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ALL YOU NEED IS LEAN - der f&e manager

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INHALT TITEL<br />

01/2011<br />

Audi A1 e-tron: Antriebsstrang Audi Q5 hybrid quattro ® : Antriebsstrang<br />

<strong>ALL</strong> <strong>YOU</strong> <strong>NEED</strong> <strong>IS</strong> <strong>LEAN</strong><br />

Vorsprung durch Lean Development?<br />

Andreas Suchowski, KVP-Projektleiter TE bei <strong>der</strong> AUDI AG, ist einer <strong>der</strong> Experten, die<br />

in deutschen Unternehmen einem Virus auf <strong>der</strong> Spur sind: Verschwendung. Und die ein<br />

Gegenmittel anwenden: KVP. Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess ist eine <strong>der</strong><br />

Methoden hinter <strong>der</strong> Philosophie Lean Development. Ein Blick auf die Umsetzungsmöglichkeiten<br />

in <strong>der</strong> Entwicklung und das Hinterfragen nach <strong>der</strong> Messbarkeit von Ergebnissen,<br />

die auf einer Philosophie basieren.<br />

DER F&E MANAGER: Wer war bei Audi <strong>der</strong> Initiator<br />

für den Lean-Development-Ansatz? Aus welchem<br />

Ressort kam er?<br />

Andreas Suchowski: Den Anfang machte Willibert<br />

Schleuter*. Er hat schon 1996 zu Beginn seiner<br />

Audi-Karriere die Herausfor<strong>der</strong>ung erkannt: Hohe<br />

Qualität vor Kunde und zunehmende Komplexität<br />

<strong>der</strong> Produkte in immer kürzerer Zeit zu marktgängigen<br />

Produkten zu entwickeln. Das führte zu einem<br />

„Change-Prozess“ beginnend im Bereich Elektrik<br />

und Elektronik: Mit Lean Production in <strong>der</strong><br />

14 DER F&E MANAGER 01/2011<br />

Produktion und Lean Development in <strong>der</strong> Entwicklung<br />

entsteht eine Prozesskettenoptimierung entlang<br />

<strong>der</strong> Wertschöpfung im ganzen Unternehmen.<br />

Zwischen den Betroffenen <strong>der</strong> Produktion und <strong>der</strong><br />

Entwicklung entstanden Partnerschaften, die sich<br />

*In Branchenkreisen auch „Der Vernetzer“ genannt. Dr. Schleuter leitete<br />

bei Audi von 1996 bis 2008 die Elektrik/Elektronikentwicklung. Außerdem<br />

ist er Autor des Buches: „Die sieben Irrtümer des Change Managements<br />

und wie Sie sie vermeiden“. Erschienen im Campus Verlag. Das DER F&E<br />

MANAGER Interview mit Dr. Willibert Schleuter finden Sie in unserer<br />

Ausgabe 03/2007.<br />

im Prozessgebäude „Elektronikcenter“ <strong>der</strong> Technischen<br />

Entwicklung wi<strong>der</strong>spiegeln.<br />

Grundlegend war auch <strong>der</strong> Schlüsselerfolg 2005<br />

durch das Vorgehen des damaligen Produktionsvorstandes<br />

Prof. Dr. Jochem Heizmann. Er hatte<br />

sich und seiner Mannschaft die Produktionsabläufe<br />

visualisiert darstellen lassen: Was kommt aus <strong>der</strong><br />

Entwicklung wann in <strong>der</strong> Produktion an und wann<br />

wird es tatsächlich eingesetzt? Dazu ließ er sich<br />

ein Auto in <strong>der</strong> Baustufe 1 aufbauen, dann in <strong>der</strong><br />

