einmal Pfarrer!“ Zum Gaudium aller<br />

Gäste, die wirklich alles versucht haben, mir das abzugewöhnen. Sie haben mir das Rauchen bei-<br />

gebracht, ich habe meinen ersten Rausch mit fünf gehabt und alle diese Dinge. Das hat aber den<br />

Erfolg gehabt, dass ich nur bis vierzehn geraucht habe. Mit vierzehn habe ich dann aufgehört. Von<br />

fünf bis vierzehn habe ich geraucht, zum Entsetzen meiner Mutter. Also, wenn ich heute daran<br />

denke, wird mir schlecht.<br />

160 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 160 31.08.2009 14:18:58 Uhr


» am Abend unterm Polster das Buch «<br />

Anna Buchegger, geb. 1933 in Krumbach, seit 1955 in Lichtenegg,<br />

ehemalige Gastwirtin<br />

Ich hab sehr viel und gern gelesen: Märchen- und Sagenbücher und vieles mehr. Wir hatten noch<br />

kein elektrisches Licht, da hatte ich am Abend unterm Polster das Buch. Die Mutter schimpfte,<br />

weil das für die Augen nicht gut war. Aber wenn sie draußen war, holte ich das Buch wieder hervor.<br />

Manche Bücher – ich hab manche heute noch – hab ich drei oder viermal gelesen. Die haben<br />

mich so fasziniert. Ich hab dadurch auch gut Aufsatz schreiben gelernt. Oft hab ich einen Einser<br />

gehabt, weil ich gut erzählt hab. Das kam durch das Lesen. Das wäre auch heute sehr wichtig.<br />

» Da sind viele Kirtagbäume gefallen «<br />

Johann Schwarz, geb. 1925 in Walpersbach, Landwirt<br />

Wenn Kirtag war, suchten wir schon ein halbes Jahr vorher im Schleinzer Wald, was es gibt. Wir<br />

haben Kirtagsbäume bis 35 Meter Länge heimgeführt. Bei der Schule haben wir ihn aufgestellt.<br />

Das hat hauptsächlich die Feuerwehr und die Burschenschaft gemacht. Das Aufstellen war ein<br />

langer Weg. Das ist unvorstellbar, einen Baum mit 35 Metern mit der Hand aufzustellen.<br />

Wenn der Baum dann stand, war das Bewachen natürlich sehr wichtig. Das war aber wieder<br />

Schabernack. Den Baum haben wir mit Eisenketten beschlagen, weil man gewusst hat, in der<br />

Nachbarortschaft ist heute oder morgen Kirtagbaumumschnitt. Da hat’s passieren können, dass<br />

die bösen Buben von der Nachbarortschaft den bei der Nacht umgeschnitten haben. Das war mehr<br />

Hetz. Da sind viele Kirtagbäume gefallen. Beim Umschnitt war dann ein großes Fest wie heute der<br />

Faschingsumzug. Da sind alle Dummheiten, die einem eingefallen sind, vorgekommen. Der ist<br />

nach vier, fünf Wochen, oder wie halt die Zeit gepasst hat, mit Musik und Trara umgeschnitten<br />

worden. Dann hat man ihn versteigert, oder es hat ihn wer gewonnen, der ihn wieder dem Verein<br />

geschenkt hat. Der hat ihn dann verkauft, damit auch ein bissel was über geblieben ist.<br />

» Ich war so begeistert «<br />

Helene Wiesbauer, geb. 1922 in Warth, spätere Musikschuldirektorin<br />

Ich hab mir mit zehn Jahren unbedingt eine Zither gewünscht. Die habe ich dann auch gekriegt.<br />

Ich hab beim Leitner Franzl gelernt, der es aber selber eigentlich nicht können hat. Ich hab mit<br />

Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 161<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 161 31.08.2009 14:18:59 Uhr


einer wahren Begeisterung gespielt! Er war begeistert, ich war begeistert, nur war’s nicht immer<br />

richtig. Und was hat er dann immer gesagt, wenn was war? „Lass dir das von der Mama vorsingen,<br />

weil die kann das eh!“ Und ich hätt’s nachspielen sollen. Ich war so begeistert, dass ich gleich von<br />

der Stunde heimgegangen bin, zum Schwarz hineingegangen bin und zum Gruber, und überall<br />

hab ich alles vorgespielt, was ich gelernt hab. Ich war sehr begeistert.<br />

Mein späterer Mann ist ja schon immer zum Schnapsen gekommen. Hie und da haben mein<br />

Bruder und ich mitschnapsen dürfen, sonst haben sie halt ohne uns geschnapst. Er war auch sehr<br />

musikalisch. Und meine Mama hat gesagt: „Spiel ihm was vor.“ Das hab ich ja gefürchtet! Denn<br />

wenn ich was vorgespielt hab, hat er gesagt: „Das geht falsch.“ Zeigen hat er mir es aber auch nicht<br />

können, weil er es ja selber nicht können hat. Nur, dass es falsch ist, aber das hab ich selber auch<br />

gewusst. Später war ich schon aufsässig und hab gesagt: „Des is ja wurscht!“<br />

» Man hat gehen müssen «<br />

Anna Seidl, geb. 1910 in Schwarzenbach, Landesproduktenhändlerin<br />

Der Sonntag? Na, am Sonntag hat uns der Vater allerweil in die Kirche gejaukt, auch wenn wir<br />

nicht wollten. Man hat gehen müssen. Und nach dem Essen sind wir spielen gegangen, wenn wir<br />

durften. Allerweil haben wir eh nicht dürfen. Sonst haben wir müssen die Kühe halten gehen.<br />

» Aber man hat das ertragen «<br />

Anton Schweiger, geb. 1931 in Walpersbach,<br />

war nach HAK-Matura Verkaufsleiter in Wien<br />

Ab dem zehnten Lebensjahr war es dann indirekt Pflicht, dass man in dem kleinen Ort zu den<br />

Ministranten ging. Hier ist auch zu erwähnen, dass das Ministrantensein zu dieser Zeit ganz an-<br />

ders ausgesehen hat als heute. Der Organist war zum Beispiel spielunfähig, wenn nicht der Blas-<br />

balg getreten wurde. Oder: Wenn man vorne vor dem Altar ministriert hat, war es eine Selbst-<br />

verständlichkeit, dass man während der Messe auf den Altarstufen knien musste. Oder eine ganz<br />

schreckliche Tätigkeit war, wenn man zur Weihnachtsmette, die um Mitternacht war, das Messbuch,<br />

wenn der Priester das Weihnachtsevangelium gelesen hat, auf den Händen liegen hatte und<br />

stehen musste, bis endlich dieses Weihnachtsevangelium zu Ende gelesen war. Aber man hat das<br />

ertragen, und heute würde man sagen, es hat nur gestählt. Ich muss aber sagen, das Ministrantensein<br />

hat auch seine guten Seiten gehabt: Wir haben pro Messe einen Pfennig bekommen. Da<br />

muss ich erwähnen dazu: Zu dieser Zeit hat Österreich nicht mehr bestanden, sondern war dem<br />

162 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 162 31.08.2009 14:18:59 Uhr


sogenannten Deutschen Reich angegliedert, und wir hatten die Reichsmark-Währung. Und ein<br />

Pfennig war sehr viel Geld und eine sehr wertvolle Aufbesserung des Taschengeldes.<br />

Anfänglich nahmen wir Kinder ja den Krieg überhaupt nicht zur Kenntnis. Konfrontiert damit<br />

waren wir nur als Ministranten, wenn in der Kirche ein Grabhügel aufgebaut wurde mit einem Bir-<br />

kenkreuz davor und wieder eine Totenmesse für einen jungen gefallenen Gemeindebürger gelesen<br />

wurde. Da haben wir auch als Kinder mitbekommen, was da eigentlich wirklich vor sich geht. Ich<br />

muss sagen, diese Szenen sind mir eigentlich bis zum heutigen Tag sehr intensiv in Erinnerung.<br />

» bei der Pfarrjugend vollaktiv «<br />

Johann Karnthaler, geb. 1929 in Haderswörth (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />

Landwirt<br />

Ich war dann als Erstes bei der Pfarrjugend vollaktiv, also mitwirkend, immer wieder, so wie<br />

alle anderen, bis das Landwirtschaftliche Fortbildungswerk gegründet worden ist. Dann waren<br />

wir teilweise dort. Bei der Pfarrjugend war alle Monat mindestens einmal ein Heimabend, der<br />

wurde meistens durchgeführt vom Herrn Dechant Zika. Da ist gesungen worden und sind Spiele<br />

gemacht worden. Dann haben wir uns natürlich getroffen und auch gesellschaftlich getanzt. Zum<br />

Teil haben wir mit Volkstanzen angefangen. Die Sonnenwendfeiern sind dann gepflegt worden.<br />

Und wenn wer geheiratet hat, haben wir angefangen zum Maschkern. Volkstanzen: Da haben wir<br />

einen Lanzenkirchner gehabt, der hatte schon vor dem Krieg – zehn, fünfzehn Jahre vorher schon<br />

– immer Jugendgruppen geführt und hatte auch so verschiedene Tänze mit anderen eintrainiert<br />

und auch das Schuhplatteln. So haben wir dann eben eine Gruppe gebildet. Und die, die am besten<br />

durchgehalten haben, waren immer wieder mit dabei. Auch bei der Sonnenwendfeier haben<br />

wir einen Volkstanz gemacht mit den Mädchen, entweder einen Bandltanz oder was halt dann in<br />

freier Natur besser aufführbar war. Oder eventuell einen Plattler. Da hat es die Plattler geben:<br />

den Latschenplattler und den Holzhacker, das waren halt die zwei attraktivsten. Es gab auch den<br />

Mahder, aber der war halt ein leichterer Tanz. Wenn mehr vorgeführt worden ist, ist der auch<br />

mitaufgeführt worden.<br />

Bei der Pfarrjugend ist dann neben dem Volkstanz und der Brauchtumspflege auch Theater gespielt<br />

worden. Weil da waren Vorgänger, ältere Männer und Frauen, die noch vor der Hitler-Zeit<br />

und in ihrer Jugendzeit gespielt hatten. Die haben dann das wieder ein bisserl angeheuert. In der<br />

Pfarrjugend war alles gemischt: die Landwirtskinder und auch die Kinder der Landarbeiter, halt<br />

alle Berufsgruppen. Beim Landwirtschaftlichen Fortbildungswerk waren am Anfang überwiegend<br />

nur die Kinder von Landwirten. Es waren natürlich auch welche, die in der Landwirtschaft beschäftigt<br />

waren, aber man hat dann auch laufend andere mitgenommen.<br />

Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 163<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 163 31.08.2009 14:18:59 Uhr


» im Kirchenchor mitgespielt «<br />

Johann Bleier, geb. 1922 in Gleichenbach (Gemeinde Hollenthon), Landwirt<br />

Freizeit? Ich hab nicht viel Freizeit gehabt. Da hat’s arbeiten geheißen. Am Sonntag haben wir<br />

ein paar Stunden frei gehabt. Da sind wir in die Kirche gegangen, meistens nach Landsee. Mein<br />

Vater ist nach Hollenthon gegangen, weil der war Gemeinderat und der hat dort geschaut, was es<br />

Neues gibt. In der Früh hat er mir füttern geholfen, und dann hab ich fertig füttern müssen. Denn<br />

in Hollenthon war die Messe um halb acht und in Landsee war’s um halb zehn. Und wir sind meist<br />

nach Landsee gegangen. Wenn ich fertig war mit dem Füttern, war’s eh schon halb acht oder acht.<br />

Ich hab geigen können, und vor dem Krieg haben wir in Landsee im Kirchenchor mitgespielt.<br />

Ich und der Fally Sepp, der ist später gefallen. Den Pfarrer haben wir gut gekannt. Wir sind ja<br />

meistens nur wegen dem nach Landsee gegangen, weil’s näher war, um zwanzig Minuten oder<br />

eine halbe Stunde näher. Da hat uns der Pfarrer einmal angeredet, ob wir nicht im Kirchenchor<br />

mitspielen möchten. Haben wir gesagt: „Ja, ist nichts dabei, können wir schon machen.“ Zu den<br />

größeren Feiertagen immer: zu Weihnachten, zu Ostern, zu Pfingsten. Zu den Feiertagen haben<br />

wir am Kirchenchor oben geigen müssen. Das war schön. Zu Mittag haben sie uns mit den Chorsängerinnen<br />

zum Essen eingeladen. Nachmittag um zwei war der Segen, da haben wir auch noch<br />

mitgegeigt mit dem Kirchenchor. Das war schön. Bei dem Fally – er war zehn Jahre älter wie ich<br />

– hatte ich auch geigen gelernt. Wir haben Hefte gehabt. Alle Wochen bin ich ein paar Mal hin zu<br />

ihm. Wir haben auch ein wenig dafür bezahlt.<br />

» Es war ein Priesterseminar «<br />

Ferdinand Zahlner, geb. 1936 in Laa an der Thaya, seit 1948 in Katzelsdorf,<br />

Pater und AHS-Lehrer für Biologie und Umweltkunde<br />

Der Tagesablauf, das bedeutete zunächst: sehr früh aufstehen. Es war ein Priesterseminar, ein<br />

kleines Seminar. Also die, die hergekommen waren, hatten zumindest den Wunsch, Priester zu<br />

werden – ob sie es dann tatsächlich später geworden sind oder werden wollten, weggegangen sind<br />

oder zum Teil auch weggeschickt worden sind. Es gab jeden Tag eine Eucharistiefeier, eine Messe<br />

oben in dieser Kapelle, dann Frühstück, dann noch Frühstudium. Um halb acht waren wir schon<br />

vorbereitet, mir war’s angenehm, deswegen bin ich auch früher schlafen gegangen. Heute geh ich<br />

so um Mitternacht schlafen, damals sind wir natürlich mit den Hühnern ins Bett. Abends war der<br />

Präfekt da und las noch eine Geschichte vor, oft eine Geistergeschichte. Dann wurde abgedreht,<br />

dann war’s finster. Zumindest in der Unterstufe noch, die Größeren durften dann auch länger<br />

aufbleiben.<br />

164 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 164 31.08.2009 14:18:59 Uhr


Nach dem Unterricht: Mittagessen unten, der Speisesaal ist heute noch der gleiche Raum. Dann<br />

war eigentlich freie Zeit draußen im Park. Die Spiel- und Sportplätze wurden erst allmählich ge-<br />

staltet. Wir waren sehr viel in der Leitha-Au. Ich erinnere mich an einen strengen Wintertag und<br />

einige Schüler waren schon verkühlt. Wir sind direkt im Schneesturm nach Ofenbach hinauf in<br />

ein Gasthaus: Tee mit Rum, ausnahmsweise Tee mit Rum, das hat uns wieder angefeuert. Krankheiten<br />

konnten wir uns nicht leisten. Und sonst war‘s natürlich schon streng.<br />

» Den Erich haben wir immer mitspielen lassen «<br />

Elfriede Klinglmüller, geb. 1925 in Scheiblingkirchen,<br />

Wirtstochter, Eierhändlerin<br />

Wir haben Nachbarn gehabt, das waren Juden. Sie waren sehr, sehr nett; sie haben wirklich für<br />

die Leute alles gegeben. Sie haben den Leuten, die kein Geld gehabt haben, Ware gegeben. Sie<br />

haben ihnen Suppen geschenkt oder Mehl oder Zucker oder Kaffee, den es damals nur wenig gab.<br />

Das waren wirklich sehr, sehr gute Leute. Löbel haben sie geheißen.<br />

Wir sind jeden Samstag rüber und haben gebettelt, da hat‘s dieses weiße Brot gegeben, Mazzes.<br />

Das ist ungesäuertes Brot, und da sind wir immer rüber und haben gebettelt um so ein Stückel.<br />

Wir hatten eh ein anderes Brot, aber das Mazzesbrot wollten wir haben. Ich kann mich noch sehr<br />

gut erinnern: Ich war so fasziniert, wie ich das erste Mal den Friedl beten sah. In der Küche war<br />

eine Nische, davor ist er gestanden, ein Kappel auf und das Gebetszeichen, dort ist er immer so<br />

gestanden. Waren wir begeistert von dem! Das hat uns gefallen. Da hab ich das erste Mal einen<br />

beten gesehen. Das war etwas ganz Spektakuläres. Der Erich war immer bei uns, er war von der<br />

alten Frau Löbel von einem Sohn der Sohn. Den Erich haben wir immer mitspielen lassen. Wenn<br />

wir recht lästig waren, haben wir gesagt: „Erich, geh heim und hol eine Schokolade, dann darfst<br />

wieder mitspielen.“ Dann ist er heimgegangen, hat das geholt, dann hat er wieder mitspielen<br />

dürfen. Wir waren so richtige Erpresser. Aber wir haben mit den Leuten ein sehr gutes Verhältnis<br />

gehabt. Aber dann sind von Seebenstein zwei SA-Männer gekommen …<br />

» im Geheimen dazu gegangen «<br />

Amalia Brandstetter, geb. 1929 in Krumbach, Landwirtin<br />

Uns hat’s Spaß gemacht, weil wir das Ganze nicht verstanden haben. Die Kinder sind aufgenom-<br />

men worden zur Hitlerjugend. Das hat mir so imponiert, da wäre ich auch so gern dabei gewesen.<br />

Da hat es Heimstunden gegeben, und es ist gebastelt und gespielt worden, Völkerball zum Bei-<br />

Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 165<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 165 31.08.2009 14:18:59 Uhr


spiel. Jetzt bin ich halt im Geheimen dazu gegangen und habe das auch gemacht. Dann habe ich<br />

das daheim erzählt. Na, die waren so entgeistert, und die Mama ist dann in die Schule gegangen.<br />

Die hat halt gesagt: Da ist keine Zeit dazu, wir müssten ja Kühe halten, wenn wir heimkommen!<br />

Aber das war nun gar nicht mehr möglich. Jetzt habe ich dabei bleiben müssen.<br />

» Dort haben sie über den Hitler erzählt «<br />

Johanna Kahofer, geb. 1925 in Edlitz, Landwirtin<br />

Als der Hitler im 1938er-Jahr gekommen ist, sind die Mädchen auch zum BDM gekommen:<br />

Bund deutscher Mädel. Und die Buben waren die Hitlerjugend. Da haben wir öfters Versamm-<br />

lungen in der Schule gehabt, am Nachmittag halt. Dort haben sie über den Hitler erzählt, wie gut<br />

der ist. Haben sie halt Reklame gemacht damit, dass jetzt die guten Zeiten kommen, und dass<br />

das für die Jugend schön ist und so. Da haben sie Reklame gemacht, an das kann ich mich noch<br />

erinnern. Aber in Wirklichkeit …<br />

» Ist ja lächerlich so etwas! «<br />

Josef Giefing, geb. 1930 in Wiener Neustadt, lebt in Lanzenkirchen,<br />

Schlosser und ÖBB-Bediensteter<br />

In der HJ bist du auf den Krieg vorbereitet worden: Marschieren, Geländespiele, Skikurs und<br />

Schießen natürlich. Aber für Kultur haben sie nicht viel übrig gehabt. Ich war in einem HJ-Wehrertüchtigungslager.<br />

Da bist aufgestanden, zum Morgenappell angetreten, die Fahne gehisst –<br />

„Sieg heil!“ Dann ist die Tageslosung ausgegeben worden, und danach hast halt angefangen zu<br />

marschieren oder hast irgendeine Übung gemacht oder Schießen mit Luftdruckgewehr und dann<br />

wieder einen Dauerlauf. Wehrertüchtigung! Da bist gerannt oder gelaufen und lauter so Sachen,<br />

dass du halt körperlich fit bist, geistig in eine Richtung gedrillt, nur für den Krieg und „Heil Hitler“.<br />

Ist ja lächerlich so etwas! Heute lacht dich schon ein jedes Kind aus, wenn so etwas ist. Mit<br />

sechzehneinhalb oder siebzehn Jahren sind sie dann richtig eingerückt. Beim Volkssturm waren<br />

unsere Ortsnazis auch dabei, und die haben das Ganze kommandieren wollen – und sind als<br />

Erstes davongerannt. Wir haben nix gelernt, wir haben nur schießen gelernt, aber sonst gar nix –<br />

außer Leute umbringen. Ist ja lächerlich so etwas!<br />

166 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 166 31.08.2009 14:18:59 Uhr


» Es war ein faszinierendes Schauspiel «<br />

Alfred Höller, geb. 1931 in Lichtenegg,<br />

ehemaliger Direktor der Hauptschule Lichtenegg<br />

Ich kam 1942 nach Wien. Ab 1944, bis zum Ende des Krieges, wurde Wien immer öfter bom-<br />

bardiert. Und was war naheliegend? Als Bub möchte ich das, wie man heute so schön sagt, live<br />

miterleben. In unserem Haus war eine Stiege, eine Eisenleiter, die sehe ich heute noch vor mir.<br />

Sie ging auf den Dachboden hinaus, und von dort war wieder eine Leiter zum Dach. Das war ein<br />

Flachdach mit einem Eisengeländer. Und was war als Bub naheliegender, als zu sehen, was spielt<br />

sich da ab, wie wird eine Stadt angegriffen, wie wird sie bombardiert? Ohne zu denken, wie leicht<br />

man dabei selber zu Schaden kommen könnte. Warum? Es war ein faszinierendes Schauspiel, wie<br />

die feindlichen Bomber ihre Bombenlast abwarfen. Die deutsche Flak hat versucht, Flugzeuge<br />

abzuschießen, und ich stand mitten im Geschehen. Faszinierend! Da hat sich was getan, hier sind<br />

