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Lebensspuren II

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aber noch viel größer war die Angst, dass mich jemand verschleppen könnte. Schweren Herzens<br />

brachte mich mein Vater wieder zur Grenze und redete mir ins Gewissen, dass ich wieder zurück<br />

zu meinen Freunden gehen sollte. Zu fünft machten wir uns auf den weiten Weg nach Wien, teilweise<br />

zu Fuß, teilweise konnten wir bei jemandem mitfahren. In Wien angekommen konnte ich<br />

für ein paar Wochen bei meiner Verwandten unterkommen. Ihr Ehemann duldete mich allerdings<br />

nicht länger, und daher musste ich mir wieder etwas Neues suchen.<br />

Von meinem Schulkollegen erfuhr ich, dass in der Buckligen Welt Arbeitskräfte gesucht wurden.<br />

Zuerst bin ich beim Traint in Hosien in Dienst gekommen. Zu dieser Zeit fand in Unterhaus eine<br />

Unterhaltung statt, und dort habe ich meinen Ehemann Heinrich zum ersten Mal getroffen. Er<br />

war ein gut aussehender, junger Mann und hat mich damals zum Tanzen aufgefordert, obwohl<br />

weder er noch ich tanzen konnten. Heinrich meinte auch, dass ich nicht in Hosien bleiben sollte.<br />

Er wusste, dass der Strobl in Buchegg (Kager), einer der größten Bauern in der Gegend, Arbeiter<br />

suchte. Für die nächsten dreieinhalb Jahre musste ich sehr hart arbeiten – größtenteils Feld- und<br />

Waldarbeit, denn in der Küche wollte mich die Bäuerin nicht sehen. Eines muss ich dem Bauern<br />

zugute halten: Hunger musste ich keinen leiden.<br />

Heinrich war zu dieser Zeit beim Bucher (Heinrich Binder) in Buchegg Knecht, und aus diesem<br />

Grund konnten wir uns oft treffen. 1948 wurde ich mit meiner ersten Tochter schwanger. Der<br />

Strobl wollte allerdings nicht, dass ich mein Kind bei ihnen auf dem Hof bekomme. Gott sei Dank<br />

hat mich Heinrichs Tante aufgenommen – Frau Leitner aus der Sägemühle. Sie war eine herzensgute<br />

Frau, und ich werde ihr nie vergessen, was sie damals für mich getan hat. Nach zwei Monaten<br />

war es für mich wieder an der Zeit zu arbeiten. So kam ich wieder zum Strobl auf den Hof. Dort<br />

hielt ich es allerdings nicht mehr länger aus, und der Bucher (Glier) beschloss, mich endgültig zu<br />

ihnen auf den Hof zu holen.<br />

Mittlerweile waren sieben Jahre vergangen, dass ich meine Familie zum letzten Mal gesehen,<br />

geschweige denn, etwas von ihnen gehört hatte. Was ich zu dieser Zeit nicht wusste: Meine Eltern<br />

hatten mich bereits seit längerem über das Rote Kreuz gesucht. Für mich war es praktisch<br />

unmöglich, sie ausfindig zu machen, da sie ein gutes halbes Jahr nach mir aus der Tschechoslowakei<br />

nach Deutschland vertrieben worden waren. Unsere Hochzeit war im Jahr 1952, und nur<br />

ein paar Wochen vorher hatten mich meine Eltern gefunden. Sie waren von Baden-Württemberg<br />

in die Bucklige Welt gekommen, nur aufgrund einer Vermutung des Roten Kreuzes. In St. Corona<br />

feierten wir nun im Beisein meiner Eltern Hochzeit. Anstelle einer Kutsche oder eines schönen<br />

Autos, wie es heute üblich ist, fuhren wir mit einem Viehwagen von Krumbach nach St. Corona in<br />

die Kirche. Einige Zeit nach meiner Hochzeit fuhren wir mit dem Zug nach Deutschland, wo ich<br />

endlich nach sieben Jahren meine inzwischen erwachsenen Geschwister wiedersah.<br />

Fremde – in der Fremde - Arbeitswelten - 121<br />

BuchRegionsbuch<strong>II</strong>.indb 121 31.08.2009 14:18:23 Uhr

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