Baustufe 2 usw. Es wurde klar: Die Abweichungen<br />

<strong>der</strong> ersten und letzten rausgehenden Produkte und<br />

ihr Zeitpunkt <strong>der</strong> tatsächlichen Verwendung waren<br />

sehr groß.<br />

Hinzu kam 2005 eine aufschlussreiche Studie des<br />

Harvard Business Managers heraus: Wie lange dauert<br />

die Montage eines Fahrzeuges von seinen Einzelteilen<br />

bis zu einem Ganzen?<br />

Für Besucher <strong>der</strong> Audi-Webseite ist erkennbar, was<br />

sich unter dem Begriff Lean Production bei Audi<br />

partiell tut. Denn da tauchen z. B. zwei Informationen<br />

über den 2009 und 2010 an Audi verliehenen<br />

Lean Production Award auf. Aber was ist für Audi<br />

Lean Development?<br />

Lean Development hart abzugrenzen, wäre ein fataler<br />

Fehler. Lean Development bedeutet den Faktor<br />

> INHALT 01/2011 > TITEL<br />

Mensch in <strong>der</strong> Entwicklung in den Fokus zu rücken.<br />

Produktentwicklung ist so komplex, dass dies<br />

nur in einer vernetzten Struktur möglich ist. Lean<br />

Development gestaltet diese vernetzte Struktur verschwendungsarm.<br />

Der Mitarbeiter muss die Erfolge <strong>der</strong> Prozessverbesserung<br />

spüren: Freude an <strong>der</strong> Arbeit ist hier nicht<br />

mehr nur eine Floskel. Autonome Arbeitsgruppen<br />

sowie das fachbereichsübergreifende Zusammenarbeiten<br />

brauchen gute Teams: Der Mensch steht<br />

im Mittelpunkt, um schlanke Entwicklungsprozesse<br />

umsetzen zu können. Schlank heißt: von <strong>der</strong> Idee<br />

bis zur Realisierung mit vernetzten Strukturen und<br />

kurzen Informationswegen zu arbeiten.<br />

Wertorientierung, Synchronisation, Transparenz<br />

und Perfektion sind die klassischen aus <strong>der</strong> Produktion<br />

abgeleiteten Lean-Säulen. Der Fokus in<br />

<strong>der</strong> Produktion ist die Wie<strong>der</strong>holhäufigkeit: Das<br />

Produkt aus vielzahligen Bausteinen durch standardisierte<br />

Produktionsabläufe qualitätsgerecht vor<br />

Kunde auf den Markt zu bringen.<br />

In <strong>der</strong> TE gibt es eine zusätzliche Säule, die Kreativität:<br />

Der Faktor Mensch ist in <strong>der</strong> Lage, komplexe<br />

Produkte zu einem Ganzen zu entwickeln. Diese<br />

Grundlagen wurden von unserem TE-Vorstand<br />

Michael Dick in unsere TE-Strategie „TE ohne<br />

Grenzen“ integriert.<br />

DER F&E MANAGER 01/ 2011 15


TITEL<br />

Was ist neu daran?<br />

Die Philosophie Lean selbst ist in dem Sinne nicht<br />

neu. Neu ist die Bewusstseinsschärfung des Einzelnen<br />

und <strong>der</strong> Führungspersonen. Wie gestalte ich<br />

Prozesse und integriere dabei die Mitarbeiter?<br />

Das, was es früher unter dem Begriff KVP 2 (KVP<br />

Quadrat) und CIP (Continous Improvement Process)<br />

gab, war noch keine Garantie dafür, dass die<br />

Mitarbeiter richtig informiert wurden. Man hat sie<br />

Auslöser jedes<br />

Verbesserungsprozesses: Mängel<br />

mit ihren Sorgen alleine gelassen und mit dem Cost<br />

Cutting konfrontiert. Keiner wagte auf Mängel aufmerksam<br />

zu machen – aus Angst um den Job. Vor<br />

wenigen Jahren gab es dann aber die Gegenentwicklung:<br />

Die Verantwortung des Unternehmens,<br />

ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und das entsprechende<br />

Umfeld zu schaffen. Dazu gehört − die<br />

Thematik Lean betreffend −, Arbeitsprozesse zu<br />

schaffen, die nicht störend o<strong>der</strong> behin<strong>der</strong>nd sind.<br />

Hinzu kommt die Kunst <strong>der</strong> Führungskraft: Ein<br />

offenes Ohr für die Sorgen und Nöte <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