Flugzeuge abgestürzt, dort wurde ein Haus getroffen. Ohne zu bedenken, dass das eigene Haus<br />

dabei sein hätte können.<br />

Im Jahr 1945 war ich wieder in Lichtenegg. Am Karsamstag, fünfzehn Uhr, ich werde das nie<br />

vergessen, ich war damals dreizehneinhalb Jahre alt. Man hörte von den älteren Leuten, denn die<br />

Väter waren eingerückt, die Russen kommen von Kirchschlag, sie sind schon in Aigen, sie nähern<br />

sich schon Thal. Wer anderer hat behauptet, sie sind schon beim Schiefer, also in der Feichten.<br />

Und in dem Augenblick ist die Nachricht eingetroffen: „Die Annakirche in Wiesmath brennt!“<br />

Was war naheliegend für uns Buben? Das muss man gesehen haben! Meine Mutter natürlich in<br />

Sorge, die hatte schon alles gerichtet gehabt, um zu fliehen. Ich sehe heute noch eine Tasche mit<br />

den Habseligkeiten. Was hat man schon gehabt: eine Uhr, Ohrringerl, Ketterl. Diese wertvollen<br />

Sachen hatte man verstaut, um rasch fliehen zu können, wenn die Russen den Ort betreten. In<br />

dem Augenblick hatten wir, mein Cousin, der Herr Aigner, und ich, nichts Eiligeres zu tun als: Das<br />

müssen wir sehen! Meine Mutter hat gesagt: „Bitte, bleib da, wir müssen fliehen, die Russen kommen<br />

in Kürze!“ Nein, ich habe mir noch ein Fahrradl ausgeborgt, das war schon im Heu versteckt.<br />

Eine Frau aus dem Ort war so gut und hat mir das Rad geborgt. Und so bin ich mit meinem Cousin<br />

Richtung Schlag rausgefahren. Wir haben dort gesehen: Tatsächlich, die Annakirche brennt. Sie<br />

stand in hellen Flammen. Das war faszinierend. Und damit man das alles gut beobachten kann,<br />

hatte ich mir noch von meinem Vater einen Feldstecher genommen, einen Gucker, wie man sagt.<br />

Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 167<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 167 31.08.2009 14:18:59 Uhr


» Das war ein gutes Geschäft «<br />

Johann Halling, geb. 1933 in Eichbüchl (Gemeinde Katzelsdorf), Landwirt<br />

Wir haben als Kinder gute Geschäfte mit den russischen Soldaten gemacht. Zum Beispiel: Ich<br />

habe ein viereckiges, glänzendes Feuerzeug gehabt. Wenn du da gedrückt hast, ist es hinaufge-<br />

schnappt und hat gebrannt. Ein Russe sieht das Feuerzeug und will es haben, aber ich habe es<br />

nicht hergegeben. Er hat da bei der Leitha, wo wir Rinder gehalten haben, fünfzig Pferde gehalten,<br />

vom Lazarett. Hab ich gesagt: „Gib mir das Pferd, dann gebe ich dir das Feuerzeug.“ Ich hab ihm<br />

das Feuerzeug gegeben und bin mit dem Pferd nach Hause. Das war ein gutes Geschäft.<br />

» Da haben wir unsere Hetz gehabt «<br />

Franz Giefing, geb. 1935 in Hochwolkersdorf, Landwirt<br />

In Wiesmath war ein Kino. Das ist, glaube ich, Anfang der 1950er-Jahre gebaut worden. Da<br />

sind wir dann mit den Radln hingefahren. Ab 1951 war auch in Hollenthon ein Kino, im Gasthaus<br />

Steiner, der hat ein Kino gehabt, in dem großen Saal. Da sind wir auch mit dem Radl hingefahren,<br />

im Winter mit dem Autobus. Und in der Nacht sind wir von Hollenthon heimgegangen. Da war<br />

ich sechzehn, siebzehn Jahre, wir waren eine ganze Partie natürlich. Da haben wir unsere Hetz<br />

gehabt, das war recht unterhaltsam, das Heimgehen oft mehr wie das Kino.<br />

» Ich bin begeistert! «<br />

Willibald Brandstätter, geb. 1929 in Zöbern, Lagerhausverwalter<br />

Wenn ich gefragt werde, was ich von der heutigen Jugend halte, sag ich: „Ich bin begeistert!“<br />

Also, bei uns in Zöbern ist die Jugend wirklich tüchtig. Ich bin froh, dass in so einer ländlichen<br />

Gemeinde die Jugend noch so fröhlich ist. Zum Großteil in den Vereinen und zum Großteil auch,<br />

weil sie lustig ist.<br />

168 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 168 31.08.2009 14:18:59 Uhr


Spaziergang in Bad Schönau<br />

von links:<br />

Geschwisterliches Gebet in Schwarzau<br />

Anton und Hermann Ungerböck<br />

1950<br />

Foto: Hermann Ungerböck, Bad Schönau<br />

von links:<br />

Franz Fuchs, Anna Fuchs (Gamperl)<br />

um 1941<br />

Foto: Josef und Anna Gamperl, Schwarzau<br />

Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 169<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 169 31.08.2009 14:19:01 Uhr


Badetag in Bromberg<br />

Waschtrogregatta im Zöbernbach<br />

170 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

von links:<br />

Foto: Anna Heissenberger, Zöbern<br />

im großen Sautrog<br />

von links:<br />

Karl Heissenberger,<br />

Helga Ramharter,<br />

Monika Heissenberger<br />

1963<br />

Foto: Karl Heissenberger,<br />

Breitenbuch (Bromberg)<br />

Anna Pichelbauer (Heissenberger), Hubert Pichelbauer<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 170 31.08.2009 14:19:02 Uhr<br />

1937


Badetag in Warth<br />

Bubenfuhrwerk in Lanzenkirchen<br />

in der Pitten bei Petersbaumgarten, wobei die Piloten<br />

im Hintergrund als Uferschutz dienten<br />

von links:<br />

Franz Ofenböck, Maria Ungersböck, Hilde Lechner,<br />

Maria Ungersböck<br />

um 1940<br />

Foto: Maria Ungersböck, Petersbaumgarten (Warth)<br />

von links:<br />

Otto Haindl, Peter Taschl, Johann Karner<br />

30. Juli 1940<br />

Foto: Herbert Swoboda, Lanzenkirchen<br />

Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 171<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 171 31.08.2009 14:19:04 Uhr


Mädchen mit Damenfahrrad in Schwarzau<br />

Kinderspiele in Seebenstein<br />

172 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

Renate Taschner<br />

um 1965<br />

Foto: Renate Taschner,<br />

Schwarzau am Steinfeld<br />

auf der Spielwiese des Kindergartens Herminenstift um 1930 Foto: Theresia Malainer, Seebenstein<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 172 31.08.2009 14:19:06 Uhr


Vorführung eines Tanzbären in Wiesmath<br />

Großfamilie aus Hollenthon<br />

von links: Leopoldine Reithofer (Mutter), Hilda und Michael Reithofer, Margit Handler (Nachbarskind),<br />

Poldi, Mitzi, Hans, Lisi, Moni, Christl, Waltraud und Ingrid Reithofer, Michael Reithofer (Vater)<br />

um 1930<br />

Foto: Gemeinde Wiesmath<br />

rund um den Tisch<br />

um 1965<br />

Foto: Leopoldine Reithofer,<br />

Spratzau (Hollenthon)<br />

Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 173<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 173 31.08.2009 14:19:07 Uhr


Kindergartenfest in Schwarzenbach<br />

von links: Franz Giefing, Bertram Frühwirth, Kindergartenpädagogin Fr. Klosterer,<br />

Alois Oberger (Kind an Händen der Kindergärtnerin), unbekannt<br />

Fußballspieler der Volksschule Lichtenegg<br />

174 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

von links:<br />

um 1942<br />

Foto: Alois Oberger,<br />

Schwarzenbach<br />

1. Reihe: Johann Piribauer,<br />

Johann Haselgruber,<br />

Peter Lechner,<br />

Stefan Ganauser<br />

2. Reihe: Karl Blochberger,<br />

Josef Leitner, unbekannt,<br />

Willibald Weninger<br />

3. Reihe: Anton Rasner,<br />

Franz Ostermann,<br />

Johann Mayrhofer<br />

4. Reihe: Alfred Höller<br />

1967<br />

Foto: Chronik der Volksschule<br />

Lichtenegg<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 174 31.08.2009 14:19:08 Uhr


Ausflug der Lanzenkirchner Ministranten<br />

mit dem Fahrrad auf die Hohe Wand<br />

von links:<br />

Josef Fuchs, Kaplan Rudolf Neumaier, Josef Haller,<br />

Ludwig Kögler, Johann Rupp<br />

1940<br />

Foto: Herbert Swoboda, Lanzenkirchen<br />

Grimmensteiner Familie im Herrgottswinkel<br />

von links:<br />

Maria, Johann, Aloisia, Johanna und Aloisia Haiden<br />

1940er-Jahre<br />

Foto: Walter Pfeffer, Grimmenstein<br />

Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 175<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 175 31.08.2009 14:19:11 Uhr


Rodelpartie in Wiesmath<br />

Beim Eislaufen in Pitten<br />

176 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

1934<br />

Foto: Gemeinde Wiesmath<br />

auf dem zugefrorenen<br />

Badevorwärmer<br />

von links:<br />

Monika Kampichler (Grohal),<br />

unbekannt,<br />

Roswitha Fox (Seidl)<br />

um 1956<br />

Foto: Museums- & Bildungsverein<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 176 31.08.2009 14:19:11 Uhr<br />

Pitten


Wintersport in Klingfurth<br />

von links: Elfriede Gneist (Wiedenhofer), Monika Hendling (Erhart), Franz Grundtner<br />

Bei der Mopedreparatur in Krumbach<br />

mit Rodeln<br />

für die Mädchen<br />

und Schi für<br />

den Buben<br />

1954<br />

Foto: Elfriede<br />

Wiedenhofer,<br />

Klingfurth<br />

(Walpersbach)<br />

von links:<br />

Friedrich und<br />

Alfred Geiderer<br />

1958<br />

Foto: Friedrich<br />

Geiderer, Krumbach<br />

Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 177<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 177 31.08.2009 14:19:12 Uhr


Heimwehrnachwuchs aus Grimmenstein<br />

9. Bub von links: Alois Wöhrer 1920er-Jahre Foto: Elisabeth Turner, Grimmenstein<br />

Hitlerjugend aus Lichtenegg<br />

Alois Wöhrer (9. Bub von links)<br />

178 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

Ein Hr. Ernst aus<br />

Wiesmath kam<br />

zweimal pro Woche<br />

nach Lichtenegg und<br />

lehrte den „Pimpfen“<br />

das Marschieren und<br />

„richtiges“ militärisches<br />

Verhalten.<br />

von links:<br />

Franz Neumüller,<br />

Josef Pichler<br />

1940<br />

Foto: Fam. Neumüller,<br />

Kaltenberg (Lichtenegg)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 178 31.08.2009 14:19:13 Uhr


Jungschargruppe Walpersbach<br />

Foto: Gisela Fuchs, Walpersbach<br />

von links: 1. Reihe: Franz Schwarzl, Franz Schmid, Leonhard Schöberl, | 2. Reihe: Berta Kollmann (Lehrerin), Maria Schwarz<br />

(Kleisz), Josef Hochleithner jun., Elisabeth Hochleithner, Josef Krenn, Gertrud Fuchs (Buchner), Karl Heinz Buchner,<br />

Christine Birnbaumer (Baumgartner) | 3. Reihe: Ernestine Schwarzl (Plochberger), Josef Swoboda<br />

Beim Kartenspiel im Schloss Katzelsdorf<br />

bei Fest anlässlich der<br />

250-Jahr-Feier der<br />

Pfarrkirche Walpersbach<br />

um 1968<br />

1920<br />

Foto: Gemeinde Katzelsdorf<br />

Kinder und Jugendliche - Freizeitwelten - 179<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 179 31.08.2009 14:19:17 Uhr


Wirtshausrunde in Thomasberg<br />

Kochkurs in Volksschule Schwarzenbach<br />

180 - Freizeitwelten - Kinder und Jugendliche<br />

von links rund um den Tisch:<br />

Josef Motsch, Josef Lakinger,<br />

Brigitte Hosch, Franz Winkler,<br />

Engelbert Ringhofer,<br />

Kaplan Lambert Wiesbauer,<br />

Theresia List, Willibald Mayrhofer,<br />

Johann Fuchs, Maria Wagner,<br />

Willibald Seidl, Gerhard Philip,<br />

Heinrich Schwarz, Christine Seidl,<br />

Josef Mayrhofer<br />

1973<br />

Foto: Engelbert Ringhofer,<br />

Königsberg (Thomasberg)<br />

Lehrerin Antonia Ilchman<br />

von links: 1. Reihe: Erika Gruber,<br />

Hermine Bernhart, Maria Grill,<br />

Annemarie Giefing, Maria Faber,<br />

Helga Theuerweckl,<br />

Gertraud Rottensteiner<br />

2. Reihe: Anna Schwarz,<br />

Herta Kühteubl, Elfriede Geyer,<br />

Gerlinde Oberger, Christine<br />

Reisner, Johanna Führinger,<br />

Maria Gneist, Theresia Dutter<br />

1960<br />

Foto: Johanna Handler, Pesendorf (Lichtenegg)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 180 31.08.2009 14:19:17 Uhr


Frauen<br />

Nicht nur in historischen,<br />

sondern ebenso in gegenwärtigen<br />

gesellschaftlichen<br />

Ordnungen und Hierarchien<br />

wird die Verantwortung für<br />

den Hausarbeits- und Familienbereich<br />

immer noch<br />

und vor allem den Frauen<br />

zugeschrieben. Da viele<br />

Frauen zugleich stets auch<br />

einer Erwerbsarbeit nachgingen<br />

und -gehen, waren<br />

und sind die Möglichkeiten<br />

für Freiräume und Freizeiten für viele Frauen begrenzt. Auch die Mitwirkung in lokalen Vereinen war<br />

und ist oft Männern vorbehalten. Dagegen existierten aber immer schon spezielle Tätigkeitsfelder,<br />

vor allem im sozialen Bereich, die durch das ehrenamtliche Engagement von Frauen getragen wurden<br />

und werden.<br />

Viele Frauen, die über ihre Lebensgeschichte in der Buckligen Welt erzählen, berichten dann auch<br />

nur spärlich über Freizeitaktivitäten im Erwachsenenalter. Das mag zwar einerseits damit zusammenhängen,<br />

dass in den Interviews vor allem nach Kindheits- und Jugenderfahrungen gefragt wurde.<br />

Andererseits weisen viele Erzählerinnen mit Nachdruck darauf hin, wie nach Jugendzeit, Hochzeit<br />

und der Gründung einer eigenen Familie keine oder kaum mehr Zeit für Freizeit bleib. Einzelne jedoch<br />

erinnern sich, wie sie sich persönlich doch immer wieder Freiräume geschaffen haben. Und andere<br />

heben ihr jahrzehntelanges Mitwirken und Engagement bei Kirchenchor und Caritas hervor.<br />

Bei der Zusammenstellung der Fotos zeigte sich, dass es kaum Motive aus dem Freizeitbereich<br />

der Frauen gibt. Frauen hatten eben normalerweise kaum freie Zeit. Manche Fotos dokumentieren<br />

„Mischbereiche“: etwa die Zusammenkunft und der gemeinsame Umtrunk beim Federnschleißen.<br />

Bei diversen Festen durften die Frauen bei den Vorbereitungen mithelfen; und nur bei ganz besonderen<br />

Anlässen und Festivitäten begleiteten sie ihre Männer ins Wirtshaus. Sehr viel Courage bewiesen<br />

die Frauen, die ohne männliche Begleitung mit den Fahrrädern nach Mariazell fuhren. Und geradezu<br />

revolutionär erscheint eine Damenrunde beim Kartenspielen im Wirtshaus.<br />

Frauen - Freizeitwelten - 181<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 181 31.08.2009 14:19:18 Uhr


» keine Freizeit gehabt «<br />

Theresia Reisner, geb. 1918 in Aigen (Gemeinde Kirchschlag),<br />

seit 1937 in Gleichenbach (Gemeinde Hollenthon), Landwirtin<br />

Ich hab keine Freizeit gehabt. Wenn Freizeit gewesen ist, dann hab ich meinen Kindern alles<br />

zusammenrichten müssen, flicken und stopfen. Da haben wir ja nicht so ein Gewand gehabt wie<br />

heute.<br />

» Freizeit hab ich nicht viel gehabt «<br />

Johanna Kahofer, geb. 1925 in Edlitz, Landwirtin<br />

Freizeit hab ich nicht viel gehabt, weil es war eh immer die Arbeit. Am Sonntagnachmittag hab<br />

ich wieder müssen die Wäsche richten für die ganze Woche. Wir waren ja gläubige Menschen, wir<br />

sind jeden Sonntag in die Kirche gegangen, herunter eine Stunde, zurück fünf Viertelstunden,<br />

im Winter eineinhalb Stunden. Eine hat müssen daheim bleiben, Haus hüten. Die hat derweil<br />

gekocht, bis wir wieder heimgekommen sind. Die anderen sind in die Kirche gegangen, und dann<br />

sind sie wieder heim. Oft, wenn nachmittags um zwei Kongregationsversammlung von den Mädchen<br />

war, sind wir zweimal hinunter und heim. Man hat alles zu Fuß gehen müssen.<br />

» oft mit dem Rad ausgefahren «<br />

Franziska Ungerböck, geb. 1921 in Harmannsdorf (Gemeinde Hochneukirchen-<br />

Gschaidt), Näherin und Landarbeiterin. Der folgende Textausschnitt ist aufgrund<br />

eines Schreibaufrufs der „Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“<br />

zum Thema „Faszination des Fahrens“ im Jahre 2002 entstanden.<br />

Die Ostermann Leni und ich sind oft mit dem Rad ausgefahren. Einmal, es war kurz nach dem<br />

Krieg, sind wir nach Pinggau gefahren. Da konnte man schon etwas ohne Bezugsschein kaufen.<br />

Leni hatte einen Koffer dabei, sie hatte Rexgläser eingekauft. Als wir von Pinggau nach Schäffernsteg<br />

kommen, sagte Leni: „Ich hab im hintern Rad keine Luft mehr.“ Da war guter Rat teuer.<br />

Pickzeug hatten wir auch keines dabei. In Schäffernsteg ist ein Gasthaus, da ging Leni hinein und<br />

fragte, ob sie uns helfen könnten. Sie verneinten, meinten aber, nebenan seien Soldaten einquartiert,<br />

vielleicht könnten die uns helfen. Die waren damals zur Bewachung der burgenländischen<br />

Grenze eingesetzt. Leni ging hinein und fragte sie um Hilfe. Es waren drei junge, fesche Männer,<br />

182 - Freizeitwelten - Frauen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 182 31.08.2009 14:19:18 Uhr


und die konnten uns helfen. Sie haben den Schlauch gepickt. Und weil wir noch nach Pinkafeld<br />

fahren wollten, bat Leni sie, ob sie ihren Koffer, er war ja schwer, derweil dalassen könnte. Sie<br />

sagten: „Ja, selbstverständlich!“<br />

Als wir dann zurückkamen und den Koffer haben wollten, sagten sie: „Der Koffer ist gestohlen<br />

worden, wir müssen Anzeige erstatten. Einer ging zur Schreibmaschine und sagte: „Ich brauche<br />

Namen und Adresse.“ Leni – sie war für jeden Spaß zu haben – sagte irgendeine Adresse an. Dann<br />

stellte sie sich hinter den Schreibenden und tippte immer auf irgendeine Taste. Er deckte dann<br />

die Schreibmaschine mit der Hand ab. Wenn er wieder schreiben wollte, machte sie es wieder. Ich<br />

habe mich köstlich amüsiert dabei. Am meisten habe ich gelacht, als er schrieb, dass ein Koffer<br />

gestohlen wurde und sie immer wieder sagte: „Der neue Koffer!“ Dabei war er schon alt und hatte<br />

ein Loch.<br />

Es wurde dann schon dämmrig, da sagte Leni: „Bitte, gebt uns den Koffer heraus, wir müssen<br />

nach Hause, es wird ja finster.“ Da gaben sie ihn heraus. Wir mussten ja das Rad den steilen Berg<br />

nach Ulrichsdorf hinaufschieben. Das brauchte Zeit. Straße war damals noch keine von Ulrichsdorf<br />

nach Gschaidt. Der Weg war eben, aber dreckig. Wir mussten auch da die Räder schieben. Es<br />

wurde dann ganz finster, bis wir nach Hause kamen. Zu Hause sorgten sie sich schon um uns. Es<br />

ist aber ein schönes Erlebnis gewesen.<br />

» ein Kinofilm gedreht «<br />

Theresia Dienbauer, geb. 1927 in Wiesmath, aufgewachsen in einer Landwirtschaft<br />

In den 1950er-Jahren wurde in Wiesmath ein Kinofilm gedreht: „Schicksal am Lenkrad“. In<br />

