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Menschenrechte und Wirtschaft - Forschungsjournal Soziale ...

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DIE UNTERSCHIEDLICHEN KLASSEN DER MENSCHENRECHTE W<br />

HAUPTBEITRÄGE<br />

des Unterrichts <strong>und</strong> der Bildung, auf Kunst-,<br />

Kultur- <strong>und</strong> Wissenschaftsfreiheit. Man könnte<br />

auch sagen, dass dieser Auffassung nach die<br />

<strong>Menschenrechte</strong>n sich gegen die Gefährdungen<br />

physischer <strong>und</strong> psychischer Integrität wenden,<br />

dass sie also die körperlichen <strong>und</strong> geistigen<br />

Aspekte personaler Selbstbestimmung<br />

schützen, <strong>und</strong> dass insofern auch das Recht<br />

auf Schutz des Privatlebens, des Briefgeheimnisses<br />

<strong>und</strong> noch weitere andere hierher gehören.<br />

Der Freiheitsbegriff ist hier zunächst nur negativ<br />

bestimmt: als Abwesenheit von Vereitelungen<br />

<strong>und</strong> Hindernissen für mögliche Entscheidungen<br />

<strong>und</strong> Handlungen einer Person. Seit<br />

Hobbes wird in der liberalen Tradition der Freiheitsbegriff<br />

in dieser negativen Weise verstanden.<br />

Gegen diese Auffassung ist eingewandt<br />

worden, dass sich damit auch extrem ungleiche<br />

Verteilungen von Reichtum oder von Eigentum<br />

rechtfertigen lassen, z.B. wenn niemand<br />

den in menschenunwürdigen Zuständen<br />

lebenden Armen daran hindert, seine Situation<br />

zu verbessern, wäre - nur diese Bedeutung<br />

von Freiheit unterstellt - seine Lage nicht allein<br />

durch Berufung auf die <strong>Menschenrechte</strong><br />

zu verbessern. An dieser Stelle setzt eine moralische<br />

Kritik des liberalen Freiheitsbegriffs<br />

an, die damit argumentiert, dass auch eine negative<br />

Freiheit für uns nur dann einen Wert hat<br />

oder geschätzt wird, wenn wir die damit ermöglichten<br />

Handlungen oder Entscheidungen<br />

auch wirklich durchführen können, <strong>und</strong> das<br />

kann man dann so ausdrücken, dass wir auch<br />

das Recht zur Verwirklichung unserer Freiheiten<br />

haben wollen (Tugendhat 1998: 48ff). Wir<br />

schätzen unsere Freiheit nur dann wirklich,<br />

wenn wir auch die Fähigkeiten <strong>und</strong> die Gelegenheiten<br />

dazu haben, zu tun, was wir wollen.<br />

Die Begründungsforderungen führen daher zu<br />

einer Erweiterung oder Ergänzung des negativen<br />

Freiheitsbegriffs durch einen positiven, der<br />

die Fähigkeiten <strong>und</strong> Gelegenheiten umfasst,<br />

zu tun, was man will. Legt man diese erweitere<br />

Begründungsforderung zu Gr<strong>und</strong>e, so erweitert<br />

sich auch der Gegenstandsbereich, der<br />

durch die Freiheitsrechte zu schützen ist.<br />

Diesen Problemkomplex erschließt die Frage,<br />

welche Pflichten denn mit den Freiheitsrechten<br />

korrelieren? Traditionell hat man angenommen,<br />

da man zunächst nur an negative Freiheiten<br />

dachte, dass zu ihrem Schutz negative<br />

Pflichten auf Seiten des Staates ausreichend<br />

sind, d.h. der Staat ist verpflichtet, etwas nicht<br />

zu tun. So darf er nicht morden, nicht foltern,<br />

nicht willkürlich verhaften oder Reden verbieten<br />

oder unterbinden. Diese Auffassung war<br />

<strong>und</strong> ist auch deshalb populär, weil man annimmt,<br />

dass Unterlassungen ja nichts kosten.<br />

Gegen sie hat insbesondere Shue (1980) eingewandt,<br />

dass dem rechtlichen Schutz von Freiheiten<br />

drei Arten von Pflichten zuzuordnen<br />

sind:<br />

(1) Die Pflicht, das Recht nicht zu verletzen,<br />

woraus eine Pflicht zur Unterlassung, d.h. eine<br />

negative Pflicht folgt.<br />

(2) Die Pflicht des Staates, andere vor Verletzungen<br />

dieses Rechts zu schützen, woraus eine<br />

Schutzpflicht, also eine positive Pflicht folgt.<br />

(3) Die Pflicht, denen zu helfen, deren Recht<br />

verletzt wurde bzw. nicht erfüllt worden ist,<br />

woraus sich ein Hilfsgebot, also wiederum eine<br />

positive Pflicht ergibt.<br />

Positive Pflichten ergeben sich also schon für<br />

eine negative Auffassung von Freiheitsrechten,<br />

nicht erst bei einer positiven Freiheitsauffassung.<br />

Es ist daher irreführend, die Freiheitsrechte<br />

nur negative Rechte zu nennen, da mit<br />

ihnen sehr wohl auch positive Pflichten korrelieren.<br />

Die rechtliche Absicherung von Abwehrrechten<br />

der ersten Klasse erfordert mithin<br />

durchaus positive Leistungen des Staates, ins-

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