zu haben und Prozesse zu verbessern. Das<br />

ist – wenn nicht neu – so doch eine neue Bewusstseinsschärfung.<br />

Fachbereiche <strong>der</strong> TE<br />

Beschreiben Sie doch bitte das erwähnte erste Pilotprojekt,<br />

das durch Qualitätsprobleme eine Schlüsselrolle<br />

in <strong>der</strong> weiteren Entwicklung spielte.<br />

Durch Dr. Schleuter wurde <strong>der</strong> Grundgedanke<br />

Change in die Umsetzung gebracht, dass ein neuer<br />

Prozess die Unterstützung aller Führungskräfte<br />

braucht und nicht nebenbei erledigt werden kann.<br />

Denn Prozesse fachbereichsübergreifend zu gestalten,<br />

verlangt nach Führungskräften mit ganzheitlichem<br />

Denken und Handeln. Er hat unter den<br />

Führungskräften sogenannte Change-Agenten freigesetzt<br />

und z. B. die Entwicklung des neuen Multimediasystems<br />

für Audi als Pilotprojekt laufen lassen.<br />

2006 beauftragte Michael Dick, <strong>der</strong> heutige TE-<br />

Vorstand, eine TE-eigene KVP-Organisation. Die<br />

ihm direkt zugeordnete Stabsstelle entwickelt übergreifend<br />

den KVP-Prozess in <strong>der</strong> TE und fasst die<br />

Projektleiter zusammen. Es wurden drei Schlüsselpilotprojekte<br />

ausgewählt, um Lerneffekte systematisch<br />

in <strong>der</strong> TE zu verteilen. Ich betreue den<br />

Bereich Entwicklung Aggregate. Die Frage, die wir<br />

uns stellten, war: Was müssen wir verän<strong>der</strong>n, um<br />

die Komplexität <strong>der</strong> Motorsteuergeräte besser zu<br />

beherrschen? Zum Beispiel: Wie kann ich mich vom<br />

Übermaß <strong>der</strong> Variantenvielfalt trennen?<br />

Wie viele KVP-Stabsstellen gibt es in <strong>der</strong> Entwicklung<br />

bei Audi?<br />

KVP wird in allen zwölf Fachbereichen <strong>der</strong> Technischen<br />

Entwicklung angewandt. Wir haben regel-<br />

Aufbau <strong>der</strong> KVP-Organisation<br />

mäßige Führungskräfterunden, in denen je<strong>der</strong><br />

Fachbereich vertreten ist. Betrachtet werden fachbereichsübergreifende<br />

Probleme in <strong>der</strong> Prozesskette.<br />

Dadurch, dass wir als KVP-Stabsstelle eine neutrale<br />

Instanz darstellen, haben wir einen Vertrauensbonus.<br />

Da sich in einer guten Unternehmenskultur nicht<br />

ein Fachbereich beim an<strong>der</strong>en über z. B. Nachbesserungen<br />

beschweren kann, geht das über uns und<br />

gleichzeitig wird analysiert, ob und wie <strong>der</strong> Prozess<br />

verbessert werden kann. Wir sind die Integratoren.<br />

Welche organisatorische Voraussetzung muss gegeben<br />

sein, um diese Struktur produktiv leben zu können?<br />

Man braucht im Grunde eine Projektorganisation.<br />

Jedes KVP-Projekt läuft ungefähr so wie ein klas-<br />

Verbesserung:<br />

Ein nie enden<strong>der</strong> Prozess<br />

sisches Projekt ab − nur mit an<strong>der</strong>en Teilnehmern.<br />

Aus den TE-Fachbereichen wurden die KVP-Projektleiter<br />

in unsere Organisationseinheit entsandt. Wir<br />

sind momentan ein Team von fünf KVP-Projektleitern<br />

und betreuen alle zwölf Entwicklungsbereiche. Auf<br />

<strong>der</strong> zweiten Berichtsebene wird das Lenkungsteam<br />

zusammengestellt. Auf <strong>der</strong> dritten Berichtsebene<br />

16 DER F&E MANAGER 01/2011 DER F&E MANAGER 01/ 2011 17<br />

> TITEL<br />

binden wir alle KVP-Teammitglie<strong>der</strong> ein. KVP ist<br />

eine Führungsaufgabe. Deswegen kommen alle Führungskräfte<br />

während <strong>der</strong> KVP-Projektarbeit an einen<br />

Tisch, um Probleme nachhaltig abzustellen. Die Projektleiter<br />

hören erst zu, dann erst wird analysiert und<br />

das Problem systematisiert. Der Untersuchungsbereich<br />

wird abgegrenzt, um mit kleinen Schritten <strong>der</strong><br />

Verbesserung das Problem zu lösen.<br />

Ein Prozessproblem? Sind Aufgaben, Kompetenzen<br />

und Verantwortungen in <strong>der</strong> Prozesskette unklar?<br />

Müssen Übergaben von einem Fachbereich zum<br />

an<strong>der</strong>en verbessert werden? O<strong>der</strong> wir klären Probleme<br />