Wiesmath haben sie dann Statisten gesucht, also Leute, die da mittun. Da waren wir dabei. In<br />

der Früh sind wir alle gerannt. Haben sie gesagt: „Meldets euch an!“ Es hat ja niemand gewusst,<br />

dass wir auf d’ Nacht ein Geld kriegen. Und wie man das dann gewusst hat, sind beim zweiten Mal<br />

schon mehr gekommen. Einmal haben wir über die Kirchenstiegen müssen runtergehen, hab ich<br />

einen Rosenkranz in der Hand halten müssen. In der Kirche haben sie Frauen mit einem Tüchl<br />

gesucht. Aber wenn du einen Film siehst, dann siehst halt nicht viel. Du siehst einen Moment, und<br />

schon ist’s wieder weg. Aber wir waren alle begeistert.<br />

Frauen - Freizeitwelten - 183<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 183 31.08.2009 14:19:18 Uhr


» Aber so hab ich es mir gut gehen lassen «<br />

Hildegard Kornfeld, geb. 1929 in Wiener Neustadt,<br />

aufgewachsen und wohnhaft in Lanzenkirchen, Schneiderin<br />

Was ich zu Hause alles gemacht hab? Wenn ich von der Arbeit heimkommen bin, hab ich mich<br />

niedergelegt. Da hab ich nichts gearbeitet. Ich hab auch nicht Wäsche waschen müssen. Ja, als<br />

die Mutter krank geworden ist, hab ich schon auch müssen Wäsche waschen, aber so hab ich<br />

nichts mehr gearbeitet. Denn wir haben ja keinen Garten und nichts gehabt. Aber als wir zum<br />

Bauen begonnen haben im 1961er-Jahr, hab ich schon arbeiten müssen. Da hab ich mir drei oder<br />

vier Zementsackeln auf eine Scheibtruhe aufgeladen und bin gefahren. Und die, die mir geholfen<br />

haben beim Arbeiten, sind angerannt kommen: „Bist narrisch? So schwer!“ Aber ich hätte sie ja<br />

bezahlen müssen. Das hab ich nicht können, weil ich auch kein Geld gehabt habe. Ich hab auch<br />

sparen müssen beim Bauen. Da hab ich dann schon viel arbeiten müssen. Aber so hab ich es mir<br />

gut gehen lassen, ich hab so nichts gearbeitet. Ich bin nirgends hingegangen arbeiten oder was.<br />

Denn ich hab gesagt: „Ich tu eh acht Stunden arbeiten, ich hab eh genug!“ Und mit dem Geld haben<br />

wir das halt so einteilen müssen, damit es gegangen ist.<br />

Aber als wir dann den Roller gehabt haben, sind wir schon alle Jahre in den Urlaub gefahren.<br />

Und was gab es sonst an Unterhaltungsmöglichkeiten? Alle Samstag eine Tanzerei! Da sind wir<br />

bis nach Wiener Neustadt oder Katzelsdorf gefahren. Eine Disco war das noch nicht, das war lauter<br />

so ein Tschimbum, aber das war ja wurscht. Fortgekommen sind wir.<br />

» Und so war ich fünfzig Jahre dabei «<br />

Elfriede Klinglmüller, geb. 1925 in Scheiblingkirchen, Wirtstochter, Eierhändlerin<br />

Ich hab mit fünf Jahren beim Kirchenchor angefangen, weil ich mit fünf Jahren angefangen<br />

hab Klavier zu spielen. Da war in Gleißenfeld die Frau von Schuster, die hat am Weg zum Tür-<br />

kensturz rauf gewohnt, links das Haus, das dann einem Wiener Neustädter gehört hat. Bei der<br />

hab ich Klavierstunden gekriegt. Und ich hab eine Lederschultasche gekriegt, auf die hab ich<br />

mich immer, wenn Schnee war, drauf gesetzt und bin hinuntergerutscht, weil es so stark bergab<br />

gegangen ist dort. Meine Mutter hat sich immer gewundert, dass die Schultasche so ausschaut.<br />

„Du gehst doch nur so ein Stückl in die Schule, wieso schaut die Schultasche so aus?“ Bis ich es ihr<br />

einmal gestanden habe, dass ich da immer bei der Frau von Schuster, Edle von Schuster hat sie<br />

geheißen, runtergerutscht bin. Das sind auch allerhand Sachen, die nicht richtig sind. Und da hab<br />

ich eben schon mit fünf Jahren beim Kirchenchor angefangen. Der Herr Walli war der Organist,<br />

er war immer viel bei uns. Auch der Pfarrer war alle Tag bei uns, er war der Nachbar und hat bei<br />

uns gegessen und der Herr Walli ist halt auch immer gekommen. Und da hat er gesagt: „Elfi, du<br />

184 - Freizeitwelten - Frauen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 184 31.08.2009 14:19:19 Uhr


kennst schon die Noten. Ich bräuchte so notwendig wen zum Requiemsingen.“ Und da haben wir<br />

Requiemsingen dürfen. Da war die Ella Scherleitner, dann die Diblik Franzi und ich. Uns hat er<br />

halt immer geholt. So sind wir in den Kirchenchor hineingewachsen. Und so war ich fünfzig Jahre<br />

dabei. Ich habe eine Auszeichnung gekriegt, die liegt in der Lade. Es war eine schöne Zeit.<br />

» Ich brauche kein Kino, ich brauche kein Theater «<br />

Elfriede Böhm, geb. 1930 in Eichbüchl (Gemeinde Katzelsdorf)<br />

Mein Mann, der Bürgermeister war, hatte ja nicht viel Geld gehabt damals, er hatte 1 800 Schil-<br />

ling im Monat. Und ich bin alle vierzehn Tage ins Krankenhaus gegangen, habe alle besucht, ob<br />

reich oder arm, rot oder schwarz. Darum haben wir bei der Bürgermeisterwahl auch immer mehr<br />

Stimmen gehabt als bei der Nationalratswahl. Ich mache Caritas, Ortscaritas, besuche die alten<br />

Leute, zu Weihnachten, auch heute noch. Viele Leute schätzen das heute noch bei mir. Ich brauche<br />

kein Kino, ich brauche kein Theater. Ich brauche keinen Luxus und nix, ich tue lieber was<br />

Gutes, und das gibt mir viel mehr.<br />

» immer für andere etwas getan «<br />

Johanna Preineder, geb. 1923 in Frohsdorf (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />

Kindergärtnerin<br />

Meine erste Urlaubsreise war mit der Freundin Wanda 1943 nach Vorarlberg und zwar zu einer<br />

Familie in Schruns, in Vorarlberg, die wir gekannt haben. Der Mann dieser Familie war hier ein-<br />

gerückt und war an der Front und hat gesagt: „Wenn’s einmal wollts, fahrt zu uns, da ist es noch<br />

besser. Bei uns gibt es noch allerhand zu essen, nicht so wenig wie bei euch in Niederdonau.“ Niederdonau<br />

hat es ja geheißen, nicht Niederösterreich. Und das war ganz, ganz toll.<br />

Später war ich beim Kirchenchor, auch bei der Caritas, ich war fünfzehn Jahre lang Caritas-<br />

Leiterin, war fünfzehn Jahre im Pfarrgemeinderat, dann war ich siebzehn Jahre Seniorenbund-<br />

Obfrau. Was hab ich noch alles öffentlich getan? Es war so viel, dass ich gar nicht weiß, was das<br />

alles war.<br />

Für die Öffentlichkeit etwas zu tun ist ganz wichtig. Man muss sich einbringen und man muss<br />

etwas tun. Mein ganzes Leben hab ich immer für andere etwas getan. Ich hab mit der Landjugend<br />

Theater geprobt, die sagen immer: „Wir haben dich brauchen können, du hast uns geholfen!“ Als<br />

der Pfarrer Zach hergekommen ist, hat er gesagt: „Du warst die erste Person, von der man was<br />

haben hat können. Du hast sofort gesagt: ‚Ja, das mach ich, das tu ich!’ Du hast dich eingebracht!“<br />

Das soll man im Leben auch.<br />

Frauen - Freizeitwelten - 185<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 185 31.08.2009 14:19:19 Uhr


Beim Federnschleißen in Wiesmath<br />

von links: Anna Fuchs, Theresia Leitner, Theresia Lange, Theresia Castanetto, Maria Kornfehl (Ernst), Leopoldine Kaupa,<br />

Karoline Schwarz, Elisabeth Bernhard, Maria Ernst um 1950 Foto: Gemeinde Wiesmath<br />

Essen aus einer Schüssel in Wiesmath<br />

von links: Theresia Leitner, Karoline Schwarz, Anna Fuchs, Hannelore Schwarz (Mann), Johanna Galley,<br />

Theresia Weninger, Theresia Castanetto, Leopoldine Kaupa um 1954 Foto: Hannelore Schwarz, Wiesmath<br />

186 - Freizeitwelten - Frauen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 186 31.08.2009 14:19:19 Uhr


Erntekrone für das Erntedankfest in Walpersbach<br />

Vor dem Gasthaus Fröch in Katzelsdorf<br />

von links:<br />

1. Reihe: Helene Heppe<br />

(Neubauer),<br />

Sieglinde Schwarz<br />

(Kerschbaumer)<br />

2. Reihe:<br />

Rosa Breitsching<br />

(Mayrhofer),<br />

Angela Langecker (Weber),<br />

Maria Fuchs (Fromwald),<br />

Maria Schatzer (Steurer)<br />

3. Reihe:<br />

Marianne Schneeweis<br />

(Kerschbaumer)<br />

1954<br />

Foto: Franz Breitsching,<br />

Walpersbach<br />

Familie Ofenböck 1930er-Jahre Foto: Gemeinde Katzelsdorf<br />

Frauen - Freizeitwelten - 187<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 187 31.08.2009 14:19:24 Uhr


Fahrradausflug Edlitz – Hochneukirchen<br />

Auf der „Maschin“ in Hochneukirchen<br />

188 - Freizeitwelten - Frauen<br />

von links:<br />

Anna Stummer<br />

(Reisenbauer),<br />

Maria Scheibenreif<br />

(Stummer),<br />

Aloisia Handler<br />

(Korntheuer),<br />

Aloisia Stummer<br />

um 1930<br />

Foto: Familie<br />

Johann Reisenbauer,<br />

Edlitz<br />

von links:<br />

Maria Ungerböck<br />

mit Anton,<br />

Maria Heissenberger<br />

mit<br />

Maria Ungerböck<br />

1959<br />

Foto: Maria Ungerböck<br />

Harmannsdorf<br />

(Hochneukirchen)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 188 31.08.2009 14:19:25 Uhr


Anfänge der Mutterberatung in Hochwolkersdorf<br />

von links: Anna Korzil, Wilma Kornfeld, Theresia Weber, Fr. Abinger (Lehrerin), Anna Blank, Cäcilia Richtar,<br />

Aloisia Kabinger, Fr. Birnbauer, Fr. Gneist, Fürsorgerin, Arzt<br />

Damenschnapsen im Gasthaus Ecker in Frohsdorf<br />

von links: Rudolf Stettner, Willi Kabinger, unbekannt, Theresia Jägerhofer, Maria Stubner, Heinrich Bischof,<br />

Berta Valentincic, Frau Rasinger, Georg Stubner, Josef Valentincic<br />

um 1925<br />

Foto: Gemeinde<br />

Hochwolkersdorf<br />

mit Männern,<br />

die kiebitzen<br />

dürfen<br />

1950<br />

Foto: Herbert Swoboda,<br />

Lanzenkirchen<br />

Frauen - Freizeitwelten - 189<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 189 31.08.2009 14:19:27 Uhr


Männer<br />

Viele Jahrzehnte waren<br />

die Freizeitaktivitäten von<br />

Männern in ländlichen<br />

Räumen wie der Buckligen<br />

Welt vor allem durch<br />

das rege Vereinsleben geprägt.<br />

Dazu gehört das<br />

Engagement bei der Freiwilligen<br />

Feuerwehr ebenso<br />

wie die Mitwirkung in den<br />

zahlreichen Musik- und<br />

Sportvereinen. Auch die<br />

Jagd nimmt im Freizeitleben<br />

vieler Österreicher (wie auch im Bereich der Vernetzung zwischen politischen und wirtschaftlichen<br />

Entscheidungsträgern) einen wichtigen Stellenwert ein. Das Wirtshaus schließlich war ein zentraler<br />

Ort männlicher Geselligkeit. Wiewohl das Vereinswesen in ländlichen Regionen noch heutzutage bedeutend<br />

ist, hat sich auch das Freizeitverhalten von Männern in gewisser Weise individualisiert und<br />

von lokalen und regionalen Strukturen gelöst. Das eigene Auto oder das ganz persönliche Hobby<br />

haben an Bedeutung gewonnen, und zahlreiche Wirtshäuser wurden inzwischen zugesperrt.<br />

Viele heute ältere Männer erinnern sich nicht zufällig an ihr Engagement, das meist nicht nur auf einen<br />

Verein beschränkt war. Der Jagd kommt in einigen Lebenserinnerungen ein wichtiger Stellenwert zu.<br />

Eine ehemalige Gastwirtin erzählt aus ihrem persönlichen Blickwinkel über das Wirtshaus und dessen<br />

Besucher. Darüber hinaus weist ein Zeitzeuge darauf hin, wie schwer nach jahrelanger Abwesenheit<br />

durch Krieg und Kriegsgefangenschaft die Rückkehr in das lokale Freizeitleben sein konnte.<br />

Und schließlich erzählen manche über ihre persönlichen Hobbys.<br />

Die Wirtshausfotos zeigen uns, dass hier mit Ausnahme der Wirtin und weiblicher Angestellter nur<br />

Männer verkehrten. Diese tranken vor allem Wein, spielten Karten und erzählten sich Neuigkeiten. In<br />

den Wirtshäusern wurden auch das Aufstellen der Maibäume und das Böllerschießen bei Hochzeiten<br />

organisiert. Bei den Vereinen hatten die Feuerwehren, Jagdgenossenschaften, Musikvereine und die<br />

vielen neu gegründeten Fußballvereine die meisten Mitglieder. Überdies wurden nach den Kriegen in<br />

vielen Gemeinden Ortsgruppen des Kameradschaftsbundes gegründet.<br />

190 - Freizeitwelten - Männer<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 190 31.08.2009 14:19:28 Uhr


» Eine Hetz und eine Gaudi «<br />

Margarete Braunstorfer, geb. 1934 in Wiesmath, Kauffrau<br />

Es hat geheißen: „Der Hitler fängt den Krieg an. Alle müssen raus nach Wiener Neustadt zur<br />

Musterung.“ Da haben sie die Männer dann geholt. Die sind mit dem Autobus gefahren, sonst hat<br />

es ja keine Autos gegeben in Wiesmath. Eine Hetz und eine Gaudi. Heimgekommen sind sie mit<br />

den großen Sträußerln, alle haben Hüte aufgehabt. Mein Onkel war beim Bundesheer gewesen,<br />

das waren die Ersten, die einrücken mussten. Die Burschen haben immer eine Abschiedsfeier gemacht<br />

in einem Gasthaus: „Sie verabschieden sich, weil sie wissen nicht, wann sie heimkommen.“<br />

Später haben wir dann gehört, dass mein Onkel gesagt hatte: „Jetzt feier ich mit meinen Freunden,<br />

und dann fahre ich nach Frankreich und gehe über die Brücke marschieren.“ Das haben sie<br />

dann später erzählt, das habe ich von meiner Mutter. Am 10. Mai 1940 haben die Kämpfe gegen<br />

Frankreich angefangen, und am 15. Mai ist mein Onkel gestorben. Er ist über Belgien nach Frankreich,<br />

dort ist er über eine Brücke gegangen und hat einen Bauchschuss gekriegt – und er war tot.<br />

Er war der erste Wiesmather, der gefallen ist. Das war für mich etwas ganz Arges, denn er war der<br />

Lieblingsonkel. Er war Koch gewesen und hatte von der Konditorei immer Zuckerl, Süßigkeiten<br />

und alles Mögliche gebracht. Das war fürchterlich, als er gefallen war.<br />

» haben ganz einfach die Männer geholt «<br />

Elfriede Klinglmüller, geb. 1925 in Scheiblingkirchen, Wirtstochter<br />

Frauen waren damals nie im Gasthaus. Sie haben vielleicht die Männer geholt. Das ist öfters<br />

vorgekommen. Das war ganz schön wild manchmal. Wenn die Männer nicht heimgekommen<br />

sind, sind die Frauen ins Gasthaus gekommen und haben ganz einfach die Männer geholt. Ich<br />

weiß nicht, was sie ihnen gesagt haben, das hab ich nicht mitkriegt. Na, bei ein paar Männern hab<br />

ich es schon mitkriegt, aber die sind schon lange, lange tot.<br />

Viele Männer sind nach der Kirche gekommen, da haben sie immer gegessen. Meine Mutter hat<br />

noch sehr gut Beuschel kochen können, Bruckfleisch, was man heute ja fast nirgends mehr kriegt.<br />

Da war das Gasthaus immer voll, aber das war halt unsere einzige Einnahme in der ganzen Woche.<br />

Samstagabends war immer eine Kartenpartie. Später war auch am Sonntag immer eine Kartenpartie.<br />

Wenn es zwölf geschlagen hat, haben sie alle die Karten hingelegt. Wir haben Schnitten<br />

gehabt, „Hoferschnitten“ haben die geheißen. Die sind vom Pischinger gewesen, und jedes Gasthaus<br />

hat da seinen Namen drauf gehabt. Ein jeder von diesen Herren hat so eine Schnitte gekauft,<br />

und mit der sind sie dann nach Hause gegangen.<br />

Männer - Freizeitwelten - 191<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 191 31.08.2009 14:19:28 Uhr


» endlich ein normaler Mensch sein konnte «<br />

Karl Heissenberger, geb. 1926 in Breitenbuch (Gemeinde Bromberg). Tischler.<br />

Der folgende Text ist ein Ausschnitt aus seinen schriftlichen Lebenserinnerungen,<br />

die auf seinem Tagebuch basieren.<br />

Nach der Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft 1946 begann für mich eine schöne Zeit. Der Fa-<br />

sching ging zwar seinem Ende zu, aber das Wiedersehen und das Faschingstreiben wollte ich mit<br />

den früheren Jugendfreunden feiern. Es war zwar nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte: Viele<br />

waren gefallen oder noch nicht zu Hause, andere trauerten um Angehörige, auch gab es fast nichts<br />

zum Essen und Trinken. Tanzen konnte ich auch nicht. Ich war zwar noch nie ein guter Tänzer,<br />

aber noch war ich zu schwach, um an einem Tanz eine Freude zu haben. Ich ging auch im heurigen<br />

Fasching nicht mehr tanzen. Ich widmete mich in nächster Zeit der Musik, das machte mir<br />

mehr Spaß. Die Mutter verwöhnte mich mit so vielen Köstlichkeiten, dass ich in zehn Tagen acht<br />

Kilo zunahm. Dadurch schwollen mir meine Beine derart, dass ich einen Arzt aufsuchen musste.<br />

Mir wurde vorerst eine Reduktionskost verordnet, eine normale leichte Kost, weniger Fett und<br />

Fleisch, sowie eine Entwässerungskur. Ich war, mit einem Wort gesagt, nur überfressen. Diese<br />

Fressgier marterte mich nicht nur am Tag, auch in der Nacht im Traum überwältigte mich die<br />

Gier. Das dauerte fast zwei Monate, bis ich diese Alpträume loswurde und endlich ein normaler<br />

Mensch sein konnte. Die beiden Kameraden aus der Kriegsgefangenschaft, welche in unserer<br />

Nähe wohnten, das waren Fahrner Ludwig sowie Besta Franz aus Erlach, wurden von meinen<br />

Eltern zu einem Festmahl eingeladen. Es war ein schöner Nachmittag, besonders für Besta Franz,<br />

der konnte sich auch endlich einmal richtig satt essen. Zu Hause hatten sie fast nichts zu essen,<br />

daher gab ihm meine Mutter noch ein schönes Lebensmittelpaket mit auf den Heimweg.<br />

» Instrumente hat es auch keine gegeben «<br />

Ernst Reithofer, geb. 1926 in Gschaidt (Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt),<br />

Landwirt<br />

Im 1947er-Jahr gründete der Simon von Burgerschlag eine Musikkapelle. Vorher hatte es auch<br />

eine Musikkapelle in Gschaidt gegeben, aber durch den Krieg war ja alles weg. Mein Bruder und<br />

ich haben uns auch zu der neuen Musikkapelle gemeldet. Jetzt muss man sich aber vorstellen: Es<br />

hat ja nichts gegeben, weder Musiklehrer noch eine Musikschule. Instrumente hat es auch keine<br />

gegeben. Instrumente haben wir uns mit Lebensmitteln eingetauscht. Der Simon war ein Klarinettist,<br />

er hat mir das ein wenig beigebracht, die Griffe aufgeschrieben: „So, jetzt übe daheim, so<br />

gut es geht, und schau, weil nächstes Jahr müssen wir spielen.“ Gut, recht und schlecht ist das<br />

gegangen. Wir haben wirklich ein Jahr drauf schon gespielt.<br />

192 - Freizeitwelten - Männer<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 192 31.08.2009 14:19:28 Uhr


» mit der Tanzmusik angefangen «<br />

Anton Schabauer, geb. 1928 in Hattmannsdorf<br />

(Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt), Wagner und Taxi-Unternehmer<br />

Im 1949er-Jahr hab ich dann eigentlich mit der Tanzmusik angefangen. Damals spielten wir<br />

Tanzmusik, da waren wir oft zu sechst. Und wir haben ja so viel auf Hochzeiten gespielt. Soll ich<br />

kurz erzählen, was bei einer Hochzeit so los war? Da haben wir in der Früh zuerst bei der Braut<br />

ein Stückel spielen müssen. Dann sind wir zum Bräutigam gegangen, dann wieder zu der Braut<br />

hin. Die Hochzeit hat meistens gedauert vom Vormittag bis zum nächsten Tag Vormittag. Und<br />

nachdem die Tafel zu Ende war, ist eigentlich das „Wiegenholzführen“ gekommen, so hat das<br />

geheißen. Die haben so einen Baum gehabt, auf der einen Seite haben die Frauen gezogen und<br />

auf der anderen die Männer. Da hat es geheißen: „Wenn die Frauen die Stärkeren sind, dann ist<br />

das nächste Kind, das kommt, ein Madl. Und wenn die Männer gewinnen, dann ist es ein Bua.“<br />

Natürlich, wenn die Frauen etwas schwächer waren, dann haben sie geschrien: „Musi geht’s her,<br />

helfts uns anziehen!“ Dann sind sie hergegangen und haben den Stamm abgemessen, wie lang der<br />

ist. So und so viel Wiegenholz geht dann heraus. Wenn das vorbei war, sind wir zum Haus, wo die<br />

Frau hingeheiratet hat, gegangen, haben die Frau dort „hingespielt“. Das war auch interessant: Da<br />

hat dann bei der Bauernhochzeit die alte Frau von dem Bauernhaus einen Kochlöffel genommen<br />

und hat gesagt: „Pass auf, bis jetzt hab ich da gekocht in dem Haus.“ Dann hat sie der neuen Frau<br />

den Kochlöffel übergeben und hat gesagt: „Von jetzt an bist du da die Frau, von jetzt an tust du<br />

kochen!“ Das war dann praktisch der Abschluss der Hochzeit.<br />

» viele schöne Tage erlebt in der Jägerei «<br />

Johann Schick, geb. 1928 in Kirchau (Gemeinde Warth), Landwirt<br />

Ein schönes Hobby, das ich habe, ist die Jägerei. Ich hab schon ganz jung mit dem Großvater<br />

mitgehen dürfen. Der ist am 20. Mai 1944 gestorben, und genau am gleichen Tag hab ich die erste<br />

Jagdkarte gekriegt, mit sechzehn Jahren. Hat der Vater unterschreiben müssen. Ich habe viele<br />

schöne Tage erlebt in der Jägerei. Wir haben nicht nur geschossen, wir haben etwas anderes auch<br />

tun dürfen – und heute noch: das Hegen und Pflegen, das Füttern.<br />

Männer - Freizeitwelten - 193<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 193 31.08.2009 14:19:28 Uhr


» Zwei Brände haben wir gehabt «<br />

Walter Glatz, geb. 1928 in Krumbach, Schneidermeister in Bad Schönau<br />

Ich war bei der Feuerwehr und bei der Jagd. Jagen bin ich gern gegangen, weil ich die ganze<br />

Woche eh drinnen gesessen bin. Auf d’ Nacht bin ich ins Revier gegangen. Manchmal hat man was<br />

geschossen, manchmal hat man nix geschossen. Aber schön war’s draußen im Wald. Überhaupt in<br />

der Früh, da fängt der Wald so zu leben an.<br />

Was die Feuerwehr betrifft: Die haben gesagt, ich soll dazugehen, dann bin ich halt dazugegangen.<br />

Die haben wen gebraucht, sie waren zu wenig, dann bin ich halt dazugegangen. Zwei Brände<br />

haben wir gehabt, was ich weiß. Die haben wir gleich gelöscht.<br />

» habe ich sehr viele Vereine gebildet «<br />

Wilhelm Strobel, geb. 1924 in Schwarzau am Steinfeld,<br />

gelernter Friseur, Wassermeister<br />

25 Jahre war ich für die Gemeinde tätig. Ich bin 1959 zur Partei dazugekommen, und in den<br />

1960er-Jahren waren dann die Wahlen. Dann bin ich im Gemeinderat gewesen bis in die 1980er-<br />

Jahre.<br />

In meiner Zeit als Schulausschussobmann habe ich sehr viele Vereine gebildet. Das Erste war<br />

das Frauenturnen, der Koglbauer hat das gemacht, dann haben sich die anderen dazugesellt, auch<br />

Tischtennisspielen und Kinderturnen. Das hat sich halt damals so ergeben, dass die Turnhalle die<br />

ganze Woche besetzt war. Wir haben dann im Schulausschuss festgelegt, dass die eine Kleinigkeit<br />

bezahlen müssen. Das hat sich dann eh alles gut entwickelt. Die Turnhalle ist benutzt worden,<br />

denn es wäre ja schade gewesen, wenn die Turnhalle nur für die Schulstunden zum Turnen verwendet<br />

worden wäre und sonst leer gestanden wäre.<br />

Was den Fußball betrifft: Schon vor dem Krieg war von der kirchlichen Stelle aus ein Verein<br />

gegründet worden. Das hatte sich durch den Zusammenschluss mit Deutschland in der Nazizeit<br />

erledigt. Und nach Kriegsende haben es natürlich wieder junge Leute versucht. Es ist dann auch<br />

gelungen, einen Fußballverein aufzubauen. Da war am Anfang gleich der Streng Franzi Obmann.<br />

Schöne Spiele sind durchgeführt worden, und die Rivalität war dann natürlich eine breite. Die<br />

Rivalität war hauptsächlich mit Erlach und Pitten. Wer hat die bessere Mannschaft?<br />

194 - Freizeitwelten - Männer<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 194 31.08.2009 14:19:28 Uhr


» Das Auto ist immer größer und besser geworden «<br />

Rudolf Zottl, geb. 1939 in Bad Erlach, Tischler<br />

Dann hab ich mir mein erstes Moped kaufen können. In Walpersbach war ein Lebensmittel-<br />

geschäft, und das hat alles verkaufen können. Bei dem hab ich das Moped gekauft. Das war eine<br />

blaue Puch, ein Zweisitzer. Natürlich auf Raten, weil anders wäre das nicht gegangen. Die Puch<br />

hat damals 5 000 Schilling gekostet, das war viel Geld. Am Bau hab ich schön verdient, also hab<br />

ich mir die Raten leisten können. So ist das dann weitergegangen: ein zweites Moped, ein drittes<br />

Moped. Nur bis zum Auto hat’s nicht gereicht. Erst wie ich geheiratet hab, hab ich den Führerschein<br />

gemacht. Und dann haben wir uns das erste Auto geleistet, ein kleines, ein Goggomobil, ein<br />

liebes Auto. Aber es hat vier Radeln gehabt, und das war wichtig. Dann ist es halt immer besser<br />

geworden, man hat gespart, gespart. Das Auto ist immer größer und besser geworden. Und so ist<br />

das weitergegangen. Heute sind in jedem Haushalt schon drei, vier Autos. Heute ist das ja kein<br />

Problem, ein Problem ist nur das Zahlen.<br />

» So dass man einem Besuch etwas aufwarten konnte «<br />

Karl Lackner, geb. 1946 in Thomasberg, lebt in Hattmannsdorf (Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt).<br />

Der folgende Text ist ein Auszug seiner umfangreichen<br />

schriftlichen Lebenserinnerungen, die in der „Dokumentation lebensgeschichtlicher<br />

Aufzeichnungen“ archiviert sind.<br />

Irgendwann in dieser Zeit besuchte ich meinen nunmehrigen Tischler, und da sah ich in seiner<br />

Werkstatt einen nicht ganz fertigen Barschrank. Einen solchen wollte ich nun auch haben, er<br />

könnte gut zwischen meinem Kasten und der rechten Außenmauer unter die Dachschräge hineinpassen.<br />

Ein paar Wochen später konnte ich das gute Stück abholen, es bestand aus drei Etagen.<br />

Oben hatte er ein gebrauchtes Röhrenradio samt „magischem Auge“ eingebaut, links und rechts<br />

davon je einen Lautsprecher mit blauem Stoffbezug. Darunter ein Leerfach, passend für mein<br />

Tonbandgerät, und im unteren Teil war die Bar untergebracht: innen mit Spiegeln ausgekleidet,<br />

gläserne Schiebetüren, wobei beim Öffnen der linken Tür eine grüne Beleuchtung anging, und bei<br />

der rechten kam rotes Licht. Mit ein paar Likören und entsprechenden Gläsern war die Vitrine<br />

bald beschickt, so dass man einem Besuch etwas aufwarten konnte. Um diesen Barschrank hat<br />

mich mein Jugendfreund Gustl vom Berg oben stets beneidet. Auch auf das Tonbandgerät hatte<br />

er ein Auge geworfen, und wollte es mir abkaufen. „Vorläufig nicht“, sagte ich. Aber als dann im<br />

Herbst von einem Versandhaus in Wien ein Katalog kam mit Geräten auf dem neuesten Stand<br />

der Tonbandtechnik, da war es so weit. Gustl bekam mein Altgerät, und ich bestellte ein neues,<br />

Männer - Freizeitwelten - 195<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 195 31.08.2009 14:19:28 Uhr


größeres: Hornyphon-Automatic-Super. Fast 3 950 Schilling kostete es und riss ein beträchtliches<br />

Loch in mein bescheidenes Budget.<br />

» eher so ein Privathobby von mir «<br />

Ferdinand Zahlner, geb. 1936 in Laa an der Thaya, seit 1948 in Katzelsdorf,<br />

Pater und AHS-Lehrer für Biologie und Umweltkunde<br />

Weißt du, was die Parapsychologie ist? In den Schulfächern wird das ja nicht unterrichtet. Das<br />

ist eher so ein Privathobby von mir. Ich muss dazu etwas weiter ausholen: Ich habe einen lieben<br />

Mitbruder und Kollegen: Andreas Resch, er ist ein Südtiroler. Er war kurze Zeit hier am Gymnasium,<br />

da haben wir uns kennen gelernt. Er kam von Bozen herauf. Wir sind draufgekommen, dass<br />

wir beide die gleichen Interessen haben: die sogenannten okkulten Phänomene, also das Geheimnisvolle,<br />

Verborgene, die sozusagen in der normalen Wissenschaft nicht unterrichtet werden, zum<br />

Beispiel die Parapsychologie. Und so haben wir auf diesem Gebiet privat Literatur studiert. Die<br />

Wege haben sich getrennt: Ich kam nach Wien, und er kam nach Freiburg. Er hat dort studiert<br />

und in Innsbruck dann seine Dissertation geschrieben über das „Siderische Pendel“ und über den<br />

Traum, also ein theologisches Thema, der Traum im Heilsplan Gottes – ganz interessant. Und<br />

ich kam dann in Kontakt mit der Katholischen Akademie, wo ich schon vorher den Leiter einer<br />

Arbeitsgemeinschaft kennen gelernt hatte, Peter Hohenwarter, er ist Kärntner und inzwischen<br />

schon gestorben. Dadurch kam ich hinein und hab die Leitung dieser Arbeitsgemeinschaft übernommen,<br />

die sich mit solchen Grenzfragen beschäftigt. Wie etwa mit Spuk- und Geisterphänomenen<br />

oder eben mit Uri Geller.<br />

Dieser Israeli war damals sehr bekannt. Er war kein Zauberer, sondern er hatte mentale Fähigkeiten,<br />

auf Gegenstände der Umwelt einzuwirken, zum Beispiel Besteck zu verbiegen. Es gab<br />

damals im ORF eine Fernsehsendung; einschlägige Sender waren vorher schon da gewesen, die<br />

ARD zum Beispiel. Da war ich dabei. Ich kann mich noch erinnern, als ich in der Wiener Universitätsbibliothek<br />

war und mir ein Buch ausborgte. Sagt der Angestellte: „Waren Sie nicht im<br />

Fernsehen?“ Sag ich: „Ja, wieso?“ – „Beim Uri Geller, ich hab Sie ja gesehen!“ Spricht mich gleich<br />

an. Die Leute sind damals am Fernseher gesessen: „Aha, ist das ein Zauberer, kann der was?“ Wir<br />

haben ein Besteck gehabt, und es war eigentlich enttäuschend, es hat sich nicht viel ereignet. Sie<br />

haben einen Vertreter der Uhrmacherinnung da gehabt, dann noch einen Psychologen aus Graz,<br />

einer von Ö3 war dabei und Hellmut Hofmann, der Universitätsprofessor war. Jedenfalls, in der<br />

Sendung selbst hat sich nicht viel getan. Es wurde eine Uhr hingelegt, die war blockiert. Das<br />

konnte er, glaube ich, schon lösen. Und dann war ein Gespräch, und ich war eigentlich nur dazu<br />

eingeladen: „Was sagt die Kirche dazu?“ Irgendwas hab ich gesagt, was weiß ich, wo Gottes Kräfte<br />

überall wirken und so.<br />

196 - Freizeitwelten - Männer<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 196 31.08.2009 14:19:28 Uhr


Beim Eisschießen in Pitten<br />

Schijöring in Wiesmath<br />

Im Winter wurde<br />

der Tennisplatz beim<br />

Bad zum Einschießen<br />

verwendet.<br />

Hans Georg Bauer<br />

(3. von links),<br />

Willi Wagner (ganz rechts)<br />

1971<br />

Foto: Museums- &<br />

Bildungsverein Pitten<br />

auf der Hauptstraße<br />

1948<br />

Foto: Margarete Braunstorfer,<br />

Wiesmath<br />

Männer - Freizeitwelten - 197<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 197 31.08.2009 14:19:29 Uhr


Musikverein Warth<br />

von links: 1. Reihe: Hr. Ries, Johann Wagner, Karl Ungersböck | 2. Reihe: Hermann Walli, Karl Kindlmayer, Josef Hattenhofer,<br />

Friedrich Schrei, Rudolf Gausterer (Obmann), Patritz Hattenhofer sen., Franz Schrammel, Josef Hanler, Anton Varga<br />

3. Reihe: Hr. Scherleitner sen., Willi Scherleitner, Patritz Hattenhofer jun., Karl Flonner, Johann Scherleitner, Franz Scherleitner,<br />

Friedrich Wiesbauer, Felix Holzer | 4. Reihe: Heinrich Kugler, Eduard Steiner, Georg Scherleitner, Karl Lechner,<br />

Johann Scherleitner, Josef Platzer, Alois Neumüller, Franz Pürrer<br />

Freiwillige Feuerwehr Zöbern<br />

198 - Freizeitwelten - Männer<br />

1951<br />

Foto: Hauptschule Scheiblingkirchen<br />

Foto: Freiwillige Feuerwehr Zöbern<br />

von links: 1. Reihe: Johann Kader, Gustav Sippel (Bäckermeister), Wilhelm Kollenhofer, Albert Schandlbauer, Christian Prenner<br />

(Schmied), Karl Leeb | 2. Reihe: Franz Flasch, Anton Rottensteiner, Karl Winklbauer, Alois Ostermann, Hubert Heissenberger,<br />

Josef Gamauf, Josef Dorner, Alois Spieß, Franz Prenner jun. (Schmied)<br />

nach einer Übung bei<br />

Grasel (Stüber) in<br />

Kampichl<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 198 31.08.2009 14:19:34 Uhr<br />

1954


Feuerwehrkameraden aus Katzelsdorf<br />

Foto: J. Wallner, Katzelsdorf<br />

von links: vorne sitzend: Felix Böhm, Rudolf Muster | 1. Reihe sitzend: Florian Binder, Michael Grieer, Johann Tikowsky,<br />

Hans Theuerweckl, Leopold Hofstätter, Lorenz Püttner, Peter Handler, Josef Binder, Engelbert Schöberl, Leopold Binder<br />

1. Reihe stehend: unbekannt, Franz Hofer, Franz Gerstacker, Franz Binderitsch, Johann Wallegger, August Handler,<br />

Peter Hendling, unbekannt, Leopold Giefing-Gnam, unbekannt, Franz Braunstorfer, Gottfried Püttner, unbekannt, Walter Beiglböck,<br />

Alois Gnam, Franz Gerstacker, Franz Gerstacker | 2. Reihe stehend: Ludwig Nemeth, Franz Steiger, Paul Puhr, Hr. Bauer,<br />

Julius Binder, Hermann Haberl, Hr. Wagner, Peter Gerstacker, Johann Putz<br />

50 Jahre SV Erlach<br />

1951<br />

vor dem Spiel gegen die<br />

Altinternationalen, das<br />

1:1 endete; Torschütze für<br />

Erlach: Helmut Rothmann<br />

17. August 1969<br />

Foto: Adolf Tauchner, Bad Erlach<br />

von links: stehend: Adi Mayer, Höfer, Gerhard Wolf, Swerak, Franz Radakovits, Halla, Karl Stachl, Hans Pletz, Xandl Bauer,<br />

Leopold Swoboda, Barschandt, Helmut Doppelreiter, Hans Puffitsch, Gieber, Oslansky, Franz Tauchner, Pelikan<br />

gebückt: Adi Tauchner | hockend: Helmut Rothmann, Franz Reis, H. Wagner, T. Wagner, Horak, Hof, Franz Jakubec,<br />

Hasenkopf, Sabetzer, Rudi Kovacs<br />

Männer - Freizeitwelten - 199<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 199 31.08.2009 14:19:39 Uhr


30 Jahre SC Schwarzenbach<br />

200 - Freizeitwelten - Männer<br />

Foto: Anton Weidinger,<br />

Schwarzenbach<br />

von links: sitzend: Johann Mössner, Josef Mössner (Präsident), Josef Kühteubl, Franz Oberger | stehend: Franz Giefing,<br />

Michael Kühteubl, Josef Faber, Franz Bammer, Helmut Linzer, Erich Klein, Anton Faber, Johann Gneist, Josef Sagmeister,<br />

Anton Bernhart, Fritz Kühteubl, Emil Rottensteiner, Anton Weidinger<br />

Meistermannschaft aus Grimmenstein<br />

von links: 1. Reihe: Herbert Kager, Josef Stampf, Anton Seidl, Manfred Traint, Franz Höller<br />

1963<br />

der 2. Klasse Wechsel im<br />

Spieljahr 1964/1965<br />

Foto: Adolf Aulabauer, Grimmenstein<br />

2. Reihe: Adolf Aulabauer, Ernst Reisenbauer, Bruno Schlager, Markus Aulabauer, Ernst Handler, Franz Metzenbauer (Keli)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 200 31.08.2009 14:19:41 Uhr<br />

1965


Fußballmannschaft SC Katzelsdorf<br />

von links: 1. Reihe: Peter Gerstacker, Alfred Herzog, Erich Windbüchler, Robert Gerstacker, Josef Wallner<br />

Foto: Friedrich Farkas,<br />

Katzelsdorf<br />

2. Reihe: Alfred und Hermann Handler, Johann Hanny, Karl Lenz, Friedrich Farkas, Franz Langer, Direktor Johann Steidler<br />

Musikkapelle Hochneukirchen<br />

1959<br />

Foto: Johann Kager,<br />

Hochneukirchen<br />

von links: Josef Schabauer, Franz Weber, Josef Pernsteiner, Ernst Strobl, Johann Kager, Josef Beiglböck, Alois Stübegger,<br />

Hermann Geyer, unbekannt, Johann Riegler, Hermann Geyer<br />

um 1950<br />

Männer - Freizeitwelten - 201<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 201 31.08.2009 14:19:42 Uhr


Meister auf der Klarinette aus Bad Schönau<br />

Musikverein Breitenau<br />

202 - Freizeitwelten - Männer<br />

eine weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannte<br />

Persönlichkeit<br />

Ernst Ungerböck<br />

1980<br />

Foto: Hermann Ungerböck, Bad Schönau<br />

mit Mitgliedern aus<br />

Breitenau und Schwarzau<br />

beim letzten Parkkonzert<br />

im Schloss Schwarzau<br />

Foto: Elisabeth und Willibald<br />

Schebach, Schwarzau am Steinfeld<br />

am Boden sitzend: Willibald Schebach | von links sitzend: Eduard Fuczek, Roman Reisner, Johann Maier (Kapellenmeister und<br />

Komponist des Breitenauer Bürgermarsches), Josef Duskanich (Obmann), Franz Strebinger, Kurt Berger | stehend: Johann Plank,<br />

Franz Fuchs, August Saumwald, Hermann Maier, Anton Pogatschnig, Gottfried Menschik, Franz Lesjak, Josef Batz, Karl Blach,<br />

Felix Saumwald, Franz Berger, Oswald Maier<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 202 31.08.2009 14:19:46 Uhr<br />

1951


Blasmusikkapelle der Freiwilligen Feuerwehr Kirchschlag<br />

Jägerquintett aus Hochneukirchen<br />

von links:<br />

1927<br />

Foto: Archiv Vollnhofer-Wanek,<br />

Kirchschlag<br />

1. Reihe: Wilhelm Konlechner, Ernst Ungerböck<br />

2. Reihe: Franz und Anton Ungerböck,<br />

Erich Milchrahm<br />

1970<br />

Foto: Maria Ungerböck, Hochneukirchen<br />

Männer - Freizeitwelten - 203<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 203 31.08.2009 14:19:47 Uhr