an <strong>der</strong> Basis, im Werkstattbereich, also am<br />

Ort <strong>der</strong> Wertschöpfung. Dieser Erkenntnisprozess<br />

mit strategischer Bedeutung wird transferiert zum<br />

Lenkungsteam. Im KVP-Team stellt <strong>der</strong> fachverantwortliche<br />

Projektleiter die Nachhaltigkeit <strong>der</strong><br />

Verbesserungsaktivitäten sicher.<br />

Wie gestaltet sich die Schnittstelle Lean Production<br />

und Lean Development?<br />

Die Tätigkeiten <strong>der</strong> TE-KVP-Projektleiter gibt es<br />

entsprechend auch in <strong>der</strong> Produktion. Wir haben<br />

einen direkten Kontakt zueinan<strong>der</strong>. Kollegen, welche<br />

in <strong>der</strong> Produktion Arten von Verschwendung<br />

z. B. am Band ausmachen und erkennen, dass es<br />

sich um Probleme zur Schnittstelle TE handelt, integrieren<br />

uns. Es findet innerhalb <strong>der</strong> KVP-Projekte


TITEL<br />

<strong>der</strong> Produktion und <strong>der</strong> TE ein Austausch über die<br />

aktuellen Prozessverbesserungen statt. Mit dem<br />

Ziel, das jeweilige Expertenwissen zu integrieren<br />

und lösungsorientiert umzusetzen.<br />

Expertenwissen wird an je<strong>der</strong> Schnittstelle<br />

integriert.<br />

Findet dieser Prozess standortübergreifend statt?<br />

Sicherlich. Ich betreue z. B. Ingolstadt, Neckarsulm<br />

und Györ in Ungarn.<br />

In Ingolstadt habe ich natürlich räumlich gesehen<br />

den kürzesten Weg. Mein Kollege<br />

in <strong>der</strong> Produktion ist ebenfalls in<br />

Ingolstadt. Natürlich erleichtert<br />

Audi<br />

das unsere Interaktion. Standortübergreifend<br />

gilt jedoch auch das<br />

Proze<strong>der</strong>e unserer Pilotprojekte.<br />

Ist ein Pilotprojekt erfolgreich am<br />

Laufen, dann leiten sich daraus<br />

die weiteren Vorgehensschritte<br />

für die Folgeprojekte ab.<br />

Wie lange dauern Pilotprojekte?<br />

Das lässt sich zeitlich nicht beantworten.<br />

Jedes Projekt benötigt<br />

eine an<strong>der</strong>e Dauer zur nachhaltigen<br />

Sicherung <strong>der</strong> Prozessverbesserung.<br />

Bevor es KVP in <strong>der</strong> Entwicklung<br />

gab: Wie viele Entwickler haben<br />

zuvor an <strong>der</strong> Prozessverbesserung<br />

gearbeitet? Wie viele sind es heute?<br />

Wir wollen keine große Einheit von „Inhouse-<br />

Beratern“ in <strong>der</strong> TE aufbauen. Wir sind in <strong>der</strong> Entwicklung<br />

zu fünft. Das funktioniert aufgrund <strong>der</strong><br />

gelebten Vernetzung. Unser Fundus an hinter uns<br />

stehenden Teammitglie<strong>der</strong>n, Multiplikatoren, ist<br />

groß. Vor dieser Zeit <strong>der</strong> etablierten Vernetzung<br />

lässt sich die Mitarbeiterzahl im Dienste des KVP<br />

nicht klar benennen.<br />

Und Sie werden vom Management gestützt?<br />

Auf jeden Fall. Mit unserem TE-Vorstand Michael<br />

Dick treffen wir uns vier mal im Jahr zur Projektabstimmung<br />

und zum Erfahrungsaustausch über den<br />

Stand <strong>der</strong> laufenden KVP-Projekte.<br />

wurde 1909 unter dem Namen August Horch Automobilwerke GmbH in<br />

Zwickau gegründet. Der Automobilhersteller baute u. a. den ersten Pkw mit<br />

Linkslenkung und Mittelschaltung, entwickelte den permanenten Allradantrieb<br />

und präsentierte das erste Großserienfahrzeug mit Aluminiumkarosserie.<br />

Zurzeit wird bei Audi an <strong>der</strong> Entwicklung eines Elektroautos gearbeitet. Im<br />

Jahr 2012 soll <strong>der</strong> e-tron in einer Kleinserie produziert werden. Der Audi Q5<br />