Tanzmusik Bad Schönau<br />

Männerwallfahrt aus Scheiblingkirchen<br />

204 - Freizeitwelten - Männer<br />

von links:<br />

Hermann Ungerböck,<br />

Josef Konlechner,<br />

Johann Ungerböck<br />

(Altkapellmeister),<br />

Anton Maierhofer<br />

(am Schlagzeug),<br />

Franz Bleier,<br />

Ernst Ungerböck<br />

1962<br />

Foto: Hermann Ungerböck,<br />

Bad Schönau<br />

mit den Fahrrädern<br />

nach Mariazell<br />

von links:<br />

Josef Flonner,<br />

unbekannt,<br />

Franz Leber,<br />

Johann Gallei,<br />

Josef Leber<br />

1925<br />

Foto: Josef Flonner,<br />

Ofenbach (Thernberg)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 204 31.08.2009 14:19:48 Uhr


Sonntagsausflug in Bad Schönau<br />

Sonntagsausflug mit der Puch<br />

Rudolf Bleier<br />

1930<br />

Foto: Reinhold Holzgethan, Bad Schönau<br />

Karl Koller (Zottlhof)<br />

1950er-Jahre<br />

Foto: Michaela Walla, Warth<br />

Männer - Freizeitwelten - 205<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 205 31.08.2009 14:19:49 Uhr


Bromberger Wirtshausrunde<br />

von links: 1. Reihe: Johann Piribauer (Gabelmacher), Franz Berger, Josef Riegler, Franz Gabler<br />

2. Reihe: Theresia Pürbauer (Wirtin), Irma Lessiak (Kellnerin), Franz Leitner (bekannter Musikant)<br />

Wirtshausszene in Zöbern<br />

206 - Freizeitwelten - Männer<br />

im Gasthaus<br />

Pürbauer (Jeitler)<br />

in Ober-Schlatten<br />

1956<br />

Foto: Willibald Birnbauer,<br />

Bromberg<br />

vor dem<br />

Gasthaus Schuh<br />

in Stübegg<br />

von links:<br />

vier unbekannt,<br />

Matthias Trimmel (Wirt),<br />

Michael Feigl<br />

mit Kinderwagen<br />

und Söhnen Otto<br />

und Michael<br />

1931<br />

Foto: Otto Feigl,<br />

Stübegg (Zöbern)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 206 31.08.2009 14:19:51 Uhr


Vor dem Böllerschießen in Zöbern<br />

Nach dem Böllerschießen in Edlitz<br />

bei der Hochzeit von<br />

Anton und Maria Reithofer<br />

(Rieglbauer)<br />

von links:<br />

Karl Kronaus (Maierhöfen),<br />

Josef Höller (Kampichl),<br />

Josef Brandstätter (Fuchsbauer)<br />

1952<br />

Foto: Johann Höller, Edlitz<br />

Foto: Familie Höller,<br />

Kampichl (Zöbern)<br />

von links: Johann Riegler, Erich Zax,<br />

Johann Höller, Josef Markon, Franz Pichlbauer<br />

um 1970<br />

Männer - Freizeitwelten - 207<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 207 31.08.2009 14:19:52 Uhr


Ballkomitee aus Hochwolkersdorf<br />

208 - Freizeitwelten - Männer<br />

beim Einzug<br />

der Maskierten<br />

ins Gasthaus<br />

Foto: Gemeinde<br />

Hochwolkersdorf<br />

von links: Josef Steiner, Josef Hofleitner, Ernst Fürst, Karl Hagenhofer, Franz Richtar, Martin Kabinger, Franz Hofleitner<br />

Erstes Oktoberfest in Bad Erlach<br />

1958<br />

organisiert von der<br />

Freiwilligen Feuerwehr<br />

und dem Männergesangsverein<br />

Erlach<br />

1967<br />

Foto: Wilhelm Hofer,<br />

Bad Erlach<br />

von links: Wilhelm Hofer mit seinen vier Enkerln, Hr. Spenger, Hr. Linhart, Franz Hofer, Mathias Mayerhofer, Karl Trimmel<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 208 31.08.2009 14:19:54 Uhr


Festakt für einen Thomasberger<br />

Funktionäre der Bezirksbauernkammer Aspang mit Josef Dienbauer 1. Reihe: 4. v. l. Josef Dienbauer<br />

Männergesangsverein „Eintracht Walpersbach“<br />

anlässlich der<br />

Verleihung des<br />

Titels Ökonomierat<br />

in Aspang an<br />

Josef Dienbauer,<br />

Bürgermeister<br />

von Thomasberg<br />

und Abg. zum<br />

NÖ Landtag<br />

1953<br />

Foto: Josef Dienbauer,<br />

Tiefenbach (Thomasberg)<br />

Foto: Franz Breitsching,<br />

Walpersbach<br />

von links: 1. Reihe: Franz Jägerhofer, Johann Schwarz, Josef Schwarz, Herr Preussler, Dir. Jedlitschka (Chorleiter), unbekannt,<br />

Johann Breitsching, Hr. Kovacs | 2. Reihe: Matthias Mayerhofer, Anton Wally, Anton Gneist, Matthias Braunstorfer,<br />

Ernst Schweiger, Johann Schwarz, Adolf Wagner, Josef Doppelreiter | 3. Reihe: Anton Schweiger, Heinrich Braunstorfer,<br />

Johann Fromwald, Leopold Braunstorfer, Josef Breitsching, Josef Mayrhofer, unbekannt, Herbert Abseher, Franz Kacal, unbekannt<br />

1950<br />

Männer - Freizeitwelten - 209<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 209 31.08.2009 14:19:55 Uhr


Nach der Jagd in Pitten<br />

Ausflug der Grimmensteiner Gemeinderäte<br />

210 - Freizeitwelten - Männer<br />

von links:<br />

Matthias Harather (Förster), Schlossverwalter Handler,<br />

Jagdgast<br />

1950er-Jahre<br />

Foto: Museums- & Bildungsverein Pitten<br />

in die Firma Durisol in Wels<br />

von links:<br />

Direktor der Firma Durisol,<br />

Bruno Schlager, unbekannt,<br />

Karl Schwarz, Franz Puchinger,<br />

Josef Weninger, Alfred<br />

Horaczek, Bgm. Anton Gneist,<br />

Franz Mayrhofer, Alois Handler<br />

1968<br />

Foto: Franz Puchinger, Grimmenstein<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 210 31.08.2009 14:19:56 Uhr


Kameradschaftsbund Edlitz<br />

1100-Jahrfeier in Pitten<br />

von links:<br />

Gerhard Philipp, Karl Gebhart,<br />

Alfred Bauer (Bgm. von Thomasberg),<br />

Franz Gebhart, Alois Rodax,<br />

Karl Gradwohl, Robert Koglbauer,<br />

Anton Rosenstingl, Martin Mühlbichler,<br />

Johann Grundtner, Johann Reisenbauer,<br />

Josef Kampichler,<br />

Josef Ernst (Bgm. von Edlitz)<br />

1992<br />

Foto: Gemeinde Edlitz<br />

Foto: Museums- & Bildungsverein Pitten<br />

Bürgermeister Schagerer (links) übernimmt den Becher von Graf Baudissin Zinzendorf (rechts) und seinem Sohn<br />

Bei dieser Gelegenheit kam<br />

der Mundbecher, den der<br />

Ungarnkönig Matthias Corvinus<br />

dem Burgverweser Wolfgang<br />

Teufel in Anerkennung seiner<br />

Tapferkeit geschenkt hatte,<br />

wieder nach Pitten zurück.<br />

Ein Nachkomme von Wolfgang<br />

Teufel, der Graf Baudissin<br />

Zinzendorf, machte an Pitten<br />

eine Schenkung.<br />

1969<br />

Männer - Freizeitwelten - 211<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 211 31.08.2009 14:19:57 Uhr


Alte Menschen<br />

Dass ältere und alte Menschen in<br />

früheren Zeiten eine Pension be-<br />

zogen, war mehr oder weniger<br />

ein Luxus und nur wenigen sozial<br />

und ökonomisch besser Gestellten<br />

vorbehalten. Die meisten alten<br />

Menschen in ländlichen Regionen<br />

wie der Buckligen Welt lebten im<br />

Ausgedinge und bezogen ihr Altenteil.<br />

Das war meist nicht mehr<br />

als zur minimalen Abdeckung der<br />

Grundbedürfnisse (Wohnen, Nahrung,<br />

Kleidung) nötig war. Erst<br />

durch die sozialstaatlichen Errungenschaften<br />

der vergangenen<br />

Jahrzehnte sind viele ältere Menschen<br />

finanziell unabhängig und zu aktiven Seniorinnen und Senioren geworden, die engagiert ihren<br />

ganz persönlichen Bedürfnissen und Hobbys nachgehen können.<br />

Erinnerungstexte über Freizeitwelten alter Menschen aus früheren Zeiten zu finden, ist daher zugegebenermaßen<br />

schwierig gewesen. Einige wenige haben über ihre Großeltern erzählt oder geschrieben.<br />

Von Freizeit im heutigen Sinne kann dabei aber nicht die Rede sein. Dagegen finden sich in manchen<br />

Erinnerungen Hinweise darauf, dass im Zuge der Sommerfrische, die sich in manchen Orten der<br />

Buckligen Welt etabliert hatte, sich auch einige ältere, meist gut situierte Menschen in der Region niederließen.<br />

Alle Interviewpartnerinnen und -partner sind inzwischen natürlich selbst in Pension – und<br />

nicht wenige von ihnen kann man getrost als aktive Seniorinnen und Senioren bezeichnen.<br />

Es gibt keine historischen Fotos, die ältere Menschen bei einer organisierten Freizeitaktivität zeigen.<br />

Turnen oder gemeinsame Ausflüge waren undenkbar. Bei besonderen Anlässen (etwa „Goldene<br />

Hochzeit“, hohe Geburtstage) wurden ältere Menschen oft durch ein kleines Fest in der Kirche geehrt.<br />

Sonst lebten sie zurückgezogen in ihrem Altenzimmer oder Ausnahmsstöckl. Ein typisches Bild<br />

sind die alten Männer, die mit ihrer Pfeife auf einer Bank vor dem Haus saßen. Ein Foto mit einer alten<br />

Frau in ihrem Zimmer dokumentiert die Bescheidenheit und Armut vieler alter Menschen.<br />

212 - Freizeitwelten - Alte Menschen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 212 31.08.2009 14:19:59 Uhr


» Ich mochte meinen Großvater sehr «<br />

Anna Handler, geb. 1920 in Ofenberg (Gemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg),<br />

Landwirtin in Bromberg. Der folgende Text ist ein Ausschnitt aus ihren<br />

umfangreichen schriftlichen Lebenserinnerungen, die unter anderem in der<br />

„Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“ aufbewahrt sind.<br />

Meine ersten Erinnerungen stammen noch aus Großvaters Zeiten aus dem Jahre 1924. Als ich<br />

vier Jahre zählte, war ich viel mit Großvater zusammen. Ich ging oft mit ihm aus, er musste an<br />

der Hand geführt werden, er war fast erblindet. Wenn er seine Kammertür öffnete, rief er: „Gelt<br />

Nannerl, du führst mich in den Keller!“ Er trug ein blaues Häferl aus Blech, das ich heute noch<br />

erkennen würde. In dieses schenkte er sich Most ein. Zuerst verstand ich nicht, warum er den<br />

Finger in das Häferl hielt. Nach langem Fragen erklärte er mir: „Nur so kann ich erkennen, wenn<br />

es vollgelaufen ist!“ Diese schwierige Aufgabe nahm ich ihm bald ab. Leider war es oft nicht bis<br />

an den Rand gefüllt, da konnte er böse werden, denn seine Kehle trocknete schnell aus, was bei<br />

seiner fleißigen Besenbinderei und dem Qualm des alten Ofens, der in seiner Kammer stand, immer<br />

der Fall war.<br />

Ich mochte meinen Großvater sehr, spürte ich doch, dass er mich brauchte und liebte. Meine<br />

größeren Geschwister wollten ihn nicht, er sah immer ungepflegt aus und kaute Tabak. Seine<br />

Ungepflegtheit störte mich weniger, man konnte nichts dagegen tun. Dann war ich noch zu klein,<br />

aber seine Arbeit mit den Besen und diese große Unordnung, die er in seiner Kammer machte,<br />

störte mich damals schon gewaltig, wenn ich bei ihm Ordnung machen wollte, was ich ganz bestimmt<br />

nie zuwege gebracht hätte. Das wollte er nicht, schnell lenkte er mich ab, indem er mit<br />

mir ausging. Bei diesen Spaziergängen erzählte und erklärte er mir viele Dinge, die er noch von<br />

früher kannte und wusste. Damals verstand ich nicht, wie schwer es ist, nicht zu sehen. Im Mai<br />

1926 starb mein Großvater.<br />

» Der Großvater erzählte gerne Hexengeschichten «<br />

Frieda Gamperl, geb. 1929 in Hochneukirchen, Volkschuldirektorin<br />

Ich war gerne bei meiner Schulfreundin, beim Pernsteiner in Hochneukirchen, Hausname Pa-<br />

tritzler. Sie hatte auch Großeltern, die uns viel aus der früheren Zeit erzählten. Der Großvater<br />

erzählte gerne Hexengeschichten, so dass wir uns manchmal am Abend, wenn es zum Nachhausegehen<br />

war, recht fürchteten. Denn da sagte er immer: „Habt ihr ein Gebetbuch oder einen Rosenkranz<br />

mit?“ Wir meinten: „Nein.“ – „Na, dann schaut aber schnell, bevor es Gebet läutet, dass<br />

ihr nach Hause kommt, sonst machen die Hexen einen Zaun nach dem anderen, und ihr kommt<br />

nicht nach Hause.“<br />

Alte Menschen - Freizeitwelten - 213<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 213 31.08.2009 14:19:59 Uhr


» eine sogenannte Pensionopolis «<br />

Johann Schatzer, geb. 1918 in Pitten, Privatangestellter<br />

Pitten war, wenn man dieses Scherzwort verwenden darf, eine sogenannte Pensionopolis. Es<br />

gab eine Menge Pensionisten hier, auch einige ehemalige Offiziere der Monarchie, die sich hier<br />

niedergelassen hatten und die sich natürlich eingebildet haben, die Crème de la Crème zu bilden.<br />

» Ich gehe heute noch gerne jagen «<br />

Gottfried Eysank, geb. 1920 in Wien, nach 1945 praktischer Arzt in Kirchschlag<br />

Früher haben wir in Wiener Neustadt zwar das Haus gehabt, aber ich habe es vorgezogen hier<br />

in Kirchschlag bei der Tante zu sein und jagen zu gehen – und jagen zu gehen und wieder jagen<br />

zu gehen. Man hängt sich ein Gewehr um, geht hinaus, wartet, dass was kommt, kommt nix, geht<br />

man wieder heim. Oder man wartet so lange, bis was kommt, und dann wird geschossen. Einmal<br />

trifft man, einmal nicht, so ist es halt. Ich hab schon früh mit dem Jagen angefangen. Nächstes<br />

Jahr ist es siebzig Jahre her, dass ich die erste Jagdkarte gekriegt habe, also mit sechzehn. Ich<br />

bin wahnsinnig gerne jagen gegangen. Ich gehe heute noch gerne jagen, aber ich bin schon viel<br />

ruhiger.<br />

» dann später als Heimatforscher angefangen «<br />

Markus Wieser, geb. 1934 auf der „Züggenhöh“<br />

(Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt), Landwirt<br />

So habe ich dann eigentlich alle Pflanzen kennen gelernt. Das Erste, was ich daheim gemacht<br />

habe, war, dass ich die ganzen Pflanzen aufgenommen habe, die in unserer Gegend wachsen. Die<br />

habe ich alle so nach und nach registriert. Zuerst einmal die in der nächsten Umgebung und dann<br />

eigentlich vom Hochneukirchner Bach bis zum Stubener Bach, das ganze Gebiet dazwischen, das<br />

ganze Gelände.<br />

Auch von der Heimatkunde habe ich dort viel gelernt, denn die Tochter vom Direktor hat damals<br />

die Dissertation geschrieben, und aus der ist ein Buch geworden: die Siedlungsgeschichte<br />

der Grafschaft Pitten auf namenkundlicher Grundlage, also das hat auf dem Sprachlichem aufgebaut.<br />

Da der Hochneukirchner Dialekt ja eine ziemliche alte Art hat, hat sie immer wissen wollen,<br />

wie wir jenes oder dieses Wort aussprechen, den Namen oder jenen. Da sind wir oft beieinander<br />

214 - Freizeitwelten - Alte Menschen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 214 31.08.2009 14:19:59 Uhr


gesessen und haben debattiert über das. Natürlich hab ich dann auch mitgekriegt, was sie macht.<br />

Wie ich dann später als Heimatforscher anfing, lieh ich mir ihr Buch erst einmal aus. Ich habe<br />

eigentlich fast ein Jahr warten müssen, so viel ist das vergeben gewesen, dass ich es von der Universitätsbibliothek<br />

gekriegt habe.<br />

» Rat gebe ich meiner Jugend eigentlich schon «<br />

Charlotte Chalaupka, geb. 1922 in Wien, war in der Kindheit als Sommerfrischlerin<br />

regelmäßig bei ihren Großeltern in Pitten, wo sie heute auch lebt<br />

Rat gebe ich meiner Jugend eigentlich schon, also meinen Enkelkindern. Ich will mich nicht<br />

hervortun, aber ich nehme mir schon Zeit, mit meinen Enkelkindern zu plaudern, zu sprechen<br />

über verschiedene Themen. Da hat mir unlängst einmal der Georg gesagt: „Oma, ich danke dir für<br />

das Gespräch.“ Ich war momentan perplex. Aber da siehst du: Sie brauchen das.<br />

» hab ich gerne Bücher geschrieben «<br />

Johanna Preineder, geb. 1923 in Frohsdorf (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />

Kindergärtnerin<br />

Nachdem ich in Pension gegangen war, hab ich gerne Bücher geschrieben. Da war der Verschö-<br />

nerungsverein oder der Dorferneuerungsverein von Klein Wolkersdorf. Die sind da gestanden<br />

ohne Geld. Und dann hab ich gesagt: „Wisst ihr was, ich schreib ein Buch zu euren Gunsten, mit<br />

allen meinen Gedichten, die ich da gemacht hab. Geben wir das heraus.“ Die Frau Hallbauer war<br />

und ist noch immer die Obfrau von dem Dorferneuerungsverein, und die hat dann ihren Namen<br />

hergegeben. Ich hab das Geld vorgestreckt, die haben mir das Geld dann zurückgegeben, und<br />

dann haben wir das Buch herausgegeben. Das soll eine Erinnerung sein, was alles war. Und mit<br />

diesem Geld hat sich der Dorferneuerungsverein ein wenig helfen können. Dann, später einmal,<br />

haben sie beim Pfarrgemeinderat gesagt: „Hearst, du hast so viele Gedichte g’macht, du könntest<br />

ja auch für uns was machen.“ Und dann hab ich das Buch „Kindermund“ geschrieben, zu Gunsten<br />

des Pfarrheims, weil der Herr Pfarrer so viele Schulden gehabt hat. Da sind etliche Schillinge –<br />

20 000, 30 000 Schilling – übrig geblieben. Dann hat der Kindergarten in Frohsdorf, der Privatkindergarten,<br />

gesagt: „Na, wir hätten auch ein Geld braucht.“ Dann hab ich müssen denen helfen.<br />

Also habe ich noch einmal ein Buch geschrieben.<br />

Alte Menschen - Freizeitwelten - 215<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 215 31.08.2009 14:19:59 Uhr


Spaziergänger in Lanzenkirchen<br />

Die letzte Hebamme Krumbachs<br />

216 - Freizeitwelten - Alte Menschen<br />

Magdalena Dienbauer<br />

1970<br />

Foto: Martha Bleier, Krumbach<br />

mit seiner Gans<br />

Alois Jursitzky<br />

(Friseurmeister)<br />

1956<br />

Foto: Herbert Swoboda,<br />

Lanzenkirchen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 216 31.08.2009 14:20:00 Uhr


Mutterkreuzverleihung in Kirchschlag<br />

Hundertjähriger Geburtstag in Hollenthon<br />

für Mütter mit<br />

mindestens vier<br />

Kindern in der<br />

NS-Zeit<br />

1939<br />

Foto: Herta Freiler,<br />

Kirchschlag<br />

von links vorne:<br />

Josef Rasner (Sohn),<br />

Magdalena Szivos<br />

(Jubilarin aus<br />

Obereck),<br />

Johanna Leitner<br />

(Tochter)<br />

1963<br />

Foto: Johanna Spenger,<br />

Hollenthon<br />

Alte Menschen - Freizeitwelten - 217<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 217 31.08.2009 14:20:04 Uhr


Ausnehmer aus Thomasberg<br />

Tapfere Frau aus Lichtenegg<br />

218 - Freizeitwelten - Alte Menschen<br />

auf der Gredn zum Stübel des Lachhofes<br />

am Königsberg, zwischen Hauseingang<br />

(links) und Stalleingang (rechts)<br />

Engelbert Ringhofer (1854 bis 1938)<br />

um 1936<br />

Foto: Engelbert Ringhofer,<br />

Königsberg (Thomasberg)<br />

in ihrem einfachen Zimmer im Alter von<br />

94 Jahren. Auch im hohen Alter ging Resl<br />

Bachmann noch jeden Sonntag fünf Kilometer<br />

vom Schlagergraben nach Lichtenegg zur<br />

Messe. Zwischen 1938 und 1945 hatte sie<br />

ihre behinderte Nichte Anna vor den Nazis<br />

versteckt.<br />

1975<br />

Foto: Karl und Maria Sanz, Lichtenegg<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 218 31.08.2009 14:20:05 Uhr


Fremde – in der Fremde<br />

Wenn Menschen in<br />

früheren Zeiten ihre<br />

Herkunftsregion für eine<br />

gewisse Zeit oder für<br />

immer verließen, dann<br />

hatte dies meist existenzielle<br />

Gründe. Nicht aus<br />

Vergnügen ging man in<br />

die Fremde, sondern<br />

um ein Auskommen zu<br />

finden. Erst mit dem<br />

Entstehen eines städtischen<br />

Bürgertums im<br />

19. Jahrhundert wurde<br />

das Reisen zur Freizeit<br />

– zunächst freilich nur für jene, die es sich auch leisten konnten. Auch die Sommerfrischler in der<br />

Buckligen Welt gehörten lange Zeit meist einem mehr oder weniger betuchten Wiener Bürgertum an.<br />

Im Nationalsozialismus und infolge alltäglicher Not in Kriegs- und Nachkriegszeit gerieten viele Menschen<br />

freiwillig und unfreiwillig erstmals in für sie fremde Gegenden. Und das Reisen als freizeitliches<br />

Massenphänomen geht Hand in Hand mit dem wachsenden Wohlstand der Bevölkerung und dem<br />

Ausbau der verkehrstechnischen Infrastruktur seit den 1950er-Jahren.<br />

Vor allem Menschen aus den Sommerfrische-Gemeinden der Buckligen Welt erinnern sich noch<br />

an die zahlreichen Gäste aus Wien. Was für die Sommerfrischler Freizeit war, war für die Einheimischen<br />

Arbeit. Bei anderen haben sich Erlebnisse in der Fremde tief im Gedächtnis verankert. Lebhaft<br />

schildern sie, wie sie als Kinder in der NS-Zeit oder in Zeiten der Knappheit nach 1945 „verschickt“<br />

worden sind.<br />

Interessanterweise gibt es von den Sommerfrischlern nur wenige Fotos, die sie bei ihren Freizeitaktivitäten<br />

zeigen. Sie unternahmen ausgedehnte Spaziergänge und kehrten auch gerne bei Mostheurigen<br />

und in Gasthäusern ein. In den Wirtshäusern von Lichtenegg gab es zum Beispiel zu Mittag<br />

zwei Essenstermine, damit alle Gäste verpflegt werden konnten. Höhepunkte für die Sommergäste<br />

waren auch Theateraufführungen von Laiengruppen und verschiedene Feste und Brauchtumsveranstaltungen.<br />

Einige wenige Fotos zeigen deutsche und sowjetische Soldaten.<br />

Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 219<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 219 31.08.2009 14:20:06 Uhr


» Das waren reiche Leute «<br />

Anna Heissenberger, geb. 1926 in Zöbern, kaufmännische Angestellte<br />

Die Mutter hat die Zimmer vermietet, damit Geld reinkommt. Und mit dem Geld hat sie wieder<br />

Bettwäsche oder so etwas gekauft. Die Männer haben manchmal am Heuboden geschlafen, und<br />

wir Frauen haben halt alle in einem Zimmer geschlafen. Ja, der Schlumberger, das weiß ich noch<br />

gut, auf den hat die Mutter immer viel gehalten. Der Schlumberger-Sekt ist ja bekannt. Das waren<br />

reiche Leute, die mieteten immer auf zwei Monate die Wohnung. Die hatten nur ein Zimmer<br />

damals. Der Schlumberger ist hier immer auf die Jagd gegangen. Er hatte schon im Vorhinein der<br />

Mutter das Geld für die zwei Monate gegeben. Das war eine große Hilfe.<br />

» Hat ja eh keiner was gehabt. «<br />

Ernst Vycital, geb. 1924 in Wien, seit 1975 in Hochegg (Gemeinde Grimmenstein),<br />

selbstständiger Unternehmer<br />

1930 war ich mit meiner Großmutter in Kienegg. Dort wohnten wir privat. Das war ein Mini-<br />

mum: Ich musste bei meiner Großmutter im Bett schlafen, denn man hat nach Bett bezahlen<br />

müssen bei dem Beisteiner. Ich weiß nur eines noch: Dort war von außen so ein Stiegenaufgang<br />

in ein Dachstübel, da war nur ein Bett drinnen und ein Kasten. Hat ja eh keiner was gehabt. Später,<br />

als ich verheiratet war, wohnten wir auch privat. Nur waren wir dann finanziell unabhängig.<br />

Da ist man halt zum Handler essen gegangen. Aber damals, als ich mit meiner Großmutter war,<br />

hatte sie einen Spiritusbrenner. Und sie hat so ein Papperl gemacht. Ich weiß nicht, was da alles<br />

drinnen war, man hat’s gegessen und man hat’s überlebt. Aber wie gesagt, im Großen und<br />

Ganzen war das natürlich sehr spärlich. Mittags hat man mitgegessen, da werden wir auch ein<br />

Minimum bezahlt haben. So haben wir bei dem Beisteiner eine Suppe oder das, was die gekocht<br />

haben, halt mitgegessen. Eine Mahlzeit war das, und alles andere war fliegend. Also Schwammerl<br />

suchen, Erdbeeren suchen, Heidelbeeren suchen, Zucker drauf. Wir haben so auch überlebt und<br />

sind durchgekommen.<br />

Und jetzt ist es schön, Grimmensteiner zu sein. Man fühlt sich wohl, die Luft! Ich fühle mich<br />

rundum wohl. Als Zugereister ist das Schöne, dass man in Grimmenstein nicht abgestoßen wird.<br />

Oft bist du ja als Zugereister kein Dazugehöriger, da bist du Mensch zweiter Kategorie. Aber das<br />

gibt es in Grimmenstein nicht. Denn ich glaub, in Grimmenstein gibt es an und für sich viel Mischkulanz.<br />

220 - Freizeitwelten - Fremde – in der Fremde<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 220 31.08.2009 14:20:06 Uhr


» eine Messe nur für die Ausländer «<br />

Paula Koglbauer, geb. 1931 in Schlatten (Gemeinde Bromberg), Pfarrhaushälterin<br />

Im Pfarrhof ist eine Polin gewesen, als ich hingekommen bin. Die eingeborenen Männer sind<br />

überhaupt alle fort gewesen. Die Polin ist aber dann auch im 1945er-Jahr wie alle anderen weg.<br />

Es hat ja damals viele Fremdarbeiter gegeben. Das waren schon schiache Zeiten. Die Polin hat<br />

damals erzählt: Sie und der Vater waren am Feld gewesen, und es kamen deutsche Soldaten, die<br />

sagten, sie müssten mitfahren. Dann sind sie nach Österreich gekommen, sie ist vom Vater getrennt<br />

worden und hat in der Landwirtschaft arbeiten müssen. Die war also mit mir am Pfarrhof,<br />

und wir haben uns recht gut verstanden.<br />

Die erste Zeit sind die Ausländer auch in die katholische Kirche gegangen, und dann hat der<br />

Pfarrer eine Anzeige gekriegt: „Das darf nicht sein, die Ausländer dürfen nicht in die Kirche gehen!“<br />

Dann haben sie aber gesagt: „Einmal im Monat darf der Pfarrer zusätzlich eine Messe nur<br />

für die Ausländer machen.“ Das war dann auch.<br />

» unterm Krieg ein paar Familien zu uns «<br />

Franz Giefing, geb. 1935 in Hochwolkersdorf, Landwirt<br />

Wir haben wirklich sehr schöne Zeiten gehabt. Wir waren fünf Geschwister, und unterm Krieg<br />

sind noch ein paar Familien zu uns gekommen. Wir haben ein relativ großes Haus gehabt, und<br />

es sind zwei Familien, eine aus Wien, gekommen. Das waren keine Flüchtlinge. Eine war eine<br />

verwandte Familie von uns mit drei Kindern und eine uns bekannte Familie, die hatten auch drei<br />

Kinder. Wir haben ein Ausnahmestübel gehabt, und dort haben sie gewohnt. Wir, die Kinder, gingen<br />

natürlich immer zusammen, und wenn eine Arbeit war, halfen sie uns. Und wenn’s zum Kühehalten<br />

war, gingen sie mit. Wenn wir gespielt haben, sind sie natürlich auch dabei gewesen. Wir<br />

haben oft Versteckerln gespielt – in unserem Haus, in den Wirtschaftsgebäuden, im Stall und auf<br />

dem Heuboden. Möglichkeiten zum Verstecken gab es genug. Das war natürlich wunderschön. Im<br />

Sommer haben wir im Hof Fußball oder Völkerball gespielt.<br />

» Wir haben fast immer gewonnen gegen die Russen «<br />

Wilhelm Müller, geb. 1937 in Klein Wolkersdorf (Gemeinde Lanzenkirchen),<br />

Dompfarrer in Wiener Neustadt<br />

Die Russen hier haben sich einquartiert, haben unsere Wohnung beschlagnahmt, haben uns<br />

nur ein Zimmer gelassen. In der Wohnung hat der Kommandant mit seiner Familie gewohnt.<br />

Das waren insofern ganz interessante Zeiten, weil die russischen Soldaten uns eigentlich auch<br />

Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 221<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 221 31.08.2009 14:20:06 Uhr


wieder sehr verwöhnt haben. Der eine hat Wladimir geheißen, an den kann ich mich noch gut er-<br />

innern, der hat so ein bissel den Ersatzvater für mich gespielt. In diesen Tagen bin ich, glaub ich,<br />

Österreicher geworden, nämlich insofern, weil wir mit den Russenkindern – sie haben ja, als die<br />

Kampftruppen weg waren, ihre Familie mitgehabt – große Schlachten um die Leitha aufgeführt<br />

haben. Wem gehört die Leitha, uns oder den Russen? Wir haben Steinschlachten gefochten, und<br />

die deutschen Soldaten konnten ja auch nicht alle ihre Waffen mitnehmen, da lag noch genug herum.<br />

Da waren so Stäbe, die man anzünden und werfen konnte. Wir haben fast immer gewonnen<br />

gegen die Russen. Wir waren mehr, wir waren stärker.<br />

» ein Wunschtraum meines Gatten «<br />

Wilhelmine Hinner, geb. 1923 in Wien. Zwischen 1965 und 1975 hatte sie mit<br />

ihrer Familie ein Haus in Harmannsdorf (Gem. Hochneukirchen-Gschaidt)<br />

gemietet. Folgende Passage ist der Auszug eines Textes, den sie nach der Lektüre<br />

der „<strong>Lebensspuren</strong>“ 2007 „zum Andenken an Eduard und Maria Milchrahm“ in<br />

Harmannsdorf für die „Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“<br />

niedergeschrieben hat.<br />

Es war immer schon ein Wunschtraum meines Gatten‚ in dieser Gegend ein Häuschen zu be-<br />

wohnen. Durch liebe Freunde bekamen wir Gelegenheit‚ uns für ein Häuschen in Miete zu inte-<br />

ressieren. Jetzt war es so weit, wir waren da und sahen uns um. Hier oben war es wunderbar! So<br />

weit das Auge reicht ein klarer Himmel und im Dunst der Ferne Hügel und weite Ebenen. Es war<br />

ein herrlicher Sonntagmorgen, die Luft würzig und mit vielen Düften – und diese Stille! Für uns<br />

Stadtmenschen etwas Ungewohntes. Der Weg hier herauf zu diesem Anwesen war ein schmaler<br />

Privatweg, welcher oberhalb des Bauernhauses dann bergab durch den Wald in die nahegelegene<br />

Ortschaft führte. Wir gingen einige Schritte bergab dem Hause zu. Es war aber niemand daheim.<br />

Die Bauersleute werden wohl in der Kirche sein? Zuallererst sahen wir uns um. Ein großer<br />

schwarzer Hund lag an der Kette vor seiner Hundehütte. Anstatt dass er uns vorbellte, begrüßte er<br />

uns sehr freundlich. Er ließ sich sogar streicheln! Da stand nun das Bauernhaus, das schon etwas<br />

älter war. Wir warfen noch einen Blick in den Stall und nachher einen Blick durch die Fenster des<br />

zu mietenden Häuschens. Es war neu erbaut und stand gegenüber vom Bauernhaus. Das sollte<br />

für später einmal das Ausgedinge der alten Leute sein. Es gefiel uns sehr gut, wir waren gleich<br />

begeistert‚ doch wir mussten noch lange warten.<br />

Wir setzten uns auf die Wiese hinter dem Haus, ließen uns sonnen und hofften, dass es liebe<br />

Leute seien und wir hier in Miete bleiben könnten. Endlich, unsere Uhr zeigte schon dreizehn Uhr,<br />

hörten wir ein Auto den Berg herauffahren und in die Zufahrt zum Haus einbiegen. Diese Zufahrt<br />

222 - Freizeitwelten - Fremde – in der Fremde<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 222 31.08.2009 14:20:06 Uhr


konnten wir nicht erkennen. Als sie uns sahen, lachten sie uns freundlich an und baten uns, in ihr<br />

Haus zu kommen. Beide waren sehr sympathisch, sie war eine stattliche, große Frau, und er war<br />

ein etwas untersetzter, kräftiger Mann. Wir gefielen ihnen. Frau Milchrahm meinte sogleich, wir<br />

wären die „Richtigen“. Sie führten uns um ihr Anwesen herum, und wir gingen anschließend in<br />

das kleine, gegenüberliegende Häuschen. Eine kleine Küche mit einer gemütlichen Sitzecke beim<br />

Fenster, auch ein kleiner Herd war vorhanden und nebenan ein größeres Zimmer mit zwei Betten‚<br />

Nachtkästchen und einem alten Bauernkasten. Innen hatte er an der Seite Laden und Fächer. Wir<br />

waren sehr begeistert. Wir einigten uns, für zehn Jahre zu bleiben!<br />

» Ich war eine ganz andere. «<br />

Johanna Trimmel, geb. 1928 in Bromberg, Landwirtin<br />

Aus Schlatten hinausgekommen bin ich ganz wenig, praktisch eigentlich nur, wenn wir in die<br />

Kirche nach Bromberg oder Wiesmath gegangen sind. Aber 1938, wie der Hitler gekommen ist,<br />

hat der Herr Lehrer in der Schule Kinder ausgesucht. Unter anderen war auch ich dabei und hab<br />

nach Deutschland fahren dürfen. Das war schon einmal eine lange Fahrt. Das erste Mal mit dem<br />

Zug gefahren! Ich weiß nicht wie lang, aber mies ist mir geworden, weil ich es nicht gewohnt war.<br />

Aber ich habe es doch durchgestanden. In Deutschland sind wir zu Pflegeeltern gekommen. Sie<br />

haben mir dort das Radlfahren gelernt, und gern haben sie mich gehabt, die Kinder haben mich<br />

alle gern gehabt. Von einer Gasse haben zwar manche gespöttelt, die gesagt haben: „Du österreichisches<br />

Mädchen!“ In Deutschland hab ich den ersten Mähdrescher gesehen. Da hab ich solche<br />

Augen gemacht! Ich war nämlich ziemlich am Stadtrand, und die Familie ist mit mir immer<br />

ein bissel außer Haus gegangen. Der Vater war in einer Eisenfabrik angestellt, der musste auch<br />

schwer arbeiten. Der Sohn musste am Dachboden schlafen, damit ich bei ihnen herunten in der<br />

Wohnung schlafen konnte. Mir ist es so gut gegangen, und so gutes Essen und Sachen hab ich gekriegt.<br />

Die Konservendosen! Ich hab das erste Mal gesehen, dass man eine Milch so konservieren<br />

kann. Die waren schon weit voraus. Damals war ich zehn Jahre alt. Die Frau hat mich recht gern<br />

gehabt, meine Haare hat sie gleich abgeschnitten und einen Bubikopf gemacht. Und Kleiderl hat<br />

sie mir genäht und Schürzerln und so viel Sockerl.<br />

Wie ich aus Deutschland heimgekommen bin, war ich wie ausgewechselt. Ich war eine ganz<br />

andere. Ich bin nicht mehr bloßfüßig in die Schule gegangen wie so manche andere Kinder. Und<br />

früher war ja der Brauch: Da ist die Suppe angerichtet worden oder das Sauerkraut und oben<br />

drauf das Geselchte. Und jeder hat mit dem Löffel daraus gegessen. Und dann hab ich mir aber<br />

gedacht: „Nein, das passt mir nicht!“ Ich hab einen Teller geholt und hab extra gegessen. Dann<br />

Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 223<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 223 31.08.2009 14:20:06 Uhr


haben sie gesagt, ich bräuchte eine Extrawurscht. Hab ich gesagt: „Mir ist das wurscht, wie ihr<br />

esst, ich wasch mir meinen Teller selber ab!“ Und es hat nicht lang gedauert, haben wir alle Teller<br />

gehabt. Ich hab mir in Deutschland allerhand abgeschaut, was mir gefallen hat.<br />

» gibt es auch positive Erinnerungen «<br />

Franz Grundtner, geb. 1921 in Wiesmath, Schmiedemeister. Der folgende Text<br />

ist ein Auszug aus seinen schriftlichen Erinnerungen an Kriegszeit und<br />

Kriegsgefangenschaft; über sich selbst schreibt er in der dritten Person.<br />

Am 10. Februar 1941 wird F.G. zur deutschen Wehrmacht einberufen. Die ersten Stationen sind<br />

Kempten/Allgäu und die Gebirgsjägerkaserne in Brannenburg am Inn, nahe Kufstein. Die Erin-<br />

nerungen daran sind gemischt. Einerseits harter Drill, tagelange kilometerweite Fußmärsche mit<br />

Marschgepäck, hart-militärische Grundausbildung, Reitausbildung. Zum anderen gibt es auch<br />

positive Erinnerungen, mit Wanderungen in die bayerische Gebirgswelt, insbesondere am Wendelstein,<br />

Ausflüge in benachbarte Dörfer, etwa nach Erl/Tirol, wo die jungen hungrigen Soldaten<br />

von der Bevölkerung fallweise großzügig eingeladen werden zu Speise und Trank, zu Most, Presswurst,<br />

Speck. In der Kommisküche lernt F.G. Puddingsauce kennen und lieben.<br />

» ich hatte richtig ‚Schwyzer Dütsch’ gesprochen «<br />

Erika Brandstetter, geb. 1938 in Schlag (Gemeinde Zöbern),<br />

Schneiderin und Pensionsbesitzerin. Der folgende Text ist ein Auszug<br />

aus ihren schriftlichen „Erinnerungen von 1945 – 1955“.<br />

Im Jahre 1947 bekamen wir einen Brief aus der Schweiz. Es waren Freunde meiner Eltern, wel-<br />

che sich erkundigten, wie es uns in den Kriegswirren ergangen war. Als sie erfuhren, dass mein<br />

Vater durch die Hand eines Russen gefallen, machten sie uns das Angebot, eines von uns drei<br />

Mädchen für drei Monate aufzunehmen. Die Wahl fiel auf mich, da ich die Kleinste war und in<br />

der Schule nicht so viel versäumen würde. Aber wie kam ich in die Schweiz? Es gingen Hilfszüge<br />

mit armen, bedürftigen Kindern, welche Erholung brauchten, in die Schweiz, doch niemand nahm<br />

mich mit. Mein Gesicht war zu rund, ich schaute zu gut aus.<br />

So ergab es sich, dass die Fürsorgerin von Aspang, Frau Stundl, zu ihren Verwandten nach<br />

Vorarlberg fuhr und mich mitnahm. Nun wurde emsig hergerichtet. Ferstl Mitzi nähte aus einem<br />

Hemd des Vaters ein Nachthemd für mich. Unsere Nachbarin, die Schneiderin Frau Pichlbauer<br />

224 - Freizeitwelten - Fremde – in der Fremde<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 224 31.08.2009 14:20:06 Uhr


nähte mir ein hübsches weißes Kleid mit blauen Tupfen und einer blauen Schürze. Mit einem<br />

kleinen Handkoffer ging die Reise Anfang Juni los. Mama organisierte eine Pferdekutsche, mit<br />

der mich alle bis zum Bahnhof Aspang brachten. Frau Stundl empfing mich, und wir hatten gleich<br />

nach unserer Begrüßung einen Sitzplatz ergattert. Voll Stolz nahm ich die Fotografien aus meinem<br />

Koffer, die Mama mir eingepackt hatte. Der Zug pfiff, und Frau Stundl kam herein: “Um Gottes<br />

willen! Du musst ja noch allen winken, die wollen dich ja noch einmal sehen!“ Da flogen die Bilder<br />

zu Boden und ich winkte.<br />

Wir fuhren zwei Tage bis nach Vorarlberg. An der Grenze zwischen Niederösterreich und<br />

Oberösterreich in Enns (Demarkationslinie zwischen Russen und Amerikanern) wurde der Zug<br />

von beiden Mächten gründlich durchsucht. Ich hatte schon selber einen Pass, der genau kontrolliert<br />

wurde, auch mein kleines Kofferl.<br />

In Feldkirch angekommen suchten wir ein Kloster mit Spital auf. Dort bekam Frau Stundl in<br />

einem winzigen Zimmer ein Bett, und ich sollte im finsteren Gang, wo auch Kranke lagen und vor<br />