Hybrid wurde 2010 vorgestellt.<br />

Die AUDI AG verkaufte 2010 über 1.092.400 Automobile. Zum positiven<br />

Absatz trug neben den hohen Steigerungsraten bei den Modellen Audi<br />

Q5, A3, A4, A5 und A6 auch das Rekor<strong>der</strong>gebnis in China bei. Im „zweiten<br />

Heimatmarkt“ von Audi verkaufte die Marke mit den vier Ringen 2010 mit<br />

227.900 Automobilen 43,4 Prozent mehr Automobile als im Jahr zuvor. Noch<br />

liegt Deutschland mit 229.100 Fahrzeugen in <strong>der</strong> Absatzstatistik vor China.<br />

Eingesetzter Forschungs- und Entwicklungsaufwand 2009: 2.050 Mio. Euro.<br />

2008 belief sich <strong>der</strong> Etat auf 2.161 Mio. Euro.<br />

Hinzu kommt <strong>der</strong> jährliche KVP-Marktplatz: Prozessbeteiligte<br />

demonstrieren dem Entwicklungs- und<br />

dem Produktionsvorstand sowie dem Finanz- und<br />

Personalvorstand die tatsächlichen Prozessverbesserungen.<br />

Das schafft Begeisterung und eine fundamentale<br />

Wertschätzung <strong>der</strong> eigenen Arbeit. Als ich<br />

kürzlich mit dem TE-Vorstand in dem neuen Getriebeemissionszentrum<br />

war, um zu zeigen, welche Verbesserungen<br />

wir dort gemeinsam erreicht haben, war<br />

diese Aufmerksamkeit z. B. für den Mitarbeiter, <strong>der</strong><br />

täglich mit dem Warenumschlag zu tun hat, eine<br />

spürbare Wertschätzung seiner Leistung, <strong>der</strong> Prozessverbesserung,<br />

die er selbst mitgestaltet hat.<br />

Haben diese eingeführten Strukturen zu Beginn zunächst<br />

für Unmut und Wi<strong>der</strong>willen gegenüber den<br />

Verän<strong>der</strong>ungen gesorgt?<br />

Je<strong>der</strong> Mitarbeiter kennt das Stadium des sich Wohlfühlens<br />

durch das Beherrschen seines Arbeitsumfeldes.<br />

Das ist gut, sorgt aber auch für eine gewisse<br />

Verän<strong>der</strong>ungsresistenz. Man ist in dieser Phase nicht<br />

experimentierfreudig. Das unsichere Terrain sorgt<br />

selten für Wohlbefinden. Jedoch muss sich das<br />

Der mitdenkende Mitarbeiter: wertvoll<br />

und unverzichtbar<br />

Unternehmen ständig an sich verän<strong>der</strong>nde Marktgegebenheiten<br />

anpassen und ihnen sogar bestenfalls<br />

voraus sein. Wie unser Slogan: Vorsprung durch<br />

Technik. In <strong>der</strong> permanenten Verän<strong>der</strong>ung ist also<br />