Schmerzen stöhnten, schlafen. Eine Zumutung für ein neunjähriges Mädchen! Da fühlte ich mich<br />

erstmals von allen verlassen. Frau Stundl trocknete mir die Tränen, und es wurde mir am Fußboden<br />

vor Frau Stundls Bett ein Lager gerichtet.<br />

Nächsten Tag ging es mit einer Rotkreuzschwester weiter über die schweizerische Grenze. In<br />

Buchs war man ratlos, wie ich weiterkommen würde. So hängte man mir ein großes Taferl um<br />

den Hals, darauf stand: „Bitte helfen Sie dem Kind Erika Hofer aus Österreich bis zur Bahnstation<br />

Bern, dort wird sie von einer Frau Stucki abgeholt!“ So saß ich nun ganz allein in einem fremden<br />

Land, in einem fremden elektrischen Zug (diese waren damals in Österreich noch nicht in<br />

Betrieb). Die Leute waren sehr freundlich zu mir. Sie gaben mir Schokolade, andere wieder ein<br />

Marzipankäferl und eine Orange. In Zürich musste ich noch dazu umsteigen. Ein nettes Ehepaar<br />

nahm sich meiner an und so kam ich zum Hauptbahnhof Bern. Dort empfing mich Trude, die<br />

Tochter der Familie Stucki, welche ich von Fotografien her kannte. Ich bedankte mich bei dem<br />

Ehepaar und Trude, und wir fuhren ins Berner Oberland, nach Heimberg bei Thun, zu Familie<br />

Stucki. Die Hausleute und die Nachbarn wollten alle die Österreicherin sehen und brachten kleine<br />

Geschenke mit. Meine Pflegeeltern hatten einen kleinen Kaufmannsladen. Ich sah zum ersten Mal<br />

einen riesigen Emmentaler-Laib. Auch das gute Birchermüsli wurde abends angesetzt und morgens<br />

zum Frühstück gegessen. Im Hause hatte ich einen Spielkameraden, den Pauli, er war fünf<br />

Jahre alt und er bekam im Juli eine kleine Schwester, die Christine.<br />

Die Familie machte mit mir schöne Ausflüge in die Berge und zu Wasserschluchten. Einmal<br />

durfte ich mit den Schulkindern einen Ausflug auf den Berg Niesen mitmachen. Die halbe Strecke<br />

fuhren wir mit der Bergbahn, die andere Hälfte gingen wir zu Fuß. Am Abend hatte ich Blasen an<br />

den Fersen, denn die alten geerbten Halbschuhe von meinen Schwestern waren steif und abgetragen.<br />

Nach Hause fuhren wir über den Thunersee, und ich sah zum ersten Mal eine Frau mit Kind<br />

eine Banane essen. Einmal schrieb ich nach Hause, dass ich gut angekommen sei und es mir gut<br />

Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 225<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 225 31.08.2009 14:20:06 Uhr


gehe. In der Nähe des Ortes gab es einen Flugplatz mit regem Flugverkehr. So schrieb ich im Brief<br />

weiter: „Da fliegen die Flieger wie die Fliegen!“<br />

Nach drei wunderbaren Monaten Aufenthalts in der Schweiz schickten mich meine Pflegeeltern<br />

gut genährt mit einem großen Koffer und einer großen Tasche nach Hause. Der Koffer war voll mit<br />

Gewand, wie selbstgestrickte Strümpfe, Pullover, Faltenröcke und Kleider. Ich war für den kommenden<br />

Winter eingekleidet. In der Tasche waren Andenken und Süßigkeiten, wie Schokolade,<br />

die man in Österreich nur schwer bekam.<br />

Der Abschied war herzlich, und ich hatte richtig „Schwyzer Dütsch“ gesprochen. Die jüngere<br />

Tochter Helene brachte mich wieder bis zur Grenze. An der Grenze empfing mich das Wiener Ehepaar<br />

Schätz. Der Herr war am Westbahnhof Stationsvorstand und mit meinen Eltern gut bekannt.<br />

Auch ihre Tochter war auf Erholung in der Schweiz, und wir mussten einen Tag lang warten,<br />

bis sie an der Grenze ankam. Die Nacht verbrachten wir in einem großen Warteraum. Auf Holzpritschen<br />

machten wir ein Nickerchen, von Schlafen war keine Rede, da viele Leute durcheinander<br />

sprachen, und die Karbidlampen machten einen furchtbaren Gestank. Herr Schätz begleitete<br />

mich bis nach Aspang, wo ich mit großer Freude von meiner Familie empfangen wurde. Anfangs<br />

lachten alle über mein „Schwyzer Dütsch“, und ich kränkte mich sehr.<br />

» eine ganz andere Sprache «<br />

Norbert Schröder, geb. 1941 in Katzelsdorf, AHS-Lehrer<br />

1947 bin ich in den Lungau gekommen. Meine Mutter hat sich im Lungau mit mir mehr oder we-<br />

niger alleine durchbringen müssen, hat da und dort ausgeholfen. Oft hatte ich einen sehr weiten<br />

Schulweg. Es ist teilweise ein Schulweg gewesen, wo du eine Strecke als Erwachsener im Sommer<br />

drei Stunden gehst. Das war oft so, dass ich spätabends nach Hause gekommen bin, und in der<br />

Früh um halb vier oder vier war’s schon wieder zum Aufstehen und zu Fuß stapfen. Besonders<br />

interessant war das im Winter. Man hatte ja keine gute Kleidung. Man muss sich vorstellen: kurze<br />

Hose, die war vielleicht irgendwo von einem Kind eine lange, die verkürzt worden war, und dann<br />

hat man so wollene Strümpfe gehabt und Schuhe, die vier Generationen Kinderbeine getragen<br />

hatten. Es war immer Wasser drinnen, ich habe gefrorene Zehen, Füße gehabt, ich habe bis zum<br />

sechzehnten Lebensjahr unter Frostbeulen gelitten. Das war also eine ganz tolle Zeit.<br />

Aber bemerkenswert war, das ist wirklich etwas, was man erlebt haben muss: Da kommt man<br />

in eine neue Gesellschaft hinein, und die sprechen eigentlich eine ganz andere Sprache mit ganz<br />

anderen Vokabeln. Und das ist ganz interessant: Ich kann noch das alte Lungauerisch, das sind<br />

Vokabeln, die man hier nicht kennt, das ist einfach eine ganz andere Sprache. Und du sprichst<br />

etwas anders, die verstehen dich zwar, ich habe nach der Schrift gesprochen, da wirst du jetzt als<br />

226 - Freizeitwelten - Fremde – in der Fremde<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 226 31.08.2009 14:20:07 Uhr


Außenseiter gesehen. Das hat natürlich zu heftigen Konflikten geführt. Aber es war so, dass ich<br />

meist der Schnellste war, ich verteidigte mich also schnell. Und dann trieb ich mindestens zehn<br />

hinter mir her, und ich war eigentlich immer schneller, Gott sei Dank. Aber solche Dinge muss<br />

man schon erlebt haben. Man ist dort eine Zeit lang wirklich Außenseiter, einfach nur der Sprache<br />

wegen. Da hat es auch andere gegeben. Ich erinnere mich an einen, der einen Wasserkopf hatte,<br />

aber wie der verspottet wurde! Und da habe ich eine Ader entwickelt, damals als Sechs-, Siebenoder<br />

Achtjähriger, einfach zu sagen: „Halt, das dürft ihr nicht tun, lasst den in Ruh!“ Ich setzte<br />

mich dann schon selber durch, das musste man auch, und daher spielte ich dann sehr häufig den<br />

Sheriff. Das ist auch später noch weitergegangen. Aber es war damals so, dass es mir äußerst missfiel,<br />

wenn solche Situationen auftraten. So viel zum Lungau und der Situation, die auf der einen<br />

Seite sehr, sehr hart war, auf der anderen Seite eine unheimliche Lebensschule.<br />

» Diese Erholung war eigentlich für die Katz «<br />

Herbert Swoboda, geb. 1938 in Walpersbach, die Familie zog 1942 nach Frohsdorf<br />

(Gemeinde Lanzenkirchen), Schuhmacher<br />

Im 1945er-Jahr bin ich durch die Caritas nach Oberösterreich gekommen. Sechzehn Buben aus<br />

der Gemeinde auf Erholung. Als ich nach zwei Monaten wieder heimkam, war ich voller Läuse,<br />

hatte Mumps und abgenommen. Sie hatten’s gut gemeint, aber da wurde viel Schindluder getrieben.<br />

Wir waren in einem Studentenheim einquartiert, in die Schule mussten wir gehen, wir sind<br />

aber eh nie in die Schule gegangen. Es war so kalt da oben, da hat uns der Hausdiener von der<br />

Post in den Keller reingelassen. Da waren wir den ganzen Tag in einem Keller, in Eferding auf der<br />

alten Post. Alle haben miteinander gespielt und gesungen da drinnen. Stehlen haben wir gelernt<br />

in Oberösterreich, das muss ich sagen, denn da sind die Kisten Äpfel gestanden, die haben hundertprozentig<br />

uns gehört.<br />

Geschlafen haben wir in einem Zimmer, da waren sechzehn Kinder drinnen, ein großer Saal, eiskalt<br />

war es dort. Der 1945er-Winter war sehr kalt. Da sind wir zu zweit oder zu dritt in einem Bett<br />

gelegen, damit wir drei Decken gehabt haben, weil sonst hat jeder nur eine gehabt. So war’s halt.<br />

Und wenn du Äpfel gesehen hast, dann hast dir schnell einen Apfel beim Vorbeigehen gestohlen,<br />

dass wir was gehabt haben. Auch zum Fleischhacker sind wir stehlen gegangen. Man muss so<br />

aufpassen, die Zeit war sehr hart, der Hunger tut weh. Und beim Fleischhacker: Zwei, drei sind<br />

halt rein, haben dort umeinander granzelt, dann haben sie uns wieder gejaukt, wenn sie uns wo<br />

erwischt haben. Aber ich muss sagen: Diese Erholung war eigentlich für die Katz.<br />

Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 227<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 227 31.08.2009 14:20:07 Uhr


Sommerfrischler in Krumbach<br />

von links: Johanna Blochberger (Reisenbauer), Franz Blochberger jun., Theresia Blochberger, Franz Blochberger sen.,<br />

Josef (im Arm des Vaters), Ernestine Blochberger (spätere Ordensfrau Schwester Digna), unbekannte Sommergäste<br />

Letzter Erntewagen in Bromberg<br />

auf dem Wagen: Gusti Kaiser, Juliane Hahn und Schwester Anna<br />

von links: Trude Sulek, unbekannt, Großvater Lechner, Kurt Sulek, Fr. Sulek, Karl und Elisabeth Ringhofer<br />

228 - Freizeitwelten - Fremde – in der Fremde<br />

bei Familie Blochberger<br />

1954<br />

Foto: Franz Blochberger, Krumbach<br />

beim Anwesen Lechner in<br />

Hofstätten<br />

1942<br />

Foto: Johann und Juliane Hahn,<br />

Unterbromberg (Thernberg)<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 228 31.08.2009 14:20:08 Uhr


Sommerfrischler in Seebenstein<br />

helfen bei der Heuernte mit von links: Knecht, Grete Schagginger, Alois Schagginger, Toni Puchegger, Sommergast,<br />

Cäcilia Schagginger, Dienstmädchen, Cäcilia Depil (auf dem Heuwagen) 1924 Foto: Emma und Leopold Geigner, Seebenstein<br />

Wiener Sommergäste in Thomasberg<br />

beim Kartenspiel neben<br />

dem Gmoabrunn in<br />

Kienegg<br />

Mitglieder der Familien Rosa<br />

und Andreas Benesch sowie<br />

Holub sen. und jun.<br />

vor 1938<br />

Foto: Roman Lechner, Lichtenegg<br />

Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 229<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 229 31.08.2009 14:20:09 Uhr


Hollenthoner Soldat<br />

Letzter Abschied in Lichtenegg<br />

230 - Freizeitwelten - Fremde – in der Fremde<br />

spielt auf seiner<br />

Ziehharmonika vor<br />

einem Bunkereingang<br />

von links:<br />

Anton Panis,<br />

zwei unbekannt<br />

1943<br />

Foto: Karl u. Marianna Sanz, Schlagergraben (Lichtenegg)<br />

Foto: Anton Panis, Hollenthon<br />

nach dem Heimaturlaub bei den Eltern im Schlagergraben<br />

von links: Anna, Johann und Hans Bachmann (gefallen 2.11.1942)<br />

1942<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 230 31.08.2009 14:20:10 Uhr


Sowjetischer Leutnant in Pitten<br />

war mit seiner Ordonnanz im Wohnhaus der<br />

Familie Ponweiser einquartiert. Zum Schluss sollte<br />

der Leutnant eine Entschädigung zahlen. Da er nicht<br />

mehr so viel Geld hatte, hinterließ er für die Differenz<br />

seinen Hund. Familie Ponweiser akzeptierte.<br />

von links: Leutnant, Willibald Ponweiser<br />

um 1950<br />

Foto: Museums- & Bildungsverein Pitten<br />

Mädchen aus Edlitz zwischen sowjetischen Offizieren<br />

Die Familie Korntheuer-Mayrhofer war nach der Flucht<br />

vor der Roten Armee bei Verwandten im Mühlviertel<br />

einquartiert.<br />

Trude Korntheuer (Kronaus) mit Angehörigen der Roten Armee<br />

1945<br />

Foto: Karl Korntheuer, Edlitz<br />

Fremde – in der Fremde - Freizeitwelten - 231<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 231 31.08.2009 14:20:13 Uhr


Die „große Welt“ in der kleinen<br />

Jede Region hat ihre Prominenz – auch die Bucklige Welt. Einige Menschen, die hier geboren wur-<br />

den, regelmäßig zu Besuch kommen oder inzwischen hier zu Hause sind, sind weit über die Grenzen<br />

der Region hinaus bekannt. Das Buchteam hat für „<strong>Lebensspuren</strong> <strong>II</strong>“ weitere Prominente gebeten,<br />

persönliche Erinnerungen, die mit der Buckligen Welt in Verbindung stehen, niederzuschreiben oder<br />

zu erzählen. Wir danken allen Autorinnen und Autoren, die dieser Bitte nachgekommen sind.<br />

Franz Blochberger, geb. 1942 in Krumbach, langjähriger ÖVP-Politiker<br />

und Landesrat in Niederösterreich<br />

» Ich bin ein Bauernbub aus der Buckligen Welt «<br />

Eine meiner ersten Kindheitserinnerungen ist die gemeinsame<br />

Flucht meiner Mutter mit meinen zwei Schwestern<br />

und mir zu Ostern 1945 in eine Holzhütte im Wald. In der<br />

Aufregung meiner Mutter spürte ich, dass eine besondere<br />

Gefahr drohte – der Einmarsch der russischen Truppen.<br />

Meine zweite Erinnerung ist an einen russischen Offizier,<br />

welcher bei uns stationiert war, um die Zivilbevölkerung<br />

vor der Plünderung der russischen Soldaten zu schützen. Er<br />

schenkte mir ein kleines Taschenmesser, worüber ich mich besonders freute und Tränen weinte,<br />

als ich es verlor. Am Schulweg nach Krumbach (dreieinhalb Kilometer zu Fuß) säumten unseren<br />

Schulweg immer wieder russische Soldaten mit Jeep und Zigeunerkutschenwagen mit Pferdegespann.<br />

Wir hatten davor große Angst. Mein Schulweg war vor allem in den Wintermonaten, bei<br />

völlig mit Schnee zugewehten Hohlwegen, sehr beschwerlich.<br />

Nach dem Besuch der Volks- und Hauptschule in Krumbach und der landwirtschaftlichen Berufs-<br />

und Fachschule in Warth mit Abschluss der Meisterprüfung 1966 kam ich mit fünfzehn<br />

Jahren schon zur Landjugend. Damals gab es erstmals auch einen Redewettbewerb, an dem<br />

ich natürlich teilnahm. Der Besuch der Katholischen Sozialakademie prägte mein weiteres persönliches<br />

und politisches Leben. Von 1966 bis 1967 war ich Landesobmann der Niederösterreichischen<br />

Landjugend. Mein erster großer Auftritt war beim Erntedankfest in Kirchschlag, wo ich<br />

als damals Siebzehnjähriger in Anwesenheit von Bundeskanzler Figl meine erste Ansprache hal-<br />

232 - Die „große Welt“ in der kleinen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 232 31.08.2009 14:20:13 Uhr


ten durfte. Nach dem frühzeitigen Tod meines Vaters im Jahr 1967 führte ich mit meiner Mutter<br />

bis zur Verehelichung im Oktober 1969 unseren Hof. Ich lernte auch in unserer Gemeinde meine<br />

Frau Maria, die Mutter unserer fünf Söhne und die Begleiterin durch mein Leben, kennen, und<br />

wir heirateten am 26. Oktober 1969.<br />

Mein politischer Aufstieg begann sehr früh. 1969 kam ich mit kaum 27 Jahren als Abgeordneter<br />

in den Niederösterreichischen Landtag. Gemeinsam mit den Bürgermeistern versuchten wir unsere<br />

Region weiter aufzubauen. Damals gab es kaum asphaltierte Straßen, kein Telefon und auch<br />

der elektrische Strom fehlte in verschiedenen Rotten. Mit 38 Jahren wurde ich in die Niederösterreichische<br />

Landesregierung als Landesrat berufen. Diese Funktion übte ich zwanzig Jahre aus. Als<br />

Obmann des Niederösterreichischen Bauernbundes war ich für die Bauern und somit auch für alle<br />

Menschen im Lande Hoffnungs- und Verantwortungsträger. Neue Projekte mit Freunden umzusetzen<br />

und Menschen zu helfen, war die Triebfeder meiner politischen Tätigkeit.<br />

Ich holte mir all meine Kraft für die großen politischen Aufgaben aus meiner Familie beziehungsweise<br />

aus meiner Heimat, der Buckligen Welt. Ich war mit Leib und Seele Bauer und schätze<br />

besonders die Schönheiten unserer Heimat: die Einzelhöfe, von Wald umrandet und mit blühenden<br />

Obstbäumen im Frühjahr, woraus guter Most und Schnaps produziert wird. Die Bucklige<br />

Welt ist sozusagen das geheime „Mostviertel“ in unserem Land. Hier gibt es noch in Takt befindliche<br />

Familien und auch sehr lebendige Dorfgemeinschaften, woraus ich sehr viel Kraft schöpfen<br />

konnte. Lassen wir uns daher diese Einstellung zu unserer Heimat, zu unserem Glauben und<br />

unserem lebendigen Dorfgemeinschaften von niemandem nehmen.<br />

Herbert Schimetschek, geb. 1938 in Wien, war unter anderem 2003 bis 2008<br />

Präsident der Österreichischen Nationalbank.<br />

Er verbrachte einige Jahre seiner Kindheit bei seinen Großeltern in Kirchschlag.<br />

» Eine Jugend in Kirchschlag «<br />

Unser ebenerdiges, über dreihundert Jahre altes Haus, das heute nicht mehr existiert, lag am<br />

Äußeren Markt. Der Tagesablauf am Äußeren Markt war stark von Geräuschen beeinflusst. Vor<br />

unserem Haus pflegte der Autobus der Firma Partsch zu parken, dessen Chauffeur im benachbarten<br />

Gasthof übernachtete. Um etwa fünf Uhr früh wurde dieses Fahrzeug jeden Morgen mit großer<br />

Lärmentwicklung gestartet, bevor es seine morgendliche Route über Stang und Wiesmath nach<br />

Wiener Neustadt in Angriff nahm. Sofern ein Einschlafen nochmals möglich war, wurde man spätestens<br />

eine Stunde später nochmals geweckt, wenn die „Milchführer“ auf ihren mit zahlreichen<br />

Milchkannen beladenen Pferdewagen am Haus vorbeifuhren. Und etwas später kündigte sich mit<br />

lautem Peitschenknallen der „Halter“ an, der die Kühe aus unserem Ortsteil auf den Anger an der<br />

Die „große Welt“ in der kleinen - 233<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 233 31.08.2009 14:20:13 Uhr


Günserstraße trieb, während seine Frau oder eines seiner Kinder dieselbe<br />

Aufgabe im Inneren Markt übernahm. Dann öffneten sich die Tore vieler<br />

Häuser und jeweils eine, zwei oder drei Kühe trotteten heraus und schlossen<br />

sich der immer größer werdenden Herde an.<br />

Den ganzen Tag über war am Äußeren Markt der Klang der Schmiedehämmer<br />

zu hören. An den beiden Enden des Marktes befand sich je eine der<br />

zwei Kirchschlager Dorfschmieden, was dazu führte, dass es immer wieder<br />

zu einem „Verkehrschaos“ kam, wenn die Milchführer und die Bauern mit<br />

ihren Wagen darauf warteten, dass sie mit ihren Pferden für eine Reparatur<br />

oder der Anbringung neuer Hufeisen an die Reihe kämen. Ich habe Stunden<br />

und Stunden damit verbracht, dem Meister und seinen Gesellen dabei zuzusehen,<br />

wenn die Eisen in der Esse erhitzt wurden, das glühende Metall in das<br />

kalte Wasser tauchte oder die Hufe der Pferde für das Beschlagen vorbereitet<br />

wurden. Und den Klang der für mich riesigen Hämmer, die im Takt auf den Amboss niederfielen,<br />

wenn abwechselnd Meister und Geselle zuschlugen, habe ich noch heute im Ohr.<br />

Den größten Teil unserer Sommerzeit verbrachten wir im Schwimmbad nahe der damaligen<br />

Hauptschule am Reissenbach. Das Betonbecken wurde durch den nahen Bach gespeist. Da es<br />

keine Filteranlage gab, musste in heißen Sommern das Wasser öfter wieder ausgelassen und das<br />

Becken neu gefüllt werden, was jeweils zu einer ein- bis zweitägigen Zwangspause bei unserer<br />

Lieblingsbeschäftigung führte. Die Einrichtung des Bades, Kabinen und Umkleideräume und die<br />

„Pritschen“ waren aus Holz, schon ein wenig verwittert und altmodisch, aber dennoch war das Bad<br />

und die Zeit, die wir dort an warmen Sommertagen verlebten, für uns das Paradies auf Erden.<br />

Die beruflichen und familiären Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Freunde von einst<br />

in viele Richtungen entflogen sind, einige weilen auch nicht mehr unter uns. Aber die Erinnerung<br />

an eine herrliche Jugendzeit in Kirchschlag lebt wohl in uns allen!<br />

Friedrich Peloschek, geb. 1953 in Wien, mehr als 25 Jahre arbeitete er unter<br />

anderem für die Weltbank in den USA. Seine Großeltern erwarben 1938<br />

den Stanghof bei Thernberg.<br />

» Bucklige Welt. Heimat eines ehemaligen Ausreißers «<br />

In meiner Jugend war ich häufig mit meinen Eltern und meiner Schwester am Stanghof, und<br />

schon früh begann ich mich für das Landleben und die bäuerliche Arbeit zu interessieren. Es gab<br />

so viele Aspekte, die mich anzogen und faszinierten. In meiner kindlichen Art schien es mir, als<br />

234 - Die „große Welt“ in der kleinen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 234 31.08.2009 14:20:14 Uhr


ob sich die Gepflogenheiten des ländlichen Lebens an der<br />

Umwelt und deren Beschaffenheit direkt inspirierten und<br />

nicht an einer mir unverständlichen Konvention, wie das<br />

meine Erfahrung in der Großstadt war. Am deutlichsten<br />

war dies an der Kleidung festzustellen. Während ich in<br />

Wien immer ein wenig das korrigierende Diktat zu hören<br />

bekam, wie man sich für einen Anlass kleidet, war dies, wie<br />

mir schien, bei den Bauern nur eine Frage der Nützlichkeit<br />

und Funktionalität.<br />

Als Zwölfjähriger, nachdem ich schon des Öfteren am<br />

Kotflügel sitzend dem Herrn Schwarz Josef sen. beim Fahren des Traktors zugesehen, ja, studiert<br />

hatte, forderte mich dieser eines Tages auf, einmal selbst den Traktor zu lenken, was ich auch tat.<br />

Es war dies ein unglaubliches Ereignis für mich, den Halbwüchsigen aus der Großstadt. Nicht nur<br />

war es ein enormes Erfolgserlebnis, sondern auch die Realisierung, dass ich bei nützlicher Arbeit<br />

dienlich sein könne. In der Folge half ich oft für den Rest meiner Schulzeit bei der Getreideernte<br />

im Juli und beim Pflügen im Herbst mit.<br />

Ich wurde mir also schon früh, wie das im Jargon der 1960er-Jahre benannt wurde, der entfremdenden<br />

Existenz in der Großstadt bewusst, und ich projizierte in die Bucklige Welt eine dem<br />

Leben viel nähere, mir natürlicher erscheinende Welt, die bisweilen große Phantasien anregte.<br />

Auch war es der Platz, an dem viele Geschichten meiner Großeltern und auch meiner Eltern beheimatet<br />

waren.<br />

Im Jahr 1979 bin ich nach Jusstudium, Gerichtsjahr, Zivildienst und einem Teil der Konzipientenzeit<br />

ins Ausland gegangen. Es war mir eigentlich egal, wohin. Ich suchte das Weite. In New<br />

York bekam ich einen Job bei einer Anwaltsfirma. Nach fast zwei Jahren bin ich nach Washington<br />

DC übersiedelt, um einen Job bei der Weltbank anzutreten. Ich reiste andauernd, wenn nicht<br />

geschäftlich so privat. Immer wieder kam in mir die Frage auf: Wo bist du eigentlich zu Hause?<br />

Während ich diese Frage eine Zeit lang dahingehend beantwortete, dass ich mir sagte: In<br />

Washington DC, aber auch in New York, oder vielleicht doch Paris, wobei meine Heimatstadt<br />

ja doch Wien war? Dieser Umgang mit dem Heimatbegriff war beeinflusst von zwei Faktoren:<br />

der Suche nach einer Heimat, die frei sei von der schwierigen geschichtlichen Problematik<br />

Österreichs und das Sich-Sehnen nach der wunderbaren Erfahrung der Vielfalt und des Unbekannten.<br />

Auch war ich damals überzeugt von der Richtigkeit eines Zitats der großen Ethnologin<br />

Margaret Mead, die meinte: Nur wenn man an mindestens drei Orten zu Hause ist, ist man frei.<br />

Derzeit lebe ich in Wien und bin so oft wie möglich am Wochenende und während der Ferien in<br />

der Buckligen Welt. Meine Familie, aber auch viele Freunde erfreuen sich an und verlangen nach<br />

Fleisch, Wurst, Apfelschaumwein und Fruchtsäften vom Stanghof und anderen Produkten aus<br />

der Palette „Sooo gut schmeckt die Bucklige Welt“.<br />

Die „große Welt“ in der kleinen - 235<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 235 31.08.2009 14:20:14 Uhr


Maria Loley, geb. 1924 in Poysdorf (Weinviertel), international ausgezeichnete<br />

Flüchtlingshelferin, aufgrund ihres Engagements 1995 Opfer einer Briefbombe,<br />

lebte zwischen 2003 und 2009 in Pitten, jetzt in Laa an der Thaya.<br />

» hier Freunde gefunden «<br />

Die Landschaft ist eine Blickrichtung, die für mich immer bedeutend<br />

ist: Wie sehe ich die Landschaft, die Heimat vieler Menschen? Und die<br />

Landschaft empfinde ich hier schön. Es hat schon eine gewisse Ähnlichkeit<br />

mit dem Weinviertel. Die vielen Hügel hier sind natürlich anders wie<br />

die Hügel im Weinviertel. Aber auch das Weinviertel ist keine Ebene. Die<br />

Bucklige Welt ist mir zur Heimat geworden. Dass ich das sagen kann, ist<br />

ein sehr tief greifender Prozess. Ich habe ja meine frühere Heimat zurückgelassen.<br />

Wichtig ist: Wo kommt mir in der Natur Offenheit entgegen, und zwar im weitesten Sinn des<br />

Wortes. Die Offenheit, wie sie hier im Winter erlebbar ist, im aufkeimenden Frühjahrsleben und<br />

im Reifen, in der Hitze des Sommers, den Ährenfeldern oder wo auch immer. Hier zum Beispiel:<br />

das Wachsen im Frühjahr, wie die Bäume sich auch im Duft verströmen, wenn es geregnet hat<br />

und wenn die Wärme nicht Hitze ist, wenn das also langsam sich heben kann. Das ist wunderschön!<br />

Weil von der Landschaft her so viel Lieblichkeit vorhanden ist, ist es hier schön zu leben.<br />

Ich hab hier auch mit den Menschen sehr positive Erfahrungen gemacht; ich hab hier Freunde<br />

gefunden. In Hochwolkersdorf beispielsweise hab ich wunderbare Menschen erlebt. Ich war zu<br />

einem Vortrag eingeladen: von einer Gruppe von Frauen, die mir sehr gefallen haben, die mir sehr<br />

sympathisch wurden. Mir kommt man hier mit viel Herz entgegen. Drum ist es schön hier.<br />

Arabella Kiesbauer, geb. 1969 in Wien, Fernsehmoderatorin und ebenso 1995 Ziel<br />

eines Briefbombenattentats. Sie besitzt ein Haus in der Buckligen Welt.<br />

» Hier lässt sich’s leben! «<br />

Die Bucklige Welt – was für ein wunderschönes Fleckchen Erde! Ich bin<br />

sehr glücklich, mit Ihnen die Freude an dieser einzigartigen Landschaft teilen<br />

zu dürfen. Im Sommer erkunde ich am liebsten mit dem Fahrrad und mit<br />

Ausdauer die sanften Hügel, genieße von den Anhöhen die weiten Ausblicke<br />

und kehre gerne in den gepflegten Landgasthöfen der Region ein. Hier lässt<br />

sich’s leben!<br />

236 - Die „große Welt“ in der kleinen<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 236 31.08.2009 14:20:15 Uhr


Danksagung<br />

Die Herausgabe der „<strong>Lebensspuren</strong> <strong>II</strong>“<br />

war wieder nur durch die ausgezeichnete<br />

Zusammenarbeit und Hilfestellung zahlreicher<br />

Institutionen und Personen möglich.<br />

Ihnen allen gilt der große Dank der<br />

beiden Herausgeber Johann Hagenhofer<br />

und Gert Dressel sowie des gesamten<br />

Buchteams.<br />

Land Niederösterreich<br />

finanzielle Unterstützung durch Mittel aus der Kulturabteilung<br />

Verein „Gemeinsame Region Bucklige Welt“<br />

Übernahme der Projektträgerschaft und organisatorische Unterstützung durch<br />

Obmann Friedrich Trimmel und Regionsbetreuer Florian Kerschbaumer<br />

Bildungs- und Heimatwerk Bucklige Welt<br />

organisatorische Unterstützung<br />

Tourismusverband Bucklige Welt<br />

finanzielle Unterstützung bei der Fotoaktion und organisatorische Hilfestellung<br />

alle 23 Gemeinden der „Gemeinsamen Region Bucklige Welt“<br />

finanzielle Unterstützung sowie organisatorische und inhaltliche Hilfestellungen (bspw. Sammlung von<br />

Fotos und lebensgeschichtlichen Texten sowie Korrektur der Interviews) durch professionelle und ehrenamtliche<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinden während des gesamten Projektverlaufs<br />

Die Gemeinden und ihre Bürgermeisterinnen und Bürgermeister:<br />

Bad Erlach: Johann Rädler, Bad Schönau: Josef Riegler, Bromberg: Franz Fahrner, Edlitz:<br />

Manfred Schuh, Grimmenstein: Engelbert Pichler, Hochneukirchen-Gschaidt: Thomas Heissenberger,<br />

Hochwolkersdorf: Traude Gruber, Hollenthon: Josef Birnbauer, Katzelsdorf: Hannelore Handler-Woltran,<br />

Danksagung - 237<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 237 31.08.2009 14:20:16 Uhr


Kirchschlag: Franz Pichler-Holzer, Krumbach: Josef Freiler, Lanzenkirchen: Rudolf Nitschmann,<br />

Lichtenegg: Franz Rennhofer, Pitten: Günter Moraw, Scheiblingkirchen-Thernberg: Karl Stangl,<br />

Schwarzau am Steinfeld: Alfred Filz, Schwarzenbach: Johann Giefing, Seebenstein: Walter Endl,<br />

Thomasberg: Engelbert Ringhofer, Walpersbach: Franz Breitsching, Warth: Michaela Walla,<br />

Wiesmath: Roland Weber, Zöbern: Johann Nagl<br />

Besonders wertvoll war die Unterstützung durch den Museums- und Bildungsverein Pitten<br />

(Elfriede Oswald), den Fremdenverkehrs- und Dorferneuerungsverein Seebenstein (Rudi Putz,<br />

Martin Ringhofer) sowie durch Herbert Swoboda (Lanzenkirchen).<br />

238 - Danksagung<br />

Universitäten Wien und Klagenfurt<br />

wissenschaftliche Betreuung durch den Verein „Dokumentation lebensgeschichtlicher<br />

Aufzeichnungen“ am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der<br />

Universität Wien unter Leitung von Günter Müller und durch das Institut für<br />

Wissenschaftskommunikation und Hochschulforschung an der IFF Wien<br />

(Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der<br />

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt).<br />

Autorinnen und Autoren lebensgeschichtlicher Erinnerungstexte<br />

Den über zweihundert Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die im Rahmen des Projekts<br />

„Erlebbare Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel“ interviewt worden sind, haben wir bereits im<br />

ersten Band der „<strong>Lebensspuren</strong>“ mit der Nennung aller Namen gedankt. Für „<strong>Lebensspuren</strong> <strong>II</strong>“ haben<br />

darüber hinaus weitere Zeitzeuginnen und Zeitzeugen oder deren Nachkommen schriftlich verfasste<br />

Lebenserinnerungen zur Verfügung gestellt. Auch wenn wir nicht alle Texte berücksichtigen konnten –<br />

allen Autorinnen und Autoren sei an dieser Stelle herzlich gedankt:<br />

Sepp Birnbauer (Hollenthon), Erika Brandstetter (Zöbern), Margaretha Brósch-Fohraheim (Pitten<br />

bzw. Wien), Magdalena Dienbauer (Thomasberg), Michael Dorner (Bad Schönau), Anna Ferner<br />

(Wiener Neustadt), Franz Fürst (Bromberg), Karl Glatz (Pitten), Anna Glier (Krumbach),<br />

Franz Grundtner (Wiesmath), Gisela Haberhofer (Hochwolkersdorf), Anna Handler (Bromberg),<br />

Johanna Handler (Bad Schönau), Anna Heissenberger (Zöbern), Karl Heissenberger (Bromberg),<br />

Wilhelmine Hinner (Wien), Alfred Höller (Lichtenegg), Erna Holzbauer (Krumbach), Johann Kögler<br />

(Hochwolkersdorf), Karl Kohlberger (Hochwolkersdorf), Josef Krenn (Bad Schönau), Karl Lackner<br />

(Hochneukirchen-Gschaidt), Margaretha Lechner (Scheiblingkirchen-Thernberg), Rudolf Manhalter<br />

(Pitten), Alois Mayerhofer (Wiesmath), Gertraud Mitterecker (Pitten), Josef Motsch (Warth),<br />

Leopold Neubauer (Schwarzau), Simon Ofenböck (Thomasberg),<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 238 31.08.2009 14:20:17 Uhr


Karl Pichelbauer (Lichtenegg), Hans Pichler (Hochwolkersdorf), Leopoldine Riegler (Scheiblingkirchen-<br />

Thernberg), Alois Sagmeister (Pitten), Herbert Schanda (Wiener Neustadt), Josef Starosta<br />

(Krumbach), Franziska Ungerböck (Hochneukirchen-Gschaidt), Johanna Waldherr (Bromberg),<br />

Josef Walli (Scheiblingkirchen-Thernberg), Josef Weninger (Hollenthon), Franz Windbacher<br />

(Seebenstein), Luise Wöhrer (Grimmenstein)<br />

Schülerinnen und Schüler<br />

Abschließend möchten wir noch allen Schülerinnen und Schülern danken, die von 2004 bis 2006<br />

an der Durchführung der Zeitzeugeninterviews maßgeblich beteiligt waren:<br />

Hauptschule Bad Erlach: Raffaela Auer, Fabian Birnbaumer, Janine Bittermann,<br />

Magdalena Braunstorfer, Felix Breitsching, Michelle Ebner, Jaqueline Eschler, Julia Filz,<br />

Christina Fochler, Christina Götzinger, Vahdeta Halilcevic, Kevin Höller, Lina Hong, Katrin Horvath,<br />

Simona Krussig, Rahel Lasselsberger, Stefanie Lechner, Pia Luger, Andreas Pichl, Patrick Pongratz,<br />

Daniela Putz, Jan Rohorzka, Pamela Ruschil, Tanja Schrammel, Patrick Sonnleitner, Melanie Stockerer,<br />

Sandra Stulik, Christina Szokolszky, Sabrina Thonhauser, Manuel Tschauner, Ferdinand Voitl,<br />

Jaqueline Wagner, Sonja Weisse, Thomas Windbichler, Dominik Zottl, Marlene Zottl<br />

Hauptschule Edlitz: Andrea Crnjak, Daniel Csank, Denise Gallista, Romana Gremmel,<br />

Bernhard Hlavka, Angelika Höller, Thomas Lurger, Bettina Prenner, Bianca Rosenberger,<br />

Lisa-Marie Schrammel, Sandra Wiesbauer, Caroline Wöhrer, Daniela Zax<br />

Hauptschule Hochneukirchen: Rene Beiglböck, Katharina Edelhofer, Carmen Fasching,<br />

Dietmar Kager, Katrin Kager, Stephanie Koder, Christian Leitner, Vanessa Prandstätter,<br />

Christoph Ringhofer, Kevin Schabauer, Thomas Trenker, Christoph Ungerböck<br />

Klemens Maria Hofbauer Gymnasium Katzelsdorf: Marina Buchberger, Alexander Graf,<br />

Klara Heidenwolf, Anita Lesjak, Nikolaus List, Philipp Lizzi, Peter Mossig, Barbara Ortner, Teresa Posch,<br />

Dominik Splitek, Maxi Wanzenböck, Stefan Wappel<br />

Hauptschule Kirchschlag: Stefanie Dorner, Elisabeth Heissenberger, Raphael Konlechner,<br />

Elisabeth Morth, Nicolas Pratscher, Lisa Schwarz, David Wieser, Frederic Wieser<br />

Hauptschule Krumbach: Christoph Bauer, Antonia Buchegger, Michael Fassl, Daniel Flasch,<br />

Dominik Flasch, Patrick Grabensteiner, Iris Handler, Walter Hanke, Birgit Heissenberger,<br />

Manuel Heissenberger, Julia Kager, Manuel Kager, Christian Koder, Gerald Kölbel, Florian Knorr,<br />

Thomas Kornfeld, Magdalena Lackner, David Mandl, Kevin Markon, Melanie Pichelbauer,<br />

Danksagung - 239<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 239 31.08.2009 14:20:17 Uhr


Lisa Maria Pürrer, Magdalena Ringhofer, Kerstin Schützenhofer, Christoph Schuh, Patrick Steinreiber,<br />

Sandra Straßgütl, Ines Trenker, Christian Uterlutsch<br />

Hauptschule Lanzenkirchen: Marion Auinger, Lisa Birnbaumer, Elisabeth Dorfstetter, Stefanie Ecker,<br />

Hans-Peter Ernst, Sabrina Flatischler, Florian Fries, Marie-Christin Muster,<br />

Julia Nitschmann, Carina Rohmeis, Andrea Scherz, Melanie Schwarz, Sebastian Steiner, Lisa Wistermayer<br />

Hauptschule Lichtenegg: Stefan Bachhofner, Viviane Beier, Theresa Buchegger,<br />

Roman Dienbauer, Daniela Dopler, Johanna Fasching, Johannes Fritz, Martina Fuchs, Marion Fuchs,<br />

Bernadette Gradwohl, Tanja Grill, Julia Grundtner, Lukas Hafenscher, Christian Handler,<br />

Manuela Handler, Silvia Handler, Michael Höller, Markus Kamper, Josef Kornfell, Carmen Lechner,<br />

Isabella Lechner, Lucas Lechner, Michaela Mandl, Josef Pichler, Elisabeth Piribauer,<br />

Magdalena Piribauer, Manuel Sanz, Simon Schiefer, Roman Schuster, Claudia Schwarz, Petra Stangl,<br />

Alexandra Strobl, Rene Tyraj, Jennifer Ungermann, Verena Vollnhofer, Lukas Wagner, Bianca Waldherr,<br />

Patrick Wojtanowicz<br />

Hauptschule Scheiblingkirchen: Matthias Flonner, Christiane Geisl, Patrick Gneist, Kerstin Haller,<br />

Silvia Heuer, Jürgen Höllwieser, Bernd Kögler, Christoph Lechner, Theresa Lechner, Elisabeth Lindner,<br />

Kathrin Panis, Steffi Polgar, Robert Pölzlbauer, Robert Ponweiser, Viktoria Ponweiser, Tanja Pürrer,<br />

Daniel Rehbichler, Raphael Schandl, Judith Schmied, Martin Schrammel, Harald Schwarz, Josef Schwarz,<br />

Kristof Steinbrecher, Patrick Stocker, Patrick Stoffel, Doris Trimmel, Mario Trimmel, Viktoria Waldherr,<br />

Claudia Wöhrer<br />

Hauptschule Wiesmath: Katrin Bauer, Greta Beisteiner, Daniela Birkl, Ines Dutter,<br />

Stefanie Eisinger, Elisabeth Fellner, Jennifer Gallei, Katrin Giefing, Tina Gneist, Bianca Grill,<br />

Corinna Gruber, Jasmin Gubala, Elisa Handler, Elisabeth Hofleitner-Bartmann,<br />

Judith Hofleitner-Bartmann, Martin Hofleitner-Bartmann, Bianca Kabinger, Lisa Karner,<br />

Nicole Katzgraber, Lisa Kleinrad, Ines Kögler, Ria Mössner, Jasmin Neumüller, Barbara Puchegger,<br />

Julia Roschitz, Claudia Rosenkranz, Simone Schrammel, Verena Schrammel, Daniela Schwarz,<br />

Lena Schwarzl, Denise Steiner, Julia Steiner<br />

Hauptschule Zöbern: Carina Brandstetter, Kerstin Grabner, Jennifer Gräf, Michael Gräf,<br />

Bianca Handler, Eva Kranawetter, Lisa Petz, Lukas Spitzer, Tamara Wachabauer<br />

240 - Danksagung<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 240 31.08.2009 14:20:17 Uhr

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!