gegenseitige Unterstützung notwendig.<br />

Das ist eine Sensibilisierung, welche nicht von alleine<br />

18 DER F&E MANAGER 01/2011 DER F&E MANAGER 01/ 2011 19<br />

> TITEL<br />

kommt. Das bedarf immer auch <strong>der</strong> Pro-Mitarbeiter-<br />

Haltung und Kommunikation <strong>der</strong> Führungskräfte.<br />

Können Sie wirklich neue Methoden und Werkzeuge<br />

<strong>der</strong> KVP-Projektleiter benennen?<br />

Wir haben einen Methodenkoffer. Auch dieser ist<br />

nicht neu. Mit diesem gehen wir nur an<strong>der</strong>s um als<br />

früher. Die Aufgabe besteht darin, zu wissen, was es<br />

gibt, und die jeweilige Methode zu kanalisieren, um<br />

Verschwendung zu reduzieren bzw. zu eliminieren.<br />

Die KVP-Organisationseinheit hat die Aufgabe, <strong>der</strong><br />

Schlüssel zum Erfolg zu sein. Ohne KVP-Projektleiter<br />

würde sich dieser ganze Prozess nur mühselig selbst<br />

o<strong>der</strong> im schlimmsten Falle gar nicht entwickeln.<br />

Denn es gibt keinen Raum für systematisch, geregelte<br />

Prozessverbesserung neben dem Tagesgeschäft.<br />

Der KVP-Projektleiter schafft diesen Freiraum durch<br />

Regeltermine und strukturierte Abläufe, das ist neu.<br />

Was hat sich konkret seit <strong>der</strong> Einführung dieser<br />

KVP-Strukturen im PEP (Produktentstehungsprozess)<br />

geän<strong>der</strong>t?<br />

Die Eigenschaften eines Fahrzeuges auf Funktionen<br />

runterzubrechen, diese Funktionen dezentral über<br />

verschiedene Fachbereiche aufzuteilen und über<br />

Methoden wie HIL (Hardware in the Loop) wie<strong>der</strong><br />

zusammenzuführen, sodass zum SOP (Start Of Production)<br />

eines Fahrzeugmodells die gewünschten Eigenschaften<br />

erzielt werden. Diese virtuelle Kette ist in den<br />

Fokus <strong>der</strong> Beobachtung gerückt, um die Beherrschbarkeit<br />

<strong>der</strong> Komplexität abzusichern. Also im PEP:<br />

Wie kommt man von den Eigenschaften eines neuen<br />

Fahrzeugmodells über dezentrale Funktionen über die<br />

Fachbereiche wie<strong>der</strong> zurück zur Erprobung bis hin zur<br />

Freigabe? Es ist das bewusste Durchleben des PEP.


TITEL > TITEL<br />

Andreas Suchowski<br />

absolvierte 1987 das Studium <strong>der</strong> Fahrzeugtechnik als Dipl.-Ing. (FH). Danach<br />

war er im Bereich <strong>der</strong> Aggregate-Elektronik-Applikation bei <strong>der</strong> Robert Bosch<br />

GmbH über ein Jahrzehnt lang tätig. Seine berufsbegleitende Ausbildung<br />

zum Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) beendete er 1994 mit seiner Diplomarbeit „Höhere<br />

Produktivität in <strong>der</strong> Automobilzulieferindustrie durch Lean Development.“<br />

1999 setzt sich die berufliche Laufbahn bei <strong>der</strong> AUDI AG Ingolstadt fort: In<br />

<strong>der</strong> Technischen Entwicklung verantwortete Andreas Suchowski verschiedene<br />

Leitungsfunktionen mit Linien- und Projektaufgaben. Folgende Themenkomplexe<br />

standen dabei im Vor<strong>der</strong>grund: Applikation von Motor- und Fahrzeugfunktionen,<br />

Komponentenentwicklung (Mechatronik) und Lean Development. In <strong>der</strong> heutigen Funktion als KVP-Projektleiter<br />

TE treibt er das Change Management in <strong>der</strong> „Prozesskette Aggregate“ und zeichnet dort verantwortlich für die Verschlankung<br />

des Entwicklungsprozesses entlang <strong>der</strong> Wertschöpfungskette.<br />

Können Sie das in den vergangenen vier bis fünf<br />

Jahren erreichte Potenzial beziffern?<br />

In dem Maße, in dem man das Entwicklungsbudget<br />

in Relation zu den entwickelten Produkten betrachtet:<br />

Die Prozesse wirken sich auf ein TE-Budget<br />

positiv aus.<br />

Der Mitarbeiter, <strong>der</strong> bisher seine Arbeit in einer<br />

bestimmten Zeiteinheit erledigt hat, braucht jetzt −<br />

durch geringere Wartezeiten und Vermeidung von<br />

Doppelarbeit − weniger Zeit. Das ist messbar. Das<br />

lässt sich in finanzmathematische Größen transferieren.<br />

Darüber hinaus gibt es etwas, das lässt sich<br />

nicht beziffern: vermiedene Mehraufwendungen.<br />

Vermiedene Mehraufwendungen<br />

sind nicht messbar<br />

Wenn das Unternehmen in <strong>der</strong> Lage ist, die Produktions-<br />

und Absatzzahlen sowie den Umsatz zu<br />

steigern, dann lassen sich dahinter sinnvolle Prozessverbesserungen<br />

erkennen.<br />

Wie misst Audi Verschwendung in <strong>der</strong> TE? Wie beherrscht<br />

Audi die Verschwendungsanalyse in <strong>der</strong> TE?<br />

Wir haben in den Standorten Ingolstadt, Neckarsulm<br />

und Györ in <strong>der</strong> TE zirka 6.000 Mitarbeiter. Wie messen<br />

wir also Verschwendung?<br />

Verschwendung wird nicht zwangsläufig in Zahlen<br />

gemessen, son<strong>der</strong>n anhand <strong>der</strong> persönlichen Beobachtung<br />

und Analyse entlang <strong>der</strong> Wertschöpfungskette<br />

über Fachbereichsgrenzen hinweg. Wichtig ist: Der<br />

betroffene Mitarbeiter muss eine Prozessverbesserung<br />

auch als solche wahrnehmen.<br />

Unsere große Entwicklermannschaft muss zunächst<br />

das Vertrauen haben, dass wir bei Prozessverbesserungen<br />

nicht Arbeitszeitmodelle und REFA (Methodenlehre<br />

zu Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und<br />

Unternehmensentwicklung) im Sinn haben, son<strong>der</strong>n<br />

konstruktive Hilfe leisten, um die Arbeit zielgerecht<br />

zu gestalten. Es wird ein Team gebildet, das sich von<br />

<strong>der</strong> Ausgangssituation zur Zielsetzung bewegt und<br />

den Untersuchungsbereich klar abgegrenzt. Der Prozess,<br />

welcher das Problem beinhaltet, wird aktiv für<br />

ein bis zwei Tage o<strong>der</strong> auch für eine Woche durchlebt<br />

und dann die Verbesserungsarbeit gestartet. Diese<br />

Maßnahmen werden anschließend den Führungskräften<br />

vom Untersuchungsbereich vorgestellt. Handelt<br />

es sich um langfristige Maßnahmen, ist nicht nur die<br />

Unterstützung, son<strong>der</strong>n auch die Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> Führungskräfte und Mitarbeitern gefragt.<br />

Ist es durch das Kennzahlensystem möglich, gezielt<br />

auf Verschwendung einzugehen?<br />

Die Basis aller Kennzahlen sind: Zeit, Kosten und<br />

Qualität. Doch im KVP sind Kennzahlen Mittel zum<br />

Zweck. Denn darüber hinaus muss in <strong>der</strong> TE für alle<br />

Prozessbeteiligten eine Nachhaltigkeit sichergestellt<br />

werden. Beim KVP-Projektabschluss übergebe ich<br />

<strong>der</strong> Führungskraft eine Kennzahl, um schneller auf<br />

das Nichteinhalten <strong>der</strong> Prozessverbesserung reagieren<br />

zu können. Doch ich möchte es noch einmal<br />

ansprechen: Kennzahlen sind hilfreich, aber sekundär.<br />

Der Mensch ist erstrangig, denn ohne seine<br />

Motivation nützen auch die Kennzahlen nichts.<br />

Handelt es sich also bei KVP unter <strong>der</strong> Philosophie<br />

Lean um ein gutes, strukturiertes Projektmanagement?<br />

Wir nutzen KVP als eine Methode <strong>der</strong> Lean-Philosophie.<br />

Ja, man könnte es als ausgeklügeltes Projektmanagement<br />

bezeichnen: Was ist mein Arbeitsauftrag,<br />

was ist mein Budget, was sind meine Ressourcen?<br />

So läuft auch <strong>der</strong> KVP − mit dem Grundgedanken<br />

Verschwendung zu reduzieren bzw. zu eliminieren<br />

− ab. Und da landen wir wie<strong>der</strong> bei Lean.<br />

Was für eine Lebensdauer wird Lean in <strong>der</strong> Entwicklung<br />

haben?<br />

Das hängt von <strong>der</strong> Unternehmenskultur ab. Solange<br />

<strong>der</strong> Mensch die Chance <strong>der</strong> Verbesserung erhält, sehe<br />

ich Lean lange als erfolgreiche Philosophie in den<br />

Unternehmen. Nehme ich den Mitarbeitern Angst,<br />

wandle Sorgen in konstruktive Verbesserungen um,<br />

dann ist das <strong>der</strong> Schlüssel zum Erfolg. Die Automobilindustrie<br />

steht nach 125 Jahren vor einem technologischen<br />

Wandel: Elektromobilität. Daher müssen<br />

wir in immer neuer Weise prozessorientiert denken<br />

und handeln. Das wird meines Erachtens immer<br />

sinnvoll bleiben; wie das Streben nach Perfektion. <<br />

20 DER F&E MANAGER 01/2011 DER F&E MANAGER 01/ 2011 21

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